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German Pages 1308 [1336] Year 2010
Michael Anton Band 2: Zivilrecht – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel
Rechtshandbuch Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht
Rechtshandbuch Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht Band 2: Zivilrecht – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel Band 1: Illegaler Kulturgüterverkehr Band 3: Internationales Kulturgüterprivat- und Zivilverfahrensrecht Band 4: Nationales Kulturgüter- und Denkmalschutzrecht Band 5: Internationales und europäisches Recht Band 6: Strafrecht/Allgemeiner Teil
De Gruyter
Rechtshandbuch Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht Band 2: Zivilrecht – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel von Michael Anton
De Gruyter
Für die Förderung des Bandes 2: Zivilrecht – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel ist zu danken: juris GmbH, Saarbrücken
Dr. iur. Michael Anton, Dipl.-Jur. (Univ. des Saarlandes), LL.M. (Univ. of Johannesburg, ZA), Saarbrücken
ISBN 978-3-89949-724-3 e-ISBN 978-3-89949-725-0 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Datenkonvertierung: Werksatz Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
meiner lieben Ehefrau Silke Anton
Vorwort/Danksagung Das sechsbändige Handbuch ‚Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht‘ behandelt tatsächlich wie rechtlich komplexe Themen. Bernd Neumann, Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, verglich bspw. den Kulturgüterschutz mit einem Labyrinth des Rechts, in dem sich Juristen „ebenso verloren vorkommen wie Laien, denen die Materie ohnehin fern und fremd ist“1. Er sehnte sich nach dem Faden der Ariadne, der nach der griechischen Mythologie dem Königssohne Theseus von der Prinzessin geschenkt worden war und diesem – nachdem er den Minotaurus erschlagen hatte – den Weg aus dem Labyrinth wies. Jede Untersuchung im internationalen Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht sollte deshalb zwei Prämissen erkennen: Zum einen bestehen innerhalb der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter unzählige tatsächliche Sachverhaltskonstellationen, in denen kleine Nuancen große rechtliche Folgen aufweisen. In kulturellen Restitutionsstreitigkeiten verbietet sich folglich jede schematische Lösung! Zum anderen bedarf es für den Rechtsanwender aber auch eines brauchbaren Wegweisers, anhand dessen alle rechtserheblichen Unterschiede zur Lösung praktischer Fallkonstellationen Berücksichtigung finden. Das Handbuch ‚Internationales Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht‘ soll aus den genannten Gründen beiden Forderungen gerecht werden. Nur eine minutiöse Analyse der in der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter applizierten Rechtsinstitute im Allgemeinen und eine exemplarische Verdeutlichung anhand zahlreicher praktischer Beispielsfälle im Besonderen werden der Aufgabe gerecht, die divergierenden Fallkonstellationen zu verstehen und die erzielten Erkenntnisse in der realen Rechtsanwendung fruchtbar zu machen. Das Ziel ist dabei immer die Vermittlung eines abstrakten Verständnisses der einzelnen Rechtsinstitute und ihrer theoretisch möglichen Ausgestaltungsformen. Es wird nicht als Aufgabe angesehen, für jeden regelmäßig im illegalen Kunsthandel involvierten Staat abschließend dessen Rechtsordnung darzustellen. Vielmehr wird Wert darauf gelegt, dass beispielhaft ein Verständnis dafür geschaffen wird, welche Ausgestaltungsvarianten theoretisch denkbar und realistisch sind. Zur Veranschaulichung wird anhand zahlreicher Beispiele auf die praktische Bedeutung und Funktionsweise der involvierten Rechtsinstitute, einzelgerichtlichen Wertentscheidungen und internationalen Rechtsinstrumente zurückgegriffen. Damit wird für den Leser die Möglichkeit geschaffen, sich schnell in jede nationale Ausgestaltungsvariante einzudenken und selbstständig 1
Neumann, Zum Geleit, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg/Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, S. 7.
VIII
Vorwort/Danksagung
die Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch in solchen Rechtsordnungen vorzunehmen, die keine exemplarische Nennung in den vorliegenden Bänden erfahren. Gleichzeitig wird durch die Beschreibung der Geschehnisse und Hintergründe umstrittener Kulturgüter die besondere ‚Stimmung‘ in der Welt der Schönen Künste auch für uns Juristen spürbar – ein Wert, der für eine ‚gerechte‘ Entscheidung kultureller Restitutionsstreitigkeiten unermesslich ist. Damit hierbei für den Leser der ‚rote Faden‘ nicht verloren geht, werden die Bände mit fortlaufenden „§§“ mit der Überschrift „Ergebnis“ durchzogen, die eine Zusammenfassung der voranstehenden Erkenntnisse und einen Ausblick auf die nachfolgenden Analysen geben. So wie der – erstmals von Johann Wolfgang von Goethe in seinem Roman ‚Die Wahlverwandtschaften‘ aus dem Jahre 1809 beschriebene – ‚rote Kennfaden‘ sämtliche Tauwerke der britischen Marine durchzieht, sind auch die fortlaufenden Untersuchungsergebnisse „dergestalt gesponnen, dass ein roter Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen“2. Die einzelnen §§ verkörpern die Essenz der Untersuchungen und können als eigenständige Monografie nacheinander gelesen werden, um einen Überblick über die Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, die Sorgfaltsanforderungen und den ‚guten Glauben‘ im internationalen Kunsthandel zu erlangen. Infolgedessen sind Wiederholungen der sicherungswürdigen Ergebnisse voranstehender Abschnitte innerhalb der einzelnen §§ eine Konsequenz der Zielsetzung des Gesamtwerkes: Ein konkreter Wegweiser für die praktische Entscheidungsfindung einerseits und die richtige Auslegung, Interpretation und Fortentwicklung des internationalen Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts andererseits. Formal ist darauf hinzuweisen, dass bei Verweisen (bspw. 4 99) innerhalb eines Bandes die fettgedruckte Zahl (4) den Teil und die unformatierte Zahl (99) die Randnummer meint. Der ersehnte Faden der Ariadne ist damit gelegt und der Leser soll sich aufgefordert fühlen, den Weg aus dem Labyrinth des internationalen Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts selbst nachzugehen. Auch wenn Abzweigungen in einer so stark kulturpolitisch und rechtsmoralisch durchdrungenen Materie wie der vorliegenden im Einzelfall immer diskutabel sind, legt das insgesamt sechsbändige Handbuch ‚Internationales Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht‘ diejenigen Wegpunkte offen zu Tage, ohne deren Passage meines Erachtens kein Ausweg aus dem Labyrinth der widerstreitenden Interessen innerhalb des internationalen Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts gefunden wird.
2
Vgl. hierzu die einleitenden Bemerkungen des ersten Auszugs aus Ottiliens Tagebuch.
Vorwort/Danksagung
Das Vorwort bietet die Möglichkeit der Danksagung. An erster Stelle möchte ich hier meinem verehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek Dank für die freundschaftliche Unterstützung ‚in allen Lebenslagen‘ ausdrücken. Prof. Martinek förderte nicht nur meinen studentischen Werdegang an der Universität des Saarlandes und an der University of Johannesburg in Südafrika, sondern seit 2005 auch als Assistent an seinem Lehrstuhl. Herzlichen Dank für diese interessante und abwechslungsreiche Zeit und die dabei gewonnenen Erfahrungen! Da Band 2: Zivilrecht – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes als Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors des Rechts angenommen wurde (Disputation: 20.1.2009, Dekan: Prof. Dr. Maximilian Herberger (Vorsitz), Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek, Prof. Dr. Wilfried Fiedler, Priv.-Doz. Dr. Michael Elicker), möchte ich Herrn Prof. Martinek außerdem für die zügige Erstellung des Erstgutachtens während seines Forschungssemesters an der University of Johannesburg danken. Aus diesem Grund möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Wilfried Fiedler ganz herzlichen Dank für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens meiner Dissertation aussprechen. Es hat mich besonders gefreut, dass Herr Prof. Martinek Herrn Prof. Fiedler als ausgewiesenen Experten des Kulturgüterschutzrechts für die Übernahme des Zweitgutachtens gewinnen konnte. Es ist erfeulicherweise darauf hinzuweisen, dass die Dissertation mit dem Thema „Guter Glaube im internationalen Kunsthandel“ von dem Deutschen Institut für Kunst und Recht, Heidelberg, mit dem Dissertations- und Habilitationspreis 2009 ausgezeichnet wurde. Herzlichen Dank an Herrn Dr. Kemle und Herrn Dr. Weller, den ersten und zweiten Vorsitzenden des IFKUR, für diese Ehre! Außerdem wurde der vorliegende Band mit dem Förderpreis der Dr. Friedrich Feldbausch-Stiftung für die beste wirtschaftliche Dissertation des akademischen Jahres 2008/2009 an der Universität des Saarlands ausgezeichnet. Herrn Dr. Michael Schremmer danke ich für die freundschaftliche Aufnahme des Rechtshandbuchs Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht in das Programm des Verlags De Gruyter Rechtswissenschaften. Herr Dr. Schremmer brachte dem Projekt von Beginn an großes Interesse und Engagement entgegen und hat so erheblichen Anteil daran, dass nun auch für den deutschen Rechtskreis eine systematische Aufarbeitung dieses sich noch in der Entwicklung, aber mehr und mehr im Vordringen befindenden Rechtsgebiets erfolgt. In besonderem Maße ist die juris-GmbH, Saarbrücken, herauszustellen, die die Drucklegung des Bandes 2: Zivilrecht – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel durch einen erheblichen Druckkostenzuschuss unterstützte. Erst durch diese Förderung wurde das Projekt Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht gesichert – mein aufrichtiger Dank hierfür! Dabei ist insbesondere auch auf die unbürokratische und freundliche Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Gerhard Käfer, Geschäftsführer der juris-GmbH, hinzuweisen.
IX
X
Vorwort/Danksagung
Schließlich möchte ich mich an meine Familie wenden. Der größte Dank gebührt meinen lieben Eltern, Christa und Herbert Anton, die mich in allen Lebenslagen bedingungslos mit Rat und Tat unterstützten. Ohne ihre Hilfe wäre das vorliegende Projekt nicht möglich gewesen. Unverzichtbar für das Erscheinen war dabei auch die orthografische Korrekturarbeit meiner Mutter, die als Nichtjuristin alle menschenmöglichen Anstrengungen unternahm, sich nicht im Labyrinth des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts zu verlieren. Ganz herzlichen Dank hierfür meinen lieben Eltern! ‚Last but not least‘ schulde ich meiner lieben Ehefrau Silke Anton Dank für ihre Liebe, Aufmerksamkeit, Aufmunterung und ihr Verständnis während der Entstehungszeit des Manuskripts. In unzähligen Diskursen (selbst am Frühstückstisch) bat ich Silke, ‚meinen‘ Faden der Ariadne aus dem Labyrinth des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts nachzugehen. Auch ihr Zuspruch ebenso wie ihre Kritik als Ehefrau und Freundin haben zum Gelingen des Bandes beigetragen. Band 2: Zivilrecht – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel sei ihr zum Dank gewidmet! Ich würde mich sehr über kritische Anmerkungen seitens der Leser sowie über Hinweise zu neuen gesetzlichen, judikativen und außerrechtlichen Entwicklungen ebenso wie tatsächlichen Fallkonstellationen aus der Praxis des internationalen Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts freuen (AntonMichael@ t-online.de). Vielen Dank hierfür! Saarbrücken, Oktober 2009
Michael Anton
Inhaltsübersicht Band 2 1. Teil – Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ‚guter Glaube‘ im internationalen Kunsthandel . . . . .
1
1. Abschnitt – Illegaler Kulturgüterverkehr
2
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Abschnitt – Interessen im Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht
. .
7
. . . . .
16
4. Abschnitt – Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im kulturgüterunspezifischen Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
5. Abschnitt – Kulturgüterspezifische Implikationen im Zivilrecht . . . . . . . .
29
2. Teil – Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
1. Abschnitt – Rechtlicher Rahmen des Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
2. Abschnitt – Grundsätzlicher Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit ausnahmsweise zulässiger bona fide-Akquisition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
3. Abschnitt – Genereller Gutglaubenserwerb auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zum absoluten Schutz redlicher Erwerber . . . . . .
133
4. Abschnitt – Lösungsrecht als Kompromiss zwischen Eigentümer und gutgläubigem Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
3. Abschnitt – Defizite im kulturgüterspezifischen Rechtsschutzsystem
5. Abschnitt – Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs kultureller Wertgegenstände als res extra commercium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
3. Teil – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 1. Abschnitt – Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
322
2. Abschnitt – Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit beim Erwerb von Kulturgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
479
3. Abschnitt – Dokumentationsquellen innerhalb der Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
669
4. Teil – Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
713
1. Abschnitt – Rechtsdogmatische Abgrenzung von Ersitzung, Verjährung und Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
717
2. Abschnitt – Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . .
735
XII
Inhaltsübersicht
5. Teil – Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 1. Abschnitt – Keine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche im Interesse der ursprünglichen Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . .
795
2. Abschnitt – Gesetzliche Ausgleichsmodelle der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
806
3. Abschnitt – Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche im Interesse der Restitutionsschuldner und des Rechtsfriedens . .
819
4. Abschnitt – Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . 902
6. Teil – Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche: Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer und Restitutionsgläubiger
1009
1. Abschnitt – Unzureichende Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer und Restitutionsgläubiger als Restitutionseinwand . . . . . . . . . . . . . 1013 2. Abschnitt – Rechtskonstruktion des kulturgüterspezifischen Verwirkungseinwandes aus rechtsvergleichender Sicht . . . . . . . . . . . . . 1015 3. Abschnitt – Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes – Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell als Präzedenz . . 1019 4. Abschnitt – Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche und spezielle Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer innerhalb des BGB? . . . . . 1058
7. Teil – Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1099 1. Abschnitt – Restitutionspflicht unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach unsorgfältigem Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1101 2. Abschnitt – Recht auf Kompensationszahlung innerhalb eines sog. Lösungsrechts nach der Restitution illegal transferierter Kulturgüter . . . 1105 3. Abschnitt – Gefahr wirtschaftlicher Entwertung illegal transferierter Kulturgüter und großer Reputationsverluste kultureller Institutionen . . 1110 4. Abschnitt – Sorgfältige Provenienzerforschung schützt vor der Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen bei Weiterveräußerung – am Beispiel zweier Matisse-Gemälde . . . . . . . . . . . . . . . . 1116 5. Abschnitt – Mindestverhaltensanforderungen schützen vor strafrechtlichen Sanktionen beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter . . . . 1124 6. Abschnitt – Bußgeldbewehrte Mindestverhaltensanforderungen, Sorgfaltsund Aufzeichnungspflichten der professionell am Kunsthandel Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1140 7. Abschnitt – Erfüllung der selbstauferlegten Erwerbsregeln und Verhaltensstandards bei Einhaltung der notwendigen Sorgfaltsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1164
Inhaltsübersicht
8. Abschnitt – Ausschluss kultureller Restitutionsansprüche bei unsorgfältigem Verhalten der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter? 1166
8. Teil – Synopsis: Internationaler Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 1173 Verzeichnis der Schemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1217 Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1219 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1223
XIII
Paragrafenverzeichnis § 1 Ergebnis: Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht im Zivilrecht und kulturgüterspezifische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
§ 2 Ergebnis: Einwand des gutgläubigen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . .
47
§ 3 Ergebnis: Kein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Common Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
§ 4 Ergebnis: Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nur beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung innerhalb der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123
§ 5 Ergebnis: Inkorporation eines Lösungsrechts gutgläubiger Erwerber in nationalen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
152
§ 6 Ergebnis: Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers als Kompromiss innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214
§ 7 Ergebnis: Extrakommerzialität kultureller Güter als Allzweckwaffe im Kampf gegen den illegalen Kunsthandel? . . . . . . . . . . . . . . . . .
306
§ 8 Ergebnis: Gutgläubigkeit in kulturgüterspezifischen zwischenstaatlichen Rechtsinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
354
§ 9 Ergebnis: Provenienzerforschung innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
384
§ 10 Ergebnis: Provenienzerforschung, Berücksichtigung speziellen Fachwissens und Umkehr der Beweislast im internationalen Kunsthandel . . . . . . . .
467
§ 11 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb gestohlener Kulturgüter . .
517
§ 12 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb illegal exportierter Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
571
§ 13 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst . . . . . . . . . . . . . . .
658
§ 14 Ergebnis: Recherchemöglichkeiten zur Provenienzbestimmung und die Forderung nach einem sog. ‚Kunstobjekt-Brief‘ . . . . . . . . . .
708
§ 15 Ergebnis: Auswirkungen des Zeitablaufs innerhalb der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
731
§ 16 Ergebnis: Synkritische Bewertung der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch das Rechtsinstitut der Ersitzung innerhalb des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
782
§ 17 Ergebnis: Derogation der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche de lege ferenda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
892
§ 18 Ergebnis: Verjährung, Verwirkung und Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor amerikanischen Gerichten
995
XVI
Paragrafenverzeichnis
§ 19 Ergebnis: Verwirkung bei ungebührlich später Forderung der Restitution und Beweisnot des Putativschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1086 § 20 Ergebnis: Inauguration spezieller Sorgfaltsanforderungen und guter Glaube als Heilverfahren des illegalen Kunsthandels . . . . . . . . . . . . . . . . . 1167 § 21 Zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – das kulturelle Restitutionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1174 § 22 Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht – 50 Thesen . . . . . 1178
Inhaltsverzeichnis Band 2 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII
1. Teil – Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ‚guter Glaube‘ im internationalen Kunsthandel . . . . .
1
1. Abschnitt – Illegaler Kulturgüterverkehr
2
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Abschnitt – Interessen im Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht
. .
7
. . . . .
16
4. Abschnitt – Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im kulturgüterunspezifischen Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
A. Rechtsgeschäftlicher Gutglaubenserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ersitzungserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – eine Einführung C. Verjährung kultureller Restitutionsansprüche – eine Einführung . . . . . D. Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche – eine Einführung . . . . .
. . . .
22 25 26 27
5. Abschnitt – Kulturgüterspezifische Implikationen im Zivilrecht . . . . . . . .
29
§ 1 Ergebnis: Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht im Zivilrecht und kulturgüterspezifische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
2. Teil – Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
1. Abschnitt – Rechtlicher Rahmen des Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
3. Abschnitt – Defizite im kulturgüterspezifischen Rechtsschutzsystem
A. Rechtskonstruktive Ausgestaltung der Eigentumsübertragung . . . . . . . . B. Interessengegensätze innerhalb des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Grundsätzliche Unterschiede im Common und Civil Law . . . . . . . . . .
40 46
§ 2 Ergebnis: Einwand des gutgläubigen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
2. Abschnitt – Grundsätzlicher Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit ausnahmsweise zulässiger bona fide-Akquisition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
A. Beispielhafte Ausgestaltung innerhalb des Common Law-Rechtskreises . . . I. Nemo dat quod non habet-Grundsatz des Common Law-Rechtskreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung zwischen anvertrauten und gestohlenen Kulturgütern innerhalb des amerikanischen UCC . . . . . . . . . . . . . . 2. „[T]he buyer acquires no better title to the goods than the seller had“ innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens . . . . . . . . . . . . II. Ausnahmsweise Zulässigkeit des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb des Common Law-Rechtskreises . . .
39
52 53 55 60 61
XVIII
Inhaltsverzeichnis
1. Ausnahmesituationen gutgläubigen Erwerbs kultureller Wertgegenstände innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . 2. Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens . . . . . . . . . . . . . . .
67
§ 3 Ergebnis: Kein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Common Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
B. Grundsätzlicher Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der deutschen Rechtsordnung . . . . . . I. Qualifikation unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als Abhandengekommen i.S.d. § 935 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abhandenkommen in der Kategorie des sog. ‚kulturellen Diebstahls‘ a) Die Entscheidung Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon . . . b) Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzmittler . . . . c) Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzdiener . . . . 2. Kulturelle Beutenahme als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB . . . 3. Formal ‚freiwillige‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts unter Drohung, Zwang und Gewalt als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kategorien der sog. kulturellen Verstaatlichung als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abhandenkommen und Verstaatlichung durch die öffentliche Gewalt als Problem des Besitzverlustes kraft öffentlichen Rechts . b) Nichtige kulturelle Verstaatlichung kein Abhandenkommen . . . c) Qualifikation einer nichtigen kulturellen Verstaatlichung kultureller Wertgegenstände als Abhandenkommen . . . . . . . . . . . d) Verstaatlichung von Raubkunst als Abhandenkommen nach der sog. Sperrmüll-Macke-Entscheidung des LG Bonn vom 25.6.2002 5. Illegaler Export von zu Staatseigentum designierten Kulturgütern als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Wege der öffentlichen Versteigerung nach §§ 935 Abs. 2, 383 Abs. 3 BGB . . . 1. Interessenverteilung beim gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Wege der öffentlichen Versteigerung . . . 2. Das Merkmal der ‚öffentlichen Versteigerung‘ innerhalb des sog. Hamburger Stadtsiegel-Falls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
72 80 80 81 86 89 92
97 101 103 104 105 110 113 116 116 118
§ 4 Ergebnis: Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nur beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung innerhalb der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123
3. Abschnitt – Genereller Gutglaubenserwerb auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zum absoluten Schutz redlicher Erwerber . . . . . .
133
4. Abschnitt – Lösungsrecht als Kompromiss zwischen Eigentümer und gutgläubigem Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
A. ‚Droit de remboursement‘ innerhalb der französischen Rechtsordnung . . . B. Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber dem gutgläubigen Erwerber gegen Vergütung des von diesem bezahlten Preises innerhalb der Schweizer Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140
145
Inhaltsverzeichnis
C. Sonstige Ausgestaltungsvarianten eines Lösungsrechts beim Erwerb unrechtmäßig entzogener (Kultur-)Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150
§ 5 Ergebnis: Inkorporation eines Lösungsrechts gutgläubiger Erwerber in nationalen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
152
D. Kulturgüterspezifische Ausgestaltungsvarianten eines kulturellen Lösungsrechts zugunsten des Restitutionsverpflichteten durch das kulturelle Zuordnungssubjekt innerhalb des internationalen Kulturgüterverkehrs . . . . . . I. ‚Payment of just compensation‘ nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frage nach der Kompensationsberechtigung . . . . . . . . . . . . . 2. Kompensationsberechtigung auch bösgläubiger Erwerber? . . . . . . 3. Angemessene Höhe der Entschädigungszahlung . . . . . . . . . . . II. ‚Payment of fair and reasonable compensation‘ nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 . . . . . . . . . 1. Kompensation des restitutionspflichtigen Besitzers gestohlener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frage nach der richtigen Entschädigungshöhe . . . . . . . . . . . b) Kompensationsfähigkeit von Rückführungs- und Restaurierungskosten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahren der Entschädigungszahlung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kompensation des restitutionspflichtigen Besitzers illegal exportierter Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen und Ausgestaltung eines Lösungsrechts bei der Restitution illegal exportierter Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . b) Keine Kompensationszahlungspflicht für den bloßen Besitzverlust c) Frage nach der richtigen Entschädigungshöhe . . . . . . . . . . . III. ‚Angemessene Entschädigungszahlung‘ nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 innerhalb des innereuropäischen Kulturgüterverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung der Kompensationsberechtigung . . . . . . . . . . . . . 2. Höhe der Kompensationssumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6 Ergebnis: Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers als Kompromiss innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
154 155 156 165 166 173 181 182 186 189 192 194 197 199
200 204 209
214
5. Abschnitt – Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs kultureller Wertgegenstände als res extra commercium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 A. Kulturgüter als ‚öffentliche Sachen‘ und die spezialgesetzliche Extrakommerzialität als Gründe der Verkehrsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Extrakommerzialität im engeren Sinn aufgrund der Qualifizierung kultureller Güter als ‚öffentliche Sachen‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der sog. ‚domaine public‘ der französischen Rechtsordnung . . . . . 2. Der sog. ‚demanio pubblico‘ der italienischen Rechtsordnung . . . . II. Explizite normative Anordnung einer Extrakommerzialität kultureller Güter im weiteren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Extrakommerzialität im weiteren Sinne innerhalb des französischen Kulturgüterschutzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschaffung der Extrakommerzialität kultureller Güter im weiteren Sinne nach gesetzlicher Anordnung innerhalb des neuen Decreto
227 228 229 237 242 243
XIX
XX
Inhaltsverzeichnis
Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Extrakommerzialität im weiteren Sinne innerhalb weiterer Kulturgüterschutzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhaltliche Ausgestaltung des Rechtsinstituts der res extra commercium gegenüber kulturellen Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausschluss des gutgläubigen, rechtsgeschäftlichen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschluss der akquisitiven Ersitzung und extinktiven Verjährung abhandengekommener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Praktische Applikation der Extrakommerzialität kultureller Güter . . . 1. … am Beispiel der französischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . 2. … am Beispiel der Rechtsordnung Mexikos . . . . . . . . . . . . . . 3. … am Beispiel der amerikanischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . C. Keine Extrakommerzialität kultureller Güter innerhalb der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kulturgüter als ‚öffentliche Sachen‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Extrakommerzialität des Hamburger Stadtsiegels im Zivilrechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Extrakommerzialität kultureller Güter im Verwaltungsrechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Extrakommerzialität kultureller Güter innerhalb der deutschen Rechtsordnung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die sog. privatrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die sog. öffentlich-rechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abwägung zwischen der sog. privatrechtlichen und der sog. öffentlichrechtlichen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Ergebnis: Extrakommerzialität kultureller Güter als Allzweckwaffe im Kampf gegen den illegalen Kunsthandel? . . . . . . . . . . . . . . . . .
253 256 258 260 263 265 265 267 268 271 272 276 280 286 289 293 304 306
3. Teil – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 1. Abschnitt – Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorbildwirkung internationaler bzw. europäischer Rechtsinstrumente zur Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. ‚Innocent purchaser‘ in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strikter Sorgfaltsmaßstab nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene und nach Art. 6 Abs. 1 für illegal exportierte Kulturgüter nach der UNIDROITConvention vom 24. Juni 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. ‚Due diligence‘-Anforderungen beim Erwerb gestohlener Kulturgüter a) Erwerbsumstände als Bewertungskriterien der Gutgläubigkeit im Hinblick auf gestohlene Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . b) Notwendigkeit aktiver Provenienzerforschung . . . . . . . . . . . c) Rechtsdogmatische Bewertung der UNIDROIT-Anforderungen an gutgläubige Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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328 329
331 333 335 338 340
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2. Kriterien der Bösgläubigkeit beim illegalen Export kultureller Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abkehr von der im Fahrniserwerb grundsätzlich bekannten Gutglaubensvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. ‚Erforderliche Sorgfalt‘ nach Art. 9 der EG-Richtlinie vom 15. März 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
349
§ 8 Ergebnis: Gutgläubigkeit in kulturgüterspezifischen zwischenstaatlichen Rechtsinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
354
B. Strenger Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . I. ‚Inquiry of status of title‘ seitens professionell im Kunsthandel tätiger Personen innerhalb der Rechtssache Menzel v. List . . . . . . . . . . II. ‚Commercial indifference‘ von Kunsthändlern als Kriterium der Bösgläubigkeit nach der Entscheidung Porter v. Wertz . . . . . . . . . . III. Gutglaubensausschluss „when a merchant buyer closes his eyes to the danger signals“ innerhalb der Konstellation Taborsky v. Maroney . . IV. Bestätigung der Provenienzerforschungsobliegenheit von Kunsthändlern in der weiteren, kulturgüter-spezifischen Rechtsprechung . V. Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der Entscheidung Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verdächtige Erwerbsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unzureichende Erfüllung der Provenienzerforschungsobliegenheit 3. Kriterien zum Nachweis der Gutgläubigkeit von professionell im Kunsthandel tätigen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Schwierigkeiten in der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs in der Entscheidung United States of America v. an Original Manuscript . . . VII. Verifizierungsbemühungen auch privater Kunstsammler nach der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell . . . . . .
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§ 9 Ergebnis: Provenienzerforschung innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
384
C. Sorgfaltsmaßstab innerhalb der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . I. Kenntnis von der Nichtberechtigung des Veräußerers nach § 932 Abs. 2 Alt. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grobfahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Veräußerers nach § 932 Abs. 2 Alt. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nichtbeachtung signifikanter Hinweise des Erwerbers bei der Veräußerung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch einen Nichteigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterlassen gebotener Nachforschungen: Verifizierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als Obliegenheit gutgläubiger Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Provenienzerforschungsobliegenheit gutgläubiger Erwerber in konkreten Verdachtssituationen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Generelle Nachforschungsobliegenheit innerhalb des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs als verkehrstypische Gefahrensituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
386 388 389
394
395
401
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XXI
XXII
Inhaltsverzeichnis
(1) Vertrauen des Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auf die augenscheinliche Besitzlage als Ausgangslage . . (2) Qualifizierung des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs als verkehrstypische Gefahrensituation und die Forderung nach generellen Provenienzerforschungsanstrengungen . . . . . . . (3) Subjektivierung des notwendigen Provenienzerforschungsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Möglichkeit eines variablen Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der notwendigen Provenienzrecherche . . . . . . . . . . . . . . . 3. Praktisch bedeutsam: Beweislastverteilung in Restitutionsansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prüfungsschema der Beweislast (Teil 1) . . . . . . . . . . . . . . . b) Forderung nach einer gesetzlichen Umkehr der Beweislast im Kunsthandel innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsliteratur c) Faire Beweislastverteilung de lege lata bei Annahme einer Provenienzerforschung im internationalen Kunsthandel – Prüfungsschema der Beweislast (Teil 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Tatsächliche Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren illegal exportierter Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Tatsächliche Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren gestohlener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Konkretisierung der Beweislastverteilung am Beispiel der Restitution nationalsozialistisch- und kriegsbedingter Kulturgutverluste . (1) 1. Schritt: Vermutung der Kollektivverfolgung . . . . . . . . . (2) 2. Schritt: Vermögensverlust durch Zwangsverkauf, Enteignung oder auf sonstige Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) 3. Schritt: Widerlegung der Vermutungsregelung bei rechtsgeschäftlichen Kulturgutverlusten durch den Restitutionsbeklagten bei Veräußerungen bis zum 15.9.1935 . . . . . . . . (4) 4. Schritt: Erschwerte Widerlegung der Vermutungsregelung ab dem 15.9.1935 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Bewertung der Beweislastverteilung in Beutekunst-, Fluchtkunst- und Raubkunst-Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Guter Glaube innerhalb der Schweizer Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . E. Eingeschränkter Sorgfaltsmaßstab innerhalb der italienischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Spezielle Provenienzerforschung innerhalb der selbstauferlegten Verhaltensstandards der professionell am Kunsthandel Beteiligten . . . . . . . . . . .
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408 413 419 423 423 424
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§ 10 Ergebnis: Provenienzerforschung, Berücksichtigung speziellen Fachwissens und Umkehr der Beweislast im internationalen Kunsthandel . . . .
467
2. Abschnitt – Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit beim Erwerb von Kulturgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
479
A. Kriterien zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb gestohlener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Objektive Indizien zur Bestimmung verdächtiger Erwerbsumstände im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr mit gestohlenen Kulturgütern . . 1. Art, Gestaltung und Inhalt des konkreten Kulturguttransfers als Indizien am Beispiel des Erwerbspreises und der Erwerbszeit . . . . .
480 481 481
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2. Relevanz des Erwerbsorts und die besondere Objektqualität des Erwerbsgegenstandes als Indizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besondere Umstände der Kaufsache als verdachtsbegründende Indizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besitzverhältnisse und die Besitzdauer beim Veräußerer sowie ungewöhnliche Eile bei der Veräußerung als weitere Indizien der Nichtberechtigung des Veräußerers . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verkehrsübliche bzw. verkehrsunübliche Abwicklung der kulturellen Veräußerung als weitere objektive Indizien . . . . . . . . . . . . . II. Subjektive Kriterien der Bestimmung verdächtiger Erwerbsumstände im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr mit gestohlenen Kulturgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legitimation des Veräußerers als subjektives Hinweiszeichen . . . . 2. Relevanz der Erklärungen des Veräußerers . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung von Urkunden als Indizien der Eigentümerstellung des Veräußerers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vermögenslage und geschäftliches Verhalten als Kriterien zur Bestimmung der Eigentumsposition des Veräußerers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonstige erkennbare Umstände im Bereich der Person des Veräußerers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Applikation dieses Kriterienkataloges innerhalb der Restitutionssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg . . .
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§ 11 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb gestohlener Kulturgüter . .
517
B. Spezielle Sorgfaltsanforderungen und Verdachtsmomente beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kenntnis von der Kulturgüterschutzvorschrift beim Export kultureller Wertgegenstände aus dem kulturellen Ursprungsstaat . . . . . . . . . . II. Konkreter Sorgfaltsmaßstab beim gutgläubigen Erwerb illegal exportierter Kulturgüter – die Vorgaben der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aktuelle Entwicklung: Gesteigerte Sorgfaltsanforderungen seit Erlass der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 . . . . . . . . . . . 1. Staatliche Richtlinien zum Erwerb kultureller Wertgegenstände ohne rechtliche Bindungskraft anhand der britischen sog. DCMS-Guidelines 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Museale Erwerbsregeln kollektiver Verbände und einzelner Museen . a) Erwerbsregeln des International Council of Museums . . . . . . . b) Erwerbsregeln der American Association of Museums . . . . . . c) Erwerbsregeln der Association of Art Museum Directors . . . . . d) Individuelle Erwerbsregeln und Verhaltensstandards einzelner Museen am Beispiel der Policy on Acquisitions des British Museum vom 24. April 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erwerbsregeln deutscher Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erwerbsregeln der professionell im Kunsthandel tätigen Kunsthändler und Galeristen sowie deren Interessenvertreter . . . . . . . . 4. Verhaltensstandards der Auktionshäuser . . . . . . . . . . . . . . . 5. Positive Effekte sog. Codes of Ethics im (inter-)nationalen Kunsthandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXIII
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§ 12 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb illegal exportierter Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verdächtige Erwerbsumstände im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr mit Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entarteter‘ Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Besondere temporale Kriterien in der Bestimmung der Gut- oder Bösgläubigkeit in Abhängigkeit von dem Zeitpunkt und der Epoche des Kulturguterwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gutgläubiger Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst nach der unmittelbaren Nachkriegszeit und vor Beginn der Provenienzrecherchen der 1990er Jahre . . . . . 2. Gutgläubiger Erwerb seit Beginn der Provenienzrecherchen mit Beginn der 1990er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gutgläubiger Erwerb kultureller Güter während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit . a) Zeitliche Zäsur im Jahre 1943 in der Beurteilung ‚verdächtiger Umstände‘ beim Erwerb von Beutekunst . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausschluss des redlichen Erwerbs von Beutekunst nach Erlass der Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 . . . . . . . . . (2) Applikation der zeitlichen Zäsur in den Schweizer Raubgutbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bestätigung der zeitlichen Zäsur des Jahres 1943 vor ordentlichen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kenntnis bzw. Kennenmüssen um den kulturellen Fluchtgutcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst als Kategorien unrechtmäßiger nationalsozialistischer Verstaatlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Nichtigkeitswirkung der Verstaatlichung von Raub- und ‚entarteter‘ Kunst nach der Radbruchschen Formel schlägt auf die Gutgläubigkeit der Erwerber durch . . . . . . . . . . . . . (2) Nationalsozialistische Entziehungsgesetze als legitimierende Grundlage aus Sicht der Erwerber? . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine generelle Bösgläubigkeit beim Erwerb unrechtmäßig verstaatlichter Raubkunst und entarteter Kunst während der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft . . . . . . . . . . . II. Spezielle Indizien, die auf eine ‚verdächtige‘ Akquisition von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst hindeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Jüdische Provenienz des zu erwerbenden Kunstwerks . . . . . . . . . 2. Signaturen der Eigentümer oder vergleichbare Kürzel zur Bestimmung der Provenienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hinweise auf nationalsozialistische Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes und deren Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beteiligung nationalsozialistischer Kunsthändler als Anzeichen einer Veräußerung von Beute-, Raub- und ‚entarteter‘ Kunst . . . . . . . . 5. Versteigerung in einer sog. Judenauktion als Hinweiszeichen auf den kulturellen Fluchtgutcharakter (Raubkunst der sog. ersten Phase) . .
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6. Versteigerung unmittelbar durch die nationalsozialistischen Behörden als Hinweiszeichen auf den Raubkunstcharakter . . . . . . . . . . . 7. Beteiligung von Spezialsachverständigen, Transportunternehmen und Hinweise auf eine Verwahrung in bekannten NS-Aufbewahrungsund Verbringungsorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 13 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Abschnitt – Dokumentationsquellen innerhalb der Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
669
A. Fachzeitschriften, spezielle Veröffentlichungen, unabhängige Wissenschaftler, Kunsthistoriker und Archäologen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Werkverzeichnisse der Künstler als Dokumentationsquelle . . . . . . . . . . C. Werkkataloge und Verlustverzeichnisse von Museen, Galerien und privaten Kunstsammlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Interpol und entsprechende staatliche Polizei- und Informationsstellen als Möglichkeit der Provenienzerforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. ICOM Red List als Informationsquellen illegal transferierter Kulturgüter . F. Öffentlich zugängliche Datenbanken als standardisierte Informationsquellen innerhalb der kulturellen Provenienzrecherche . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art Loss Register als weltweit größte Datenbank illegal transferierter Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lost Art Internet Database der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste zur Erfassung nationalsozialistisch und Zweiter Weltkrieg bedingter Kulturgutverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Staatliche Datenbanken zur Provenienzerforschung und Suche nach unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Bundes-, Landes- und Kommunal- sowie museale und sonstige Archivbestände als Mittel der Provenienzrecherche . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Frage nach der Einführung eines sog. ‚Kunstobjekt-Briefs‘ . . . . . . . . .
672 674 675 676 681 683 687
692 694 701 704
§ 14 Ergebnis: Recherchemöglichkeiten zur Provenienzbestimmung und die Forderung nach einem sog. ‚Kunstobjekt-Brief‘ . . . . . . . . . . . . . . .
708
4. Teil – Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
713
1. Abschnitt – Rechtsdogmatische Abgrenzung von Ersitzung, Verjährung und Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
717
A. Abgrenzung zwischen Verjährung und Ersitzung . . . . . . . . . . . . . . . B. Unterscheidung von Verjährung und Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . C. Divergierende Interessengegensätze bei der temporalen Präklusion zivilrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . .
719 723 726
§ 15 Ergebnis: Auswirkungen des Zeitablaufs innerhalb der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Abschnitt – Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . .
735
A. Originärer Eigentumserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unrechtmäßig entzogene Kulturgüter als taugliche Ersitzungsobjekte .
738 740
XXV
XXVI
Inhaltsverzeichnis
B. C. D. E.
II. Zehnjähriger Eigenbesitz und Gutgläubigkeit als Voraussetzungen der Ersitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zehnjähriger fortgesetzter Eigenbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Guter Glaube des Eigenbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderproblem: Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers am Beispiel des Bernsteinzimmermosaik-Falles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) E.A.: Keine Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beim gutgläubigen Erben eines bösgläubigen Erblassers . . . . . . . . . b) A.A.: Ersitzung des gutgläubigen Erben auch bei bösgläubigem Erblasser unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . c) Ergebnis der unterschiedlichen Rechtseinschätzungen . . . . . . . 4. Beweislastverteilung bei der Bestimmung der Gutgläubigkeit . . . . . Ersitzung innerhalb der Schweizer Rechtsordnung und die Besonderheiten nach dem Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003 . . . . . . . . . . . . Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der österreichischen Zivilrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsinstitut der usucapione innerhalb der italienischen Rechtsordnung . . Akquisitive prescription innerhalb der französischen Rechtsordnung . . . .
§ 16 Ergebnis: Synkritische Bewertung der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch das Rechtsinstitut der Ersitzung innerhalb des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
741 741 743
749 752 755 756 759 760 767 771 774
782
5. Teil – Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 1. Abschnitt – Keine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche im Interesse der ursprünglichen Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . .
795
A. Keine temporale Präklusion kultureller Restitutionsansprüche nach der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 . . . . . . . . . . . . . . . B. Genereller Ausschluss der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb der Rechtsordnungen Österreichs, Italiens und der Schweiz . . . . C. Extrakommerzialität kultureller Güter als Verjährungsausschluss . . . . . .
800 802
2. Abschnitt – Gesetzliche Ausgleichsmodelle der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
806
799
A. Differenziertes Regelungsregime innerhalb der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Temporale Präklusionsvorschriften bei der Rückführung gestohlener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Temporale Limitation bei der Rückführung unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Relative und absolute Verjährung illegal exportierter Kulturgüter innerhalb der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 . . . . . . . . . . . . . . . C. Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche gegenüber dem Dieb und bösgläubigen Erwerber innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens
812
3. Abschnitt – Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche im Interesse der Restitutionsschuldner und des Rechtsfriedens . .
819
806 806 809 811
Inhaltsverzeichnis
A. Verjährung kultureller Restitutionsansprüche auch gegenüber bösgläubigen Besitzern nach Ablauf von 20 Jahren innerhalb der niederländischen Zivilrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verjährung kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach 30 Jahren innerhalb der deutschen Rechtsordnung . . . . I. Rechtskonstruktive Ausgestaltung der Verjährungseinrede des Restitutionsschuldners unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . 1. Divergierende Fristen der Präklusion kultureller Restitutionsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beginn der Verjährungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kulturgüterrechtsspezifische Hemmung des Fristenlaufs? . . . . . . 4. Problematik der Verjährung bei Rechtsnachfolge im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr anhand des sog. Wtewael-Falles . . . . . . . . . a) Das Wtewael-Gemälde im internationalen Kunstschmuggel: Die sachlichen Hintergründe der Entscheidung . . . . . . . . . . b) Der rechtliche Rahmen der Wtewael-Entscheidung . . . . . . . . c) Gründung eines Besitzmittlungsverhältnisses als „Rechtsnachfolge“ i.S.d. § 198 BGB – Kein erneuter Fristbeginn bei Übergabe des Wtewael an ‚Big Mamma‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Anwendung des § 198 BGB, wenn ein nachfolgender Besitzer, der den Besitz mit Zustimmung seines Vorgängers erlangt hat, die Sache später unterschlägt . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzielle Schadenskompensation bei Weiterveräußerung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch nach Ablauf der 30-jährigen Präskriptionszeit de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Forderung nach Abschaffung der 30-jährigen Verjährung eines Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konstruktion eines dominum sine re nach dem Willen des historischen Gesetzgebers des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verjährbarkeit dinglicher Restitutionsansprüche (unrechtmäßig entzogener Kulturgüter) nach Erlass des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Plädoyer für eine Modifikation der 30-jährigen Verjährungsregelung kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtssystematische und -konstruktive Einwände gegen die 30-jährige Verjährungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Divergierende Lösungsmodelle innerhalb der Verjährung von Eigentumsherausgabeansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aus der Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . c) Funktionelle Erwägungen zur 30-jährigen Verjährungsfrist auch bösgläubiger Restitutionsschuldner unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kulturgüterspezifische Erwägungen gegen die Verjährung kultureller Restitutionsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Berufung auf die Verjährungseinrede als Verstoß gegen Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sinnwidrigkeit der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche am Beispiel des Quedlinburger Domschatzes . . . . . . . . . . . .
821 823 824 825 827 828 836 838 841
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XXVII
XXVIII Inhaltsverzeichnis IV. Ordre public-Widrigkeit der 30-jährigen Verjährungsfrist kultureller Restitutionsansprüche in den Fällen der Raub- und Beutekunst in der Beurteilung ausländischer Zivilforen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
887
§ 17 Ergebnis: Derogation der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche de lege ferenda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
892
4. Abschnitt – Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika . . .
902
A. Unrechtmäßige Entziehung als frühest möglicher Verjährungsbeginn (sog. traditional accrual rule) und die sog. doctrine of fraudulent concealment . . B. ‚Adverse possession‘: Rechtserwerb (nur) nach Besitz in „open, visible and notorious manner“ nach Ablauf der Verjährungsfrist . . . . . . . . . . . . C. Spezielle ‚due diligence‘-Anforderungen des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der sog. ‚constructive discovery rule‘ . . . I. Neuentwicklung der ‚discovery rule‘ in der Rechtssache O’Keeffe v. Snyder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verifikation der ‚discovery rule‘ in der Rechtssache Mucha v. King des United States Court of Appeals im Jahre 1986 . . . . . . . . . . . . III. Spezifizierung der notwendigen due diligence-Anforderungen im Fall Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg . . . . IV. Subjektivierung des notwendigen due diligence-Maßstabs des Eigentümers in der Rechtssache Erisoty v. Rizik . . . . . . . . . . . . . . . . V. Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach der ‚constructive discovery rule‘ in der Rechtssache Orkin v. Taylor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gründe gegen eine Anwendung der ‚constructive discovery rule‘ . . . . D. Progressiver Schutz des ursprünglichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei Anwendung der ‚actual discovery rule‘ . . . . . I. Abkehr von dem ‚due diligence‘-Erfordernis der ‚constructive discovery rule‘ in der Entscheidung Naftzger v. The American Numismatic Society von 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kulturgüterspezifische Modifikation des Verjährungsbeginns innerhalb des ‚California Code of Civil Procedure‘ und der ‚California Holocaust Art Recovery Statute‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. ‚Demand and refusal rule‘: Verjährungsbeginn nach Verweigerung der Rückführungsforderung des Eigentümers durch den Besitzer . . . . . . . . . . . I. Genese der ‚demand and refusal rule‘ in der Entscheidung Menzel v. List des New York Supreme Court im Jahre 1966 . . . . . . . . . . . . . . . II. ‚Demand‘ und ‚refusal‘ als Entstehungsvoraussetzungen eines kulturellen Restitutionsanspruchs in Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon . III. Neueinführung spezieller ‚due diligence‘-Anforderungen seitens des Eigentümers neben der ‚demand and refusal rule‘ innerhalb der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche in DeWeerth v. Baldinger . . . . IV. Keine Implikation spezieller Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers zur Bestimmung des Verjährungsbeginns in Solomon R. Guggenheim v. Lubell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Applikation der ‚demand and refusal rule‘ und der Lauf der Verjährung unabhängig eines ‚due diligence‘-Erfordernisses des Eigentümers . . . .
905 911 919 923 927 930 934
938 942 948
948
953 959 960 964
970
979 985
Inhaltsverzeichnis
VI. Kritik an der ‚demand and refusal rule‘ zur Regulation der widerstreitenden Interessen zwischen Besitzer und Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
992
§ 18 Ergebnis: Verjährung, Verwirkung und Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor amerikanischen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
995
6. Teil – Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche: Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer und Restitutionsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009 1. Abschnitt – Unzureichende Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer und Restitutionsgläubiger als Restitutionseinwand . . . . . . . . . . 1013 2. Abschnitt – Rechtskonstruktion des kulturgüterspezifischen Verwirkungseinwandes aus rechtsvergleichender Sicht . . . . . . . . . . . . . 1015 3. Abschnitt – Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes – Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell als Präzedenz . . 1019 A. Sorgfaltsmaßstab restitutionsberechtigter Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter („determining whether a delay is unreasonable“) . . I. Konsolidation der angemessenen due diligence-Anforderungen der ‚constructive discovery‘ und der ‚demand and refusal rule‘ – die Entscheidung Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc. . II. Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs kultureller Eigentümer innerhalb der amerikanischen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kriterien der Sorgfaltserfüllung kultureller Eigentümer in Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung aktueller Besitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Angemessene Sorgfaltsanforderungen kultureller Eigentümer in Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Frage nach kontinuierlichen Überwachungs- und Lokalisierungsbemühungen des ursprünglichen Eigentümers nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unzureichende Nacherforschungsbemühungen kultureller Eigentümer zur Bestimmung des Verbleibs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Nachteil, Schaden oder sonstige Beeinträchtigung (‚prejudice‘) auf Seiten des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als zweite Voraussetzung des laches-Einwandes . . . I. Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut: keine Nachteile auf Seiten des restitutionspflichtigen Besitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mangel an Zeugen mit persönlicher Kenntnis über den Diebstahl oder nachfolgende Veräußerungen als ‚prejudice‘ in Hutchinson v. Horowitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Möglichkeiten zum Nachweis eines gutgläubigen Eigentumserwerbs des grundsätzlich restitutionspflichtigen Beklagten als ‚prejudice‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1024
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1047 1049
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XXIX
XXX
Inhaltsverzeichnis
4. Abschnitt – Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche und spezielle Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer innerhalb des BGB?
. . 1058
A. Kulturgüterspezifischer Verwirkungseinwand in rechtsvergleichender Sicht . B. Applikation des Verwirkungseinwandes kultureller Restitutionsansprüche innerhalb der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers bei Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung der aktuellen Besitzer 1. Eigentum als umfassendes Herrschaftsrecht und Beschränkung durch die Grundsätze von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. (Inter-)nationaler Kulturgüterverkehr als besonders ‚gefahranfälliger‘ Geschäftsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Effektivität wechselseitiger Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber und Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Kampf gegen den kulturellen Schwarzmarkt . . . . . . . . . . . . 4. Vereinfachte Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter seitens des Eigentümers aufgrund der kulturellen Unikatfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Öffentlich zugängliche Informationsquellen und Maßnahmen für den Eigentümer bei der Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs restitutionsberechtigter Eigentümer in Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unzumutbarkeit einer vorwerfbar verspäteten Rückführungsforderung für den grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzer . . . . . . . . .
1061 1061 1066 1068 1069
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1077 1080
§ 19 Ergebnis: Verwirkung bei ungebührlich später Forderung der Restitution und Beweisnot des Putativschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1086
7. Teil – Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1099 1. Abschnitt – Restitutionspflicht unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach unsorgfältigem Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1101 2. Abschnitt – Recht auf Kompensationszahlung innerhalb eines sog. Lösungsrechts nach der Restitution illegal transferierter Kulturgüter . . . 1105 3. Abschnitt – Gefahr wirtschaftlicher Entwertung illegal transferierter Kulturgüter und großer Reputationsverluste kultureller Institutionen . . 1110 4. Abschnitt – Sorgfältige Provenienzerforschung schützt vor der Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen bei Weiterveräußerung – am Beispiel zweier Matisse-Gemälde . . . . . . . . . . . . . . . . 1116 A. Illegaler Export als „breach of implied warranty of title“ innerhalb der Rechtssache Jeanneret v. Vichy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1117 B. ‚Belastete‘ Provenienz eines Kulturguts als „breach of implied warranty of title“ innerhalb der sog. Odalisque-Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . 1121 5. Abschnitt – Mindestverhaltensanforderungen schützen vor strafrechtlichen Sanktionen beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter . . . . 1124
Inhaltsverzeichnis
6. Abschnitt – Bußgeldbewehrte Mindestverhaltensanforderungen, Sorgfaltsund Aufzeichnungspflichten der professionell am Kunsthandel Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1140 A. Sorgfaltsanforderungen kultureller Institutionen des Bundes, im Kunsthandel und Auktionswesen nach dem Schweizer Kulturgütertransfergesetz B. Aufzeichnungspflichten der professionell im Kunsthandel Beteiligten als Ausdruck der Notwendigkeit eines gesteigerten Sorgfaltsmaßstabs . . . . I. Aufzeichnungspflichten der im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen innerhalb des Schweizer Kulturgütertransfergesetzes II. Aufzeichnungspflichten im Kunst- und Antiquitätenhandel sowie im Versteigerungsgewerbe nach dem Kulturgüterrückgabegesetz vom 18. Mai 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 1143 . 1148 . 1149
. 1152
7. Abschnitt – Erfüllung der selbstauferlegten Erwerbsregeln und Verhaltensstandards bei Einhaltung der notwendigen Sorgfaltsanforderungen . 1164 8. Abschnitt – Ausschluss kultureller Restitutionsansprüche bei unsorgfältigem Verhalten der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter? 1166 § 20 Ergebnis: Inauguration spezieller Sorgfaltsanforderungen und guter Glaube als Heilverfahren des illegalen Kunsthandels . . . . . . . . . . . . . . . . . 1167
8. Teil – Synopsis: Internationaler Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 1173 § 21 Zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – das kulturelle Restitutionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1174 § 22 Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht – 50 Thesen . . . . . 1178 Verzeichnis der Schemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1217 Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1219 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1223
XXXI
Abkürzungsverzeichnis A.(2d) a.A. a.a.O. A.C. A.D.(2d, 3d) a.F. A.L.R. AAL AAM AAMD ABGB Abl. EG Abs. Abschn. abw. ACAL AcP affd ähnl. AIA AIDI AJDA AJIL AJP Ala. All ER allg. ALR Anm. AöR App. Div. App. ARPA Art., art. AS Aufl. ausdr. ausf. Ausn. AVR Az. BayVBl. BB
Atlantic Reporter (Second Series) anderer Ansicht am angegebenen Ort The Law Reports, Appeal Cases Appellate Division Reports (Second/Third Series) alte Fassung Australian Law Reports Art Antiquity and Law American Association of Museums American Association of Museums Directors Allgemeines Burgerliches Gesetzbuch fur Österreich vom 1. Juni 1811 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Abschnitt abweichend New York Arts and Cultural Affairs Law Archiv fur die civilistische Praxis affirmed ähnlich Archaeological Institute of America Annuaire de l’Institut de Droit International L’Actualité juridique. Droit administratif American Journal of International Law Aktuelle Juristische Praxis Alabama Reports All England Law Reports allgemein Art Loss Register Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Appellate Division Appendix Archaeological Resources Protection Act Artikel, article Amtliche Sammlung des Bundesrechts (Schweiz) Auflage ausdrücklich ausführlich Ausnahme Archiv des Völkerrechtes Aktenzeichen Bayerische Verwaltungsblätter, Zeitschrift für öffentliches Recht und öffentliche Verwaltung Der Betriebs-Berater
XXXIV Abkürzungsverzeichnis Bd./Bde. BerDGesVölkR betr. BFH BGB BGBl. BGE BGer BGH BGHZ BJM BKM BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BW bzw. c. C.A. C.D. Cal. C.L.R. C.M.L. Rev. Cal. Cal. App. (4th) Cal. Rptr. (2d) Calif L. Rev. Cass. CC/Cc CEE Ch. Ch. D. CHF CIC CIC Cir. Clunet col. CORA Corte cost. Cost. CPIA Ct. App.
Band/Bände Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht betreffend Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Schweizerisches Bundesgericht Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Basler Juristische Mitteilungen Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Deutschland) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Burgerlijk Wetboek (Bürgerliches Gesetzbuch der Niederlande) beziehungsweise contre Court of Appeals U.S. District Court, Central District of Califomia Commonwealth Law Reports Common Market Review California California Appellate Reports (Fourth Series) West’s California Reporter (Second Series) California Law Review La Suprema Corte di Cassazione (Italienischer Kassationshot) Code civil; Codice civile; código civil Communauté economique europeenne Law Reports, Chancery Division Chancery Division Schweizer Franken Codex iuris canonici Corpus iuris civilis Circuit Journal du droit international privé et de la jurisprudence comparée collection Court of Restitution Appeals Corte costituzionale Costituzione della Repubblica italiana Convention on Cultural Property Implementation Act Court of Appeals (Grossbritannien)
Abkürzungsverzeichnis
CTS D. DC. D. Or. D. R.I. D.C. d.h. D.H./Dalloz
D.L. D.P./Dalloz DB Dep’t, Dept. ders. dies. diff. Dig. DM DÖV Dr.adm. Droits DtZ DVBl. E.D. Mich. E.D. Pa. E.D.N.Y. EG EGBGB Emory Int. L.Rev. EMRK EPIL et al. etc. EU EuGH EuGHRspr. EuGMR EuGRZ European L.Rev. EuZW EWCA Civ EWG EWHC (Q.B.) EWR F. Supp. (2d) F. (2d, 3d)
The Consolidated Treaty Series U.S. District Court, District ofthe District of Columbia U.S. District Court, District of Oregon U.S. District Court, District of Rhode Island District of Columbia das heißt Dalloz, Recueil hebdomadaire de jurisprudence en matière civile, commerciale, criminelle, administrative et de droit public Decreto legislativo Dalloz Périodique, Jurisprudence générale. Recueil périodique et critique de législation et de doctrine Der Betrieb/Der Betriebs-Berater Department derselbe dieselbe differenzierend Digesta Iustiniani Deutsche Mark Die öffentliche Verwaltung Droit administratif Droits, Revue francaise de théorie juridique Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsches Verwaltungsblatt U.S. District Court, Eastern District of Michigan U.S. District Court, Eastem District of Pennsylvania U.S. District Court, Eastern District of New York Europäische Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Emory International Law Review Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 Encyclopedia of Public International Law et alii/aliter et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Grundrechtezeitschrift European aw Review Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht England and Wales Court of Appeal, Civil Division Europäische Wirtschaftsgemeinschaft England and Wales High Court, Queen’s Bench Division Europäischer Wirtschaftsraum Federal Supplement (Second Series) Federal Reporter (Second Series, Third Series)
XXXV
XXXVI Abkürzungsverzeichnis f., ff. F.R.D. FAZ Fn. Fordham Int.L.J. Foro amm. Foro it. FS FSIA Gaz. GBl. gem. GG Giur.cost. Giur.it. Giust.civ. Giust.civ.mass. GYIL H.L. h.L. h.M. HGB HJIL Hrsg. HS. Hw. i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.E. i.e. i.H.v. I.L.M. I.L.R. i.S.(v.) i.V.m. ICOM IFAR IJCP ILA insb. Int. Comp.L.Q. Int. Lawyer IPR IPRax IPRG
folgende, fortfolgende Federal Rules Decisions Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote Fordham International Law Journal Foro amministrativo. Rivista mensile di dottrina e giurisprudenza Il Foro italiano Festschrift Foreign Sovereign lmmunities Act Gazetta Gesetzblatt gemäß Grundgesetz Giurisprudenzia costituzionale Giurisprudenzia italiana Giustizia civile Giustizia civile. Massimario annotato della Cassazione German Yearbook for International Law House of Lords herrschende Lehre herrschende Meinung Handelsgesetzbuch (Deutschland) Heidelberg Journal of International Law Herausgeber, -in Halbsatz Hinweis(e) in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis id est in Höhe von International legal Materials International Law Reports im Sinne (von) in Verbindung mit International Council of Museums International Foundation for Art Research International Journal of Cultural Property International Law Association insbesondere The International and Comparative Law Quaterly The International Lawyer Internationales Privatrecht Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 (Schweiz)
Abkürzungsverzeichnis
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L. Ed. L.J. LG lit. Lloyd’s Rep. m. Anm. m.a.W. m.E. m.M. M.R. m.w.H. m.w.N. Mich. L. Rev. Misc. Mot.
Mugdan N.D Ill. N.D. Ohio N.E. 2d
Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts International Sales of Works of Art Juris Classeur Journal Officiel de la République Francaise Journal des Tribunaux La Semaine Juridique Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Deutsche Juristenzeitung Law Reports, King’s Bench Division Kapitel Kammergericht Schweizer Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer vom 20. Juni 2003 (SR 444.1) Schweizer Verordnung über den internationalen Kulturgütertransfer vom 13. April 2005 (SR 444.11) Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaften kritisch Kunstrecht und Urheberrecht resp. Kunst und Recht, Journal für Kunstrecht, Urheberrecht und Kulturpolitik Supreme Court Lord Justice (USA) Landgericht litera Lloyd’s Law Reports mit Anmerkung von mit anderen Worten meines Erachtens Mindermeinung Master of the Rolls (Grossbritannien) mit weiteren Hinweisen mit weiteren Nachweisen Michigan Law Review New York Miscellaneous Reports Motive zu dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Amtliche Ausgabe. Bd. 1–5, 1888 Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1899 U.S. District Court, Northern District of Illinois U.S. District Court, Northern District of Ohio North Eastern Reporter (Second Series)
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XXXVIII Abkürzungsverzeichnis n.F. N.J. N.Y. App. Div. N.Y. Civ Prac L&R N.Y. Sup. Ct. N.Y. (2d) N.Y.L. Sch. J. Int’l & Comp. L. N.Y.L.J. N.Y.S. (2d) N.Y.U.J. Int’l L. & Pol.
nachf. NAGPRA Ned.Jur. Neth.Int.L.Rev. New L.J. NJW NWVBl. NSPA NVwZ NVwZ-RR Nw. NZZ ÖJZ OLG OR
Q.B. R.D. R.I.D.C. RabelsZ Rdnr. Rev.crit.dr. int. privé Rev.crit.dr.int. rev’d RGBl. RGRK
Riv.dir.int. Riv.dir.int.priv.proc. RIW RL RM
neue Fassung New Jersey Reports New York Supreme Court, Appellate Division New York Civil Practice Law and Rules New York Supreme Court of Judicature New York Reports (Second Series) New York Law School Journal of International and Comparative Law New York Law Journal (USA) West’s New York Supplement (Second Series) The Journal of International Law and Politics Symposium in International Art Law, New York University: Journal of International Law and Politics nachfolgend(e) Native American Graves Protection and Repatriation Act Nederlandse Jurisprudentie Netherlands International law Review The New Law Journal Neue Juristische Wochenschrift Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter National Stolen Property Act Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nachweis(e) Neue Zürcher Zeitung Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) (SR 220) Law Reports, Queen’s Bench Division Regio decreto Revue internationale de droit comparé Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Randnummer Revue critique de droit international privé international privé Revue critique de droit international reversed Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsrätekommentar, Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes Rivista di diritto internazionale Rivista di diritto internazionale privato e processuale Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Reichsmark
Abkürzungsverzeichnis
ROW Rspr. RzW SAP S. Ct. S.D. Ill. S.D. Ind. S.D.N.Y. sec. Sem.jud. SJZ SJZ So. (2d) Sp. Stan.L.Rev. Sup. Ct. N.Y. SZIER T.R. Texas Int.L.J. The Art J. Times L.Rep. Trib. u. u.a. U.S. U.S.C. U.S.C.A. U.S.C.D. UCC UCLA UEK UFITA UNESCO
UNIDROIT
UNO UNTS USCS usw. v. v.a. VerwArch VerwGH
Recht in Ost und West, Zeitschrift für Ostrecht und Rechtsvergleichung Rechtsprechung Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht Spoliation Advisory Panel Supreme Court Reporter US. District Court, Southern District of Illinois U.S. District Court, Southern District of Indiana U.S. District Court, Southern District of New York section(s) La Semaine judiciaire Schweizerische Juristen-Zeitung Süddeutsche Juristen-Zeitung Southern Reporter (Second Series) Spalte Stanford law Review Supreme Court of New York Schweizerische Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht Taxation Reports Texas International Law Journal The Art Journal The Times Law Reports Tribunal civil/Tribunale und und andere/unter anderem United States Reports United States Code United States Court of Appeals United States District Court Uniform Commercial Code University of California, Los Angeles Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht United Nations Educational, Scientific, and Cultural Organization (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) International Institute for the Unification of Private Law (Internationales Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts) United Nations Organization United States Treaty Series United States Code Service und so weiter versus vor allem Verwaltungsarchiv. Zeitschrift für Verwaltungslehre Verwaltungsgerichtshof
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Abkürzungsverzeichnis
vgl. VIZ VO Vol. VR VVDStRL W.L.R. Warn
WLR z.B. ZaöRV ZBJV ZGB Ziff. zit. ZOV ZRP ZSR zugl. ZVglRWiss
vergleiche Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht Verordnung Volumen Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer The Weekly Law Reports Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts abgedruckt ist, begr. v. Warneyer (1908–1943); ab 1961: Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen The Weekly Law Reports zum Beispiel Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210) Ziffer zitiert Zeitschrift für offene Vermögensfragen Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht zugleich Zeitschrift fur vergleichende Rechtswissenschaft
1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘ im internationalen Kunsthandel Gegenstand des Bandes 1: Illegaler Kulturgüterverkehr war die Untersuchung, welche Kulturgutverlagerungen einem Rechtswidrigkeitsverdikt zuzuführen und unter den Tatbestand des illegalen Kunsthandels zu subsumieren sind. Gemeinsame zivilrechtliche Folge dieses Unwerturteils war, dass der unrechtmäßige Entziehungsakt keine neue Rechtsposition begründen kann und für den ursprünglichen Kulturgutträger keinen Eigentumsverlust an ‚seinen‘ Kulturgütern bedeutet. Band 1 hatte deshalb die Bestimmung derjenigen Tatbestände zur Aufgabe, in denen die unrechtmäßige Entziehung kultureller Wertgegenstände keine Auswirkungen auf die zivilrechtliche Sachzuordnung und damit die Rechtsposition des Eigentümers zeitigt. Innerhalb zivilrechtlicher Kunstrestitutionsverfahren wurden in Band 1 diesbezüglich folgende, inhaltlich divergierende Kategorien unrechtmäßiger Entziehungstatbestände kultureller Wertgegenstände unterschieden, die aus speziellen Rechtsgründen keine Auswirkungen auf die Eigentumsposition des ursprünglichen Kulturgutträgers zeitigen.
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1. Abschnitt Illegaler Kulturgüterverkehr 2
Paradebeispiel einer unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände ist der kulturelle Diebstahl, der keine Änderung der Rechtslage bedingt, sodass der Eigentümer seine weiterhin bestehende Eigentumsposition gegen jeden unrechtmäßigen Besitzer im Wege einer Vindikationsklage nach § 985 BGB geltend machen kann. Außerdem können der kulturgüter- und denkmalschutzgesetzwidrige Kulturgüterverkehr im Allgemeinen und der illegale Export kultureller Wertgegenstände im Besonderen in eng umgrenzten Situationen als unrechtmäßiger Entziehungsakt auch im Sinne des Zivilrechts gewertet werden. Nationale Kulturgüter- und Denkmalschutzgesetze kontrollieren in unterschiedlicher Intensität und Qualität einen sonst unreglementierten Kulturgüterverkehr und zielen mit diesem öffentlich-rechtlichen Resolutionsprogramm auf die Erhaltung und Bewahrung der kulturellen Schöpfung der Nation – des nationalen Kulturpatrimoniums – im eigenen Land. Zu dessen Schutz implementierten heute nahezu alle Herkunftsländer vergleichbare Rechtsvorschriften, die eine dauerhafte Adjunktion national bedeutsamer Kulturgüter an das kulturelle Zuordnungssubjekt zu erreichen suchen. In reinen Binnensachverhalten wirken die zivilrechtlichen Sanktionen der öffentlich-rechtlichen Kulturgüter- und Denkmalschutzgesetze unmittelbar, während im internationalen Kulturgüterverkehr nach einem Statutenwechsel jedoch Besonderes gilt: Ausländische öffentlich-rechtliche Transferbeschränkungstatbestände sind aufgrund ihrer hoheitlichen Qualifikation innerhalb des kulturellen Importstaates nach den im Verwaltungsrecht geltenden Grundsätzen der lex fori generell nicht anwendbar. Es gilt das Territorialitätsprinzip des völkerrechtlichen Souveränitätsgedankens. Anderes gilt innerhalb solcher Rechtskonstruktionen, die den illegalen Export dem kulturellen Diebstahlstatbestand angleichen und in dem Moment des Verstoßes gegen das öffentlich-rechtliche Kulturgüter- und Denkmalschutzrecht eine automatische Legaldesignation der betroffenen Kulturgüter zu Staatseigentum bestimmen, sodass nicht nur mit öffenlich-rechtlichen Vorgaben, sondern insbesondere mit der Eigentumsposition des kulturellen Ursprungsstaates gebrochen wird. Sog. ‚umbrella statutes‘ nehmen schon im Vorfeld eine generelle Zuweisung des Eigentums einer bestimmten Klasse kultureller Güter (bspw. archäologischer Objekte) an den kulturellen Ursprungsstaat vor, unabhängig ob diese bereits entdeckt oder ausgegraben worden sind. Dieselbe Rechtswirkung verfolgen sog. ‚automatic forfeiture clauses‘ bzw. ‚rhetorical ownership statutes‘, die eine Eigentumszuweisung kulturell bedeutsamer Güter an den kulturellen Ursprungsstaat zum Zeitpunkt der illegalen Ausfuhr bestimmen, d.h. noch bevor die öffentlich-rechtlich geschützten Gegenstände das Territorium und die Staatsgewalt des Ursprungsstaates verlassen haben. Nach einer illegalen Ausfuhr in einen kulturellen Zielstaat liegt somit nicht nur ein Rechtswidrigkeitsverdikt aufgrund des unrecht-
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1. Abschnitt: Illegaler Kulturgüterverkehr
mäßigen Exports, sondern auch aufgrund des kulturellen Diebstahls vor, und der kulturelle Ursprungsstaat kann seine Eigentumsposition im Importstaat ebenso geltend machen wie jeder andere Eigentümer. Neben der Anerkennung und Durchsetzung der Eigentumszuweisung kultureller Güter an den Ursprungsstaat sollten im internationalen Kulturgüterverkehr ebenso die Qualifizierung kultureller Güter als res extra commercium und die Statuierung dinglicher Verfügungs- und Veräußerungsbeschränkungen auch nach einem schlichten Statutenwechsel extraterritoriale Anerkennung und Durchsetzung erfahren. In diesen Konstellationen geht es um die Veräußerung unveräußerlicher Kulturgüter an gutgläubige Erwerber innerhalb des Ursprungsstaates und anschließende Ausfuhr aus dem Territorium des Ursprungsstaates, ohne dass unter Geltung der Rechtsordnung des Importstaates eine weitere, sachenrechtserhebliche Einwirkung auf die Rechtsposition an den Objekten erfolgte. Die Extrakommerzialität kultureller Güter und die Wirkungen der Verfügungs- und Veräußerungsbeschränkungen werden wie dingliche Lasten behandelt, deren zivilrechtliche Wirkungen nach einem schlichten Statutenwechsel im Ausland anerkannt und durchgesetzt werden. Da im internationalen Kulturgüterverkehr nach einer unrechtmäßigen Ausfuhr häufig auch eine Weiterveräußerung extrakommerzialer oder unveräußerlicher Kulturgüter außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates unter Geltung einer neuen lex rei sitae im Importstaat erfolgt, mussten auch die Auswirkungen sog. qualifizierter Statutenwechsel auf den internationalen Kulturgüterverkehr untersucht werden. Es stellte sich dabei die Frage, inwieweit die Extrakommerzialitäts- bzw. Unveräußerlichkeitsanordnungen kultureller Güter außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates Geltungskraft erlangen und diesen widersprechende Veräußerungen bzw. Verfügungen im Ausland verhindern können. Hier wurden jedoch die Grenzen des zivilrechtlichen Kulturgüter- und Denkmalschutzes ersichtlich: Eine extraterritoriale Berücksichtigung der Extrakommerzialität und einer Veräußerungsbeschränkung als dingliche Belastung oder ‚Vinkulierung‘ kultureller Wertgegenstände außerhalb des Ursprungsstaates wird in der Regel abgelehnt. Selbst in denjenigen Staaten, die für ihre eigenen Kulturgüter eine Extrakommerzialität anerkennen, wurde keine Unveräußerlichkeit für ausländische Kulturgüter angenommen, wenn die Objekte nach einem qualifizierten Statutenwechsel außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates erneut veräußert wurden.
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Danach wanderte der Blick in Band 1 vom Schutz kultureller Güter in Friedenszeiten auf den Kulturgüterschutz in Kriegszeiten und prüfte, inwieweit die Mittel und Methoden des Zivilrechts dem Kulturgüterschutz in Kriegszeiten dienen und zu einer Restitution kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter instrumentalisiert werden können. Hier wurde ersichtlich, dass sich heute die Verlagerung der sog. Beutekunst als staatlich zurechenbare Entziehung kultureller Wertgegenstände außerhalb des eigenen Territoriums während des Krieges oder im Zustand der Besetzung (darunter fielen bspw. die nazi looted art sowie die Trophäenkunst,
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
ebenso aber auch aktuelle Plünderungen bspw. in den beiden Irakkriegen) aufgrund des vertrags- und gewohnheitsrechtlichen Völkerrechtswidrigkeitsverdikts nicht negativ auf die Rechtsposition des Eigentümers auswirkt und der ursprüngliche Kulturgutträger weiterhin seine Rechtsposition an dem Objekt ausüben kann. Gleiches gilt auch für die Kategorie des sog. kulturellen Fluchtguts verfolgter (jüdischer) Personengruppen nach nur formal ‚freiwilliger‘ Veräußerung, jedoch unter Drohung, Zwang und Gewalt zur Zeit des Nationalsozialismus (sog. Raubkunst der ersten Phase). Die Veräußerungen sind als sittenwidrig nach § 138 BGB und mit Wirkung ex tunc als nichtig zu qualifizieren, wenn das Rechtsgeschäft ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus nicht abgeschlossen worden wäre oder die Notlage des Verfolgten zum eigenen Vorteil ausgenutzt worden war. 5
Im Anschluss daran nahm die Darstellung der wichtigsten Sondergesetze zur Wiedergutmachung der NS-bedingten Kulturgutverluste breiten Raum in Band 1 ein. Auch hier zeigte sich in vielen Staaten eine Derogation von den allgemeinen Zivilrechtsregeln und eine Kassation der zivilrechtlichen Folgen sowohl der NS-bedingten Kulturgutentziehungen als auch weiterer kultureller Veräußerungsgeschäfte. Nach einer Einführung in die allgemeine Dogmatik des Rückerstattungsrechts erfolgte zunächst eine Analyse der Sondergesetze in Österreich, Frankreich und den Niederlanden, die eine generelle Nichtigkeitsanordnung NSbedingter Kulturgutentziehungen bestimmten. Daran schloss sich eine Kommentierung des deutschen und alliierten Rückerstattungsrechts im Nachkriegsdeutschland an, das keine generelle Nichtigkeitsanordnung entzogener Kulturgüter bestimmte, jedoch einen speziellen Restitutionsanspruch gewährte und insoweit die Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs NS-bedingt entzogener Kulturgüter außer Kraft setzte. Dabei wurde die besondere Bedeutung der alliierten Rückerstattungsgesetze auch noch für aktuelle Kunstrestitutionsverfahren betont, weil die auf der Washingtoner Erklärung aus dem Jahre 1998 beruhende Gemeinsame Erklärung von Bund, Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts aus dem Jahre 1999 und deren Handreichung die Leitlinien der rückerstattungsrechtlichen Praxis der Nachkriegszeit als „Orientierungshilfe“ und „Anregung“ zur Lösung aktueller Kunstrestitutionsverfahren empfehlen. Das deutsche Wiedergutmachungsrecht verweist dabei auf die Definitionen, Vermutungsregelungen und Beweislastverteilungen in den Rückerstattungsvorschriften der westlichen Alliierten, welche zusammen mit den Entscheidungen der Obersten Rückerstattungsgerichte und der rückerstattungsrechtlichen Praxis heute als wichtigste Erkenntnisquelle zur Entscheidung aktueller Kunstrestitutionsverfahren genutzt werden. Besondere rechtsprägende wie praktische Bedeutung erlangte dabei auch das Schweizer Wiedergutmachungsrecht NS-bedingter Kulturgutverluste, da der Staat selbst keine Kulturgutverluste zu beklagen hatte, jedoch als primärer Zielstaat der in Deutschland und den anderen von NS-Deutschland
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1. Abschnitt: Illegaler Kulturgüterverkehr
besetzten Staaten entzogenen Kulturgüter galt. Schließlich endete die Darstellung der wichtigsten Sondergesetze zur Wiedergutmachung der NS-bedingten Kulturgutverluste mit einer ausführlichen Analyse des rechtlichen Status der nach Russland verbrachten Trophäenkunst, da hier – anders als in allen übrigen Staaten – grundsätzlich keine Rückführung an die ursprünglichen Kulturgutträger bestimmt worden war, sondern die Kulturgüter aus ehemaligen Feindstaaten als Kompensation für die eigenen, von den Truppen des NS-Deutschland verursachten kulturellen Schäden Russlands zu Staatseigentum erklärt wurden. Von großem rechtlichen Interesse waren in Band 1 im Anschluss daran auch die unterschiedlichen Situationen der unrechtmäßigen Verstaatlichung kultureller Wertgegenstände: Hinsichtlich der Nationalisierung von mehr als zehn Millionen Kunstwerken aus den Sammlungen der Aristokratie und des Großbürgertums im Anschluss an die Oktoberrevolution im Jahre 1917 in Russland konnte heute vor ausländischen Zivilforen keine Justiziabilität mehr erreicht werden und die Verstaatlichungen müssen aus Sicht der Betroffenen und deren Rechtsnachfolger wohl hingenommen werden. Die Sicherstellungen der ‚entarteten‘ Kunst im Privateigentum und deren Designation zu NS-Staatseigentum mittels des Gesetzes über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai 1938 sowie die Enteignungen der sog. Raubkunst der zweiten Phase als direkte staatliche Beschlagnahme kultureller Wertgegenstände aus dem Bestand jüdischer Personen innerhalb des deutschen Territoriums durch die nationalsozialistischen Behörden entfalteten aufgrund der Qualifizierung als ‚gesetzliches Unrecht‘ entsprechend der sog. Unerträglichkeitsthese Radbruchs keine Rechtswirkungen. Dort konnte auch nachgewiesen werden, dass die Verstaatlichung der nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf russisches Territorium verlagerten Trophäenkunst aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands durch das russische Kulturgütergesetz sowohl gegen die Grundsätze des internationalen als auch nationalen ordre public verstößt, sodass der Eigentumszuweisung vor ausländischen Gerichten keine Rechtswirkung zuzuerkennen ist. Schließlich können auch die Konfiskationen kultureller Wertgegenstände zur Zeit der Herrschaft des DDR-Regimes unter bestimmten Voraussetzungen als formell und materiell ordre public-widrig qualifiziert werden, sodass auch die Verstaatlichungen der DDR-Kunst ohne Auswirkungen auf die Eigentumsposition der ursprünglich Berechtigten blieben.
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Abschließend hat Band 1 die Konstellationen sog. kolonialbedingter Kulturgutverlagerungen aus zivilrechticher Sicht beleuchtet. Fragestellung war auch hier, ob die unterschiedlichen tatsächlichen Situationen, in denen ein souveräner Staat eine Entscheidung über den Verbleib und die Position an kulturellen Gütern aus einem staatspolitisch untergeordneten Staatsglied getroffen hat, die zu einem dauerhaften Verlust der genannten Kunstwerke für den politischen Gliedstaat und zum Verbleib in einem neuen kulturellen Zuordnungssubjekt führte, einem zivilrechtlichen Rechtswidrigkeitsverdikt unterfallen und mit den Mitteln des Zivilrechts revidiert werden können. Dabei wurde zunächst erkannt,
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
dass in der überwiegenden Zahl kolonialbedingt verlagerter Kulturgüter nach detaillierten kulturhistorischen Forschungen von der zivilrechtlichen Rechtmäßigkeit der früheren Erwerbungen auszugehen sein wird. Entsprechend dem sog. ‚principle of repose‘ ist die aktuelle Belegenheit als Ausgangspunkt der Zuordnung eines kulturellen Wertgegenstandes zu ‚seinem‘ Kulturgutträger anzusehen und die Anspruchsteller müssen besondere Gründe für eine abweichende Zuordnung anführen. Hierbei obliegt den die Rückführung beanspruchenden Staaten der Nachweis für eine unrechtmäßige Verlagerung der Kulturgüter, sodass mit ihrer Verbringung auch kein Eigentumsverlust eingetreten ist. Dieser Beweis wird nach Ablauf einer so langen Zeitspanne jedoch schwerlich zu führen sein. Darüber hinaus werden zivilrechtliche Rückführungsansprüche heute – soweit ersichtlich de lege lata wohl nach jeder Rechtsordnung – schon a priori aufgrund der temporalen Präklusion zivilrechtlicher Restitutionsansprüche wegen Ersitzung, Verjährung oder Verwirkung ausgeschlossen sein, sodass die Kategorie kolonialbedingter Kulturgutentziehungen nicht unter die Tatbestände unrechtmäßiger Kulturgutentziehungen ohne Auswirkungen auf die Eigentumsposition fällt.1 8
Als Ergebnis des Bandes 1: Illegaler Kulturgüterverkehr wurde somit festgehalten, dass der kulturelle Diebstahl, die benannten Konstellationen des kulturgüterund denkmalschutzgesetzwidrigen Kulturgüterverkehrs, die Beutekunstnahme, die Veräußerung kulturellen Fluchtguts als erste Raubkunstphase, die Enteignung, Konfiskation und Nationalisierung meist jüdischer Kulturgüter in der zweiten Raubkunstphase, die Sicherstellung und Verstaatlichung der entarteten Kunst, die Verstaatlichung der Trophäenkunst in Russland sowie die Tatbestände der Verstaatlichung der DDR-Kunst dementsprechend noch heute grds. mit dem Makel der Illegalität behaftet sind, noch immer einem Rechtswidrigkeitsverdikt unterfallen und dementsprechend als Handelsgut Absatz auf dem kulturellen Schwarzmarkt finden. Allen untersuchten Konstellationen ist gemein, dass unter den genannten Umständen die kulturellen Entziehungstatbestände ohne Auswirkungen auf die Rechtsposition des ursprünglich berechtigten Kulturgutträgers blieben und dieser sich theoretisch noch immer auf seine Eigentumsposition berufen kann.
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Auch wenn eine zivilrechtliche Restitution (d.h. Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter) ausscheidet, ist damit jedoch noch kein Werturteil über andere Rückführungsgründe bspw. im internationalen Recht begründet. Außerdem bedarf es weiterer Untersuchungen, ob nicht eine Repatriierung kolonialbedingter Kulturgutverluste (d.h. Rückführung rechtmäßig verbrachter Kulturgüter) aus kulturpolitischen Gründen im Einzelfall angezeigt ist. Vgl. ausführlich hierzu in Band 6 – Allgemeiner Teil.
2. Abschnitt Interessen im Kulturgüterschutzund Kunstrestitutionsrecht Nachdem feststeht, welche Tatbestände im illegalen Kunsthandel unter ein Rechtswidrigkeitsverdikt fallen und dass die unrechtmäßige Entziehung von Kunstwerken ohne Auswirkung auf die zivilrechtliche Eigentumsposition bleibt, scheint die Frage nicht unberechtigt, warum eine Untersuchung notwendig ist über die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und die Möglichkeit der privatrechtlichen Resolutionsmethoden des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs im Allgemeinen und die Implikation spezieller Sorgfaltsanforderungen seitens der im Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen, Auktionshäuser und Privatsammler im Besonderen. Die Antwort ist einfach: Die Auswirkungen kultureller Entziehungsakte und des illegalen Kulturgüterverkehrs sind desaströs.2 Kulturgüter erfüllen wichtige gesellschaftliche Funktionen,3 indem sie aufgrund ihrer Einzigartigkeit „unwiederbringliche Zeugnisse geistiger und kultureller Vergangenheit“ 4 darstellen. Darüber hinaus bereichern die ‚schönen Künste‘ durch ihren ästhetischen Wert auch das menschliche Dasein 5 und spiegeln damit die schöpferisch-kreative Leistung einer Bevölkerung wider.6 Als Testimonium fremder Zivilisationen und vergangener Epochen fungieren sie aber auch als Medium der wissenschaftlichen Forschung sowie der Bildung der Allgemeinheit 7 und dienen als Vorbild der Kunstschaffenden. Aus ethnologischer Sicht verkörpern Kulturgüter die kulturellen Leistungen eines Volkes und erwachsen so zu Symbolen der nationalen Identität.8 Der Besitz eines für das Selbstverständnis, die Lebensweise und Gesellschaftsform des kulturellen Zuordnungssubjektes repräsentativen Bestandes an Kulturgütern wird 2
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Vgl. ausführlich hierzu Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, insb. S. 11 ff. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 5. Odendahl, Kulturgüterschutz – Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, S. 7. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 21. Schoen, Kulturgutverluste – Ausgewählte Einzelfälle in bezug auf die aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter, in Gornig/Horn/Murswiek, Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte, 2007, S. 157–166, S. 158. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 21; Fechner, Die Vorhaben der EG zum Kulturgüterschutz, DöV, Heft 14 (1992), S. 609–618, S. 610; Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturguts im europäischen Binnenmarkt, JZ 3/1994, S. 111–117, S. 111; Kleeberg/Eberl, Kulturgüter in Privatbesitz – Handbuch für das Denkmal- und Steuerrecht, 2001, Rdnr. 13; Uhl, Der Handel mit Kunstwerken im europäischen Binnenmarkt – Freier Warenverkehr versus nationaler Kulturgutschutz, 1993, S. 120 ff.; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 5. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 5.
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
heute als fester Teil der kulturellen Selbstbestimmung betrachtet, auf die alle Völker Ansprüche erheben dürfen und jeder Mensch ein Recht besitzt,9 kraft dessen „in Freiheit ihre … kulturelle Entwicklung“ selbst gestaltet werden darf.10 Gleichzeitig können die Kulturgüter eines Landes oder einzelner Privatsammler aber auch zum kulturellen Erbe der gesamten Menschheit (sog. cultural common heritage of mankind 11) gehören.12 Der internationale Kulturaustausch stärkt Verständnis und Toleranz für fremde Kulturen und Völker und ist damit ein wichtiges Element der Friedensförderung und Völkerverständigung.13 Schließlich
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Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung – Vom Kulturgüterschutz zur internationalen kulturellen Kooperation, 1992, S. 17; von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 42 ff; Fechner, Die Vorhaben der EG zum Kulturgüterschutz, DöV, Heft 14 (1992), S. 609–618, S. 610; Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturguts im europäischen Binnenmarkt, S. 610; Boguslavsky, Der Begriff des Kulturguts und seine rechtliche Relevanz, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, „Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg“, 1994, S. 3; Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturguts im europäischen Binnenmarkt, JZ 3/1994, S. 111–117; Wahl, Kunstraub als Ausdruck von Staatsideologie, in Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, S. 105–135, S. 115. Vgl. Art. 1 Abs. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II 1534; für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 23.3.1976, Bekanntmachung vom 14.6.1976, BGBl. 1976 II 1068) und den gleichlautenden Art. l Abs. 1 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II 1570; für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 3.1.1976, Bekanntmachung vom 9.3.1976, BGBl. 1976 II 428): „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts … gestalten sie in Freiheit ihre … kulturelle Entwicklung.“ Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 5. Vgl. hierzu das Schrifttum: Strati, The Implication of Common Heritage Concepts on the Quest for Cultural Objects and the Dialogue Between North and South – When the Quest for Cultural Objects Divides North from Sout, in: The American Society of International Law (ASIL), Proceedings of the 89th Annual Meeting, 1995, S. 439–443; Kenety, Who Owns the Past? The Need for Legal Reform and Reciprocity in the International Art Trade, Cornell International Law Journal, Volume 23 (1990), S. 1–46, S. 8–10; Lindsay, The Recovery of Cultural Artifacts: The Legacy of Our Archeological Heritage, Case Western Reserve Journal of International Law 22 (1990), S. 16–182, S. 171–182; Maurer, Die Ausfuhr von Kulturgütern in der Europäischen Union, 1995, S. 33–35; Roellecke, Warum schützen wir Kulturgüter?, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 43–46; Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 41–42. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 5. Engstler, Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, 1964, S. 16 ff; Walter, Rückführung von Kulturgut im Internationalen Recht, 1988, S. 7; Wyss, Kultur als Dimension der Völkerrechtsordnung – Vom Kulturgüterschutz zur internationalen kulturellen Kooperation, 1992, S. 17; von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 347; Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturguts im europäischen Binnenmarkt, JZ 3/1994, S. 111–117, S. 111; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 5.
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2. Abschnitt: Interessen im Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht
spiegeln Kulturgüter auch für individuelle Einzelpersonen einen bedeutsamen metaphorischen Gehalt wider: Sammelobjekte begleiten Menschen ein oder mehrere Leben lang in einer Familie und stellen so oft die einzige oder eine wichtige Verbindung zu ihren Vorfahren dar. Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung der persönlichen Verluste bspw. durch NS-bedingt entzogene Beutekunst, Raubkunst, Fluchtkunst und entartete Kunst auf beschämende Weise augenscheinlich. Aufgrund dieser besonderen gesellschaftlichen Wirkungsweise kultureller Wertgegenstände unterliegen die Objekte spezifischen Gefahrensituationen 14, die auch innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsregeln wiedererkannt werden müssen.15 Der illegale Kunsthandel mit kulturellen Unikaten hat zunächst – und dies ist sicherlich die gravierendste Gefährdung insgesamt – in zahlreichen Konstellationen eine Substanzverletzung zur Folge.16 Beispielsweise kann hier auf die illegale sog. Translozierung als die vollständige oder teilweise Entfernung kultureller Güter (zumeist Fresken) von einer tragenden Wand abgestellt werden. Innerhalb der Entscheidung Fondation Abegg et Ville de Genève c. Mme. Ribes 17 (sog. Fresques de Casenoves-Fall) 18 wurden bspw. Fresken im Jahre 1954 aus dem Innern einer französischen, profanierten Kapelle von Casenoves (Roussillon) ohne die erforderliche Zustimmung der Eigentümer von den Wänden gelöst und
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Vgl. zu den unterschiedlichen Schutzansätzen im Kulturgüterrecht auch Merryman, “Protection” of the Cultural “Heritage”?, The American Journal of Comparative Law, Vol. 38 (1990), S. 513–522, S. 522; Merryman, The Public Interest in Cultural Property, California Law Review, Volume LXXVII (1989), S. 339–364, S. 355–358; Merryman, Cultural Property Export Controls, UFITA, Band 111 (1989), S. 63–99, S. 88–92. Vgl. von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 24 ff.; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 21 ff.; Raber, Das kulturelle Erbe der Menschheit – Bestandsaufnahme und Perspektiven des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 2 ff.; Odendahl, Kulturgüterschutz – Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, S. 399–400. Merryman bezeichnet den Schutz kultureller Güter vor tatsächlicher Zerstörung und sonstigem Schaden (“preservation of cultural objects against physical damage”) als “preservation of things” (Merryman, The Public Interest in Cultural Property, California Law Review, Volume LXXVII (1989), S. 339–364, S. 355–356; Merryman, Cultural Property Export Controls, UFITA, Band 111 (1989), S. 63–99, S. 88–92; Merryman, “Protection” of the Cultural “Heritage”?, The American Journal of Comparative Law, Vol. 38 (1990), S. 513–522, S. 522). Dames Margail contre Ville de Genève et Fondation Abegg, Tribunale de Grande Instance de Perpignan vom 25.6.1984 (nicht veröffentlicht), bestätigt durch Cour d’Appel de Montpellier vom 18.12.1984, D. 1985, 207 mit Note Maury, S, 210; Cour de Cassation ass. Pl. vom 15.4.1988, D. 1988, 325 mit Note von Maury, S. 329. Weitere Quellen hierzu: Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 228–230; Reichelt, Kulturgüterschutz und Internationales Privatrecht, IPRax 1986, S. 73–75, S. 73–75; Reichelt, Kulturgüterschutz und Internationales Verfahrensrecht, IPRax 1989, S. 253–255, S. 253–254; Audit, Le statut des biens culturels en droit international privé francais, R.I.D.C., quarante-sixième année, n°2 (1994), S. 405–422, S. 407.
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
anschließend an eine schweizerische Stiftung veräußert.19 Eine Substanzverletzung kultureller Wertgegenstände ist innerhalb des illegalen Kulturgüterverkehrs oft auch bei archäologischen Gegenständen zu erwarten, die ohne die professionelle Fachkenntnis erfahrener Archäologen häufig bei den Grabungsarbeiten beschädigt werden. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass Kulturgüter zu Zwecken des vereinfachten Transportes in mehrere Teile zersägt, Statuen zerstückelt oder Gemälde aus ihrem Rahmen geschnitten werden, um eine vereinfachte und unauffällige Verbringung der Kunstwerke, meist außerhalb der Einsichtsmöglichkeiten der nationalen Exportkontrollen, zu erreichen. 11
Neben der Substanzgefährdung führt der illegale Kulturgüterverkehr – und dies ist das zweite Hauptanliegen zahlreicher Gesetze zum Schutze des nationalen Kulturerbes – auch zu einer Auflösung der Bindungen solcher Objekte zu ihren kulturellen Zuordnungssubjekten, d.h. zu Staaten, Nationen, Territorien, Regionen oder Personen.20 Kulturgüter enthalten historisch wichtige Informationsträger.21 Auch die anthropozentrischen, sozialen und identitätsstiftenden Ele19
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Das Problem der Translozierung war in dieser Fallkonstellation innerhalb des internationalen Verfahrensrechts verortet, kann aber auch im Generellen den Problemkreis um die Qualifizierung kultureller Güter als beweglich oder unbeweglich verdeutlichen. Rechtliche Klärung innerhalb des Streitpunktes der Zulässigkeit der Klage vor einem französischen Zivilgericht erlangte die Frage, ob die Fresken als bewegliche oder unbewegliche Gegenstände zu qualifizieren seien, da entsprechend dem zur Zeit der Entscheidung noch geltenden FranzösischSchweizerischen Vertrag aus dem Jahre 1869 die französische Cour de Cassation die Zulässigkeit der Klage dann verneinen musste, wenn die Fresken nach der Entfernung aus der französischen Kapelle als bewegliche Sachen zu qualifizieren waren und sich zum Zeitpunkt der Klage nicht in Frankreich, sondern in der Schweiz örtlich befanden. Sicherlich unbestritten mussten die römischen Wandmalereien vor ihrer Lösung von den Innenwänden der französischen Kapelle als unbewegliche Sachen zusammen mit der Kapelle selbst gelten. Tatsächlich fand die Frage, ob die Fresken nach Entfernung von den Wänden noch immer als unbewegliche, zum Grundeigentum der Kapelle zugehörige Immobilie anzusehen seien, jedoch intensiven Diskussionsbedarf. Konkrete rechtspolitische Ausgangslage war die Erkenntnis, dass die französischen Gerichte bei der Rechtsansicht, dass die Fresken auch noch nach Entfernung ihre Qualifizierung als Immobilie zu konservieren vermochten, eigenständig eher dazu fähig waren, kulturelle Güter der genannten Art für Frankreich und bei Generalisierung der Konstellation für sämtliche Herkunftsstaaten im Allgemeinen zu schützen. Schließlich nennt Merryman auch “preservation of the integrity of complex objects by preventing their dismemberment (removing pieces of a temple or separating the parts of an altarpiece)” als eigener Schutzauftrag des Kulturgüterschutzrechts (vgl. Merryman, The Public Interest in Cultural Property, California Law Review, Volume LXXVII (1989), S. 339– 364, S. 357; Merryman, Cultural Property Export Controls, UFITA, Band 111 (1989), S. 63–99, S. 88–92). Dieser Schutzgedanke geht aber in den beiden anderen Aspekten des Kulturgüterschutzes mit auf. Merryman benennt diesen Schutzaspakt als “preservation of information that would be lost by undocumented removal of an object from its context” (Merryman, The Public Interest in Cultural Property, California Law Review, Volume LXXVII (1989), S. 339–364, S. 356–357; Merryman, Cultural Property Export Controls, UFITA, Band 111 (1989), S. 63–99, S. 88–92; Brodie, An Archaeologist’s View of the Trade in Unprovenanced Antiquities, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 52–63, S. 52–53). Zu dem
2. Abschnitt: Interessen im Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht
mente kultureller Wertgegenstände wirken sich unmittelbar auf die Beziehung der Kulturgüter zu ihren rechtlichen Adjunktionssubjekten aus.22 Primäres Ziel des Kulturgüterschutzes ist es somit neben der Substanzerhaltung auch, bestimmte Wertobjekte mit rechtlichen Mitteln bspw. „an einem bestimmten Platz“ 23, für den kulturellen Ursprungsstaat oder eine Nation, innerhalb einer (Glaubens-)Gemeinschaft oder im Bestand einer einzelnen, individuellen Sammlung zu bewahren, da diese von essentiellem Wert für die Identität und das Selbstverständnis eines Staates, Gemeinwesens und jeder Bevölkerungsgruppe sind.24 In den Fällen des illegalen Kulturgüterverkehrs herrscht heute darüber Konsens, dass Kunst einen universellen, völkerverbindenden Wert darstellt, der schnell von Konflikten über den Status, die Besitztitel, Eigentumsposition und Verfügungsgewalt über die Kunstgüter überlagert wird. Deshalb sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass es bei dem Streit über Bücher, Gemälde, Kunstwerke und Archive „nicht nur um die Kunst, den kulturellen und materiell verbürgten Wert individueller Kunstobjekte, sondern immer auch um nationale Identitäten und um die Deutungshoheit über die Erinnerung an die eigene Geschichte“ geht.25 „Als Produkt und Zeugnis kultureller Entwicklungen zeichnen sich Kulturgüter durch eine Bindung zu der Gesellschaft aus, deren Kultur sie repräsentieren. … Die kulturelle Zugehörigkeit und damit identitätsstiftende Wirkung von Kulturgut wird beeinträchtigt, wenn sich das Kulturgut nicht mehr im unmittelbaren Zugriffsbereich der Gesellschaft befindet, zu deren kulturellen Erbe es gehört.“ 26 Dabei sollte auch ein individueller Privatsammler zum personellen Schutzumfang des Kulturgüterschutzes gezählt werden, nimmt doch auch dieser eine zentrale Position in der dauerhaften Bewahrung und Sicherung kultureller Güter für nachfolgende Generationen ein. Die kulturelle Bindung zwischen Objekt und Kulturgutträger ist einerseits sowohl zu individuellen Personen fass-
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Informationsverlust aufgrund illegalen Transfers vor allem archäologischer Artefakte siehe vertiefend: Nowell, American Tools to Control the Ilegal Movement of Foreign Origin Archaeological Material: Criminal and Civil Approaches, Syracuse Journal of International Law and Commerce 6 (1978), S. 77–110, S. 77–78; Brodie, An Archaeologist’s View of the Trade in Unprovenanced Antiquities, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 52–63, S. 52–53; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 32–33. Vgl. Odendahl, Kulturgüterschutz – Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, S. 399–400. So Fechner, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Eine Einführung, in: Fechner/Oppermann/Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 11–46, S. 27. Vgl. Odendahl, Kulturgüterschutz – Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, S. 7. Sapper, Manfred/von Selle, Claudia/Weichsel, Volker, Konflikte um die Kunst, in: Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde, Osteuropa – Kunst im Konflikt: Kriegsfolgen und Kooperationsfelder in Europa, S. 6. Odendahl, Kulturgüterschutz – Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, S. 399–400.
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
bar, als auch andererseits rechtlicher Art und nicht nur kulturellen Gütern als Bestandteil von Kultur quasi außerrechtlich inhärent:27 “[W]orks of art lose their meaning when separated from their intended structural whole … . The beauty of the unified work is lost forever, and it cannot be recaptured. For this reason, works on a monumental and architectural scale, the movement of which of which would cause irreparable damage, should first and foremost receive protection from mutilation and destruction.” 28 Ein plakatives Exempel für die ‚innere‘ Konnexität zwischen Territorium und Kulturgut verkörpert bspw. der Fundort bei archäologischen Kulturgütern.29 12
“There are several factors in the antiquities trade that combine to disconnect the cultured world of museums and collectors from its antithetical underworld of criminality and destruction. First, all artefacts that are recovered by means of clandestine excavations will not have been seen in modern times, whether in a publication or in a museum’s vitrine, so that when they appear on the market they cannot be recognised and identified as stolen. Second, many antiquities were removed from their countries of origin decades or even centuries ago, at a time when it was not illegal to do so. Some of these antiquities are still in circulation today and are therefore legally on the market. In other words, they are licit. Finally, most antiquities (between sixty and ninety percent’) are sold without provenance, which means that legal and illegal material have become hopelessly mixed on the market. Because most antiquities have not been recorded in any publication or entered into any database, it is difficult to investigate the pedigree of a single antiquity
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Andere Ansicht Odendahl, Kulturgüterschutz – Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, S. 399–400. Bersin, The Protection of Cultural Property and the Promotion of International Trade in Art, N.Y.L. Sch. J. Int’l & Comp. L. Vol. 13 (1992), S. 125 ff., S. 136. Schrifttum: Brodie, An Archaeologist’s View of the Trade in Unprovenanced Antiquities, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 52–63, S. 52–53; Greenfield, The Return of Cultural Treasures, 2. Aufl., 1996, S. 256–267; Jayme, Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht, in: Dolzer/ Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 2004, S. 35 ff., S. 49, Jayme, Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, in: Dominicé/Patry/Reymond, „Études de droit international en l’honneur de Pierre Lalive“, 1993, S. 717–731, S. 728; Fechner, Wohin gehören Kulturgüter? Rechtliche Ansätze eines Ausgleichsmodells, in: Grupp/Hufeld, Recht – Kultur – Finanzen, Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70. Geburtstag am 26. Oktober 2005, 2005, S. 485 ff., S. 489–491; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 242–244; Merryman, Notes Toward a Clarification of the Antiquities Conflict, in: The American Society of International Law (ASIL), Proceedings of the 89th Annual Meeting – When the Quest for Cultural Objects Divides North from South, 1995, S. 438–439; Bersin, The Protection of Cultural Property and the Promotion of International Trade in Art, N.Y.L. Sch. J. Int’l & Comp. L. Vol. 13 (1992), S. 125 ff., S. 137; Blass, Legal Restrictions on American Access to Foreign Cultural Property, Fordham Law Review 46 (1978), S. 1177– 1204, S. 1179; Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 379–384; Church, Evaluating the Effectiveness of Foreign Laws on National Ownership of Cultural Property in U.S. Courts, Columbia Journal of Transnational Law, Volume 30 (1992), S. 180–229, S. 226; Jayme, Kulturgüterschutz in ausgewählten europäischen Ländern, ZVglRWiss 95 (1996), S. 158–169, S. 159–161.
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2. Abschnitt: Interessen im Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht and virtually impossible to prove that any one particular piece has been looted. When asked by a discriminating customer, the vendor will have at hand a comforting homily about the grand tours of the eighteenth century, when European gentlemen travelled abroad and brought back with them antiquities as souvenirs for decorating their country homes. It is nondisclosure of provenance that allows illegal antiquities to infiltrate the market, and nondisclosure is a policy actively defended by dealers on the grounds of commercial necessity (keeping a source secret) or client confidentiality.” 30
Archäologische Kulturgüter stellen somit in vielen Aspekten einzigartige Gegenstände mit speziellen Qualitätsmerkmalen dar, die sich auch rechtlich widerspiegeln müssen. Hat man eine ‚innere‘ Konnexität zwischen Territorium und Kulturgut 31 im Sinn, soll sich die Heimat eines archäologischen Kulturguts primär mit Hilfe des Fundorts bestimmen lassen.32 Der wissenschaftliche Erkenntniswert, der dem Fundort zukommt,33 steht dabei im Zentrum des Interesses der sog. Kontextarchäologie 34 und wird von Archäologen zuweilen höher als das Objekt selbst gewertet.35 Innerhalb der Kontexterhaltung 36 sollen „die Gesetze der Herkunftsländer zu beachten sein, um den historischen Zeugniswert der Grabungen zu erhalten, da andernfalls die Zusammenhänge unwiederbringlich zerstört würden.“ 37 „Archäologische Hinterlassenschaften haben regelmäßig eine 30
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Brodie, An Archaeologist’s View of the Trade in Unprovenanced Antiquities, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 52–63, S. 53. Vgl. Brodie, An Archaeologist’s View of the Trade in Unprovenanced Antiquities, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 52–63, S. 52–53. Vgl. Jayme, Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 2004, S. 35 ff., S. 49, Jayme, Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, in: Dominicé/Patry/Reymond, „Études de droit international en l’honneur de Pierre Lalive“, 1993, S. 717–731, S. 728; Jayme, Kulturgüterschutz in ausgewählten europäischen Ländern, ZVglRWiss 95 (1996), S. 158–169, S. 169. Vgl. DeAngelis, How much Provenance Is Enough? Post-Schultz Guidelines for Art Museum Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 398–399. Vgl. Jayme, Kulturgüterschutz in ausgewählten europäischen Ländern, ZVglRWiss 95 (1996), S. 158–169, S. 169; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 27; Brodie, An Archaeologist’s View of the Trade in Unprovenanced Antiquities, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 52–63, S. 52–53; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 32–33. Vgl. Brodie, An Archaeologist’s View of the Trade in Unprovenanced Antiquities, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 52–63, S. 52–53; DeAngelis, How much Provenance Is Enough? Post-Schultz Guidelines for Art Museum Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 398–399; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 32–33. Vgl. Jayme, Kulturgüterschutz in ausgewählten europäischen Ländern, ZVglRWiss 95 (1996), S. 158–169, S. 159–161 und S. 169; Merryman, The Public Interest in Cultural Property, California Law Review, Volume LXXVII (1989), S. 339–364, S. 353–354. In ihrer Beilage „Literatur und Kunst“ vom 15. Juni 1990 widmete die Zürcher Zeitung zwei Seiten den verschiedenen Stimmen aus der Museumswelt zur Aneignung von Antiken. Abgedruckt ist dort auch die „Berliner Erklärung“ über Kunstexport, Neuerwerbungen und Leih-
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
viel höhere wissenschaftliche Aussagekraft, wenn sie im Zusammenhang der sie umgebenden Schichten und Beifunde stehen. Auch diese Konnexität sollte sich bspw. im Recht des Kulturgüterschutzes widerspiegeln.“ 38 Auch die Museen haben diese Trendwende heute erkannt: „Die Freude am schönen Objekt, das die Sammlung um eine weitere Facette bereichert, steht in keinem Verhältnis zum angerichteten Schaden: Stück für Stück werden die Grundlagen archäologischer Forschungsarbeit zerstört.“ 39 14
Die kulturpolitische und rechtsmoralische Motivation zu der vorliegenden Studie ruht somit in dem Bedürfnis nach einem effektiven Kulturgüterschutz und der Systematisierung kultureller Restitutionsverfahren. Zusätzlich zu den bereits seit Jahrzehnten bekannten Kategorien des illegalen Transfers gestohlener und illegal exportierter Kulturgüter sowie dem Handel mit der Beutekunst kamen in den letzten Jahren jedoch weitere, neue Kategorien illegalen Kulturgüterverkehrs hinzu und der Markt sieht sich mit dem Handel von Raubkunst, kulturellem Fluchtgut und entarteter Kunst sowie weiteren Formen der unrechtmäßigen Verstaatlichung kultureller Güter und deren spezifischen Gefahren konfrontiert. Für Museen hat diesbezüglich Ronald Lauder, Vorsitzender des Board of the Museum of Modern Art in New York, festgestellt, dass schlechterdings jedes Museum in der westlichen Welt NS-bedingt entzogene Kulturgüter in seiner Sammlung besitzt. Eine Durchsicht von 225 Museen offenbarte dabei in etwa 1.700 Objekte mit ungeklärter Provenienz zwischen 1933 und 1945. Besonders eklatant stellt sich dieser Befund nach wie vor auch innerhalb des internationalen Antikenhandels dar: Nowell machte diesbezüglich deutlich, dass „[o]nly a small fraction are moved legally, however; the majority of artifacts are excavated, transported, and sold illegally.“ 40 Nach der Einschätzung eines ehemaligen Direktors des Metropolitan Museum in New York aus dem Jahre 1995, „almost every antiquity that has arrived in America in the past ten to twenty years has broken the laws of the country from which it came“ 41. In diesem Sinne vermutete bereits zuvor Blass in
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gaben, die auf dem 13. Kongreß für Klassische Archäologie im Oktober 1987 angenommen wurde. Quelle: Jayme, Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 2004, S. 35 ff., S. 49, Jayme, Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, in: Dominicé/Patry/Reymond, „Études de droit international en l’honneur de Pierre Lalive“, 1993, S. 717–731, S. 728. Fechner, Wohin gehören Kulturgüter? Rechtliche Ansätze eines Ausgleichsmodells, in: Grupp/ Hufeld, Recht – Kultur – Finanzen, Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70. Geburtstag am 26. Oktober 2005, 2005, S. 485 ff., S. 489–490. Graepler, Der Milliardendeal mit geraubter Kunst, in: Flashar, Bewahren als Problem – Schutz archäologischer Kulturgüter, 2000, S. 23–28, S. 24. Nowell, American Tools to Control the Ilegal Movement of Foreign Origin Archaeological Material: Criminal and Civil Approaches, Syracuse Journal of International Law and Commerce 6 (1978), S. 77–110, S. 77. Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 377.
2. Abschnitt: Interessen im Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht
seinen Untersuchungen über restliche Restriktionen des Zugangs der Vereinigten Staaten zu ausländischen Kulturgütern, dass die überwiegende Zahl sämtlicher archäologischer Artefakte 42, die auf dem Territorium der Vereinigten Staaten von Amerika zum Kauf angeboten werden, von ihrem Ursprungs- bzw. Herkunftsstaat illegal transferiert wurde.43 Auch Drum folgt dieser Einschätzung und weitet seine Beurteilung über den illegalen Handel mit kulturellen Gütern dahingehend aus, dass nicht nur der Transfer illegal ausgegrabener archäologischer Objekte, sondern auch sonstiger Kunstwerke „has skyrocketed in the past ten years.“ 44 Der Schutz ihrer Kulturgüter vor Zerstörung, Verfall, Veränderung und Abwanderung ist somit das natürliche Bedürfnis einer jeden sich ihrer Kultur und Vergangenheit bewussten Gemeinschaft 45 und soll mittels der Regeln des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts erreicht werden.
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Vgl. zu der Dimension und den desaströsen Auswirkungen des illegalen Transfers mit archäologischen Artefakten vertiefend die tatsächlichen Angaben bei Brodie, An Archaeologist’s View of the Trade in Unprovenanced Antiquities, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 52–63, S. 54–55. Blass, Legal Restrictions on American Access to Foreign Cultural Property, Fordham Law Review 46 (1978), S. 1177–1204, S. 1178. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 909. Siehe auch Gordon, The UNESCO Convention on the Illicit Movement of Art Treasures, Harvard International Law Journal, Volume 12 (1971), S. 537–556, S. 540; Kenety, Who Owns the Past? The Need for Legal Reform and Reciprocity in the International Art Trade, Cornell International Law Journal, Volume 23 (1990), S. 1–46, S. 3. Vgl. Odendahl, Kulturgüterschutz – Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, S. 7.
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3. Abschnitt Defizite im kulturgüterspezifischen Rechtsschutzsystem 15
Trotz der opportunistischen ‚Regelungswut‘ der letzten Jahrzehnte im öffentlichrechtlichen und völkerrechtlichen Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht, wurde – zumindest in praktischer Sicht – der ‚Kampf gegen den illegalen Kulturgüterverkehr‘ nicht nur nicht gewonnen, zuweilen hatte man sogar das Gefühl, man könne noch weiter ins Hintertreffen geraten und der notwendige Minimalschutz kultureller Wertgegenstände müsse dauerhaft das Nachsehen haben. Nicht nur Kunstinteressierten oder Rechtswissenschaftlern ist wohl bekannt, dass zahlreiche kulturgüterspezifische Resolutionsmethoden zur Regulation des illegalen Kulturgüterverkehrs bestehen und sich zusätzlich die professionell am Kunsthandel Beteiligten durch selbstauferlegte Verhaltensstandards einer Selbstregulation unterwerfen. Diesem Anspruch wird inzwischen rechtsnormenübergreifend 46 international wie national Rechnung getragen.
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In internationalen Konventionen und zwischenstaatlichen Rechtsinstrumenten, wie bspw. der UNESCO Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970, der UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 und der Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993, werden unterschiedliche grenzüberschreitende Regulationsmechanismen des internationalen Kulturgüterverkehrs vorgeschlagen, um dem illegalen Kunsthandel Herr zu werden.47 Auch innerstaatliche Normen zum Schutz national bedeutsamer Kulturgüter lassen sich in praktisch allen entwickelten Gesellschaften finden, sodass der Kulturgüterschutz heute aus nationaler Sicht „als unabdingbarer Bestandteil und wesentliches Merkmal einer Zivilisation“ 48 gilt. Diese Schutzgesetze protegieren national bedeutsame Kulturgüter in erster Linie wegen ihres kulturellen Wertes und dienen damit der Sicherung der historischen, künstlerischen, ästhetischen und wissenschaftlichen Funktion der Gegenstände für den kulturellen Ursprungsstaat.49 Auch die professionell am Kunsthandel Beteiligten haben die Notwen46
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Vgl. hierzu Odendahl, Kulturgüterschutz – Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005. Vgl. allgemein zu den Grenzen des völkerrechtlichen Kulturgüterschutzes von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 191–192. Vgl. Odendahl, Kulturgüterschutz – Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, S. 7. Vgl. Hammer, Zur Geschichte des rechtlichen Kulturgüter- und Denkmalschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 47–48; Adriani, Das Recht der Kultur-
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3. Abschnitt: Defizite im kulturgüterspezifischen Rechtsschutzsystem
digkeit spezieller Mindestverhaltensstandards (mehr oder weniger freiwillig, zumindest aus eigenem Intersse als Schutz vor den auch für den Handel bestehenden Gefahren des illegalen Kunsthandels) erkannt, um im gewerblichen Kulturgüterverkehr den Zielen des Kulturgüterschutzes gerecht zu werden. International tätige Organisationen, nationale Verbände und Berufszusammenschlüsse sowie einzelne im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr tätige Institutionen und Firmen auferlegten sich selbst spezielle Programmsätze zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels. Obwohl das Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht noch ein relativ junges Rechtsgebiet darstellt, wurde somit inzwischen ein umfangreiches Regelungsvolumen in sämtlichen Bereichen geschaffen, in denen rechtliche Normen wirken können. Man fragt sich deshalb, warum sich die vorliegende Studie trotz einer – im wahrsten Sinne des Wortes – unübersehbaren gesetzgeberischen, judikativen wie rechtsdogmatischen Flutwelle kulturgüterspezifischer Resolutionsmethoden zur Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs überhaupt noch mit der (kulturgüterunspezifischen) zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb des illegalen Kunsthandels im Allgemeinen und der speziellen Sorgfaltsanforderungen und ethischen Mindestverhaltensstandards der im Kunsthandel Beteiligten im Besonderen zu beschäftigen hat. Schon eingangs ist zu erkennen, dass der illegale Kunsthandel und die erfassten Kategorien unrechtmäßigen Kulturgüterverkehrs so vielschichtig und inhomogen sind, dass die Regelungsweite eines Spezialgesetzes mit dem Ziel der Erfassung sämtlicher Fallkonstellationen praktisch immer unerreicht bleiben muss. Ein einzelnes Rechtsinstrument kann den divergierenden Wertungen innerhalb der unterschiedlichen Kategorien illegal transferierter Kulturgüter kein einheitliches Lösungsschema auferlegen, ohne dass wesentliche Gerechtigkeitsvorstellungen des Einzelfalls verloren gehen. Die überwiegende Zahl internationaler und innerstaatlicher Rechtsinstrumente erfasst ebenso wie die selbstauferlegten Verhaltensstandards dementsprechend regelmäßig allein die Kategorien gestohlener und illegal exportierter Kulturgüter. Jedoch selbst eine einheitliche oder angenäherte Rechtsbehandlung dieser beiden Kategorien illegalen Kunsthandels scheint vor dem Grundkonzept verfehlt, dass gestohlene Kulturgüter generell, illegal exportierte jedoch nur dann restituiert werden sollten, wenn es sich gegenständlich um den essentiellen Teil des nationalen Kulturerbes eines Ursprungsstaates handelt – eine weitergehendere Restitutionspflicht ist nicht nur entsprechend den Erwägungen eines kulturellen Internationalismus
denkmalpflege – unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Niedersachsen, 1962, S. 15–16. Die ausführlichste historische Darstellung des deutschen Denkmalrechts (als ein Teil des Kulturgüterschutzrechts) bietet Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, 1995. Zum Ganzen Odendahl, Kulturgüterschutz – Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, S. 7.
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
kulturpolitisch unerwünscht, sondern international schlichtweg undurchsetzbar. Andere internationale Rechtsinstrumentarien, wie bspw. die Hague-Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict vom 14. Mai 1954, beschäftigen sich hingegen ausschließlich mit der kriegsbedingten Entziehung kultureller Wertgegenstände. Die rechtliche Behandlung kulturellen Fluchtguts sowie der Handel mit unrechtmäßig verstaatlichten Kulturgütern, wie bspw. der Transfer entarteter Kunstwerke, der Raubkunst der zweiten Phase, der zu russischem Staatseigentum designierten Trophäenkunst sowie der innerhalb des Territoriums der DDR enteigneten Kunstwerke und Antiquitäten, stellen bisher allein eine Kategorie judikativer und rechtsdogmatischer Auseinandersetzung dar, ohne dass bislang der Versuch einer kodifikatorischen Erfassung angestrengt wurde. 18
Bislang blieb die überwiegende Zahl internationaler wie innerstaatlicher Schutzvorschriften kultureller Wertgegenstände nicht mehr als ‚Papiertiger‘ und bildet bis heute kein effektives System zur Erreichung der Mindeststandards des Kulturgüterschutzes.50 Das aktuell bestehende Kulturgüterschutzsystem greift nicht und bedarf der Therapie! Das nun seit Jahrzehnten stetig wachsende Volumen illegal transferierter Kulturgüter 51 stellt das Resultat internationaler wie innerstaatlicher Kulturgüterschutzinstrumentarien dar, die oft an falschen Bedürfnissen ankern und teilweise kurzsichtigen oder allein eigennützigen Interessen Vorschub leisten. Trotz der Notwendigkeit einer unermüdlichen Befürwortung eines möglichst weitreichenden Prinzips eines kulturellen Internationalismus und des damit einhergehenden weitestgehend unreglementierten grenzüberschreitenden Austauschs möglichst vieler Kulturgüter zwischen allen Staaten der Weltgemeinschaft 52 zu Lasten einer häufig viel zu restriktiv verstandenen Theorie des kulturellen Nationalismus ist ein Mindestkulturgüterschutz für kulturelle Ursprungsstaaten zur Wahrung ihrer national bedeutsamen Kulturgüter aus den genannten 50
51 52
Vgl. ausführlich zu einer Bewertung der unterschiedlichen Rechtsgebiete des internationalen Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts Band 6 – Allgemeiner Teil. Vgl. ausführlich hierzu in Band 1: Illegaler Kulturgüterverkehr. Besonders Merryman spricht sich vehement gegen eine Instrumentalisierung des Arguments des Schutzes kultureller Güter zu einer Einschränkung des internationalen Kulturgüterverkehrs aus (Merryman, “Protection” of the Cultural “Heritage”?, The American Journal of Comparative Law, Vol. 38 (1990), S. 513–522, S. 522: “But when the purpose is merely to prevent the export of an object – for example, an easel painting or a coin collection – and export offers no significant threat to these values, as is often the case, then “protection” is merely a euphenism for “retention”.”). Dieser Rechtsgedanke wird auch in den Ausführungen zum öffentlichen Interesse an kulturellen Gütern ersichtlich: Merryman, The Public Interest in Cultural Property, California Law Review, Volume LXXVII (1989), S. 339–364, S. 357, besonders deutlich wird dies auch an folgender Überlegung: “One way that cultural objects can move to the locus of highest protection is through the market. The plausible assumption is that those who are prepared to pay the most are the most likely to do whatever is needed to protect their investment.” Merryman, Two Ways of Thinking about Cultural Property, The American Journal of Internatinal Law, Vol. 80 (1986), S. 831–853, S. 849.
3. Abschnitt: Defizite im kulturgüterspezifischen Rechtsschutzsystem
Gründen ebenso unumgänglich, wie private Eigentümer vor einem Verlust ‚ihrer‘ Kunstwerke geschützt werden müssen. Es bleibt die nüchterne Feststellung, dass die öffentlich-, völker- und strafrechtlichen Resolutionsmethoden zusammen mit den selbstauferlegten Codes of Ethics der professionell am (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen, Auktionshäuser und ihrer Verbände an ihren systemimmanenten Grenzen kranken.
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4. Abschnitt Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im kulturgüterunspezifischen Zivilrecht 19
Solange völkerrechtliche, öffentlich-rechtliche und strafrechtliche Resolutionsmethoden ebenso wenig effektive Rechtsinstrumente zur Regulation des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs und Kulturgüterschutzes bereitstellen wie die selbstauferlegten Verhaltenskodizes der professionell am Kunsthandel Beteiligten, müssen und werden sich – zumindest in absehbarer Zeit – Rechtsdogmatik und Judikative zwangsläufig an die meist kulturgüterunspezifischen Eigenmittel der nationalen Zivilrechtsordnungen zur repressiven Kontrolle des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs wenden.53 Zunächst ist festzustellen, dass die Integration eines effektiven und international durchsetzbaren Kulturgüterschutzes in die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter unabdingbar ist.54 Die nationalen Zivilrechtsordnungen und die zivilrechtliche Sachzuordnung kultureller Wertgegenstände an ihre Eigentümer halten de lege lata als einziges Rechtsgebiet ein repressiv wirkendes Regulationssystem parat, das auch außerhalb kultureller Ursprungsstaaten Anwendung findet, nach einem unrechtmäßigen Entziehungsakt korrigierend auf eine rechtswidrige Verlagerung kultureller Güter einwirkt und somit auch international eine Sachzuordnung gewährleistet.
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Damit umschifft das Privatrecht schon die Klippen, an denen bspw. die kulturgüterspezifischen Sonderrechte und Spezialvorschriften innerhalb des Völkerrechts und des öffentlichen Rechts kenterten: Innerhalb der internationalen Sachzuordnungsregeln kultureller Wertgegenstände fehlt die Möglichkeit der effizienten Rechtsverfolgung außerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungsstaates ebenso wie innerhalb der nationalen, öffentlich-rechtlichen Kulturgüterschutzgesetze der kulturellen Quellenstaaten. Darüber hinaus bieten die wenigen, zur Verfügung stehenden Verfahrensweisen – oft hat der Staat allein die Möglichkeit, auf diplomatischem Weg seine Rechtsansicht durchzusetzen – keinen effektiven Schutz für Individualpersonen, deren Bedeutung innerhalb des Kulturgüterschutzes viel zu lange unterschätzt wurde.
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Vgl. für einen Überblick bspw. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 37–54; Palmer, Conversion, Trespass and Title to Art wWorks, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 33–66, S. 33; Byrne-Sutton, le trafic international des biens vulturels sous l’angle de leur revendication par l’Etat d’origine – Aspects de droit international privé, 1988, S. 228 ff., insb. S. 238 ff. (für einen kursorischen Überblick). Vgl. für eine zivilrechtliche Sachzuordnung kultureller Güter in England und Wales die Ausführungen bei Palmer, Conversion, Trespass and Title to Art wWorks, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 33–66.
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4. Abschnitt: Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht
Während die kulturgüterspezifischen Rechtsregeln des Völkerrechts und des öffentlichen Rechts vornehmlich und unverzichtbar in präventiven Bahnen wirken und dabei Verbotstatbestände, Verhaltensanweisungen und spezielle Schutzanliegen für den Umgang mit Kulturgütern formulieren, bieten die nationalen Zivilrechtssysteme das für den Kulturgüterschutz notwendige international durchsetzbare Rechtsfolgen- und Sanktionensystem bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften. Das Völkerrecht und die öffentlich-rechtlichen Kulturgüterschutzgesetze formulieren damit die Tatbestände des Kulturgüterschutzes, während das Zivilrecht die Basis für deren Rechtsdurchsetzung bildet. Nachdem die Anfänge des Kulturgüterschutzes im Kriegsvölkerrecht liegen und internationale Rechtsinstrumente im völkerrechtlichen Friedensrecht zusammen mit nationalen Kulturgüterschutzgesetzen in der Folge spezifische Verhaltensstandards für die Protektion kultureller Güter formulierten, spielt die Musik für den Kulturgüterschutz heute in besonderem Maße auch im Zivilrecht! Auch wenn sich die vorliegende Studie allein mit der zivilrechtlichen Sachzuordnung kultureller Güter beschäftigt, wird die (ferne) Zukunft des Kulturgüterschutzes in der weltweiten Rechtsharmonisierung kulturgüterspezifischer Rechtsvorschriften liegen, die das nationale Kulturerbe als res sui generis begreifen und eine international einheitliche Sachzuordnung kultureller Wertgegenstände an ‚ihre‘ kulturellen Zuordnungssubjekte nach kulturpolitisch determinierten, jedoch rechtlich anerkannten Zuordnungskriterien vornehmen. Hierfür besteht aber auf absehbare Zeit nicht nur innerhalb der Rechts- und Gesellschaftsordnung Deutschlands noch keine praktische Umsetzungsaussicht.
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Ob heute in Kunstrestitutionsstreitigkeiten erfolgreich die Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erreicht werden kann, hängt damit nicht nur von der – ausführlich in Band 1: Illegaler Kulturgüterverkehr dargestellten – Qualifikation des Entzugsaktes als rechtswidrig und ohne Auswirkung auf die Eigentumsposition des ursprünglichen Kulturgutträgers, sondern insbesondere auch davon ab, ob der ursprüngliche Kulturgutträger seine Eigentumsposition nicht im internationalen Handel bzw. – teilweise mehr als sechzig Jahre nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt – aufgrund des langen Zeitablaufs verloren hat. Diese Fragen sind Gegenstand der Untersuchungen in Band 2: Zivilrecht – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel.
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Der Erfolg einer zivilrechtlichen Kunstrestitutionsstreitigkeit hängt somit empfindlich von der konkreten privatrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im internationalen Kulturgüterverkehr an den ‚richtigen‘ Kulturgutträger ab. Obwohl Kulturgüter die beschriebene besondere kulturpolitische Sachqualität besitzen, finden nach erstem Anschein die allgemeinen Zivilrechtsregeln Anwendung und eine Kommentierung des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts im Zivilrecht ähnelt oberflächlich betrachtet einer allgemeinen Einführung ins Sachenrecht für Studenten. Es ist den Rechtsinstituten des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs und der akquisitiven Eigentumsersit-
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
zung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sowie den Fragen der Verjährung und der Verwirkung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche die notwendige Beachtung zu schenken. Zivilrechtliche Sachzuordnungsregeln unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im internationalen Kunsthandel
Derivative Veräußerung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter: Eigentumsübertragung mittels des Rechtsinstituts des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs
Originäre sachenrechtliche Zuordnung des Eigentums an einem beweglichen Kulturgut an den Erwerber zulasten des ursprünglichen Eigentümers: Eigentumsübergang mittels des Rechtsinstituts der akquisitiven Ersitzung
Ausschluss kultureller Restitutionsansprüche aufgrund des Rechtsinstituts der (teilweise international sog. ‚erlöschenden’) Verjährung
Ausschluss kultureller Restitutionsansprüche aufgrund des Rechtsinstituts der Verwirkung
Schema 1 – Sachenrechtliche Zuordnungsregeln unrechtmäßig entzogener und abhandengekommener Kunstwerke im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr
A. Rechtsgeschäftlicher Gutglaubenserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – eine Einführung 24
Zuvörderst ist an eine rechtsgeschäftliche (d.h. derivative) Veräußerung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und an einen diesbezüglichen gutgläubigen Erwerb zu denken. Der Dieb eines kulturellen Wertgegenstandes verfolgt durch die Wegnahme und Wertzueignung in den meisten Situationen einen wirtschaftlichen Profit durch eine Weiterveräußerung des Gegenstandes. Besonders der ‚graue‘ Markt mit archäologischen Gütern weist eine diesbezügliche, mehrere Personen umfassende Kette von Beteiligten auf: Häufig erfolgt die Entfernung von Altertumsfunden von dem kulturellen Ursprungsort durch lokale Einwohner aus ärmlichen Verhältnissen, die ihrerseits die Objekte an einen oder mehrere Zwischenhändler veräußern, die bei einer sehr geringen Gegenleistung zumeist im Ausland in kulturellen Zielstaaten großen Profit durch die begehrten Sammelobjekte erwirtschaften. In diesen Fällen ist für jeden rechtserheblichen Transfer festzustellen, ob der ursprüngliche Eigentümer seine Rechtsposition an dem archäologischen Artefakt nicht an einen gutgläubigen Erwerber verloren hat und somit die Geltendmachung eines kulturellen Restitutionsanspruchs materiell unbegründet ist.
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Wie die unzählbaren Entziehungsakte kultureller Wertgegenstände seitens der nationalsozialistischen Plünderungsbehörden und -organisationen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und die folgenden in- wie ausländischen Verwertungsaktio-
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4. Abschnitt: Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht
nen der verlagerten Kulturgüter zur Erwirtschaftung ausländischer Devisen zeigen, stellt auch die Kategorie der kriegsbedingten Entziehung ein Beispiel der rechtsgeschäftlichen Veräußerung rechtswidrig entzogener Kulturgüter dar, wobei die Möglichkeit einer gutgläubigen derivativen Akquisition der Kulturgüter seitens der Erwerber zu prüfen ist. Das eben Gesagte gilt entsprechend auch für die Fälle des sog. kulturellen Fluchtguts. Die scheinbar ‚freiwilligen‘ Veräußerungen brachten in großer Zahl Kulturgüter in den deutschen, vor allem aber auch schweizerischen Kunstmarkt. Da heute unter bestimmten Voraussetzungen vor nationalen Zivilforen von der Nichtigkeit kultureller Veräußerungsgeschäfte zur Zeit des Nationalsozialismus bei Vorliegen einer Notlage der verfolgten (jüdischen) Bevölkerungsgruppen ausgegangen werden kann, wenn also die Veräußerung zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage bzw. zur Vorbereitung einer Flucht oder Emigration aus Deutschland als Schutz vor Deportation und Ermordung diente, ist auch hier für jede einzelne Transaktion zu prüfen, ob die Erst-, Zweitoder Dritterwerber bei weiteren Transferleistungen möglicherweise gutgläubig Eigentum an den Gegenständen erwerben konnten. Besonders in den Fallkonstellationen der unrechtmäßigen Verstaatlichung kultureller Wertgegenstände (hier sind besonders relevant die Verstaatlichung der ‚entarteten‘ Kunst durch die Kulturpolitik des ehemaligen Deutschen Reiches vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, die systematishe Zwangsverstaatlichung der zweiten Raubkunstphase aus dem Besitz und Eigentum jüdischer Teile der deutschen Bevölkerung, die Verstaatlichung der aus der sowjetischen Besatzungszone im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg entzogenen Trophäenkunst sowie die Verstaatlichung kultureller Güter durch die Organe und Behörden der ehemaligen DDR seit Beginn der 1980er Jahre) erfolgte grundsätzlich eine Verwertung der staatlich innerhalb der eigenen Staatsgrenzen entzogenen Kulturgüter zur Erwirtschaftung zumeist ausländischer Devisen (Ausnahme stellt bisher die seitens der Trophäenbrigaden aus der sowjetischen Besatzungszone zur Zeit des Zweiten Weltkriegs nach Russland verlagerte und seitens der russischen Föderation im Jahre 1998 zu Staatseigentum designierte Trophäenkunst dar, deren Existenz mehr als eine halbe Dekade in russischen Geheimdepots der Öffentlichkeit verborgen blieb):
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Daher könnte das Deutsche Reich bei Veräußerung der ‚entarteten‘ Kunst im In- wie im Ausland als zur Verfügung Nichtberechtigter gehandelt haben und ein Rechtserwerb der Käufer nur mittels der Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs möglich gewesen sein. Auch bei der Raubkunst der zweiten Phase waren individuelle Privateigentümer weiterhin als Eigentümer der eingezogenen Kunstwerke anzusehen. Dies ist besonders relevant, da in zahlreichen sog. Judenauktionen der deutsche Staat die wirtschaftliche Verwertung der entzogenen Kulturgüter suchte, bei der Verwertung im In- wie im Ausland jedoch als zur Verfügung Nichtberechtigter handelte, sodass ein Rechtserwerb der Käufer nur mittels der Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs möglich war. Auch das ehemalige
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
Unrechtsregime der DDR suchte die Erwirtschaftung starker westlicher Devisen zur Verbesserung des Staatshaushalts. Da auch hier durch den Akt der Verstaatlichung kein Eigentumsverlust der ursprünglich Berechtigten eingetreten war, konnte die Kunst und Antiquitäten GmbH als kulturelle Verwertungsgesellschaft nur im Wege des gutgläubigen Erwerbs den Käufern das Eigentum an den entzogenen Kulturgütern verschaffen. 28
In sämtlichen Situationen der sukzessiv nach der unrechtmäßigen Entziehung erfolgten rechtsgeschäftlichen Veräußerung ist somit immer zu überlegen, ob die durch den Entziehungsakt zunächst unbeeinträchtigte Rechtsposition des Eigentümers durch einen gutgläubigen derivativen Erwerb angetastet worden ist. Dabei wird vor allem aus Sicht des Rechtsvergleichers die Heterogenität der unterschiedlichen bestehenden Lösungstypen des gutgläubigen Erwerbs kultureller Güter als bewegliche Gegenstände auffallend sein. Es ist in diesem Rahmen zu erkennen, dass die meisten Rechtsordnungen entweder den bisherigen Eigentümer schützen, den gutgläubigen Erwerber entschädigen oder dem letztgenannten die Sache als neuem Eigentümer vorbehaltlos zusprechen. Diese genannten Alternativen sind drei idealtypische Lösungen, die in einer Rechtsordnung zuweilen allein, meistens jedoch nebeneinander normative Regelung erfuhren, und zwar abhängig von der Art des erworbenen (Kultur-)Guts, seiner Herkunft (gestohlen oder abhandengekommen) oder dem Erwerbsmodus (Erwerb aus den Händen einer Privatperson, von einem Händler, im Wege der Versteigerung oder auf einem offenen Markt).55 Während innerhalb des folgenden 2.Teils eine Darstellung der theoretisch möglichen Ausgestaltungsvarianten einer rechtsgeschäftlichen Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aus rechtsvergleichender Sicht erfolgt, beschäftigt sich der 3. Teil mit dem konkret notwendigen Sorgfaltsmaßstab gutgläubiger Erwerber und der rechtlichen Bestimmung, wann ein Erwerber redlich handelte. Nachdem dort in einem 1. Abschnitt die normative Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabs erfolgt, wird innerhalb des 2. Abschnitts eine Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit beim Erwerb von Kulturgütern erstellt und innerhalb des 3.Abschnitts eine Auflistung relevanter Dokumentationsquellen innerhalb der Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber vorgenommen, um auch den Bedürfnissen der Praxis gerecht zu werden und den im Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändlern, Galeristen, Auktionshäusern und Privatsammlern einen praktischen Leitfaden an die Hand zu geben.
55
Vgl. Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292, S. 273.
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4. Abschnitt: Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht
B.
Ersitzungserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – eine Einführung
Innerhalb des 4. Teils erfolgt eine Auseinandersetzung mit der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mittels der Rechtsinstitute der Ersitzung, Verjährung und Verwirkung. Die Unikatfunktion kultureller Wertgegenstände führt grundsätzlich zu keinem Sachverbrauch oder Substanzverlust und keiner dementsprechenden Entwertung der unrechtmäßig entzogenen Kunstwerke durch Zeitablauf. Kunstwerke werden sowohl in öffentlichen, vor allem aber auch in privaten Sammlungen ‚für die Ewigkeit‘ bewahrt und gesichert. Dies führt zusammen mit dem besonderen Wiedererkennungswert individueller Kunstobjekte häufig zur Entdeckung bereits viele Jahre zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch die berechtigten Eigentümer, deren Rechtsnachfolger, bspw. durch den kulturellen Ursprungsstaat rechtswidrig ausgegrabener und transferierter archäologischer Kulturgüter. Als Beispiel gelten auch die erst nach mehr als einer halben Dekade nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft nun erneut ‚aufgeflammten‘ Restitutionsbemühungen der ursprünglichen Eigentümer bzw. deren Erben zur Rückführung der im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg entweder kriegsbedingt entzogenen oder aus dem Besitz und Eigentum jüdischer Bevölkerungsgruppen rechtswidrig sichergestellten, beschlagnahmten und wirtschaftlich verwerteten Kulturgüter. Die ursprünglichen Eigentümer können in der Regel erst heute – nach Eintritt einer umfassenden Provenienzrecherche – eine Lokalisierung der Aufenthaltsorte und eine Identifizierung der aktuellen Besitzer erreichen. In solchen Konstellationen stellt sich die Frage nach den zivilrechtlichen Auswirkungen des Faktors Zeit in kulturellen Restitutionsfragen. Über die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und einen diesbezüglichen gutgläubigen derivativen Erwerb hinaus ist somit auch an die temporalen Limitationen eines zivilrechtlichen Restitutionsanspruchs rechtswidrig entzogener Kulturgüter zu denken.
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Nach einleitenden Ausführungen wird zunächst innerhalb des 1. Abschnitts des 4.Teils erklärt, dass auch in solchen Rechtssystemen, die grundsätzlich einen gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ablehnen, die Interessen redlicher Erwerber über das Rechtsinstitut der Ersitzung gewahrt werden können. Fühlen sich Besitzer kultureller Wertgegenstände aufgrund der äußeren Umstände zu Recht als Eigentümer, bewerten einzelne Rechtsordnungen das Interesse der gutgläubigen Eigenbesitzer kultureller Wertgegenstände nach einem näher qualifizierten Zeitraum gegenüber den Interessen der ursprünglichen Eigentümer der entzogenen Kulturgüter höher und schützen den berechtigten Eigenbesitz des gutgläubigen Erwerbers zulasten der Eigentumsposition des ursprünglichen Eigentümers, dem das Objekt unrechtmäßig entzogen wurde. Rechtliches Instrument zur Umsetzung dieser Interessenbewertung ist die origi-
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
näre sachenrechtliche Zuordnung des Eigentums an einem beweglichen (Kultur-) Gut an den Erwerber zulasten des ursprünglichen Eigentümers mittels des Rechtsinstituts der akquisitiven Ersitzung. So erwirbt bspw. nach § 937 BGB derjenige, der eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, durch das Rechtsinstitut der Ersitzung auch das Eigentum an dieser. In zahlreichen Rechtsordnungen finden sich vergleichbare Regelungen, die einen originären Eigentumserwerb in solchen Konstellationen ermöglichen, in denen dies derivativ durch eine rechtsgeschäftliche Veräußerung nicht möglich ist.
C. Verjährung kultureller Restitutionsansprüche – eine Einführung 31
Neben der Ersitzung als teilweise sog. ‚erwerbende Verjährung‘ ist innerhalb der Auswirkungen des Faktors Zeit bei kulturellen Restitutionsforderungen auch immer an das Rechtsinstitut der (teilweise international sog. ‚erlöschenden‘) Verjährung zu denken. Die vorliegende Studie wird sich innerhalb des 5. Teils mit dem Schutz vor Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Rückgabeforderungen von (ursprünglichen) Eigentümern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beschäftigen. Je nach nationaler Ausgestaltung soll die Verjährung gleichermaßen dem Nichtschuldner wie dem Schuldner kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zugutekommen: „Je länger die Entstehung eines angeblichen oder tatsächlichen Anspruchs zurückliegt, desto eher kann davon ausgegangen werden, dass ein etwaiger Gläubiger die Forderung mittlerweile selbst für unbegründet hält oder jedenfalls nicht mehr auf Leistung besteht, und desto schwieriger wird es auch, zuverlässige Feststellungen über jene Tatsachen zu treffen, die für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebend sind. Der Gläubiger kann sich gegen derartige Beweisnöte durch rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs oder entsprechende Beweissicherung schützen. Der Schuldner bzw. Nichtschuldner hingegen muss regelmäßig warten, bis der Gläubiger tätig wird; er trägt demzufolge gerade für anspruchshemmende und anspruchsvernichtende Tatsachen in höherem Maße das Risiko zeitablaufbedingter Unaufklärbarkeit als der Gläubiger für anspruchsbegründende Tatsachen.“ 56 Das Rechtsinstitut der Verjährung bietet somit die Möglichkeit, eine Restitutionsforderung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter allein aufgrund Zeitablaufs pauschal abzuwehren, um dem beschriebenen „imparitätischen Kräfteverhältnis im Interesse des in Anspruch Genommenen“ 57 entgegenzuwirken. Über diesen Individualschutz potentiell
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So Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7. Vgl. den Ausdruck bei Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7.
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4. Abschnitt: Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht
restitutionspflichtiger Parteien hinaus sichert das Rechtsinstitut der Verjährung im Kulturgüterrecht ebenso wie im Allgemeinen auch die öffentlichen Interessen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Es muss sich an dieser Stelle jedoch mit der Frage auseinandergesetzt werden, ob auch innerhalb des internationalen Kulturgüterverkehrs in gleichem Maße ein Bedürfnis nach klaren und eindeutigen Rechtsverhältnissen besteht, um der Verdunkelung kultureller Transferbewegungen entgegenzuwirken. Hier wird zu klären sein, ob Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wirklich in absehbarer Zeit geltend gemacht werden müssen, oder ob nicht alternative Lösungen dem Interesse an Rechtssicherheit ebenso dienlich sind, ohne eine absolute Präklusionswirkung zu schaffen.58
D. Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche – eine Einführung Schließlich sind innerhalb der zivilrechtlichen Resolutionsmethoden des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs neben den temporalen auch auf dem Grundsatz von Treu und Glauben basierende rechtsmoralische Limitationen eines zivilrechtlichen Restitutionsanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu beachten. Ebenso wie innerhalb der Möglichkeiten eines gutgläubigen derivativen Erwerbs im Wege einer bona fide-Akquisition und des originären Eigentumserwerbs mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung besondere Sorgfaltsanforderungen und -pflichten an die Gutgläubigkeit des Rechteerwerbers und Restitutionsschuldners speziell bei der Akquisition kultureller Wertgegenstände zu stellen sind, bestehen – vor allem im Common Law-Rechtskreis – innerhalb des privatrechtlichen Kulturgüterrechts auch außergewöhnliche Verhaltensanforderungen gegenüber Restitutionsgläubigern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Innerhalb des 6. Teils wird der 1. Abschnitt die Frage nach speziellen Anstrengungen zur Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung deren Besitzer stellen und untersuchen, ob bspw. der bestohlene Eigentümer nach dem kulturellen Diebstahlsakt umgehende und umfassende Anstrengungen zur Nachforschung bei den zur Verfügung stehenden Informationsstellen über den Verbleib seines Kulturgutes unternehmen muss, um nicht seinen Ansprüchen verlustig zu gehen.59 Dabei wird auch die Frage formuliert, ob 58
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Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68, S. 64 ff; Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz – Eingriffsnormen und der internationale Kunsthandel, in: Pfister/ Will, Festschrift für Werner Lorenz zum siebzigsten Geburtstag, 1992, S. 525–542, S. 535– 536; Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung – Vom Kulturgüterschutz zur
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter spezielle due diligence-Anforderungen wahren müssen, damit kulturelle Restitutionsansprüche keiner temporalen Präklusion unterfallen. Die rechtstechnische Umsetzung dieser speziellen Sorgfaltsanforderungen seitens kultureller Restitutionsgläubiger erfolgt mittels des Rechtsinstituts der Verwirkung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche. Bei einer Gesamtschau zahlreicher tatsächlicher Fallkonstellationen unternahmen die (ursprünglichen) Eigentümer in der Regel unmittelbar im Anschluss an die unrechtmäßige Entziehung der kulturellen Werte mehr oder weniger intensive Lokalisierungsbemühungen 60, unterließen jedoch in zahlreichen Fällen nach dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne der Nichtlokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kunstwerke weitere Nachforschungen zur Identifizierung der Besitzer der abhandengekommenen Gegenstände. In zahlreichen – hauptsächlich amerikanischen – Gerichtsentscheidungen plädierte deshalb die Beklagtenseite, dass der restitutionsbeanspruchende Eigentümer den erforderlichen due diligence-Maßstab missachtete, weil dieser in seinen Lokalisierungsbemühungen nicht die unerlässlichen Sorgfaltsanforderungen walten ließ und schon deshalb eine Restitution auszuscheiden habe. An dieser Stelle des Diskurses wird die Frage zu beantworten sein, ob auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung den (ursprünglichen) Eigentümern eine Präklusion ihrer kulturellen Restitutionsansprüche droht, wenn diese keine hinreichenden Sorgfaltsanforderungen zur Lokalisierung und Identifizierung vornahmen.
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internationalen kulturellen Kooperation, 1992, S. 198–199; kritisch hierzu Hanisch, Der Fall des Liotard und die nationale Zuordnung eines Kunstwerks, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 19–36, S. 36; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 347. Vgl. auch Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 177.
5. Abschnitt Kulturgüterspezifische Implikationen im Zivilrecht Im Schrifttum wird regelmäßig betont, dass das Zivilrecht Kunstwerke – mögen sie noch so schön und teuer sein – im Grundsatz noch immer als normale Sachen behandelt. Schon Müller-Chen nahm daran Anstoß:
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„Kunst- und Kulturgüter sind keine ,normalen‘ Handelsgüter, die beliebig reproduzierbar sind. Aufgrund ihrer statistischen Einmaligkeit und Individualität sowie der unter Umständen bestehenden kultur- und gesellschaftspolitischen Bedeutung der Objekte stellt sich die Frage, ob diese Regelung sachgemäss ist. Eine Vase aus der Ming-Dynastie (1368–1644) oder Oscar Kokoschkas ,Windsbraut‘ dürfen rechtlich nicht mit einem Wassereimer oder einem Laser-Drucker gleichgesetzt werden. Besonders Kulturgüter stehen häufig in einer wechselseitigen Beziehung zu ihrer angestammten Umgebung. Es steht ausser Frage, dass jede Nation ein Recht darauf hat, ihre Identität zu bewahren. Dies beinhaltet auch das Recht, gewisse wichtige Kulturgüter, welche materielles Zeugnis von zivilisatorischem Wert ablegen, im eigenen Territorium zu behalten, um damit den Menschen ihre kulturelle Identität erhalten zu können.“ 61
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Während bspw. im Kriegsvölkerrecht diese Unterscheidung erkannt wurde, eine Entwicklung weg von dem Schutz kultureller Güter über den allgemeinen Schutz des Eigentums bei kriegerischen Auseinandersetzungen und hin zu einer autozentrierten Rechtsfigur mit eigenständigem Schutz kultureller Güter aus eigenen Rechtsgründen erfolgte, schlägt die überwiegende Zahl nationaler Zivilrechtsordnungen – so die allgemeine Meinung des Schrifttums – weiterhin ein „aus einem Museum gestohlene[s] Meisterwerk mit dem in der Eisenbahn vergessenen Regenschirm über ein und denselben Leisten“ 62 und ein kultureller Restitutionsanspruch reicht im Zivilrecht nur so weit, wie die allgemeinen Regeln für sämtliche Waren im Generellen gelten. Auch Schönenberger verdeutlicht: „Ein Goya Stillleben, eine Skulptur von Chillida oder eine Ming-Vase fallen damit in die gleiche Kategorie wie ein Auto, ein altes Fahrrad oder eine Waschmaschine.“ 63 Richtig daran ist, dass der Transfer kultureller Güter aus rechtsvergleichender Sicht nach den allgemeinen (inter-)nationalen Sachenrechts- und Eigentumserwerbsregeln erfolgt, ohne dass (von einzelnen Ausnahmen abgesehen) de lege lata spezielle normative Rechtsregeln für Kulturgüter anerkannt sind oder deren Interessen innerhalb der bestehenden Regeln angemessen gewahrt werden.64
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Müller-Chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267–1279, S. 1276. Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 26. Schönenberger, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstwerke? – Ein rechtsvergleichender Überblick; in: Kunst & Recht: Schwerpunktthemen für den Kunstsammler, Schriftenreihe der AXA Art Versicherung AG, 2007, S. 43–51, S. 45. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155; Siehr, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Rechtsverkehr, in: Westphalen/Sandrock, Lebendiges
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
Während sowohl innerhalb der öffentlich-rechtlichen als auch der völkerrechtlichen Resolutionsmethoden zur Kontrolle des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs die besondere rechtliche Behandlung kultureller Güter als res sui generis aufgrund ihrer außergewöhnlichen, kulturpolitischen Bedeutung aus geschichtlichen, wissenschaftlichen, erzieherischen, ästhetischen oder sonstigen kulturellen Gründen in zahlreichen Ausgestaltungsvarianten und Facetten deutlich wird, lassen es die nationalen Zivilrechtsordnungen an einer speziellen normativen Fürsorge für bedeutsame Kulturgüter meist fehlen und behandeln kulturelle Wertgegenstände mit Unikatfunktion ebenso wie sonstige Gebrauchswaren, die ohne Beschränkung reproduziert werden können und keine identitätsstiftende Bedeutung besitzen.65 Dabei bestehen jedoch durchaus rechtliche Gründe für eine Ungleichbehandlung kultureller Güter und sonstiger beweglicher Gegenstände: Während die nationalen Zivilrechtsordnungen im Allgemeinen auf die Wahrung eines finanziellen Ausgleichsgedankens im Widerstreit um ein bewegliches Objekt ausgerichtet sind, steht innerhalb des Schutzes kultureller Wertgegenstände aufgrund ihrer Unikatfunktion grundsätzlich die Zuordnung jedes einzelnen Kulturguts in specie im Zentrum des Interesses. 36
Dem ist entgegenzutreten: Insgesamt ist die Einschätzung des Schrifttums hinsichtlich des zivilrechtlichen Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts jedoch bei verständiger Würdigung sämtlicher kulturgüterspezifischer Implikationen ins Zivilrecht zu kurzsichtig. Zugegeben, bestehen nicht ausnahmsweise Spezialvorschriften, die bspw. Kulturgüter als res extra commercium qualifizieren und so zivilrechtlich außerhalb des Rechtsverkehrs stellen, finden – wie bspw. in Deutschland – auf einen Kulturgüterverkehr allein die allgemeinen kulturgüterunspezifischen Zivilrechtsregeln des inzwischen mehr als einhundertjährigen BGB Anwendung. Richtigerweise werden die allgemeinen Zivilrechtsinstitute heute jedoch durch zahlreiche kulturgüterspezifische Implikationen gleichsam einer alles umfassenden Glocke des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts überlagert und die kulturgüterspezifischen Wertentscheidungen zur ‚richtigen‘ Sachzuordnung kultureller Güter an ihre rechtmäßigen Kulturgutträger ‚brechen‘ ins kulturgüterunspezifische Privatrecht ein und kleiden dieses in ein völlig neues Gewand. Den Besonderheiten des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts wird dabei vornehmlich durch die Auslegung der wertausfüllungsbe-
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Recht – Von den Sumerern bis zur Gegenwart – Festschrift für Reinhold Trinkner zum 65. Geburtstag, 1995, S. 703–722, S. 705; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes S.108; Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 93. „Diese Gleichschaltung des öffentlichen Kunst- und Kulturgutbesitzes mit dem Plunder, den die Fundbüros versteigern und die Second-Hand-Shops feilbieten, ist ein Unding.“ Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 26.
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5. Abschnitt: Kulturgüterspezifische Implikationen im Zivilrecht
dürftigen und unbestimmten Rechtsbegriffe innerhalb der nationalen Zivilrechtsordnungen Rechnung getragen. So wie die modernen Anfänge eines systematischen Kulturgüterschutzes innerhalb des Kriegsvölkerrechts zu suchen sind, fungieren heute die allgemeinen Rechtsinstitute des Privatrechts als Katalysator der divergierenden Interessen in der Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs. Dies wurde bereits innerhalb der Frage nach den zivilrechtlichen Auswirkungen unrechtmäßiger Entziehungsakte auf die Eigentumsposition ursprünglich Berechtigter deutlich. Bspw. sei nur darauf verwiesen, dass die Veräußerung sog. kulturellen Fluchtguts unter bestimmten Voraussetzungen als sittenwidrig i.S.d. § 138 BGB zu qualifizieren ist.66 Insbesondere erfolgt jedoch bei der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im internationalen Kulturgüterverkehr ein Rückgriff auf wertausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe: Sowohl der rechtsgeschäftliche Erwerb als auch der originäre Eigentumserwerb erfordern Gutgläubigkeit und Fragen der Redlichkeit erlangen in zahlreichen Rechtsordnungen auch innerhalb der Verjährung und Verwirkung Geltungskraft. An diesen Stellen wird das Verhalten der professionell wie laienhaft am (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr Beteiligten gemessen und es ist immer eine Wertentscheidung vorzunehmen, die den Widerstreit zwischen dem Erhaltungs- und Bewahrungsinteresse des (ursprünglichen) Eigentümers einerseits und den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs, der Rechtssicherheit und dem Erwerbsinteresse gutgläubiger Erwerber und Besitzer andererseits auflösen muss. In diesem Rahmen ist eine Entscheidung der besonders kulturpolitisch und rechtsmoralisch umstrittenen Interessengegensätze in der zivilrechtlichen Regulation des Kulturgüterverkehrs möglich, die aufgrund der speziellen kulturgüterspezifischen Implikationen des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts fernab der gewöhnlichen Zivilrechtsgrundsätze getroffen wird. Für den Zivilrechtler wird es dabei regelmäßig eine neue Erkenntnis sein, dass sich in vielen Situationen die Interessen des Kulturgüterschutzes mit den Interessen der (ursprünglichen) Eigentümer kultureller Wertgegenstände verbinden und gemeinsam zu einer Einschränkung der Verkehrsinteressen führen. Hier fließen die spezifischen Erwägungen des Kulturgüterschutzes mit ein in den Widerstreit zwischen dem Sacherhaltungsinteresse des (ursprünglichen) Eigentümers zum einen und den Verkehrschutzgesichtspunkten der Allgemeinheit und dem Interesse gutgläubiger Erwerber und Besitzer zum anderen. Die besondere Sachqualität kultureller Wertgegenstände als res sui generis aufgrund ihrer kulturellen Unikatfunktion und die besondere kulturpolitische Bedeutung von Kunstwerken für die Gesellschaft verlangen heute immer wieder eine Revision des bisher geltenden Rechtsempfindens bei allen im Kunstmarkt Betroffenen. Das Zivilrecht ist regelmäßig auf die Bedürfnisse eines möglichst leichtgängigen Warenverkehrs mit Konsumgütern ausgerichtet, deren wirtschaftlicher Wert zumindest 66
Vgl. ausführlich hierzu Band 1: Illegaler Kulturgüterverkehr.
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
Sicherung in Form der finanziellen Kompensation findet. Nur selten nehmen die Zivilrechtsinstitute Rekurs auf die Sicherung der Sache in specie. Im Gegensatz zum Warenverkehr mit praktisch unbegrenzt reproduzierbaren Gegenständen muss der Kulturgüterschutz auch innerhalb des Zivilrechts auf die Sicherung der Interessen an den individuell bestimmbaren Kunstwerken abzielen und es werden nur sekundär finanzielle Kompensationsinteressen bestehen. Eine richtig verstandene Applikation der allgemeinen Zivilrechtsinstitute bietet über die Anwendung spezieller Verhaltensanforderungen an die beteiligten Personenkreise hinaus auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung eine faire Risikoverteilung der Gefahren des illegalen Kunstmarktes im Speziellen und dient zugleich der Eindämmung des kulturellen Schwarzmarktes in nicht unerheblichem Ausmaße im Allgemeinen. 38
Im Detail weicht die ‚richtige‘ Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund zahlreicher kulturgüterspezifischer Besonderheiten somit erheblich von den allgemeinen Zivilrechtsgrundsätzen ab. In den allgemeinen Rechtsinstituten gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Erwerb, Ersitzungserwerb, Verjährung und Verwirkung erreicht das moderne Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht so wirksame und zugleich flexible Lösungen, innerhalb derer die widerstreitenden Interessen der im internationalen Kunsthandel beteiligten Parteien einen systemimmanenten Ausgleich finden. Damit wird der kultur- und rechtspolitischen Qualifikation kultureller Güter als res sui generis gerecht. Es scheint erstaunlich, aber wahr: Die zivilrechtliche Sachzuordnung illegal transferierter Kulturgüter erfolgt mit den kulturgüterunspezifischen Eigenmitteln des Privatrechts, die innerhalb der deutschen Rechtsordnung bereits seit Erlass des BGB im Jahr 1900 eine dingliche Sachzuordnung für sämtliche Gegenstände im Generellen vornehmen. Und dies – bis auf die Notwendigkeit weniger Korrekturen – auch innerhalb der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nicht mal schlecht!
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Aufgrund dieser kulturgüterschutz- und kunstrestitutionsrechtsinhärenten Spezifikationen bleibt das zivilrechtliche Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht bislang allein Spezialisten vorbehalten – und dies, obwohl zahlreiche Gefahrenquellen sowohl für die professionell wie laienhaft im internationalen Kunsthandel Tätigen bei unsorgfältigem Handeln und einem Zurückbleiben hinter dem zivilrechtlich geforderten Soll bestehen. Dieser Sache soll Band 2: Zivilrecht – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel Abhilfe schaffen.
§ 1 Ergebnis: Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht im Zivilrecht und kulturgüterspezifische Implikationen 40
Als Resümee der bisherigen Untersuchungen ist Folgendes zu sichern: So, wie das moderne Kulturgüterschutzrecht innerhalb des Völkerrechts seinen Ursprung nahm, dann öffentlich-rechtliche Rezeption durch den Erlass nationaler
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§ 1 Ergebnis: Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht im Zivilrecht
Kulturgüterschutzgesetze erfuhr und in der Zukunft ohne Zweifel in einer rechtsnormen- und -ebenenübergreifenden internationalen Rechtsordnung sui generis für Kulturgüter ruhen wird, ist ein effektives und international durchsetzbares Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht heute auch innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter eingebettet – dies gilt in besonderem Maße auch für die eher kulturgüterschutzfeindliche deutsche Zivilrechtsordnung. Selbstredend hat dabei eine Implikation kulturgüterspezifischer Rechtseinflüsse durch die Adaption wertausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe bei Anwendung und Auslegung der allgemeinen Privatrechtsinstitute zu erfolgen: Während die kulturgüterspezifischen Rechtsregeln des Völkerrechts und des öffentlichen Rechts vornehmlich in präventiven Bahnen wirken, Verbotstatbestände sowie Verhaltensanweisungen und so spezielle Schutzanliegen für den Umgang mit Kulturgütern formulieren, bieten die nationalen Zivilrechtssysteme das für den Kulturgüterschutz notwendige, international durchsetzbare Rechtsfolgen- und Sanktionensystem. Dabei befasst sich das Zivilrecht eigentlich auch mit einer seiner ureigensten Materien: der Regulation des Warenverkehrs, eben dem Handel mit Kulturgütern. Über das Mittel der dinglichen Sachzuordnung kultureller Wertgegenstände zu den ‚richtigen‘ Zuordnungssubjekten wird das Zivilrecht solange noch eine wichtige Aufgabe innerhalb des Kulturgüterschutzes übernehmen, wie die Forderung nach internationaler Rechtsvereinheitlichung im Kulturgüterschutzrecht (noch) absurd ist. Die nationalen Zivilrechtsordnungen und die zivilrechtliche Sachzuordnung kultureller Wertgegenstände an ‚ihren‘ Eigentümer halten schon de lege lata ein repressiv wirkendes Regulationssystem parat, können folglich korrigierend auf eine unrechtmäßige Verlagerung kultureller Güter einwirken und auch international eine Sachzuordnung gewährleisten: Dies zeigen die zahlreichen Restitutionsverfahren unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor den nationalen Zivilgerichten. Über bisher Gesagtes hinaus ist zusätzlich für den weiteren Diskurs festzuhalten, dass rechtsnormen- und -ebenenübergreifend den im Kunsthandel professionell wie laienhaft beteiligten Museen, Kunsthändlern, Galeristen, Auktionshäusern und Privatsammlern in speziellen Rechtsinstrumentarien ethische Mindestverhaltensanforderungen im Allgemeinen und konkrete Erwerbsrichtlinien bei der Akquisition kultureller Wertgegenstände im Besonderen auferlegt werden, die über die im sonstigen Warenverkehr üblichen Maßstäbe deutlich hinausgehen.67 Es setzte sich im Laufe der letzten Jahre die Erkenntnis durch, dass es sich beim internationalen Kunsthandel um einen besonders verschwiegenen Geschäftsbereich handelt, der schon traditionell seine Geschäfte im Verborgenen, unter Einschal67
Dugot, Restitution and the art market: Partners in the ongoing challenge, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Verantwortung wahrnehmen. NS-Raubkunst – Eine Herausforderung an Museen, Bibliothek und Archive (Symposium am 11. und 12. Dezember 2008), 2009, S. 247–270.
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
tung von Mittelsmännern und Agenten, ohne Preisgabe der wirtschaftlich Berechtigten sowohl auf Seiten der Erwerbenden als auch auf Seiten der Veräußerer führt. Als Reaktion hierauf wurde innerhalb sämtlicher Rechtsinstrumente zur Regulation des Kulturgüterverkehrs die Implikation spezieller Mindestverhaltensstandards ersichtlich, an die sich die im Kunsthandel Beteiligten beim entgeltlichen oder unentgeltlichen Erwerb kultureller Wertgegenstände halten müssen. Diese Umsetzung ethischer Erwerbsrichtlinien in rechtliche Bahnen soll der Lauterkeit des Kulturgüterverkehrs dienen, den Absatzmarkt für illegal transferierte Objekte diminuieren und somit weniger Anreize für die Veräußerung von unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern setzen. Als wichtigste Voraussetzung für eine konsensfähige internationale Rechtsharmonisierung im Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht wurde – und dies gilt insbesondere auch für Deutschland – die innerstaatliche Epigenese vergleichbarer kulturpolitischer Wertentscheidungen als Ausgleich der häufig diametral verlaufenden Bedürfnisse innerhalb der Rechtsregulation des internationalen Kulturgüterverkehrs gesehen. Solange jedoch noch kein internationaler Konsens erreichbar ist, müssen und werden sich – zumindest in absehbarer Zeit – Rechtsdogmatik und Judikative zwangsläufig an die meist kulturgüterunspezifischen Eigenmittel der nationalen Zivilrechtsordnungen zur Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs wenden und diese als Instrumentarium zur Umsetzung zwingend notwendiger Mindestverhaltensanforderungen im Kunsthandel nutzen. Damit ist die Verbindung zwischen der zivilrechtlichen Sachzuordnung kultureller Güter und der Implikation spezieller Sorgfaltsanforderungen im (inter-)nationalen Kunsthandel gezogen. 42
Dies führt uns zum folgenden Untersuchungsauftrag des Bandes 2: Zivilrecht – Guter Glaube im internationalen Kunsthandel: Es stellt sich die Frage, wie das Zivilrecht die geforderte ‚richtige‘ Sachzuordnung von Kulturgütern bestimmt und welche Auswirkungen der Handel mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern zeitigt. Wie bereits innerhalb der Darstellung der divergierenden Tatbestände des illegalen Kulturgüterverkehrs innerhalb des Bandes 1 ersichtlich wurde, zeitigen die unterschiedlichen Kategorien unrechtmäßiger Kulturgutentziehungen keine Auswirkungen auf die Eigentumsposition der ursprünglich Berechtigten: Die Entziehung eines individuellen Kulturguts wurde mit einem privatrechtlichen Unrechtsverdikt belegt und der Besitzverlust hat zu keinem Eigentumsverlust des ursprünglich Berechtigten geführt. Werden unrechtmäßig entzogene Kulturgüter im internationalen Kunsthandel seitens der ursprünglich Berechtigten wiedererkannt, entsteht der klassische Interessengegensatz: Der alte Eigentümer möchte ‚seine‘ Kunstwerke wiederhaben – der jetzige Besitzer ‚seine‘ Erwerbung behalten! Jede Rechtsordnung hat diesen Konflikt zwischen dem „Eigentümerinteresse an der Wiederherstellung des status quo ante und dem Verkehrsinteresse zu entscheiden, das die jetzige durch den Besitz der Sache legitimierte Güterzuordnung nicht aufgrund womöglich sehr lange zurückliegender
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§ 1 Ergebnis: Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht im Zivilrecht
Vorgänge in Frage stellen lassen will.“ 68 Solange der unrechtmäßige Entziehungsakt noch ‚frisch‘ ist, wird man tendenziell das Eigentümerinteresse bevorzugen, während – je länger er zurückliegt, desto mehr – die Wahrung des Rechtsfriedens mit dem Verkehrsinteresse zusammenfällt.69 Auch wenn durch den Entziehungsakt somit die Eigentumsposition des Berechtigten nicht beeinträchtigt wurde, muss immer geprüft werden, ob nicht durch den Transfer eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts im (internationalen) Kunsthandel ein Eigentumsverlust erfolgte oder aufgrund eines möglicherweise langen Zeitablaufs die Rechtsposition des Eigentümers Beeinträchtigung fand. Folglich stellt sich bei Eintritt unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in den internationalen Kunsthandel die Frage, ob der (ursprüngliche) Eigentümer seine zunächst allein durch den tatsächlichen Entziehungsakt unbeeinträchtigte Rechtsposition auch noch weiterhin geltend machen kann. Man muss immer daran denken, dass aus den verschiedensten Gründen im (inter-)nationalen Kunsthandel ein Eigentumsverlust eingetreten oder die Berufung auf einen Restitutionsanspruch trotz fortbestehender Eigentumsposition ausgeschlossen sein könnte.
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Innerhalb dieser rechtlichen Bewertung sind in der Folge verschiedene tatsächliche Situationen des (inter-)nationalen Kunsthandels und ihre rechtlichen Auswirkungen auf einen Restitutionsanspruch zu analysieren. Während sich die Frage, welche Rechtsordnung zur ‚richtigen‘ Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in Konstellationen mit Berührungspunkten zu mehr als einer Rechtsordnung berufen ist, nach dem in Band 3 kommentierten ‚Internationalen Kulturgüterprivat- und Zivilverfahrensrecht‘ richtet (traditionell wird hier dem Prinzip der lex rei sitae gefolgt und Rechte an kulturellen Wertgegenständen werden dem am Lageort des Kulturguts zum Zeitpunkt der rechtserheblichen Einwirkung auf die Rechtsposition geltenden Recht unterstellt), hängt die Streitentscheidung innerhalb der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung – zumindest innerhalb der deutschen Rechtsordnung – allein von den kulturgüterunspezifischen materiellen Zivilrechtsregeln ab. Das Augenmerk ist insbesondere darauf zu legen, inwieweit und in welcher Form die speziellen Anforderungen des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts das materielle Privatrecht und dessen kulturgüterunspezifischen Sachenrechtsregeln modifizieren und wie die allgemeinen Zivilrechtsinstitute hier der ‚richtigen‘ kulturellen Sachzuordnung dienlich sind. Dabei ist fraglich, ob der Eigentümer seine Rechtsposition an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern etwa durch eine
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Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1425. Vgl. Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1425.
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1. Teil: Propädeutik: Illegaler Kulturgüterverkehr, Zivilrecht und ,Guter Glaube‘
rechtsgeschäftliche Veräußerung im (inter-)nationalen Kunsthandel (vgl. ausführlich hierzu den 2. und 3. Teil) bzw. durch eine originäre Ersitzung des gutgläubigen Eigenbesitzers verloren hat (vgl. ausführlich hierzu den 4. Teil) oder seine Restitutionsansprüche aufgrund Zeitablaufs der Verjährung (vgl. ausführlich hierzu den 5. Teil) bzw. Verwirkung (vgl. ausführlich hierzu den 6. Teil) unterfallen.
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Schrifttum: Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 37–54; Carducci, The Growing Complexity of International Art Law: Conflict of Laws, Uniform Law, Mandatory Rules, UNSC Resolutions and EU Regulations, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 68 ff.; Chatelain, Mittel zur Bekämpfung des Diebstahls von Kunstwerken und ihres unerlaubten Handels im Europa der Neun, 1978, insb. S. 74 ff.; Cuno, Museums, Antiquities, Cultural Property, and the US Legal Framework for Making Acquisitions, in: Gibbon, Who Owns the Past? – Cultural Policy, Cultural Property, and the Law, 2005, S. 143–157; DuBoff, The Antique and Art Collector’s Legal Guide, 2003, S. 3 ff.; Evans, The relevance of good faith to the trade in cutural property, in: Council of Europe/ Conseil de l’Europe, Proceddings of the Thirteenth Colloquy on European Law, Delphi, 20–22 September 1983: International Legal Protection of Cultural Property, 1984, S. 121–123; Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272; Hawkins/Church, A Tale of Two Innocents: The Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, in: Gibbon, Who Owns the Past? – Cultural Policy, Cultural Property, and the Law, 2005, S. 57–70; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 46–55; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 46–69; Kono, Kulturgüterschutz im japanischen IPR unter besonderer Berücksichtigung des Gutglaubenserwerbs im japanischen Zivilrecht, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 105–122, insb. S. 106–114; Lalive, International Sales of Works of Art – Volume I – Geneva Workshop 11–13 April 1985, 1988; Lalive, Sur le régime des objets d’art volés en droit international privé, in: Matscher/Seidl-Hohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 51–69; Makovskij, Probleme der Restitution und des gutgläubigen Erwerbs von Kulturgütern, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 323–334; Malaro, A Legal Primer on Managing Museum Collections, 2. Aufl. 1998, insb. S. 58–215; Müller-Chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267–1279; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996; Müller-Katzenburg, Gutgläubiger Erwerb, Ersitzung, Verjährung …?, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht (Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln) /die eigene Geschichte (Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich /Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg), 2002, S. 211–237; Palmer, Conversion, Trespass and Title to Art Works, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 33–66, S. 47–60; Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, S. 235–293 (hinsichtlich Kauf), S. 294–313 (hinsichtlich Austausch, Schenkung und Vermachung), insb. S. 367–428; Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung – UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 24–31; Reichelt, International Protection of Cultural Property, S. 42 ff., zum gutgläubigen Erwerb insbesondere S. 102–114; Reichelt,
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Internationaler Kulturgüterschutz – rechtliche und kulturpolitische Aspekte, 1988, insb. S. 17 ff.; Rodota, The civil law aspects of the international protection of cultural property, Council of Europe/Conseil de l’Europe, Proceddings of the Thirteenth Colloquy on European Law, Delphi, 20–22 September 1983: International Legal Protection of Cultural Property, 1984, S. 99–111; Sauveplanne, Rapport Explicatif: (Projet de Convention portant) loi uniforme sur l’acquisition de bonne foi d’objets mobiliers corporels/Explanatory Report: (Draft Convention Providing a) Uniform Law on the Acquisition in Good Faith of Corporeal Movables, Semestrielle – Biannual 1975 I, 1975, S. 68–117; Schack, Kunst und Recht – Bildende Kunst, Architektur, Design und Fotografie im deutschen und internationalen Recht, 2004, S. 199–215, insb. S. 200–203; Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 128–141; Schönenberger, Restitution von Kulturgut, 2009, S. 112–124; Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292; Siehr, Verlust von Ansprüchen auf Herausgabe von Mobilien – Rechtsvergleichendes zum Gutglaubenserwerb, in: Fischer-Czermak/Kletecka/Schauer/ Zankl, Festschrift Rudolf Welser zum 65. Geburtstag, 2004, S. 997–1014; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff.; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996; Zweigert, Rechtsvergleichend-kritisches zum gutgläubigen Mobiliarerwerb, RabelsZ 23 (1958), S. 1–20.
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Wichtigstes Verteidigungsmittel potentiell rückgabepflichtiger Restitutionsschuldner ist regelmäßig der Einwand des gutgläubigen Erwerbs des in Streit stehenden Kunstwerks. Aufgrund des häufig in körperlich kleinen Gegenständen verbürgten hohen materiellen Wertes sind Kulturgüter bereits seit alters begehrte Handelsobjekte, sodass diese oft mit Gewinnerzielungsabsicht im (inter-)nationalen Kunstmarkt offeriert werden. Aus diesem Grund erfahren auch unrechtmäßig entzogene Kulturgüter in vielen Fällen mehrgliedrige Veräußerungsketten, in denen die Provenienz der Gegenstände oftmals stark verschleiert wird, sodass potentielle Käufer nur schwer die zutreffende Herkunft des Objektes bestimmen können und Eigentümern die Nachverfolgung ‚ihrer‘ Gegenstände erschwert wird. Gelingt nun dem (ursprünglichen) Eigentümer dennoch die Lokalisierung des rechtswidrig entzogenen Gegenstandes und die Identifizierung des aktuellen Besitzers wird der Erstgenannte zu Recht die Restitution des Kunstwerkes verlangen, während der potentiell restitutionspflichtige Besitzer sich ebenso verständlich auf die seinerseits erbrachte Gegenleistung an den Veräußerer und seine Gutgläubigkeit beim Erwerb des Kulturguts berufen und deshalb eine Herausgabe verweigern wird. Die rechtsgeschäftliche Akquisition ist das erste Rechtsinstrument der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr.
1. Abschnitt Rechtlicher Rahmen des Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Die unterschiedlichen Rechtsordnungen beinhalten sowohl hinsichtlich der rechtskonstruktiven Ausgestaltung der Eigentumsübertragung (hierzu Punkt A.) als auch hinsichtlich der theoretischen Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs und der einzelstaatlichen Umsetzung des Interessenwiderstreits zwischen dem (ursprünglichen) Eigentümer und dem gutgläubigen Erwerber (hierzu Punkt B.) sehr stark divergierende Regeln, deren Unterschiede regelmäßig besonders plakativ im Kontrast zwischen den Staaten des Common und Civil Law-Kreisen dargestellt werden (vgl. Punkt C.). Es wird jedoch ersichtlich, dass bei Anwendung zahlreicher Ausnahmetatbestände sich die Unterschiede im gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Laufe der Zeit verringerten und eine diesbezügliche Angleichung zwischen den beiden Rechtskreises erfolgte.
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A. Rechtskonstruktive Ausgestaltung der Eigentumsübertragung Fraglich ist regelmäßig zunächst, ob der (ursprüngliche) Eigentümer sich weiterhin auf seine Rechtsposition berufen kann oder ob mittels des Rechtsinstituts der bona fide-Akquisition das Eigentum an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut nun dem gutgläubigen Erwerber und Besitzer zugeordnet wurde. Zur Beantwortung dieser Frage muss man wissen, von welcher Rechtsordnung die kulturelle Transferbewegung regiert wurde, da große materielle Unterschiede in der sachenrechtlichen Zuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach einem gutgläubigen Erwerb bestehen. Während sich die Rechtswahl international einheitlich nach der Rechtsordnung der Belegenheit des Kulturguts zum Zeitpunkt der Veräußerung richtet und leicht bestimmbar ist, bestehen in den nationalen Zivilrechtsordnungen aus rechtsvergleichender Sicht schon in der rechtskonstruktiven Ausgestaltung der Veräußerung beweglicher (Kultur-)Güter im Grundsätzlichen gravierende Unterschiede. In den weitaus meisten Staaten der Welt werden Kulturgüter im Zivilrecht nicht anders als alle sonstigen Mobilien im Generellen behandelt.1 Deshalb erscheint es auch für die Begutachtung der
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Diese Erkenntnis wird schnell bei Durchsicht der verschiedenen Länderreporte gewonnen, die alle darauf schließen lassen, dass in den meisten Staaten der Welt Kulturgüter in ihrer nationalen zivilrechtlich Würdigung nicht anders als alle sonstigen Mobilien im Generellen behandelt werden – Ausnahme dieser Erkenntnis ist die teilweise zu konstatierende rechtliche Sonderbehandlung kultureller Güter in öffentlichen Sammlungen. Vgl. hierzu Lalive, International Sales of Works of Art – Volume I – Geneva Workshop 11–13 April 1985, 1988.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Veräußerung kultureller Wertgegenstände ratsam, ein kursorisches Verständnis über die grundsätzlich unterschiedlich ausgestalteten Rechtsmöglichkeiten der Übertragung beweglichen Eigentums im Generellen und damit des Transfers kultureller Güter im Besonderen zu besitzen.2 Die Eigentumsübertragung kann grundsätzlich in drei Kategorien eingeteilt werden 3: Neben dem Eigentumsübergang allein aufgrund rechtswirksamen Kaufvertrages (Frankreich, Großbritannien, Italien, Vereinigte Staaten von Amerika) nach dem sog. Konsensprinzip erfolgt ein Eigentumstransfer bspw. in der Schweizer Zivilrechtsordnung aufgrund rechtswirksamen Vertrages und Inbesitznahme des Vertragsgegenstandes und bspw. in Deutschland und Griechenland nach dem sog. Traditionsprinzip mit abstraktem Rechtsgrund aufgrund rechtswirksamer Einigung über den Eigentumsübergang und Übergabe des Kulturguts, d.h. der Inbesitznahme des Vertragsgegenstandes.4 Einerseits genügt daher bspw. in Frankreich, dessen Rechtssystem dem Konsensprinzip des römischen Rechts folgt, allein ein Kaufvertrag zur Übertragung dinglicher Rechte, während andererseits bspw. die deutschsprachigen Länder eine qualifizierte dingliche Einigung und die tatsächliche Besitzverschaffung zur Rechtsübertragung voraussetzen.5 Trotz dieser Unterschiede ist innerhalb des internationalen Kulturgüterrechts, soweit ersichtlich, bis heute keine Rechtsstreitigkeit bekannt, in der diese nationalen Divergenzen entscheidungsrelevante Rechtsbedeutung erlangt hätten.
B. 4
Interessengegensätze innerhalb des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Von wesentlich größerem Interesse als die rechtskonstruktive Ausgestaltung der Eigentumsübertragung ist dementsprechend die Frage, ob die nach den Grundsätzen der lex rei sitae zur Anwendung berufene Rechtsordnung überhaupt einen Eigentumserwerb an unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter erlaubt oder dieser möglicherweise schon per se ausgeschlossen ist. Aus rechtsvergleichender Sicht zeigt sich hier die Heterogenität der sachenrechtlichen Zuordnung unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern nach einem gutgläubigen Erwerb innerhalb der unter-
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Vgl. auch Carducci, The Growing Complexity of International Art Law: Conflict of Laws, Uniform Law, Mandatory Rules, UNSC Resolutions and EU Regulations, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 68 ff., S. 75–76. Lalive, Sur le régime des objets d’art volés en droit international privé, in: Matscher/SeidlHohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 51–69, S. 58. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 56. Lalive, Sur le régime des objets d’art volés en droit international privé, in: Matscher/SeidlHohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 51–69, S. 58.
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1. Abschnitt: Rechtlicher Rahmen des Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
schiedlichen Rechtsordnungen. Hinsichtlich des Eigentumsübergangs ergeben sich divergierende Ergebnisse, je nachdem, in welchem Land und unter Geltung welcher Rechtsordnung die Veräußerung kultureller Güter vorgenommen wurde.6 Da innerhalb der verschiedenen nationalen Zivilrechtssysteme die Regelungen bezüglich des Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erheblich differieren, kommt der zutreffenden kollisionsrechtlichen Bestimmung der die entscheidungserhebliche Veräußerung regierenden Rechtsordnung besondere Bedeutung zu.7 Jede Rechtsordnung hat eine Interessenentscheidung zwischen den gegenläufigen Bedürfnissen der (ursprünglichen) Eigentümer und der gutgläubigen Erwerber vorzunehmen. Der ursprüngliche Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, der nach dem rechtswidrigen Entziehungsakt keinen Einfluss auf den Verbleib der Kunstwerke ausüben kann, hat einerseits ein Anliegen daran, dass ihm ‚seine‘ Kulturgüter dauerhaft sachenrechtlich zugeordnet werden. Dabei werden sich in vielen Situationen die Interessen des Kulturgüterschutzes mit den Interessen der (ursprünglichen) Eigentümer kultureller Wertgegenstände verbinden und gemeinsam auf eine Einschränkung der Verkehrsinteressen für Kulturgüter pochen. Andererseits wird sich ein gutgläubiger Erwerber darauf berufen, dass er keine Kenntnis von dem unrechtmäßigen Entziehungsakt hatte, sich redlich verhielt, seinerseits regelmäßig eine Geldzahlung zum Erwerb aufbrachte und sich auf den Rechtsschein des Besitzes beim Veräußerer verlassen hat. Die Interessen eines möglichst freien Kulturgüterverkehrs und das Bedürfnis nach Rechtssicherheit unterstützen die Sichtweise des gutgläubigen Erwerbers. Das Rechtsinstitut der rechtsgeschäftlichen bona fide-Akquisition schützt damit das Vertrauen des gutgläubigen Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Hinblick auf den seitens des Veräußerers gesetzten Rechtsschein zulasten des ursprünglichen Eigentümers. Es geht also zum einen um den Schutz der Eigentumsposition des ursprünglichen Eigentümers (sog. security of title), andererseits um die Wahrung der Rechte eines redlichen Erwerbers (sog. security of transactions).
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Allgemein hierzu: Sauveplanne, The Protection of the bona fide Purchaser of Corporeal Moveables in Comparative Law, 29 Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (1965), S. 651–693; Sauveplanne, La protection de l’acquéreur de bonne foi d’objets mobiliers corporels, Annuaire Unidroit 1962, S. 43–153; Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292. „Die Aussicht des Eigentümers, gestohlenes Kulturgut (nach der Feststellung seiner Belegenheit) wieder zu erlangen, hängt entscheidend davon ab, ob zwischenzeitlich ein Dritter Rechte daran erworben hat oder der Herausgabeanspruch selbst verwirkt wurde oder verjährt ist. Dabei kann es für den Erfolg oder Misserfolg der Herausgabeklage eine wesentliche Rolle spielen, nach dem Recht welchen Landes der Sachverhalt zu beurteilen ist, da das Spektrum der einschlägigen Regelungen sehr breit ist.“ Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 57–58.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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Damit stehen sich im Handel mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern bei einer kulturellen Restitutionsforderung regelmäßig zwei unschuldige Parteien gegenüber. “What we have here is a classical legal drama, the eternal triangle of property law, in which the players are the owner, the thief and the good faith purchaser. The thief has played his part and left the stage to the owner and the good faith purchaser, and the question is how to distribute the loss between them.” 8 Beide können auf berechtigte Interessen an der korrekten kulturpolitischen Zuordnung der entzogenen Objekte innerhalb der sachenrechtlichen Eigentumsordnung pochen. “When the former owner finally locates the art in the possession of this good faith purchaser and commences an action against this innocent purchaser for conversion or replevin, the courts are faced with the unpleasant dilemma of allocating rights and burdens between these two innocent victims of the thief, who is typically either unknown or judgment-proof. … [T]he rights of two innocents are frequently at stake.” 9 Ebenso lässt sich innerhalb des Schutzes und der Bewahrung archäologischer Kulturgüter seitens der kulturellen Ursprungsstaaten nach zivilrechtlich relevanter unrechtmäßiger Entziehung aus dem Herkunftsstaat fragen, „… who should prevail as the true owner of stolen artifacts: countries or individuals of origin versus subsequent bona fide purchasers.“ 10
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Im Schutz des redlichen Erwerbs im Allgemeinen und damit auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Speziellen berühren die zivilrechtlichen Resolutionsmethoden des internationalen Kulturgüterverkehrs „das alte Problem, welche von zwei schuldlosen Parteien … unter der Unredlichkeit der dritten zu leiden“ 11 hat, das nach Einschätzung Kowalskis noch von keiner Gesetzgebung befriedigend gelöst worden ist. Die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs hängt entscheidend davon ab, ob zulasten des ursprünglichen Eigentümers dem Interesse an der Leichtigkeit des Rechtsverkehrs oder zulasten des gutgläubigen Erwerbers dem Eigentümerschutz der Vorrang eingeräumt wird.12 Wenn eine ausgewogene Antwort bereits im Generellen bei allgemeinen Verbrauchsgütern nur schwer zu
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Merryman, Due Diligence?, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, Volume 3, Numbers 3 & 4 (2000), S. 42. Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 49–51. Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 237. Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 72–73. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 165.
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1. Abschnitt: Rechtlicher Rahmen des Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
beantworten ist, so fällt eine gerechte Zuordnung der unrechtmäßig entzogenen Kunstwerke besonders innerhalb des Kulturgüterrechts aufgrund der speziellen Unikatfunktion der Streitgegenstände außerhalb eines bloß wirtschaftlichen Ausgleichsgedankens um so schwerer.13 „Es gibt Gesetzgebungen, die den Eigentümer an die erste Stelle setzen, wenngleich nicht ohne Ausnahmen, andere tendieren dazu, das Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Eigentums und dem Geschäft zu halten, und es gibt auch Systeme, welche der kommerziellen Transaktion den Vorrang einräumen.“ 14 Ausgangspunkt jeder nationalen Regelung des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Sachen im Generellen und kultureller Güter im Besonderen ist somit die Frage, welcher Stellenwert dem Interesse des Eigentümers, sein Eigentum nicht zu verlieren, gegenüber dem Interesse an der Umlauffähigkeit von Gütern (und damit dem Interesse des Erwerbers) eingeräumt wird. Der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten müsste bei strikter Berücksichtigung des Eigentümerinteresses völlig ausgeschlossen (diese Rechtssysteme akzeptieren eine relativ unbeschränkte Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter), bei unbedingter Bevorzugung des (gutgläubigen) Erwerbers hingegen selbst für gestohlene Sachen ermöglicht werden.15 Das Problem der Interessenkollision zwischen dem Eigentümer und dem gutgläubigen Erwerber besteht schon seit mindestens zweitausend Jahren und ruht im Ausgangspunkt der Rechtsentwicklung hinsichtlich des gutgläubigen Fahrniserwerbs auf zwei gegensätzlichen Rechtspositionen: Im römischen Recht hat ein Erwerber ein Recht an beweglichen Gegenständen nur dann erhalten, wenn dieses nach dem Grundsatz nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet beim Veräußerer bestanden hat, weil „niemand mehr Recht übertragen kann, als er selbst hat“.16 Da dem römischen Recht somit ein Erwerb vom Nichtberechtigten fremd war, war ein sofortiger gutgläubiger Erwerb grundsätzlich ausgeschlossen. Dem auch schon zu dieser Zeit bestehenden Bedürfnis der Verkehrssicherheit wurde damit genügt, dass dem redlichen Erwerber in verhältnismäßig kurzen Fristen das Rechtsinstitut der Ersitzung offenstand,17 doch war 13
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Vgl. auch die Ausführungen bei Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 247: “… the dilemma stems from the existence of two equally legitimate interests: that of the original owner who has been dispossessed of a cultural object by theft, and that of the purchaser in good faith of the same object.”. Vgl. Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 72–73. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 165. Vgl. Domitius Ulpianus, Digesten 50, 17, 54 und 41, 1, 20 pr. Kaser, Römisches Privatrecht – Ein Studienbuch, 14. Aufl. 1986, S. 113; Honsell, Römisches Recht, 2. Aufl. 1992, S. 54; Makovskij, Probleme der Restitution und des gutgläubigen Erwerbs von Kulturgütern, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
der Kreis ersitzungsfähiger Sachen eingeschränkt. So unterfielen bspw. dem römischen furtum-Begriff gestohlene und andere Formen des unberechtigten Verkaufs beweglicher Sachen, wie etwa die Veruntreuung anvertrauter oder die Unterschlagung gefundener Sachen 18, oder geraubte Sachen (res furtivae, res vi possessae), öffentliche Sachen (res publicae), Sachen göttlichen Rechts (res divini iuris) und seit der Prinzipatszeit waren auch Fiskalsachen (res fisci) von der Ersitzung ausgeschlossen.19 Im frühen Mittelalter jedoch beschritt die Gesetzgebung der europäischen Staaten, vor allem Deutschlands, in solchen Konstellationen den Weg des Schutzes des gutgläubigen Erwerbers. Das germanische Recht unterschied ursprünglich deutlich zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Aufgabe des Gewahrsams („Gewere“). Hatte der Eigentümer seine Sache jemandem anvertraut und erlangte sie infolge ein Dritter, stand dem Eigentümer diesem gegenüber kein Herausgabeanspruch zu („Hand wahre Hand “, „Wo du deinen guten Glauben gelassen hast, sollst du ihn suchen“). War die Sache dem Eigentümer hingegen abhandengekommen, stand ihm ein deliktischer Herausgabeanspruch auch gegenüber einem gutgläubigen Dritten zu.20 Da der ausschließliche Schutz des Eigentümers praktisch jeden Handel, jeden zivilen Verkehr außerordentlich riskant machte, wurde der Schutz des gutgläubigen Erwerbers institutionalisiert. „Die Entwicklung ging jedoch weiter auf dem Weg der Ausnahmen und der Gewährung von Rechtsschutz für den gutgläubigen Erwerber. Je zivilisierter, gebildeter und demokratischer die Gesellschaft wurde, desto definitiver besagt das Gesetz, man dürfe den gutgläubigen Erwerber nicht in allen Fällen schützen, man dürfe ihm nicht in allen Fällen den Vorzug gegenüber dem Eigentümer geben. Es gibt eben solche Situationen, in denen das unsittlich ist, in denen die Interessen des Eigentümers höher stehen.“ 21
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schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 323–334, S. 328; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 57–58. Vgl. Hausmaninger/Selb/Gamauf, Römisches Privatrecht, 9. Aufl. 2001, S. 278. Vgl. Hausmaninger/Selb/Gamauf, Römisches Privatrecht, 9. Aufl. 2001, S. 154; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 36 ff.; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 57–58. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 57–58; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 39 ff.; Makovskij, Probleme der Restitution und des gutgläubigen Erwerbs von Kulturgütern, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 323–334, S. 328. Makovskij, Probleme der Restitution und des gutgläubigen Erwerbs von Kulturgütern, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 323– 334, S. 328.
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1. Abschnitt: Rechtlicher Rahmen des Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Zwischen diesen beiden Rechtssystemen – beide rechtsprinzipiell gleichermaßen schutzwürdig – muss sich jede Rechtsordnung grundsätzlich entscheiden, auch wenn häufig ein Kompromiss zwischen diesen beiden Extrempositionen gefunden werden kann. Somit sind die genannten radikalen Positionen in der Praxis kaum anzutreffen, vielmehr kennen die meisten Rechtsordnungen abgestufte Lösungen.22 Heute schützen entsprechend der geschichtlichen Entwicklung dieses Interessenwiderstreits die meisten Rechtsordnungen entweder den bisherigen Eigentümer, entschädigen den gutgläubigen Erwerber bei einer Herausgabepflicht des Objektes an den ursprünglichen Eigentümer oder sprechen dem gutgläubigen Erwerber die Sache als neuem Eigentümer vorbehaltlos zu.
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Unterschiedliche Rechtssysteme gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in rechtsvergleichender Sicht
Grds. Ausschluss des Gutglaubenserwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zum Schutz des ursprünglichen Eigentümers
Ausnahmsweise Zulässigkeit des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Generelle Approbation des Gutglaubenserwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zum Schutz des gutgläubigen Erwerbers
Ausgleichende materiellrechtliche Kompromisslösungen zwischen dem Schutzbedürfnis des ursprünglichen Eigentümers und des gutgläubigen Erwerbers Institut des sog. Lösungsrechts: Restitutionspflicht des gutgläubigen Erwerbers nach finanzieller Kompensationsleistung durch den ursprünglichen Eigentümer
Schema 2 – Divergierende materiell-zivilrechtliche Zuordnungsregeln unrechtmäßig entzogener Kunstwerke im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr bei rechtsvergleichender Analyse
Diese genannten Alternativen sind drei idealtypische Lösungen, die in einer Rechtsordnung zuweilen allein, meistens jedoch nebeneinander normative Regelung fanden, und zwar abhängig von der Art des erworbenen (Kultur-)Guts, seiner Herkunft (gestohlen oder abhandengekommen) oder dem Erwerbsmodus (Erwerb aus den Händen einer Privatperson, von einem Händler, im Wege der Versteigerung oder auf einem offenen Markt).23 Somit sind prinzipiell drei
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Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 58. Vgl. Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292, S. 273.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
voneinander zu unterscheidende Rechtsmodelle des gutgläubigen Erwerbs nicht nur kultureller, sondern sämtlicher Güter im Generellen zu konstatieren: Zwischen den beiden Extrempositionen des prinzipiellen Ausschlusses jeglichen gutgläubigen Erwerbs zum absoluten Schutz des ursprünglichen Eigentümers und der grundsätzlich generellen Approbation des Rechtsinstituts des gutgläubigen Erwerbs zum absoluten Schutz des gutgläubigen Erwerbers finden sich an dritter Position solche ausgleichende materiell-rechtliche Kompromisslösungen, die zwischen dem Schutzbedürfnis des ursprünglichen Eigentümers und des gutgläubigen Erwerbers nach vermittelnden Rechtsmodellen suchen.
C. Grundsätzliche Unterschiede im Common und Civil Law 11
In der Privatrechtsvergleichung wird häufig die Behauptung aufgestellt, dass die Rechtsregeln des Common Law bei grundsätzlichem Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs überwiegend die Aufrechterhaltung der Rechte des ursprünglichen Eigentümers (unrechtmäßig entzogener Kulturgüter) anvisieren, während die traditionell vom Civil Law geprägten Staaten eher mittels Anerkennung des Rechtsinstituts des gutgläubigen Erwerbs auf den Schutz des gutgläubigen Erwerbers mit dem Effekt der Sicherheit des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs abzielen: “The common law, which is followed by the United States, protects the rights of the original owner, mandating the return of such object without compensating the loss of the subsequent bona fide purchaser. However, the civil law, which is followed by European nations, favours the rights of a subsequent bona fide purchaser who is awarded with title, forever depriving the original owner of title.” 24 Merryman geht sogar einen Schritt weiter und führt aus, dass es sich hierbei um einen der wenigen wirklichen materiellen Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen des Common und Civil Law handele.25 Dem ist jedoch – zumindest bei einer ergebnisorientierten Betrachtungsweise – nur eingeschränkt zuzustimmen, da sowohl die Regelungen des Common Law als auch des Civil Law regelmäßig zahlreiche Ausnahmen einerseits von der Restitutionsfreudigkeit zugunsten ursprünglicher Eigentümer, andererseits aber auch hinsichtlich des vollständig freien Kulturgüterverkehrs zugunsten gutgläubiger Erwerber (hauptsächlich bei gestohlenen und abhandengekommenen Gegenständen) vornehmen, sodass sich im Laufe der Jahre eher eine Assimilation wenn nicht aus rechtsdogmatischer Sicht, doch zumindest hinsichtlich der praktischen Auswirkungen ergab. Auch Sauveplanne kann in seinen rechtsvergleichenden Untersuchungen zum Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs zahlreiche prak-
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Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 247. Brief Merrymans an die IFAR und Shapreau, veröffentlicht in IFARreports, Mai 1996, S. 4.
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§ 2 Ergebnis: Einwand des gutgläubigen Erwerbs
tische Annäherungen der beiden divergierenden Grundsysteme durch die Festschreibung einer großen Anzahl von Ausnahmetatbeständen feststellen:26 “While the large majority of continental countries base themselves on the principle of the protection of the transferee in good faith, other legal systems, and in particular the Common Law systems, are, on the contrary, based on the opposing principle of the safeguarding of the rights of the dispossessed owner. However, in neither group is the basic principle rigorously applied. The systems which are based on the principle of the protection of the transferee lay down conditions for this protection which often seriously limit its efficacy. On the other hand, the systems which are based on the principle of maintaining the rights of the dispossessed owner also provide exceptions which considerably limit the scope of the principle. These conditions and exceptions vary from country to country. On the whole, the protection given to the transferee in good faith is sometimes extended to all acquisitions, whatever the reason for the owner’s dispossession; apart, however, from a few exceptions, most civil law countries exclude the acquisition of movables of which the owner was dispossessed by loss or theft. As for the legal systems which protect the rights of the dispossessed owner, the transferee in good faith is nevertheless protected in certain well-defined cases. In Common Law countries most of these exceptions to the basic principle have been introduced by legislation. There is a tendency to extend the scope of these exceptions, especially as regards trade, and it has been remarked that the exceptions tend to become the general rule in this field.”
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Da die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter einen der zentralen Ordnungsfaktoren innerhalb der eigentumsrechtlichen Güterzuordnung darstellt, interessiert an dieser Stelle durchaus eine vertiefte Rechtsanalyse der drei abstrakt-theoretisch voneinander zu unterscheidenden Rechtsmodelle des gutgläubigen Erwerbs kultureller Güter.
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§ 2 Ergebnis: Einwand des gutgläubigen Erwerbs Obwohl jeder Restitutionsprozess unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bisher einmalig war und sich ein Vergleich mit einem bereits bekannten Fall regelmäßig verbietet, lässt sich in nahezu sämtlichen Fällen eine Gemeinsamkeit erkennen: der Einwand des gutgläubigen Erwerbs des potentiell restitutionspflichtigen Besitzers. Besonders in den Fallkonstellationen von Kulturgutverlusten zur Zeit des Zweiten Weltkriegs bzw. der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft wechselten die Kunstwerke nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt ohne Auswirkungen auf die Eigentumsposition des ursprünglich Berechtigten regelmäßig aus dem Bestand eines Kunsthändlers in eine Privatsammlung, in Privatsammlungen untereinander und von einem Staat in einen anderen, bevor sie schließlich entgeltlich oder unentgeltlich Aufnahme in einem Museum oder in einer sonstigen kulturellen Institution fanden. Hier ist bei jedem einzelnen Transfer zu untersuchen, ob durch die Veräußerung nicht ein Eigentumserwerb des gutgläubigen 26
Sauveplanne, Rapport Explicatif: (Projet de Convention portant) loi uniforme sur l’acquisition de bonne foi d’objets mobiliers corporels/Explanatory Report: (Draft Convention Providing a) Uniform Law on the Acquisition in Good Faith of Corporeal Movables, Semestrielle – Biannual 1975 I, S. 68–117, 1975, S. 85.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Erwerbers und damit ein Eigentumsverlust des (ursprünglichen) Eigentümers eingetreten sind. Dabei ist für jeden einzelnen Kulturguttransfer die anwendbare Rechtsordnung nach den Grundsätzen der lex rei sitae zu bestimmen, sodass die Rechtsordnung desjenigen Staates, in dessen Territorium die Veräußerung erfolgte, darüber entscheidet, ob ein Eigentumsübergang erfolgte oder der Erwerber allein den Besitz an dem Kulturgut erlangte, der ursprüngliche Eigentümer somit weiterhin dinglich Berechtigter ist und theoretisch die Restitution verlangen könnte. Dieselben Fragen bestehen regelmäßig auch bei der Restitution gestohlener Kunstwerke und illegal exportierter Kulturgüter, bspw. unrechtmäßig ausgeführter archäologischer Artefakte im Eigentum des kulturellen Ursprungsstaates. Üblicherweise wird bei Kenntnis des Sachverhalts in diesen Konstellationen eine lange Veräußerungskette von oftmals einheimischen Raubgräbern über Zwischenhändler und Schmuggler in kulturellen Importstaaten bis hin zu Galeristen in den Kunsthandelszentren der Welt ersichtlich. In allen Konstellationen unrechtmäßiger Kulturgutentziehungen müssen deshalb bei der Begutachtung kultureller Restitutionsstreitigkeiten regelmäßig präzise Kenntnisse darüber bestehen, welche Rechtsordnung auf einen Kulturguttransfer Anwendung findet und welcher der möglichen Ausgestaltungsformen hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs dort gefolgt wird. 15
Dabei bestehen schon gravierende rechtskonstruktive Unterschiede in den nationalen Zivilrechtsordnungen hinsichtlich der Übertragung beweglicher (Kultur-)Güter im Grundsätzlichen. Neben der Übertragung des Eigentums allein aufgrund rechtswirksamen Kaufvertrages nach dem sog. Konsensprinzip innerhalb des Common Law-Rechtskreises besteht innerhalb der Civil Law-Staaten zweitens die Möglichkeit eines Eigentumstransfers aufgrund rechtswirksamen Vertrages und Inbesitznahme des Vertragsgegenstandes (Schweiz) sowie drittens nach dem sog. Traditionsprinzip mit abstraktem Rechtsgrund aufgrund rechtswirksamer Einigung über den Eigentumsübergang und Übergabe des Kulturguts, d.h. der Inbesitznahme des Vertragsgegenstandes wie bspw. innerhalb der deutschen Sachenrechtsordnung. Einerseits genügt daher allein ein Kaufvertrag zur Übertragung dinglicher Rechte, während andererseits eine qualifizierte dingliche Einigung und die tatsächliche Besitzverschaffung zur Rechtsübertragung vorausgesetzt werden.
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Darüber hinaus bestehen weitreichende materiell-inhaltliche Unterschiede in der innerstaatlichen Ausgestaltung der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs. Abhängig von der jeweiligen Untersuchungsgrundlage lassen sich unterschiedliche rechtsvergleichende Darstellungsweisen der divergierenden Möglichkeiten des gutgläubigen Fahrniserwerbs (und damit zugleich auch für Kunstwerke) wählen. Untersucht man die unterschiedlichen nationalen Rechtssysteme daraufhin, ob überhaupt das Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs institutionalisiert wurde, lässt sich (bei grober Untergliederung) bspw. der Common Law-Rechtskreis unter Ausschluss nahezu jeglichen gutgläubigen derivativen Erwerbs von dem
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§ 2 Ergebnis: Einwand des gutgläubigen Erwerbs
Civil Law-Rechtskreis und vergleichbaren Kompromisslösungen unterscheiden, die grundsätzlich einen gutgläubigen Erwerb anerkennen. Fokussiert man bei der hier naheliegenden Untersuchung jedoch auf die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, vermengen sich die Grenzen zwischen Common und Civil Law-Rechtskreisen, da auch zahlreiche Rechtsordnungen aus dem Bereich des Civil Law einen grundsätzlichen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund der Qualifizierung der Gegenstände als gestohlen und abhandengekommen annehmen, während auch Rechtsordnungen aus dem Common Law-Rechtskreis einen gutgläubigen Erwerb sogar unrechtmäßig entzogener Kulturgüter billigen, wenn diese bspw. im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebes verkauft werden oder etwa entsprechende Voraussetzungen der früheren britischen sog. market overt-Regel vorliegen. Dabei sind drei idealtypische Lösungen hinsichtlich einer bona fide-Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter voneinander zu unterscheiden: Zwischen den beiden Extrempositionen des prinzipiellen Ausschlusses jeglichen gutgläubigen Erwerbs zum absoluten Schutz des ursprünglichen Eigentümers und der grundsätzlich generellen Approbation des Rechtsinstituts des gutgläubigen Erwerbs zum absoluten Schutz des gutgläubigen Erwerbers finden sich an dritter Position häufig ausgleichende materiellrechtliche Kompromisslösungen, die zwischen dem Schutzbedürfnis des ursprünglichen Eigentümers und des gutgläubigen Erwerbers nach vermittelnden Rechtsmodellen suchen.
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Dementsprechend wird auch innerhalb der folgenden Untersuchung eine dreigliedrige Unterscheidung zwischen erstens solchen Rechtssystemen mit einem generellen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit eng umgrenzten Ausnahmen zur Sicherung der nur essentiellsten Verkehrsinteressen des Kulturgüterverkehrs (vgl. hierzu den folgenden 2. Abschnitt), zwischen zweitens solchen Ausgestaltungsvarianten mit genereller Approbation des Rechtsinstituts des gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter (vgl. hierzu den 3. Abschnitt) und drittens solchen Rechtskonstrukten zu treffen sein, die eine ausgleichende materiell-rechtliche Kompromisslösung zwischen dem Schutzbedürfnis des ursprünglichen Eigentümers und des gutgläubigen Erwerbers bspw. durch die Statuierung eines sog. Lösungsrechts des restitutionspflichtigen gutgläubigen Erwerbers suchen (vgl. den folgenden 4. Abschnitt). Abschließend wird eine Untersuchung der Extrakommerzialität kultureller Wertgegenstände vorgenommen, die eine Verkehrsunfähigkeit bestimmter (meist in Staatseigentum stehender) Kulturgüter zur Folge hat und dementsprechend zu einem Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs innerhalb des kulturellen Ursprungsstaates führt (vgl. hierzu schließlich den 5. Abschnitt).
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In der folgenden Darstellung soll ein abstrakter Überblick über die divergierenden nationalen Gesetzesvarianten des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und deren theoretisch möglichen Ausgestaltungsformen ge-
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geben werden. Ziel besteht dabei nicht darin, für jede regelmäßig im illegalen Kunsthandel involvierte Rechtsordnung abschließend zu erklären, welchem Prinzip dort gefolgt wird. Vielmehr wird Wert darauf gelegt, beispielhaft ein Verständnis dafür zu schaffen, welche Ausgestaltungsvarianten denkbar und realistisch sind. Zur Verdeutlichung der abstrakt-theoretisch möglichen Ausgestaltungsvarianten wird anhand zahlreicher Beispiele auf nationale Gutglaubensvorschriften und internationale Rechtsinstrumente zurückgegriffen. Damit wird dem Leser die Möglichkeit eröffnet, sich schnell in jede nationale Ausgestaltungsvariante hineinzudenken und somit selbständig die Prüfung des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch in solchen Rechtsordnungen vorzunehmen, die keine exemplarische Nennung in der vorliegenden Studie erfahren.
2. Abschnitt Grundsätzlicher Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit ausnahmsweise zulässiger bona fide-Akquisition Zu den Rechtssystemen, die einen grundsätzlichen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit eng umgrenzten Ausnahmen zur Sicherung der wichtigsten Verkehrsinteressen des Kulturgüterverkehrs statuieren, zählen bspw. die Staaten des Common Law-Rechtskreises entsprechend dem Grundsatz nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet (bspw. innerhalb der Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien). Außerdem zählen auch solche Civil Law-Staaten wie bspw. Deutschland und Griechenland hierzu, die unter Schmälerung der Interessen eines freien (kulturellen) Güterverkehrs eine Prolongation des Schutzes des ursprünglichen Eigentümers in Fällen des Diebstahls und vergleichbaren Situationen des Abhandenkommens (kultureller) Güter annehmen.
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Trotz des grundsätzlichen Ausschlusses des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bestehen jedoch in allen genannten Beispielsrechtsordnungen restriktiv ausgestaltete Ausnahmesituationen einer bona fide-Akquisition gutgläubiger Erwerber. Innerhalb des Common Law-Rechtskreises bestehen nach Abschaffung der britischen sog. market overt-Regel nur noch eng umgrenzte Möglichkeiten des gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter (vgl. Punkt A.). Hier ist der gutgläubige Erwerb nur noch in solchen Konstellationen möglich, in denen ein Eigentümer freiwillig seine rechtlich sichere Besitzposition an seinen Kulturgütern aus der Hand gibt. Vergleichbar ist aber bspw. auch die Ausgestaltung innerhalb der deutschen Rechtsordnung als Beispiel eines Civil Law-Staates (vgl. Punkt B.): Hier erfüllen die unterschiedlichen Kategorien und Konstellationen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Güter sämtliche Voraussetzungen der Qualifikation als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB, sodass ein gutgläubiger Erwerb zur Sicherung der Interessen eines freien (auch kulturellen) Güterverkehrs allein im Falle einer öffentlichen Versteigerung i.S.d. § 383 Abs. 3 BGB möglich ist. Beide Ausgestaltungsvarianten wahren im Grundsatz die Interessen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, während das Bedürfnis an einem uneingeschränkten Kulturgüterverkehr und das Akquisitionsinteresse gutgläubiger Erwerber nur im Ausnahmefall Berücksichtung finden.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
A. Beispielhafte Ausgestaltung innerhalb des Common Law-Rechtskreises Schrifttum: Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173; Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff.; Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512; Crowell, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal, Volume 27 (1992), S. 173–209; DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464; Drobnig, Amerikanische Gerichte zum internationalen Sachenrecht auf dem Hintergrund der Teilung Deutschlands, IPRax 1984, S. 61–65; Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267; Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/ Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96; Hay, US-Amerikanisches Recht, 3. Aufl. 2005, Rdnr. 479, S. 137–138; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 177–179; Kenety, Who Owns the Past? The Need for Legal Reform and Reciprocity in the International Art Trade, Cornell International Law Journal, Volume 23 (1990), S. 1–46; Killellea, Property Law: International Stolen Art – Kunstsammlungen zu Weimar vs. Elicofon, Harvard International Law Journal 23 (1982), S. 466 ff.; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990; Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Lalive, International Sales of Works of Art – Volume I – Geneva Workshop 11–13 April 1985, 1988; Moore, Enforcing Foreign Ownership Claims in the Antiquities Market, The Yale Law Journal, Volume 97, Number 3 (1988), S. 466–487; Moore, Enforcing Foreign Ownership Claims in the Antiquities Market, The Yale Law Journal, Volume 97, Number 3 (1988), S. 466–487; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 161; Palmer, Conversion, Trespass and Title to Art Works, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 33–66, S. 47–60; Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, S. 396–405; Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 142 ff.; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–89; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996; Walter, Rückführung von Kulturgut im Internationalen Recht, 1988, S. 22–23; Zweigert, Rechtsvergleichend-kritisches zum gutgläubigen Mobiliarerwerb, RabelsZ 23 (1958), S. 1–20.
22
Die besondere Bedeutung der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens mit New York und London als main players auf dem Parkett des grenzüberschreitenden Kunsthandels und zentrale ‚Umschlagsplätze‘ innerhalb des internationalen Kulturgüterverkehrs erübrigt eine weitergehende Rechtfertigung der Signifikanz des Common Law-Rechtskreises für kulturelle Restitutionsansprüche auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Dies wird exemplarisch
53
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
auch an der großen Zahl kulturgüterspezifischer Gerichtsentscheidungen belegt, in denen sich potentiell restitutionspflichtige Besitzer der in Streit stehenden Kulturgüter regelmäßig auf das Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs beriefen.
I.
Nemo dat quod non habet-Grundsatz des Common Law-Rechtskreises
Innerhalb des Common Law besteht im Grundsatz keine Anerkennung des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener (kultureller) Mobilien. Dieser Rechtskreis, zu dem bspw. Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika aber auch Canada und Australien zählen, folgt dem sog. nemo dat quod non habet-Grundsatz. Dies bedeutet im Kern, dass niemand einem anderen einen besseren Rechtstitel verschaffen kann, als er ihn selbst besitzt und innehat (eine bildhaftere Variante dieser Regel findet sich in der Rechtssache Handley Motor Co. v. Wood beschrieben: “Title like a stream cannot rise higher than its source”) 27. Da die unrechtmäßige Entziehung kultureller Wertgegenstände nach den entsprechenden Untersuchungen in den genannten Kategorien keinen Rechtsverlust des ursprünglichen Eigentümers zur Folge hat, kann innerhalb des Common Law-Rechtskreises grundsätzlich der Entziehende und jeder weitere Inhaber der Sachherrschaft über das unrechtmäßig entzogene Kunstwerk einem gutgläubigen Erwerber auch keinen Eigentumstitel verschaffen. Die Grundregel beruht auf der Feststellung Upians zu dem römischen Recht: nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet.28 Aus diesem Grund kann sich jeder Eigentümer, dem ein Kulturgut unrechtmäßig entzogen wurde, weiterhin auf seinen Eigentumstitel berufen, auch wenn ein redlicher Erwerber sich auf eine gutgläubige Akquisition stützt.29 Diese Rechtsregel platziert damit das gesamte Risiko des Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs auf Seiten des gutgläubigen Erwerbers:30 Ein red-
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30
Handley Motor Co. v. Wood, 75 S.E. 2nd 312, 316 (S.Ct. N.C. 1953). Vgl. auch Zweigert, Rechtsvergleichend-kritisches zum gutgläubigen Mobiliarerwerb, RabelsZ 23 (1958), S. 1–20, S. 1; Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 502–503. Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 150–151: “Under common law conversion rules, the purchaser of an art work, whether in good faith or not, is vulnerable to a replevin action by the true owner at any time. A good faith purchaser of personal property previously taken wrongfully does not acquire good title against the true owner.”.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
licher Erwerber hat somit, trotz Zahlung eines angemessenen Gegenwertes für den beweglichen Gegenstand und Nichtkenntnis von dessen Abhandenkommen, das Objekt dem ursprünglichen Eigentümer wieder zurückzugeben, ohne dass ihm ein Recht auf Entschädigung für den Verlust des Gegenstandes oder für den bereits gezahlten Gegenwert zusteht.31 “A truly stolen item will almost always remain the property of the person from whom it was stolen. This is true no matter how many hands it passes through or how many borders it crosses. This is also true even though the current ‘owner’ may have acquired the item in good faith and paid valuable consideration.” 32 Es ist jedoch zu beachten, dass diese grundlegende rechtspolitische Entscheidung zum größtmöglichen Schutz des ursprünglichen Eigentümers durch die Rechtsinstitute der Verjährung, Ersitzung und Verwirkung wiederum eine Schmälerung erfährt. Der Common Law-Rechtskreis und dabei insbesondere die unterschiedlichen Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika lösen den Konflikt zwischen dem ursprünglichen Eigentümer und dem gutgläubigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nämlich nicht über das Rechtsinstitut des gutgläubigen derivativen Erwerbs, sondern über die Auswirkungen der Verjährungsgrundsätze – dies gilt es stets zu beachten! Nur bei einer Gesamtschau sämtlicher derivativer sowie originärer Erwerbsumstände wie sonstiger Ausschlusstatbestände kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kunstwerke kann eine zutreffende und abschließende Wertung des Schutzes der Eigentümerinteressen vorgenommen werden. 24
Innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika beurteilen sich die Regeln des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener (kultureller) Gegenstände nach den Rechtsvorschriften der einzelnen Bundesstaaten, sodass jeder Bundesstaat der Vereinigten Staaten sein eigenes Zivilrecht besitzt, das – außer in Louisiana – auf den Grundsätzen des Common Law basiert. Der amerikanische Rechtskreis stellt ebenso wie in nahezu allen anderen Rechtsordnungen keine speziellen kulturgüterspezifischen Rechtsregeln zur Übertragung von Kunstwerken zur Verfügung, sodass – wie gewöhnlich – Rekurs in den allgemeinen Vorschriften des Fahrniserwerbs zu suchen ist. “Works of art are treated in American law like other objects and thus constitute what Europeans call ‘movable property’ and we call ‘personal property’.” 33 In einer Vielzahl von Urteilen haben die Gerichte der Vereinigten Staaten den sog. nemo dat-Grundsatz wie-
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Moore, Enforcing Foreign Ownership Claims in the Antiquities Market, The Yale Law Journal, Volume 97, Number 3 (1988), S. 466–487, S. 471. Vgl. Kenety, Who Owns the Past? The Need for Legal Reform and Reciprocity in the International Art Trade, Cornell International Law Journal, Volume 23 (1990), S. 1–46, S. 13–14. Vgl. Lalive, International Sales of Works of Art – Volume I – Geneva Workshop 11–13 April 1985, 1988, S. 426.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
derholt bekräftigt.34 Die rechtsdogmatische Begründung für die prinzipielle Bevorzugung der Interessen des ursprünglichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zulasten des Erwerbsinteresses des gutgläubigen Käufers und einer freien Verkehrsfähigkeit (hier: kultureller) Güter ist nach Ansicht Browns in dem allgemeinen Rechtsempfinden zu suchen, ohne dass es einer weiteren Legitimation bedürfe: “The general rule of law, sanctioned by common sense is that no man can … transfer to another a right of ownership wherein he himself had not the right of property. This is a proposition so self-evident, that argument cannot elucidate or strengthen it.” 35 Auch innerhalb des amerikanischen Rechtskreises wurde erkannt, dass diese Grundsatzentscheidung die ebenfalls schützenswerten gesellschaftlichen Bedürfnisse nach Verkehrssicherheit und Handelsfreiheit und damit das Interesse des Wirtschaftsverkehrs insgesamt stark beeinträchtigt, jedoch wurde sich bewusst zugunsten des ursprünglichen Eigentümers und zulasten der Verkehrssicherheit entschieden36 – dies jedoch vor dem Hintergrund eines erleichterten originären Rechtserwerbs mittels eines dem deutschen Recht der Ersitzung vergleichbaren Rechtsinstruments.
1.
Unterscheidung zwischen anvertrauten und gestohlenen Kulturgütern innerhalb des amerikanischen UCC
Für die weitgehende Übereinstimmung der Bundesstaaten im Kaufrecht und der Übertragung beweglicher Gegenstände im Generellen sorgte die Übernahme des Uniform Commercial Code (UCC) nahezu aller Bundesstaaten Amerikas.37 Auch wenn die einzelnen Staaten bei der Umsetzung des UCC-Mustergesetzes in ihr föderales Rechtssystem Veränderungen vornehmen konnten und die Rechtsprechung durch den Erlass zahlreicher präzisierender Entscheidungen eine Modifikation und eigenständige Entwicklung auch in diesem Rechtsbereich vornahm, hat die Übernahme der allgemeinen, im Common Law ruhenden Grundregeln des Kaufrechts im zweiten Abschnitt des UCC durch alle Staaten bis auf Louisiana dazu beigetragen, dass der (gutgläubige) Erwerb innerhalb des amerikanischen Rechtskreises praktisch einheitlich geregelt wurde.38 Unter den analysierten Gesetzgebungen gilt das Recht des UCC und damit der USA insgesamt 34
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Restatement (Second) of Torts (1965) § 229; Dobbs, Law of remedies: damages – equity – restitution, Bd. 1, 2. Aufl. 1993, S. 659 m.w.N. aus der Rechtsprechung; Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Brown, The Law of Personal Property, 3. Aufl. 1975, S. 193, unter Hinweis auf Fawcett v. Osborn, 32 Ill. 411 (1863). Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85. Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
als das – strikteste das Eigentumsrecht betreffende – Recht. Dabei unterscheidet der Universal Commercial Code in dieser Hinsicht explizit zwei Sachverhalte, nämlich das Anvertrauen einer Sache, das zur Übertragung eines Titels führen kann, und Diebstahl, der eine Übertragung nicht zulässt.39 Wie in verschiedenen Gerichtsurteilen zum Teil judikativ nachgewiesen wurde, unterfallen die Tatbestände der unrechtmäßigen Entziehung der letztgenannten Kategorie, sodass im Grundsatz ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist. Der amerikanische Uniform Commercial Code statuiert explizit in Section 2-403 Abs. 1 S. 1 die allgemeine Common Law-Regel, wonach „[a] purchaser of goods acquires all title which his transferor had or had power to transfer except that a purchaser of a limited interest acquires rights only to the extent of the interest purchased.“ Die Grundregel in Section 2-403 Abs. 1 S. 1 bestimmt somit die prinzipielle Unterschutzstellung des Eigentümers gestohlener Gegenstände im Generellen und somit auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Speziellen, auch gegenüber einem gutgläubigen Erwerber.40 Der Sachverhalt, bei dem es sich um Diebstahl handelt, wird somit durch den absoluten Schutz des Eigentümers gekennzeichnet, dessen Schutz eine der fundamentalen Grundsätze des Universal Commercial Code ist.41 Nach Section 2-403 Abs. 1 S. 1 „erwirbt der Käufer von Gütern alle Titel, welche der Überträger hatte oder die zu übertragen er befugt war“ 42. „Somit kann im Verhältnis eines Käufers mit einem Dieb weder die Gutgläubigkeit des Käufers und mag sie noch so gut sein, noch irgendein anderer Umstand die Situation verbessern. Die aus einem Diebstahl herrührende Sache ist immer Gegenstand der Restitution, weil ein Dieb keinen guten Titel übergeben kann. Das einzige, was der Käufer tun kann, ist zu versuchen, eine Entschädigung vom Verkäufer zu erhalten.“ 43 39
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Vgl. Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79. Vgl. auch Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 31–32; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85. Vgl. Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79. Vgl. die wörtliche Übersetzung bei Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79. Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
In den weiteren Normen der Vorschrift werden – bereits aus den allgemeinen Common Law-Regeln bekannte – Ausnahmesituationen möglichen gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beschrieben, die jedoch nur solche tatsächlichen Fälle betreffen, in denen der Eigentümer freiwillig seine rechtlich sichere Besitzposition unter einer „transaction of purchase“ aus der Hand gibt und in denen unter besonderen Umständen der redliche Erwerb zulässig ist. “As between the original owner whose property is stolen and the bona fide purchaser who acquires the stolen item from a thief, the law will protect the original owner, because he did nothing and evidenced no intent to part with title to his property. As between an original owner who intentionally relinquished title to his property (albeit under fraudulent circumstances) and the bona fide purchaser from a fraudulent middleman, however, the law will protect the bona fide purchaser. The original owner lost his protection, ostensibly, when he parted with title to his property.” 44 Es wird somit deutlich, dass in denjenigen 49 Staaten sowie dem District of Columbia, die den Rechtsregeln des UCC folgen, im Grundsatz der (nahezu) absoluten Unterschutzstellung des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter der Vorzug vor dem Schutz eines redlichen Erwerbers gewährt wird. Ausnahme sind allein diejenigen Fallkonstellationen, in denen der Eigentümer freiwillig seinen Besitz aus der Hand gibt.45
26
Dieser Grundsatz fand in zahlreichen Entscheidungen amerikanischer Zivilgerichte durchgängige judikative Bestätigung in Fragen des internationalen Kulturgüterrechts.46 So hatte bspw. innerhalb der Sachverhaltskonstellation Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 47 ein amerikanisches Gericht zu untersuchen,
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45
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47
Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, Nr. 22 auf S. 1399. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 31–32. Vgl. etwa nur O’Keeffe v. Snyder , 83 N.J. 478, 416 A.2d 862 (1980); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (EDNY 1981); bestätigt 678 F.2d 1150 (2d Cir.1982); Menzel v. List, 267 N.Y.S. 2d 804 (N.Y. Sup. Ct. 1966); Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1398; bestätigt in 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990). Vgl. hierzu Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (EDNY 1981); bestätigt 678 F.2d 1150 (2d Cir.1982). Vgl. ausführlich hierzu Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 255–256; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 177–179; Killellea, Property Law: International Stolen Art – Kunstsammlungen zu Weimar vs. Elicofon, Harvard International Law Journal 23 (1982), S. 466 ff.; Drobnig, Amerikanische Gerichte zum internationalen Sachenrecht auf dem Hintergrund der Teilung Deutschlands, IPRax 1984, S. 61–65, S. 61 ff.; Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff., S. 18–19; Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415 ff., Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in:
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
ob Mr. Elicofon in den Vereinigten Staaten von Amerika zuvor gegen Ende des Zweiten Weiten Weltkriegs oder unmittelbar danach zwei in Deutschland unrechtmäßig entzogene Kunstwerke von Albrecht Dürer gutgläubig von einem ehemaligen Soldaten in New York erwerben konnte. Das Gericht stellt im konkreten Fall zunächst fest, dass die Rechtsordnung New Yorks anzuwenden ist, weil die Gemälde zum rechtserheblichen Zeitpunkt der Veräußerung örtlich innerhalb des Bundesstaates New York belegen waren, sodass nicht deutsches, sondern New Yorker materielles Recht die Frage des gutgläubigen Erwerbs von dem amerikanischen Soldaten an den potentiell restitutionspflichtigen Mr. Elicofon zu entscheiden hatte.48 Dies begründete das Gericht mit der Feststellung, dass in Sachverhaltskonstellationen, in denen bewegliche Gegenstände transferiert werden, „the law of the state where the property is located at the time of the alleged transfer“ 49 die Rechtswahl bestimmt und deshalb New Yorker Recht Anwendung zu finden hat.50 Hinsichtlich der Ablehnung eines gutgläubigen Erwerbs der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter führte das Gericht weiter aus, dass „[i]t is a fundamental rule of law in New York that a thief or someone who acquires possession of stolen property after a theft cannot transfer a good title even to a bona fide purchaser for value because only the true owner’s own conduct, or the operation of law … can act to divest that true owner of title in his property … .“ 51 Aus diesen Gründen sprach das Gericht in dem konkreten Fall einen Anspruch auf Restitution der illegal transferierten Gemälde trotz der Erkenntnis zu, dass der Beklagte die Gemälde für mehr als zwanzig Jahre in gutgläubigem Eigenbesitz hielt und dass er diese ohne Wissen um die besonderen Tatumstände des Abhandenkommens zu Ende des Zweiten Weltkrieges oder unmittelbar
48 49 50
51
Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193– 224, S. 193 ff.; Walter, Rückführung von Kulturgut im Internationalen Recht, 1988, S. 22–23; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 26–27, 41 ff. u. 75–76; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41– 68, S. 55–56; Reichelt in Sladek, Das kulturelle Erbe im Risiko der Modernität: Salzburger Symposium 1992, 1993, S. 63–64; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff., S. 54–55; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 60–61; von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 541; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 142 ff.; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 161. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 178. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (EDNY 1981), S. 846. Crowell, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal, Volume 27 (1992), S. 173–209, S. 186 –187. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (EDNY 1981), S. 833 m.w.N.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
danach gutgläubig erworben hatte.52 Auch in der Rechtssache Menzel v. List 53 wurde entsprechend festgestellt, dass ein redlicher Erwerber gestohlener Kulturgüter seine Rechtspositionen an den illegal transferierten Kulturgütern gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer verliert, weil entsprechend den Rechtsregeln New Yorks ein Dieb unter keinen Umständen Eigentum übertragen kann. Dass dieser Rechtsregel auch außerhalb des Staates New York gefolgt wird, zeigen bspw. die Ablehnung des Rechtsinstituts des derivativen gutgläubigen Erwerbs durch den United States District Court for the Southern District of Indiana in der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.54 – dem sog. Fall der gestohlenen Engel – aus dem Jahre 1989 und die Bestätigung durch die Revisionsinstanz des United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit am 24. Oktober 1990. Wie bereits dargestellt, applizierten in dieser Konstellation das Ausgangs- und Berufungsgericht die action of replevin zur Rückführung von auf dem von den türkischen Besatzungsbehörden besetzten Teil Zyperns aus einer verlassenen Kirche, der ursprünglichen Eigentümerin, der Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus, gestohlenen vier Mosaiken, die nach dem Diebstahl illegal nach Deutschland exportiert wurden, bevor die Beklagte, eine Kunst- und Antiquitätenhändlerin aus Indiana, diese in der Freihandelszone des Genfer Flughafens in der Schweiz erwarb und auf das Territorium der Vereinigten Staaten transferierte, um sie später dort zu veräußern. Der United States District Court for the Southern District of Indiana bestimmte hinsichtlich der Frage eines möglichen gutgläubigen Erwerbs, dass „one who obtains stolen items from a thief never obtains title to or right to possession of the item. … Under Indiana law, as outlined, a thief obtains no title to or right to possession of stolen items and can pass no title or right to possession to a subsequent purchaser. The mosaics were stolen. For purposes of this analysis, it is of no significance whether Aydin Dikman originally stole the mosaics, or who originally stole them. Further, it matters not whether Goldberg [die gutgläubige Kunst- und Antiquitätenhändlerin] purchased the mosaics from Dikman alone, or from Dikman, van Rijn, and Fitzgerald, or from only van Rijn and Fitzgerald. The evidence of theft and chain of possession under the facts of this case lead only to the conclusion that Goldberg came into possession of stolen property. Under Indiana law, she never obtained any title or right to possession. As shown above, under Indiana law even a bona fide purchaser cannot acquire title to or right to possession of stolen property. Therefore, because the Court has concluded that the mosaics were 52
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Crowell, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal, Volume 27 (1992), S. 173–209, S. 187. Menzel v. List, 267 N.Y.S. 2d 804 (N.Y. Sup. Ct. 1966). Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1398; bestätigt in 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990).
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
stolen, there is no need to determine whether Goldberg was a bona fide purchaser under Indiana law. Therefore, the Court concludes that the defendants are in wrongful possession of the mosaics.“ 55 Ergänzend stellte das Gericht fest, dass eine derart einheitlich proklamierte Rechtsregel unabhängig davon gilt, ob es sich um einen Käufer, der um den illegalen Transfer konkrete Kenntnis besitzt, oder aber um einen redlichen Käufer handelt, der gutgläubig keine Kenntnis bspw. eines Diebstahls zuvor erlangt hatte.56 Diese Rechtseinschätzung wurde durch die Revisionsinstanz des United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit am 24. Oktober 1990 bestätigt.57
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“[T]he buyer acquires no better title to the goods than the seller had” innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens
Auch innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens und in vergleichbarer Form in anderen Common Law-Rechtsordnungen wie denen Kanadas und Australiens 58 wird dem Grundsatz nemo dat quod non habet gefolgt. Traditionell bemühte sich das englische Rechtssystem gleichzeitig um den Schutz von zwei Werten: vom Eigentum und kommerziellen Geschäft, wie dies bei Lord Denning in einer seiner Begründungen eines Urteilsspruchs ausdrücklich benannt wurde: „In der Entwicklung unseres Rechts streben zwei Prinzipien nach Meisterschaft. Das erste ist der Schutz des Eigentums: niemand kann einen besseren Titel vergeben als den, den man selbst besitzt. Das zweite ist der Schutz eines kommerziellen Geschäfts: Die Person, die in gutem Glauben und für Geld ohne Erklärung etwas erwirbt, sollte einen guten Titel erhalten. Das erste Prinzip wurde über lange Zeit strikt eingehalten, es wurde aber durch das allgemeine Recht selbst und durch Gesetze so modifiziert, dass es den Bedürfnissen unserer Zeit gerecht wird.“ 59 Schließlich bewertete aber auch das britische Rechtssystem im 55
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Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1398; bestätigt in 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990). Crowell, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal, Volume 27 (1992), S. 173–209, S. 187. “Briefly, the court concluded that the Church had superior title under Swiss law as well, because Goldberg could not claim valid title under the Swiss ‘good faith purchasers’ notion having only made a cursory inquiry into the suspicious circumstances surrounding the sale of the mosaics. (Under Indiana law, such considerations are irrelevant because, except in very limited exceptions not applicable here, a subsequent purchaser (even a ‘good faith, bona fide purchaser for value’) who obtains an item from a thief only acquires the title held by the thief; that is, no title.” Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990), S. 291. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, Rdnr. 744 ff., zum Common law in Australien und Canada, Rdnr. 754. Vgl. die Zitierung m.w.N. Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
Grundsatz die Rechte des Eigentümers höher als das Bedürfnis eines möglichen freien Güterverkehrs, sodass sich – was unseren Interessenbereich betrifft – das gegenwärtig geltende englische Recht mehr als je zuvor auf den grundsätzlichen Ausschluss der Möglichkeit des gutgläubigen derivativen Erwerbs beruft und nur ganz wenige Ausnahmen erlaubt.60 Das englische Recht bestätigte diesen Grundsatz im Sales of Goods Act aus dem Jahre 1979 61 in Section 21 Abs. 1, 1. HS 62, wonach „[s]ubject to this Act, where goods are sold by a person who is not their owner, and who does not sell them under the authority or with the consent of the owner, the buyer acquires no better title to the goods than the seller had … .“ 63 Werden somit bewegliche Sachen von einer Person veräußert, die nicht ihr Eigentümer ist und die sie nicht mit Vollmacht oder mit Zustimmung des Eigentümers verkauft, kann der Käufer keinen besseren Titel an den Sachen erwerben als ihn der Verkäufer innehat. Nur in eng umgrenzten Ausnahmen – wenn der Eigentümer selbst durch sein Verhalten die Möglichkeit des Schutzes seines Eigentums blockiert – kann ein gutgläubiger Erwerber auch von einem Nichtberechtigten unrechtmäßig entzogene Kulturgüter erwerben.
II.
Ausnahmsweise Zulässigkeit des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb des Common Law-Rechtskreises
Innerhalb der genannten Beispielsrechtsordnungen des Common Law-Rechtskreises bestehen restriktiv ausgestaltete Konstellationen des gutgläubigen Erwerbs auch gestohlener beweglicher Gegenstände durch ein Rechtsgeschäft.64 Eine Applikation dieser Ausnahmesituationen innerhalb des internationalen Kulturgüterverkehrs und eine Berufung auf den Einwand gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kunstwerke seitens potentiell restitutionspflichtiger Be-
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Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79. Vgl. Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79. Der Sales of Goods Act gilt auch in anderen Teilen des Vereinigten Königreiches, es gelten aber – insbesondere in Schottland – einige Sonderbestimmungen. Vgl dazu Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 52; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–81. Vgl. Halsbury’s Statutes of England, Band 394 (2002) S. 60. Vgl. auch die Zitierung bei Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–81. Vgl. ausführlich hierzu Palmer, Conversion, Trespass and Title to Art Works, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 33–66, S. 49 ff.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
sitzer erscheinen jedoch sowohl innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika als auch innerhalb des britischen Rechts nur sehr selten möglich.
1.
Ausnahmesituationen gutgläubigen Erwerbs kultureller Wertgegenstände innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika
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Der nemo dat quod non habet-Grundsatz gilt nicht uneingeschränkt innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung, die nach den allgemeinen Common LawRegeln den gutgläubigen Erwerb beweglicher (Kultur-)Güter auch vom Nichtberechtigten ermöglicht. Grundsätzlich wird dann ein gutgläubiger Erwerb auch kultureller Güter zugelassen, wenn der Eigentümer ausnahmsweise den Verkauf der Sache vorwerfbar erleichtert hat, sodass eine Bevorzugung der Interessen der Erwerber vertretbar erscheint.65 Da Section 2-403 des UCC weitgehend nur die bestehenden Common Law-Grundsätze statuiert,66 führt die Vorschrift die wichtigsten schon vom Common Law entwickelten Ausnahmen des nemo dat-Grundsatzes auf.67 Darüber hinaus bestimmen Sections 1-101 bis 1-105 des UCC, dass die allgemeinen Common Law- und equity-Grundsätze neben dem UCC anwendbar bleiben.68 Folglich gelten auch die zu dem allgemeinen estoppel-Grundsatz entwickelten Rechtsregeln unverändert neben dem UCC.69
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Sec. 2-403 des Uniform Commercial Code (UCC):70 (1) A purchaser of goods acquires all title which his transferor had or had power to transfer except that a purchaser of a limited interest acquires rights only to the extent of the interest purchased. A person with voidable title has the power to transfer a good title to a good faith purchaser for value. When goods have been delivered under a transaction of purchase the purchaser has such power even though (a) the transferor was deceived as to the identity of the purchaser, or (b) the delivery was in exchange for a 65
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Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32 unter Berufung auf Brown, The law of personal property, 3. Aufl. 1975, S. 193. Er deutet die Möglichkeit an, dass der Schaden auch zwischen den unschuldigen Parteien geteilt werden könnte, eine Lösung, die auch Merryman vorschlägt, Brief Merrymans, IFARreports, Mai 1996, S. 4–5. Zu den Unterschieden zwischen den Staaten bei der Umsetzung des UCC-Mustergesetzes, siehe Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 177. Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Garro in Lalive, International Sales of Works of Art – Volume I – Geneva Workshop 11–13 April 1985, 1988, S. 515; Brown, The law of personal property, 3. Aufl. 1975, S. 198. Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Garro in Lalive, International Sales of Works of Art – Volume I – Geneva Workshop 11–13 April 1985, 1988, S. 508. Wiedergegeben bei Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 31–32.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz check which is later dishonored, or (c) it was agreed that the transaction was to be a »cash sale«, or (d) the delivery was procured through fraud punishable as larcenous under the criminal law. (2) Any entrusting of possession of goods to a merchant who deals in goods of that kind gives him power to transfer all rights of the entruster to a buyer in ordinary course of business. (3) »Entrusting« includes any delivery and any acquiescence in retention of possession regardless of any condition expressed between the parties to the delivery or acquiescence and regardless of whether the procurement of the entrusting or the possessor’s disposition of the goods have been such as to be larcenous under the criminal law. …
Section 2-403 Abs. 1 S. 2 und 3 kodifizieren als erste Ausnahme von der nemo datRegel den sog. voidable title.71 Die Striktheit dieser Regel wird durch gleichzeitige Ausnahmen gemildert, dass „eine Person mit einem anfechtbaren Titel die Befugnis hat, einen guten Titel auf einen gutgläubigen gegen Entgelt zu übertragen“.72 Ist bspw. ein Kaufvertrag über kulturelle Wertobjekte anfechtbar oder im Nachhinein nichtig, hat der Erwerber einen solchen voidable title erhalten. Da das Geschäft, anders als bei einem „void title“ als nichtige Rechtsposition, nicht von vornherein nichtig und ungültig ist, kann der Erwerber die Sache wirksam an einen gutgläubigen Dritten veräußern.73 Die gültige Rechtsposition verbleibt weiterhin bei dem Verkäufer, welcher entgegen seiner Befugnis die ihm anvertraute Sache in seiner Verfügung hat. „Somit besteht der Unterschied zwischen nichtig und anfechtbar darin, dass der nichtige Titel nicht übertragen und gutgläubig vom Erwerber nicht kuriert werden kann. Andererseits kann ein anfechtbarer Titel übertragen werden, jedoch erst nach einer bestimmten Zeit und in dem Sinne, dass der Eigentümer die Sache solange wiedererhalten kann, solange sie sich in Händen des Verkäufers befindet und von dem Erwerber noch nicht übernommen worden ist. Mit anderen Worten erwirbt der Käufer zum Zeitpunkt einer Transaktion, welche nicht von ihrer gleichzeitigen Einvernahme begleitet wurde, die Sache nur formell unter der Bedingung, dass vor ihrer Einvernahme der Eigentümer den Vertrag nicht für ungültig erklärt und die Sache zurück genommen hat. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 32–35. So die wörtliche Übersetzung bei Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79. Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Brown, The law of personal property, 3. Aufl. 1975, S. 197; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Sache Besitz ergreift, wird der anfechtbare Titel vollständig rechtskräftig.“ 74 Section 2-403 Abs. 1 S. 3 lit a–d zählt Fälle auf, in denen der Vertrag anfechtbar ist. Für den internationalen Kulturgüterverkehr mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern ist diese Ausnahme jedoch eher selten einschlägig, da die Ermöglichung der Übertragung des Eigentumsrechts an den gutgläubigen Erwerber, wenn die Sache auf der Grundlage eines Kaufvertrages auf den Verkäufer übergegangen ist, selbst dann, wenn sich später der Vertrag wegen Täuschung oder Betrug als fehlerhaft erwiesen hat, einen abweichenden Beispielsfall bildet.75 34
Auch in der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.76 – dem sog. Fall der gestohlenen Engel – aus dem Jahre 1989 und in der Bestätigung durch die Revisionsinstanz des United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit am 24. Oktober 1990 wurde die Möglichkeit gutgläubigen voidable title-Erwerbs aufgrund der Mehrpersonen- und Verwahrungsverhältnisse der in Zypern gestohlenen Mosaike geprüft, schließlich jedoch zu Recht aus tatsächlichen Gründen verneint: “The Court notes that in some situations a ‘middleman,’ for lack of a better term, may obtain voidable title and pass good title to a bona fide purchaser for value without notice of the original ownership. One who induces the original owner by fraudulent representations to sell an item acquires voidable title to the item. A bona fide purchaser for value, without notice of the original ownership, may acquire good title to the item from the middleman. … As between the original owner whose property is stolen and the bona fide purchaser who acquires the stolen item from a thief, the law will protect the original owner, because he did nothing and evidenced no intent to part with title to his property. As between an original owner who intentionally relinquished title to his property (albeit under fraudulent circumstances) and the bona fide purchaser from a fraudulent middleman, however, the law will protect the bona fide purchaser. The original owner lost his protection, ostensibly, when he parted with title to his property. There is some indication that Indiana follows the voidable title rule. … However, it is not necessary to apply this analysis to the facts of this case because there is absolutely no evidence that the plaintiffs ever intended to part with title to or posses74
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Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79. Vgl. auch Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1398; bestätigt in 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990).
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
sion of the mosaics by sale, export, fraudulent relinquishment of title, or otherwise. As a matter of law no one in the chain of possession of the mosaics ever obtained voidable title; thus Goldberg could not be a bona fide purchaser under this analysis.” 77 Eine weitere Ausnahme statuieren Section 2-403 Abs. 2 und 3 UCC in Form des gutgläubigen Erwerbs beweglicher (auch kultureller) Güter von einem Kaufmann, der mit Waren gleicher Art handelt (sog. „merchant dealing in goods of that kind“) und dem die Sache vom Eigentümer anvertraut war. Der gutgläubige Eigentumserwerb von einem Kaufmann nach den Voraussetzungen des Entrustment to a Merchant Dealing in Goods of that Kind, d.h. einem Kaufmann, der mit gleicher Ware handelt und dem die Sache anvertraut war, stellt grundsätzlich die wichtigste Ausnahme von dem nemo dat-Grundsatz dar.78 Aus der vorangegangenen Übersicht ergibt sich, dass der UCC den gutgläubigen Käufer nur von einem etablierten Kaufmann schützt. Wer von einem Privatmann kauft, ist nur dann geschützt, wenn eine sonstige Ausnahmesituation der nemo dat-Regel vorliegt.79 Unabhängig von dem Grund, aus dem die Sache dem Kaufmann anvertraut wurde,80 begründet diese Ausnahme einen eigenständigen Erwerbstatbestand, wenn sowohl der anvertrauende Eigentümer als auch der Käufer wissen, dass der, dem ein Kulturgut anvertraut wurde, Kaufmann ist, und der Kaufmann als Veräußerer gleichzeitig gegenüber dem gutgläubigen Erwerber als Eigentümer auftritt. Da diese Konstellation nur dann Anwendung finden kann, wenn der kulturelle Eigentümer seine tatsächliche Verfügungsgewalt über das Kulturgut bewusst lockert und einem Dritten überträgt, stellt auch diese Möglichkeit des ausnahmsweise zulässigen gutgläubigen Erwerbs in der Regel keinen einschlägigen Einwand des restitutionspflichtigen Besitzers in den Konstellationen der Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter dar.
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Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1398; bestätigt in 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990). Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85; Sauveplanne, The Protection of the bona fide Purchaser of Corporeal Moveables in Comparative Law, 29 Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (1965), S. 651–693, S. 692; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 32–35; Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 454. Vgl. die Entscheidung O’Keeffe v. Snyder, 83 N.J. 478, 416 A.2d 862, 873 (1980). Vgl. auch Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 32–35. In Kalifornien gilt dagegen eine andere Version des UCC sec. 2-403 subsec. 3. Danach muß die Ware dem Kaufmann anvertraut worden sein „for the purpose of sale, obtaining offers to purchase, locating the buyer, or the like.“ Cal. Com. Code § 2403 (3) (West 1964 & 1987 supp.). Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 32–35.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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Schließlich könnte ein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch nach den allgemeinen, nach Section 1-103 81 auch neben den statuierten Ausnahmen des grundsätzlichen Schutzes der Eigentumsposition innerhalb des UCC zulässigen Verwirkungsgrundsätzen (sog. estoppel-Grundsatz) des Common Law möglich sein: Obwohl schon der UCC den gutgläubigen Käufer beweglicher Gegenstände, die einem Kaufmann anvertraut sind, auf breiter Basis schützt, kann der Eigentümer auch nach dem allgemeinen equity-Gedanken daran gehindert sein, den Eigentumsübergang infrage zu stellen.82 Dabei reicht es jedoch nach herrschender und überzeugender Meinung nicht aus, dass der Eigentümer den Verkäufer mit dem Besitz der Sache ausstattet, sondern es müssen dem Veräußerer noch weitere Indizien einer Rechtsinhaberschaft verliehen werden.83 So ist es nach der amerikanischen Rechtsordnung auch im internationalen Kulturgüterverkehr möglich, dass ein Kunstwerk einer Person, die nicht Kaufmann ist, unter solchen Umständen anvertraut wird, dass der Eigentümer daran gehindert ist, sein Eigentumsrecht gegenüber dem Käufer von demjenigen, dem das Kulturgut anvertraut worden war, geltend zu machen.84 Innerhalb kultureller Restitutionsverfahren wird jedoch auch dieser Einwand nur sehr geringe praktische Relevanz erfahren, da hier die freiwillige Besitzverschaffung an dem Kulturgut durch den Eigentümer an den Veräußerer selten ist. Der restitutionswillige Eigentümer müsste den Veräußerer demnach schuldhaft mit dem Anschein der Berechtigung versehen haben 85 – was regelmäßig keine Voraussetzung in kulturellen Restitutionsverfahren unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ist.86
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Sec. 1-103 UCC: Unless displaced by the particular provisions of this Act, the principles of law and equity, including the law merchant and the law relative to capacity to contract, principal and agent, estoppel, fraud, … shall supplement its provisions. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 32–35. Vgl. Zendmann v. Harry Winston, Inc., 196 Misc. 924, 94 N.Y.S.2d 878 (Sup. Ct. 1949); rev’d 279 A.D. 28, 107 N.Y.S.2d 618 (Sup. Ct., App. Div. 1951); rev’d 305 N.Y. 180, 111 N.E. 2d 871, 875 f. (1953); Levi v. Booth, 58 Md. 305, 314 f. (1882). Vgl. Anderson, Anderson on the uniform commercial code §§ 2-313 to 2-509, vgl. § 2-403:51; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, S. 32–35. Vgl. Zweigert, Rechtsvergleichend-Kritisches zum gutgläubigen Mobiliarerwerb, RabelsZ 23 (1958), S. 1–20, S. 7. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 68 ff.; Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 135.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
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Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens
Dem allgemeinen Common Law-Grundsatz nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet folgend gilt auch im englischen Rechtskreis die nemo dat quod non habet-Regelung und damit der grundsätzliche Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Kulturgüter vom Nichtberechtigten.87 In Section 21 Abs. 1, 1. Halbs. des Sale of Goods Act aus dem Jahre 1979 wurde dies explizit kodifiziert und bestimmt, dass ,,[s]ubject to this Act, where goods are sold by a person who is not their owner, and who does not sell them under the authority or with the consent of the owner, the buyer acquires no better title to the goods than the seller had … .“ Daneben bestanden aber ebenso wie innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika auch in Großbritannien verschiedene Ausnahmen, die ebenfalls zu einem gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei entgeltlichen Geschäften führen konnten und können.88
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Eine erste Ausnahme und Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ruht – ebenso wie innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung – in dem sog. estoppel-Grundsatz. Nach Section 21 Abs. 2, 2. Halbs. des Sale of Goods Act aus dem Jahre 1979 89 ist der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegenüber einem gutgläubigen Käufer der Sache, der sie von einem Dritten erwirbt, unter der Voraussetzung verwirkt, dass der Eigentümer durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, dass nicht er, sondern der veräußernde Dritte Eigentümer der Sache bzw. zumindest veräußerungsbefugt ist.90 Der Erwerber wird geschützt, wenn der Eigentümer durch sein ausdrückliches oder konkludentes Verhalten die Möglichkeit beseitigt hat, zu bestreiten, dass der Verkäufer die Befugnis zum Verkauf der Sache hatte. Estoppel liegt nicht schon dann vor, wenn der Eigentümer demjenigen, der das Kunstwerk unter Verstoß gegen die Bindungen im Innenverhältnis weiterveräußert hat, den Besitz an dem Werk verschafft hat.91 Neben der Tatsache, dass der Eigentümer die Sache
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Vgl. Palmer, Conversion, Trespass and Title to Art Works, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 33–66, S. 4960; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–81; Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 56–58. Halsbury’s Statutes of England, Bd. 49, S. 1102, 1 123 (3. Aufl. 1979). Vgl. aus der kulturgüterrechtlichen Literatur auch Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–81. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 56–58.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
jemandem anvertraut hat, muss dieser zusätzlich in zurechenbarer Weise weitere Anhaltspunkte für das Eigentum oder eine Veräußerungsbefugnis des Verkäufers gegeben haben. Der Erwerber hat den Vertrauenstatbestand (conduct and reliance) zu beweisen.92 Innerhalb kultureller Restitutionsverfahren wird jedoch dieser Einwand nur sehr geringe praktische Relevanz erfahren, da auch hier die freiwillige Besitzverschaffung an dem Kulturgut durch den Eigentümer an den Veräußerer selten ist. 39
Ebenso selten wird auch die zweite Ausnahmesituation gutgläubigen Erwerbs beweglicher Gegenstände der britischen Rechtsordnung mittels eines Verkaufs durch einen Kaufmann (sog. mercantile agent) innerhalb kultureller Restitutionsverfahren Anwendung finden, da auch hier das Kulturgut freiwillig aus der Hand des Eigentümers weggegeben werden müsste. Wenn der Eigentümer einen beweglichen Gegenstand einem mercantile agent übergibt, wird nach Sec. 2 Abs. 1 des Factors Act aus dem Jahre 1889 „any sale or other disposition of the goods made by him when acting in the ordinary course of business of a mercantile agent“ so behandelt, als ob „he were expressly authorized by the owner of the goods to make the same; … .“ 93 Unter einem sog. mercantile agent versteht Section 1 Abs. 1 des Factor’s Act aus dem Jahre 1889 „a mercantile agent having in the customary course of his business as such agent authority either to sell goods, or to consign goods for the purpose of sale, or to buy goods, or to raise money on the security of goods.“ 94 Wenn diesem die Sache vom Eigentümer in seiner Eigenschaft als Kaufmann und zu Zwecken, die mit dieser Eigenschaft zusammenhängen, anvertraut war und die Sache im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebes verkauft wird, erwirbt der gutgläubige Käufer Eigentum, auch wenn der Kaufmann tatsächlich nicht zur Veräußerung befugt war.95 Da die Sache dem Kaufmann vom Eigentümer anvertraut worden sein musste, findet diese Ausnahmesituation auf gestohlene 96 (und dementsprechend auch auf die sonstigen Konstellationen unrechtmäßig entzogener) Kulturgüter keine
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Vgl. zu dieser Ausnahme des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–81; Kowalski, Der Rechtsstatus der im Zweiten Weltkrieg verbrachten und gegenwärtig in Privathand befindlichen Kunstgegenstände, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 47–95, S. 74–79; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 56–58. Vgl. Sec. 2 Abs. 1 des Factors Act aus dem Jahre 1889. Halsbury’s Statutes of England, Band I (1998) S. 46. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–81; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 56–58. National Employers’ Mutual General Insurance Association Ltd. v. Jones, (1988) 2 W.L.R. 952, 961 f. (H.L.) aff’g (1987) 3 W.L.R. 901 (CA.).
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
Anwendung.97 Ohne praktische Relevanz bleibt in der Regel auch die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs mittels eines sale under a voidable title nach Section 23 des Sale of Goods Act aus dem Jahre 1979 98, wonach ein Veräußerer, der mittels eines voidable title – d.h. gutgläubig, jedoch mit anfechtbarem Titel – einen beweglichen Gegenstand erworben hat, diesen wirksam an einen gutgläubigen Dritten übertragen kann, da auch hier im Falle des Diebstahls der Sache diese wieder an den ursprünglichen Eigentümer zurückgeführt werden muss.99 Von besonderem Interesse war innerhalb der Rechtsordnung Englands bis zum Jahre 1994 die einzigartige 100 Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs gestohlener Sachen und damit auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mittels eines Erwerbsgeschäfts oder einer Versteigerung nach der sog. market overt-Regel nach Section 22 Abs. 1 des Sale of Goods Act aus dem Jahre 1979 101, die jedoch durch den Sale of Goods (Amendment) Act 1994 vom 3.11.1994 mit Wirkung zum 3.1.1995 aufgehoben wurde.102 Da die market overt-Regel auf vor dem genannten Datum liegende Kulturtransferleistungen noch Anwendung findet, besteht auch noch ein Bedürfnis für ein diesbezügliches Rechtsverständnis.103 Unter der Terminologie ‚market overt‘ wurde allgemein ein offener, öffentlich und rechtmäßig abgehaltener Markt verstanden.104 Während vor dem Hintergrund eines lange bestehenden Brauchs auch jedes Geschäft in der City of London als market overt angesehen wurde, waren die Voraussetzungen jedoch dann nicht erfüllt, wenn das Geschäft nicht in den Geschäftsräumen selbst, sondern bspw. in dem Lagerhaus eines Geschäfts getätigt wurde. In diesen Fällen konnte nämlich gerade nicht garantiert werden, dass „anyone who stood or passed by the shop might see it.“105 Gegenständliche Voraussetzung des gutgläubigen 97
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Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 56–58; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–81. Halsbury’s Statutes of England, Bd. 49, S. 1102, 1 123 (3. Aufl. 1979). Vgl. auch Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–81. In anderen Rechtsordnungen des Common Law wie bspw. Schottland, Wales oder den Vereinigten Staaten stand diese Regel nie in Geltung. Vgl die Übersicht bei Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 181–182. Sie wurde in England zum Teil heftig kritisiert und Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292, S. 274 sah in ihr eine „liebenswerte Skurrilität“. Halsbury’s Statutes of England, Bd. 49, S. 1102, 1 123 (3. Aufl. 1979). Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 56–58. Vgl. hierzu aus der kulturgüterrechtlichen Literatur Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 57–58; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 56–58. Vgl. Palmer, The Recovery of Stolen Art – a collection of essays, 1998, S. 53; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–81. The Case of Market Overt, 5 Co. Rep. (= 77 Eng. Rep.) S. 180 (Nr. 83b), 181.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Eigentumserwerbs war nach der market overt-Regel darüber hinaus, dass immer nur Eigentum an solchen Gegenständen erworben werden konnte, mit denen gewöhnlich auf diesem Markt gehandelt wurde, da andernfalls der wahre Eigentümer nicht die Gelegenheit hatte, den Gegenstand auf dem Markt zu finden. An die Gutgläubigkeit wurden in diesem Zusammenhang besonders strenge Maßstäbe gesetzt, schon geringste Zweifel schadeten. Den besonderen Charakter der Ausnahmevorschrift gutgläubigen Erwerbs auch gestohlener Kulturgüter verlieh der market overt-Regel jedoch deren zeitliche Komponente, wonach der Kauf zwischen Sonnenauf- und -untergang abgewickelt worden sein musste. Außerhalb der genannten Zeitspanne blieb dem gutgläubigen Erwerber ein Rechtsverlust auch dann verwehrt, wenn die sonstigen Voraussetzungen der market overt-Regel eingehalten wurden.106 41
Diese Besonderheit fand in der von Lord Denning im Jahre 1973 entschiedenen Rechtssache Reid v. Metropolitan Police Commissioner 107 besondere Bedeutung und lädt zum Schmunzeln ein: Am 13. Februar 1970 um 8 Uhr vormittags kaufte Mr. Cocks auf dem New Caledonian Market in Southwark, südlich des Tower of London, ein Paar wertvoller Kerzenleuchter (sog. candelabra) von Robert Adam, einem Architekten und Meister der Kunst des Innendesigns (1728–1792) für 200 £. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die beiden Kerzenleuchter gestohlen waren, beschlagnahmte die Polizei die beiden Antiquitäten bei Mr. Cocks, um sie schlussendlich dem wirklich berechtigten Eigentümer wieder zur Verfügung zu stellen. In der Folge klagte Mr. Reid, dem die beiden Kerzenständer gestohlen wurden, gegen die Polizei auf Herausgabe seines Eigentums.108 Lord Denning hatte darüber zu entscheiden, ob der Grundregel nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet zu folgen war, oder ob die speziellen Voraussetzungen der market overt-Regel hier ausnahmsweise vorlagen und eine Ausnahme des gutgläubigen Erwerbs für „sales made in the open market“ bejaht werden konnte. Lord Denning betonte die auch zu der Zeit seiner Entscheidung noch bindende Präzedenzwirkung des sog. market overt-Falles 109 aus dem Jahre 1596, wie auch die darin festgelegte Zeitspanne, wonach nur tagsüber ein bona fide-Erwerb rechtlich zulässig erschien: Wie bereits erwähnt, konnten auf einem öffentlichen Markt danach nur zwischen Sonnenauf- und -untergang auch gestohlene oder sonst wie abhandengekommene bewegliche Gegenstände gutgläubig mit Ausschlusswirkung gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer erworben werden. Da Mr. Cocks die Kerzenleuchter ca. eine viertel Stunde vor Sonnenaufgang des 13. Februars 1970 auf dem New Caledonian Market erwor106
107 108
109
Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 78–81. Reid v. Commissioner of Police of the Metropolis, (1973) 1 QB 551 (CA). Vgl. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 57–58. „Market-Overt“-Fall, (1596) 5 Co. Rep. 83 b, 77, English reports, S. 180.
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§ 3 Ergebnis: Kein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
ben hatte, blieb ihm die Berufung auf die in dem market overt-Fall aus dem Jahre 1596 statuierte Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot des gutgläubigen Erwerbs verwehrt. Zu Recht wurde schon zum Zeitpunkt der Entscheidung kritisiert, dass die market overt-Ausnahme vor englischen Gerichten auch im Zeitalter künstlicher Beleuchtung noch immer in ihrem ursprünglichen Umfang uneingeschränkt Anwendung erfuhr, während in London heute in der Regel öffentliche Märkte selbst bei Nacht aufgrund elektrischer Leuchtkraft heller erleuchtet sind als andere Gegenden Londons nach Aufgang einer ‚schummrigen Februarsonne‘.110
§ 3 Ergebnis: Kein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Common Law Als erstes war zu untersuchen, ob innerhalb des Common Law-Rechtskreises ein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter möglich ist. Sowohl für die Zivilrechtsordnungen der einzelnen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika als auch für die Rechtsordnung Großbritanniens kann jedoch einheitlich festgestellt werden, dass innerhalb kultureller Restitutionsklagen der Einwand des potentiell restitutionspflichtigen Besitzers, er habe unrechtmäßig entzogene Kulturgüter
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– d.h. gestohlene, illegal exportierte Kulturgüter im Staatseigentum des kulturellen Ursprungsstaates, kriegsbedingt entzogene Beutekunst, kulturelles Fluchtgut, als entartet sichergestellte Kunstwerke, Raubkunst, enteignete Kunstwerke und Antiquitäten während des Unrechtsregimes innerhalb der DDR oder Trophäenkunst –
gutgläubig erworben, vor Common Law-Gerichten in aller Regel kein Gehör finden wird. In sämtlichen Fallkonstellationen haben die Besitzer nicht freiwillig den Besitz gelockert und der kulturelle Entziehungsakt ist ebenso wie ein Diebstahl zu werten, sodass der Grundsatz nemo dat quod non habet Anwendung findet und auch bei mehrgliedrigen Veräußerungsketten der ursprüngliche Eigentümer weiterhin seine Rechtsposition behält. Es ist jedoch ergänzend für den Common Law-Rechtskreis anzumerken, dass der Konflikt zwischen dem ursprünglichen Eigentümer und dem gutgläubigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nicht über das Rechtsinstitut des gutgläubigen derivativen Erwerbs, sondern über die Auswirkungen der Verjährungsgrundsätze geregelt wird – dies ist stets zu beachten! Allgemein gilt, dass nur bei einer Gesamtschau sämtlicher derivativer sowie originärer Erwerbsumstände wie sonstiger Ausschlusstatbestände kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kunstwerke eine zureffende und abschließende Wertung des Schutzes der Eigentümerinteressen vorgenommen werden kann, sodass für eine abschließende Bewertung des Common Law-Rechtskreises auch die Frage der 110
Vgl. auch die Ausführungen bei Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 57–58.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Verjährung von kulturellen Restitutionsansprüchen Bedeutung erlangt. So wird bspw. noch für den amerikanischen Rechtsraum Darstellung finden, dass der Widerstreit zwischen dem Bestandswahrungs- und Erhaltungsinteresse der Eigentümer und kulturellen Ursprungsstaaten einerseits und dem Erwerbsinteresse gutgläubiger Besitzer und Erwerber sowie den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs andererseits mittels der Verjährungsgrundsätze entschieden wird. Hier erfolgt teilweise sogar eine Abwägung der Schutzwürdigkeit gutgläubiger Erwerber und ursprünglicher Eigentümer, sodass eine abschließende Einschätzung einer Rechtsordnung nur bei einer Gesamtbetrachtung aller zivilrechtlichen Sachzuordnungsregeln unrechtmäßig entzogener Kulturgüter möglich ist. 44
Ganz anders stellt sich dies jedoch innerhalb der Rechtsordnung Deutschlands dar: Hier findet der Ausgleich der Interessen zwischen dem Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und dem potentiell restitutionspflichtigen gutgläubigen Besitzer in erster Linie mittels der Grundsätze des gutgläubigen derivativen Erwerbs statt. Deshalb soll in den folgenden Ausführungen erläutert werden, wie das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch diesen Interessenwiderstreit entscheidet. Grundsätzlich platziert auch das BGB ebenso wie der Common LawRechtskreis die Interessen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter über den Interessen gutgläubiger Erwerber und dem Bedürfnis der Rechtssicherheit und Verkehrsfähigkeit. Nur ausnahmsweise wird im Falle der öffentlichen Versteigerung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter dieser Interessenwiderstreit umgekehrt entschieden. Dazu nun in aller Ausführlichkeit.
B.
Grundsätzlicher Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der deutschen Rechtsordnung
Schrifttum: Arendholz, § 10 Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Hoeren/ Holznagel/Ernstschneider, Handbuch Kunst und Recht, 2008, S. 217–241; Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff.; Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBL 1992, S. 11–13; Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932 ff.; Boochs/Ganteführer, Kunstbesitz – Kunsthandel – Kunstförderung im Zivil- und Steuerrecht, 1992, S. 32–33; Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333; Fechner, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1993, S. 704; Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 61 ff.; Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 215 ff.; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160, S. 177–179; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160; Kemper, Entscheidungsbesprechung des Urteils des BGH, 1989-10-05, IX ZR 265/88, JuS 1990, S. 411–412; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990; Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 141–142; Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall – VG Köln, NJW 1991, 2584, JuS 1992, S. 745–748; Michalski in
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 932 ff.; Müller-Katzenburg, Gutgläubiger Erwerb, Ersitzung, Verjährung … ?, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht: Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln/die eigene Geschichte: Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich, Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg, 2002, S. 211– 246; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr; Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff.; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff.; Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211; Picker, Praxis des Kunstrechts, 1990, S. 177 ff.; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932 ff.; Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 230–236; Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u. a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 142 ff.; Schmidt, Rechtsprechungsübersicht – Gutgläubiger Erwerb bei öffentlicher Versteigerung (Entscheidungsbesprechung BGH, 1989-10-05, IX ZR 265/88, NJW 1990, 899), JuS 1990, S. 411–412; Schwadorf-Ruckdeschel, Brigitte, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993VI), S. 65–67; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/ Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff.; Thormann, Nochmals: Das Hamburger Stadtsiegel, NWVBL 1992, S. 354–357; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001; Werner, Die sachenrechtliche Zuordnung von Raub- und Beutekunst, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern, 2002, S. 261–276; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932 ff.; Wolf, Gutgläubiger Erwerb einer möglicherweise öffentlich-rechtlich gewidmeten Sache in einer öffentlichen Versteigerung, Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht (WuB) IV A § 383 BGB 1.90; Zweigert, Rechtsvergleichend-kritisches zum gutgläubigen Mobiliarerwerb, RabelsZ 23 (1958), S. 1 ff.
Erhebt ein potentiell restitutionspflichtiger Besitzer innerhalb der deutschen Rechtsordnung den Einwand des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, finden die Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten nach den §§ 932 ff. BGB und die bürgerlich-rechtlichen Regelungen für abhandengekommene Sachen nach § 935 BGB Anwendung.111 Auch innerhalb der
111
Vgl. einleitend hierzu Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1426–1427; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
deutschen Rechtsordnung bedingen die unterschiedlichen Konstellationen und Kategorien der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände aufgrund individuellen Diebstahls (sog. kultureller Diebstahl), kriegsbedingter Entziehung durch den Staat außerhalb des eigenen Staatsgebietes (sog. kulturelle Beutenahme), aufgrund formal ‚freiwilliger‘ rechtsgeschäftlicher Veräußerung kultureller Güter durch den jüdischen Eigentümer nach Drohung, Zwang und Gewalt vor dem Zweiten Weltkrieg und währenddessen innerhalb des nationalsozialistischen Deutschlands (Veräußerung kulturellen Fluchguts) sowie in den näher konkretisierten Situationen der Konfiskation, Nationalisierung und Enteignung kultureller Güter innerhalb des eigenen Staatsgebietes (die unterschiedlichen Situationen der sog. kulturellen Verstaatlichung) zunächst keinen Rechtsverlust des ursprünglichen Eigentümers. Über die Frage des Eigentumsverlustes hinaus ist in den genannten Konstellationen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Güter aber auch für den deutschen Rechtskreis von Interesse, ob die ursprünglichen Eigentümer ihre Rechtspositionen möglicherweise im rechtsgeschäftlichen Erwerb an potentiell gutgläubige Erwerber verlieren können, wenn die entzogenen Kulturgüter in der Folge innerhalb des Territoriums Deutschlands und damit unter Anwendung des Grundsatzes der lex rei sitae veräußert werden. 46
Innerhalb der deutschen Sachenrechtsordnung richtet sich der derivative Eigentumserwerb von Kulturgütern nach den allgemeinen Vorschriften des Mobiliarerwerbs nach den §§ 929 ff. BGB, ohne dass kulturgüterspezifische Sondergesetze Platz greifen. Demnach ist nach § 929 S. 1 BGB zur Übertragung des Eigentums an kulturellen Wertgegenständen erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt (bzw. ein Übergabesurrogat vorliegt) und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. Die deutschen Sachenrechtsregeln ordnen einem gutgläubigen Erwerber grundsätzlich auch bei einer Veräußerung durch einen Nichtberechtigten die Eigentumsposition zum Schutz der Interessen an einem möglichst freien Güterverkehr nach den Voraussetzungen der §§ 932 ff. BGB zu. Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber nach § 932 Abs. 1 BGB auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. Geschützt ist nach § 932 Abs. 2 BGB der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers sowie nach § 366 HGB der gute Glaube an dessen Verfügungsberechtigung, wenn der Veräußerer bspw. Kunsthändler und damit Kaufmann im Sinne des Handelsrechts ist und das Kulturgut in seinem Handelsgeschäft erworben wird.112 Ausnahmsweise wird somit auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers geschützt,
112
Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 45; Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 61 ff.; Arendholz, § 10 Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Hoeren/Holznagel/Ernstschneider, Handbuch Kunst und Recht, S. 217–241. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
wenn ein professionell im Kunsthandel Beteiligter als Kaufmann i.S.d. § 1 HGB im Betriebe seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige Sache unbefugt veräußert. Ist ein Galerist oder ein Kommissionär (bei einem Scheinkaufmann ist § 366 HGB aber nicht anwendbar) somit nicht Eigentümer und vom wirklichen Berechtigten auch nicht zu einer Verfügung über ein Kunstwerk nach § 185 BGB befugt, geriert sich der Veräußerer aber gegenüber dem Interessenten als verfügungsberechtigt, ist innerhalb der Voraussetzungen nach § 366 HGB zusammen mit §§ 929, 932 BGB ausnahmsweise ein Eigentumserwerb zulässig. Voraussetzung ist jedoch immer, dass der Kaufmann das Kulturgut im Betriebe seines Handelsgewerbes veräußert, sodass bei Privatgeschäften des Kaufmanns nicht § 366 HGB, sondern allein § 932 BGB anwendbar ist. Für gestohlene, verloren gegangene oder sonst abhandengekommene Gegenstände kehrt § 935 Abs. 1 S. 1 BGB die Regel jedoch zugunsten der ursprünglichen Eigentümer wieder um und bestimmt, dass ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums auf Grund der §§ 932 bis 934 BGB dann „nicht eintritt, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war.“ 113 Das Gleiche gilt nach S. 2, falls der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer abhandengekommen war. Deshalb ist über die Frage des Eigentumsverlustes aufgrund des Entziehungsaktes kultureller Materiell-zivilrechtliche Zuordnungsregeln unrechtmäßig entzogener Kunstwerke im (inter-) nationalen Kulturgüterverkehr nach den deutschen Sachenrechtsregeln
Erstens: Kein Eigentumsverlust aufgrund der unrechtmäßigen Entziehungshandlung
Abhandenkommen in der Kategorie des sog. ‚kulturellen Diebstahls’
Zweitens: Qualifikation der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Güter als Abhandenkommen bedingt den grundsätzlichen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs in sukzessiven kulturellen Veräußerungsgeschäften
Kulturelle Beutenahme als Abhandenkommen
Formal ‚freiwillige’ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts unter Drohung, Zwang und Gewalt als Abhandenkommen
Drittens: Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Wege der öffentlichen Versteigerung nach §§ 935 Abs. 2, 383 Abs. 3 BGB
Kategorien der sog. kulturellen Verstaatlichung als Abhandenkommen
Illegaler Export von zu Staatseigentum designierten Kulturgütern als Abhandenkommen
Schema 3 – Zivilrechtliches Prüfungsschema in Fällen des Kunstraubs (nach dem deutschen BGB)
113
Vgl. ausführlich hierzu für den Kulturgüterverkehr Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 95–115.
47
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Güter für den deutschen Rechtskreis und über die Frage der sachenrechtlichen Zuordnung nach sukzessiv erfolgten Kulturtransferleistungen hinaus immer zu untersuchen, ob der unrechtmäßige Entziehungsvorgang kultureller Wertgegenstände eine Qualifikation als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB erlaubt und dementsprechend einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs zur Folge hat. 48
§ 935 BGB trägt durch eine Reduzierung des weit angelegten Gutglaubensschutzes des deutschen Zivilrechts den Interessen der Eigentümer gestohlener, verloren gegangener oder sonst abhandengekommener Kulturgüter Rechnung.114 Grundsätzlich geht nämlich das deutsche Zivilrecht davon aus, dass der Eigentümer kultureller Güter in den Fällen der §§ 932 bis 934 BGB jedenfalls besser als der Erwerber die Vertrauenswürdigkeit dessen überprüfen kann, dem er den Besitz überlässt.115 Die den Gutglaubensvorschriften des Zivilrechts zugrunde liegende These, der vom Besitz bzw. seiner Verschaffungsmacht ausgehende Rechtsschein rechtfertige das Vertrauen eines gutgläubigen Erwerbers von Kunstwerken,116 soll zugunsten eines Eigentümers kultureller Wertgegenstände jedoch dann nicht gelten, wenn diese gestohlen, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen sind. Während der Eigentümer, der das Auseinanderfallen von rechtsscheinbegründender Besitzlage und Verfügungsmacht aus eigener Initiative veranlasst hat, dem deutschen Zivilrecht nicht schutzwürdig erscheint, soll ein unfreiwilliger Besitzverlust kultureller Wertgegenstände nicht den endgültigen Rechtsverlust für den Eigentümer nach sich ziehen.117 Hat der Eigentümer somit die unrechtmäßige Entziehung der Kulturgüter bzw. die Veräußerung durch einen Nichtberechtigten nicht selbst durch Besitzüberlassung ermöglicht, erhält der Bestandsschutz des Eigentums an gestohlenen, verloren gegangenen oder sonst abhandengekommenen Kulturgütern Vorrang vor dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs.118 Deshalb ist an abhandengekommenen Kulturgütern der Erwerb vom Nichtberechtigten i.d.R. ausgeschlossen.119 114 115
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119
Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5. Der Eigentümer kann in den Fällen der §§ 932 bis 934 jedenfalls besser als der Erwerber die Vertrauenswürdigkeit dessen überprüfen, dem er den Besitz überlässt. Hat aber der Eigentümer die Verfügung des Nichtberechtigten nicht durch Besitzüberlassung ermöglicht, lässt das Gesetz das Interesse eines erleichterten und sicheren Rechtsverkehrs hinter dem Bestandsschutz des Eigentums zurücktreten, Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
Dieses Prinzip wird innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs mit entzogenen Kunstwerken nur wieder für den Fall der öffentlichen Versteigerung umgekehrt.120 Allein für den Fall einer öffentlichen Versteigerung kultureller Güter gemäß §§ 935 Abs. 2 i.V.m. 383 Abs. 3 BGB ist weiterhin ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten möglich, der im Ergebnis einen Rechtsverlust und damit den Ausschluss der zivilrechtlichen Restitution abhandengekommener Kulturgüter für den ursprünglichen Eigentümer bedeutet. Hier bürgen das Sachverständnis des Versteigerers und die Öffentlichkeit für die Lauterkeit der Veräußerung, sodass eine Rechtfertigung für eine Ausnahme von dem Grundprinzip (Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs an gestohlenen und abhandengekommenen Kunstwerken) gegeben ist.
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Für die Qualifikation als Abhandenkommen wird somit zunächst abstrakt ein Besitzverlust vorausgesetzt. Entscheidend für sämtliche Situationen des Abhandenkommens kultureller Güter ist der Verlust des unmittelbaren Besitzes, sei es durch den Eigentümer oder, gem. § 935 Abs. 1 S. 2 BGB, durch den Besitzmittler. Hat jedoch der Besitzmittler, bspw. ein Auktionshaus oder ein Verkaufskommissär, das fragliche Kulturgut freiwillig an einen Dritten weitergegeben, so stellt dies kein Abhandenkommen für den mittelbaren Besitzer, d.h. den Eigentümer des Kulturguts dar.121 Schließlich hat in solchen Konstellationen der Eigentümer das Gemälde dem Besitzmittler anvertraut und damit das Risiko des Besitzverlustes bewusst in Kauf genommen. Damit steht auch fest, dass der Eigentümer sich das Verhalten des ungetreuen Besitzmittlers zurechnen lassen muss, da er durch die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an dem Kulturgut selbst den Rechtsschein geschaffen hat, auf den der Erwerber im Rahmen eines Veräußerungsgeschäftes vertrauen darf.122
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Der Verlust des unmittelbaren Besitzes kultureller Güter ist jedoch nur dann als Abhandenkommen zu werten, wenn dieser zusätzlich unfreiwillig erfolgte.123 Die für das Abhandenkommen bedeutsame Unfreiwilligkeit ist nach allgemeinen besitzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Der Besitz an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut muss ohne den Willen des Eigentümers verloren worden sein, gegen den Willen ist nicht erforderlich. Ist der Besitz zunächst freiwillig gelockert und wird der Rest dann unfreiwillig verloren, liegt allerdings Abhandenkommen vor. Bei der Beurteilung der Unfreiwilligkeit kommt es auch nicht
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Systematisch bildet § 935 Abs. 1 eine Ausnahme zu den zivilrechtlichen Gutglaubensvorschriften eines rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs der §§ 932–934 BGB, § 935 Abs. 2 wiederum eine Ausnahme zu § 935 Abs. 1 BGB. OLG Hamburg, OLGZ 6, 118; RGZ 54, 68; RG LZ 1923, 602. Vgl. im Allgemeinen Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4. Hierzu und zum Folgenden Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4 m.w.N.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
auf die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts an, in dessen Vollzug der Besitz aufgegeben worden ist. Es ist vor allem auch nicht von Bedeutung, ob das Geschäft wegen Geschäftsunfähigkeit des Vertragspartners unwirksam, wegen Irrtums oder wegen Täuschung angefochten oder, wie etwa als Scheingeschäft, sonst mit Mängeln behaftet ist.124 Da es um den tatsächlichen Herrschaftswillen geht, sind Mängel des Besitzaufgabewillens nach besitzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen, nicht nach denen für Willenserklärungen.125 Deshalb kann auch eine irrtümliche Aufgabe des unmittelbaren Besitzes freiwillig sein und muss nicht zum Abhandenkommen führen. Danach erfasst § 935 Abs. l BGB bspw. sowohl den Fall, dass dem Eigentümer selbst ein Kulturgut gestohlen wird, als auch solche Konstellationen, in denen der Eigentümer bspw. aufgrund eines Leihvertrages oder eines Restaurationsauftrags sein Kulturgut außer Haus gibt, und es dem Entleiher oder Restaurator gestohlen wird, sowie den Fall, in dem die Hausgehilfin eines Kunsthändlers oder die Bibliothekarin einer öffentlichen Bücherei als Besitzdiener gegen den Willen ihrer Besitzherren ein wertvolles Objekt weggeben oder es sich aneignen.126 Hipp weist in ihren Untersuchungen zum Schutz von Kulturgütern in Deutschland darauf hin, dass § 935 Abs. l BGB in bestimmten Fällen der Unterschlagung nicht eingreift:127 „(1) Wird bspw. einem Entleiher oder Restaurator das Kulturgut nicht gestohlen, sondern übereignet dieser es unberechtigt weiter, liegt mangels unfreiwilligem Besitzverlust kein Abhandenkommen vor. Gutgläubiger Erwerb ist möglich. (2) Veräußert ein Museumsleiter Museumsgut unter Überschreitung seiner Kompetenzen im Innenverhältnis, ist dies nach außen hin wirksam. Juristische Personen besitzen durch ihre Organe, die Weggabe einer Sache durch ein Organ ist daher freiwilliger Besitzverlust, kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB. (3) § 935 Abs. l BGB greift ebenfalls nicht im Falle von Willensmängeln des Vertreters. Ist z.B. ein Gemälde irrtümlich vom Angestellten eines Kunsthändlers in dessen Geschäftsräumen
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Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4 m.w.N. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4 m.w.N. Beispiele nach Picker, Kunstgegenstände & Antiquitäten – Kauf, Recht, Steuern, Versicherungen, 2000; Picker, Praxis des Kunstrechts, 1990, S. 177 ff.; Boochs/Ganteführer, Kunstbesitz – Kunsthandel – Kunstförderung im Zivil- und Steuerrecht, 1992, S. 32–33; Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff., S. 155; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160, unter Berufung auf die Ausführungen bei Boochs/Ganteführer, Kunstbesitz – Kunsthandel – Kunstförderung im Zivil- und Steuerrecht, 1992, S. 32–33; Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 199–200; Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff., S. 155; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 157.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
verkauft worden, so erfolgt gemäß §§ 56 HGB, 166 Abs. 1 BGB die Besitzaufgabe nicht unfreiwillig und damit ein gutgläubiger Eigentumserwerb durch den Käufer möglich.“ Der kulturelle Diebstahl ist aufgrund der expliziten Nennung „gestohlener“ Gegenstände in § 935 BGB zweifelsohne als Abhandenkommen zu werten. Es liegt jedoch nicht offen zu Tage, ob die sonstigen Konstellationen und Kategorien der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände – d.h. die kriegsbedingte Entziehung durch den Staat außerhalb des eigenen Staatsgebietes (sog. kulturelle Beutenahme), der Verlust aufgrund formal ‚freiwilliger‘ rechtsgeschäftlicher Veräußerung kultureller Güter durch den jüdischen Eigentümer nach Drohung, Zwang und Gewalt vor dem Zweiten Weltkrieg und währenddessen innerhalb des nationalsozialistischen Deutschlands (die Veräußerung sog. kulturellen Fluchtguts) sowie der kulturelle Entzugsvorgang in den näher konkretisierten Situationen der unrechtmäßigen Konfiskation, Nationalisierung und Enteignung kultureller Güter innerhalb des eigenen Staatsgebietes (die unterschiedlichen Situationen der sog. kulturellen Verstaatlichung) –
eine Qualifikation als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB erlauben. Abhandengekommen sind nach allgemeinem deutschem Begriffsverständnis nur solche Sachen, die dem unmittelbaren Besitzer ohne seinen Willen aus dem Besitz gekommen sind.128 Nach dieser klassischen Definition tritt neben den tatsächlichen Verlust des unmittelbaren Besitzes das voluntative Element der Unfreiwilligkeit dieses Besitzverlustes, wobei jedoch Unkenntnis des unmittelbaren Besitzers ausreicht. Ein Besitzverlust ausdrücklich gegen den Willen des Besitzers ist dagegen nicht erforderlich. Die im Gesetz angeführte Modalität des Diebstahls hat Beispielscharakter für den individuellen Entzug kultureller Güter aus der Hand des Eigentümers, ist jedoch nicht abschließend zu verstehen, sodass es der präzisen Untersuchung bedarf, ob auch die vom Staat kriegsbedingt außerhalb des eigenen Staatsgebietes oder, in bestimmten Situationen, innerhalb des eigenen Staatsgebietes entzogenen Kulturgüter unter den Anwendungsbereich des § 935 Abs. 1 BGB fallen. Zu prüfen ist außerdem die Frage nach dem Abhandenkommen kultureller Güter bei rechtsgeschäftlicher, formal ‚freiwilliger‘ Veräußerung durch den meist jüdischen Eigentümer. Dies scheint besonders schwierig, da hier der Besitzverlust auf den ersten Blick gerade bewusst erfolgte.
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Vgl. die Rechtsprechung und Lehre seit RGZ 101, 225. Hierzu bspw. m.w.N. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
I. 53
Wie in den folgenden Analysen erkenntlich werden wird, ist allen Situationen der unterschiedlichen Kategorien der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Güter gemeinsam, dass dem Eigentümer seine Kunstgegenstände gegen seinen Willen weggenommen wurden, sein Eigentum ihm entweder offiziell durch Gesetze entzogen wurde bzw. sein Eigentum durch Entwendung von Einzelpersonen (Diebstahl) ignoriert bzw. gestört worden ist.129 Dies hat nach § 935 BGB die Konsequenz, dass innerhalb der deutschen Zivilrechtsordnung im Grundsatz der gutgläubige Erwerb individuell gestohlener Kunstwerke, illegal exportierter Kulturgüter im Staatseigentum des kulturellen Ursprungsstaates, der Beutekunst, des kulturellen Fluchtguts sowie der unrechtmäßig verstaatlichten Kulturgüter (der entarteten Kunst, Raubkunst, Trophäenkunst, ‚DDR-Kunst‘) ausgeschlossen ist und die ursprünglichen Eigentümer sowohl nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt als auch nach einer oder mehreren Veräußerung(en) unter dem Regime der deutschen Sachenrechtsordnung weiterhin ihre Eigentumsposition behalten und dementsprechend gegen den unrechtmäßigen Besitzer vorgehen können – solange nicht die Ausnahme der öffentlichen Versteigerung i.S.d. §§ 935 Abs. 2, 383 Abs. 3 BGB vorliegt.
1. 54
Qualifikation unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als Abhandengekommen i.S.d. § 935 BGB
Abhandenkommen in der Kategorie des sog. ‚kulturellen Diebstahls‘
Die Eigentumsposition bleibt bei individuell, d.h. nicht staatlich gestohlenen Kulturgütern weiterhin dem ursprünglich Berechtigten erhalten. Der Entzug durch Diebstahl bedingt keine Änderung der Rechtslage, sodass der Eigentümer seine weiterhin bestehende Eigentumsposition gegen jeden unrechtmäßigen Besitzer im Wege einer Vindikationsklage nach § 985 BGB geltend machen kann. Darüber hinaus ist der individuelle Diebstahl kultureller Güter exemplarisch als Abhandenkommen zu qualifizieren. Im Falle des individuellen Diebstahls sind die Kulturgüter dem unmittelbaren Besitzer ohne seinen Willen aus dem Besitz gekommen, sodass diese als abhandengekommen zu qualifizieren sind und grundsätzlich ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist. Im Falle des Diebstahls kultureller Güter von dem Eigentümer tritt nämlich neben den tatsächlichen Verlust des unmittelbaren Besitzes auch das Element der Unfreiwilligkeit dieses Besitzverlustes. In § 935 Abs. 1 BGB wird die Modalität des Diebstahls beispielhaft für den individuellen Entzug kultureller Güter aus der Hand des Eigentümers angeführt, sodass ein Abhandenkommen zu bejahen ist. Die den 129
Werner, Die sachenrechtliche Zuordnung von Raub- und Beutekunst, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern, 2002, S. 261–276, S. 263.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
Gutglaubensvorschriften des Zivilrechts zugrunde liegende These, der vom Besitz bzw. seiner Verschaffungsmacht ausgehende Rechtsschein rechtfertige das Vertrauen eines gutgläubigen Erwerbers von Kunstwerken, gilt somit nicht zuungunsten eines Eigentümers gestohlener Kulturgüter. In diesen Konstellationen wird der Eigentümer kultureller Wertgegenstände ebenso wie sonstiger Mobilien grundsätzlich als schutzwürdiger qualifiziert, als ein möglicher gutgläubiger Erwerber, sodass ein bona fide-Erwerb prinzipiell ausgeschlossen ist. Ein unfreiwilliger Besitzverlust kultureller Wertgegenstände soll nicht den endgültigen Rechtsverlust für den Eigentümer nach sich ziehen, sodass der Bestandsschutz des Eigentums an gestohlenen Kulturgütern grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs hat. Deshalb ist an gestohlenen Kulturgütern der Erwerb vom Nichtberechtigten i.d.R. ausgeschlossen. Ausnahme stellt lediglich die im Wege öffentlicher Versteigerung erfolgte Veräußerung i.S.d. §§ 935 Abs. 2 i.V.m 383 BGB dar.
a)
Die Entscheidung Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon
Innerhalb der Qualifikation gestohlener Kulturgüter als abhandengekommen wurde in der Entscheidung Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 130 darüber debattiert, ob ein Abhandenkommen vorliegt, wenn der unmittelbare Besitzer der in Streit stehenden Kulturgüter oder ein Besitzdiener den Besitz an den Kulturgütern willentlich übertragen hatte, dabei jedoch den Besitz ohne oder gegen den Willen des Eigentümers der Kulturgüter aus der Hand gab.131 In der Entschei130
131
Vgl. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747 (E.D.N.Y. 1970); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747, 753 (E.D.N.Y. 1972) (Supplemental Opinion); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 478 F.2d 231 (2d Cir. 1973); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 14 International Legal Materials (I.L.M.) 806 (E.D.N.Y. 1975); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 813 (E.D.N.Y. 1978); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982). Vgl. auch das Schrifttum: Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 60; ansatzweise zu dieser Thematik ausführend auch Drobnig, Amerikanische Gerichte zum internationalen Sachenrecht auf dem Hintergrund der Teilung Deutschlands, IPRax 1984, S. 61–65, S. 64–65; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 177–179; Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 255– 256; Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424; Killellea, Property Law: International Stolen Art – Kunstsammlungen zu Weimar vs. Elicofon, Harvard International Law Journal 23 (1982), S. 466 ff.; Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff., S. 18–19; Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 215 ff.; Walter, Rückführung von Kulturgut im Internationalen Recht, 1988, S. 22–23; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 26–27 f., 41 ff. u. 75–76; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68, S. 55–56; Reichelt in Sladek, Das kulturelle Erbe
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
dung wurde die Restitution der beiden Porträts von ‚Hans und Felicitas Tucher‘ von Albrecht Dürer vor Gericht beantragt (s. Abb. 1 und Abb. 2). Die Sachverhaltskonstellation Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon ist Gegenstand von sieben amerikanischen Gerichtsentscheidungen132, die in den Jahren 1970 bis 1982 ergangen sind.133 Die Urteile betreffen die Restitutionsansprüche zweier, unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf der Schwarzburg bei Rudolstadt in Thüringen verwahrter, von einem unbekannten amerikanischen Soldaten nach New York verbrachter und von dem Rechtsanwalt und Kunstsammler Elicofon im Jahre 1946 erworbener Dürer-Gemälde. Die Kunstsammlungen zu Weimar, die Erbgroßherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach und die Bundesrepublik Deutschland beanspruchten die Restitution der beiden Dürer-Porträts von dem gutgläubigen Erwerber der Gemälde jeweils an sich selbst. Der beklagte Elicofon berief sich in der Sache auf einen gutgläubigen Eigentumserwerb seines Rechtsvorgängers, hilfsweise auf Ersitzung durch 20-jährigen ununterbrochenen und gutgläubigen Eigenbesitz an den Gemälden i.S.d. § 937 BGB.134 56
Gegenstand des Rechtsstreits 135 sind zwei Öl-Porträts von Hans und Felicitas Tucher, die der Nürnberger Kaufmann Hans Tucher von sich und seiner Ehefrau Felicitas bei Albrecht Dürer im Jahre 1499 in Auftrag gab. Ursprünglich handelte es sich bei den beiden Porträts um ein sog. Diptychon als ein zusammenklappbares, ehemals durch Scharniere verbundenes Paar von Holztäfelchen von je 28 × 24 cm, wobei die linke Tafel Hans Tucher mit dem Familienwappen und die rechte Tafel Felicitas Tucher zeigt. Spätestens seit 1824 zählten sie zu den Großherzoglichen Kunstsammlungen zu Weimar und waren seit 1868 im Weimarer Museum ausgestellt, das 1921 den Namen Staatliche Kunstsammlungen zu Weimar erhielt.136 Während der nationalsozialistischen Zeit blieben die beiden
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136
im Risiko der Modernität: Salzburger Symposium 1992, S. 63–64; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff., S. 54–55; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 60–61; von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 541; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 142 ff.; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 161. Zu den förmlichen Prozessvoraussetzungen vgl. die Ausführungen bei Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 418–419 m.w.N. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150, 1153 (2d Cir. 1982). Vgl. zu den tatsächlichen Angaben die ausführliche Sachverhaltsbeschreibung bei Richard/ Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 Federal Supplement (F. Supp.) 813, 815 (Eastern District of New York – E.D.N.Y. – 1978).
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
Dürer-Porträts zunächst im Museum, wurden jedoch im Jahre 1943, als täglich mit einem Bombenangriff zu rechnen war, nach Order des Museumsdirektors Dr. Scheidig, in einem Flügel der nahegelegenen Schwarzburg ausgelagert. Nach Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands am 8. Mai 1945 stationierten die amerikanischen Besetzer Truppen auf der Schwarzburg. Nachdem die Alliierten zunächst in der Proklamation von Berlin-Karlshorst am 5. Juni 1945 die „supreme authority“ über Deutschland übernahmen, räumten diese gemäß dem Londoner Protokoll über die Besatzungszonen am 2. Juli 1945 Thüringen, um den sowjetischen Truppen ihre Besatzungszone zu überlassen.137 Auch wenn der genaue tatsächliche Zeitpunkt des Verlustes der beiden Gemälde zwischen den Parteien streitig war und auch von den amerikanischen Gerichten letztendlich nicht aufgeklärt werden konnte, steht zumindest sicher fest, dass die Bilder im Zusammenhang mit dem Abtransport der amerikanischen Truppen Anfang Juli 1945 aus ihrem Depot in der Schwarzburg verschwunden sind.138 Der ehemalige Direktor der Kunstsammlungen zu Weimar, Dr. Scheidig, führte in einer mündlichen Vernehmung (sog. ‚deposition‘) aus dem Jahre 1971 aus,139 dass er noch am 12. Juni 1945 auf der Schwarzburg eine amerikanische Einheit antraf und mit einem amerikanischen Soldaten, dem der Kommandeur den Schlüssel ausgehändigt hatte, in das Depot ging und alles in Ordnung fand. Als er jedoch am 27. Juni 1945 erneut zur Schwarzburg zurückkehrte, musste er feststellen, dass Türen und Schränke aufgebrochen und zahlreiche Bilder im Raum verstreut waren. Die beiden Dürer-Porträts befanden sich nicht an ihrem Platz und konnten in der knappen Zeit, die zur Verfügung stand, von Dr. Scheidig nicht gefunden werden. Der befehlshabende Offizier erklärte, dass er für die Sicherung der Kunstgegenstände keine Verantwortung trage. Als Dr. Scheidig das nächste Mal am 19. Juli 1945 die Schwarzburg besuchte, berichtete der Verwalter der Schwarzburg, Herr Ehle, dass in dem Kunstdepot inzwischen leere Bilderrahmen lägen und er daraufhin das aufgebrochene Depot nach dem Abzug der Amerikaner vernagelt habe. Bei Erstellung eines Inventars wurde das Fehlen der beiden Dürer-Porträts und eines Gemäldes von Caspar David Friedrich, der wertvollsten Besitztümer des Landes Thüringen, festgestellt. Nach Ansicht Dr. Scheidigs seien die Bilder offensichtlich von amerikanischen Soldaten und wahrscheinlich in den letzten Stunden vor ihrem Abmarsch gestohlen worden. Nach diesen Aussagen stand für das amerikanische Gericht 140 im Ergebnis 137 138
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140
Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F. Supp. 829, 831, 835 n. 5 (E.D.N.Y. 1981). Vgl. zum Vorangehenden Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Entsprechend einer Zusammenfassung der mündlichen Vernehmung nach der umfangreichen Beweiswürdigung in 536 F. Supp. 829, 833–837 (E.D.N.Y. 1981) bei Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F. Supp. 829, 839; affirmed, 678 F.2d 1150, 1155–1156 (2d Cir. 1982).
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
fest, dass die Entziehung der Dürer-Gemälde aus der Schwarzburg zwischen dem 12. Juni und dem 19. Juli 1945 zweifelsfrei stattfand.141 Zum Klagezeitpunkt war der New Yorker Rechtsanwalt und Kunstsammler Elicofon aktueller Besitzer der Kunstwerke, nachdem er die Gemälde für US-$ 450 von einem heimgekehrten Soldaten erworben hatte. Dieser machte vor den amerikanischen Gerichten geltend, dass ihn im Frühjahr 1946 ein aus Deutschland heimgekehrter Soldat aufgesucht und ihm die Bilder für US-$ 450 angeboten habe. Weiterhin führte Elicofon vor Gericht aus, dass er dem Soldaten bzgl. der Herkunft der beiden Gemälde Glauben schenkte, und er davon ausgehen konnte, dass der Soldat die Gemälde zuvor während seiner Stationierung in Deutschland käuflich erworben habe. Von 1946, dem Zeitpunkt des Erwerbs der Gemälde, bis 1966, dem Zeitpunkt der Entdeckung der Identität und des wahren Wertes der Kunstwerke, verwahrte Elicofon die Dürer-Porträts in seinem Haus in Brooklyn, wo sie von vielen Gästen gesehen wurden. Erst im Mai 1966 wurde Elicofon von einem Freund, dem die Bilder in einem Katalog gestohlener Kunstwerke aufgefallen waren, über deren Identität aufgeklärt. Über den Fund wurde auf der Titelseite der New York Times vom 30. Mai 1966 berichtet und er wurde als „Kunst-Entdeckung des Jahrhunderts“ bezeichnet.142 Im Oktober 1966 verlangten die Kunstsammlungen die Herausgabe.143 58
Nachdem im Jahre 1966 die beiden Dürer-Porträts in New York wieder zum Vorschein kamen, beanspruchten die Kunstsammlungen zu Weimar, die Erbgroßherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach und die Bundesrepublik Deutschland vor den amerikanischen Gerichten die Restitution der beiden Dürer-Porträts von Elicofon jeweils an sich selbst.144 Der beklagte Elicofon berief sich in der Sache auf gutgläubigen Eigentumserwerb seines Rechtsvorgängers, hilfsweise auf Ersitzung durch 20-jährigen ununterbrochenen und gutgläubigen Eigenbesitz an den Bildern nach § 937 BGB.145 Der Rechtsstreit um die Porträts, deren Wert zum damaligen Zeitpunkt auf 23 Millionen Mark taxiert wurde, dauerte dreizehn Jahre. In der letzten Instanz fasste Bundesrichter Mansfield die Rechtsfragen wie
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Vgl. zum Vorangehenden Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150, 1156 (2d Cir. 1982); zur Wortwahl Großfeld, Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung, 1984, S. 101–102. Vgl. zu den vorangehenden tatsächlichen Ausführungen der Entscheidungen Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon die Sachverhaltsangaben bei Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Siehe auch Drobnig, Amerikanische Gerichte zum internationalen Sachenrecht auf dem Hintergrund der Teilung Deutschlands, IPRax 1984, S. 61–65, S. 61. Ausführlich zu dem Streit der verschiedenen deutschen Prätendenten untereinander Drobnig, Amerikanische Gerichte zum internationalen Sachenrecht auf dem Hintergrund der Teilung Deutschlands, IPRax 1984, S. 61–65, S. 61–62. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150, 1153 (2d Cir. 1982).
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
folgt zusammen: „Die Suche nach einer Antwort auf die täuschend einfache Frage ,Wem gehören diese Bilder?‘ führt in eine labyrinthische Reise durch das deutsche Fürstenrecht des 19. Jahrhunderts, durch das geltende deutsche Sachenrecht, das Besatzungsrecht nach dem Kriege und die verworrene Regelung der Staatennachfolge und -souveränität im Völkerrecht.“146 Die Eingangsinstanz in der Rechtssache Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon im Jahre 1970 behandelte zuerst die prozessrechtliche Zulässigkeit der Restitutionsanträge.147 Während der U.S. District Court erst die Zulässigkeit der Teilnahme der damals noch nicht anerkannten DDR 148 und dann zwei Jahre später die förmliche Zulässigkeit der Kunstsammlungen zu Weimar als „Arm und Vertreter“ 149 der DDR am Prozess verneinte – das zuständige Berufungsgericht, der U.S. Court of Appeals for the Second Circuit, bestätigte beide Entscheidungen im Jahre 1973 150 – ließ der U.S. District Court 151 nach Anerkennung der Völkerrechtssubjektivität der DDR durch die Vereinigten Staaten von Amerika die Kunstsammlungen zu Weimar im Jahre 1975 als Klägerin zu.152 Innerhalb der vorliegenden Frage nach dem Abhandenkommen kultureller Güter sind die Entscheidungen in der Rechtssache Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon deshalb von besonderem rechtlichem Interesse, weil vor den Gerichten darüber diskutiert wurde, ob ein Abhandenkommen der beiden Dürer-Gemälde mit dem Ergebnisses des Ausschlusses eines folgenden gutgläubigen Erwerbs anzunehmen ist und ob der unmittelbare Besitzer der in Streit stehenden Kulturgüter den Besitz willentlich übertragen hatte. Der Herausgabeanspruch der Kunstsammlungen zu Weimar ist nach den bisherigen Ausführungen im vorliegenden Fall dann begründet, wenn Elicofon kein Eigentum an den Bildern erworben hat. Dieser berief sich in der Sache jedoch auf gutgläubigen Eigentumserwerb seines Rechtsvorgängers, des entlassenen amerikanischen Soldaten, der die Gemälde angeblich in Deutschland erworben hatte.
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Vgl. die Übersetzung der Ausführungen von Bundesrichter Mansfield in der Rechtssache Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 Federal Reporter, Second Series (F.2d) 1150, S. 1153 (Second Circuit – 2d Cir. – 1982) (Mansfield, Circuit Judge), die Übersetzung bei Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Zu den förmlichen Prozessvoraussetzungen vgl. die Ausführungen bei Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 418–419 m.w.N. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747 (E.D.N.Y. 1970). Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747, 753 (E.D.N.Y. 1972) (Supplemental Opinion). Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 478 F.2d 231 (2d Cir. 1973). Federal Republic of Germany v. Elicofon, 14 International Legal Materials (I.L.M.) 806 (E.D.N.Y. 1975). Vgl. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 417.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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Ein Eigentumserwerb durch den Entzug der Gemälde durch die amerikanischen Soldaten ist ebenso ausgeschlossen, wie ein gutgläubiger Erwerb gestohlener Güter innerhalb des Common Law im Grundsatz nicht möglich ist. Der Beklagte Elicofon erkannte, dass ein gutgläubiger Erwerb allein in Deutschland erfolgen konnte. Aufgrund der tatsächlichen Sachlage der Entscheidungen und des korrespondierenden Rechtsgehalts des § 935 BGB konnte ein gutgläubiger Eigentumserwerb in Deutschland jedoch nur dann in Frage kommen, wenn der unmittelbare Besitzer oder, nach einer Mindermeinung, ein Besitzdiener, der „nach außen vom Besitzer nicht zu unterscheiden“ war, die Bilder unterschlagen hatte.153 Nur ein unfreiwilliger Eigentumsverlust konnte somit einen Gutglaubenserwerb des amerikanischen Soldaten ausschließen. Stand § 935 BGB dem gutgläubigen Erwerb in Thüringen jedoch nicht entgegen, so konnte Elicofon in New York vom Berechtigten erwerben. Der Eigentumserwerb konnte also nur in Thüringen und dort nur an § 935 BGB gescheitert sein.154 Um diese Rechtskonstruktion vor Gericht anerkennen zu lassen, behauptete der potentiell restitutionsverpflichtete Elicofon, der amerikanische Soldat hätte die beiden Porträts beim Auszug nicht aus der Schwarzburg gestohlen, sondern ein gewisser Architekt namens Fassbender habe die Bilder aus dem Depot genommen und dem amerikanischen Soldaten verkauft und damit lediglich den Tatbestand der Unterschlagung verwirklicht. Dabei sei Fassbender entweder der unmittelbare Besitzer der Bilder in einem Besitzmittlungsverhältnis gewesen und habe diese ohne den oder entgegen dem mutmaßlichen Willen der mittelbaren Besitzerin und Eigentümerin der Kunstsammlungen zu Weimar an den Soldaten verkauft, oder Fassbender sei Besitzdiener gewesen, der einem gutgläubigen Erwerber Eigentum habe verschaffen können.155
b)
Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzmittler
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Elicofon machte somit vor Gericht geltend, dass innerhalb der deutschen Rechtsordnung kein Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB anzunehmen sei, wenn der unmittelbare Besitzer in einem Besitzmittlungsverhältnis den Besitz freiwillig aufgäbe. Fraglich war somit, ob ein möglicher Besitzmittler den Besitzverlust des Eigentümers freiwillig herbeiführte.
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Wie sich aus dem Tatsachenvortrag des Beklagten ergab, hielt sich auf der Schwarzburg außer amerikanischen Soldaten auch ein deutscher Architekt auf, dessen Rolle undurchsichtig war und von dem später behauptet wurde, er habe
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Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Vgl. auch Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 421–422.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
die beiden Gemälde gestohlen, um sie einem amerikanischen Soldaten vielleicht gegen K-Rationen zu veräußern.156 Im Zentrum der Beweisführung von Elicofon stand deshalb der Architekt Fassbender, der noch von der nationalsozialistischen Reichsregierung beauftragt worden war, die Schwarzburg in eine Sommerresidenz für Hitler umzugestalten.157 Doch er „machte sich dann bei den Amerikanern nützlich und ging kurz vor ihrem Abzug nach Süddeutschland“ 158. Gestützt auf eine schriftlich geäußerte Vermutung von dem Direktor der Kunstsammlungen zu Weimar, Dr. Scheidig, „der Architekt Fassbender … könne etwas mit dem Diebstahl zu tun haben“ 159, behauptete die Beklagtenseite, dass Fassbender als Täter einer Unterschlagung der in seinem Besitz stehenden Kulturgüter auf der Schwarzburg anzusehen sei. Er sei nach deutschem Sachenrecht als Besitzer des Depots oder jedenfalls als Besitzdiener zu qualifizieren und habe daher einem gutgläubigen Erwerber nach §§ 929, 932 BGB Eigentum an den beiden DürerPorträts verschaffen können.160 Als Beleg für das von Burks sog. „Fassbender scenario“ 161 diente die Aussage des amerikanischen Befehlshabers auf der Schwarzburg, Captain Estes, „Fassbender appeared to be in charge of the castle and its contents“. Dies deckte sich mit einer Bemerkung des damaligen Direktors der Kunstsammlungen zu Weimar, Dr. Scheidig, Fassbender sei um die Bilder „bekümmert“ 162. Die Unterscheidung zwischen Diebstahl und veruntreuender Unterschlagung ist im Sachenrecht zwar nicht maßgeblich, wird jedoch als ein Anhaltspunkt gewertet.163 In diesem Fall plädierte der Verteidiger des Beklagten, die beiden Gemälde seien keineswegs als gestohlen zu bezeichnen, sondern lediglich von einem Bediensteten des Museums der Kunstsammlungen zu Weimar unterschlagen worden. Tatsächlich unterscheidet das deutsche Strafrecht streng zwischen einer Unterschlagung i.S.d. § 246 StGB als der rechtswidrige Zueignung einer fremden
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Zu den weiteren Sachverhaltsangaben hinsichtlich des Architektes Fassbender siehe auch ausführlich Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/ Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 216. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Burks, Kunstsammlung zu Weimar v. Elicofon: Theft of Priceless Art Treasures Gives Rise to Protracted International Legal Battle, Texas International Law Journal 19 (1984), S. 189– 212, S. 202; vgl. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F. Supp. 829, 834, 835, 839, 840–841 (E.D.N.Y. 1981). Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–417. Westermann, Sachenrecht: ein Lehrbuch, 5. Aufl. 1973, § 49 I 6, S. 239.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
beweglichen Sache und einem Diebstahl i.S.d. § 242 StGB als Absicht der rechtswidrigen Zueignung einer fremden beweglichen Sache, jedoch nachdem die Sache einem anderen weggenommen wurde (sog. Gewahrsamsbruch). Entscheidungsrelevante Bedeutung erlangt diese Differenzierung jedoch erst im Zusammenspiel mit der Ausgestaltung der deutschen Rechtsvorschriften zum Gutglaubenserwerb: Nach § 935 Abs. 1 S. 1 BGB, der den Ausschluss gutgläubigen Erwerbs gestohlener und abhandengekommener Sachen bestimmt, tritt der Erwerb des Eigentums bona fide nämlich dann nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer zuvor „gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war“. Dementsprechend kann allgemein konstatiert werden, dass für den Fall, dass lediglich eine Unterschlagung feststellbar ist, die Voraussetzungen des Ausschlusses gutgläubiger Erwerbsgeschäfte i.S.d. § 935 Abs. 1 S. 1 BGB abzulehnen sind, und damit die Gemälde tatsächlich gutgläubig auf deutschem Territorium hätten erworben werden können. Schließlich hat in solchen Konstellationen der Eigentümer das Gemälde dem Besitzmittler anvertraut und damit das Risiko des Besitzverlustes bewusst in Kauf genommen. Damit steht auch fest, dass der Eigentümer sich das Verhalten des ungetreuen Besitzmittlers zurechnen lassen muss, da er durch die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an dem Kulturgut selbst den Rechtsschein geschaffen hat, auf den der Erwerber im Rahmen eines Veräußerungsgeschäftes vertrauen darf.164 64
In der Entscheidung Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon stellte sich somit die Frage, ob Fassbender die Porträts nicht gestohlen, sondern veruntreut hatte, die beiden Dürer-Bilder somit nicht ‚abhandengekommen‘ waren, sondern der unmittelbare Besitzer den Besitz willentlich übertragen hatte. Im vorliegenden Fall konnte Fassbender selbst nach Einlassung des Beklagten Elicofon nicht als unmittelbarer Besitzer in einem Besitzmittlungsverhältnis angesehen werden. Aufgrund der Aussage des amerikanischen Soldaten, er überwache allein U-Bootsteile, lässt sich schließen, dass die Amerikaner nicht die tatsächliche Sachherrschaft über die Kunstwerke übernommen hatten und somit Fassbender auch nicht als unmittelbaren Besitzer in einem Besitzmittlungsverhältnis mit der Besatzungsmacht installierten. Nach richtiger Ansicht Richards und Junkers konnte der Architekt Fassbender nach der Verkehrsanschauung kraft Anmaßung einer Herrschaftsmacht – als „de facto custodian“ – die alleinige Sachherrschaft an sich nehmen, da auch auf der Schwarzburg ein zu großes Kompetenzwirrwarr herrschte.165 Den unmittelbaren Besitz konnte Fassbender somit nur als Besitzmittler für eine deutsche Behörde innehaben. Da aus tatsächlichen Gründen
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Vgl. im Allgemeinen Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 421–422.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
für ein Besitzmittlungsverhältnis mit der Schlossverwaltung der Schwarzburg oder den Kunstsammlungen zu Weimar jedoch jeder sachliche Anhaltspunkt fehlte, konnte Elicofon als Beamter oder sonst dem öffentlichen Dienst Verpflichteter nach deutschem Recht allenfalls als Besitzdiener angesehen werden.166 Diese Problematik zieht jedoch noch weitere Kreise: Es erscheint ebenso äußerst fraglich, welche Individuen, in Abgrenzung zu außenstehenden Personen, die rechtlich unproblematisch eines Bruches fremden Gewahrsams fähig sind, überhaupt als Angestellte angesehen werden können, denen Sachen derart anvertraut wurden, dass nicht nur ein Diebstahl mangels Wegnahme, sondern schlussendlich auch ein gutgläubiger Erwerb mangels Diebstahls ausscheiden.
c)
Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzdiener
Die rechtliche Qualifikation der Unterschlagung oder Weggabe kultureller Güter durch einen Besitzdiener i.S. von § 855 BGB als Abhandengekommen wird in den rechtsdogmatischen Untersuchungen des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Gegenstände uneinheitlich beurteilt. Der Beklagte Elicofon hat vor Gericht vorgetragen, dass nach deutschem Recht auch ein Besitzdiener dem gutgläubigen Erwerber Eigentum verschaffen könne.167 Dabei beruft er sich auf eine in der Literatur zuerst von Westermann vertretene Ansicht, wonach der Besitzdiener nach außen in nichts von einem Besitzer zu unterscheiden sei und somit ebenso tatsächlich auf die Sache einwirken könne wie der unmittelbare Besitzer.168 Dies rechtfertige die Gleichstellung des Besitzdieners mit dem unmittelbaren Besitzer innerhalb der Frage nach der Beurteilung des Abhandenkommens bei Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzdiener. Dies lässt sich mit der Erwägung begründen, der Rechtsschein knüpfe gerade an die Ausübung der tatsächlichen Gewalt und nicht an den „Besitz im Sinne des Rechtsbegriffs“ an. In dieser eingeschränkten Form stimmt auch Wiegand der Auffassung zu, weil sie dem Grundkonzept der Risikoverteilung innerhalb des gutgläubigen Erwerbs entspricht: „Der Eigentümer hat die Sache dem Besitzdiener freiwillig überlassen; das (Fehl-)Verhalten des Besitzdieners fällt in seine Risikosphäre und ist ihm deshalb zuzurechnen.“ Folgt man dieser Ansicht, ist die Weggabe durch einen „Obhutsgehilfen“ der Risikosphäre des Eigentümers zuzurechnen169 und 166
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Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 421–422. Vgl. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 421–422. Westermann, Sachenrecht: ein Lehrbuch, 5. Aufl. 1973, § 49 I 6, S. 239; Schmelzeisen, Die Relativität des Besitzbegriffs, AcP 136 (1932), S. 38 ff., S. 149; Hübner, Der Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht: ein Beitrag zur Begründung und Begrenzung des sachenrechtlichen Vertrauensschutzes dargestellt an der Regelung nach § 932 ff. BGB, 1955, S. 107; Wieling, Empfängerhorizont – Auslegung der Zweckbestimmung und Eigentumserwerb, JZ 1977, S. 291–296, S. 295. Vgl. die Erläuterungen bei Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 14.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
der Besitzdiener einem Besitzmittler gleichzustellen, sofern seine Gebundenheit gegenüber dem Besitzherrn nach außen nicht erkennbar ist. Ein Abhandenkommen wäre somit zu verneinen, sodass zunächst der amerikanische Soldat gutgläubig Eigentum in Deutschland erworben hatte und Elicofon in Amerika von dem Soldaten als berechtigtem Eigentümer die beiden Porträts erwarb.170 66
Seit der Entscheidung des Reichsgerichts 171 vertritt die herrschende Gegenansicht jedoch die Meinung, dass bei Besitzaufgabe ohne Ermächtigung des „Besitzherrn“ bzw. Unterschlagung durch den Besitzdiener an sich der Tatbestand des Abhandenkommens gegeben ist.172 Die Rechtsprechung und ein anderer Teil des Schrifttums nehmen dagegen stets einen unfreiwilligen Besitzverlust an, wenn ein Besitzdiener die Sache weggibt: Entscheidend sei allein die objektive Besitzlage, da das Gesetz an keinem Punkt darauf abstelle, ob der Rechtsverkehr jemanden nach dem äußeren Anschein für einen Besitzer halten könne oder nicht.173 Der Besitzdiener übt zwar die tatsächliche Sachherrschaft aus, Besitzer im Sinne des Gesetzes ist jedoch allein der Besitzherr.174 Somit ist bei einer Unterschlagung der Sache durch den Besitzdiener ebenso wie bei einer freiwilligen Weitergabe ohne Einverständnis des unmittelbaren Besitzers ein Abhandenkommen anzunehmen.175 Dies wird damit begründet, dass der Wille des Besitzdieners für die Freiwilligkeit des Besitzverlustes nicht von Bedeutung ist. Für eine differenzierende Bewertung dieser Fallgestaltung gibt es keinen hinreichenden Anlass. Außerdem ist eine Differenzierung gegenüber der sonstigen Behand-
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Vgl. die Kommentierungen bei Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 14; Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 421–422. RGZ 71, 248, S. 252; RGZ 106, 4, S. 6. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 14 m.w.N; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 11; Weimar, Gutgläubiger Eigentumserwerb an den vom Besitzdiener veruntreuten Sachen, MDR 1/1962, S. S. 21–22; Hoche, Besitzerwerb und Besitzverlust durch Besitzdiener, JuS 1961 (Heft 3), S. 73–79, S. 78; Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 52 Rdnr. 39; Westermann/Gursky/Pinger, Sachenrecht – Grundlagen und Recht der beweglichen Sachen, 6. Aufl. 1990, § 49 1 6 m.w.N.; Witt, Die Rechtsfigur des Besitzdieners im Widerstreit zwischen Bestands- und Verkehrsschutz, AcP, Heft 2: April 2001, S. 165 ff., S. 172 ff.; Heck, Grundriß des Sachenrechts, 1970, S. 255. Vgl. auch OLG München, Entscheidung des 15. Zivilsenats vom 05.02.1986, Az.: 15 U 3986/85, NJW 1987, 1830 („Soldaten sind Besitzdiener an den ihnen dienstlich anvertrauten Sachen.“). Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 421–422. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 14. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 11 m.w.N.; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 14 m.w.N.; Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 421–422.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
lung des Besitzdieners dogmatisch nicht konsequent.176 Man könnte in diesem Fall sogar gutgläubigen Erwerb schon mit der Begründung ausschließen, der Rechtsschein des Besitzes spreche nicht für den Besitzdiener, da dieser nur tatsächliche Gewalt, nicht aber den Besitz im rechtlichen Sinne innehabe.177 Diesen Ausführungen entsprechend bezeichnete der U.S. District Court die auf Westermann zurückgehende Ansicht als „Mindermeinung“ und folgte der deutschen Rechtsprechung.178 Selbst wenn Fassbender Besitzdiener war und die Bilder verkauft hatte, scheiterte ein Eigentumserwerb des Käufers somit an § 935 BGB.179 Dem Eigentumserwerb stand im Ergebnis § 935 BGB entgegen.180 Der U.S. District Court gab 1981 der Klage der Kunstsammlungen zu Weimar gegen Elicofon auf Herausgabe der Bilder statt.181 Die beiden letzten Urteile wurden von den Unterliegenden – der Großherzogin und dem Beklagten Elicofon – angefochten, aber vom U.S. Court of Appeals im Jahre 1982 bestätigt.182 Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden. Seit 1982 sind Hans und Felicitas Tucher wieder in Weimar.183
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Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 52 V; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 11. Wiegand, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen nach §§ 932 ff. BGB, S. 205; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 14. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F. Supp. 829, 839–843 (E.D.N.Y. 1981); Burks, Kunstsammlung zu Weimar v. Elicofon: Theft of Priceless Art Treasures Gives Rise to Protracted International Legal Battle, Texas International Law Journal 19 (1984), S. 189– 212, S. 202–203. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 421–422. „Der Erwerb scheiterte nach Ansicht des Gerichts noch aus einem weiteren Grunde: dem Besatzungsrecht. Das Gesetz Nr. 52 der Alliierten Militärregierung bestimmte, daß die Übertragung von Kunstwerken, die im Eigentum des Reiches oder der Länder standen, ohne Zustimmung der Militärregierung „null und nichtig“ sei (Veröffentlicht z.B. in Friedman, The Allied Military Government of Germany (1947) 303–307). Ob die Amerikaner dieses Gesetz in Thüringen wirksam in Kraft gesetzt hatten, hing nach Ansicht des Beklagten Elicofon von einer völkerrechtlichen Frage ab: von der Frage, ob die endgültige Zonenaufteilung bereits 1944 oder erst auf der Potsdamer Konferenz (August 1945) vorgenommen wurde: Im ersten Falle hätten die Amerikaner keine Rechtssetzungsmacht in der Sowjetzone gehabt. Das Gericht entschied dagegen, das Gesetz Nr. 52 sei in jedem Fall als Notmaßnahme der vorübergehenden US-Besatzung wirksam geworden und auch nach dem Abzug am 2. Juli 1945 zunächst wirksam geblieben (Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F. Supp. 829, 843–845 (E.D.N.Y. 1981)). Es habe – so schließt das Gericht in Einklang mit der deutschen Ansicht (Dölle/Zweigert, Gesetz Nr. 52 über Sperre und Beaufsichtigung von Vermögen (1947), S. 286–288 Rdn. 241 f.) – einen gutgläubigen Erwerb nach §§ 932 ff. BGB ausgeschlossen.“ Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 422. Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981). Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982). Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 422.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
2.
Kulturelle Beutenahme als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB
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Auch wenn ein Eigentumsverlust aufgrund der kulturellen Beutenahme als kriegsbedingte Entziehung kultureller Güter außerhalb des eigenen Territoriums durch den feindlichen Staat oder dessen Organe unmittelbar ausgeschlossen ist, ist der Verlust des Eigentums des ursprünglich Berechtigten im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr dennoch möglich. In Deutschland ist ein bona fide-Erwerb im Grundsatz nur dann ausgeschlossen, wenn die kulturelle Beutenahme die Qualifikation als Abhandenkommen rechtfertigt. Dies hat bekanntlich nach § 935 BGB die Konsequenz, dass innerhalb der deutschen Zivilrechtsordnung im Grundsatz kein gutgläubiger Erwerb kriegsbedingt vom Staat außerhalb des eigenen Staatsgebietes entzogener Kulturgüter möglich wäre (Ausnahme bleibt allein der gutgläubige Erwerb auch abhandengekommener Gegenstände im Wege der öffentlichen Versteigerung i.S.d. § 383 Abs. 3 BGB). Fraglich ist somit, ob die Rechtskategorie der kulturellen Beutenahme als Abhandenkommen im Sinne des deutschen Zivilrechts zu qualifizieren ist.
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Sinn und Zweck des § 935 BGB ist bekanntlich eine Reduktion des breit angelegten Gutglaubensschutzes des deutschen Zivilrechts, um damit den Interessen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Rechnung zu tragen.184 Grundsätzlich geht das deutsche Zivilrecht davon aus, dass der Eigentümer kultureller Güter in den Fällen der §§ 932 bis 934 BGB jedenfalls besser als ein Erwerber die Vertrauenswürdigkeit dessen überprüfen kann, dem er den Besitz überlässt.185 Die den Gutglaubensvorschriften des Zivilrechts zugrunde liegende These, der vom Besitz bzw. seiner Verschaffungsmacht ausgehende Rechtsschein rechtfertige das Vertrauen eines gutgläubigen Erwerbers von Kunstwerken,186 soll zugunsten eines Eigentümers kultureller Wertgegenstände jedoch dann nicht gelten, wenn dem Eigentümer oder einem sonstigen Berechtigten die tatsächliche Sachherrschaft ohne dessen Willen entzogen wurde. Während der Eigentümer, der das Auseinanderfallen von rechtsscheinbegründender Besitzlage und Verfügungsmacht veranlasst hat, dem deutschen Zivilrecht nicht schutzwürdig erscheint, soll ein unfreiwilliger Besitzverlust kultureller Wertgegenstände nicht den endgültigen Rechtsverlust für den Eigentümer nach sich ziehen.187
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Abhandengekommen sind nach allgemeinem deutschen Begriffsverständnis nur solche Sachen, die dem unmittelbaren Besitzer ohne seinen Willen aus dem
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Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
Besitz gekommen sind.188 Somit ist zu fragen, ob in Fällen der kulturellen Beutenahme neben den tatsächlichen Verlust des unmittelbaren Besitzes auch das voluntative Element der Unfreiwilligkeit dieses Besitzverlustes tritt, wobei jedoch Unkenntnis des unmittelbaren Besitzers ausreicht. Ein Besitzverlust ausdrücklich gegen den Willen des Besitzers ist dagegen nicht erforderlich. In der Situation der kulturellen Beutenahme wird dem Eigentümer sein Kulturgut vom feindlichen Staat oder von dessen Organen außerhalb dessen Territoriums aufgrund des momentanen Kriegszustandes oder der Besatzungsmacht ohne oder gegen den Willen des Eigentümers entzogen. Die in § 935 BGB angeführte Modalität des Diebstahls hat Beispielscharakter für den individuellen Entzug kultureller Güter aus der Hand des Eigentümers, ist jedoch nicht abschließend zu verstehen, sodass auch die kriegsbedingt vom Staat außerhalb des eigenen Staatsgebietes entzogenen Kulturgüter unter den Anwendungsbereich des § 935 Abs. 1 BGB zu zählen sein können. In Fällen der kulturellen Beutenahme ist der Verlust des unmittelbaren Besitzes durch den Eigentümer oder, gem. § 935 Abs. 1 S. 2 BGB, durch den Besitzmittler festzustellen. Auch das Merkmal der Unfreiwilligkeit des Besitzverlustes ist in der Situation der kulturellen Beutenahme gegeben: Die durch die feindliche Staatsgewalt aufgrund Militärgewalt oder Ausübung der allgemeinen Besatzungsmacht von Privatpersonen entzogenen Kulturgüter führen bei Kenntnis von der Entziehung zu einem Besitzverlust gegen und bei Unkenntnis der kulturellen Beutenahme zu einem Besitzverlust ohne Willen des Eigentümers. Dies erkennt zu Recht auch Rudolph für die seitens der deutschen Besatzungsbehörden innerhalb des besetzten Frankreichs zur Zeit des Zweiten Weltkriegs völkerrechtswidrig entzogenen Kulturgüter: „Dasselbe gilt für im besetzten Frankreich durch Beschlagnahme durch deutsche Dienststellen, namentlich den ERR [der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg war eine nationalsozialistische Plünderungsorganisation, die sich speziell auf die Entziehung kultureller Wertgegenstände in den von Deutschland besetzten West- und Ostterritorien spezialisierte], entzogene Kunstwerke. Denn seit der Besetzung des Landes befanden sich die französischen Juden ebenfalls in einer Zwangslage, die eine freie Willensentschließung unmöglich gemacht hat: Entweder sie verließen den besetzten Teil des Landes oder sie setzten sich den nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen und damit auch der Gefahr der Deportation und des Todes aus. Gelang einem jüdischen Sammler die Flucht in das unbesetzte Frankreich oder ins Ausland nur unter Zurücklassung seiner Kunstwerke, die er damit dem Zugriff insbesondere des ERR ausgesetzt hat, kann von einer willentlichen Duldung ihrer Wegnahme durch diesen und von einem willentlichen Besitzverlust nicht die Rede sein.189 Da die Beschlagnahmen jüdischen Kunstbesitzes durch die 188
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Vgl. die Rechtsprechung und Lehre seit RGZ 101, 225. Hierzu bspw. m.w.N. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4. So auch Krille, Ein weiterer Beitrag zur Frage des Eigentumserwerbs an Beutefahrzeugen, NJW 1949 (Heft 6), S. 212–214, der in dem vergleichbaren Fall, dass Eigentümer auf der Flucht vor den alliierten Truppen ihre Fahrzeuge zurückließen, die dann von den vorrückenden Einheiten in Besitz genommen worden sind, zu der Auffassung gelangt ist, dass der Ver-
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter verschiedenen deutschen Behörden im besetzten Frankreich nichtig sind, kann der fehlende Besitzaufgabewille der betroffenen Sammler auch nicht durch eine hoheitliche Befugnis ersetzt werden. Folglich sind die durch Beschlagnahme entzogenen Kunstwerke als abhanden gekommen im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB anzusehen.“ 190
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Innerhalb der Rechtskategorie der kulturellen Beutenahme hat der Eigentümer den Transfer der im Krieg von einem Staat oder dessen Organen außerhalb des eigenen Territoriums entzogenen Kulturgüter und deren Weiterveräußerung somit grundsätzlich nicht selbst durch Besitzüberlassung ermöglicht. Nach den in §§ 932 bis 935 BGB verbürgten Grundwertungen des deutschen Sachenrechts hat der Bestandsschutz des Eigentums an den in dieser Art und Weise entzogenen Kulturgütern Vorrang vor dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs zu erhalten.191 Deshalb ist an abhandengekommenen Kulturgütern aufgrund kultureller Beutenahme der Erwerb vom Nichtberechtigten i.d.R. ausgeschlossen.192 Dieses Prinzip wird innerhalb des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs mit entzogenen Kunstwerken nur wieder für den Fall der öffentlichen Versteigerung umgekehrt.193 Nur hier ist nach §§ 935 Abs. 2 i.V.m. 383 Abs. 3 BGB weiterhin ein gutgläubiger Erwerb zuvor kriegsbedingt entzogener Kulturgüter vom Nichtberechtigten möglich, der im Ergebnis einen Rechtsverlust und damit den Ausschluss der zivilrechtlichen Restitution abhandengekommener Kulturgüter für den ursprünglichen Eigentümer bedeutet.
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Diese Wertung gilt analog auch für die Fälle der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerung kultureller Güter aus dem Besitz und Eigentum verfolgter (zumeist jüdischer) Bevölkerungsteile unter Zwang, Drohung und Gewalteinwirkung in den besetzten Territorien. Freilich ändert im Allgemeinen die Nichtigkeit der Übereignung bspw. wegen Sittenwidrigkeit oder Wucher nichts daran, dass der Besitz freiwillig aufgegeben wurde, sodass grundsätzlich kein Abhandenkommen vorliegt.194
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lust der Fahrzeuge nicht mehr als willentlich bezeichnet werden könne, dass bei einer völkerrechtswidrigen Wegnahme, nämlich einer Wegnahme zu Eigentum der Besatzungsmacht, vielmehr ein Abhandenkommen im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB angenommen werden müsse. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5. Der Eigentümer kann in den Fällen der §§ 932 bis 934 jedenfalls besser als der Erwerber die Vertrauenswürdigkeit dessen überprüfen, dem er den Besitz überlässt. Hat aber der Eigentümer die Verfügung des Nichtberechtigten nicht durch Besitzüberlassung ermöglicht, lässt das Gesetz das Interesse eines erleichterten und sicheren Rechtsverkehrs hinter dem Bestandsschutz des Eigentums zurücktreten, Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4. Systematisch bildet § 935 Abs. 1 eine Ausnahme zu den zivilrechtlichen Gutglaubensvorschriften eines rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs der §§ 932–934 BGB, § 935 Abs. 2 wiederum eine Ausnahme zu § 935 Abs. 1 BGB. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 11–12 m.w.N.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
Dementsprechend sind auch Schnabel und Tatzkow der Meinung, dass der Verkauf unter wirtschaftlichem oder persönlichem Druck grundsätzlich kein Abhandenkommen darstellt, weil die Besitzaufgabe ebenso wenig unfreiwillig erfolgte wie eine Veräußerung aufgrund einer allgemeinen wirtschaftlichen Zwangssituation des Eigentümers während des Dritten Reiches.195 Trotz der Mitwirkung an der Besitzübertragung und des darin zum Ausdruck kommenden Einverständnisses sind jedoch dann Zweifel an der Freiwilligkeit des Besitzverlusts angebracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in rechtswidriger Weise auf den Willen bei der Besitzaufgabe von außen eingewirkt worden ist. Die bereits mehrfach beschriebene, den inneren Kern der Würde des Menschen verletzende Diskriminierung der jüdischen Bevölkerungsgruppe in den besetzten Territorien zur Zeit des Nationalsozialismus könnte dementsprechend dazu geführt haben, dass die von den verfolgten Personengruppen vorgenommenen Besitzaufgaben kultureller Güter lediglich formal ‚freiwillig‘ erfolgten und nur unter dem Eindruck einer Zwangslage, Drohung oder Gewaltlage vorgenommen wurden, was grundsätzlich eine Qualifizierung als Abhandenkommen rechtfertigt.196 Auch in den Ausführungen Rudolphs hinsichtlich der Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz ist zu entnehmen, dass bei sämtlichen Rechtsgeschäften, die ein jüdischer Veräußerer in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 abgeschlossen hat, zu vermuten sei, dass der Verfolgte hierbei unter dem Eindruck des durch die nationalsozialistische Diskriminierung begründeten Zwangs gestanden habe. Dabei habe die Zwangslage nicht nur seinen Willen zum Abschluss des Rechtsgeschäfts beeinflusst, sondern auch und gerade seinen Willen, das veräußerte Kunstwerk dem Erwerber zu übergeben und damit seinen Besitz vollständig aufzugeben.197 „Dasselbe gilt für Kunstwerke aus jüdischem Besitz im besetzten Frankreich, die von ihren Eigentümern nach dem Einmarsch der deutschen Truppen veräußert worden sind. Seit der Besetzung des Landes war … die jüdische Bevölkerung Frankreichs nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt und stand somit … unter einem rechtserheblichen kollektiven Zwang. Es ist deshalb zu vermuten, dass ein jüdischer Eigentümer, der in der Zeit vom 17. Mai 1940 bis zum 8. Mai 1945 ein Kunstwerk veräußert hat, hierzu, insbesondere zur Aufgabe seines Besitzes, durch diesen Zwang bestimmt worden ist, so dass von einem willentlichen Besitzverlust nicht gesprochen werden kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er den Besitz ohne seinen Willen verloren hat, so dass das veräußerte Kunstwerk als abhanden gekommen im Sinne des § 935 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen ist.“ 198
195 196
197
198
Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 45. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 9. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 230–233. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 230–233.
74
96
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
75
Tatsächlich sollte in Fällen der Veräußerung kultureller Güter verfolgter Personengruppen in den besetzten Territorien, bei der sog. indirekten oder mittelbaren Beutekunstnahme, die Besitzaufgabe vor dem Hintergrund der Vermögensveräußerungen kultureller Güter unter sich kollektiv äußernder Drohung, unter Zwang und Gewalt zur Erwirtschaftung der Mindestbedürfnisse zum Überleben und zur Vorbereitung der Emigration vor Angst der ‚physischen Zerstörung‘ gesehen werden. Die jüdische Bevölkerung war zu einer besonderen Gruppe degradiert und in rechtlicher wie ökonomischer Hinsicht in eine Lage minderen Rechts versetzt worden. Durch diese Terrormaßnahmen war der jüdische Bevölkerungsanteil in persönlicher, gesellschaftlicher, kultureller und ökonomischer Beziehung von den übrigen Einwohnern der besetzten Staaten Österreich, Frankreich, Belgien und der Niederlande völlig isoliert, radikal benachteiligt worden und unfrei in seinen Handlungen. Die aufgrund dieser Zwangslagen forcierten Besitzaufgaben kultureller Güter durch die Hand der jüdischen Eigentümer dienten der Sicherung des physischen Überlebens bzw. zur Vorbereitung der Flucht aus Angst vor persönlicher Zerstörung. Diese Situation erzeugte auch hinsichtlich der Besitzaufgabe bei der indirekten oder mittelbaren Beutekunstnahme eine Situation der Unfreiwilligkeit in Form eines der unwiderstehlichen Gewalt gleichstehenden seelischen Zwanges. Unter dem Eindruck der bestehenden Zwangslage wurde die Besitzübertragung als das in ihren Augen geringere Übel bewertet. Infolgedessen muss die Besitzübertragung trotz der formalen ‚Freiwilligkeit‘ als ohne Willen des Eigentümers und die übergebene Sache als abhandengekommen im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB qualifiziert werden.199
76
Bei der völkerrechtswidrigen Entziehung kultureller Güter im Krieg ist somit im Grundsatz auch der gutgläubige Erwerb von einem Nichtberechtigten ausgeschlossen und die Entziehung als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB zu qualifizieren.200 Der Eigentümer hat den Besitzverlust der Beutekunst nicht selbst durch Besitzüberlassung ermöglicht. Bei der Beutekunstnahme als völkerrechtswidrige
199
200
Wie hier im Ergebnis auch Müller-Katzenburg, Gutgläubiger Erwerb, Ersitzung, Verjährung …?, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht: Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln/die eigene Geschichte: Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich, Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg, 2002, S. 211–246, S. 224, allerdings ohne Begründung; sowie Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 230–233. Deshalb ist an abhandengekommenen Kulturgütern der Erwerb vom Nichtberechtigten i.d.R. ausgeschlossen. Dieses Prinzip wird innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs mit entzogenen Kunstwerken nur wieder für den Fall der öffentlichen Versteigerung umgekehrt. Allein für den Fall einer öffentlichen Versteigerung kultureller Güter gemäß §§ 935 Abs. 2 i.V.m. 383 Abs. 3 BGB ist weiterhin ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten möglich, der im Ergebnis einen Rechtsverlust und damit den Ausschluss der zivilrechtlichen Restitution abhandengekommener Kulturgüter für den ursprünglichen Eigentümer bedeutet.
97
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
Entziehung kultureller Güter im Krieg tritt neben den tatsächlichen Verlust des unmittelbaren Besitzes auch das voluntative Element der Unfreiwilligkeit dieses Besitzverlustes. Grundsätzlich erhält somit auch im Falle der völkerrechtswidrigen Entziehung kultureller Güter im Krieg der Bestandsschutz des Eigentums an den entzogenen Kulturgütern Vorrang vor dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs.201
3.
Formal ‚freiwillige‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts unter Drohung, Zwang und Gewalt als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB
Auch wenn nach den bisherigen Feststellungen ein Eigentumsverlust aufgrund der von den verfolgten Personengruppen in der beschriebenen Notlage vorgenommenen formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen kultureller Güter zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage bzw. zur Vorbereitung einer Flucht oder Emigration aus Deutschland als Schutz vor Deportation und Ermordung in Einzelfällen einer Kollektivdrohung bzw. einer Notlage in den genannten Konstellationen unmittelbar ausgeschlossen ist, ist der Verlust des Eigentums ursprünglich Berechtigter im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr grundsätzlich dennoch möglich. In Deutschland wäre ein bona fide-Erwerb in der Regel jedoch dann ausgeschlossen, wenn die Veräußerungen des kulturellen Fluchtguts eine Qualifikation als Abhandenkommen rechtfertigten würden. Dies hat bekanntlich nach § 935 BGB die Konsequenz, dass innerhalb der deutschen Zivilrechtsordnung im Grundsatz kein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter möglich wäre (Ausnahme bleibt allein der gutgläubige Erwerb auch abhandengekommener Gegenstände im Wege der öffentlichen Versteigerung). Fraglich ist somit, ob die formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts als Abhandenkommen im Sinne des deutschen Zivilrechts zu qualifizieren sind.
77
Infolgedessen ist zu prüfen, ob in Fällen der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts neben den tatsächlichen Verlust des unmittelbaren Besitzes auch das voluntative Element der Unfreiwilligkeit dieses Besitzverlustes tritt, wobei jedoch Unkenntnis des unmittelbaren Besitzers ausreicht. Ein Besitzverlust ausdrücklich gegen den Willen des Besitzers ist dagegen nicht erforderlich. Da der Wille zur Besitzaufgabe rein tatsächlicher, nicht rechtsgeschäftlicher Natur ist, ändern weder die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, zu dessen Erfüllung
78
201
Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5. Der Eigentümer kann in den Fällen der §§ 932 bis 934 BGB jedenfalls besser als der Erwerber die Vertrauenswürdigkeit dessen überprüfen, dem er den Besitz überlässt. Hat aber der Eigentümer die Verfügung des Nichtberechtigten nicht durch Besitzüberlassung ermöglicht, lässt das Gesetz das Interesse eines erleichterten und sicheren Rechtsverkehrs hinter dem Bestandsschutz des Eigentums zurücktreten, Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4.
98
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergeben hat, noch die Nichtigkeit der Eigentumsübertragung etwas daran, dass er seinen Besitz freiwillig aufgegeben hat. Infolgedessen ist ein Kulturgut, das seinem jüdischen Eigentümer während der nationalsozialistischen Herrschaft durch Rechtsgeschäft entzogen worden ist, nicht schon deshalb als abhandengekommen i.S.d. § 935 Abs. 1 S. 1 BGB zu qualifizieren, weil die Einigung über den Übergang des Eigentums ebenso wie das ihr zugrunde liegende Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB oder wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB nichtig ist.202 79
In der Situation der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts ohne Eigentumsverlust aufgrund Anfechtung, Sittenwidrigkeit oder Wucher wurde nach dem bisher Gesagten in rechtswidriger Weise auf den Willen des den Besitz Aufgebenden eingewirkt. In solchen Konstellationen der unrechtmäßigen Einwirkung auf den Willen des den Besitz Aufgebenden wird allgemein unterschieden: Täuschung und Irrtum ändern grundsätzlich nichts an der Freiwilligkeit der Besitzaufgabe, die eben nicht rechtsgeschäftliche Handlung, sondern Realakt ist. „Auch der sich irrende Besitzer gibt seinen Besitz freiwillig auf. Aus diesem Grunde ist auch eine Anfechtung unerheblich. Sie lässt zwar die rechtsgeschäftliche Einigung entfallen, hat aber keine Auswirkungen auf den Akt der Besitzaufgabe.“ 203 In den Fällen der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts liegt jedoch eine Konstellation der Kollektivdrohung gegenüber der jüdischen Bevölkerungsgruppe Deutschlands während des Dritten Reiches vor. In der Situation der Drohung sind dem Besitzer die Zwangslage und damit die Unfreiwilligkeit seines Besitzverlustes bewusst und daher Abhandenkommen anzunehmen. Eine freie Willensbestimmung ist nach allgemeiner Meinung nicht erst bei unwiderstehlicher physischer Gewalt oder gleichstehender psychischer Zwangslage auszuschließen.204 In diesen Konstellationen hat sich die Drohung nicht nur i.S.d. § 123 BGB, sondern auch i.S.d. für den Besitz maßgeblichen natürlichen Herrschaftswillens ausgewirkt, sodass eine Unfreiwilligkeit des Besitzverlustes anzunehmen ist.205 In Fällen, in denen eine Anfechtung der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts aufgrund der Verfolgtenposition und der ausgeübten Kollektivdrohung möglich war, ist somit grundsätzlich auch von einem Abhandenkommen nach Anfechtung auszugehen.
80
Komplizierter stellt sich jedoch die Frage dar, ob auch in den Fällen der Nichtigkeit der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts aufgrund
202
203 204 205
Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 230–233. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 11–12. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 11–12. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 9.
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2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
Sittenwidrigkeit bzw. Wucher von einem unfreiwilligen Besitzverlust und damit der Entziehung der tatsächlichen Sachherrschaft ohne den Willen des Verfolgten auszugehen ist. Im Allgemeinen ändert die Nichtigkeit der Übereignung bspw. wegen Sittenwidrigkeit oder Wucher nichts daran, dass der Besitz freiwillig aufgegeben wurde, sodass grundsätzlich kein Abhandenkommen vorliegt.206 Dementsprechend sind auch Schnabel und Tatzkow der Meinung, dass der Verkauf unter wirtschaftlichem oder persönlichem Druck grundsätzlich kein Abhandenkommen darstellt, weil die Besitzaufgabe ebenso wenig unfreiwillig erfolgte wie eine Veräußerung aufgrund einer allgemeinen wirtschaftlichen Zwangssituation des Eigentümers während des Dritten Reiches, weil bspw. private Gläubiger wegen begründeter Forderungen gegen den Eigentümer die Zwangsvollstreckung in dessen Vermögen betrieben, Kunstwerke pfändeten und zwangsversteigern ließen oder Kunstwerke an Gläubiger sicherungsübereignet wurden und diese eine Verwertung vornahmen.207 Trotz der Mitwirkung an der Besitzübertragung und des darin zum Ausdruck kommenden Einverständnisses damit sind jedoch immerhin dann Zweifel an der Freiwilligkeit des Besitzverlusts angebracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in rechtswidriger Weise auf den Willen bei der Besitzaufgabe von außen eingewirkt worden ist. Die bereits mehrfach beschriebene, den inneren Kern der Würde des Menschen verletzende Diskriminierung der jüdischen Bevölkerungsgruppe in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus könnte auch dazu geführt haben, dass die von den verfolgten Personengruppen vorgenommenen Besitzaufgaben kultureller Güter nur formal ‚freiwillig‘ erfolgten, jedoch nur unter dem Eindruck einer Drohung mit Gewalt vorgenommen wurden, die grundsätzlich eine Qualifizierung als Abhandenkommen rechtfertigt.208
81
So vertraten bspw. unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs Meinungen der Literatur die Ansicht, dass auch die verfolgungsbedingten formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts als Abhandenkommen zu qualifizieren seien. „Der gute Glaube im Rechtssinn stand erst da in Frage, wo der erste Erwerber weiterveräußert hat. Der Nacherwerber eines ursprünglich unter Drohung veräußerten Objekts … erwirbt nach gewöhnlichem bürgerlichen Recht bei gutgläubiger Unkenntnis der mangelhaften Rechtsstellung seines Vormannes seinerseits rechtsmangelfrei. Aber das gilt nicht für bewegliche Sachen, die geradezu weggenommen wurden … . Es bestand Einigkeit darüber, dass also in den allermeisten Arisierungsfällen schon nach bürgerlichem Recht der gute Glaube eines Nacherwerbers außer Betracht bleiben müsse.“ 209 Kontextab-
82
206 207 208
209
Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 11–12 m.w.N. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 45. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 9. Vgl. Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US–Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
hängig bleiben die Ausführungen bei Arndt, da dieser nicht eindeutig zwischen der Entziehung kultureller Güter durch formal ‚freiwillige‘ Veräußerung verfolgter Personen und durch Verstaatlichung durch das nationalsozialistische Regime (im Sinne der zweiten Phase der Entziehung der sog. Raubkunst) unterschied. Nach dessen Rechtsbeurteilung würde die deutsche Rechtsordnung die Gutgläubigkeit nicht ausnahmslos als rechtsbegründende Tatsache anerkennen: „Die Vermutung eines gültigen Erwerbs kann stets nur stichhaltig sein und der dem Recht eigenen ideellen Wirklichkeit entsprechen, wenn der an sich sonst Berechtigte sich „verschwiegen“ hat. Dieses Verwirkungsprinzip kann unmöglich gegenüber den Verfolgten durchgreifen, da es eben die Unfreiwilligkeit, der individuelle oder kollektive Terror war, der das Wesen der ihnen widerfahrenen Verfolgung ausmachte, und niemand darauf vertrauen, sich darauf verlassen durfte, dass unter Hitlers Gewaltherrschaft überhaupt noch Recht für jedermann in Deutschland herrschte.“ 210 Auch in den zeitgenössischen Ausführungen Rudolphs hinsichtlich der Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz ist zu entnehmen, dass bei sämtlichen Rechtsgeschäften, die ein jüdischer Veräußerer in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 abgeschlossen hat, zu vermuten sei, dass der Verfolgte hierbei unter dem Eindruck des durch die nationalsozialistische Diskriminierung begründeten Zwangs gestanden habe. Dabei habe die Zwangslage „nicht nur seinen Willen zum Abschluss des Rechtsgeschäfts beeinflusst, sondern auch und gerade seinen Willen, das veräußerte Kunstwerk dem Erwerber zu übergeben und damit seinen Besitz vollständig aufzugeben.“ 211 83
Tatsächlich sollten die formal ‚freiwillige‘ Veräußerung sog. kulturellen Fluchtguts und die damit einhergehende Besitzaufgabe vor dem Hintergrund der Vermögensveräußerungen kultureller Güter (unter sich kollektiv äußernder Drohung, unter Zwang und Gewalt) zur Erwirtschaftung der Mindestbedürfnisse zum Überleben und zur Vorbereitung der Emigration aus Angst vor der ‚physischen Zerstörung‘ gesehen werden. Die jüdische Bevölkerung war durch zahlreiche Erlasse und Ausnahmebestimmungen tatsächlich zu einer besonderen Gruppe degradiert und in rechtlicher wie ökonomischer Hinsicht in eine Lage minderen Rechts versetzt worden. Durch diese Terrormaßnahmen war der jüdische Bevölkerungsanteil in persönlicher, gesellschaftlicher, kultureller und ökonomischer Beziehung von den übrigen Einwohnern Deutschlands völlig isoliert, radikal benachteiligt worden und tatsächlich unfrei in seinen Handlungen. Die aufgrund dieser Zwangslagen forcierten Besitzaufgaben kultureller Güter durch die Hand der jüdischen Eigentümer dienten der Sicherung des
210
211
Vgl. Arndt, Das Rückerstattungs-Gesetz der amerikanischen Zone, NJW 1947/48, S. 161– 165, S. 163. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 230–233.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
101
physischen Überlebens bzw. zur Vorbereitung der Flucht aus Angst vor persönlicher Zerstörung. Diese Situation erzeugte auch hinsichtlich der Besitzaufgabe eine Situation der Unfreiwilligkeit in Form eines der unwiderstehlichen Gewalt gleichstehenden seelischen Zwanges. Unter dem Eindruck der bestehenden Zwangslage wurde die Besitzübertragung als das in ihren Augen geringere Übel bewertet. Infolgedessen muss die Besitzübertragung sog. kulturellen Fluchtguts trotz der formalen ‚Freiwilligkeit‘ als ohne Willen des Eigentümers und die übergebene Sache als abhandengekommen im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB qualifiziert werden.212
4.
Kategorien der sog. kulturellen Verstaatlichung als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB
Nach den bisherigen Ausführungen steht aus Sicht deutscher (und der wohl überwiegenden Zahl neutraler) Zivilforen fest, dass zumindest durch die unrechtmäßige Verstaatlichung der entarteten Kunst im Eigentum individueller Privatpersonen und der zweiten Phase der Raubkunst aufgrund der Qualifizierung der entsprechenden Beschlagnahme-, Konfiskations- und Sicherstellungsanordnungen als Rechtsgrundlagen der nationalsozialistischen Entziehungsakte als ‚gesetzliches Unrecht‘ ebenso wenig ein Eigentumsverlust der ursprünglich Berechtigten eingetreten sein sollte wie mittels der völkerrechtswidrigen Verstaatlichung der Trophäenkunst durch das russische Kulturgütergesetz vom 15. April 1998 i.d.F. vom 25. Mai 2000 aufgrund eines Verstoßes gegen die Grundsätze des internationalen Enteignungsrechts und mittels der Verstaatlichung von Kunstgegenständen innerhalb des ehemaligen Unrechtsregimes der DDR aufgrund der formellen und materiellen ordre public-Widrigkeit der Besteuerungs- und Konfiskationsverfahren. Gelangten jedoch die unrechtmäßig verstaatlichten Kulturgüter in den deutschen Kunsthandel, stellt sich auch hier die Frage, ob innerhalb weiterer Veräußerungsgeschäfte ein Verlust des Eigentums der ursprünglich Berechtigten an ihren unrechtmäßig verstaatlichten Kulturgütern an gutgläubige Erwerber nach den deutschen Sachenrechtsregeln möglich ist. Dies erlangt vor allem vor dem Hintergrund besondere Bedeutung, dass in zahlreichen Konstellationen die kulturelle Verstaatlichung nur deshalb vorgenommen wurde, um eine finanzielle Verwertung im Ausland zur Erwirtschaftung fremder Devisen zu betreiben – wie dies bspw. in den Konstellationen der Verstaatlichung der Privatsammlungen des russischen Großbürgertums im An212
Wie hier im Ergebnis auch Müller-Katzenburg, Gutgläubiger Erwerb, Ersitzung, Verjährung … ?, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht: Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln/die eigene Geschichte: Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich, Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg, 2002, S. 211–246, S. 224, allerdings ohne Begründung; sowie Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 230–233.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
schluss an die Oktoberrevolution im Jahre 1917, der Verwertung der entarteten Kunst durch das nationalsozialistische Deutschland sowie der Verstaatlichung innerhalb des ehemaligen Unrechtsregimes der DDR von in Besteuerungs- und Konfiskationsverfahren entzogenen und in Westdeutschland innerhalb des deutschen Kunstmarktes verwerteten Kulturgütern erfolgte. 85
Fraglich ist jedoch, ob diese hoheitlichen Einwirkungen auf die Eigentumsposition der ursprünglich Berechtigten eine Qualifikation als ‚Abhandenkommen‘ i.S.d. § 935 BGB erlauben, sodass entsprechend der rechtspolitischen Ausgestaltung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches ein Eigentumsverlust im Grundsatz zugunsten der Erhaltung der Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers und zulasten des freien Güterverkehrs ausgeschlossen ist und nur noch in Fällen einer öffentlichen Versteigerung i.S.d. § 383 Abs. 3 BGB erfolgen kann. Sinn und Zweck des § 935 BGB ist bekanntlich eine Reduzierung des breit angelegten Gutglaubensschutzes des deutschen Zivilrechts, um damit den Interessen des Eigentümers entzogener Kulturgüter Rechnung zu tragen.213 Grundsätzlich geht nämlich das deutsche Zivilrecht davon aus, dass der Eigentümer kultureller Güter in den Fällen der §§ 932 bis 934 BGB jedenfalls besser als ein Erwerber die Vertrauenswürdigkeit dessen überprüfen kann, dem er den Besitz überlässt.214 Die den Gutglaubensvorschriften des Zivilrechts zugrunde liegende These, der vom Besitz bzw. seiner Verschaffungsmacht ausgehende Rechtsschein rechtfertige das Vertrauen eines gutgläubigen Erwerbers von Kunstwerken,215 soll zugunsten eines Eigentümers kultureller Wertgegenstände jedoch dann nicht gelten, wenn dem Eigentümer oder einem sonstigen Berechtigten die tatsächliche Sachherrschaft ohne dessen Willen entzogen wurde. Somit ist zu fragen, ob in Fällen der rechtswidrigen kulturellen Verstaatlichung neben den tatsächlichen Verlust des unmittelbaren Besitzes auch das voluntative Element der Unfreiwilligkeit dieses Besitzverlustes tritt, wobei jedoch Unkenntnis des unmittelbaren Besitzers ausreicht. Ein Besitzverlust ausdrücklich gegen den Willen des Besitzers ist dagegen nicht erforderlich. In der Situation der kulturellen Verstaatlichung wird dem Eigentümer sein Kulturgut durch Hoheitsakt vom Staat oder von dessen Organen innerhalb des eigenen Staatsterritoriums aufgrund der faktischen Möglichkeit der Durchsetzung der Staatsgewalt ohne oder gegen den Willen des Eigentümers entzogen. Problematisch ist innerhalb der unrechtmäßigen Verstaatlichung kultureller Wertgegenstände jedoch, dass hoheitliche Eingriffe in die Eigentumssphäre der Eigentümer oft gegen deren Willen erfolgen,
213 214
215
Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 1–4; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 1–5.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
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dieser jedoch durch die öffentlich-rechtliche Befugnis zum Eingriff ersetzt wird.216
a)
Abhandenkommen und Verstaatlichung durch die öffentliche Gewalt als Problem des Besitzverlustes kraft öffentlichen Rechts
Ausgangspunkt ist zunächst, dass die Wegnahme oder Weggabe einer Sache aufgrund öffentlich-rechtlichen Hoheitsaktes im Grundsatz nicht in den Anwendungsbereich von § 935 BGB fällt, da nach der Terminologie des Bundesgerichtshofs der fehlende Wille des Besitzers durch die öffentlich-rechtliche Befugnis des Eingreifenden ersetzt wird.217 Außerhalb der rechtlichen Diskussion steht nach der überzeugenden und herrschenden Rechtsauffassung somit, dass sowohl bei rechtmäßigen als auch rechtswidrigen hoheitlichen Akten gleichermaßen kein Abhandenkommen anzunehmen ist, sodass bspw. bei fehlerhaften Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder rechtswidrigen Verwaltungsakten zur Verstaatlichung kultureller Wertgegenstände ein gutgläubiger Erwerb generell zulässig ist.218 Verliert der unmittelbare Besitzer seinen Besitz an kulturellen Vermögensgütern durch eine hoheitliche Verstaatlichung, ist ihm das Kulturgut somit im Grundsatz nicht abhandengekommen. Gewiss ist im Falle einer Beschlagnahme die Möglichkeit einer freien Willensentschließung des Eigentümers ausgeschlossen, da dieser hier nach seiner Vorstellung seinen Besitz in jedem Falle verliert, entweder durch eigene Übergabe oder Duldung der zwangsweisen Wegnahme durch den Beschlagnahmebefugten.219 Dies ist jedoch grundsätzlich unbeachtlich, da der Wille durch die öffentlich-rechtliche Ermächtigung zum Zugriff ersetzt wird,220 und sich schon daraus ergebe, dass nach § 113 Abs. 1 VwGO ein Verwaltungsakt frühestens vom Urteilsausspruch an unwirksam werde, also der zugrundeliegende Verwaltungsakt bis dahin gemäß § 43 VwVfG bzw. entsprechendem Landesrecht wirksam bleibe.221 Dies gilt nach allgemeinem 216
217
218 219 220
221
Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 184–188. Vgl. BGH, Entscheidung des 3. Zivilsenats vom 15.11.1951, Az: III ZR 21/51, BGHZ 4, 10, S. 33; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb im bürgerlichen Recht im Handels- und Wertpapierrecht sowie in der Zwangsvollstreckung, 1985, S. 42. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18. Vgl. Entscheidung des LG Ansbach vom 5.10.1951, NJW 1952, S. 592. Vgl. die allgemein herrschende Rechtsansicht m.w.N. bei Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17; Westermann/Gursky/Pinger, Sachenrecht – Grundlagen und Recht der beweglichen Sachen, 6. Aufl. 1990, § 49 I 4; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb im bürgerlichen Recht im Handels- und Wertpapierrecht sowie in der Zwangsvollstreckung, 1985, S. 42; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–23; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 184–188. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 13.
86
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Rechtsverständnis gerade auch für rechtswidrige Maßnahmen, die allerdings ggf. Amtshaftungsansprüche auslösen können.222 87
Uneinheitlich wird jedoch die Frage bewertet, ob jedes öffentlich-rechtliche Eingreifen ein Abhandenkommen ausschließt oder nur dann, wenn die kulturelle Verstaatlichung rechtlich wirksam ist. Diesbezüglich ist umstritten, ob in Fällen einer nichtigen kulturellen Verstaatlichung ein Abhandenkommen trotz öffentlichen Hoheitsaktes angenommen werden kann.
b) 88
Nichtige kulturelle Verstaatlichung kein Abhandenkommen
In der Rechtsliteratur spricht sich hauptsächlich Quack gegen die Qualifikation einer nichtigen kulturellen Verstaatlichung als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB aus. Die Weggabe bzw. Wegnahme der Sache aufgrund öffentlichen Rechts sei allgemein nicht nach § 935 BGB zu beurteilen. Weder sei die kulturelle Verstaatlichung eine ‚freiwillige‘ Überlassung des Besitzes im privatrechtlichen Sinne, noch ließe sich die zwangsweise Durchsetzung der kulturellen Entziehung mit öffentlicher Gewalt als unfreiwillig i.S.v. § 935 Abs. 1 qualifizieren. Der Vorgang einer öffentlich-rechtlichen Besitzentziehung vollziehe sich vielmehr gänzlich außerhalb privatrechtlicher Kategorien, sodass nicht nur vollzogene fehlerhafte Verstaatlichungen unabhängig von der Bestandskraft des staatlichen Hoheitsaktes und der Berechtigung der Vollziehung kein Abhandenkommen begründen können, sondern die ratio legis des § 935 BGB auch bei nichtigen Verwaltungsakten nicht einschlägig und deshalb ein Abhandenkommen zu verneinen sei.223 Insoweit hat auch der 3. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 15.11.1951 ausgeführt, dass es bei der Frage des Abhandenkommens nicht darauf ankommen könne, „ob die behördliche Beschlagnahme wirksam, anfechtbar oder nichtig war, falls überhaupt nur eine die Besitzübertragung enthaltende Handlung des Besitzers vorliegt“.224 Eine andere Beurteilung erlaube sich nach dieser Ansicht 225 nur bei sog. Nichtakten wie bspw. in Fällen der Amtsanmaßung und eines ‚freiwilligen‘ Arrangements mit den Strafverfolgungsbehörden i.S.e. Einverständnisses mit der ‚Einziehung‘.226 222
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226
Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 935, Rdnr. 20. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 13. BGH, Entscheidung des 3. Zivilsenats vom 15.11.1951, Az: III ZR 21/51, BGHZ 4, 10, S. 33 zum Abhandenkommen eines auf der Grundlage des § 15 Reichsleistungsgesetz (RLG) vom 1. September 1939 (RGBl. I, S. 1645) entzogenen Kraftfahrzeugs. Wie der BGH wohl auch Wedesweiler, Rechtsfragen aus dem Gebiet der RLG-Beschlagnahmen – Kritische Würdigung zweier Urteile des OLG Frankfurt a.M., NJW 1949, S. 414–416, S. 416. Vgl. hierzu auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 13. Vgl. auch die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 2.9.1948, NJW 1949, S. 429–430.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
c)
Qualifikation einer nichtigen kulturellen Verstaatlichung kultureller Wertgegenstände als Abhandenkommen
Demgegenüber hat das Landgericht Ansbach in seinem Urteil vom 5.10.1951 die Auffassung geäußert, dass bei einem Besitzverlust aufgrund einer nichtigen Beschlagnahme die Sache ihrem Eigentümer in rechtlich nicht wirksamer Weise entzogen worden und somit abhandengekommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB sei.227 Da in den meisten Fällen nichtiger Verwaltungsakte die entsprechende öffentlich-rechtliche Befugnis des Eingreifenden fehlen dürfte, wird hier auch von der herrschenden Rechtsansicht der Literatur die Qualifikation einer nichtigen kulturellen Verstaatlichung als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB bejaht.228 Da aus Sicht deutscher (und der wohl überwiegenden Zahl neutraler) Zivilforen feststeht, dass – zumindest durch die unrechtmäßige Verstaatlichung der entarteten Kunst im Eigentum individueller Privatpersonen und der Raubkunst aufgrund der Qualifizierung der entsprechenden Rechtsgrundlagen als ‚gesetzliches Unrecht‘ ebenso wenig ein Eigentumsverlust der ursprünglich Berechtigten eingetreten ist, wie mittels der völkerrechtswidrigen Verstaatlichung der Trophäenkunst durch das russische Kulturgütergesetz vom 15. April 1998 i.d.F. vom 25. Mai 2000 aufgrund eines Verstoßes gegen die Grundsätze des internationalen Enteignungsrechts und mittels der Verstaatlichung von Kunstgegenständen innerhalb des ehemaligen Unrechtsregimes der DDR aufgrund der formellen und materiellen ordre public-Widrigkeit der Besteuerungs- und Konfiskationsverfahren –
von einer Nichtigkeit des Hoheitsaktes vor deutschen Zivilforen auszugehen ist, kann auch in diesen Konstellationen folgerichtig kein Zweifel daran bestehen, dass diese Kunstwerke abhandengekommen sind und ihr gutgläubiger Erwerb grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Wiegand verdeutlicht anschaulich, dass die Gegenansicht nur in solchen Fällen sachgerecht erscheint, in denen sie sich auf hoheitliche Handlungen eines Rechtsstaates bezieht, die im konkreten Fall versehentlich an einem Rechtsmangel leiden.229 Die Nichtanwendung des § 935 BGB
227
228
229
105
Vgl. Landgericht Ansbach, NJW 1952, S. 592, ebenfalls zum Abhandenkommen eines aufgrund § 15 RLG entzogenen Kraftfahrzeugs. So bereits zuvor: Würzt.-Bad. VGH Stuttgart, Entscheidung vom 25.4.1947, SJZ 1948, Sp. 152–153; Würzt.-Bad. VGH Stuttgart, Entscheidung vom 5.8.1947, SJZ 1948, Sp. 153–155. So im Ergebnis Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb im bürgerlichen Recht im Handels- und Wertpapierrecht sowie in der Zwangsvollstreckung, 1985, S. 43; Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 52 V; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 184–188; Reich, Denkmalschutzgesetz Sachsen-Anhalt – Kommentar, 2000, § 12, S. 89–96; Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 935, Rdnr. 20; Michalski in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 6; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 36–37. Vgl. hierzu und analog zu den folgenden Erwägungen Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18.
89
106
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
auf die hier in Rede stehenden Maßnahmen der kulturellen Verstaatlichung erscheint jedoch bereits a priori problematisch, weil für deren Beurteilung die erforderlichen rechtsstaatlichen Geltungskriterien bzw. völkerrechtlichen Mindestvoraussetzungen fehlen. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass bei der kulturellen Verstaatlichung in den genannten Konstellationen und damit auch bei deren Inbesitznahme die erforderliche Befugnis des Eingreifenden, die den Willen des unmittelbaren Besitzers ersetzt, nicht gegeben war.230 Vielmehr ist den allgemeinen Erwägungen auch hinsichtlich der mit einem Unrechts- und vor allem Nichtigkeitsverdikt belegten Konstellationen kultureller Verstaatlichung zu folgen, die sich aus Sinn und Zweck der Konstruktion des § 935 BGB und der dort inkorporierten Interessenbewertung zwischen ursprünglichem Eigentümer und gutgläubigem Erwerber ergeben. 90
Bereits aus der Konzeption des gutgläubigen Erwerbs und einer dementsprechenden Interpretation des § 935 BGB ist abzuleiten, dass es mit den rechtspolitischen wie den dogmatischen Grundlagen der §§ 932 ff. BGB vollkommen unvereinbar wäre, wenn die mit dem Nichtigkeitsverdikt belegte kulturelle Verstaatlichung dazu führen würde, dass Kunstgegenstände gutgläubig erworben und die Eigentümer um ihr Recht gebracht werden könnten. „Denn gerade um derartige Folgen zu vermeiden hat der Gesetzgeber § 935 BGB als Korrektiv geschaffen und die Rechtsscheinwirkung des Besitzes in bestimmten Fällen ausgeschlossen. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Umschreibung dieser Konstellation mit dem Begriff des Abhandenkommen bewusst allgemein gehalten ist. Sie erlaubt und erfordert eine wertende Betrachtung bei der Rechtsanwendung. Dabei ist insbesondere der … Umstand zu berücksichtigen, dass die Verfassungsmäßigkeit des gutgläubigen Erwerbs verschiedentlich angezweifelt worden ist. Selbst wenn man nicht so weit gehen will, besteht doch Einverständnis darüber, dass die verfassungsmäßige Auslegung der §§ 932 ff. BGB dazu führen muss, sie restriktiv zu interpretieren, wo dies geboten erscheint.“ 231
91
Über diese Erwägung hinaus darf eine nichtige kulturelle Verstaatlichung schon deshalb nicht zur Grundlage eines Eigentumsverlustes gemacht werden, weil sich die mit dem Schutz des gutgläubigen Erwerbers angestrebte Förderung der Zirkulation der Güter nach den Vorstellungen des Gesetzgebers naturgemäß auf den allgemeinen Warenhandel bezieht und gegenüber dem Handelsgegenstand ‚Kulturgut‘ aufgrund dessen besonderer Unikatfunktion rechtspolitisch nicht in demselben Maß erwünscht ist. Eine freie Zirkulation kultureller Güter ebenso wie nach Quantität veräußerten Waren aufgrund der Unanwendbarkeit des § 935 BGB passe nach Rechtsansicht Wiegands von vornherein nicht, „wenn es um die Veräußerung von speziellen, einzelnen Gegenständen geht. Vor allem aber ent-
230 231
Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
107
spricht es ganz gewiss nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers und der ratio legis, wenn dadurch der Erwerb von Kunstgegenständen ermöglicht würde, deren Besitz“ 232 dem Eigentümer durch rechtsstaats- und völkerrechtswidrige Verstaatlichungen (wie in den Fällen der Designation der entarteten Kunst, Raubkunst, Trophäenkunst und der innerhalb des Unrechtsregimes der DDR als verfallen erklärten Kulturgüter zu Staatseigentum) entzogen wurde. Die Gegenansicht, wonach jegliche Mitwirkung des Eigentümers an der Besitzübertragung seinem freien Willen entspreche, vermag bei lebensnaher Betrachtung gerade innerhalb der Frage des gutgläubigen Erwerbs zuvor unrechtmäßig verstaatlichter Kulturgüter nicht zu überzeugen.233 War der Eigentümer der Überzeugung, ihm bliebe nichts anderes übrig, als die Sache dem in seinen Augen Befugten zu übergeben, weil dieser sie ihm andernfalls mit Gewalt wegnehmen würde, so kann – der Klarstellung des Landgerichts Ansbach folgend – von einer ‚freiwilligen‘ Besitzübertragung keine Rede sein.234 Ein solches Resultat ließe sich auch nicht mit der dogmatisch-systematischen Konzeption des gutgläubigen Erwerbs vereinbaren. Eine solche Bevorzugung der Interessen des gutgläubigen Erwerbers gegenüber den Interessen der ursprünglichen Eigentümer „beruht auf dem vom Eigentümer in zurechenbarer Weise veranlassten Rechtsschein, der vom Besitz ausgeht.“ 235 Nach Einschätzung der herrschenden Lehre könne es jedoch gerade nicht angehen, den Entzug des Besitzes durch hoheitlichen Zwangsakt in den hier mit der Nichtigkeitsfolge belegten Fällen der völker- und rechtsstaatswidrigen Verstaatlichungen kultureller Güter der Eigentümerin zuzurechnen. Das wäre weder mit dem richtig verstandenen Veranlassungsprinzip noch mit der Risikotheorie zu begründen.
92
Offenkundig wird die Qualifikation als Abhandenkommen bspw. anhand der Verstaatlichung der sog. Raubkunst und deren Designation zu Staatseigentum des nationalsozialistischen Deutschen Reiches, wenn einem jüdischen Eigentümer während der nationalsozialistischen Herrschaft ein Kunstwerk durch staatlichen Hoheitsakt, insbesondere durch Vermögensverfall zugunsten des Deutschen Reichs, entzogen worden ist.236 Keine wirksamen Hoheitsakte sind und waren
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232 233
234
235 236
Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18. Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236. Vgl. LG Ansbach, NJW 1952, S. 592; Westermann/Gursky/Pinger, Sachenrecht – Grundlagen und Recht der beweglichen Sachen, 6. Aufl. 1990, § 49 I 4. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18. Explizit äußern sich hierzu Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 935, Rdnr. 20; Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2551; Michalski in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 6; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 36–37 und S. 45; Heuer, Die Kunst-
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
solche nationalsozialistischen Maßnahmen, die aufgrund ‚legislativen Unrechts‘ erfolgten und allein der Verfolgung einer Minderheit dienten.237 Die Verfolgung der Juden hat innerhalb der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft ein Ausmaß und eine Intensität erreicht, die nicht nur auf eine wirtschaftliche, sondern auch auf eine physische Vernichtung der verfolgten jüdischen Bevölkerungskreise abzielten. Die Furcht vor einer Verbringung in ein Konzentrationslager und einer Ermordung schuf eine tatsächliche Situation, in der nationalsozialistisch verfolgten Bevölkerungsgruppen keine Wahl blieb, als der staatlich verfügten Beschlagnahme Folge zu leisten und eine Herausgabe der kulturellen Vermögenswerte an das Deutsche Reich zu erdulden. Aufgrund dieses faktischen Machtverhältnisses der Über- und Unterordnung zusammen mit der physischen wie psychischen Zwangs-, Drohungs- und Gewaltsituation kann auch in solchen Konstellationen, in denen bspw. Kunstwerke aus dem Besitz der jüdischen Eigentümer formal mit einem dementsprechenden Herausgabewillen an die nationalsozialistischen Behörden und Organe ausgehändigt wurden, materiell keine besitzübertragende Handlung der verfolgten Bevölkerungsteile angenommen werden.238 Zu Recht macht Rudolph in ihrer Untersuchung zur Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz zusätzlich darauf aufmerksam, dass bereits seit Dezember 1938 aus tatsächlichen Gründen nicht mehr von einer freiwilligen Besitzübertragung in der Regel die Rede sein könne, da nicht ernsthaft bezweifelt werden könne, dass für einen jüdischen Sammler in einer dieser ausweglosen Situationen die Möglichkeit einer freien Willensentschließung nicht bestanden habe und dieser den Besitz an den entzogenen Kunstwerken ohne seinen Willen verloren habe: „Emigrierte er erst im Dezember 1938 oder sogar noch später, hatte er wegen des seitdem bestehenden Mitnahmeverbots gar keine andere Möglichkeit, als seine Kunstwerke in Deutschland zurückzulassen und sie somit dem Zugriff des Deutschen Reichs auszusetzen. Es konnte ihm nicht entgangen sein, dass ein Verstoß gegen das Verbot höchstwahrscheinlich seine Deportation und damit seinen Tod bedeutet hätte. Er hatte also auch gar keine andere Möglichkeit, als es zu dulden, dass das Deutsche Reich die zurückgelassenen Kunstwerke in Besitz nimmt. Erst recht ohne alternative Handlungsmöglichkeit war ein jüdischer Eigentümer, der Deutschland nicht rechtzeitig ver-
237
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raubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2563; Müller-Katzenburg, Gutgläubiger Erwerb, Ersitzung, Verjährung … ?, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht: Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln/die eigene Geschichte: Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich, Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg, 2002, S. 211–246, S. 224; Hartung, Kunstraub in Krieg und Verfolgung, 2005, S. 279. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 935, Rdnr. 20. Vgl. auch ähnlich Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
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lassen hat und in ein Konzentrationslager gebracht worden ist. Ihm blieb ebenfalls nichts anderes übrig, als seine Kunstwerke zurückzulassen und die Inbesitznahme durch das Deutsche Reich zu dulden.“ 239 Dementsprechend formulieren auch Schnabel und Tatzkow, dass der Verlust in diesen Konstellationen „nicht durch den Eigentümer selbst infolge einer Vermögensübertragung – so auch von Kunstwerken – auf Dritte ein[trat], sondern ohne oder gegen dessen Willen aufgrund staatlicher Anordnungen. Dies schließt gleichermaßen beschlagnahmte Kunstwerke ein, die als gepfändete Sachen in Auktionen versteigert oder an Dritte veräußert wurden, um diskriminierende staatliche Forderungen zu befriedigen. Auch bei dieser, auf öffentlich-rechtliche Veranlassung erfolgten Verwendung von Kunstwerken ist der Eigentumsverlust ohne oder gegen den Willen der Alteigentümer bewirkt worden.“ 240 Auch die damalige deutsche Verwaltung – hier das Justizministerium für Nordwürttemberg und Baden – bewertete einen vergleichbaren Sachverhalt im Ergebnis ebenso: „Auch die von einem privaten Eigentümer – ohne Verzicht auf das Eigentum – im Stiche gelassenen Fahrzeuge werden häufig als abhanden gekommen anzusehen sein, und zwar insbesondere dann, wenn der Besitzverlust – vor allem in den letzten Kriegsmonaten – unter dem Einfluss höherer Gewalt erfolgt ist.“ 241 Da die kulturelle Verstaatlichung aufgrund der Qualifizierung als ‚gesetzliches Unrecht‘ nichtig ist, kann der fehlende Besitzübertragungswille jüdischer Sammler auch nicht durch eine entsprechende öffentlich-rechtliche Befugnis ersetzt werden, sodass durch nationalsozialistischen Hoheitsakt entzogene Kunstwerke als abhandengekommen i.S.d. 935 Abs. 1 BGB anzusehen sind.242 Bereits die Nachkriegsrechtsprechung prägte diese Rechtseinschätzung. In diesem Sinne qualifizierte das Amtsgericht Wiesbaden in einer Entscheidung vom 13.11.1945 243 das im Hinblick auf § 3 der 11. Durchführungsverordnung zum Reichsbürgergesetz dem Reich verfallene jüdische Vermögen als dem ursprünglich Berechtigten abhandengekommen: „Hier erlangt der Erwerber, auch wenn er gutgläubig ist, d.h. auch wenn er nicht weiß, dass die verkaufte Sache jüdisches Vermögen ist und dem veräußernden Staat nicht gehört, kein Eigentum an der Sache, da der Gegenstand dem jüdischen Eigentümer gestohlen bzw. abhanden gekommen ist, § 935 Abs. 1 BGB. Denn der jüdische Eigentümer hat ohne seinen Willen und ohne sein Zutun den Besitz an der Sache verloren. Der Staat hat ihn gewaltsam seines Besitzes entsetzt.“ Das Landgericht Berlin 244 hat kurze Zeit später be239
240 241
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243 244
Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 36–37. Kohler, Eigentumserwerb an Beutekraftfahrzeugen. Ein Rechtsgutachten des Justizministeriums für Nordwürttemberg und Baden, S. 138–139, insbesondere S. 139. Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236. Amtsgericht Wiesbaden, Entscheidung vom 13.11.1945, SJZ 1946, S. 36. Landgericht (LG) Berlin JR 1948, 25.
94
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
stimmt, dass verfolgten (jüdischen) Personen unrechtmäßig entzogene (kulturelle) Vermögensgegenstände auch außerhalb der Rückerstattungstatbestände als abhandengekommen zu qualifizieren sind:245 „Unter Verletzung aller in einem Rechtsstaat geltenden Grundsätze hat das Naziregime das Eigentum der jüdischen Mitbürger in Besitz genommen und nach seinem Belieben darüber verfügt. Diese Inbesitznahme ist aber unter Verletzung aller Rechtsgrundsätze erfolgt, so dass die damaligen Behörden keine Verfügungsberechtigung über dieses jüdische Eigentum erhielten. Infolgedessen konnte auch in analoger Anwendung des § 935 BGB ein selbst gutgläubiger Dritter an derartigen Gegenständen kein Eigentum erwerben, da hier die Sachen dem jüdischen Eigentümer als abhanden gekommen angesehen werden müssen.“ 246
d) 95
Verstaatlichung von Raubkunst als Abhandenkommen nach der sog. Sperrmüll-Macke-Entscheidung des LG Bonn vom 25.6.2002
Erst kürzlich griff das Landgericht Bonn in dem bekannten Sperrmüll-Macke-Fall vom 25.6.2002 diese Rechtsbeurteilung auf und erklärte die als Raubkunst zu Staatseigentum des nationalsozialistischen Deutschen Reiches designierten Kunstwerke als abhandengekommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB.247 Dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Bonn lag ein spektakulärer Sachverhalt zugrunde. Der Archäologe Heiko Prümer entdeckte im Jahr 1991 auf einem Bonner Sperrmüllhaufen August Mackes Gemälde ‚Waldrand‘ aus dem Jahre 1910, signiert mit „Tegernsee“ (s. Abb. 3). Im Jahre 1999 lieferte er es bei dem Berliner Auktionshaus Villa Grisebach ein. Durch die dadurch erlangte Publizität des Gemäldes wurden die heute in Kolumbien lebenden Erben des Kaufmannes Emanuel Oberländer auf das Bild aufmerksam. Dieser hatte die expressionistische Landschaft im Jahre 1910 nachweislich direkt vom Künstler selbst für 80 Reichsmark erworben. Die Rechtsnachfolger des im Jahre 1938 emigrierten Emanuel Oberländer klagten im Jahre 2002 auf Herausgabe des Gemäldes aufgrund fortbestehender Eigentumsposition.248 Innerhalb des Verfahrens hatte das Landgericht Bonn dazu Stellung zu nehmen, ob unrechtmäßige Verstaatlichung der Raubkunst seitens der nationalsozialistischen Unrechtsbehörden als Abhandenkommen zu qualifizieren sei. Dies wurde, zwar leider ohne weitergehendere Begründung und ohne Diskussion
245
246 247
248
Michalski in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 935, Rdnr. 6. Landgericht (LG) Berlin, JR 1948, 25. Vgl. hierzu Art – Das Kunstmagazin, Heiß begehrter Sperrmüll – Rechtsstreit: Wem gehört August Mackes Bild „Waldrand“?, Heftarchiv, Ausgabe: 8/2002; Hefty, Wem gehört August Mackes „Waldrand“? Die Erben zweier verfolgter Familien streiten um ein Bild, FAZ, Artikel vom 27.5.2002, S. 1 f.; Hefty, Ein Macke auf Gegenseitigkeit. Das Gemälde „Waldrand“ sollte mit seinen Verwahrern verbunden bleiben, FAZ, Artikel vom 3.6.2002, S. 12. Vgl. zu den tatsächlichen Angaben Art – Das Kunstmagazin, Heiß begehrter Sperrmüll – Rechtsstreit: Wem gehört August Mackes Bild „Waldrand“?, Heftarchiv, Ausgabe: 8/2002.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
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positiv beschieden: „Ein Abhandenkommen liegt vor, wenn der Eigentümer oder sein Besitzmittler den unmittelbaren Besitz ohne seinen Willen verliert … . Eine Beschlagnahme aufgrund Hoheitsaktes ersetzt den fehlenden Besitzerwillen. Das gilt aber nicht bei einer Beschlagnahme durch die Gestapo. Denn deren Maßnahmen erfolgten aufgrund legislativem Unrechts und dienten allein der Verfolgung einer Minderheit ….“ 249 Im Ergebnis hat das Landgericht Bonn jedoch die Klage abgewiesen. Nach Ansicht der Richter konnten die Rechtsnachfolger des Kaufmannes Emanuel Oberländer ihre Behauptung nicht hinreichend belegen, dass das Bild durch die Gestapo beschlagnahmt worden sei. Der potentiell restitutionspflichtige Beklagte berief sich zu seiner Verteidigung darauf, dass eine in solchen Fällen seitens der nationalsozialistischen Plünderungsbehörden übliche Kennzeichnung des Werkes mit violetter Farbe auf der Rückseite des Gemäldes hier nicht erfolgt war. Es konnten seitens des Gerichts auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkannt werden, dass ein Gestapo-Bediensteter heimlich bei einer Beschlagnahmeaktion das Ölgemälde von Macke an sich genommen hatte. Während des Verfahrens meldete noch eine dritte Partei Ansprüche an dem MackeGemälde an, die ihrerseits Opfer der Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Deutschlands zu dieser Zeit geworden war. Eine Zeugin hatte innerhalb des Verfahrens nämlich angegeben, das für wertlos gehaltene Ölgemälde aus ihrem Elternhaus auf den Sperrmüll getragen zu haben. In diesem Haus hatte zuvor jedoch die Familie des Orientalisten Paul Kahle gewohnt, dessen Frau Marie nach den Pogromen der Reichskristallnacht jüdischen Familien Unterstützung gewährt hatte. Ein Rechtsnachfolger der Familie gab vor Gericht an, unter den Dankesgaben sei auch das strittige Gemälde gewesen, das in der Folge in dem Haus zurückblieb, als auch Familie Kahle später emigrieren musste.250 Da sich jedoch die Umstände, unter denen das Gemälde seine Besitzer und möglicherweise auch seine Eigentümer wechselte, bislang nicht mehr exakt rekonstruieren ließen, und die Restitutionsgläubiger die Beweislast dafür tragen, dass sie weiterhin Eigentümer des Gemäldes sind, stehen die Aussichten für beide anspruchstellenden Parteien nicht gut, sodass der vorsitzende Richter den streitenden Parteien nahelegte, sich außergerichtlich zu einigen.251
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Schließlich wäre es auch aus rechtsmoralischen Gründen „schlechthin unerträglich, das Abhandenkommen bei einem gewöhnlichen Diebstahl zu bejahen und es bei einem gewissermaßen staatlich organisierten Raubzug“ 252 zu verneinen (wie dies in
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LG Bonn, Entscheidung der 18. Zivilkammer vom 25.6.2002, Az: 18 O 184/01, NJW 2003, S. 673 ff., S. 675. Vgl. hierzu Art – Das Kunstmagazin, Heiß begehrter Sperrmüll – Rechtsstreit: Wem gehört August Mackes Bild „Waldrand“?, Heftarchiv, Ausgabe: 8/2002. Vgl. Art – Das Kunstmagazin, Heiß begehrter Sperrmüll – Rechtsstreit: Wem gehört August Mackes Bild „Waldrand“?, Heftarchiv, Ausgabe: 8/2002. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
den vorliegenden Konstellationen der kulturellen Verstaatlichung der entarteten Kunst, der Raubkunst, der Trophäenkunst und der innerhalb des Unrechtsregimes der DDR als verfallen erklärten Kulturgüter anzunehmen ist).253 Dies gilt bspw. bei der Sicherstellung und Designation der entarteten Kunst im Eigentum individueller deutscher Privatsammler zu Staatseigentum des nationalsozialistischen Deutschen Reiches. Im Ergebnis kann kein Zweifel daran bestehen, dass diese Gegenstände i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB abhandengekommen sind und ihr gutgläubiger Erwerb nur im Wege einer öffentlichen Versteigerung i.S.d. § 383 Abs. 3 BGB in Betracht kommt.254 Speziell zu der Verstaatlichung der entarteten Kunst und einer Qualifikation als abhandengekommen führt Wiegand aus, „dass bei der Entfernung der Bilder aus öffentlichen wie privaten Sammlungen und damit auch bei deren Inbesitznahme die erforderliche Befugnis des Eingreifenden, die den Willen des unmittelbaren Besitzers ersetzt, nicht gegeben war. … Es wäre mit den rechtspolitischen wie den dogmatischen Grundlagen der §§ 932 ff BGB vollkommen unvereinbar, wenn diese nationalsozialistische Besitzergreifung dazu führen würde, dass Kunstgegenstände gutgläubig erworben und die Eigentümer um ihr Recht gebracht werden könnten. Denn gerade um derartige Folgen zu vermeiden hat der Gesetzgeber § 935 BGB als Korrektiv geschaffen und die Rechtsscheinwirkung des Besitzes in bestimmten Fällen ausgeschlossen. … Es kann nicht angehen, dass man den Entzug des Besitzes durch die Nationalsozialisten der Eigentümerin zurechnet. Das wäre weder mit dem richtig verstandenen Veranlassungsprinzip noch mit der Risikotheorie zu begründen.“ 255 Kunze zeigt auf, dass den privaten Leihgebern nicht die Möglichkeit des Einspruchs gegeben und eine verwaltungsinterne oder gerichtliche Nachprüfung der Einziehungsakte sowie des Gesetzes selbst ausgeschlossen war. „Schon wegen der Furcht vor anderweitigen Folgen stellte das Widersetzen gegen die Verfügung und das Erzwingen einer gewaltsamen Wegnahme keine realistische Alternative dar. Eine anderslautende Willensentscheidung, als den Besitzverlust hinzunehmen, war faktisch ausgeschlossen. Damit sind die Werke ‚entarteter Kunst‘ als abhanden gekommen im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB zu qualifizieren.“ 256 253 254
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Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18. Vgl. ausführlich hierzu Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1420; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 187–188; Müller-Katzenburg, Gutgläubiger Erwerb, Ersitzung, Verjährung … ?, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht: Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln/die eigene Geschichte: Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich, Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg, 2002, S. 211–246, S. 225; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 45. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 17–18. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 184–188.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
In der Literatur wird in Abgrenzung zu dem Standpunkt der Gegenansicht teilweise sogar weitergehend ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein unfreiwilliger Besitzverlust auch dann zu bejahen sei, wenn der Eigentümer selbst die Sache an den Beschlagnahmebefugten herausgegeben hat.257 Insgesamt bleibt jedoch festzuhalten, dass der Besitzverlust in den mit einem Unrechts- und vor allem Nichtigkeitsverdikt belegten Konstellationen kultureller Verstaatlichung (in den Fällen der Designation der entarteten Kunst, der Raubkunst, der Trophäenkunst und der innerhalb des Unrechtsregimes der DDR als verfallen erklärten Kulturgüter zu Staatseigentum) ohne den Willen des Eigentümers erfolgt ist, sodass die zu Staatseigentum designierte Sache als abhandengekommen im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB zu betrachten und infolgedessen im Grundsatz ein gutgläubiger derivativer Rechtserwerb außer in den Fällen öffentlicher Versteigerung i.S.d. § 383 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist.258 Folglich ist es noch heute möglich, dass die zur Entscheidung berufenen deutschen und ausländischen (neutralen) Zivilforen die ursprünglichen Berechtigten und deren Erben der verstaatlichten und dementsprechend zu Staatseigentum designierten Objekte als Eigentümer qualifizieren, ohne dass im Grundsatz ein gutgläubiger Erwerb möglich wäre. Dann gelten die allgemeinen Zivilrechtsregeln, die für die Entziehung abhandengekommener Kulturgüter Rechtsrelevanz erlangen, sodass Fragen des originären Eigentumserwerbs aufgrund Ersitzung sowie der temporalen und moralischen Präklusion zivilrechtlicher Restitutionsansprüche aufgrund der Rechtsinstitute der Verjährung und Verwirkung Platz greifen.
5.
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Illegaler Export von zu Staatseigentum designierten Kulturgütern als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB
Ebenso wie der kulturelle Diebstahl ist auch der illegale Export kultureller Wertgegenstände zu behandeln,259 die vor der unrechtmäßigen Ausfuhr innerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungsstaates durch das jeweilige nationale Kulturgüterschutzgesetz und die dort normierten umbrella statutes bzw. rhetorical ownership statutes zu Staatseigentum des kulturellen Ursprungsstaates designiert worden waren. Solchermaßen zu Staatseigentum designierte Kulturgüter verbleiben auch nach einer unrechtmäßigen Ausfuhr weiterhin im Eigentum des ursprünglich Berechtigten. Der Entzug durch den illegalen Export bedingt keine Änderung der Rechtslage, sodass der kulturelle Ursprungsstaat als Eigentümer seine weiterhin bestehende Eigentumsposition gegen jeden unrechtmäßigen Be-
257
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Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236. Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236. Vgl. hierzu auch Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 144–145.
99
114
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
sitzer im Wege einer Vindikationsklage nach § 985 BGB geltend machen kann. Darüber hinaus ist die unrechtmäßige Ausfuhr von zu Staatseigentum des kulturellen Ursprungsstaates designierten Gegenständen exemplarisch als Abhandenkommen zu qualifizieren.260 100
Dabei wird die Überlegung aufgegriffen, dass § 935 Abs. 1 BGB bei der Auslegung an die besondere Konzeption des Staatseigentums angepasst werden müsse und auch illegale Ausgrabungen von noch nicht entdeckten archäologischen Gütern als Abhandenkommen zu qualifizieren seien.261 Bei Anwendung sog. umbrella statutes werden den kulturellen Ursprungsstaaten regelmäßig per Gesetz sämtliche Rechtspositionen an den inzwischen entdeckten als auch noch unentdeckt im Boden befindlichen archäologischen Altertumsfunden zugesprochen und die Entdecker erwerben regelmäßig keine eigene Rechtsposition an den Objekten. Im Falle des illegalen Exports sind die auf diese Weise zu Staatseigentum designierten archäologischen Kulturgüter aus dem kulturellen Ursprungsstaat als regelmäßig unmittelbarer Legalbesitzer ohne dessen Willen ausgeführt worden, sodass diese als abhandengekommen zu qualifizieren sind und grundsätzlich ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist. Auch bei der automatischen Legaldesignation kultureller Wertgegenstände zu Staatseigentum des kulturellen Ursprungsstaates mittels sog. rhetorical ownership statutes bzw. sog. automatic forfeiture clauses erfolgt noch auf dem Territorium des kulturellen Ursprungsstaates und somit innerhalb dessen Gewalthoheit der Verfall sämtlicher dinglicher Rechte an den Herkunftsstaat. Die unrechtmäßige Ausfuhr wird so durch die nationalen Kulturgüterschutzgesetze dem Diebstahl dinglich gleichgesetzt und beinhaltet damit neben dem tatsächlichen Besitzverlust auch das Element der Unfreiwilligkeit dieses Besitzverlustes. Dabei muss jedoch aner-
260
261
Vgl. zur Gegenansicht: Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 144–145: „Im deutschen Recht würden die archäologischen Gegenstände nicht als abhanden gekommen qualifiziert werden, weil Voraussetzung dafür ist, daß der Eigentümer oder sein Besitzmittler den unmittelbaren Besitz ohne seinen Willen verloren hat. Würde man diese Definition auf Fälle, wie sie den erwähnten amerikanischen Entscheidungen zugrunde lagen, anwenden, ergäbe sich die Problematik, daß der ausländische Staat als Eigentümer der Kulturgüter niemals Besitz an diesen hatte.“. Vgl. Stoll in Staudinger, Internationales Sachenrecht, 13. Bearbeitung 1996, Rdnr. 302; knapp Schwadorf-Ruckdeschel, Brigitte, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 89. Einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbes von illegal ausgegrabenen archäologischen Gegenständen fordert auch Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts – Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht sowie Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung, 1991, S. 105 f. Er hält eine erweiternde Auslegung des Begriffs des Abhandenkommens für denkbar, zieht aber aus dogmatischen Gesichtspunkten eine ausdrückliche Erweiterung des § 935 Abs. 1 BGB vor. In jedem Fall setzt eine solche Auslegung des Begriffs des Abhandenkommens voraus, dass man diese Art von besitzlosem Staatseigentum überhaupt anerkennt. Vgl. hierzu auch Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 144–145.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
kannt werden, dass durch die nationalen Kulturgüterschutzgesetze ebenso wie im Fall der ex lege Eigentumszuweisung die Besitzstellung des kulturellen Ursprungsstaates gesetzlich fingiert ist und dementsprechend eine Ausfuhr entgegen den nationalen Kulturgüterschutzgesetzen ohne den Willen des kulturellen Ursprungsstaates erfolgt. Die den Gutglaubensvorschriften des Zivilrechts zugrunde liegende These, der vom Besitz bzw. seiner Verschaffungsmacht ausgehende Rechtsschein rechtfertige das Vertrauen eines gutgläubigen Erwerbers von Kunstwerken, darf somit nicht zuungunsten kultureller Ursprungsstaaten bei einer unrechtmäßigen Ausfuhr von zu Staatseigentum designierten Kunstwerken gelten. In dem Fall, in dem archäologische Funde, die im besitzlosen Eigentum des Staates standen, illegal ausgegraben und exportiert werden, fehlt es ebenso an einem freiwilligen „aus der Hand geben“ wie bei einem unfreiwilligen Besitzverlust.262 In diesen Konstellationen sollte der kulturelle Ursprungsstaat als Eigentümer der illegal ausgeführten Kunstwerke ebenso wie in der Konstellation des kulturellen Diebstahls als schutzwürdiger qualifiziert werden als ein möglicher gutgläubiger Erwerber, sodass ein bona fide-Erwerb prinzipiell ausgeschlossen ist. Eine unrechtmäßige Ausfuhr kultureller Wertgegenstände soll nicht den endgültigen Rechtsverlust für den Eigentümer nach sich ziehen, sodass der Bestandsschutz des Eigentums an illegal exportierten Kulturgütern im Staatseigentum grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs hat.263 Deshalb sollte an unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern im Eigentum des kulturellen Herkunftsstaates der Erwerb vom Nichtberechtigten i.d.R. ausgeschlossen sein. Ausnahme stellt lediglich die im Wege öffentlicher Versteigerung erfolgte Veräußerung i.S.d. §§ 935 Abs. 2 i.V.m 383 BGB dar.
262
263
Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr und ihre Bedeutung für das Sach- und Kollisionsrecht, 1996, S. 305 f. Zustimmend unter Einschränkungen Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 144–145: „Dieser Ansicht ist insoweit zuzustimmen, als es der Billigkeit und dem Regel-Ausnahme-Verhältnis der §§ 932, 935 BGB entspricht, darauf abzustellen, ob dem Staat eine „Mitschuld“ an dem Abhandenkommen zuzurechnen ist. Wenn der Staat nie Besitz hatte, hat er zu der Möglichkeit, daß ein anderer an der Sache Besitz ergreifen konnte, auch nicht beigetragen. Richtigerweise ist diese Ansicht aber dahingehend einzuschränken, daß es darauf ankommen muß, ob der Staat die Möglichkeit der Inbesitznahme hatte. Wenn das nämlich der Fall war, der Staat aber selbst keinerlei Anstrengungen unternommen hat, sein Eigentumsrecht durchzusetzen, kann ihm die Inbesitznahme durch einen anderen sehr wohl zugerechnet werden.“ „Das ist einerseits der Fall, wenn die Existenz archäologischer Gegenstände bekannt ist, diese aber ohne daß rechtfertigende Gründe vorliegen, sondern wegen bloßen Desinteresses nicht geborgen werden; andererseits wenn sich die Gegenstände mit Wissen des Staates im Besitz von jemand anderem befinden. In diesem Fall sollte nach der hier vertretenden Ansicht gar kein Eigentum des Staates anerkannt werden … .“.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
II.
101
Eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb des deutschen Kulturgüterverkehrs aufgrund der Qualifikation als abhandengekommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB erlaubt innerhalb der deutschen Rechtsordnung § 935 Abs. 2 BGB für die rechtsgeschäftliche Veräußerung abhandengekommener Kulturgüter im Wege der „öffentlichen Versteigerung“.264 Für den Erwerb von in öffentlicher Versteigerung veräußerten, zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern kehrt das Gesetz zu dem Grundkonzept des gutgläubigen Erwerbs zurück.265
1.
102
Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Wege der öffentlichen Versteigerung nach §§ 935 Abs. 2, 383 Abs. 3 BGB
Interessenverteilung beim gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Wege der öffentlichen Versteigerung
Auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs stellt sich die Frage nach der grundsätzlichen Rechtfertigung der ausnahmsweise zulässigen Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Die Bevorzugung der Interessen des Erwerbers gegenüber denen des Eigentümers in der Ausnahme der öffentlichen Versteigerung ist historisch bedingt und stellt eine Fortsetzung des deutsch-rechtlichen „Hand wahre Hand“-Grundsatzes dar („Wo Du Deinen Glauben gelassen hast, musst Du ihn suchen“).266 Allgemeine Rechtfertigung findet die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs grundsätzlich in den Interessen eines effektiven Kulturgüterverkehrs. Das allgemeine Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Kulturgüterverkehrs gibt einen zureichenden Grund für die Schwächung der Eigentumsposition ab.267 Im Falle des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Wege der öffentlichen Versteigerung kann die Begründung jedoch nicht darauf gestützt werden, dass die Kulturgüter freiwillig durch den Eigentümer weggegeben wurden. Neben der Einsicht, dass es im Interesse eines möglichst freien Kulturgüterverkehrs dem Erwerber einer beweglichen Sache in aller Regel ohne Einblick in den Lebensbereich des Veräußerers unmöglich ist, festzustellen, ob dieser Eigentümer ist oder nicht,268 kommt beim gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener und 264
265 266 267
268
Vgl. einleitend auch Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 64–68. Vgl. allgemein Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 23. Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, S. 593–594. Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, S. 593–594; Zweigert, RechtsvergleichendKritisches zum gutgläubigen Mobiliarerwerb, RabelsZ 23 (1958), S. 1–20, S. 1. Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, S. 593–594; Zweigert, RechtsvergleichendKritisches zum gutgläubigen Mobiliarerwerb, RabelsZ 23 (1958), S. 1–20, S. 1.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
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abhandengekommener Kulturgüter mittels einer öffentlichen Versteigerung i.S.d. § 383 Abs. 3 BGB jedoch noch zusätzlich der Gedanke des Rechtsverlustes durch Verschweigung hinzu, da theoretisch die Öffentlichkeit der Versteigerung dem Eigentümer eine größere Chance lässt, vom Verbleib des gestohlenen oder sonst abhandengekommenen Kulturguts zu erfahren und seine Rechte geltend zu machen.269 Dem Eigentümer wird bei der öffentlichen Versteigerung der Verlust eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und das damit verbundene Risiko, auch mit der ihm gegen den Verkäufer zustehenden Ersatzforderung leer auszugehen, aufgebürdet, weil demgegenüber das Interesse des oftmals wirtschaftlich von der Veräußerung betroffenen Dritten an der Wirksamkeit des Steigerungsverkaufs eine Bevorzugung des gutgläubigen Erstehers fordere. Dieses vom Gesetz gewollte Ergebnis der Privilegierung des gutgläubigen Erwerbers in der öffentlichen Versteigerung hält sich nach Einschätzung Hipps noch innerhalb der gesetzlich möglichen Schranken der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG.270 Es erscheint jedoch fraglich, welche Formen der öffentlichen Veräußerung eines Kulturguts an den jeweiligen Meistbietenden von der Ausnahmevorschrift erfasst werden und welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen, dass schließlich eine Bevorzugung der Verkehrsinteressen als Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener und abhandengekommener Kulturgüter rechtspolitisch Rechtfertigung findet. Innerhalb des Kulturgüterverkehrs und der im Kunsthandel üblichen Versteigerungen werden in der Regel die sog. freiwilligen Auktionen von den sog. öffentlichen Versteigerungen im Sinne des § 383 Abs. 3 S. 1 BGB abgegrenzt.271 Bei den freiwilligen Auktionen, die jeder beliebige Auktionator durchführen kann, gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, sodass nach den oben dargestellten Grundsätzen ein gutgläubiger Eigentumserwerb an unrechtmäßig entzogenen und dementsprechend abhandengekommenen Kulturgütern nicht möglich ist. Nicht unter den gegenständlichen Anwendungsbereich des § 935 Abs. 2 BGB fallen auch solche öffentlich-rechtlichen Versteigerungen nach den Regeln der Zivilprozessordnung und des Zwangsversteigerungsgesetzes.272 In diesen Fällen erfolgt die Eigentumszuweisung an den Ersteher nämlich kraft hoheitlicher Gewalt, sodass weder die Qualifizierung der unrechtmäßigen Entziehung der umstrittenen Kulturgüter als abhandengekommen noch die Gutgläubigkeit des Erwerbers eine
269 270 271
272
Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 23. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160; Boochs/Ganteführer, Kunstbesitz – Kunsthandel – Kunstförderung im Zivil- und Steuerrecht, 1992, S. 78; Stoll, Diskussionsbeitrag, in Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg S. 136. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 27.
103
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Rolle spielen.273 Der Erwerber wird in diesem Falle Eigentümer, auch wenn das versteigerte Kulturgut gestohlen ist, und selbst dann, wenn er bösgläubig ist.274
2.
Das Merkmal der ‚öffentlichen Versteigerung‘ innerhalb des sog. Hamburger Stadtsiegel-Falls
104
Erfasst wird nur die bürgerlich-rechtliche Versteigerung i.S.d. § 383 Abs. 3 BGB. Da die Versteigerung danach durch einen für den Versteigerungsort bestellten Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer öffentlich zu erfolgen hat (Legaldefinition der sog. ‚öffentlichen Versteigerung‘ nach § 383 Abs. 3 BGB), sind Zeit und Ort der Versteigerung unter allgemeiner Bezeichnung der Sache öffentlich bekannt zu machen. Aufgrund der Tatsache, dass es sich somit um eine öffentliche Versteigerung handeln muss, werden in gewissem Maße auch die Interessen des bisherigen Eigentümers der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter gewahrt:275 Erfährt er rechtzeitig von der Versteigerung, so kann er im Wege einstweiligen Rechtsschutzes ein Veräußerungsverbot erwirken oder zumindest im Versteigerungstermin versuchen, den guten Glauben der Bieter zu zerstören.276 Als die „zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer“ kommen insbesondere die nach § 34b Abs. 5 GewO allgemein öffentlich bestellten Personen in Betracht. Die Frage, ob die Voraussetzungen einer ‚öffentlichen Versteigerung‘ und damit ein gutgläubiger Erwerb eines zuvor gestohlenen Kulturguts gegeben waren, stellte sich auch in dem bereits mehrfach zitierten Hamburger Stadtsiegel-Fall, dessen Konstellation insgesamt sieben verschiedene Zivil- und Verwaltungsgerichte beschäftigte.
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Die Klägerin des Herausgabeanspruchs war die Stadt Hamburg, die von der beklagten Antiquitätenhändlerin die Herausgabe eines Handstempels zum Siegeln von Urkunden (Siegeltypar) begehrte. Die Beklagte erwarb am 26. April 1986 auf einer Auktion des Kunsthauses Schloß Ahlden für 2.107,80 DM das genannte Stadtsiegel und bot es auf einer Kunstmesse in Köln im Jahre 1987 für 6.800 DM an. Darauf bat die klagende Stadt Hamburg um nähere Aufschlüsse über diesen Gegenstand, woraufhin ihr am 22. Juni 1987 verschiedene Fotos von dem Siegeltypar zugesandt wurden und die Antiquitätenhändlerin der Stadt Hamburg ein Kaufangebot unterbreitete. Diese stellte daraufhin fest, dass es sich um das Original des sog. IV. Hamburgischen Stadtsiegels handelte, das nachweisbar bereits im Jahre 1306 zum Siegeln einer Urkunde verwendet worden und bis 1810 in Gebrauch war, danach zusammen mit einer Aufbewahrungstasche aus 273 274 275 276
Vgl. so schon RGZ 156, 398. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 27. Vgl. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
dem 18. Jahrhundert archiviert und nicht mehr verwendet wurde. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde das Typar während des Zweiten Weltkriegs oder unmittelbar danach aus dem Hamburger Archiv entwendet. Bei der judikativen Analyse der Sachverhaltskonstellation des sog. Hamburger Stadtsiegel-Falles innerhalb des Verwaltungsrechtswegs 277 wurde das Rechtsverhältnis zwischen privatem Eigentümer gewidmeter ‚öffentlicher Kulturgüter‘ und personenverschiedenem öffentlich-rechtlichem Sachherrn inhaltlich näher bestimmt. Zentrale Fragestellung war hier die Anerkennung eines öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs des kulturellen Verwaltungsträgers aufgrund der Qualifizierung als ‚öffentliche Sache‘. Innerhalb des Zivilrechtswegs des Hamburger Stadtsiegel-Falles 278 musste unter anderem vor dem 9. Zivilsenat des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden werden, ob bei einer freiwilligen, für jedermann zugänglichen und öffentlich bekannt gemachten Versteigerung durch einen hierzu öffentlich bestellten Auktionator der gutgläubige Ersteigerer Eigentum an einem gestohlenen und dementsprechend abhandengekommenen Kulturgut erwerben kann, das ursprünglich als ‚öffentliche Sache‘ im Verwaltungsgebrauch oder im Anstaltsgebrauch galt.279 277
278
279
Der Verwaltungsrechtsweg der Sachverhaltskonstellation des Hamburger Stadtsiegels: Verwaltungsgericht (VG) Köln 8. Kammer, Urteil vom 20. März 1991, Az: 8 K 4501/89, Fundstellen: NJW 1991, 2584–2586 (red. Leitsatz und Gründe); NWVBl. 1991, 425–428 (Leitsatz und Gründe), NVwZ 1991, 1114 (red. Leitsatz), JuS 1992, 745–748; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Senat, Urteil vom 25. Februar 1993, Az: 20 A 1289/91, Fundstellen: NWVBl. 1993, 348–351 (Leitsatz und Gründe), NJW 1993, 2635–2637 (Leitsatz und Gründe), DÖV 1993, 869–871 (Leitsatz und Gründe), VR 1993, 429–430 (Leitsatz und Gründe), NVwZ 1993, 1115 (Leitsatz); Bundesverwaltungsgericht, 7. Senat, Beschluss vom 12. August 1993, Az: 7 B 86/93, Fundstellen: NJW 1994, 144–145 (red. Leitsatz und Gründe), NVwZ 1994, 265 (red. Leitsatz) Diese Entscheidung wird zitiert von: VG Berlin 19. April 1995 1 A 145.92. Der Zivilrechtsweg der Sachverhaltskonstellation des Hamburger Stadtsiegels: Sog. Hamburger Stadtsiegel-Fall: BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 5. Oktober 1989, Az: IX ZR 265/88 (Verfahrensgang: vorgehend OLG Köln 2. November 1988 2 U 52/88; vorgehend LG Köln 25. Februar 1988 8 O 473/87); Fundstellen: WM 1989, 1902–1904; DB 1989, 2605; NJW 1990, 899–901; MDR 1990, 238; JA 1990, 128; RWP 1989/1187 SG 30.3, 247; JuS 1990, 411. Vgl. auch das Schrifttum: Kemper, Entscheidungsbesprechung des Urteils des BGH, 198910-05, IX ZR 265/88, JuS 1990, S. 411–412; Schmidt, Rechtsprechungsübersicht – Gutgläubiger Erwerb bei öffentlicher Versteigerung (Entscheidungsbesprechung BGH, 1989-10-05, IX ZR 265/88, NJW 1990, 899), JuS 1990, S. 411–412, S. 411–412; Wolf, Gutgläubiger Erwerb einer möglicherweise öffentlich-rechtlich gewidmeten Sache in einer öffentlichen Versteigerung, Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht (WuB) IV A § 383 BGB 1.90; Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333; Fechner, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1993, S. 704; Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall – VG Köln, NJW 1991, 2584, JuS 1992, S. 745–748; Thormann, Nochmals: Das Hamburger Stadtsiegel, NWVBl. 1992, S. 354–357, S. 356; Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBl. 1992, S. 11–13, S. 13; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 158–159; Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den
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120 106
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Nachdem das Landgericht ohne nähere Begründung in dem vorliegenden Fall davon ausgegangen war, dass die auf Schloß Ahlden abgehaltene Versteigerung sämtliche Voraussetzungen des § 935 BGB erfüllte und dementsprechend ein gutgläubiger Erwerb an dem gestohlenen Stadtsiegel möglich war,280 führte die Stadt Hamburg in der Berufungsbegründung aus, dass die Versteigerung lediglich als ‚freiwillige‘, jedoch keinesfalls als ‚öffentliche‘ Versteigerung zu qualifizieren sei. In § 383 Abs. 3 BGB werde zwar eine Legaldefinition der „öffentlichen Versteigerung“ gegeben, das BGB kenne diese Form der Versteigerung jedoch nur in den in §§ 383 Abs. 3, 966 Abs. 2, 1219 Abs. 1 und 1235 Abs. 1 geregelten Fälle. Die auf Schloß Ahlden abgehaltene Versteigerung erfülle jedoch diese Kriterien nicht und der deutsche Gesetzgeber hätte erkennbar nur solchen öffentlichen Versteigerungen eine bereinigende Kraft beim Eigentumserwerb zusprechen wollen.281 Denn einen sachlichen Grund, im Falle einer freiwilligen Versteigerung die Rechtsposition des wahren Eigentümers einzuschränken, gebe es nicht. Eine freiwillige Versteigerung, auch wenn sie tatsächlich öffentlich durch einen öffentlichen Versteigerer durchgeführt werde, könne einen Eingriff in das Eigentum (Art. 14 GG) nicht rechtfertigen. Das Oberlandesgericht hatte somit darüber zu entscheiden, ob – entsprechend der Rechtsansicht der klagenden Stadt Hamburg – nur die durch einen Gerichtsvollzieher im Zwangsvollstreckungsverfahren veranlasste oder – nach Rechtsansicht der beklagten Antiquitätenhändlerin – auch jede andere allgemein zugängliche Auktion eines amtlich bestellten Auktionators als ‚öffentliche Versteigerung‘ anzusehen sei.282 Das Oberlandesgericht Köln 283 entschied entgegen der Ansicht der Klägerin, dass § 935 Abs. 2 BGB nicht nur die gesetzlich vorgesehenen Versteigerungsfälle erfasst, sondern auch für die Konstellationen der sog. freiwilligen Versteigerungen gilt, soweit diese nur öffentlich erfolgen und von einer zuständigen Person im Sinne des § 383 Abs. 3 BGB durchgeführt werden.284 Auch stehe der Wortlaut des § 935
280 281
282
283 284
Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 141–142; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 77–79 und 258–263; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 25–28; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 65–67; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 67–68; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 50–53. Vgl. LG Köln, Entscheidung vom 25. Februar 1988, AZ: 8 O 473/87. Vgl. hierzu auch Eckardt, Stationen eines Stempels – Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel, 1995, S. 43–44. Vgl. Eckardt, Stationen eines Stempels – Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel, 1995, S. 44. Vgl. OLG Köln, Entscheidung vom 2. November 1988, Az: 2 U 52/88. Vgl. zur Kommentierung der Entscheidung auch Eckardt, Stationen eines Stempels – Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel, 1995, S. 47–48.
2. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz
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Abs. 2 BGB dieser Ansicht nicht entgegen. Sinn und Entstehungsgeschichte des § 935 Abs. 2 „rechtfertigen keine abweichende Interpretation“ und es lassen sich auch „keine Anhaltspunkte für die Annahme“ finden, dass öffentliche Versteigerungen nur auf die im BGB vorgesehenen Fälle zu beschränken seien. Auch die Motive zum BGB „zwingen nicht zu dem Schluß“, der Gesetzgeber habe „ausschließlich an Versteigerungen im Sinne des BGB gedacht“ 285. Der Schutzgedanke – grundsätzlich kein gutgläubiger Erwerb an abhandengekommenen Sachen – sei auch bei freiwilligen Versteigerungen wie im vorliegenden Fall verwirklicht, solange die Kriterien des § 383 Abs. 3 BGB erfüllt seien.286 „Der öffentlich bestellte und vereidigte Auktionator ist in besonderem Maße dafür geeignet, die eingelieferten Gegenstände insbesondere auf ihre mögliche Herkunft zu überprüfen, Verdachtsmomente aufzufassen und gegebenenfalls weitere Erkundigungen einzuziehen.“ 287 Der Bundesgerichtshof schloss sich in seiner Entscheidung vom 5. Oktober 1989 den Rechtsauffassungen der Instanzengerichte an und qualifizierte nicht nur die durch einen Gerichtsvollzieher im Zwangsvollstreckungsverfahren veranlasste, sondern auch jede andere, allgemein zugängliche Auktion eines amtlich bestellten Auktionators als ‚öffentliche Versteigerung‘:288 „§ 383 Abs. 3 BGB gibt eine gesetzliche Definition der öffentlichen Versteigerung. Danach hat eine Versteigerung durch einen Gerichtsvollzieher oder einen zur Versteigerung befugten anderen Beamten oder durch einen öffentlich angestellten Versteigerer öffentlich, also für jedermann zugänglich, zu erfolgen. Zuständig für die Abhaltung einer öffentlichen Versteigerung sind die von den Landesbehörden gemäß § 34b Abs. 5 GewO bestellten Personen (vgl. Neufassung der Versteigerer VO vom 1. Juni 1976 – BGBl. 1976 I 1345 i. Verb. m. Art. 7 der Verordnung v. 28. November 1979 – BGBl. I 1979, 1986). Auch ein Erwerb in freiwilliger Versteigerung wird, soweit die in § 383 Abs. 3 BGB genannten Voraussetzungen erfüllt sind, gemäß § 935 Abs. 2 BGB geschützt (Soergel/ Mühl BGB 11. Aufl. § 935 Rdnr. 14; Dünkel, Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970 S. 69 f.). Das gilt ebenso für im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Fälle einer öffentlichen Versteigerung. Das Gewerberecht sieht die öffentliche Bestellung eines Versteigerers vor, um dem Publikum die Möglichkeit zu geben, „sich solcher Personen zu bedienen, denen bei Ausübung ihres Gewerbes gesetzlich eine besondere Glaubwürdigkeit beigelegt ist oder die vermöge der öffentlichen Anstellung besondere Gewähr für Zuverlässigkeit und berufliche Tüchtigkeit bieten“ (BVerwG 5, 95, 96). „Das Vertrauen auf die unter öffentlicher Autorität vorgenommene Veräußerung“ soll bei einer Versteigerung nicht gefährdet werden (Motive zum BGB III, 349). Dem Eigentümer wird der Verlust seiner Sache und das damit verbundene Risiko, auch mit der ihm gegen den Verkäufer zustehenden Ersatzforderung leer auszugehen, aufgebürdet, weil demgegenüber das Interesse des oftmals wirtschaftlich von der Veräußerung betroffenen Dritten an der Wirksamkeit des Steigerungsverkaufs eine Bevorzugung des gutgläubigen Erstehers fordert (Dünkel aaO S. 70). Dieses vom Gesetz gewollte Ergebnis der Privilegierung des
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287 288
OLG Köln, Entscheidung vom 2. November 1988, Az: 2 U 52/88. Vgl. Eckardt, Stationen eines Stempels – Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel, 1995, S. 47–48. OLG Köln, Entscheidung vom 2. November 1988, Az: 2 U 52/88. Vgl. BGH, Entscheidung des 9. Zivilsenats, Urteil vom 5. Oktober 1989, Az: IX ZR 265/88.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gutgläubigen Erwerbers in der öffentlichen Versteigerung hält sich innerhalb der gesetzlich möglichen Schranken der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG. Daß hier die Versteigerung, in der die Beklagte das Siegeltypar erworben hat, öffentlich bekanntgemacht und daß jedermann zu ihr zugelassen war, ist vom Berufungsgericht festgestellt und von der Revision nicht angezweifelt. Dann hat aber die Beklagte durch den Zuschlag in dieser Versteigerung gutgläubig Eigentum erworben (§§ 932, 935 Abs. 2 BGB).“ 289
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§ 34b GewO: Versteigerergewerbe: (1) Wer gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, fremde Grundstücke oder fremde Rechte versteigern will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Zu den beweglichen Sachen im Sinne der Vorschrift gehören auch Früchte auf dem Halm und Holz auf dem Stamm. (2) (weggefallen) (3) Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Auftraggeber oder der Bieter erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig. (4) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn 1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt; die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt in der Regel nicht, wer in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Antrages wegen eines Verbrechens oder wegen Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung, Betruges, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wuchers oder wegen Vergehens gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist, oder 2. der Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt; dies ist in der Regel der Fall, wenn über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet worden oder er in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 Insolvenzordnung, § 915 Zivilprozeßordnung) eingetragen ist. (5) Auf Antrag sind besonders sachkundige Versteigerer mit Ausnahme juristischer Personen von der zuständigen Behörde allgemein öffentlich zu bestellen; dies gilt entsprechend für Angestellte von Versteigerern. Die Bestellung kann für bestimmte Arten von Versteigerungen erfolgen, sofern für diese ein Bedarf an Versteigerungsleistungen besteht. Die nach Satz 1 öffentlich bestellten Personen sind darauf zu vereidigen, dass sie ihre Aufgaben gewissenhaft, weisungsfrei und unparteiisch erfüllen werden.
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Die „zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer“ müssen somit eine besondere Sachkunde nachweisen und sind zu Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet.290 Besonders sachkundig ist ein Versteigerer, wenn er durch fundiertes Fachwissen, große Berufserfahrung und besondere Vertrauenswürdigkeit aus dem Kreis der übrigen Versteigerer deutlich hervorragt.291 Dabei bezieht sich das Fachwissen nicht nur auf die einschlägigen Rechtsvorschriften, „sondern der Versteigerer muß darüber hinaus
289 290
291
Vgl. BGH, Entscheidung des 9. Zivilsenats, Urteil vom 5. Oktober 1989, Az: IX ZR 265/88. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160; Picker, Praxis des Kunstrechts, 1990, S. 184–185; Boochs/Ganteführer, Kunstbesitz – Kunsthandel – Kunstförderung im Zivil- und Steuerrecht, 1992, S. 78; Stoll, Diskussionsbeitrag, in Dolzer/Jayme/ Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 136. Vgl. Tettinger/Wank/Sieg, Gewerbeordnung: Kommentar, 7. Aufl. 2004, § 34b Rdnr. 27 ff.
§ 4 Ergebnis: Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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überdurchschnittliche Grundkenntnisse über Eigenschaften, Qualität und Preise der gängigen Versteigerungsgegenstände besitzen. Für eine große Berufserfahrung ist eine mehrjährige praktische Erfahrung als Versteigerer erforderlich. Die besondere Vertrauenswürdigkeit verlangt die charakterliche Bewährung des Versteigerers während einer längeren Zeit und kann die Festsetzung eines Mindestalters rechtfertigen. Seine Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit hat der Versteigerer durch einen Eid zu bekräftigen. Gewissenhaftigkeit setzt voraus, daß der Versteigerer seine Aufgaben sorgfältig erfüllt, was einen aktuellen Wissens- und Erfahrungsstand hinsichtlich des Versteigerungsgutes, der Marktpreise und der Marktgegebenheiten voraussetzt. Die Unparteilichkeit verweist auf die Verpflichtung des Versteigerers, die Interessen der Einliefer- und Bieterseite gleichermaßen als ehrlicher Makler zu berücksichtigen.“ 292 Der öffentlich bestellte und vereidigte Versteigerer ist nicht nur besonders sachkundig, wegen seiner besonderen Vertrauensstellung hat er sich auch wirtschaftlich neutral zu verhalten und die widerstreitenden Interessen zwischen Einlieferer und Käufer zu koordinieren.293 Der gute Glaube muss sich dabei sowohl auf das Eigentumsrecht des Einlieferers als auch auf die Zulässigkeit der Versteigerung beziehen.
§ 4 Ergebnis: Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nur beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung innerhalb der deutschen Rechtsordnung Während zunächst für die Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien als wichtigste Kunsthandelszentren der Erde festgestellt wurde, dass innerhalb des Common Law-Rechtskreises in kulturellen Restitutionsklagen der Einwand des potentiell restitutionspflichtigen Besitzers, er habe unrechtmäßig entzogene Kulturgüter gutgläubig erworben, praktisch generell ausgeschlossen ist, der Grundsatz nemo dat quod non habet Anwendung findet und auch bei mehrgliedrigen Veräußerungsketten der ursprüngliche Eigentümer weiterhin seine Rechtsposition behält, ist die Ausgangssituation innerhalb der deutschen Rechtsordnung zwar grundsätzlich gleich, lässt jedoch eine rechtserhebliche Ausnahme des gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu: Im Prinzip ist der Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach § 935 Abs. 1 BGB innerhalb der deutschen Rechtsordnung ausgeschlossen, nur ausnahmsweise kann ein redlicher Erwerber im Fall der öffentlichen Verstei-
292
293
Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160 unter Rekurs auf Tettinger/Wank/Sieg, Gewerbeordnung: Kommentar, 7. Aufl. 2004, § 34b Rdnr. 27 ff. und Friauf/Fuhr, Kommentar zur Gewerbeordnung: GewO, § 34b Rdnr.33. Vgl. Mußgnug, Diskussionsbeitrag, in Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 134; Boochs/Ganteführer, Kunstbesitz – Kunsthandel – Kunstförderung im Zivil- und Steuerrecht, 1992, S. 33.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
gerung nach §§ 935 Abs. 2, 383 Abs. 3 BGB jedoch vom Nichtberechtigten zulasten eines ursprünglichen Rechtsinhabers Eigentum erwerben. 111
Dabei sind in Restitutionsstreitigkeiten um unrechtmäßig entzogene Kulturgüter regelmäßig folgende Prüfungsschritte einzuhalten. Nachdem in einem ersten Schritt festgestellt worden ist, dass der jeweilige Entziehungsakt unrechtmäßig war und keine Auswirkungen auf die Eigentumsposition der ursprünglich berechtigten Eigentümer zeitigte, – d.h., dass gestohlene, illegal exportierte Kulturgüter im Staatseigentum des kulturellen Ursprungsstaates, kriegsbedingt entzogene Beutekunst, kulturelles Fluchtgut, als entartet sichergestellte Kunstwerke, die nationalsozialistisch bedingt beschlagnahmte Raubkunst, enteignete Kunstwerke und Antiquitäten während des Unrechtsregimes innerhalb der DDR oder die Trophäenkunst trotz Designation an die Russische Föderation weiterhin im Eigentum der ursprünglich Berechtigten stehen –
muss in einem zweiten Prüfungspunkt bestätigt werden, dass eine entgeltliche Veräußerung oder unentgeltliche Eigentumsübertragung innerhalb Deutschlands erfolgte und somit nach dem kollisionsrechtlichen Grundsatz der lex rei sitae die deutschen Sachenrechtsregeln über den Eigentumserwerb zu entscheiden haben. Das deutsche Mobiliarsachenrecht folgt dem in § 935 Abs. 1 BGB verbürgten Grundsatz, dass ein gutgläubiger Erwerb von Gegenständen, die „dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen“ sind, nicht eintritt. In einem dritten Prüfungsschritt ist somit festzustellen, ob der unrechtmäßige Entziehungsakt kultureller Güter als „gestohlen“, „verloren gegangen“ oder „sonst abhanden gekommen“ zu qualifizieren ist (vgl. oben Punkt I.). Die den Gutglaubensvorschriften des Zivilrechts zugrunde liegende These, der vom Besitz bzw. seiner Verschaffungsmacht ausgehende Rechtsschein rechtfertige das Vertrauen eines gutgläubigen Erwerbers von Kunstwerken, gilt zugunsten eines Eigentümers kultureller Wertgegenstände dann nicht, wenn dem Eigentümer oder einem sonstigen Berechtigten die tatsächliche Sachherrschaft ohne dessen Willen entzogen wurde. Voraussetzung ist somit ein unfreiwilliger Besitzverlust. 112
Dabei wurde festgestellt, dass der individuelle Diebstahl kultureller Güter exemplarisch als Abhandenkommen zu qualifizieren ist und die Modalität des Diebstahls in § 935 Abs. 1 BGB beispielhaft für den individuellen Entzug kultureller Güter aus der Hand des Eigentümers angeführt wird (vgl. oben Punkt 1.). Dabei wurde anhand der bekannten Entscheidungen Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 294 präzisiert, in welchen Konstellationen ein Abhandenkommen vor-
294
Vgl. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747 (E.D.N.Y. 1970); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747, 753 (E.D.N.Y. 1972) (Supplemental Opinion); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 478 F.2d 231 (2d Cir. 1973); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 14 International Legal Materials (I.L.M.) 806 (E.D.N.Y. 1975); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 813 (E.D.N.Y. 1978); Federal
§ 4 Ergebnis: Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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liegt, wenn der unmittelbare Besitzer in einem Besitzmittlungsverhältnis der in Streit stehenden Kulturgüter oder ein Besitzdiener den Besitz an den Kulturgütern willentlich übertragen hatte, dabei jedoch den Besitz ohne oder gegen den Willen des Eigentümers der Kulturgüter aus der Hand gab. Unter Punkt 5. wurde festgestellt, dass der illegale Export kultureller Wertgegenstände dem kulturellen Diebstahlstatbestand gleichzustellen und als abhandengekommen zu qualifizieren ist, wenn die einzelnen Gegenstände vor der unrechtmäßigen Ausfuhr innerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungsstaates durch das jeweilige nationale Kulturgüterschutzgesetz und die dort normierten umbrella statutes bzw. rhetorical ownership statutes zu Staatseigentum des kulturellen Ursprungsstaates designiert worden waren. In diesen Konstellationen wurde der kulturelle Ursprungsstaat als Eigentümer der illegal ausgeführten Kunstwerke ebenso wie in der Konstellation des kulturellen Diebstahls als schutzwürdiger qualifiziert, als ein möglicher gutgläubiger Erwerber. Es wurde betont, dass bei der unrechtmäßigen Ausfuhr kultureller Wertgegenstände im Eigentum des kulturellen Ursprungsstaates der Bestandsschutz des Eigentums an illegal exportierten Kulturgütern im Staatseigentum grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs haben muss, um dem Gedanken des Kulturgüterschutzes hinreichend Rechnung zu tragen. Deshalb sollte an unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern im Eigentum des kulturellen Herkunftsstaates der Erwerb vom Nichtberechtigten i.d.R. ausgeschlossen sein. Ohne Zweifel konnte auch die kulturelle Beutenahme als Abhandenkommen im Sinne des deutschen Zivilrechts qualifiziert werden. Es wurde erkannt, dass in Fällen der kulturellen Beutenahme der Verlust des unmittelbaren Besitzes durch den Eigentümer oder, gem. § 935 Abs. 1 S. 2 BGB, durch den Besitzmittler eingetreten ist. Auch das Merkmal der Unfreiwilligkeit des Besitzverlustes ist in der Situation der kulturellen Beutenahme gegeben: Die durch die feindliche Staatsgewalt aufgrund Militärgewalt oder aufgrund Ausübung der allgemeinen Besatzungsmacht von Privatpersonen entzogenen Kulturgüter führen bei Kenntnis von der Entziehung zu einem Besitzverlust gegen und bei Unkenntnis der kulturellen Beutenahme zu einem Besitzverlust ohne Willen des Eigentümers. Diese Wertung konnte analog auch auf die Fälle der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerung kultureller Güter aus dem Besitz und Eigentum verfolgter (zumeist jüdischer) Bevölkerungsteile unter Zwang, Drohung und Gewalteinwirkung in den besetzten Territorien übertragen werden. Trotz der Mitwirkung an der Besitzübertragung und des darin zum Ausdruck kommenden Einverständnisses kann nach den obigen Untersuchungen festgehalten werden, dass immerhin dann Zweifel an der Freiwilligkeit des Besitzverlusts angebracht sind, wenn in rechtswidriger
Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982).
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Weise auf den Willen bei der Besitzaufgabe von außen eingewirkt worden ist. Die bereits mehrfach beschriebene, den inneren Kern der Würde des Menschen verletzende Diskriminierung der jüdischen Bevölkerungsgruppe in den besetzten Territorien zur Zeit des Nationalsozialismus hat dementsprechend in einzelnen Konstellationen dazu geführt, dass die von den verfolgten Personengruppen vorgenommenen Besitzaufgaben kultureller Güter nur formal ‚freiwillig‘ erfolgten und allein unter dem Eindruck einer Zwangslage, Drohung oder Gewaltlage vorgenommen wurden. Auch hier ist grundsätzlich eine Qualifizierung als Abhandenkommen zu rechtfertigen. 114
Diskussionslos sollten heute auch formal ‚freiwillige‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts unter Drohung, Zwang und Gewalt als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB gewertet werden. Zwar ändern Täuschung und Irrtum grundsätzlich nichts an der Freiwilligkeit der Besitzaufgabe, die eben nicht rechtsgeschäftliche Handlung, sondern Realakt ist. Im Allgemeinen ändert auch die Nichtigkeit der Übereignung bspw. wegen Sittenwidrigkeit oder Wucher nichts daran, dass der Besitz freiwillig aufgegeben wurde, sodass grundsätzlich kein Abhandenkommen vorliegt. Es wurde jedoch erkannt, dass trotz der Mitwirkung an der Besitzübertragung und des darin zum Ausdruck kommenden Einverständnisses immer dann Zweifel an der Freiwilligkeit des Besitzverlusts angebracht sind, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in rechtswidriger Weise auf den Willen bei der Besitzaufgabe von außen eingewirkt worden ist. Auch hier ist auf die den inneren Kern der Würde des Menschen verletzende Diskriminierung der jüdischen Bevölkerungsgruppe in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus abzustellen, die dazu geführt hat, dass die von den verfolgten Personengruppen vorgenommenen Besitzaufgaben kultureller Güter nur formal ‚freiwillig‘ erfolgten, jedoch allein unter dem Eindruck einer Drohung mit Gewalt vorgenommen wurden, was grundsätzlich eine Qualifizierung als Abhandenkommen rechtfertigt. Die Besitzaufgabe ist vor dem Hintergrund der Vermögensveräußerungen kultureller Güter (unter sich kollektiv äußernder Drohung, Zwang und Gewalt) zur Erwirtschaftung der Mindestbedürfnisse zum Überleben und zur Vorbereitung der Emigration aus Angst vor der ‚physischen Zerstörung‘ zu sehen. Durch zahlreiche Terrormaßnahmen war der jüdische Bevölkerungsanteil in persönlicher, gesellschaftlicher, kultureller und ökonomischer Beziehung von den übrigen Einwohnern Deutschlands völlig isoliert, radikal benachteiligt worden und tatsächlich unfrei in seinen Handlungen. Diese Situation erzeugte auch hinsichtlich der Besitzaufgabe eine Situation der Unfreiwilligkeit in Form eines der unwiderstehlichen Gewalt gleichstehenden seelischen Zwanges. Infolgedessen muss die Besitzübertragung sog. kulturellen Fluchtguts trotz der formalen ‚Freiwilligkeit‘ als ohne Willen des Eigentümers und die übergebene Sache als abhandengekommen im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB qualifiziert werden.
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Schließlich wurde unter Punkt 4. untersucht, ob die unterschiedlichen Kategorien der unrechtmäßigen Verstaatlichung kultureller Güter ohne Auswirkun-
§ 4 Ergebnis: Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
gen auf die Eigentumsposition der ursprünglich Berechtigten als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB zu qualifizieren sind. Diese unrechtmäßigen Kulturgutentziehungen werden deshalb besonders kritisch und uneinheitlich bewertet, weil hoheitliche Eingriffe in die Eigentumssphäre zwar regelmäßig gegen den Willen der Eigentümer erfolgen, dieser Wille jedoch durch die öffentlich-rechtliche Befugnis zum Eingriff ersetzt wird. Ausgangspunkt der obigen Untersuchung war, dass die Wegnahme oder Weggabe einer Sache aufgrund öffentlichrechtlichen Hoheitsaktes im Grundsatz nicht in den Anwendungsbereich von § 935 BGB fällt, da nach der Terminologie des Bundesgerichtshofs der fehlende Wille des Besitzers durch die öffentlich-rechtliche Befugnis des Eingreifenden ersetzt wird.295 Auch innerhalb der Rechtsliteratur wird dieser Ansicht teilweise gefolgt und auch der 3. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 15.11.1951 ausgeführt, dass es bei der Frage des Abhandenkommens nicht darauf ankommen könne, „ob die behördliche Beschlagnahme wirksam, anfechtbar oder nichtig war, falls überhaupt nur eine die Besitzübertragung enthaltende Handlung des Besitzers vorliegt“.296 Anderer Ansicht war jedoch seit jeher das Landgericht Ansbach, das in seinem Urteil vom 5.10.1951 die Auffassung äußerte, dass bei einem Besitzverlust aufgrund einer nichtigen Beschlagnahme die Sache ihrem Eigentümer in rechtlich nicht wirksamer Weise entzogen worden und somit abhandengekommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB sei.297 Auch in den Konstellationen der unrechtmäßigen kulturellen Verstaatlichung könne folgerichtig kein Zweifel daran bestehen, dass die Kunstwerke abhandengekommen seien und ihr gutgläubiger Erwerb grundsätzlich nicht in Betracht komme. Es ergab sich, dass in den Konstellationen der unrechtmäßigen Verstaatlichung kultureller Wertgegenstände von einer ‚freiwilligen‘ Besitzübertragung keine Rede sein kann. Dies wurde (am Beispiel der nationalsozialistisch bedingten Verstaatlichung der sog. Raubkunst) auch in der Entscheidung des Landgerichts Bonn in seiner spektakulären sog. Sperrmüll-Macke-Entscheidung vom 25.6.2002 bestätigt.298 Abschließend wurde festgestellt, dass es auch aus rechtsmoralischen 295
296
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Vgl. BGH, Entscheidung des 3. Zivilsenats vom 15.11.1951, Az: III ZR 21/51, BGHZ 4, 10, S. 33; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb im bürgerlichen Recht im Handels- und Wertpapierrecht sowie in der Zwangsvollstreckung, 1985, S. 42. BGH, Entscheidung des 3. Zivilsenats vom 15.11.1951, Az: III ZR 21/51, BGHZ 4, 10, S. 37 zum Abhandenkommen eines auf der Grundlage des § 15 Reichsleistungsgesetz (RLG) vom 1. September 1939 (RGBl. I, S. 1645) entzogenen Kraftfahrzeugs. Wie der BGH wohl auch Wedesweiler, Rechtsfragen aus dem Gebiet der RLG-Beschlagnahmen – Kritische Würdigung zweier Urteile des OLG Frankfurt a.M., NJW 1949, S. 414–416, S. 416. Vgl. hierzu auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 233–236. Vgl. Landgericht (LG) Ansbach, NJW 1952, S. 592 ebenfalls zum Abhandenkommen eines aufgrund § 15 RLG entzogenen Kraftfahrzeugs. So bereits zuvor: Würzt.-Bad. VGH Stuttgart, Entscheidung vom 25.4.1947, SJZ 1948, Sp. 152–153; VGH Stuttgart, Entscheidung vom 5.8.1947, SJZ 1948, Sp. 153 ff., S. 155. „Ein Abhandenkommen liegt vor, wenn der Eigentümer oder sein Besitzmittler den unmittelbaren Besitz ohne seinen Willen verliert … . Eine Beschlagnahme aufgrund Hoheitsaktes
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Gründen schlechthin unerträglich wäre, das Abhandenkommen bei einem gewöhnlichen Diebstahl zu bejahen und es bei einem gewissermaßen staatlich organisierten Raubzug zu verneinen (wie dies in den vorliegenden Konstellationen der kulturellen Verstaatlichung der entarteten Kunst, der Raubkunst, der Trophäenkunst und der innerhalb des Unrechtsregimes der DDR als verfallen erklärten Kulturgüter anzunehmen ist). 116
Die den Gutglaubensvorschriften des Zivilrechts zugrunde liegende These, der vom Besitz bzw. seiner Verschaffungsmacht ausgehende Rechtsschein rechtfertige das Vertrauen eines gutgläubigen Erwerbers von Kunstwerken, gilt somit nicht zuungunsten eines Eigentümers einer der Kategorien der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände. Die Untersuchungen haben zur Folge, dass in diesen Konstellationen der Eigentümer kultureller Wertgegenstände ebenso wie sonstiger Mobilien grundsätzlich als schutzwürdiger qualifiziert wird als ein möglicher gutgläubiger Erwerber, sodass ein bona fide-Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter prinzipiell ausgeschlossen ist. Der Bestandsschutz des Eigentums an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern hat somit grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs.
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Damit ist jedoch nur ein Zwischenergebnis erreicht: Es wurde festgestellt, dass der grundsätzliche Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der deutschen Rechtsordnung durch eine Ausnahme durchbrochen wird und im Wege einer öffentlichen Versteigerung auch an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern gutgläubig Eigentum erworben werden kann (vgl. oben Punkt II.). Deshalb muss in einem vierten Prüfungsschritt immer eine Untersuchung dahingehend vorgenommen werden, ob nicht eine Veräußerung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter unter Geltung der deutschen Rechtsordnung vorliegt, die den Voraussetzungen der §§ 935 Abs. 2 i.V.m 383 BGB genügt. Eine Präzisierung der Voraussetzungen einer ‚öffentlichen Versteigerung‘ erfolgte in den vielzitierten Entscheidungen des Hamburger StadtsiegelFalles. Das Oberlandesgericht Köln 299 entschied dabei entgegen der Ansicht der klagenden Stadt Hamburg, dass § 935 Abs. 2 BGB nicht nur die gesetzlich vorgesehenen Versteigerungsfälle erfasse, sondern auch für die Konstellationen der sog. freiwilligen Versteigerungen gelte, soweit diese öffentlich erfolgen und von einer zuständigen Person im Sinne des § 383 Abs. 3 BGB durchgeführt werden. Das Gericht konnte keine Anhaltspunkte für die Annahme finden, dass öffentliche Versteigerungen nur auf die im BGB vorgesehenen Fälle zu beschränken
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ersetzt [grundsätzlich] den fehlenden Besitzerwillen. Das gilt aber nicht bei einer Beschlagnahme durch die Gestapo. Denn deren Maßnahmen erfolgten aufgrund legislativem Unrechts und dienten allein der Verfolgung einer Minderheit … .“ LG Bonn, Entscheidung vom 25.6.2002, NJW 2003, S. 673 ff., S. 675. Vgl. OLG Köln, Entscheidung vom 2. November 1988, Az: 2 U 52/88.
§ 4 Ergebnis: Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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seien, sodass die Voraussetzungen einer ‚öffentlichen Versteigerung‘ dann erfüllt seien, solange die Kriterien des § 383 Abs. 3 BGB zuträfen. Der Bundesgerichtshof schloss sich in seiner Entscheidung vom 5. Oktober 1989 den Rechtsauffassungen der Instanzengerichte an und qualifizierte nicht nur die durch einen Gerichtsvollzieher im Zwangsvollstreckungsverfahren veranlasste, sondern auch jede andere, allgemein zugängliche Auktion eines amtlich bestellten Auktionators als ‚öffentliche Versteigerung‘:300 Die „zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer“ müssen somit eine besondere Sachkunde nachweisen und sind zu Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet.301 Besonders sachkundig ist ein Versteigerer dann, wenn er durch fundiertes Fachwissen, große Berufserfahrung und besondere Vertrauenswürdigkeit aus dem Kreis der übrigen Versteigerer deutlich hervorragt.302 Somit bleibt als Zwischenergebnis festzuhalten, dass innerhalb der deutschen Rechtsordnung bei einer sog. ‚öffentlichen Versteigerung‘ von unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern unter den Voraussetzungen der §§ 935 Abs. 2 i.V.m 383 BGB, dass der Eigentümer seine Rechtsposition an einen gutgläubigen Erwerber verlieren und damit eine Restitutionsklage ausgeschlossen sein kann. Da Kunstwerke häufig Verkaufsgegenstand auf solchen ‚öffentlichen Versteigerungen‘ sind, wird aus Gründen des Kulturgüterschutzes von Seiten der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik die Ansicht vertreten, dass de lege ferenda ein genereller Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter einzuführen sei. Kulturgüter sollen danach aufgrund der besonderen Sachqualität innerhalb des deutschen Rechtskreises aus dem Anwendungsbereich von § 935 Abs. 2 BGB und international von der Möglichkeit einer bona fide-Akquisition generell auszunehmen sein.303 Kulturpolitisch wird man insoweit zunächst nach der Art der in Rede stehenden Sache zu differenzieren haben. Geht es um
300 301
302 303
Vgl. BGH, Entscheidung vom 9. Zivilsenat, Urteil vom 5. Oktober 1989, Az: IX ZR 265/88. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 155–160; Picker, Praxis des Kunstrechts, 1990, S. 184–185; Boochs/Ganteführer, Kunstbesitz – Kunsthandel – Kunstförderung im Zivil- und Steuerrecht, 1992, S. 78; Stoll, Diskussionsbeitrag, in Dolzer/ Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 136. Vgl. Tettinger/Wank/Sieg, Gewerbeordnung: Kommentar, 7. Aufl. 2004, § 34b Rdnr. 27 ff. Für eine solche Ausnahme aber Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 112 (bzgl. abhanden gekommenen öffentlichen Museums- und Archivguts), und Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 333 (für Sachen im Eigentum des Staates stehend); Walter, Rückführung von Kulturgut im Internationalen Recht, 1988, S. 197. Beschränkt auf Museums- und Archivgut: Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 207. Dagegen etwa Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 404–405.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
unrechtmäßig entzogene (und innerhalb der deutschen Rechtsterminologie abhandengekommene) Verbrauchs- oder Investitionsgüter, so spricht für die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs im Wege öffentlicher Versteigerung die Tatsache, dass der Rechtsverkehr erleichtert und keine res extra commercium geschaffen werden.304 Bei solchen Verbrauchsgütern ohne sachliche Unikatfunktion wiegt auch der Konflikt mit dem Eigentümerinteresse weniger schwer, da der Eigentümer bspw. innerhalb der deutschen Rechtsordnung nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB den Versteigerungserlös vom Empfänger herausverlangen kann.305 Da für den Eigentümer kein spezielles Erhaltungsinteresse in specie existiert, wird bei Konsumgütern die finanzielle Kompensation allein genügen, um dessen Interesse – zumindest zu einem gewissen Grad – zu wahren.306 Kulturgüter hingegen sind – jedenfalls aus Sicht ihrer Eigentümer – aufgrund ihrer kulturellen Unikatfunktion meist nicht in Geld aufzuwiegen, sodass der Eigentümer nicht nur ein finanzielles Kompensationsinteresse, sondern ein Bestandwahrungsinteresse an dem konkreten, unrechtmäßig entzogenen Kulturgut aufweist. Vor diesem Hintergrund plädieren die genannten Stimmen in der Literatur darauf, Kulturgüter innerhalb des deutschen Rechtskreises aus dem Anwendungsbereich von § 935 Abs. 2 BGB und international von der Möglichkeit einer bona fideAkquisition generell auszunehmen. Dabei werden unterschiedlich weite Ausgestaltungsvarianten des ausnahmslosen Ausschlusses des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vertreten. Während Châtelain den Ausschluss allein bei gestohlenen Kunstwerken befürwortet 307, spricht sich Rodotá auch für die Nichtgeltung des Gutglaubenserwerbs bei illegal exportierten Kulturgütern aus.308 Noch einen Schritt weiter geht Reichelt, die dem Gutglaubenserwerb von Kulturgütern jeden rechtlichen Schutz versagen möchte.309 Eine sachliche Begrenzung hinsichtlich des Ausschlusses des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nehmen vor: Mußgnug für inventarisiertes Museums- und Archivgut 310 sowie Siehr für Kunstwerke mit gesicherter und 304
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Vgl. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585. Vgl. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585. Vgl. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585. Vgl. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 114. Vgl. Rodotà, The Civil Law Aspects of the International Protection of Cultural Property, in: Council of Europe (Legal Affairs), International legal protection of cultural property – proceedings of the 13. Colloquy on European Law, Delphi, 20.–22. Sept. 1983, S. 118. Vgl. Reichelt, International Protection of Cultural Property (Second Study) – La protection internationale des biens culturels (Deuxième étude), Uniform Law Review / Revue de droit uniforme, 1988 I, S. 52 ff., S. 92. Vgl. Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 207–208.
§ 4 Ergebnis: Gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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nachgewiesener Provenienz 311 und Schmeinck 312 gegenüber Kulturgütern, die als weithin bekannte Werke gelten oder solchen, die in einem öffentlichen Verlustregister als gestohlen gemeldet sind.313 „Die Rechtfertigung für die Abschaffung des Gutglaubenserwerbs von Kulturgütern wird in der Erkenntnis gesehen, daß der illegale Kunsthandel nur eingedämmt werden kann, wenn man juristischen Schutz alleine dem legalen Handel gewährt. Dieses anerkannte Anliegen, den ehrlichen Kunsthandel zu schützen, findet auch in der deutschen Rechtsprechung Beachtung. Für den Erwerb vom Nichtberechtigten zeigt sich kein befriedigendes kollisionsrechtliches Mittel, um die vor allem auf sachrechtlichen Unterschieden beruhenden Defizite für Kunstgeschäfte auszugleichen. Mit der internationalen Unterbindung des Gutglaubenserwerbs würde sich aber eine Lösung anbieten. Deshalb sollten einer internationalen Regelung zum Ausschluß des Gutglaubenserwerbs von Kulturgütern von deutscher Seite aus keine unüberwindlichen Hindernisse in den Weg gestellt werden. Das gilt auch mit Blick auf die Staatengemeinschaft: Für andere Rechtsordnungen, die den gutgläubigen Erwerber favorisieren, könnten die Schwierigkeiten erheblich größer sein. Jedoch mag auch hier die Sonderstellung des Kulturguts einiges Gewicht haben. So ist beispielsweise das an Kulturgütern ausgesprochen reiche Italien, dessen Gutglaubensregel wesentlicher Anlaß für die Suche nach Änderungen ist, dem Kulturgüterschutz gegenüber sehr aufgeschlossen. Hier ist mit Entgegenkommen zu rechnen. Der Ausschluß des Gutglaubenserwerbs sollte danach grundsätzlich in vollem Umfang befürwortet werden. Es ist darüberhinaus zu prüfen, ob die Verschiebung der Interessen, die der gänzliche Ausschluß des Gutglaubenserwerbs mit sich bringen würde, anderweitig ausgeglichen werden kann.“ 314
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Vgl. Siehr, Kunstraub und das internationale Recht, Schweizerische Juristen-Zeitung 77 (1981), S. 189–197 und S. 207–212, S. 211–212, möchte den gutgläubigen Erwerb ausschließen, wenn die Stücke aus gesichertem und nachgewiesenem Besitz stammen. Vgl. Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 150 ff. Vgl. auch Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 178 und Fn. 112–114. Vgl. dazu weiter Art. 4 der Resolution des Institut de Droit Internationa: Art. 4 La vente internationale d’objets d’art sous l’angle de la protection du patrimoine culture (3 septembre 1991) : 1. Si, au regard de la loi du pays d’origine, aucun changement dans la titularité du bien ne s’est produit, le pays d’origine pourra, dans un délai raisonnable, réclamer le retour de l’objet dans son territoire, à condition de prouver que l’absence de l’objet porterait une atteinte significative à son patrimoine culture. 2. Lorsque des objets d’art appartenant au patrimoine culturel d’un pays ont été exportés du pays d’origine dans les circonstances prévues à l’article premier, le possesseur ne peut invoquer la présomption de bonne foi. Le pays d’origine devrait accorder une indemnité équitable au possesseur qui aura prouvé sa bonne foi. 3. Aux fins du paragraphe 2, est un possesseur de bonne foi celui qui, au moment de l’acquisition, ignorait et n’était pas raisonnablement censé connaître l’absence ou les vices du titre du disposant ou le fait que l’objet avait été exporté en violation des dispositions du pays d’origine en matière d’exportation. En cas de donation ou de succession, le possesseur ne peut bénéficier d’un statut plus favorable que celui de son ayant cause. Vgl. Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 180–182, unter Berufung auf Vgl. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’oeuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 114; Rodotà, The Civil Law Aspects of the International Protection of Cultural Property, in: Council of Europe (Legal Affairs), International legal protection of cultural property – proceedings of the 13. Colloquy on European Law, Delphi, 20.–22. Sept. 1983, S. 117–118.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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Die Interessen der Eigentümer kultureller Wertgegenstände an der Erhaltung und Bewahrung ‚ihrer‘ Kulturgüter verbinden sich in dieser Frage mit den Bedürfnissen des Kulturgüterschutzes und gehen so kulturpolitisch den Interessen gutgläubiger Erwerber an der Akquisition auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und den Bedürfnissen des Kulturgüterverkehrs an Rechtssicherheit vor. Eine diesbezügliche Entscheidung ist jedoch allein dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten, sodass bspw. innerhalb der deutschen Rechtsordnung, solange spezielle gesetzliche Regeln nicht existieren, grundsätzlich von der ausnahmsweise gegebenen Zulässigkeit des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei Vorliegen der Voraussetzungen einer öffentlichen Versteigerung i.S.d. §§ 935 Abs. 2 und 383 Abs. 3 BGB auszugehen ist. Den Besonderheiten und Bedürfnissen des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs lässt sich außerhalb der kulturgüterspezifischen, gesetzlichen Novation der Sachenrechtsregeln momentan allein dadurch Rechnung tragen, dass an den guten Glauben des Ersteigerers qualifizierte Anforderungen gestellt werden 315 (§ 932 Abs. 2 BGB lässt insoweit für eine kulturgüterspezifische Differenzierung Raum 316) und die in der Praxis kultureller Restitutionsansprüche besonders wichtigen Fragen der Beweislast richtig taxiert werden. Für eine Gesetzesänderung und die Einführung spezieller Gutglaubensvorschriften für den Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als res sui generis sprechen zwar gute Gründe, es ist jedoch vor dem Hintergrund deutschen Lobbyismus und autozentrierter Kulturgutpolitik zur Zeit keine Umsetzung zu erwarten. Nach der Entscheidung des deutschen Gesetzgebers und dem Erlass des Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 18.5.2007 317 besteht jedoch keine berechtigte Hoffnung auf Umsetzung dieser Forderung, da das Anliegen innerhalb der Beratungen vermehrt geäußert wurde, jedoch nicht in Gesetz gegossen wurde. Andererseits ist dies aber auch nicht so schlimm: Die deutschen Sachenrechtsregeln und allgemeinen Rechsgrundsätze – so wird sich zeigen – belassen bereits de lege lata ausreichend Raum zum Schutz des ursprünglichen Eigentümers aufgrund der hohen Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab und der richtigen Beweislastverteilung!
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Dass die gesetzliche Ausgangslage hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb Deutschlands im internationalen Vergleich gar nicht so übel ist, lässt sich anhand der folgenden Untersuchungen der Gutglaubensvorschriften Italiens erhellen, die generell eine Approbation des Gutglaubenserwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zum absoluten Schutz des gutgläubigen Erwerbers propagieren. 315
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Vgl. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585. Vgl. auch Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 935, Rdnr. 27. BGBl. I 2007, 757.
3. Abschnitt Genereller Gutglaubenserwerb auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zum absoluten Schutz redlicher Erwerber Schrifttum: Crowell, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal, Volume 27 (1992), S. 173–209, S. 19; Doyal, Implementing the UNIDROIT Convention on Cultural Property into Domestic Law: The Case of Italy, Columbia Journal of Transnational Law 39 (2001), S. 657–700, S. 672–690, insb. 677–679; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 71–72; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 58–59 und S. 187–189; Siehr, Handel mit Kulturgütern in der Europäischen Union und in der Schweiz, in: Walder, Aspekte des Wirtschaftsrechts – Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1994, 1994, S. 353–372, S. 355; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 62–63
Genau gegensätzlich zu dem nemo dat quod non habet-Grundsatz des Common Law-Rechtskreises und dem grundsätzlichen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs abhandengekommener Kulturgüter innerhalb der deutschen Rechtsordnung verhalten sich solche Rechtssysteme, die zum größtmöglichen Schutz gutgläubiger Erwerber allein die Interessen eines möglichst uneingeschränkten Wirtschaftsverkehrs (auch mit kulturellen Gütern) priorisieren und eine bona fide-Akquisition im rechtsgeschäftlichen Warenverkehr auch an gestohlenen und sonst wie unrechtmäßig entzogenen (Kultur-)Gütern erlauben. Prominenteste Beispielsrechtsordnung für einen solchen systematisch konträren Rechtsstandpunkt stellt etwa die Rechtsordnung Italiens dar, die eine extrem liberale Haltung zum absoluten Schutz des gutgläubigen Erwerbers mit dem Ziel der grundsätzlichen Stärkung des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs zulasten des ursprünglichen Eigentümers gestohlener Güter vertritt.318 Als im Jahre 1942 der italienische Gesetzgeber von dem alten napoleonischen System zugunsten des neuen Codice civile Abstand nahm, wurde die äußerst weite Approbation des Rechtsinstituts des gutgläubigen Erwerbs in den Art. 1153 und 1154 des Codice civile italiano (C.c.i) mit dem Argument begründet, dass derjenige, der es selbst vernachlässigt, für sein Hab und Gut zu sorgen, sich nicht als Opfer eines Diebstahls betrachten dürfe.319 “Therefore the whole of Italy has become,
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Vgl. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 58–59. Vgl. Crowell, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal, Volume 27 (1992), S. 173–209, S. 199; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 59.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
in English terms, an open market for bona fide purchasers twenty-four hours a day.” 320 123
Art. 1153 Codice civile italiano: Effetti dell’acquisto del possesso: (1) Colui al quale sono alienati beni mobili da parte di chi non ne è proprietario, ne acquista la proprietà mediante il possesso, purché sia in buona fede al momento della consegna e sussista un titolo idoneo al trasferimento della proprietà. (2) La proprietà si acquista libera da diritti altrui sulla cosa, se questi non risultano dal titolo e vi è la buona fede dell’acquirente. (3) Nello stesso modo si acquistano diritti di usufrutto, di uso e di pegno (981, 1021, 2784). Art. 1154 Codice civile italiano: Conoscenza dell’illegittima provenienza della cosa: A colui che ha acquistato conoscendo l’illegittima provenienza della cosa, non giova l’erronea credenza che il suo autore o un precedente possessore ne sia divenuto proprietario.
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In dem genannten Sinn regelt Art. 1153 des Codice civile italiano die uneingeschränkte Approbation des Rechtsinstituts des gutgläubigen Erwerbs auch gestohlener oder sonst wie abhandengekommener beweglicher Gegenstände. Nur ausnahmsweise wird der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers nach Art. 1154 nicht geschützt, wenn der Erwerber von der unrechtmäßigen Herkunft der Sache weiß, aber irrtümlich davon ausgeht, der Veräußerer (oder ein früherer Besitzer) hätte Eigentum an ihr erworben. Voraussetzung eines rechtsgültigen Eigentumstitels ist, dass erstens Redlichkeit des Erwerbers festgestellt werden kann, d.h., dass der Käufer keine Kenntnis eines zuvor erfolgten unrechtmäßigen Transfers oder einer unrechtmäßigen Herkunft besitzt, und dass zweitens der Erwerber das Rechtsgeschäft in einer vernünftigen Art und Weise geführt haben muss.321 Nach der überwiegend in der italienischen Rechtsliteratur vertretenen Ansicht wird nur der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers, nicht jedoch an die Verfügungsbefugnis geschützt.322
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Art. 1147 Codice civile italiano: Possesso di buona fede: (1) E’ possessore di buona fede chi possiede ignorando di ledere l’altrui diritto (535). (2) La buona fede non giova se l’ignoranza dipende da colpa grave. (3) La buona fede e presunta e basta che vi sia stata al tempo dell’acquisto.
Nach Art. 1147 Abs. 2 kann sich der gutgläubige Erwerber nicht auf sein Nichtwissen von der fehlenden Berechtigung und damit auf seine Gutgläubigkeit i.S.d. Art. 1147 Abs. 1 des Codice civile italiano berufen, wenn die Unkenntnis auf 320
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Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 59. Crowell, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal, Volume 27 (1992), S. 173–209, S. 175; Doyal, Implementing the UNIDROIT Convention on Cultural Property into Domestic Law: The Case of Italy, Columbia Journal of Transnational Law 39 (2001), S. 657–700, S. 678. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 62–63.
3. Abschnitt: Genereller Gutglaubenserwerb
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grober Fahrlässigkeit beruht. Hierfür hat sich heute die überwiegend vertretene Rechtsansicht durchgesetzt, dass bei bestehenden Zweifeln am Eigentum des Veräußerers zur Eingrenzung des weitreichenden Schutzes der Verkehrsinteressen stets von grober Fahrlässigkeit auszugehen ist. Auch wenn der gute Glaube des Erwerbers zwar grundsätzlich nach Art. 1147 Abs. 3 des Codice civile italiano vermutet wird, kann er widerlegt werden, wenn der Kläger nachweist, dass die Umstände des Erwerbs geeignet waren, Zweifel am Eigentum des Veräußerers aufkommen zu lassen.323 Praktische Bedeutung innerhalb des Kulturgüterrechts erlangten die italienische Sachenrechtsordnung und die ihr innewohnende Bevorzugung der Interessen des gutgläubigen Erwerbers auch gestohlener Kulturgüter in der wohl bekannten und bereits zitierten britischen Gerichtsentscheidung Winkworth v. Christie, Manson & Woods Ltd.324. Kunstwerke wurden in England gestohlen, anschließend nach Italien verbracht und dort an einen gutgläubigen italienischen Marchesen veräußert. Der Käufer brachte die Kunstwerke in der Folge wieder zurück nach England, um sie zu seinen Gunsten durch das Auktionshaus Christie, Manson & Woods Ltd. versteigern zu lassen. Für die Veräußerung der innerhalb Großbritanniens entwendeten Kunstwerke auf dem Territorium Italiens stellten die italienischen Sachenrechtsregeln nach dem Grundsatz der lex rei sitae die zur Entscheidung berufene Zivilrechtsordnung dar. Da nach dem italienischen Zivilrechtssystem nach Art. 1153 des Codice civile italiano ein Erwerb auch an gestohlenen beweglichen Gegenständen bei Gutgläubigkeit des Erwerbers i.S.d. Art. 1147 möglich ist, hat der rechtsgeschäftliche Erwerber bei der Veräußerung innerhalb des Geltungsbereichs der italienischen Rechtsordnung das Eigentum an den entwendeten Kunstwerken erworben und der ursprüngliche englische Eigentümer seine Rechtsstellung zugunsten des gutgläubigen italienischen Erwerbers eingebüßt. Der auf Restitution verklagte Marchese fasste in der Winkworth-Entscheidung das geltende italienische Rechtssystem wie folgt zusammen: “Under Italian law a purchaser of movables acquires a good title notwithstanding any defect in the seller’s title or in that of prior transferrers provided that (1) the purchaser is in good faith at the time of delivery (2) the transaction is carried out in a manner which is appropriate, as regards the documentation effecting or evidencing the sale, to a transaction of the type in question rather than in some manner which is irregular as regards documentation and (3) the purchaser is not aware of any unlawful origin of the goods at the time when he acquires them.” 325 323
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 62–63. Winkworth v. Christie, Manson & Woods Ltd., (1950) 1 All ER 1121, (1950) 2 WLR 937 (Ch. D.). Winkworth v. Christie, Manson & Woods Ltd., (1950) 1 All ER 1121, (1950) 2 WLR 937 (Ch. D.), auf S. 940.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Diese Regel fand selbstredend auch vor italienischen Zivilgerichten in kulturgüterrechtlichen Streitigkeiten Applikation wie bspw. innerhalb der Gerichtsentscheidung Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini 326. Zwei die Odyssee betreffende Gobeline, die sich in französischem Staatseigentum befanden, wurden innerhalb Frankreichs gestohlen, illegal nach Italien transferiert und dort an einen gutgläubigen Erwerber veräußert. Die französische Regierung beantragte vor einem italienischen Zivilgericht die Restitution der illegal aus Frankreich transferierten Kulturgüter und gründete ihr Begehr auf den Diebstahl der Kulturgüter in Frankreich vor dem Transfer nach Italien. Die Veräußerung auf dem Territorium Italiens wurde entsprechend dem international-privatrechtlichen Belegenheitsgrundsatz der Sachenrechtsordnung Italiens unterworfen, die nach Art. 1153 und 1154 des Codice civile italiano auch den Erwerb an gestohlenen und sonst wie unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern erlaubt. Das Gericht stellte in seiner Entscheidung dar, dass ein gutgläubiger Erwerb auch dann anzunehmen sei, wenn bei der Veräußerung kein Provenienzzertifikat entsprechend den Voraussetzungen des Art. 2 der Legge n. 1062: Norme penali sulla contraffazione od alterazione di opere d’arte vom 20. November 1971327 ausgestellt wurde 328 oder keine Einfuhrerlaubnis entsprechend den Art. 1 und 42 des italienischen Kulturgüterschutzgesetzes, der Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 vorgezeigt wurde.329 Das Gericht begründete seine Rechtsansicht damit, dass die Bild-
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Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini, Tribunale di Roma, 27 June 1987, 71 Rivista di diritto internazionale, S. 920 (1988); Monaco, Sulla restituzione di beni culturali rubati all’estero secondo la Convenzione dell’UNESCO, 71 Rivista di diritto internazionale (1988), S. 842 ff., S. 842 ff.; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 187–189; MüllerKatzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 71–72; Siehr, Handel mit Kulturgütern in der Europäischen Union und in der Schweiz, in: Walder, Aspekte des Wirtschaftsrechts – Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1994, 1994, S. 353–372, S. 355. Quelle: Gazz. Uff., 17 dicembre, n. 318. Art. 2 Legge n. 1062: Norme penali sulla contraffazione od alterazione di opere d’arte vom 20. November 1971: Chiunque esercita una delle attività previste all’art. 1 deve porre a disposizione dell’acquirente gli attestati di autenticità e di provenienza delle opere e degli oggetti ivi indicati, che comunque si trovino nell’esercizio o nell’esposizione. All’atto della vendita il titolare dell’impresa o l’organizzatore dell’esposizione è tenuto a rilasciare all’acquirente copia fotografica dell’opera o dell’oggetto con retroscritta dichiarazione di autenticità e indicazione della provenienza, recanti la sua firma. Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939: Art. 1: Sono soggette alla presente legge le cose, immobili e mobili, che presentano interesse artistico, storico, archeologico o etnografico, compresi: a) le cose che interessano la paleontologia, la preistoria e le primitive civiltà; b) le cose d’interesse numismatico; c) i manoscritti, gli autografi, i carteggi, i documenti notevoli, gli incunaboli, nonchè i libri, le stampe e le incisioni aventi carattere di rarità e di pregio. Vi sono pure compresi le ville, i parchi e i giardini che abbiano interesse artistico o storico. Non sono soggette alla disciplina della presente legge le opere di autori viventi o la cui esecuzione non risalga ad oltre cinquant’anni. Art. 42. Le cose
3. Abschnitt: Genereller Gutglaubenserwerb
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teppiche sich bereits seit langer Zeit auf dem Territorium Italiens hätten befinden können und im konkreten Fall aufgrund der Zahlung eines fairen und angemessenen Kaufpreises bei der Veräußerung keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die beiden Kunstwerke zuvor unrechtmäßig entzogen – hier zunächst gestohlen und dann unrechtmäßig aus dem Territorium Frankreichs exportiert – worden waren.330 Interessant ist jedoch, dass diese Wertung des gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund der öffentlich-rechtlichen Unterschutzstellung seit Erlass der Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 bis zum heutigen Tag unter Geltung des neu reformierten Gesamtgesetzeswerks Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004, das zum Schutz der Kultur- und Naturgüter Italiens ein einheitliches Gesetz mit zahlreichen Einschränkungen eines freien Kulturgüteraustauschs bestimmt, jedoch nicht auf die überwiegende Zahl italienischer Kulturgüter Anwendung findet und diese, zusammen mit den Vorschriften des Codice civile italiano, als res extra commercium darstellt. Somit ist bei Geltung der italienischen Sachenrechtsordnung zwar grundsätzlich ein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener ausländischer, nicht jedoch geschützter italienischer Kulturgüter möglich.
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indicate nell’art. 1, che siano importate dall’estero, non sono soggette alla tassa di esportazione qualora la loro importazione sia temporanea, risulti da certificato dell’ufficio di esportazione e la riesportazione avvenga nel termine di anni cinque. Detto termine sarà prorogato di cinque in cinque anni su richiesta dell’interessato. Vgl. auch Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 188.
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4. Abschnitt Lösungsrecht als Kompromiss zwischen Eigentümer und gutgläubigem Erwerber Schrifttum: Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179 und S. 253–257; Bergé, La Convention d’Unidroit sur les biens culturels: remarques sur la dynamique des sources en droit international, Journal du Droit International 127 (2000), S. 215–262; Berndt, Internationaler Kulturgüterschutz: Abwanderungsschutz, Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht, 1998; Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192; Ceuster, Les règles communautaires en matière de restitution de biens culturels ayant quitté illicitement le territoire d’un Etat membre – Analyse de la directive 93/7/CEE du mars 1993, Revue du Marché Unique européen 2 – 1993, S. 33–88; Crowell, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal, Volume 27 (1992), S. 173–209, S. 196–197; Droz, La Convention d’UNIDROIT sur le retour international des biens culturels volés ou illicitement exportés (Rome, 24 juin 1995), Rev. Crit. Dr. Int. Privé, 86 (1997), S. 239–281; Eberl, Probleme und Auswirkungen der EG-Vorschriften zum Kulturgüterschutz, NVwZ, Heft 8, 13. Jahrgang (1994), S. 729–736; Francini/ Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55; Fraoua, Convention concernant les measures à prendre pour interdire et empêcher l’importation, l’exportation et le transfert de propriété illicites des biens culturels (Paris, 1970) – Commentaire et apercu de quelques measures nationals d’exécuion, 1986; Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, 1985; Fraoua, Projet de convention de l’Unidroit sur le retour international des biens culturels volés ou illicitement exportés, AJP 3 (1995), S. 317–326; Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996; Goldrich, Balancing the Need for Repatriation of Illegally Removed Cultural Property with the Interests of Bona Fide Purchasers: Applying the UNIDROIT Convention to the Case of the Gold Phiale, Fordham International Law Journal, Volume 23 (1999), S. 118–164; Gordon, The UNESCO Convention on the Illicit Movement of Art Treasure, Harvard International Law Journal, Volume 12 (1971), S. 537–556; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 154–155; Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 152–154; Lalive, Sur le régime des objets d’art volés en droit international privé, in: Matscher/Seidl-Hohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 51–69; Müller-Chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267–1279; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff.; O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997; Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000; Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – rechtliche und kulturpolitische Aspekte, 1988, insb. S. 18 ff.; Reichelt, Die Rolle von UNIDROIT für den Internationalen Kulturgüterschutz – Neue methodische Ansätze im „UNIDROIT-Entwurf 1990 über gestohlene und unerlaubt ausgeführte Kulturgüter“, in: Matscher/Seidl-Hohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Auf-
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
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bruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 205–214; Reichelt, International Protection of Cultural Property (Second Study) – La protection internationale des biens culturels (Deuxième étude), Uniform Law Review/Revue de droit uniforme, 1988 I, S. 52 ff.; Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/Revue de droit uniforme 2001–3, S. 476 ff.; Schönenberger, Restitution von Kulturgut, 2009, S. 169 ff.; Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturguts im europäischen Binnenmarkt, JZ 3/1994, S. 111–117; Sidorsky, Cultural property Disputes and the Draft UNIDROIT Convention: Possible Applications of International Arbitration, The American Review of International Arbitration 4 (1993), S. 475–518; Siehr, Verlust von Ansprüchen auf Herausgabe von Mobilien – Rechtsvergleichendes zum Gutglaubenserwerb, in: Fischer-Czermak/Kletecka/Schauer/Zankl, Festschrift Rudolf Welser zum 65. Geburtstag, 2004, S. 997–1014; Siehr, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Käufers im Internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 83 (1984), S. 100–118; Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292; Siehr, Die Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und das Privatrecht der Mitgliedstaaten der EWG, KUR 1 (1999), S. 225–236; Siehr, Handel mit Kulturgütern in der EWG, NJW 1993, Heft 35, S. 2206–2209, S. 2207–2208; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 219–220; Siehr, Rechtsfragen zum Handel mit geraubten Kulturgütern in den Jahren 1933–1950, in: Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und das Recht, Bd. II: Privatrecht, 2001, S. 125–203, Rdnr. 6 ff.; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996; Turner, Das Restitutionsrecht des Staates nach illegaler Ausfuhr von Kulturgütern, 2002; Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 263–264.
Einen fairen Ausgleich zwischen dem Bestandswahrungs- und Erhaltungsinteresse an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern des ursprünglichen Eigentümers einerseits und dem Akquisitionsinteresse eines gutgläubigen Erwerbers sowie dem Bedürfnis eines möglichst uneingeschränkten Kulturgüterverkehrs andererseits suchen einige Rechtsordnungen und kulturgüterspezifische Rechtsinstrumente des Völkerrechts in der Institutionalisierung eines sog. Lösungsrechts gutgläubiger Erwerber. Ausgangspunkt ist hier die Erkenntnis, dass in zahlreichen Sachverhalten des gutgläubigen Erwerbs zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sowohl die Interessen der ursprünglichen Eigentümer als auch der gutgläubigen Erwerber gleichermaßen schützenswert sind, wenn beide Personen für diese ‚Dilemmasituation‘ gleichsam unschuldig sind. In den Fallkonstellationen des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs hat die Statuierung eines sog. Lösungsrechts zur Folge, dass dem Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Grundsatz auch gegenüber einem gutgläubigen Erwerber ein Anspruch auf Restitution zusteht, jedoch nur bei finanzieller Kompensation der Interessen des gutgläubigen Erwerbers. Damit wird zunächst dem kultur-güterspezifischen Interesse an der Erhaltung und Bewahrung eines konkreten Kulturguts aufgrund der kulturellen Unikatfunktion auch nach dessen unrechtmäßiger Entziehung im Bestand des ursprünglichen Sammlers der Vorzug vor dem Akquisitionsinteresse eines gutgläubigen Erwerbers gewährt.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Die Interessen des Letztgenannten erfüllen sich dementsprechend zwar nicht in dem Behaltendürfen der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter, jedoch wird zumindest eine finanzielle Kompensation des gutgläubigen Erwerbers vorgenommen, da dieser im Prinzip ebenso schutzwürdig ist wie der ursprüngliche Eigentümer. 131
Die früheste Kodifizierung eines Lösungsrechts des gutgläubigen Erwerbers erfolgte in dem französischen Code civil français (CCfr.) aus dem Jahre 1804 (vgl. hierzu ausführlich sogleich unter Punkt A.), welches in der Folgezeit auch in anderen kontinental-europäischen Zivilrechtskodifikationen aufgegriffen wurde. Praktisch wichtige Bedeutung erlangte innerhalb des Rechtsbereichs des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs die auch in der Schweiz getroffene zivilrechtliche Ausgestaltung einer Herausgabepflicht des gestohlenen Gutes bei gleichzeitig kodifiziertem Lösungsrecht eines gutgläubigen Erwerbers (vgl. hierzu ausführlich sogleich unter Punkt B.). Nachdem noch ein kursorischer Überblick über weitere nationale Ausgestaltungsvarianten eines Lösungsrechts unter Punkt C. gegeben wird, wird sich der Diskurs unter Punkt D. kulturgüterspezifischen Ausgestaltungsvarianten eines kulturellen Lösungsrechts zugunsten eines restitutionsverpflichteten Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter widmen: in Form der ‚payment of just compensation‘ nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970, mittels der ‚payment of fair and reasonable compensation‘ nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 sowie in Form einer ‚angemessenen Entschädigungszahlung‘ nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 innerhalb des innereuropäischen Kulturgüterverkehrs.
A. ‚Droit de remboursement‘ innerhalb der französischen Rechtsordnung 132
Das französische Zivilrechtsregime folgt dem Konsensprinzip des römischen Rechts, sodass bereits allein durch den Kaufvertrag eine Übertragung dinglicher Rechte an beweglichen Gegenständen erfolgt.331 Innerhalb der Frage nach dem gutgläubigen Erwerb gilt der Grundsatz „en fait de meubles la possession vaut titre“, der in Art. 2279 Abs. 1 des Code civil français positiv-rechtliche Ausgestaltung fand. Damit setzt die Vorschrift die Wirkungen des unmittelbaren Besitzes mit denen des Eigentums gleich. Folglich kann sich der Besitzer gegenüber dem vindizierenden Eigentümer auf den Besitz als ‚titre d’acquisition‘, d.h. als Erwerbsgrund, berufen, was zum Ausschluss der Fahrnisverfolgung gegen den
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Lalive, Sur le régime des objets d’art volés en droit international privé, in: Matscher/SeidlHohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 51–69, S. 58.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
141
Erwerber führt, wenn dieser gutgläubig handelte und davon ausgehen durfte, dass er mit dem Veräußerer als Berechtigter kontrahierte.332 Art. 2279 Abs. 1 ermöglicht somit den sofortigen gutgläubigen Eigentumserwerb an beweglichen Sachen vom Nichtberechtigten kraft Gesetzes.333 Erlangt der Erwerber qualifizierten Besitz, so ersetzt dieser nicht nur das fehlende Eigentum des Veräußerers, sondern heilt auch Mängel im Veräußerungsgeschäft.334 Voraussetzung ist lediglich, dass der Erwerber eine possession réelle (die tatsächliche Sachherrschaft verbunden mit Eigenbesitzwillen) erlangt hat,335 sodass die Vereinbarung eines Besitzkonstituts mit dem Veräußerer nicht ausreicht.336 „Die Gutgläubigkeit des Erwerbers wird vermutet (Art. 2268 fCC). Das französische Recht geht zunächst davon aus, dass es auf die Überzeugung des Erwerbers, die Sache vom Eigentümer zu erwerben, ankommt. Unkenntnis vom fehlenden Eigentum des Veräußerers schützt den Erwerber nach der Rechtsprechung jedoch dann nicht, wenn die Umstände des Erwerbs bei ihm Zweifel am Eigentum des Veräußerers hätten aufkommen lassen müssen. Der Beweis für das Vorliegen solcher Umstände obliegt dem Kläger.“ 337 Die Vermutung der Gutgläubigkeit kann erst als widerlegt angesehen werden, wenn „unübersehbare Anhaltspunkte gegen die Berechtigung des Veräußerers sprechen“.338 Aber auch bei Vorliegen verdächtiger Umstände gilt der Erwerber als gutgläubig, wenn er nachweisen kann, dass er ausreichende Informationen über den Veräußerer und die Eigentumsverhältnisse eingeholt hatte.339 Darüber hinaus muss es sich um fehlerfreien Besitz handeln. Dieses Erfordernis findet seine gesetzliche Grundlage in Art 2229 des Code civil français, wonach „il faut une possession continue et non interrompue, paisible publique, non équivoque et à titre de
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Vgl. ausführlich hierzu Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, 1996, S. 41–46. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. Vgl. Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 114, sich darauf berufend auch Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. Vgl. Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 138; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 106–107. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62, unter Berufung auf Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 135–136. Vgl. Kegel/Drobnig/Ferid, 1997: Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht, 1999, S. 337. So Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62, unter Verweis auf Kegel/Drobnig/Ferid, 1997: Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht, 1999, S. 332 m.w.N.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
propriétaire“.340 Liegen diese Voraussetzungen vor kann der Erwerber auch bei (späterem) unfreiwilligem Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft die zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter innerhalb der französischen Rechtsordnung nicht nur von Dritten, sondern auch vom ursprünglichen Eigentümer herausverlangen.341 134
Eine Ausnahme vom gutgläubigen Erwerb nach der Grundregel des Art. 2279 Abs. 1 besteht innerhalb der französischen Rechtsordnung jedoch nach Art. 2279 Abs. 2 des Code civil français für den Fall, dass der (kulturelle) Gegenstand dem Eigentümer unfreiwillig entzogen („dessaisissement involontaire“) wurde:
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Art. 2279 Abs. 2 Code civil français: Néanmoins, celui qui a perdu ou auquel il a été volé une chose peut la revendiquer pendant trois ans à compter du jour de la perte ou du vol, contre celui dans les mains duquel il la trouve ; sauf à celui-ci son recours contre celui duquel il la tient.
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Danach muss auch der gutgläubige Erwerber das zuvor unrechtmäßig entzogene Kulturgut während einer Frist von drei Jahren an den ursprünglichen Eigentümer wieder herausgeben 342 (für einen bösgläubigen Besitzer gilt die gewöhnliche 30-jährige Verjährungsfrist für Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 343 nach Art. 2262 des Code civil français 344) 345. Betrügerisch herausgelockte oder veruntreute Sachen gelten jedoch nicht als gestohlen oder abhandengekommen.346 Somit kann auch an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern – 340
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Vgl. auch Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 138; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 107–108, letzterer mit Hinweis auf eine Mindermeinung, die fehlerfreien Besitz nicht als Voraussetzung ansieht. Mängel im Besitz würden nach dieser Ansicht etwa insoweit bedeutsam, als dadurch oft die Gutgläubigkeit ausgeschlossen werde (etwa bei gewaltsam erlangtem Besitz). Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62, unter Berufung auf Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 107 m.w.N. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. So Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. Art. 2262 Code civil français: Toutes les actions, tant réelles que personnelles, sont prescrites par trente ans, sans que celui qui allègue cette prescription soit obligé d’en rapporter un titre ou qu’on puisse lui opposer l’exception déduite de la mauvaise foi. Nach der überwiegenden Rechtsbeurteilung ist der maßgebliche Zeitpunkt dabei allein der Abschluss des Erwerbsgeschäfts, sodass spätere Bösgläubigkeit nach dem Grundsatz ‚mala fides superveniens non nocet‘ unschädlich ist. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. Vgl. Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 139, Fn. 112; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 164.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
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ebenso wie innerhalb der Rechtsordnung Deutschlands – nicht sofort, sondern erst nach Ablauf der genannten dreijährigen Verwirkungsfrist gutgläubig Eigentum erworben werden. Dem Eigentümer steht während dieser Zeit das Recht zur Restitution der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter vom Besitzer zu.347 Die Frist beginnt bereits im Zeitpunkt des Abhandenkommens der Sache und ist aufgrund der Qualifikation als Verwirkungsfrist nicht als Verjährungsregel anzusehen, sodass keine Möglichkeit der Unterbrechung und Verlängerung dieser Frist besteht.348 In dieser systematischen Konstruktion ist auch das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers verankert. Ist der aktuelle Besitzer nach Art. 2279 Abs. 2 des Code civil français zur Restitution eines (Kultur-)Guts verpflichtet, dann bietet ihm das französische Recht für den Fall des Erwerbs unter besonders vertrauenerweckenden, privilegierten Umständen die Möglichkeit, nach Art. 2280 Abs. 1 ein Lösungsrecht (sog. ‚droit de remboursement‘) zu erwerben,349 wodurch die genannte Herausgabepflicht des gutgläubigen Erwerbers während der Dauer von drei Jahren wieder eingeschränkt wird.350
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Art. 2280 Code civil français: (1) Si le possesseur actuel de la chose volée ou perdue l’a achetée dans une foire ou dans un marché, ou dans une vente publique, ou d’un marchand vendant des choses pareilles, le propriétaire originaire ne peut se la faire rendre qu’en remboursant au possesseur le prix qu’elle lui a coûté. (2) Le bailleur qui revendique, en vertu de l’article 2332, les meubles déplacés sans son consentement et qui ont été achetés dans les mêmes conditions doit également rembourser à l’acheteur le prix qu’ils lui ont coûté.
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Wurde ein gestohlener oder abhandengekommener Gegenstand auf einer Messe („foire“) oder einem Markt („dans un marché“), bei einer öffentlichen Versteigerung („dans une vente publique“) oder bei einem Kaufmann, der mit Waren dieser Art handelt („d’un marchand vendant des choses pareilles“), (d.h. im Handelsverkehr) erworben, ist zwar kein sofortiger gutgläubiger Erwerb möglich, doch wird dem Erwerber während der Verwirkungsfrist ein Lösungsrecht eingeräumt, während dessen er die Sache dem Eigentümer nur gegen Erstattung des von ihm geleisteten Kaufpreises herausgeben muss.351 Das Institut des ‚droit de
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
remboursement‘ entsteht somit, wenn, abgesehen von der Tatsache, dass die Sache abhandengekommen war, alle Voraussetzungen für einen sofortigen Erwerb vom Nichtberechtigten erfüllt sind und eine der in Art. 2280 1. Halbs. des Code civil français abschließend aufgezählten privilegierten Erwerbssituationen vorliegt, die generalisierend an besonders vertrauenerweckende Erwerbsumstände anknüpft.352 140
Im Gegensatz zu der deutschen Rechtslage unterfällt dem Tatbestand der „vente publique“, d.h. der öffentlichen Versteigerung, sowohl die freiwillige Versteigerung (vente publique volontaire) als auch die Zwangsversteigerung (vente publique forcée oder saisi execution).353 Innerhalb der Auslegung des Begriffs „marchand vendant des choses pareilles“ ist umstritten, welche Einzelkriterien für die Frage entscheidend sein sollen, ob ein Händlertyp im Sinne des Art. 2280 1. Halbs. des Code civil français vorliegt und was genau unter den „choses pareilles“ zu verstehen ist. Geyrhalter betont primär die Voraussetzung der Öffentlichkeit, wonach nur dann die Händlereigenschaft des Art. 2280 erfüllt ist, wenn dieser seine Geschäfte in der Öffentlichkeit durchführt. „Anhaltspunkte dafür sind die Eintragung ins Handelsregister, ein Firmenschild, ein öffentliches Geschäftslokal etc.“ 354 Ein solcher Händler handelt nur dann mit sog. „choses pareilles“, wenn diese Waren typisch für das Warensortiment eines solchen Händlers sind und dieser Handel auf Dauer angelegt ist. „Sehr streitig ist auch, inwieweit ein „marchand putatif“, also ein Händler, der nur im subjektiven Erleben des Erwerbers vorhanden ist, für Art. 2280 CC fr. ausreicht. Während einige „tout motif sérieux“ für die Einordnung unter Art. 2280 CC fr. als ausreichend erachten, ist nach einer anderen Auffassung die Belastung der rei vindicatio des Eigentümer nach Art. 2279 II CC fr. mit einem Lösungsrecht nur dann gerechtfertigt, wenn tatsächlich diese privilegierenden Erwerbsumstände gegeben sind.“ 355
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Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 2280 des Code civil français kann der Erwerber den von ihm ausgelegten Kaufpreis als geschütztes Lösungsinteresse ersetzt verlangen (sog. remboursement du prix).356 Uneinheitliche Beurteilung erfährt jedoch die Konstellation, in der „die Vindikation gegen einen Rechts-
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. So Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. So Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
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nachfolger geltend gemacht wird, und dieser einen höheren Betrag für die Sache bezahlt hatte als sein Vormann, der das Lösungsrecht zum Entstehen gebracht hatte.“ 357 Zu Recht erkennt die überzeugende Rechtsansicht, dass einem Nachfolger lediglich eine derivative Rechtsposition zusteht. Dementsprechend muss auch hier konsequenterweise auf die erste Veräußerung abgestellt werden, sodass das geschützte Interesse des Nachfolgers nur diesen Betrag umfassen kann. „Eine Ausnahme aus Billigkeitsgründen sieht die französische Rechtsliteratur in dem Fall vor, dass der Rechtsnachfolger einen niedrigeren Kaufpreis bezahlt hat als sein Vorgänger, sodass der Berechtigte in diesem Fall nur den selber ausgelegten Betrag entgegensetzen kann.“ 358
B.
Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber dem gutgläubigen Erwerber gegen Vergütung des von diesem bezahlten Preises innerhalb der Schweizer Rechtsordnung
Auch innerhalb der Schweizer Rechtsordnung359 stellt sich die Frage, ob bzw. wie zuvor unrechtmäßig entzogene Kulturgüter rechtsgültig erworben werden können. Diese Rechtsfrage beurteilt sich zunächst nach den allgemeinen, für sämtliche Mobilien geltenden Regeln des schweizerischen Privatrechts, die seit 1912 im schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) positiv-rechtlich festgehalten sind. In der Schweizer Zivilrechtsordnung erfolgt ein Eigentumstransfer aufgrund rechtswirksamen Vertrages und Inbesitznahme des Vertragsgegenstandes, sodass Kunstund Kulturgüter grundsätzlich durch Übereignung erworben werden, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: ein gültiger Rechtsgrund (zum Beispiel Verkauf, Tausch, testamentarische Verfügung), die Besitzübergabe auf den Erwerber (traditio) und die Verfügungsbefugnis der Übertragenden (Berechtigung zur Veräußerung).360 357
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So Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. Vgl. allgemein zum gutgläubigen Fahrniserwerb innerhalb des Geltungsbereichs des ZGB: bspw. Homberger, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch: in den Grundzügen dargestellt, 1943. In einer kulturgüter-spezifischen Abhandlung: Müller-Chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267–1279, S. 1271–1273. Vgl. Siehr, Rechtsfragen zum Handel mit geraubten Kulturgütern in den Jahren 1933–1950, in: Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und das Recht, Bd. II: Privatrecht, 2001, S. 125–203, Rdnr. 6 ff.; Francini/ Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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Art. 714 ZGB: B. Erwerbsarten, I. Übertragung, 1. Besitzübergang (1) Zur Übertragung des Fahrniseigentums bedarf es des Überganges des Besitzes auf den Erwerber. (2) Wer in gutem Glauben eine bewegliche Sache zu Eigentum übertragen erhält, wird, auch wenn der Veräusserer zur Eigentumsübertragung nicht befugt ist, deren Eigentümer, sobald er nach den Besitzesregeln im Besitze der Sache geschützt ist.
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Nach Art. 714 Abs. 2 sind generell ein gutgläubiger Mobiliarerwerb und damit auch ein Eigentumstransfer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter möglich. Der gutgläubige Käufer von Kunst- und Kulturgütern kann diese unter bestimmten Voraussetzungen rechtsgültig erwerben, auch wenn der Veräußerer zur Eigentumsübertragung nicht berechtigt war (derivativer Erwerb des Nichtberechtigten).361 Das Erfordernis des guten Glaubens ist ähnlich der deutschen Ausgestaltung des § 932 Abs, 2 BGB dann erfüllt, wenn einem Erwerber weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis der Nichtberechtigung seines Veräußerers angelastet werden kann.362 Ebenso wie in der deutschen Rechtsordnung in § 935 BGB ist aber auch innerhalb des Schweizer ZGB beim Handel mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern eine Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhandengekommenen Sachen vorzunehmen.363 Hat der rechtmäßige Eigentümer den Kunstgegenstand einer dritten Person mittels einer freiwilligen Aufgabe des Besitzes anvertraut (bspw. durch eine vertragliche Besitzübertragung an einen Entleiher oder Mieter) und veräußert diese das Kulturgut an einen gutgläubigen Erwerber, so geht das Eigentum nach Art. 933 ZGB auf den Erwerber über.364
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Art. 933 ZGB: 4. Verfügungs- und Rückforderungsrecht, a. Bei anvertrauten Sachen: Wer eine bewegliche Sache in gutem Glauben zu Eigentum oder zu einem beschränkten dinglichen Recht übertragen erhält, ist in seinem Erwerbe auch dann zu schützen, wenn sie dem Veräusserer ohne jede Ermächtigung zur Übertragung anvertraut worden war.
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In den Konstellationen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände ist das Kulturgut in aller Regel entsprechend den Ausführungen zur deutschen Rechtsordnung dem Eigentümer jedoch abhandengekommen, da der unmit361
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Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55; Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55; Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
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telbare Besitzer ohne seinen Willen den Besitz an dem entzogenen Kulturgut verloren hat. In diesen Fällen sieht das schweizerische Recht den Bestandsschutz des Eigentümers als wesentlich an, sodass selbst ein gutgläubiger Erwerber an solchen Mobilien im Grundsatz kein Eigentum begründen kann. Art. 934 Abs. 1 und 3 ZGB: b. Bei abhanden gekommenen Sachen: (1) Der Besitzer, dem eine bewegliche Sache gestohlen wird oder verloren geht oder sonst wider seinen Willen abhanden kommt, kann sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern. Vorbehalten bleibt Artikel 722. (3) Die Rückleistung erfolgt im Übrigen nach den Vorschriften über die Ansprüche des gutgläubigen Besitzers.
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Hat der rechtmäßige Eigentümer eines Kulturgutes somit den Besitz unfreiwillig durch Diebstahl, kriegsbedingte Entziehung, eine formal ‚freiwillige‘ Veräußerung bei gleichzeitiger Drohungs-, Zwangs- oder Gewaltlage bzw. nach einer der Formen der unrechtmäßigen Verstaatlichung verloren, so erwirbt der gutgläubige Erwerber dieses Objekt nach Art. 934 Abs. 1 ZGB erst nach einer Verwirkungsfrist von fünf Jahren.365 Damit ist der Erwerber noch für einen Zeitraum von fünf Jahren der Fahrnis- bzw. Besitzrechtsklage des Eigentümers ausgesetzt, es sei denn, es kommt ein anderer Eigentumserwerb oder aber eine Ersitzung nach Art. 728 ZGB in Frage.366
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Art. 934 Abs. 2 ZGB: b. Bei abhanden gekommenen Sachen: Ist die Sache öffentlich versteigert oder auf dem Markt oder durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt, übertragen worden, so kann sie dem ersten und jedem spätern gutgläubigen Empfänger nur gegen Vergütung des von ihm bezahlten Preises abgefordert werden.
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Eine Spezialregel des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener (kultureller) Güter besteht nach Art. 934 Abs. 2 ZGB wiederum in einer der Situationen des privilegierten Erwerbs in einer öffentlichen Versteigerung, „auf dem Markt“ oder „durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt“: Liegen die Voraussetzungen einer der genannten Situationen vor, besteht nur dann eine Rechtspflicht des gutgläubigen Erwerbers auf Herausgabe der gestohlenen Mobilien gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer, wenn letzterer dem gutgläubigen Erwerber denjenigen Preis zahlt, den dieser selbst für den Erwerb des Gegenstandes zu zahlen hatte.
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Unter die Situation des gutgläubigen Erwerbs abhandengekommener Gegenstände nach einer öffentlichen Versteigerung zählen Zwangsversteigerungen nach dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vom 11. April 1889, Versteigerungen nach dem kantonalen öffentlichen Recht wie bspw. die Versteigerung von Fundgegenständen, aber auch freiwillige private Versteige-
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Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41.
148
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
rungen (im Gegensatz zur deutschen Rechtsordnung, in der nach § 383 Abs. 3 BGB private Versteigerung ausgeschlossen sind), soweit sie öffentlich angekündigt wurden und jedermann die Möglichkeit hatte, mitzubieten, wenn eine behördliche Genehmigung für eine solche Versteigerung erteilt wurde.367 Wurde ein unrechtmäßig entzogenes Kulturgut „auf dem Markt“ übertragen, ist ein Lösungsrecht nur dann gegeben, wenn der jeweilige Marktverkäufer mit Waren der betreffenden Art gewöhnlich handelt. „Daraus folgt, daß die besonders privilegierte Öffentlichkeit dann entfällt, wenn die Sache von einem Trödler oder aber von einem Marktverkäufer erworben wurde, der ansonsten mit andersartigen Sachen handelt. Auch wenn ein Händler von Fall zu Fall bewegliche Sachen, wie z.B. Occasionen von Privaten erwirbt mit der Absicht, diese Mobilien bei Gelegenheit ebenfalls unter der Hand weiter zu verkaufen, fehlt die Voraussetzung eines „Marktes“. Dies ergibt sich daraus, daß es in einem solchen Fall an dem zeitlichen und örtlichen Zusammentreffen einer unbeschränkten Anzahl von Kauf- bzw. Verkaufsangeboten in der Öffentlichkeit fehlt.“368 Wurde ein unrechtmäßig entzogenes Kulturgut von einem Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt, erworben, ist ein Lösungsrecht nur dann gegeben, wenn die als Verkäufer auftretende Partei einen nach kaufmännischen Grundsätzen geführten Geschäftsbetrieb besitzt.369 „Indizien dafür wird man in aller Regel den Bilanzierungen, der Buchhaltung etc. entnehmen können. Es ist erforderlich, daß dieser Kaufmann eine unbestimmte Anzahl von Handelsgeschäften gleichartiger Waren abwickelt, was im Gegensatz zu einem gelegentlichen Handel steht. Doch kann auch ein solcher Verkäufer, der mit den unter 2. aufgeführten Occasionen handelt, unter die strengen Voraussetzungen des „Kaufmanns“ nach Art. 934 II ZGB fallen. Es ist dabei nach richtiger Ansicht nicht von Bedeutung, ob der Verkäufer ein eigenes Verkaufslokal hat, oder ob der „Kaufmann“ diese Tätigkeit nur nebenberuflich ausübt. Ferner ist es für den Privilegierungstatbestand des Art. 934 II ZGB nicht von Belang, ob der Verkäufer im Handelsregister eingetragen ist, weil über Art. 934 II ZGB nicht der gute Glaube an das Handelsregister geschützt werden soll, sondern nur derjenige an die tatsächlichen Voraussetzungen des Erwerbs.“ 370
367
368
369 370
Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41 unter Rekurs auf OG d. Kantons Schaffhausen, in: SJZ 57 (1961) S. 303, OG Kammer v. 25.6.1946 in: ZR 47 Nr. 52; für den Erwerb einer gestohlenen Schreibmaschine auf einem „Occasionenmarkt“. Vgl. Entscheidung des Berner Appellationshofes in: ZBJV 98 S. 236. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
149
Durch die Spezialregel des Art. 934 Abs. 2 ZGB in den genannten privilegierten Situationen des gutgläubigen Erwerbs wird einerseits wirtschaftlich eine Schlechterstellung des gutgläubigen Erwerbers im Rechtsverkehr vermieden, andererseits aber auch dem Interesse des ursprünglichen Eigentümers Rechnung getragen, der bei Kompensation des gutgläubigen Erwerbers einen Rechtsanspruch auf Herausgabe des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts selbst besitzt. Ein solcher qualifizierter Erwerb wird somit insofern privilegiert, als der Besitzer vor Ablauf der fünfjährigen Verwirkungsfrist den Kunstgegenstand nur gegen Erstattung des von ihm bezahlten Preises dem Eigentümer herausgeben muss (Lösungsrecht der Schweizer Rechtsordnung).371 Nach Ablauf der Frist hat der gutgläubige Erwerber das Eigentum erworben und kann auch unrechtmäßig entzogene Kulturgüter auf Dauer behalten.
152
Die Verwirkungsfrist beginnt dabei nicht mit Abschluss des jeweiligen Erwerbsgeschäfts, sondern vielmehr mit dem Zeitpunkt des Abhandenkommens des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts. Die darin normierte Frist wird nach der Rechtsbeurteilung des Zivilgerichts des Kantons Baselstadt 372 als eine Verwirkungsfrist verstanden, weswegen die Vorschriften über den Stillstand und die Unterbrechung von Verjährungen nicht anwendbar sind.373 Entgegen einer früher vertretenen Mindermeinung, wonach der gutgläubige Erwerber einer abhandengekommenen Sache sofort bei der Veräußerung unter der auflösenden Bedingung das Eigentum erwirbt, dass der Eigentümer nicht binnen der fünfjährigen Frist die Herausgabe der Sache verlangt, vollzieht sich der Rechtserwerb erst nach dem Ablauf der genannten Verwirkungsfrist.374 Wird ein Erwerber nach dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts, jedoch vor dem Ablauf der in Art. 934 Abs. 1 ZGB normierten Frist bösgläubig, gilt der Grundsatz mala fides superveniens non nocet und der Eigentumserwerb ist weiterhin möglich.375
153
Obwohl die Regelungen für sämtliche beweglichen Güter im Generellen gelten, wird durch diese Rechtskonstruktion zugleich der Tatsache Rechnung getragen, dass der ursprüngliche Eigentümer in den meisten Fällen nicht an einem wirtschaftlichen Ausgleich interessiert ist, sondern primär ‚sein‘ Kunstwerk als welt-
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371
372 373
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Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55. Vgl. ZG d. Kantons Baselstadt in: SJZ 51 (1955) S. 56. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41.
150
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
weites Unikat in tatsächlicher Sachherrschaft besitzen möchte. Damit wird dem ursprünglichen Eigentümer zwar zunächst die wirtschaftliche Entschädigung des gutgläubigen Erwerbers auferlegt, ersterer andererseits jedoch ‚näher‘ an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut als der gutgläubige Erwerber gesehen und eine freie Wahl ermöglicht: Der Eigentümer kann einerseits die Restitution wählen, den gutgläubigen Erwerber entschädigen und dafür wieder den Besitz des konkret in Frage stehenden Gegenstandes erhalten. Sekundär kann der Eigentümer dann gegen den Dieb bzw. Hehler mit dem Ziel der Schadensersatzzahlung vorgehen. Andererseits kann der Eigentümer auf die Restitution des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts verzichten und direkt gegen den Dieb bzw. Hehler mit dem Ziel der Schadensersatzzahlung vorgehen. Das Lösungsrecht wird damit im besonderen Maße dem kulturgüterspezifischen Interesse an der Restitution der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter in specie aufgrund der kulturellen Unikatfunktion gerecht. Das Interesse des gutgläubigen Erwerbers wird zumindest in finanzieller Hinsicht mittels des Vergütungsanspruchs des von diesem bezahlten Preises geschützt. Über den von dem jeweiligen Erwerber bezahlten Kaufpreis hinaus umfasst das Lösungsrecht nach der überwiegenden Rechtsansicht auch die sog. „Kosten des Vertrags“ und damit bspw. Versteigerungskosten, Beurkundungskosten, Transportkosten, Vermittlungsprovision, Mehrwertsteuern etc. Zahlt der Rechtsnachfolger einen niedrigeren Kaufpreis als sein Vorgänger, kann über Art. 934 Abs. 2 ZGB nur Ersatz dieses niedrigeren Interesses beansprucht werden, weil das Lösungsrecht in der Person des Nachfolgers neu entsteht.376
C. Sonstige Ausgestaltungsvarianten eines Lösungsrechts beim Erwerb unrechtmäßig entzogener (Kultur-)Güter 155
Neben dem ‚droit de remboursement‘ innerhalb der französischen Rechtsordnung in Art. 2280 Abs. 1 des Code civil français und der Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber dem gutgläubigen Erwerber gegen Vergütung des von diesem bezahlten Preises innerhalb der Schweizer Rechtsordnung nach Art. 934 Abs. 2 ZGB als Hauptbeispiele findet sich heute ein sog. Lösungsrecht unrechtmäßig entzogener (kultureller) Güter hauptsächlich in solchen Zivilrechtsordnungen, die entweder die Regelungen des Code civil français in Gänze übernommen haben bzw. in solchen Staaten, die zuvor sehr starke Beeinflussung seitens der französischen Rechtsordnung und deshalb eine ausgeprägte Orientierung am Code Napoléon erfuhren. Die französische Regelung gilt dementsprechend in der umschriebenen Reichweite und in dieser Form bspw. auch in 376
Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 37–41.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
151
Belgien, Luxemburg und Monaco, wobei diese Länder in ihrer Privatrechtsordnung den Code civil français teilweise komplett übernommen haben. So stellt das Lösungsrecht eines gutgläubigen Erwerbers nach Art. 2280 B.W. in Belgien, Art. 2280 Code civil in Luxemburg und nach Art. 2100 Code civil in Monaco die gängige Rechtspraxis dar.377 Auch innerhalb des Common Law-Rechtskreises fand ein an der französischen Ausgestaltung orientiertes Lösungsrecht unrechtmäßig entzogener beweglicher Gegenstände Eingang in nationale Sachenrechtsordnungen. Nach Art. 1489 des Code civil in der Provinz Québec in Kanada 378 und nach Art. 524 des Code civil innerhalb des Bundesstaates Louisiana in den Vereinigten Staaten von Amerika 379 ist die Restitution unrechtmäßig entzogener (kultureller) Güter nur nach Zahlung des vom gutgläubigen Erwerber geleisteten Kaufpreises durch den restitutionsberechtigten Eigentümer möglich. Auch innerhalb des Art. 1301 des portugiesischen Zivilgesetzbuchs fand ein entsprechendes Lösungsrecht positiv-rechtlichen Niederschlag.380 Von rechtsvergleichendem Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass auch im nordischen Rechtskreis innerhalb des schwedischen Lag (1986: 796) om godtrosförvärv av lösöre, in englischer Übersetzung des Good Faith Acquisition of Personal Property Act, sich eine Beispielsvorschrift für ein solches Lösungsrecht findet. Hat ein Erwerber aufgrund seines guten Glaubens Eigentum an zuvor unrechtmäßig entzogenen (kulturellen) Gütern erworben, kann der ursprüngliche Eigentümer die Sache bis zu drei Monaten nach Kenntnis des Erwerbes von dem gutgläubigen Eigentümer auslösen und so wieder selbst Eigentum begründen.381 „D.h., auch wenn der Zweiterwerber gutgläubig nach der schwedischen Regelung Eigentum an einem verbotswidrig ausgeführten Kulturgut erlangen kann, kann der ursprüngliche Eigentümer gegen Wertersatz die Sache wieder herausverlangen, wenn auch nur binnen einer Frist von drei Monaten. Die Höhe
377
378
379
380
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Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 45–46. Vgl. dazu McKenna v. Prieur and Hope, 56 Ontario Law Reports S. 990. Phoenix Assurance Co. v. Laniel, 59 Ontario Law Report S. 55 f. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sich das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers nunmehr in Art. 1714 II des CC Québec von 1994 befindet. Wiedergegeben in: Louisiana Statutes Annotated Civil Code Bd. 3 Art. 520–525, somit findet der Uniform Commercial Code für Louisiana keine Anwendung. Vgl. auch den rechtsvergleichenden Überblick bei Reichelt, International Protection of Cultural Property (Second Study) – La protection internationale des biens culturels (Deuxième étude), Uniform Law Review/Revue de droit uniforme, 1988 I, S. 52 ff., S. 96 ff., sowie allgemein zum Lösungsrecht Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292, S. 273 ff.; Siehr, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Käufers im Internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 83 (1984), S. 100–118, S. 101 ff. Vgl. Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292, S. 284–285.
156
152
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
des Wertersatzes bestimmt sich nach dem für den Erwerb der Sache vom Besitzer aufgewendeten Betrag, begrenzt durch die Höhe des tatsächlichen Marktwertes der Sache. Damit wird dem gutgläubigen Erwerber zwar ein materieller Ausgleich für das nur vorläufig erworbene Eigentum geleistet, er erlangt aber nicht die absolute Vindikationsfestigkeit des gutgläubig erworbenen Eigentums wie etwa nach deutschem Recht.“ 382
§ 5 Ergebnis: Inkorporation eines Lösungsrechts gutgläubiger Erwerber in nationalen Rechtsordnungen 157
Nachdem innerhalb des 2. Abschnitts des 2. Teils zunächst Rechtsordnungen wie diejenigen des Common Law-Rechtskreises und Deutschlands als Beispiele für einen grundsätzlichen Ausschluss eines gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit eng umgrenzten Ausnahmen eines gutgläubigen Erwerbs (bspw. im Wege der öffentlichen Versteigerung kultureller Güter innerhalb Deutschlands) Darstellung fanden, wurde am Beispiel der Sachenrechtsordnung Italiens innerhalb des 3. Abschnitts eine Rechtsordnung präsentiert, die in Art. 1153, 1154 des Codice civile italiano uneingeschränkt einen gutgläubigen Erwerb auch an gestohlenen oder sonstigen unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern ermöglicht. Solche Rechtssysteme priorisieren allein die Interessen eines möglichst uneingeschränkten Wirtschaftsverkehrs (auch mit kulturellen Gütern) und erlauben dementsprechend auch eine bona fide-Akquisition im rechtsgeschäftlichen Warenverkehr an gestohlenen und anderen unrechtmäßig entzogenen (Kultur-)Gütern. Derartige Rechtskonstruktionen zeitigen vornehmlich beim Schutz kultureller Wertgegenstände desaströse Folgen, da eine Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in specie grundsätzlich ausscheidet – wie die Entscheidung Winkworth v. Christie, Manson & Woods Ltd. deutlich zeigte.
158
Wesentlich restitutionsfreudiger sind hingegen solche Rechtsordnungen ausgestaltet, die ein sog. Lösungsrecht als Ausgleich zwischen den Interessen gutgläubiger Erwerber und Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in ihren nationalen Sachenrechtsordnungen integrierten. Beispiele sind das ‚droit de remboursement‘ innerhalb der französischen Rechtsordnung und das Lösungsrecht der Schweizer Rechtsordnung (vgl. zu diesen beiden Ausgestaltungsvarianten Punkte A. bis C. des 4. Abschnitts). Innerhalb des Code civil français bestimmt Art. 2279 Abs. 1 den sofortigen gutgläubigen Eigentumserwerb an beweglichen Sachen vom Nichtberechtigten kraft Gesetzes als Grundregel. Unrechtmäßig entzogene Kulturgüter sind nach Art. 2279 Abs. 2 jedoch „dessaisissement involontaire“, d.h. unfreiwillig entzogen, sodass auch der gutgläubige Erwerber das zuvor unrechtmäßig entzogene Kulturgut während einer Frist von drei Jahren an 382
So Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 152–154.
§ 5 Ergebnis: Lösungsrecht gutgläubiger Erwerber in nationalen Rechtsordnungen
153
den ursprünglichen Eigentümer wieder herausgeben muss. Während für einen bösgläubigen Besitzer die gewöhnliche 30-jährige Verjährungsfrist für Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach Art. 2262 des Code civil français gilt, erwirbt ein gutgläubiger Besitzer eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts nach Art. 2280 Abs. 1 in dem Fall, dass der Erwerb unter besonders vertrauenerweckenden, privilegierten Umständen erfolgte, ein Lösungsrecht (sog. ‚droit de remboursement‘). Wurde ein gestohlener oder abhandengekommener Gegenstand auf einer Messe („foire“) oder einem Markt („dans un marché“), bei einer öffentlichen Versteigerung („dans une vente publique“) oder bei einem Kaufmann, der mit Waren dergleichen Art handelt („d’un marchand vendant des choses pareilles“), (d.h. im Handelsverkehr) erworben, ist zwar kein sofortiger gutgläubiger Erwerb möglich, jedoch wird dem Erwerber während der Verwirkungsfrist von drei Jahren ein Lösungsrecht eingeräumt, während dessen er die Sache dem Eigentümer nur gegen Erstattung des von ihm geleisteten Kaufpreises herausgeben muss. Vergleichbar, wenn auch im Detail abweichend, ist die Rechtskonstruktion innerhalb der Schweizer Rechtsordnung. Nach Art. 714 Abs. 2 ZGB ist generell ein gutgläubiger Mobiliarerwerb und damit auch ein Eigentumstransfer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter möglich. In den Konstellationen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände ist das Kulturgut in aller Regel dem Eigentümer jedoch abhandengekommen, da der unmittelbare Besitzer ohne seinen Willen den Besitz an dem entzogenen Kulturgut verloren hat. In diesen Fällen sieht das Schweizer Zivilrecht den Bestandsschutz des Eigentümers als wesentlich an, sodass selbst ein gutgläubiger Erwerber an solchen Mobilien im Grundsatz kein Eigentum begründen kann. Hat der rechtmäßige Eigentümer eines Kulturgutes somit den Besitz unfreiwillig durch Diebstahl, kriegsbedingte Entziehung, eine formal ‚freiwillige‘ Veräußerung bei gleichzeitiger Drohungs-, Zwangs- oder Gewaltlage bzw. nach einer der Formen der unrechtmäßigen Verstaatlichung verloren, so erwirbt der gutgläubige Erwerber nach Art. 934 Abs. 1 ZGB erst nach einer Verwirkungsfrist von fünf Jahren gutgläubig Eigentum. Das Schweizer Lösungsrecht beim gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener (kultureller) Güter ist schließlich in Art. 934 Abs. 2 ZGB verbürgt und setzt eine der unterschiedlichen Situationen des privilegierten Erwerbs (kultureller) Güter „in einer öffentlichen Versteigerung“, „auf dem Markt“ oder „durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt“ voraus: Liegen die Voraussetzungen einer der genannten Situationen vor, besteht nur dann eine Rechtspflicht des gutgläubigen Erwerbers auf Herausgabe der gestohlenen Mobilien gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer, wenn letzterer dem gutgläubigen Erwerber denjenigen Preis zahlt, den dieser selbst für den Erwerb des Gegenstandes zu zahlen hatte.
159
Die französische und die Schweizer Rechtsordnung und die beiden nationalen Ausgestaltungsvarianten eines Lösungsrechts bei der Restitution unrechtmäßig
160
154
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
entzogener Kulturgüter nahmen sich auch die im Kulturgüterrecht bedeutendsten zwischenstaatlichen Rechtsinstrumente zur Restitution illegal transferierter Kulturgüter zum Vorbild. Wie diese kulturgüterspezifischen Rechtsinstrumentarien eine Umsetzung des Kompromisses zwischen Sacherhaltungsinteresse des ursprünglichen Eigentümers und Erwerbsinteresse des gutgläubigen Erwerbers unrechtmäßig transferierter Kulturgüter in Form eines Lösungsrechtes erreichten, ist Gegenstand der nun folgenden Darstellungen in Punkt D.
D. Kulturgüterspezifische Ausgestaltungsvarianten eines kulturellen Lösungsrechts zugunsten des Restitutionsverpflichteten durch das kulturelle Zuordnungssubjekt innerhalb des internationalen Kulturgüterverkehrs 161
Sowohl mittelbare als auch direkte Einflusswirkung auf die Modifikation und Ausgestaltung nationaler Sachenrechtsregeln innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs haben zur Zeit und werden auch in der Zukunft verstärkt die unterschiedlichen Ausgestaltungsvarianten eines Lösungsrechts des zur Restitution verpflichteten Besitzers oder Eigentümers gegenüber dem rückführungsberechtigten (ursprünglichen) Eigentümer in internationalen Übereinkommen und europäischen Vorgaben haben. Heute ist die kulturgüterspezifische Konstruktion eines Lösungsrechts zugunsten des restitutionsverpflichteten Besitzers illegal transferierter Kulturgüter für den internationalen Kulturgüterverkehr wohl bekannt und fand in Form der ‚payment of just compensation‘ nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970, mittels der ‚payment of fair and reasonable compensation‘ nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 sowie in Form einer ‚angemessenen Entschädigungszahlung‘ nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 innerhalb des innereuropäischen Kulturgüterverkehrs positiv-rechtliche Fundierung.
162
Neben dem Modellcharakter solcher Lösungsrechte für einen Ausgleich zwischen dem Akquisitionsinteresse gutgläubiger Erwerber und einem freien Kulturgüterverkehr auf der einen Seite und dem kulturellen Bestandswahrungsinteresse der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auf der anderen Seite fanden solche Rechtskonstruktionen jedoch speziell zur zivilrechtlichen Regulation dieses Interessenwiderstreites bereits in zahlreichen nationalen Rechtsordnungen normative Umsetzung. So bedurfte die Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 zur Rechtswirksamkeit der nationalen Umsetzung in den europä-
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
155
ischen Mitgliedstaaten und auch die UNESCO-Convention vom 14. November 1970 ist non self-executing und hatte in einigen Rechtsordnungen den Erlass spezieller nationaler Gesetze zur Folge, in denen das kulturelle Lösungsrecht in das innerstaatliche Recht umgesetzt wurde. Da die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 hinreichend präzise ausgestaltet ist, gilt die Pflicht zur Zahlung der ‚payment of fair and reasonable compensation‘ nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 unmittelbar in den Vertragsstaaten. Somit kann das Rechtsinstitut des kulturellen Lösungsrechts nicht mehr als Fremdkörper selbst solcher nationaler Rechtsordnungen verstanden werden, die zuvor kein Lösungsrecht innerhalb ihres Mobiliarsachenrechts kannten. Im Detail sind jedoch zahlreiche Unwägbarkeiten bei der praktischen Applikation einer solchen Rechtskonstruktion erkenntlich.
I.
‚Payment of just compensation‘ nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970
Wenn die Restitutionsvoraussetzungen des Art. 7 (b) (i) erfüllt sind, hat der kulturelle Herkunftsstaat einen Anspruch auf Herausgabe des gestohlenen Gegenstandes gegen den Importstaat. Nach Art. 7 (b) (ii) obliegt es dann dem kulturellen Importstaat, „to take the appropriate steps to recover and return any such cultural property imported after entry into force of this Convention in both States concerned“. Der restitutionspflichtige Vertragsstaat muss nach Art. 13 (c) Klagen „for recovery of lost or stolen items“ zulassen, soweit ein Klageanspruch „consistent with the law of each State“ ist.383 Dabei hat eine Restitution jedoch nur nach einer angemessenen Kompensationszahlung zu erfolgen:384
383
384
Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 152. Vgl. hierzu auch Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 263–264; Wiederkehr-Schuler, Kulturgüterschutz – freier Kunstmarkt: zwei internationale Konventionen: Unidroit und UNESCO 70, 2000, S. 36; Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 58; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 386–387; MüllerKatzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 119–120; O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 154– 155; Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 20; Gordon, The UNESCO Convention on the Illicit Movement of Art Treasures, Harvard International Law Journal, Volume 12 (1971), S. 537–556, S. 550–551; Frigo, La protezione dei beni culturali nel diritto internazionale, 1986, S. 224 und 227; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 87; Williams, The international and national protection of movable cultural
163
156
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
164
Art. 7 UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970: The States Parties to this Convention undertake: … (ii) at the request of the State Party of origin, to take appropriate steps to recover and return any such cultural property imported after the entry into force of this Convention in both States concerned, provided, however, that the requesting State shall pay just compensation to an innocent purchaser or to a person who has valid title to that property. Requests for recovery and return shall be made through diplomatic offices. The requesting Party shall furnish, at its expense, the documentation and other evidence necessary to establish its claim for recovery and return. The Parties shall impose no customs duties or other charges upon cultural property returned pursuant to this Article. All expenses incident to the return and delivery of the cultural property shall be borne by the requesting Party.
165
Nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 sind somit die Vertragsstaaten zu einer Rückführung von i.S.d. Art. 7 (b) (i) unrechtmäßig transferierten Kulturgütern385 an die kulturellen Ursprungsstaaten nur unter der Maßgabe verpflichtet, dass der die Rückführung ersuchende Vertragsstaat einem gutgläubigen Erwerber oder einer Person mit einem gültigen Rechtsanspruch an dem Gut eine angemessene Entschädigung zahlt. Soweit ersichtlich, wurde die aus der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 originierende Kompensationszahlungspflicht des Restitutionsschuldners bisher noch nicht vor nationalen Gerichten hinterfragt, sodass vieles hier noch im Unklaren ist.
1. 166
Frage nach der Kompensationsberechtigung
Äußerst strittig stellt sich die Frage dar, ob nach dieser Vorschrift das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten dem gutgläubigen Käufer, der das von ihm gekaufte Kunstwerk restitutieren muss, auch dann eine angemessene Entschädigung gewähren muss, selbst wenn der Restitutionspflichtige kein Eigentum nach
385
property: a comparative study, 1978, S. 184; Fraoua, Convention concernant les measures à prendre pour interdire et empêcher l’importation, l’exportation et le transfert de propriété illicites des biens culturels (Paris, 1970) – Commentaire et apercu de quelques measures nationals d’exécuion, 1986, S. 78–79; Müller–Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 93; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 154–155; Turner, Die Zuordnung beweglicher Kulturgüter im Völkerrecht, in: Fiedler, Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage: Völkerrechtliche Probleme der Auslagerung, Zerstreuung und Rückführung deutscher Kulturgüter nach dem Zweiten Weltkrieg, 1991, S. 19–108, Fn. 302 m.w.N.; Yapko, The Evolution of American Attitudes and Laws Regarding Ethnic Art and Artifacts: from Cultural Imperialism to Cultural Pluralism, Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Journal 9 (1987), S. 621–659, S. 628; Siehr, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Käufers im Internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 83 (1984), S. 100–118, S. 100 ff. Vgl. Art. 7 lit. b (ii) UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970 bezieht sich dabei nur auf die in Art. 7 lit. b (i) genannten Kulturgüter. Vgl. Turner, Das Restitutionsrecht des Staates nach illegaler Ausfuhr von Kulturgütern, 2002, S. 220; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 92, unter Hinweis auf die französische Fassung.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
157
dem durch die Situs-Regel zur Anwendung berufenen Recht erworben hat.386 Das Problem rankt sich um die richtige Interpretation der Entschädigungszahlungspflicht gegenüber einem „innocent purchaser or to a person who has valid title to that property“ und damit um die korrekte Bestimmung der personalen Kompensationsberechtigung. Fraglich ist, ob nur der Eigentümer oder auch der gutgläubige Erwerber unrechtmäßig transferierter Kulturgüter entschädigungsberechtigt ist. In diesem Problemkreis verbirgt sich die weiter reichende Frage hinsichtlich des Anwendungsbereichs des völkervertraglichen Restitutionsanspruchs, ob Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 nur dann Anwendung finden kann, wenn der restitutionsverpflichtete gutgläubige Käufer eine wirksame Rechtsposition (Eigentumstitel) an dem unrechtmäßig transferierten Kulturgut und der kulturelle Ursprungsstaat keine Restitution nach den nationalen Sachenrechtsvorschriften erlangt hat und damit die Frage, ob Art. 7 (b) (ii) „can be used only where a possessor has valid title against the owner i.e. where the country of origin cannot effect recovery using the property laws of the recipient country“ 387). Innerhalb der Kommentierungen zu Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 finden diese beiden Fragestellungen grundsätzlich zeitgleiche Behandlung und sind nicht immer deutlich voneinander abzugrenzen. Aus der Statuierung einer Entschädigungszahlungspflicht des aktuellen Besitzers „to an innocent purchaser or to a person who has valid title to that property“ könnte geschlossen werden, dass auch derjenige Erwerber, der zwar – nach dem anwendbaren Sachrecht – die dingliche Berechtigung noch nicht erworben hat, jedoch im Zeitpunkt des Erwerbs gutgläubig war, nach der UNESCOConvention vom 14. November 1970 restitutionspflichtig wäre und dementsprechend eine angemessene Entschädigung beanspruchen könnte. Andererseits könnte hier aber auch allein eine von den nationalen Sachenrechtsordnungen zu lösende Fragestellung gegeben sein, da der Eigentümer seine Rechtsposition im Zivilrechtsweg innerhalb des kulturellen Belegenheitsstaates verfolgen könnte und somit der zwischenstaatliche Anspruch aus Art. 7 (b) (ii) der UNESCOConvention vom 14. November 1970 erst gar nicht bestünde. Diese Fragestellung berührt die schwierige Schnittstelle zwischen der Restitutionspflicht nach der Konvention als völkerrechtliches Regelungselement und dem Rekurs auf das
386
387
Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 154–155. Kritisch bzgl. der unvollständigen Weise, auf die Art. 7 (b) (ii) der UNESCOConvention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970 das Herausgabeverlangen regelt, Frigo, La protezione dei beni culturali nel diritto internazionale, 1986, S. 218 und 225; Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’oeuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 100. Vgl. O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
nationale Sachrecht: “Here the Convention reaches into domestic rules as to transfer of property. It is somewhat unfortunate that more detailed consideration was not given to this problem by property lawyers in all the major national systems when this Article was drafted, for it has given rise to problems for several of them.” 388 Zunächst zu der Frage der Applikation des Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 in den Fällen, in denen der Restitutionsverpflichtete nur Besitzer und nicht Eigentümer des unrechtmäßig transferierten Kulturguts wurde. Hier ist zu entscheiden, ob sich Art. 7 (b) (ii) nur auf jene Fälle bezieht, in denen der anspruchserhebende Vertragsstaat die Rückgabe des Kulturgutes nicht ohnehin gestützt auf das anwendbare Sachrecht durchsetzen, sondern der Erwerber diesem Anspruch die bereits erworbene eigene dingliche Berechtigung entgegenhalten kann, oder ob die Vorschrift auch die Konstellationen erfasst, in denen aufgrund der unrechtmäßigen Entziehung der gutgläubige Erwerber keine Eigentumsposition erlangte und eine Restitution bereits aufgrund des nationalen Sachenrechts möglich ist. 168
Eine Ansicht, die sich auf die Ausführungen Gordons zu „The UNESCO Convention on the Illicit Movement of Art Treasures“ stützt, ist der Meinung, dass sich Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 nur auf jene Fälle beziehe, in denen der anspruchserhebende Vertragsstaat die Rückgabe des Kulturgutes nicht ohnehin gestützt auf das anwendbare Sachrecht durchsetzen, sondern der Erwerber diesem Anspruch die bereits erworbene eigene dingliche Berechtigung entgegenhalten könne.389 “The convention would not be needed in a situation in which the original owner could recover his property without payment of any compensation. Its only use would be in a situation in which the possessor has valid title as against the original owner. … Thus, the recovery provisions should be read as supplementing, not replacing, existing methods of returning stolen property to rightful owners.” 390 Diese Beurteilung findet Unterstützung in der Kommentierung von Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 bei Williams: “It has been submitted that this article would only be used in a case where the possessor has valid title as against the original owner. The Convention would not be needed if the original owner could recover his property without paying compensation. This view is, in fact, supported by article 7 (b) (ii), which clearly makes the procedure optional. It is only to be used when the state of origin that is a party to the Convention cannot recover under the property laws of the requested state. These provisions are therefore 388
389
390
So O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. Vgl. auch die Darstellung bei Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 263–264. So Gordon, The UNESCO Convention on the Illicit Movement of Art Treasure, Harvard International Law Journal, Volume 12 (1971), S. 537–556, S. 550–551.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
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supplemental to existing methods of recovery.” 391 Diese Rechtsansicht findet ihre Rechtfertigung darin, dass andernfalls mittels der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 eine Benachteiligung des anspruchsberechtigten Vertragsstaates in Bezug auf die Rückforderung eines Kulturgutes eingeführt werde, da dem herausgabepflichtigen Besitzer einer sonstigen beweglichen Sache keine Entschädigung zustehen würde. „Aus diesem Grund sei die Bestimmung in dem Sinne auszulegen, dass der anspruchserhebende Vertragsstaat nur dann eine Entschädigung zu leisten habe, wenn er nicht ohnehin die Rückforderung des Kulturgutes geltend machen könne.“ 392 Diese Beurteilung findet bei O’Keefe folgende eingängliche Erläuterung: “Gordon, with whom Williams agrees, considers that Article 7 (b) (ii) can be used only where a possessor has valid title against the owner i.e. where the country of origin cannot effect recovery using the property laws of the recipient country. He states that recovery provisions should be read as supplementing, not replacing, existing methods of returning stolen property to rightful owners.” 393 So wäre Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 auch auf die privatrechtliche Herausgabeklage des Eigentümers anwendbar. Zunächst einmal sollte dem Gedanken der Nichtapplikation von Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 in den Fällen, in denen mit den Mitteln des nationalen Zivilrechts der Eigentümer seine dingliche Rechtsposition auch gegenüber einem gutgläubigen Käufer nach unrechtmäßigem Transfer in einen Mitgliedstaat der Konvention verfolgen kann, nicht gefolgt werden. Richtig ist, dass die UNESCO-Convention vom 14. November 1970 bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einen Restitutionsanspruch auch gegenüber dem bloßen Besitzer unrechtmäßig transferierter Kulturgüter gewährt, auch wenn zusätzlich die Möglichkeit der Rechtsverfolgung nach den nationalen Sachenrechtsregeln besteht. Dieser Ansatz findet auch innerhalb der Rechtsdogmatik breite Unterstützung: Sowohl Fraoua 394 als auch Frigo 395 kamen in ihren im Jahre 1986 erfolgten Untersuchungen der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 zu dem Ergebnis, dass Art. 7 (b) (ii) eine zusätzliche Restitutionsmöglichkeit neben den bereits bestehenden nationalen Sachenrechtsregeln gewährt, die nach ihren Rechtsgrundsätzen ‚lebt‘. Weder ist ein Ausschluss der UNESCO-Convention beim Vorliegen zivilrechtlicher Restitutionsmöglich-
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So Williams, The international and national protection of movable cultural property: a comparative study, 1978, S. 184. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 263–264. O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. Vgl. Fraoua, Convention concernant les measures à prendre pour interdire et empêcher l’importation, l’exportation et le transfert de propriété illicites des biens culturels (Paris, 1970) – Commentaire et apercu de quelques measures nationals d’exécuion, 1986, S. 78–79. Vgl. Frigo, La protezione dei beni culturali nel diritto internazionale, 1986, S. 224.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
keiten, noch würde das Ziel der Konvention, die Wiedererlangung wertvollen Kulturguts zu erleichtern, erreicht, wenn die auf der Eigentumsposition ruhende zivilrechtliche Restitutionsmöglichkeit bei grundsätzlicher Anwendbarkeit der UNESCO-Convention ausgeschlossen wäre. Für den deutschsprachigen Rechtskreis stellte dies zuerst Knott in seinen Untersuchungen zur Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts fest: „Art. 7 (b) (ii) ist jedoch nicht von solcher Bedeutung, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Diese Norm ist nämlich nicht auf … privatrechtliche Herausgabeklage des Eigentümers anwendbar. Sie muß vielmehr im Zusammenhang mit dem durch Art. 7 (b) (ii), 13 (c) im Übereinkommen selbst vorgesehenen besonderen Rückerstattungsverfahren gesehen werden, das allein zwischen den Vertragsstaaten abgewickelt wird [Vgl. Art. 7 (b) (ii) S. 2 der UNESCO-Convention vom 14. November 1970]. Es bleibt dem Eigentümer, ob Staat oder Privatmann, unbenommen, eine privatrechtliche Herausgabeklage vor den Gerichten des Importstaats zu erheben und das Kunstwerk ohne die Pflicht, eine Entschädigung zahlen zu müssen, zurückzugewinnen, falls das auf den Eigentumserwerb anwendbare Recht eine solche Zahlungspflicht nicht vorsieht. Beide Möglichkeiten, die Herausgabe zu bewirken, stehen also selbständig nebeneinander.“ 396 Dem folgte später auch Müller-Katzenburg: „Auf die umstrittene Auslegung und entsprechende Umsetzung der Entschädigungsregelung in Art. 7 (b) (ii) kommt es aber letztendlich nicht an, weil das besondere Restitutionsverfahren nach der UNESCO-Konvention eine zivilrechtliche Herausgabeklage nicht ausschließt. Dem Eigentümer, egal ob Staat oder Privatperson, bleibt es also unbenommen, seine Sache auf diesem Weg ohne die Zahlung einer Entschädigung von dem Besitzer zurückzuverlangen, falls das anwendbare Sachrecht das so vorsieht.“ 397 170
Gegensätzliche Beurteilung erlangte in der Folge jedoch weiterhin die Frage nach der Kompensationsberechtigung des gutgläubigen Besitzers, dem aufgrund der nationalen Sachenrechtsregeln im Kulturgüterverkehr jedoch keine Eigentumsposition an dem Kulturgut erwuchs. Knott spricht dem gutgläubigen Käufer unrechtmäßig transferierter Kulturgüter die in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 normierte Kompensationsberechtigung auch dann zu, wenn der Restitutionsschuldner nur den Besitz erworben hat und nach der durch die lex rei sitae bestimmten Rechtsordnung keinen Eigentumstitel erwerben
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Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 154–155, unter Berufung auf Frigo, La protezione dei beni culturali nel diritto internazionale, 1986, S. 224–225; Williams, The international and national protection of movable cultural property: a comparative study, 1978, S. 184; Gordon, The UNESCO Convention on the Illicit Movement of Art Treasures, Harvard International Law Journal, Volume 12 (1971), S. 537–556, S. 550–551; Yapko, The Evolution of American Attitudes and Laws Regarding Ethnic Art and Artifacts: from Cultural Imperialism to Cultural Pluralism, Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Journal 9 (1987), S. 621–659, S. 628. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 93.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
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konnte.398 Danach wäre für den gutgläubigen Erwerber anders als für den Besitzer mit wirksamem Eigentumstitel im zweiten Halbsatz der Vorschrift kein Titelerwerb vonnöten, sodass eine Entschädigung auch dann zu gewähren sei, wenn nach der lex rei sitae trotz Gutgläubigkeit kein Eigentumserwerb stattgefunden habe.399 Innerhalb des Rechtskreises des Common Law genieße ebenso wie innerhalb der deutschen Rechtsordnung außerhalb der Ausnahme des § 935 Abs. 2 BGB der gutgläubige Käufer von Kulturgut dann mehr Schutz als der Erwerber anderer beweglicher Sachen, der den Gegenstand, ohne entschädigt zu werden, zurückgeben müsse.400 „Dies ist ein Paradox, wenn man bedenkt, daß das Übereinkommen den Schutz des gutgläubigen Käufers einschränken wollte. Infolgedessen erscheint es befremdlich, wenn der Herkunftsstaat für die Herausgabe eines inventarisierten Stücks eine Entschädigung bezahlen soll, ein viel unbedeutenderes Werk jedoch durch die privatrechtliche Herausgabeklage zurückerlangen kann. Der gutgläubige Käufer von bedeutenden Werken ist nämlich nicht so schutzbedürftig.“ 401 Knott begründet dies jedoch damit, dass die zivilrechtliche Klage ein unsicherer Weg zur Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sei, weil der Anspruch ausgeschlossen ist, wenn ein wirksamer Eigentumserwerb nach einer der anwendbaren leges rei sitae erfolgt war. Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 sei also für den kulturellen Herkunftsstaat vorteilhafter als eine zivilrechtliche Herausgabeklage.402 „Dieser Vorteil hat die Entschädigungspflicht zum Preis.“ 403 Die von Fraoua 404 und Turner 405 artikulierte Gegenansicht spricht sich nur dann für eine Kompensationsberechtigung des Restitutionsverpflichteten aus, wenn 398
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Vgl. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 20; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 154–155. Vgl. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 20. Vgl. UNESCO Doc. SHC/MD/5, Annex I, S. 23 (1970); Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 154–155; Merryman/Elsen, Law, Ethics and the Visual Arts, 4. Aufl. 2004, S. 96; Schneider, Plunder or Excavation?: Observations and Suggestions on the Regulation of Ownership and Trade in the Evidence of Cultural Patrimony, Syracuse Journal of International Law and Commerce 9 (1982), S. 1–19, S. 10. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 154–155. Vgl. auch Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 20. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 154–155. Vgl. Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, 1985, S. 177. Vgl. Turner, Die Zuordnung beweglicher Kulturgüter im Völkerrecht, in: Fiedler, Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage: Völkerrechtliche Probleme der Auslagerung, Zerstreuung und Rückführung deutscher Kulturgüter nach dem Zweiten Weltkrieg, 1991, S. 19–108, S. 223.
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dieser im Wege des illegalen Transfers nach den nationalen Sachenrechtsvorschriften rechtswirksam gutgläubig Eigentum an den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern erworben hatte, und sieht dementsprechend einen Titelerwerb als notwendige Voraussetzung für eine faire Ausgleichszahlung des Restitutionsgläubigers an. Entschädigungsberechtigt soll nach Sinn und Zweck der Vorschrift somit nur derjenige sein, der als gutgläubiger Erwerber oder auf sonstige Weise nach der jeweils maßgeblichen lex rei sitae einen Eigentumstitel im Wege des originären oder derivativen Erwerbs erlangt hatte.406 Denn nur in solchen Konstellationen des Erwerbs eines Eigentumstitels seitens des Restitutionsverpflichteten stelle der für die Rückführung notwendige Entzug des Kulturguts einen hoheitlichen Eingriff dar, der zur Entschädigung verpflichte.407 „Eine Ausdehnung des Gutglaubensschutzes [auch auf den gutgläubigen Besitzerwerber] steht aber in klarem Widerspruch zum Ziel der Konvention, die Wiedererlangung wertvollen Kulturguts zu erleichtern. Hintergrund der Entschädigungsvorschrift war vielmehr, den kontinentaleuropäischen Staaten entgegenzukommen, in deren Rechtssystemen der gutgläubige Erwerber – zumindest nach einer gewissen Zeitspanne – Schutz genießt und deren Verfassungen eine entschädigungslose Enteignung regelmäßig nicht zulassen. Eine Entschädigungspflicht entsteht somit nur, wenn der gutgläubige Besitzer auch einen rechtswirksamen Titel erworben hat.“ 408 172
Es erscheint fraglich, wie eine Lösung dieser Problematik herbeizuführen ist. Eine ausdrückliche Wertentscheidung nahm schon die vor Beginn des Zweiten Weltkriegs erarbeitete Vorgängerversion der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 vor, die Draft International Convention for the Protection of National Collections of Art and History aus dem Jahre 1939 des Office international des musées (OIM), die jedoch aufgrund der Kriegswirren keiner endgültigen Regelung zugeführt werden konnte. Hinsichtlich des Lösungsrechts formulierte die Draft Convention aus dem Jahre 1939 wie folgt:
173
A bona fide purchaser shall be ordered to surrender an object only against compensation to be paid in advance by the claimant State when the domestic law of the country to which the claim is addressed allows the said possessor either to retain the object or to demand compensation.409
174
Danach wäre nur derjenige Restitutionsverpflichtete kompensationsberechtigt gewesen, wenn die nationalen Zivilrechtsregeln desjenigen Staates, an den das 406
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Vgl. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 20. Vgl. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 20. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 20, unter Berufung auf Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, S. 749. O.I.M. 102–1939, Art. 8 (1) (a), zitiert bei O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
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Restitutionsbegehr herangetragen wurde, dem restitutionsverpflichteten Besitzer das Recht zuwiesen, die unrechtmäßig transferierten Kulturgüter zu behalten oder bei einer Herausgabepflicht eine Entschädigung zu verlangen. Auch der sog. original Secretariat draft formulierte deutlicher und verlangte von den Staaten, „to make provision in their respective national laws for the possibility of dispossessing, for reasons of public utility, and with an advance payment of fair compensation corresponding to the purchase price, bona fide possessors of cultural property illicitly imported since [sic] the entry into force of this Convention and claimed by the State of origin, the cost of compensation to the possessor to be borne by that State.“ 410 Unproblematisch stellte sich die Frage nach der Kompensationsberechtigung bspw. auch innerhalb der nationalen Umsetzungsakten von Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 dar. Die Vorschrift wurde bspw. durch Sec. 310 (a), (c) des Convention on Cultural Property Implementation Act vom 12. Januar 1983 in das innerstaatliche amerikanische Bundesrecht umgesetzt. Der Verfall eines nach Sec. 308 illegal importierten Kulturguts soll nach Sec. 310 (c) (1) nicht angeordnet werden, ohne dass der Herkunftsstaat an einen Besitzer, der nachweist, dass er nach dem anwendbaren Recht Eigentum erworben hat, eine angemessene Entschädigung zahlt.
175
Sec. 310 (c) (1) des Convention on Cultural Property Implementation Act vom 12. Januar 1983: In any action for forfeiture under this section regarding an article of cultural property imported into the United States in violation of section 308, if the claimant establishes valid title to the article, under applicable law, as against the institution from which the article was stolen, forfeiture shall not be decreed unless the State Party to which the article is to be returned pays the claimant just compensation for the article. In any action for forfeiture under this section where the claimant does not establish such title but establishes that it purchased the article for value without knowledge or reason to believe it was stolen, forfeiture shall not be decreed unless – (A) the State Party to which the article is to be returned pays the claimant an amount equal to the amount which the claimant paid for the article, or (B) the United States establishes that such State Party, as a matter of law or reciprocity, would in similar circumstances recover and return an article stolen from an institution in the United States without requiring the payment of compensation.
176
Die Höhe der Entschädigung richtet sich danach, ob der gutgläubige Käufer tatsächlich Eigentum erworben hat oder nicht. Während im ersten Fall eine angemessene Entschädigung gezahlt werden muss, ist im zweiten Fall nur ein dem Kaufpreis, den der Besitzer bezahlt hat, entsprechender Betrag zu gewähren.411 Auch innerhalb der Schweizer Rechtsordnung ist ein Restitutionsverpflichteter nur dann kompensationsberechtigt, wenn er an dem unrechtmäßig transferierten Kulturgut gutgläubig Eigentum erworben hatte.
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UNESCO Doc. SHC/MD/3 Annex, 4, Art. 10 (d). Wiedergegeben bei O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 87.
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Art. 9 Abs. 5 und 6 des Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003: (5) Wer das Kulturgut in gutem Glauben erworben hat und es zurückgeben muss, hat im Zeitpunkt der Rückführung Anspruch auf eine Entschädigung, die sich am Kaufpreis und an den notwendigen und nützlichen Aufwendungen zur Bewahrung und Erhaltung des Kulturguts orientiert. (6) Die Entschädigung ist vom klagenden Staat zu entrichten. Bis zur Bezahlung der Entschädigung hat die Person, die das Kulturgut zurückgeben muss, ein Retentionsrecht an diesem.
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Die Entschädigung ist nach Art. 9 Abs. 5 des Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003 nur dann zu leisten, wenn der Erwerber „in gutem Glauben erworben“ hat, sodass die Erfordernisse von Art. 3 ZGB erfüllt sein müssen. Das Problem der Kompensationsberechtigung stellt sich dementsprechend innerhalb des Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003 nicht, da sich die Vorschrift des Art. 9 am Rückforderungsrecht des Zivilrechts nach Art. 934 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 933 Abs. 1 ZGB sowie an den obligationenrechtlichen Ansprüchen aus Rechts- oder Sachmängelgewährleistung nach Art. 195 Abs. 1 Ziff. 2 OR und Art. 208 Abs. 2 OR orientiert. Diese Angleichung verhindert eine Konkurrenzsituation zwischen den Rechtsbehelfen sowie eine Ungleichbehandlung von klagendem ausländischen Staat und inländischem Kläger.412 Undeutlich bleibt dabei die deutsche Umsetzung der Kompensationspflicht innerhalb des Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 18.5.2007 413, sodass eine Klärung der Streitfrage durch die nationalen Gerichte von Interesse sein wird. Es spricht aber auch einiges dafür, dass auch derjenige kompensationsberechtigt ist, der keinen Titel erworben hat.
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§ 10 Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 18.5.2007: Entschädigung (1) Der Rückgabeschuldner ist zur Rückgabe nur Zug um Zug gegen eine angemessene Entschädigung verpflichtet, wenn nicht der ersuchende Staat nachweist, dass dem Rückgabeschuldner bei Erwerb des Kulturgutes die unrechtmäßige Verbringung aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staats bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe ist die Entziehung der Nutzung des Kulturgutes unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Rückgabeschuldners zu berücksichtigen. Für entgangenen Gewinn und für sonstige Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entzug der Nutzung stehen, ist dem Rückgabeschuldner eine Entschädigung zu zahlen, wenn und
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413
Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 40–41; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 274–277. BGBl. I 2007 Nr. 21 vom 23.5.2007.
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insoweit dies zur Abwendung oder zum Ausgleich einer unbilligen Härte geboten erscheint. (2) Die Entschädigung ist von dem ersuchenden Staat zu entrichten. (3) Sichert der ersuchende Staat schriftlich zu, dass die Rechte des Rückgabeschuldners an dem Kulturgut durch die Rückgabe nicht berührt werden, so hat er diesem nur die Kosten zu erstatten, die ihm daraus entstanden sind, dass er darauf vertraut hat, das Kulturgut im Bundesgebiet belassen zu dürfen. (4) Ist das zurückzugebende Kulturgut dem Rückgabeschuldner geschenkt, vererbt oder vermacht worden, so fallen ihm die Sorgfaltspflichtverletzungen des Schenkers oder Erblassers zur Last.
2.
Kompensationsberechtigung auch bösgläubiger Erwerber?
Die UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property vom 14. November 1970 unterscheidet in Art. 7 (b) (ii) hinsichtlich der zu einer Kompensation berechtigten Person zwischen einerseits einem gutgläubigen Erwerber und andererseits einer Person mit einem gültigen Rechtsanspruch an dem Gut. Diese Unterscheidung lässt somit rechtstheoretisch die Möglichkeit einer Kompensationszahlungspflicht des zur Restitution berechtigten Ursprungsstaats auch an einen bösgläubigen Erwerber zu, solange dieser das Eigentum oder einen sonstigen gültigen Rechtsanspruch an dem Gut erlangte. Eine derartige Rechtslage ist aus der Fallkonstellation Attorney General of New Zealand v. Ortiz 414 bekannt, in der sich englische Gerichte mit dem Restitutionsbegehr zuvor illegal exportierter Kulturgüter auseinanderzusetzen hatten. Maorische Holzschnitzereien wurden ohne rechtmäßige Ausfuhrgenehmigung im Jahre 1973 aus Neuseeland exportiert, nach New York transferiert und an den Erwerber George Ortiz veräußert. Wie Richter Lord Denning in seiner Sachverhaltsdarstellung feststellte, erläuterte der Veräußerer dem Erwerber Ortiz, dass „it had been exported from New Zealand without a permit but nevertheless he was the owner of it and could pass a good title to it.“ 415 Die Holzschnitzerei sollte später bei Sotheby’s versteigert werden, doch aufgrund des neuseeländischen Restitutionsbegehrens nahm Sotheby’s diese aus der Versteigerung des 29. Juni 1978 heraus, sodass die englischen Gerichte darüber entscheiden konnten, ob die Regierung Neuseelands noch immer als Eigentümer der zuvor unrechtmäßig ohne Ausfuhrgenehmigung exportierten Kulturgüter anzusehen war. Diese Sachverhaltskonstellation stellt somit ein Beispiel dafür dar, dass ein Erwerber zwar Eigentümer der illegal transferierten Kulturgüter werden kann, jedoch nicht als gutgläubig i.S.v. Art 7 (b) (ii) UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property vom 14. November 1970 zu gelten braucht. Im konkreten Fall hätte – bei hypothetischer Anwendbarkeit der Konvention – dem Erwerber George Ortiz die 414 415
Attorney General of New Zealand v. Ortiz, (1982) 2 WLR 10 (QB), (1984) 1 AC, 1 (CA, HL). Attorney General of New Zealand v. Ortiz, (1982) 2 WLR 10 (QB), (1984) 1 AC, 1 (CA, HL).
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Zahlung eines Kompensationsanspruchs bei Rückführung der Maorischnitzerei an den die Restitution fordernden Staat Neuseeland zugestanden, obwohl er nicht als gutgläubig zu bezeichnen gewesen wäre.
3. 182
Angemessene Höhe der Entschädigungszahlung
Da das unrechtmäßig transferierte Kulturgut an den kulturellen Ursprungsstaat unabhängig von den sachenrechtlichen Eigentumsverhältnissen zu restituieren ist, kommt die Rückführung nach Art 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention einer Enteignung gleich,416 sodass ein billiger Ausgleich zu suchen ist.417 Die Convention bestimmt die Zahlung einer „just compensation“ 418, d.h. einer angemessenen Entschädigung. Unklar ist jedoch auch im Anwendungsbereich der Konvention, was unter dem Begriff der angemessenen Entschädigung zu verstehen ist, wie sich somit die Höhe derselben bemisst und welche Kostenpunkte überhaupt darunter zu subsumieren sind.419 Zieht man die teilweise inflationär und sich erstaunlich schnell ereignenden Preissteigerungen kultureller Güter 420 in die 416
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Vgl. Droz in Council of Europe (Legal Affairs), International legal protection of cultural property – proceedings of the 13. Colloquy on European Law, Delphi, 20.–22. Sept. 1983, S. 125; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 179. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 179. Vgl. zu dieser Frage auch Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, 1985, S. 171–172; Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, S. 751–752; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 179; Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292, S. 288; Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, 1985, S. 171–172; Byrne-Sutton, Le trafic international des biens culturels sous l’angle de leur revendication par l’Etat d’origine, 1988, S. 243; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 210–211; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 274–277; Wiederkehr-Schuler, Kulturgüterschutz – freier Kunstmarkt: zwei internationale Konventionen: Unidroit und UNESCO 70, 2000, S. 37; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 27–29. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 263–264. “The rise in value of an object once it comes on the international art market can be seen from two cases. For example, in 1972 a Maori dug up some carvings which had been buried by a member of one of the tribes in the Taranaki region of New Zealand in the 1820s or 1830s. He sold it to a visiting English dealer Entwhistle, for NZ $6,000. Entwhistle took them to New York without applying for a New Zealand export permit and sold them to Ortiz for US$65,000. Some five years later Ortiz consigned them to Sotheby’s for sale. They were then reputed to be worth more than £150,000.” O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. Vgl. zum sog. Fall der gestohlenen Engel der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., (1982) 1 Q.B. 349; (1982) 3 W.L.R. 571; (1983) 2 W.L.R. 80, sowie zu der Preisent-
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Bestimmung des Kompensationsquantums mit ein, ist bedeutsam, ob der von dem gutgläubigen Kompensationsberechtigten gezahlte Kaufpreis oder der Wert des Kulturguts zum Zeitpunkt der Restitutionspflicht das Entschädigungsmaß vorgibt.421 Die Entscheidung ist deshalb besonders wichtig, weil grundsätzlich derjenige Erwerber, der ein Kulturgut vor vielen Jahren erworben hat, bei Erstattung des Kaufpreises wohl in den meisten Fällen nur einen Bruchteil desjenigen erhält, was das Kulturgut im Zeitpunkt der Rückgabe tatsächlich wert ist.422 Es stellt sich die Frage, aus welchen Gründen der als unschuldig zu bezeichnende gutgläubige Käufer illegal transferierter Kulturgüter daran gehindert sein sollte, innerhalb der Kompensationssumme auch seinen ‚kulturellen Spekulationsgewinn‘ geltend zu machen. Würde allein der Kaufpreis zum Zeitpunkt der Restitution die Entschädigungssumme bestimmen, fiele die genannte Gewinnmöglichkeit dem kulturellen Ursprungsstaat und Restitutionsgläubiger zu. Fraglich ist somit, welchem Rechtssubjekt der wachsende Preis kultureller Güter zwischen dem Zeitpunkt des gutgläubigen Kaufs seitens des Restitutionsverpflichteten und dem Moment der Restitution an den Herausgabegläubiger zusteht.423 Nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen soll das Opfer nicht für die wirtschaftlichen Verluste, die es aufgrund der Enteignung erleidet, entschädigt werden. Vielmehr ist ihm ein billiger Ausgleich zu gewähren. Die Höhe der Entschädi-
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wicklung auch die Angaben bei Cater, The Taranaki Panels – a case-study in recovery of cultural heritage, Museum (UNESCO), Volume XXXIV, No. 1 (1982), S. 256–258. Die inflationäre Wertsteigerung ist auch in der Konstellation Bumper Development Corp. Ltd. v Comr. of Police, (1991) 4 All E. R. 638: “The Shiva Nataraja at issue in Bumper Development Corp. Ltd. v Comr. of Police, (1991) 4 All E. R. 638 was bought from the person who found it for the equivalent of £ 12 and later valued in London at around $250,000.” O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. Vgl. auch O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 274–277. “The issue may be determined ultimately by practice. Practice in systems which follow the French Civil Code provision (Art. 2279) would require only the purchase price to be repaid and this practice seems to have been followed by the British owners in retrieving a wooden effigy of Sir Roger de Burghfield from Belgium. This had been stolen from the Parish Church of St. Mary the Virgin in Burghfield, Berkshire, in 1978. Estimated as a great loss not only to the parishioners of the village, but also to the national heritage of Great Britain, the effigy was rediscovered at the Ghent Antiques Fair four months later. Action was taken through INTERPOL for the effigy to be taken into the custody of the Court of Bruges. The dealer, in whose hands it was, claimed to be a bona fide purchaser. Although an owner can reclaim stolen property from a bona fide purchaser under Article 2279 of the Belgian Civil Code within a period of three years, in some circumstances compensation must be paid. The parishioners of Burghfield worked to raise the money needed to compensate the dealer as well as pay legal costs, transport and other expenses. The National Heritage Memorial Fund contributed £4.000 to equal the price the dealer had paid; even then the legal proceedings took four years.” O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67.
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gung soll daher nach einer Ansicht dem Wert des herausverlangten Gegenstandes entsprechen, wobei umstritten ist, ob der Betrag den vom restitutionspflichtigen Besitzer an den Verkäufer gezahlten Kaufpreis übersteigen darf.424 Für die Zuweisung des ‚kulturellen Spekulationsgewinnes‘ an den kompensationsberechtigten Restitutionsschuldner spricht, dass der Staat im Allgemeinen auch von der weltweiten Anerkennung von archäologischen Funden oder aber sonstigen Entdeckungen einer bestimmten Kunstart oder eines bestimmten Künstlers profitiert, die seltenst innerhalb kultureller Institutionen des Territoriums des Ursprungsstaats erfolgen, sondern vielmehr Ausdruck eines Kunstverständnisses ausländischer bzw. internationaler Sammler bzw. sonstiger Connaisseurs sind, deren kulturelles Verständnis vor ihrer Zeit liegt.425 184
Andererseits könnte jedoch auch für die Zuweisung des Spekulationsgewinns an den kulturellen Ursprungsstaat und die Bestimmung des Kompensationsquantums nach dem Erwerbspreis des gutgläubigen Käufers argumentiert werden, dass diesem zu keiner Zeit rechtlich ein dauerhafter Zuwachs seines Vermögens bei bestehender Restitutionspflicht von der UNESCO-Convention zugewiesen wurde. Bereits bei Erwerb des illegal transferierten Kulturguts ist ein Restitutionsanspruch ab initio entstanden, der bei späterer Geltendmachung nicht die Kompensationszahlung des momentanen Wertes des Kulturguts mit einem möglichen Spekulationsgewinn beinhaltet, sondern diesen dem von Anfang an berechtigten Ursprungsstaat zuweist. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass einem gutgläubigen Erwerber auch nicht ein Preisverlust auferlegt werden soll, wenn sich der Wert des Kulturguts im Speziellen oder die kulturelle Kaufkraft des (inter-)nationalen Kunstmarktes im Allgemeinen entgegen der allgemeinen Regel oder Erwartung verringert. Auch diese Gefahr müsste dann der Staat übernehmen. Überdies sprechen kulturpolitische Gründe gegen eine Kompensationszahlung in Höhe des aktuellen Marktwertes im Zeitpunkt der Restitution: “To require a requesting State to compensate at international art market values would encourage speculation in cultural heritage items and act as a further disincentive to purchasers to make all possible enquiries by ensuring that, if a purchaser takes the risk of the object later being reclaimed, there will still be, in a time of inflation, a handsome profit. Moreover, such a measure of damages may make it impossible for a requesting State, particularly a poor one, to retrieve material.” 426 Eine dementsprechende Wertentscheidung nahm auch schon die vor Beginn des Zweiten Weltkriegs erarbeitete 424
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Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 179 unter Berufung auf Byrne-Sutton, Le trafic international des biens culturels sous l’angle de leur revendication par l’Etat d’origine, 1988, S. 243. Vgl. Holst, Künstler, Sammler, Publikum – Ein Buch für Kunst- und Museumsfreunde, 1986, S. 11 ff. So die Argumentation bei O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67.
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Vorgängerversion der UNESCO-Convention vom 14. November 1970, die Draft International Convention for the Protection of National Collections of Art and History aus dem Jahre 1939 des Office international des musées (OIM) vor, die jedoch aufgrund der Kriegswirren keiner endgültigen Regelung zugeführt werden konnte. Die Draft Convention aus dem Jahre 1939 bestimmte explizit die Kompensation des Kaufpreises und der tatsächlich entstandenen und gezahlten Vertragskosten des gutgläubigen Besitzers, sowie sämtlicher sonstiger zur Bewahrung und Erhaltung entstandener Kosten.427 Auch die Original Draft wie Revised Draft Versionen der UNESCO-Convention knüpften an den Kaufpreis an und verlangten „a compensation corresponding to the purchase price“.428 Dieser Ansatz wurde jedoch bei der Entscheidungsfindung innerhalb des Special Committee of Governmental Experts durch die Terminologie „just compensation“ ohne weitere Begründung ersetzt.429 Auch in der aktuellen Rechtsdogmatik findet diese Einschätzung Zuspruch: So bestimmt bspw. O’Keefe, dass „the quantum suggested in the 1939 Draft Convention is the correct interpretation i.e. the purchase price, the actual costs of the transaction (legal fees etc.) and expenditure necessarily made on conservation.“ 430 Auch Fraoua spricht sich für die Kompensation der tatsächlich bei dem restitutionspflichtigen Besitzer entstandenen Kosten aus.431 Während die Vereinigten Staaten von Amerika keine Notwendigkeit zur Präzisierung der Kompensationshöhe sahen, da die Verpflichtung zur Verhinderung der Einfuhr unrechtmäßig transferierter Kulturgüter nach Art. 7 (b) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 nur hinsichtlich gestohlener Kulturgüter Anwendung findet und ein gutgläubiger Erwerb gestohlener beweglicher Gegenstände innerhalb des Common Law-Rechtskreises im Grundsatz ausgeschlossen ist, bereitete auch innerhalb der nationalen Umsetzungsgesetze zur Inkraftsetzung der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 die Konkretisierung der Kompensationshöhe Schwierigkeiten. Im Gegensatz zu der australischen Ausgestaltungsvariante, die keine positiv-rechtliche Bestimmung der Kompensationshöhe vornimmt und die Entscheidung dem Ermessen des zuständigen Ministers überlässt, setzt die kanadische Rechtsordnung innerhalb der Einführung des nationalen Umsetzungsgesetzes fest, dass sich das Entschädi-
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Vgl. O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. UNESCO Doc. SHC/MD/3, Annex, 4, Art. 10(d), vgl. auch O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. Vgl. O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. Vgl. Fraoua, Convention concernant les measures à prendre pour interdire et empêcher l’importation, l’exportation et le transfert de propriété illicites des biens culturels (Paris, 1970) – Commentaire et apercu de quelques measures nationals d’exécuion, 1986, S. 75.
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gungsquantum weder durch den gezahlten Kaufpreis des gutgläubigen Erwerbers noch durch den fairen Marktwert determiniert, sondern im Einzelfall durch das zuständige Gericht entschieden wird, wobei „the court considers just in the circumstances“.432 Auch innerhalb der parlamentarischen Beratungen zum Erlass des Schweizer Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003 wurde darüber diskutiert, wie die Höhe der Entschädigung zu bemessen sei. Da der Begriff der angemessenen Entschädigung („just compensation“) nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCOConvention vom 14. November 1970 unbestimmt ist, musste auch für das Schweizer Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003 eine Konkretisierung vorgenommen werden. Zunächst wurde im Verlaufe der parlamentarischen Beratungen vorgeschlagen, dem Erwerber einen Entschädigungsanspruch in Höhe des Verkehrswertes des Kulturgutes, mindestens aber in der Höhe des Kaufpreises zuzubilligen. Der Antrag, die Entschädigung am Verkehrswert anzuknüpfen, wurde innerhalb der Schweizer Rechtsordnung aber hauptsächlich deshalb abgelehnt, weil die Feststellung des Verkehrswertes aufgrund der Einmaligkeit des jeweiligen Kulturgutes schwierig sei.433 Dementsprechend wird dem Erwerber nun in Art. 9 Abs. 5 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 ein Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises und der notwendigen und nützlichen Aufwendungen eingeräumt.434 186
Art. 9 Abs. 5 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Wer das Kulturgut in gutem Glauben erworben hat und es zurückgeben muss, hat im Zeitpunkt der Rückführung Anspruch auf eine Entschädigung, die sich am Kaufpreis und an den notwendigen und nützlichen Aufwendungen zur Bewahrung und Erhaltung des Kulturguts orientiert.
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Damit bemisst sich die Entschädigung am Kaufpreis der Sache. Zu berücksichtigen sind auch die notwendigen und nützlichen Aufwendungen, wie beispielsweise konservatorische Maßnahmen zur Bewahrung und Erhaltung des Kulturguts.435 Das Gesetz erreicht so einen Gleichlauf mit den finanziellen Ansprüchen des gutgläubigen Erwerbers einer Sache im innerstaatlichen Bereich nach Art. 934 Abs. 2 des Schweizer ZGB sowie mit den obligationenrechtlichen Ansprüchen aus Rechts- oder Sachmängelgewährleistung entsprechend Art. 195 Abs. 1 Ziff. 2 OR und Art. 208 Abs. 2 OR.436 Siegfried betont, dass nach der 432
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Vgl. hierzu auch O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 274–277. Vgl. Wiederkehr-Schuler, Kulturgüterschutz – freier Kunstmarkt: zwei internationale Konventionen: Unidroit und UNESCO 70, 2000, S. 37. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 27–29. Vgl. BOTSCHAFT, UNESCO/KGTG, S. 682, vgl. auch Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 274–277.
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Regelung der Kaufpreis, die Zinsen, Aufwendungen und der entgangene Gewinn entschädigt werden, wobei dem Richter bspw. aber auch erlaubt wäre, Teuerungs- als auch Währungsausgleiche vorzunehmen.437 In Art. 9 Abs. 6 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 438 ist darüber hinaus vorgesehen, dass die Rückgabe des Kulturgutes von der Bezahlung der Entschädigung abhängig ist, somit Zug um Zug zu erfolgen hat und dem Erwerber daher zur Durchsetzung seines Anspruches bis zur Bezahlung der Entschädigung ein Retentionsrecht am Kulturgut zusteht.439 De lege ferenda wird eine einzelfallbezogene Auflockerung starrer Strukturen in der Bestimmung der jeweils angemessenen Kompensationshöhe gefordert. Einerseits wird zulasten kultureller Ursprungsstaaten in denjenigen Fallkonstellation, in denen der die Restitution begehrende Ursprungsstaat sein nationales Kulturerbe nur inadäquat vor einer illegalen Verbringung ins Ausland schützte, erwogen, dass dies nicht zulasten des ebenso als unschuldig zu bewertenden bona fide-Erwerbers erfolgen sollte und dementsprechend diesem ein kultureller Spekulationsgewinn zufließen müsse.440 Andererseits wird aber auch geltend gemacht, dass reiche Vertragsstaaten der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 und dabei im Besonderen die europäischen Staaten durchaus einen höheren Betrag als die eher ärmeren Länder der Dritten Welt als Voraussetzung der Restitution zahlen sollten.441 Nicht selten wird in dieser Frage Partei zugunsten ärmerer kultureller Ursprungsstaaten ergriffen und ausgeführt, dass „some States of origin may complain of the injustice of this situation: if a prime object of the cultural heritage is successfully smuggled out and passed on for value to an innocent purchaser, paying compensation would appear to encourage smuggling. Paying a price enhanced by inflation would give even more encouragement. If poorer States do not have adequate resources to police their sites, how will they find adequate funds to buy back smuggled heritage items?“ 442 So hat sich bei Zeichnung der Konvention herausgestellt, dass das Abkommen aufgrund der Verpflichtung zur Entrichtung einer entsprechenden Entschädigung an den gutgläubigen Restitutionsschuldner auch für kulturelle Ursprungs- und Quellenstaaten nicht nur von Vorteil ist. So soll Thailand sich bspw. geweigert 437
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Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 27–29. Art. 9 Abs. 6 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Die Entschädigung ist vom klagenden Staat zu entrichten. Bis zur Bezahlung der Entschädigung hat die Person, die das Kulturgut zurückgeben muss, ein Retentionsrecht an diesem. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter » Kunstgegenstände, 2004, S. 274–277. Vgl. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 210–211. Vgl. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 210–211. O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67.
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haben, das Abkommen zu zeichnen, weil es sich nicht leisten könne, die Entschädigung gemäß Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention zu zahlen. Direkte Folge dieser Entscheidung war, dass die Regierung Thailands auf freiwilliger Basis mit den kulturellen Belegenheitsstaaten in Verhandlung treten musste, um eine bilaterale Rückführungsregelung im Einzelfall zu vereinbaren. Eine solche Korrespondenz wurde bspw. mit dem Art Institute of Chicago hinsichtlich der Restitution einer tausend Jahre alten Tempelfigur geführt, die angeblich während des Vietnam-Krieges gestohlen worden war.443 Sayre schlägt dementsprechend eine Modifikation der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 vor und verlangt die Statuierung eines sog. World Cultural Heritage Fund, der sich durch verpflichtende jährliche Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten finanziert und sich nach der jeweiligen Zahlungsfähigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten und nach der Anzahl der zu konstatierenden Pflichtverletzungen der UNESCO-Convention der Regierung oder der Bürger des Vertragsstaats determiniert.444 “This is an imaginative way of combining a deterrent to illicit traffic by motivating national governments to do what they can to prevent it and a way of financing compensation or perhaps of getting closer to international auction prices for local sellers. Persuading importing and market States to adopt such a provision would require some major shifts in public attitudes in those States.” 445 Ein erster Schritt in eine solche Richtung wurde schon mit der Errichtung des sog. Fund of the Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to Its Countries of Origin or Its Restitution in Case of Illicit Appropriation 446 durch die 443
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Crossette, Thais Accuse U.S. in Loss of Temple-Art, N.Y.Times, Artikel vom 10. Februar 1988. Vgl. Sayre, Cultural Property Laws in India and Japan, UCLA Law Review 33 (1986), S. 851–890, S. 886–888. O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. “When the Intergovernemental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin or its Restitution in case of Illicit Appropriation was created in 1978, it was recommended that a Fund be created to enable the Committee to function effectively. In 1977, a Study on the Principles, Conditions and Means for Restitution or Return Of Cultural Property in View of Reconstituting Dispersed Heritages, carried out by the International Council of Museums (ICOM), recommended the creation of such a Fund as the privileged instrument of action for the Committee. In November 1999, the UNESCO General Conference at its 30th session, adopted Resolution 27 inviting the Director-General to create within the Organization a Fund of the Intergovernemental Committe for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin or its Restitution in case of Illicit Appropriation, in compliance with Recommendation no.6 adopted the same year by the Committee at its 10th session. This Fund aims to support Member States in their efforts to pursue the return or restitution of cultural property and effectively fight illicit traffic in cultural property, particularly with regard to: the verification of cultural objects by experts, transportation, insurance costs, setting up of facilities to exhibit them in satisfactory conditions, and training of museum professionals in the originating countries of cultural objects. In March 2001, the Director General of UNESCO launched an appeal to all States and institutions to associate themselves with this global effort and contribute generously to the Fund in order to facilitate effective restitution of cultural property to its State of origin
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
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30. Generalkonferenz der UNESCO begangen 447, wobei jedoch bis heute – soweit ersichtlich – die finanzielle Ausstattung allein ein Startkapital aus dem regulären Budgetplan der UNESCO erhielt.448 In diesen Fragen wird mit Spannung die Konkretisierung der Kompensationshöhe durch die nationalen Gerichte im Einzelfall erwartet.
II.
‚Payment of fair and reasonable compensation‘ nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995
Ein speziell für den internationalen Kulturgüterverkehr normiertes Lösungsrecht unrechtmäßig transferierter Kunstwerke findet sich auch innerhalb der Kodifikation der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995. Hinsichtlich gestohlener Kulturgüter findet sich die positiv-gesetzliche Grundlage in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1, während das Lösungsrecht illegal exportierter Kulturgüter in Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 normiert ist.449
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or its owner. The Fund is open to voluntary contributions from States and private donors.” Quelle: UNESCO, http://portal.unesco.org. Vgl. Resolution 30C/27, November 1999. Vgl. auch O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 62–67. Vgl. weiterführend: Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179 und S. 253–257; Bergé, La Convention d’Unidroit sur les biens culturels: remarques sur la dynamique des sources en droit international, Journal du Droit International 127 (2000), S. 215–262, S. 230 ff.; Doyal, Implementing the UNIDROIT Convention on Cultural Property into Domestic Law: The Case of Italy, Columbia Journal of Transnational Law 39 (2001), S. 657–700, S. 669–670; Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 249–250; Fraoua, Projet de convention de l’Unidroit sur le retour international des biens culturels volés ou illicitement exportés, AJP 3 (1995), S. 317–326, S. 321 und S. 324; Goldrich, Balancing the Need for Repatriation of Illegally Removed Cultural Property with the Interests of Bona Fide Purchasers: Applying the UNIDROIT Convention to the Case of the Gold Phiale, Fordham International Law Journal, Volume 23 (1999), S. 118–164, S. 159 und S. 163; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 204–205; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 146; Klein, En relisant la Convention UNIDROIT du 24 juin 1995 sur les biens culturels volés ou illicitement exportés: Réflexions et suggestions, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Neue Folge, Band 118 (1999) (Band 140 der gesamten Folge), S. 263–285, S. 275 ff.; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 180 ff.; Kurpiers, Die lex originis-Regel im internationalen Sachenrecht – Grenzüberschreitende privatrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von abhanden gekommenen und unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern, 2005, S. 109–110; Lalive, La Convention d’UNIDROIT sur les biens culturels volés ou illicitement exportés (du 24 juin 1995), SZIER, 7. Jahrgang (1997), S. 13–56, S. 35–40; Müller-Katzenburg, Inter-
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995: Art. 3 Abs. 1: The possessor of a cultural object which has been stolen shall return it. Art. 4 Abs. 1: The possessor of a stolen cultural object required to return it shall be entitled, at the time of its restitution, to payment of fair and reasonable compensation provided that the possessor neither knew nor ought reasonably to have known that the object was stolen and can prove that it exercised due diligence when acquiring the object. Art. 5 Abs. 1: A Contracting State may request the court or other competent authority of another Contracting State to order the return of a cultural object illegally exported from the territory of the requesting State. Art. 6 Abs. 1: The possessor of a cultural object who acquired the object after it was illegally exported shall be entitled, at the time of its return, to payment by the requesting State of fair and reason compensation, provided that the possessor neither knew nor ought reasonably to have known at the time of acquisition that the object had been illegally exported. nationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 107–108; Nott, Title to Illegally Exported Items of Historic or Artistic Worth, The International and Comparative Law Quaterly, Volume 33 (1984), S. 203–207, S. 203; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51 und S. 63–68; Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 81; Reichelt, Die Rolle von UNIDROIT für den Internationalen Kulturgüterschutz – Neue methodische Ansätze im „UNIDROIT-Entwurf 1990 über gestohlene und unerlaubt ausgeführte Kulturgüter“, in: Matscher/Seidl-Hohenveldern/ Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 205–214; Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 51–52 und S. 55; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 156 ff.; Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review / Revue de droit uniforme 2001–3, S. 476 ff.; Sidorsky, Cultural property Disputes and the Draft UNIDROIT Convention: Possible Applications of International Arbitration, The American Review of International Arbitration 4 (1993), S. 475–518; Sidorsky, The 1995 UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: The Role of International Arbitration, IJCP Vol. 5 (1996) No. 1, S. 19–72; Siehr, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Käufers im Internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 83 (1984), S. 100–118, S. 100–118; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 219–220; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228 und S. 233–236; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 402; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 293–295 und S. 297–298; Vrellis, UNIDROITKonvention 1995 über gestohlene oder unerlaubt ausgeführte Kulturgüter: Bedeutung der lex originis, in: Reichelt, Neues Recht zum Schutz von Kulturgut: Internationaler Kulturgüterschutz, EG-Richtlinie, UNIDROIT Konvention und Folgerecht, 1997, S. 84; Winter, The Application of the Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Objects in Relations between member States of the European Union, in: Denters, Reflections on international law from the low countries in honour of Paul de Waart, 1998, S. 347–372, S. 362.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
175
Sowohl in Fallkonstellationen individuell gestohlener als auch in Sachverhalten illegal exportierter Kulturgüter ist im Rahmen der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995 (Rome) der Einwand des gutgläubigen Erwerbs gegen einen Restitutionsanspruch entweder des ursprünglichen Eigentümers aus Art. 3 Abs. 1 oder des kulturellen Ursprungsstaats aus Art. 5 Abs. 1 ausgeschlossen. Vielmehr wird von der Konvention eine generelle Rückführungsanordnung unabhängig von der Gutgläubigkeit des Besitzers ausgesprochen. Der Anspruch besteht insbesondere unabhängig davon, ob der Anspruchsgegner nach nationalen Rechtsvorschriften Eigentum am betreffenden Objekt erworben hat.450
191
Um jedoch einen Ausgleich zwischen den Interessen des restitutionsberechtigten Anspruchstellers (des ursprünglichen Eigentümers individuell gestohlener bzw. des Ursprungsstaats illegal exportierter Kulturgüter) und des restitutionsverpflichteten Besitzers des unrechtmäßig transferierten Kunstwerks zu erreichen, wird dem gutgläubigen Erwerber individuell gestohlener oder illegal exportierter Kulturgüter ein Anspruch auf eine angemessene Kompensationszahlung zugesprochen.451 Auch innerhalb der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 (Rome) geht es um den Versuch einer Ausbalancierung der Interessen zwischen einerseits denjenigen Rechtssystemen (verstärkt des Civil Law-Rechtskreises), die einen gutgläubigen Erwerb auch abhandengekommener kultureller Güter zur Sicherung des Rechtsverkehrs und zur Steigerung der allgemeinen Umlauffähigkeit marktgängiger Güter zulassen, und andererseits denjenigen Gestaltungsweisen nationaler Zivilrechtsordnungen (vor allem des Common Law-Rechtskreises), die einen gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener (Kultur-)Güter auch bei Redlichkeit des Erwerbers ablehnen. “The UNIDROIT Convention, which requires repatriation of all illegally removed cultural property, but which also mandates fair and reasonable compensation for purchasers who acted with due diligence while investigating the status of the artifact, strikes the proper balance between the noble cause of repatriation and the interests of bona fide purchasers.” 452
192
UNIDROIT hatte zu Beginn der Vorarbeiten noch erwogen, die in der UNIDROIT Draft Convention Providing a Uniform Law on the Acquisition in Good Faith of Corporeal Movables (LUAB) aus dem Jahre 1974 vorgeschlagene Regelung des Gutglaubenserwerbes vom Nichtberechtigten zu reaktivieren. Auf Grund der negativen Erfahrungen mit der Draft Convention wurde dieser Plan
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Goldrich, Balancing the Need for Repatriation of Illegally Removed Cultural Property with the Interests of Bona Fide Purchasers: Applying the UNIDROIT Convention to the Case of the Gold Phiale, Fordham International Law Journal, Volume 23 (1999), S. 118–164, S. 159.
176
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
jedoch verworfen und eine eigenständige Lösung angestrebt.453 Bei der Entwicklung des in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und in Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 verbürgten Lösungsrechts des gutgläubigen Erwerbers unrechtmäßig transferierter Kulturgüter waren nicht nur rechtstechnische, sondern auch zahlreiche kulturpolitische Differenzen zu überwinden.454 Die Gewährung einer angemessenen Entschädigung an den gutgläubigen Erwerber steht zwar grundsätzlich im Widerspruch zu solchen Rechtssystemen, die einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bestimmen (wie dies bspw. generell innerhalb des Common Law-Rechtskreises der Fall ist), stellt aber ein Entgegenkommen gegenüber dem Rechtssystem der Länder des romanischen Rechtskreises wie bspw. der italienischen Rechtsordnung dar, in der ein Erwerb auch an gestohlenen Kulturgütern möglich ist, oder der deutschen Rechtsordnung, in der im Wege der öffentlichen Versteigerung nach §§ 935 Abs. 2 i.V.m. 383 Abs. 3 BGB auch an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern gutgläubig Eigentum erworben werden kann.455 Mit dem ursprünglichen Eigentümer in der Situation des kulturellen Diebstahls und dem kulturellen Ursprungsstaat im Falle der unrechtmäßigen Ausfuhr einerseits und dem gutgläubigen Erwerber andererseits streiten sich grundsätzlich zwei ‚unschuldige‘ Parteien:456 “On the one hand, there may be the legitimate expectation of an individual State that a valuable object, illegally exported, will be returned. On the other hand, consideration must be given to the position of someone who may be a perfectly innocent purchaser.” 457 453
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228. Vgl. Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 81. Vgl. Doyal, Implementing the UNIDROIT Convention on Cultural Property into Domestic Law: The Case of Italy, Columbia Journal of Transnational Law 39 (2001), S. 657–700, S. 669; Winter, The Application of the Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Objects in Relations between member States of the European Union, in: Denters, Reflections on international law from the low countries in honour of Paul de Waart, 1998, S. 347–372, S. S. 362; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland S. 204 f.; Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review / Revue de droit uniforme 2001–3, S. 477 ff., S. 514; Reichelt, Die Rolle von UNIDROIT für den Internationalen Kulturgüterschutz – Neue methodische Ansätze im „UNIDROIT-Entwurf 1990 über gestohlene und unerlaubt ausgeführte Kulturgüter“, in: Matscher/Seidl-Hohenveldern/ Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 205–214, S. 209; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROITKonvention, 2005, S. 149–158. Vgl. auch Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 105–106. Nott, Title to Illegally Exported Items of Historic or Artistic Worth, The International and Comparative Law Quaterly, Volume 33 (1984), S. 203–207, S. 203, mit annähernd gleichen
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
177
Die Voraussetzung der Zahlung einer Kompensationssumme zur ‚Auslösung‘ der unrechtmäßig transferierten Kulturgüter stellt somit weder für den gutgläubigen Erwerber, der an dem dauerhaften Erhalt der umstrittenen Objekte in seiner Sachherrschaft interessiert ist, noch für kulturelle Ursprungsstaaten die gewünschte Ideallösung dar, „who lack the ability to pay and are faced with losses of high numbers of cultural objects, such as source countries with very restrictive export controls and those countries that nationalize all antiquities. Having to pay for the return of their rightful property may seem an unfair burden preventing them from reacquiring objects.“ 458 Die Einführung einer Entschädigungspflicht ist jedoch ebenso wie innerhalb der französischen und Schweizer Rechtsordnung als Kompromisslösung 459 zu sehen zwischen den Regelungen eines vorbehaltlosen gutgläubigen Erwerbs an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern und denen des Fehlens eines solchen.460 Ferner sollte damit der Tatsache entgegengewirkt werden, dass Kulturgüter absichtlich in einen Staat verbracht werden, in welchem ein Erwerb vom Nichtberechtigten leichter möglich ist.461 Reichelt wertet die Kompensationszahlungspflicht auch als Entscheidung gegen die sog. ‚Italian Connection‘ 462, die durch eine Verbringung des Kulturgutes nach Italien nach Art. 1153 und 1154 des Codice civile italiano (C.c.i). profitieren wolle.463
194
Durch die Statuierung eines allgemeinen Lösungsrechts in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und in Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 führt die UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni
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Gedanken wie Richter J. Slade im Fall Winkworth v. Christie’s, Mason Woods Ltd and Another, 1980 2 W L.R., Ch. D., 937, 951. Doyal, Implementing the UNIDROIT Convention on Cultural Property into Domestic Law: The Case of Italy, Columbia Journal of Transnational Law 39 (2001), S. 657–700, S. 669–670. So Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 105–106. Vgl. Reithell in Reichelt, Neues Recht zum Schutz von Kulturgut: Internationaler Kulturgüterschutz, EG-Richtlinie, UNIDROIT Konvention und Folgerecht, 1997, S. 55 ff., S. 64; Kurpiers, Die lex originis-Regel im internationalen Sachenrecht – Grenzüberschreitende privatrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von abhanden gekommenen und unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern, 2005, S. 109–110. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 293–295. So auch der Ausdruck bei Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 293–295. Vgl. Reichelt, Die Unidorit-Konvention 1995 über gestohlene oder unerlaubt ausgeführte Kulturgüter – Grundzüge und Zielsetzungen, in: Reichelt, Neues Recht zum Schutz von Kulturgut: Internationaler Kulturgüterschutz, EG-Richtlinie, UNIDROIT Konvention und Folgerecht, S. 63–64. Daher beruhe der Anspruch des gutgläubigen Erwerbers auch auf dem Entscheid Winkworth v. Christie’s, welcher insgesamt „die Arbeiten von Unidroit richtungsweisend beeinflusst hat“.
178
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
1995 eine echte sachrechtliche Vereinheitlichung ein.464 Diese ist jedoch nur für solche Staaten verpflichtend, deren Sachenrechtsordnungen einen gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig transferierter Kulturgüter ermöglichen. So besteht bspw. für diejenigen Staaten, die keinen gutgläubigen Erwerb gestohlener Kulturgüter erlauben, nach Art. 9 Abs. 1 und Abs. 5 der Präambel der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 465 keine vertragliche Verpflichtung, das in Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 verbürgte Lösungsrecht zugunsten gutgläubiger Erwerber anzuwenden, da die Konvention einen Vertragsstaat nicht daran hindert, „alle Vorschriften anzuwenden, die für die Rückgabe oder Rückführung gestohlener oder rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter günstiger sind als in diesem Übereinkommen vorgesehen“.466 196
Betroffen sind damit nur diejenigen Vertragsstaaten, welche einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten kennen.467 Da die Konvention zum Ziel hat, die Rückführung gestohlener Kulturgüter zu erleichtern, sollten Staaten, in denen eine Kompensationszahlung als ‚Auslösung‘ der Restitution nicht erforderlich ist, solche auch nicht einführen müssen.468 Durch die Inkorporation eines Lösungsrechts sollte innerhalb der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 keine grundsätzliche Besserstellung der Rechtsposition des gutgläubigen Erwerbers gestohlener Kulturgüter erreicht werden, sondern nur die Akzeptanz der Konvention in solchen Staaten gesteigert werden, in denen die Interessen des Rechts464
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Vgl. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 51–52. Abs. 5 der Präambel der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995: The States Parties to this Convention … Emphasising that this Convention is intended to facilitate the restitution and return of cultural objects, and that the provision of any remedies, such as compensation, needed to effect restitution and return in some States, does not imply that such remedies should be adopted in other States, … Art. 9 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995: Nothing in this Convention shall prevent a Contracting State from applying any rules more favourable to the restitution or the return of stolen or illegally exported cultural objects than provided for by this Convention. UNIDROIT 1993, Etude LXX – Doc. 36, 17. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158; Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 51–52; Schneider, Rapport Explicatif sur le Projet de convention d’UNIDROIT sur le retour international des biens culturels volés ou illicitement exportés/Explanatory Report on the Draft UNICROIT Convention on the International Return of Stolen or Illegally Exported Cultural Objects, Revue de droit uniforme/Uniform Law Review (UNIDROIT), Semestrielle – Biannual 1993 I/II, S. 104–213, 1993; Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228. Vgl. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 51–52. Vgl. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 51–52.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
179
verkehrs grundsätzlich höher bewertet wurden als das Interesse an der Rückführung der unrechtmäßig transferierten Kulturgüter an das ursprüngliche kulturelle Zuordnungssubjekt.469 “At no stage was it ever intended to suggest that national systems which already provided for return of stolen cultural objects should change this rule by providing compensation.” 470 Mit Statuierung eines Lösungsrechts sollte keine Verschlechterung der sachenrechtlichen Situation in solchen Staaten einhergehen, die dem bestohlenen Eigentümer bereits einen umfassenden Schutz gewähren.471 Würde die Bundesrepublik Deutschland nach dem Beitritt zu der UNESCOConvention vom 14. November 1970 im Jahre 2007 nun auch eine deutsche Ratifikation der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 anstreben, bestünde keine Pflicht zur Inkraftsetzung eines Lösungsrechts bei der Restitution gestohlener Kulturgüter nach Art. 4 Abs. 1, da für eine Kompensationszahlung an den gutgläubigen Besitzer im Hinblick auf die dem Eigentümer bzw. früheren Besitzer günstigeren, da lösungsrechtsfreien Ansprüche aus §§ 985, 935 bzw. 1007 BGB im deutschen Recht kein Grund gegeben wäre.472 In den entsprechenden Entwürfen wurde nachdrücklich darauf hingewiesen, dass jeder Vertragsstaat befugt sein solle, „to apply its national law when this would disallow the possessor’s right to compensation even when the possessor has exercised the necessary diligence contemplated by Art. 4 (1)“ 473. „Das deutsche Sachenrecht, demzufolge der Erwerber einer gestohlenen Sache diese an den Eigentümer herauszugeben hat und unabhängig von gutem Glauben und erforderlicher Sorgfalt keinen Anspruch auf eine Entschädigung erwirbt, ist für die Rückgabe an sich vorteilhaft. Dies wurde auch in den Beratungen des Übereinkommens gesehen. Wäre Deutschland also Vertragsstaat und würde ein deutsches Gericht mit einer Rückgabeklage unter dem Übereinkommen befasst, könnte das Gericht statt der Entschädigungsregelung des Art. 4 Abs. 1 schlicht deutsches Sachenrecht anwenden und den gutgläubigen Erwerber leer ausgehen lassen. Voraussetzung wäre allerdings, dass das deutsche Sachrecht nach den Regeln des Kollisionsrechts als lex rei sitae zum Zeitpunkt des Erwerbs berufen ist. Die Verfügung über das Kulturgut müsste also im Inland stattgefunden haben. Dies ist schon allein deswegen sinnvoll, weil in diesem Fall ein etwaiges im vorherigen Belegenheitsstaat erworbenes Lösungsrecht nach der Verfügung in der Regel
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So Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. UNIDROIT 1993, Etude LXX – Doc. 36, 17. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. Study LXX – Doc. 18 Nr. 136 ff.; Doc. 36 Nr. 17.
197
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
erlischt. Andernfalls könnte der gutgläubige Erwerber als Beklagter des Rückgabeanspruchs sich auch ohne das UNIDROIT-Übereinkommen auf das Lösungsrecht berufen.“ 474 Da das Rechtsinstitut eines Lösungsrechts dem deutschen Recht fremd ist und allenfalls als wohlerworbenes Recht nach einem Statutenwechsel anerkannt wird, liegt es innerhalb der deutschen Rechtsordnung nahe, dass ein deutsches Gericht im Falle der Ratifizierung des Übereinkommens in der Tat dem deutschen Sachenrecht den Vorzug geben würde.475 198
In diesem Zusammenhang ist es aber wichtig darauf hinzuweisen, dass nach Art. 9 Abs. 2 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 476 keine Verpflichtung anderer Vertragsstaaten besteht, eine auf solche (strengeren) Bestimmungen gestützte Entscheidung anzuerkennen oder zu vollstrecken.477
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So Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. „Unklar ist, ob die Anwendung des günstigeren Rechts im Ermessen des Gerichts steht oder ob es dazu verpflichtet ist. Gegen letzteres spricht zum einen der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1, der keinen Rückschluss auf eine Verpflichtung zulässt, sondern lediglich feststellt, dass das Übereinkommen den Vertragsstaat nicht an der Anwendung günstigerer Regelungen hindere. Zum anderen ist in dem Übereinkommen nicht vorgesehen, dass der Vertragsstaat sich im Rahmen der Ratifikation zu einer Anwendung bestimmter günstigerer Regelungen seines Sachrechts – etwa im Wege eines ausdrücklichen Vorbehalts – verpflichten soll. Hinzu kommt, dass eine zwingende Anwendung des für die Rückgabe günstigeren Rechts das Gericht nötigen würde, stets einen Vergleich zwischen den Regeln des Übereinkommens und den nationalen Regeln zu ziehen und zu prüfen, welche im Einzelfall tatsächlich günstiger sind. Steht die Anwendung des günstigeren Rechts aber im Ermessen des Gerichts, dient dies nicht der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Auch unter dem kollisionsrechtlichen Gesichtspunkt ist diese Regelung daher kurios. Denn gemäß dem fundamentalen Prinzip des Einheitsrechts kommt diesem kraft der Anwendungsnorm gerade der Anwendungsvorrang vor dem nationalen Sachrecht zu. Dieser Grundsatz wird durch die genannte Regelung durchbrochen. Die Delegationen haben diesen Umstand um der größeren Schutzwirkung für Kulturgüter willen in Kauf genommen. Andernfalls würden in Staaten, deren internes Recht den Bestohlenen Eigentümer besser schützt als das Übereinkommen, Eigentümer von Kulturgütern schlechter behandelt als diejenigen von anderen Sachen. Es ist aber zweifelhaft, ob die Anwendung des nationalen Sachrechts statt des Übereinkommens dem gerichtlichen Ermessen überlassen bleiben sollte. In der Regel wird die Anwendung davon abhängen, ob die Parteien bzw. der Kläger sich auf das Übereinkommen als Anspruchsgrundlage beruft. Möglich ist auch eine Klarstellung dieser Frage in dem Umsetzungsgesetz.“ Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. Art. 9 Abs. 2 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995: This article shall not be interpreted as creating an obligation to recognise or enforce a decision of a court or other competent authority of another Contracting State that departs from the provisions of this Convention. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
1.
Kompensation des restitutionspflichtigen Besitzers gestohlener Kulturgüter
Innerhalb der Diskussionsbeiträge bei Ausarbeitung der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 plädierte eine Großzahl der am Verfahren Beteiligten 478 dafür, dass einem gutgläubigen Erwerber gestohlener Kulturgüter keine Entschädigung zustehen sollte und dementsprechend die Pflicht zur Kompensationszahlung des Restitutionsberechtigten zwar in den Fällen der unrechtmäßigen Ausfuhr, nicht jedoch in der Konstellation des kulturellen Diebstahls Berechtigung fände.479 Da schließlich aber die überwiegende Zahl der Diskutanten zu der Ansicht gelangte, dass bereits der gänzliche Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs gestohlener Kulturgüter eine tiefgreifende Intervention in die fundamentalen Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs zahlreicher Civil Law-Staaten bedingte und ein Beitritt dieser Staaten zu der Konvention ohne – zumindest finanziellen – Ausgleich der Interessen gutgläubiger Erwerber unwahrscheinlich erschien, wurde in Art. 4 Abs. 1 ein Lösungsrecht gutgläubiger Erwerber ähnlich der französischen und Schweizer Rechtsordnung als Kompromiss 480 statuiert.481 Danach hat der Besitzer eines gestohlenen Kulturguts (Konstellation des sog. kulturellen Diebstahls), der zu dessen Rückgabe verpflichtet ist, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung, sofern er weder wusste, noch vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass das Gut gestohlen war und er nachweisen kann, bei dem Erwerb des Gutes mit der gebührenden Sorgfalt gehandelt zu haben.482 Damit verfolgt die Vorschrift zugleich aus kulturpolitischen Erwägun-
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Vgl. UNIDROIT, Study LXX – Doc. 10 para. 29; Doc. 23 para. 68; Doc. 30 paras. 60–74; Doc. 39 paras. 68–71; Doc. 48 paras. 82–83. Vgl. auch Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 51–52. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 204–205; Reichelt, Die Vereinheitlichung des privatrechtlichen Kulturgüterschutzes nach dem UNIDROIT-Vertragsentwurf 1990, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 67 ff., S. 73; Reichelt in Sladek, Das kulturelle Erbe im Risiko der Modernität: Salzburger Symposium 1992, S. 61 ff. Allgemein kritisch zum Lösungsrecht: Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 156 ff.; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 180 ff. Zum Kompromisscharakter des UNIDROITÜbereinkommens allgemein Bergé, La Convention d’Unidroit sur les biens culturels: remarques sur la dynamique des sources en droit international, Journal du Droit International 127 (2000), S. 215–262, S. 230 ff. Vgl. hierzu Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. auch Kurpiers, Die lex originis-Regel im internationalen Sachenrecht – Grenzüberschreitende privatrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von abhanden gekommenen und unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern, 2005, S. 109–110; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 293–295.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
gen präventive Zwecke innerhalb des internationalen Kulturgüterverkehrs und soll die Lauterkeit der am Kunstmarkt Beteiligten stärken: “[T]he prospect of losing compensation otherwise available would encourage potential acquirers to refrain from purchasing such objects in the absence of adequate information, which would discourage theft, and, at the same time, alter the present practice of dealers and auction houses of not disclosing the names of sellers, and that of purchasers of not questioning the statements of sellers.” 483 Um die Kompensationsberechtigung aufrechtzuerhalten, muss der gutgläubige Erwerber somit nachweisen, dass er beim Erwerb des Kulturgutes mit gebührender Sorgfalt (sog. due diligence des gutgläubigen Erwerbers) gehandelt hat.
a)
Frage nach der richtigen Entschädigungshöhe
200
Große Uneinigkeit herrschte ebenso wie in sämtlichen anderen internationalen Normierungen eines Lösungsrechts als Kompensation des gutgläubigen Erwerbers gestohlener Kulturgüter hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Entschädigung. Schlussendlich einigten sich die Vertreter auf die Terminologie „fair and reasonable compensation“ innerhalb der englischen Fassung bzw. „indemnité équitable“ innerhalb des französischen Textes. Der Restitutionsgläubiger hat somit eine ‚angemessene Entschädigung‘ an den Herausgabeschuldner zu zahlen. Da die Konvention ebenso wie die UNESCO-Convention vom 14. November 1970 einen bisher unpräzisierten Begriff ohne weitere Definition oder Auslegungsvorschrift aufstellt und auch bewusst keine Indizien zur Ausgestaltung im Einzelfall vorgibt, sollte eine Präzisierung der nationalen Ausgestaltung und innerstaatlichen Rechtsanwendung überlassen bleiben, sodass von den nationalen Gerichten eine autonome Auslegung verlangt und ihnen bei der Bemessung des Anspruchs ein gewisser Spielraum eingeräumt wird.484 Die gewählte Formulierung ermöglicht somit den vertragsstaatlichen Gerichten oder Behörden, welche die Höhe der Entschädigung festlegen, flexibel auf alle Umstände des Einzelfalls zu reagieren.485
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Fraglich bleibt jedoch, wie in der Praxis entschieden werden sollte. Innerhalb der Konvention erfolgte keine Klarstellung hinsichtlich der Frage, ob auf den geleisteten Kaufpreis oder den wahren Wert des Objekts zum Zeitpunkt der Restitutionspflicht abgestellt werden solle, ob Zinsen zu leisten seien und ob die Ent483
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So Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 51–52; Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. So Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
183
schädigungsleistung auch andere vom Erwerber getätigte Aufwendungen abgelten solle.486 Ein rechtsvergleichender Rekurs auf die bekannten nationalen Ausgestaltungsvarianten des Lösungsrechts ist hier nicht zielführend, da die einzelnen Rechtsordnungen sich zu dieser Frage uneinheitlich verhalten. Es lassen sich jedoch wichtige Erkenntnisse unmittelbar aus der UNIDROIT-Convention gewinnen. Die Konvention hat zwar keine positive Entscheidung hinsichtlich der Kompensationshöhe vorgenommen, jedoch wird aus der Entstehungsgeschichte und der verwendeten Terminologie deutlich, dass die Convention weder ausschließlich den Kaufpreis, den der restitutionspflichtige Besitzer bei dem Erwerb des gestohlenen Kulturguts zahlte, noch den aktuellen Wert des Objektes im Zeitpunkt der Restitution allein maßgeblich für die Bestimmung der Kompensationshöhe sah. Dies wird aus der bei Prott geschilderten Entwicklung der Terminologie „fair and reasonable compensation“ innerhalb der englischen Fassung bzw. „indemnité équitable“ innerhalb des französischen Textes deutlich: “Dr. Loewe’s preliminary draft spoke of ‘the price paid … or a sum corresponding to the actual value of the property at the place where it is located’. At the second meeting of the Study Group a proposal was made for ‘an equitable sum which should exceed neither the price paid nor the actual value’. Others wished to speak of ‘equitable compensation’. Both these formulae would leave a discretion to the judge to take account of the relevant factors as between the claimant and the returning party. A compromise phrase ‘equitable compensation having regard to the situation of the two parties’ was settled on. At the following meeting of the Study group ‘fair and reasonable compensation’ was chosen for the English version of the text over the word ‘equitable’ which, it was pointed out, might cause misunderstanding in legal systems where it already had a clearly defined legal meaning. At the third meeting discussion centred around the desirability or not of having the commercial value set as a maximum: some thought that expressing that in the text might encourage the judge to give it extra weight in deciding what was fair and reasonable, and one expert pointed out that ‘fair and reasonable’ was a universal concept with a strict limit, and another that it had been applied in the context of nationalisation for a long time and that the sum was often less, and sometimes very much less, than the actual commercial value. It was felt important to accord the judge a certain amount of flexibility for it may be necessary to take into account money which could be due to the holder under a warranty from a seller to him or her: clearly the holder should not be entitled to recover twice for the returned object.” 487
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Auch bei der Festlegung des endgültigen Wortlauts handelte es sich um eine deutlich von dem Willen um einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen kultureller Quellen- und Zielstaaten geprägte Fassung.488 Die Kom-
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Sidorsky, The 1995 UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: The Role of International Arbitration, IJCP Vol. 5 (1996) No. 1, S. 19–72, S. 28 Fn. 79.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
pensationshöhe bemisst sich somit weder allein nach dem konkret bezifferbaren Kaufpreis noch am Verkehrswert des Kulturgutes zum Zeitpunkt der Restitution, sondern ist in das Ermessen des urteilenden Gerichts gestellt.489 Da bspw. auch die finanziellen Verhältnisse der die Restitution ersuchenden Partei mit in die Bestimmung der Kompensationshöhe eingestellt werden sollen und dementsprechend eine finanziell schwächere Partei eine niedrigere Entschädigung zu bezahlen hat,490 kann die Kompensationshöhe sowohl über als auch unter dem vom restitutionspflichtigen Besitzer gezahlten Kaufpreis liegen.491 Dementsprechend hat Italien in Art. 4492 der Legge n. 213: Ratifica ed esecuzione dell’Atto finale della Conferenza diplomatica per l’adozione del progetto di Convenzione dell’UNIDROIT sul ritorno internazionale dei beni culturali rubati o illecitamente esportati, con annesso, fatto a Roma il 24 giugno 1995 vom 7. Juni 1999 493 (des Ratifikationsgesetzes zu der UNIDROIT-Convention) den Begriff der angemessenen Entschädigung insoweit konkretisiert, als auch Billigkeitskriterien miteinzubeziehen sind.494 Fest steht zumindest so viel, dass das Erfordernis der Angemessenheit dazu führt, dass die entscheidende Instanz zwar unter Umständen einen deutlich niedrigeren Ausgleich als den Kaufpreis des Objektes gewähren kann, die Entschädigung jedoch nicht auf eine nur symbolische Summe reduziert werden darf.495 489
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Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 293–295. Vgl. Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 85. Vgl. Klein, En relisant la Convention UNIDROIT du 24 juin 1995 sur les biens culturels volés ou illicitement exportés: Réflexions et suggestions, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Neue Folge, Band 118 (1999) (Band 140 der gesamten Folge), S. 263–285, S. 275 ff.; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter » Kunstgegenstände, 2004, S. 293–295. Art. 4 Legge n. 213: Ratifica ed esecuzione dell’Atto finale della Conferenza diplomatica per l’adozione del progetto di Convenzione dell’UNIDROIT sul ritorno internazionale dei beni culturali rubati o illecitamente esportati, con annesso, fatto a Roma il 24 giugno 1995 vom 7. Juni 1999: (Indennizzo): 1. Il tribunale, nel disporre la restituzione o il ritorno del bene culturale, può liquidare, a domanda del possessore che si sia costituito in giudizio, un indennizzo determinato anche in base a criteri equitativi. 2. Per ottenere l’indennizzo di cui al comma 1, il soggetto interessato deve provare di aver acquisito il possesso del bene in buona fede. 3. Il mancato pagamento dell’indennizzo determina a favore del possessore il diritto di ritenzione di cui all’articolo 1152 del codice civile. Quelle: Gazzetta Ufficiale n. 153 del 2 luglio 1999. Vgl. auch Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. Vgl. Doyal, Implementing the UNIDROIT Convention on Cultural Property into Domestic Law: The Case of Italy, Columbia Journal of Transnational Law 39 (2001), S. 657–700, S. 670. Zu den Vorteilen der Entscheidung dieser Frage durch ein Schiedsgerichtsverfahren vgl. Sidorsky, The 1995 UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: The Role of International Arbitration, IJCP Vol. 5 (1996) No. 1, S. 19–72, S. 35.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
Während Jolles die Restitutionspflicht als Form der Enteignung wertet, dementsprechend die Kompensationspflicht als Entschädigung qualifiziert und so einen vollständigen finanziellen Wertausgleich des zunächst gestohlenen und in der Folge gutgläubig erworbenen Kulturguts fordert,496 entspräche nach der Rechtsansicht Vischers die Terminologie „fair and reasonable compensation“ unter keinen Umständen dem vollen Handelswert der Sache.497 Die Berücksichtigung des aktuellen Werts des gestohlenen Kulturguts im Zeitpunkt der Restitutionspflicht sei deshalb abzulehnen, weil dieser einerseits schwer zu bestimmen sei und andererseits dadurch Spekulationsgeschäfte gefördert würden, die innerhalb des Kulturgüterschutzes oft als negativ bewertet werden.498 Spaun orientierte sich bei der Bestimmung der Kompensationshöhe nach dem vom Erwerber geleisteten Kaufpreis (nicht am Wert des Objekts), und betont, dass verschiedentlich auch Erwerbsnebenkosten (sog. ‚Kosten des Vertrages‘) zu ersetzen seien. Das Lösungsrecht biete allerdings keine Rechtsgrundlage für den Ersatz von Aufwendungen und Verwendungsersatzansprüche seien getrennt geltend zu machen.499 Beck unterscheidet in dieser Frage danach, für welchen konkreten Verlust der herausgabepflichtige Besitzer überhaupt zu entschädigen sei, also nur für den Verlust des Besitzes oder auch für den Verlust des Eigentums. Dies müsse anhand des anwendbaren Rechts geprüft werden, das mittels der lex fori bestimmt würde. Zu beachten sei aber generell, dass die Auslegung nicht bei dem Kaufpreis oder Marktwert der Sache stehen bleiben dürfe, da diese bewusst nicht als Maßstab benannt worden sei. Die Zahlung einer „billigen Entschädigung“ solle gerade dazu dienen, im Einzelfall von diesen Größen abzuweichen und den jeweiligen Umständen bei der Bemessung der Anspruchshöhe ausreichend Gewicht zu verleihen. „Dabei muss sich das Gericht ggf. auch mit den Rückführungskosten, die anders als bei der Rückgabe rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter (dort Art. 6 Abs. 4) bei gestohlenen Sachen nicht geregelt ist, und dem Ersatz von Restaurierungskosten u.ä. beschäftigen. Eine Grundlage für die Anwendung des Kollisionsrechts bzw. der lex fori besteht insoweit nicht. Bei der Bemessung der billigen Entschädigung kann das Gericht auch ein eventuelles Mitverschulden des Eigentümers an dem Verlust des Kulturguts berücksichtigen. Hat der Eigentümer den Diebstahl durch fahrlässiges Verhalten erleichtert, sollte sich dies entschädigungserhöhend auswirken. Es entspricht der Billigkeit, in diesem Fall den Schutz des Erwerbers stärker zu gewichten, der unter Anwendung der erforder496
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Vgl. Jolles, Un regard critique sur la Convention d’ Unidroit, in: Breitler, La Convention d’ Unidroit du 24 juin 1995 sur les biens culturels volés ou illicitement exportés: actes d’une table ronde organisée le 2 octobre 1995, 1997, S. 55. Vgl. Vischer, Unidroit-Konvention und schweizerisches Recht, Gut gemeint – aber weit übers Ziel hinausschiessend, NZZ, Nr. 93 vom 10. April 1996, S. 17. Vgl. Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 146. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
lichen Sorgfalt gehandelt hat.“ 500 Thorn hingegen sieht generell den gutgläubigen Erwerber in Höhe seines ‚negativen Interesses‘ kompensationsfähig, wodurch alle Nachteile umfasst sind, die der Gläubiger unabhängig von der Leistung durch sein Vertrauen auf die ordnungsgemäße Erfüllung des Kaufvertrages über das Kulturgut erlitten hat. Damit würde dem Kompensationsberechtigten der Wert des Gegenstandes zur Zeit der Veräußerung und die werterhöhenden Aufwendungen, wie bspw. die Kosten für eine Restaurierung, ersetzt.501 Dem pflichtet Kurpiers bei, nach dessen Ansicht die Höhe der Entschädigung in der Regel dem gezahlten Kaufpreis des gutgläubigen Erwerbers zuzüglich der entstandenen Aufbewahrungs- und Erhaltungskosten entsprechen sollte, die bspw. durch eine notwendige Restaurierung entstanden sind.502
b)
Kompensationsfähigkeit von Rückführungsund Restaurierungskosten?
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Während in den Fällen der Restitution unrechtmäßig exportierter Kulturgüter in Art. 6 Abs. 4 eine spezielle Regelung hinsichtlich der Kompensationsfähigkeit der sog. Rückführungskosten unrechtmäßig exportierter Kulturgüter Eingang in das Abkommen erhielt, wurde innerhalb des Bereichs der Rückführung gestohlener Kulturgüter eine solche Vorschrift bewusst unterlassen und die Bestimmung einer „fair and reasonable compensation“ dem Ermessen des zur Entscheidung berufenen Richters im Einzelfall überlassen.503 Große Diskussion fand die Frage der Kompensationsfähigkeit von sog. Restaurierungskosten gestohlener Kulturgüter, die ebenfalls wie in dem Bereich der illegal ausgeführten Werke keine explizite Regelung innerhalb der Konvention fand.
206
Praktisch bedeutsam wurde dieses Problem – jedoch außerhalb des Anwendungsbereichs der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 – bspw. innerhalb der Rechtssache Webb v. A.-G. for Ireland 504, in der der irische High Court über die Herausgabe eines Schatzfundes aus dem neunten Jahrhundert n. Chr. an den Finder bei gleichzeitiger Zahlung einer Entschädigung zu entscheiden hatte. Der Fund wurde innerhalb des irischen Nationalmuseums aufbewahrt, das nach
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So Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158, unter Berufung auf Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292, S. 287–288. Vgl. Kurpiers, Die lex originis-Regel im internationalen Sachenrecht – Grenzüberschreitende privatrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von abhanden gekommenen und unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern, 2005, S. 109–110. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Webb v. A.-G. for Ireland, (1988) 8 ILRM (Irish Law Reports Monthly) 565.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
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erheblichen Restaurierungsarbeiten an dem Altertumsfund die Wertsteigerung von dem restitutionsberechtigten Finder ersetzt bekommen wollte. Auch wenn später innerhalb der Revisionsentscheidung das Eigentum an dem Altertumsfund dem irischen Nationalmuseum zugesprochen wurde, bestimmte der High Court in der Vorinstanz die Kompensationsfähigkeit der Restaurierungskosten.505 Man entschied sich innerhalb der Beratungen zu der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 jedoch ausdrücklich gegen die explizite Einbeziehung der Restaurierungskosten, da man befürchtete, eine automatische Erstattung der Restaurierungskosten könnte dazu führen, dass in vielen Fällen unnötige Restaurierungen vorgenommen würden, die unter Umständen – wenn sie schlecht ausgeführt würden – den Wert des Objektes schmälern oder seine Substanz verletzen könnten.506 Besonders in den Fällen, „where cultural objects are in the hands of private persons it is important not to encourage a possessor to undertake activities which might in fact not be in the interests of the heritage: the dealer holding a well documented Northern Kwakiutl Thunderbird headdress which was refused export permission in Canada used the period before the appeal for extensive „restoration“ work. The action had the effect, which was for him convenient, of very substantially increasing the price (offered by a United States client) while at the same time raising questions about the integrity of the object as so „restored“.“507 Problematisch war dann, dass kein kanadisches Museum bereit bzw. im Stande war, die verlangte Entschädigungssumme zu zahlen. Diesbezüglich merkte das Archaeological Institute of America im Rahmen der Diskussionen um die Preliminary Draft Convention der UNIDROIT-Convention an, dass „no compensation should be paid for any restoration or conservation work on a cultural object. Members of the committee had consulted professional conservators who also shared this belief and pointed out that in some instances compensation might have to be paid for restoration work of poor quality, on work that actually detracted from or damaged the integrity of the object, while in other cases the possessor of a cultural object that is to be returned might engage in restoration work in the hope of receiving additional payment from the country of origin“ 508. 505
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Vgl. zu der Fallstudie auch Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. So Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/Revue de droit uniforme 2001–3, S. 477 ff., S. 518; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Professional Responsibilities Committee, Subcommittee on the Unidroit Convention, “Comments on the Preliminary Draft Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported cultural Objects” vom 22. September 1993, zitiert bei Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Das Prinzip der kulturellen Substanzerhaltung streitet hier somit in zahlreichen Situationen gegen die Kompensationsfähigkeit der Restaurierungskosten: “It is evident, however, that a judge might take this factor into account in assessing fair and reasonable compensation where the object was conserved by a reputable institution, as was the case in Webb v. Ireland, if in fact he is convinced that there was no ulterior motive in the action taken and that the conservation measures have not caused the deterioration or loss in cultural or commercial value of the object and especially if lack of proper conservation would have led to a natural deterioration endangering the survival of the object.” 509 Anders sollte nach dem Prinzip der kulturellen Substanzerhaltung jedoch bei der Kompensationsfähigkeit zwingend notwendiger Erhaltungs- und Verwahrungskosten entschieden werden. 208
Ebenso wie innerhalb der Diskussion um die Bestimmung der richtigen Kompensationshöhe im Rahmen der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 wurde auch innerhalb der Beratungen zu der UNIDROIT-Convention zu bedenken gegeben, dass die Pflicht zur Zahlung einer angemessenen Entschädigungssumme an den gutgläubigen Erwerber in manchen Fällen eine zu große finanzielle Bürde für den Restitutionsgläubiger darstellen kann. Entsprechend den bei der UNESCO-Convention erfolgten Erwägungen wurde auch hier die Möglichkeit der Konstitutionalisierung eines gemeinsamen Fonds gefordert,510 um auch finanziell schwächeren Staaten und Einwohnern die Möglichkeit der Rückführung gestohlener Kulturgüter zu ermöglichen.511
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Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S.146; Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 85; Kurpiers, Die lex originis-Regel im internationalen Sachenrecht – Grenzüberschreitende privatrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von abhanden gekommenen und unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern, 2005, S. 109–110. “There are certain problems with such a Fund: what should it cover? Insurance, transport and re-installation costs are relatively uncontroversial, but are usually not so large that they cannot be covered by ad hoc arrangements e.g. by a private donor. Legal fees are another matter – in some countries these are so astronomical that some ceiling would have to be placed on the amount to be made available. It is also questionable whether wealthy States would donate to a Fund which would basically go into the pockets of its own lawyers to deprive some of their own citizens of cultural property currently held by them, in order to benefit another country – in general more direct support for another country’s culture is the preferred kind of aid. Finally there is the question of compensation: and this is the most difficult of all, because if purchasers are sure of getting compensation, they will obviously fight harder to prove their diligence and courts may tend to be more gentle with them than when faced by an indigent plaintiff. It is a fact that in many cases the dispossessed owner will either be the State (e.g. the object comes from the State museums or is a subsoil find vested in the State), or will be entirely supported by the State because the owner is not itself in a position to sue (e.g. an indigenous community [Such as the Maori tribe the Taranaki
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
c)
Verfahren der Entschädigungszahlung
Die Entschädigung ist nach Art. 4 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 Zug um Zug gegen die Rückgabe zu leisten.512 Da nicht nur der gutgläubige Erwerber eine grundsätzlich unschuldige Partei ist, sondern auch der Eigentümer der gestohlenen Kulturgüter sich im Grundsatz keinen Schuldvorwurf gefallen lassen muss, stellt sich die Frage, gegen wen sich der Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung richtet, d.h., wer schließlich den finanziellen Schaden zu tragen hat und restitutionspflichtig ist.513 Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Restitutionsgläubiger kompensationspflichtig ist, „doch erschien es als ungerecht, dass durch die Regelung der Konvention zwei „unschuldige“ Personen für die widerrechtliche Tat eines Dritten „bestraft“ werden: der gutgläubige Erwerber, der zur Rückgabe des Gutes verpflichtet ist, und der bestohlene Eigentümer, der die Entschädigung zu leisten hat.“ 514 Dieses Dilemma wurde in Art. 4 Abs. 2 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 515 ausdrücklich einer Subsidiaritätsregelung zugeführt: Danach müssen unbeschadet des in Art. 4 Abs. 1 normierten Rechts des Besitzers auf Entschädigung vernünftige Bemühungen („reasonable efforts“/„des efforts raisonnables“) unternommen werden, damit derjenige, der das Kulturgut an den Besitzer übereignet hat, oder jeder andere frühere Übereigner die Entschädigung zahlt, wenn dies den Rechtsvorschriften des Staates entspricht, in dem der Anspruch geltend gemacht wird. Diese Zuweisung des finanziellen Schadens an die zuvor am Kunsthandel beteiligten Personen soll zu mehr Transparenz und Moral im Handel
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involved in the Ortiz case] or an impoverished temple [Such as the ruined Hindu temple, which nonetheless had retained its juristic personality in Hindu law, which was a plaintiff in the Bumper Development case] Nonetheless the possibility of such a Fund being established was an important factor in persuading developing States to accept the duty to compensate even for the limited group of diligent purchasers, and a proposal for such a Fund, made by the Italian Delegation at the Eighth session of the UNESCO Intergovernmental Committee was reiterated at the UNIDROIT Conference by the Italian delegation. It is currently under consideration at UNESCO.” Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149– 158, unter Berufung auf Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review / Revue de droit uniforme 2001–3, S. 477 ff., S. 518. Art. 4 Abs. 2 UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995: Without prejudice to the right of the possessor to compensation referred to in the preceding paragraph, reasonable efforts shall be made to have the person who transferred the cultural object to the possessor, or any prior transferor, pay the compensation where to do so would be consistent with the law of the State in which the claim is brought.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
mit Kulturgütern führen.516 Mit dem Risiko, für jede Person in einer Kette von kulturellen Transferleistungen eine Entschädigung zahlen zu müssen, wird aus kulturpolitischen Gründen die Hoffnung verbunden, dass mehr Sorgfalt angewandt und bei Händlern mit guter Reputation gekauft wird.517 210
Es ist fraglich, wer sich um die Zahlung der Entschädigung durch andere Personen als die herausgabeberechtigten Eigentümer bemühen soll (das Gericht von Amts wegen oder der restitutionspflichtige Besitzer des gestohlenen Kulturguts), welche Folgen es haben soll, wenn diese Bemühungen nicht oder nur unzureichend unternommen werden, sowie welche Mittel und Rechtswege richtig sind. Insgesamt ist aufgrund der Unbestimmtheit der Vorschrift somit davon auszugehen, dass Art. 4 Abs. 2 der UNIDROIT-Convention weder prozessual ein einheitliches Verfahren des Rückgriffs gegen die Vorgänger des Besitzers noch materiell einen Anspruch desselben gegen die Vorgänger konstituiert und der Vorschrift lediglich Appellcharakter zur Anregung einer weiteren Harmonisierung der einzelnen nationalen Rechte518 zukommt.519 516
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Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/Revue de droit uniforme 2001–3, S. 477 ff., S. 520. Befürwortend auch Goldrich, Balancing the Need for Repatriation of Illegally Removed Cultural Property with the Interests of Bona Fide Purchasers: Applying the UNIDROIT Convention to the Case of the Gold Phiale, Fordham International Law Journal, Volume 23 (1999), S. 118–164, S. 163. Neben der Zahlung aus persönlichen Mitteln des ursprünglichen Besitzers sind auch Mäzenatentum „or other means of ensuring payment“ möglich. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158, unter Berufung auf Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/Revue de droit uniforme 2001–3, S. 477 ff., S. 518; s. auch Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 85. Vgl. insgesamt auch Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. So Explanatory Report (II), Study LXX – Doc. 51, S. 24. So auch Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179, zuvor bereits Droz, La Convention d’UNIDROIT sur le retour international des biens culturels volés ou illicitement exportés (Rome, 24 juin 1995), Rev. Crit. Dr. Int. Privé, 86 (1997), S. 239–281, S. 255. A. A. Caravaca, Private international law and the Unidroit convention of 24th June 1995 on stolen or illegally exported cultural objects, S. 98, der darin die Begründung eines ‚Subsidiaritätsprinzips‘ sieht. Weiterhin problematisch ist das Folgende: „Daneben enthält Art. 4 Abs. 2 a.E. aber eine einheitliche Kollisionsnorm, die auf das Recht des Forumstaates verweist. [Art. 4 Abs. 2 a.E: … where to do so would be consistent with the law of the State in which the claim is brought.] Sie lässt dabei offen, ob das Sachrecht des Forums oder dessen Kollisionsrecht gemeint ist. Auch aus den Materialien ergeben sich insoweit keine Anhaltspunkte. Für das Sachrecht spricht der Vereinfachungsgedanke des Einheitsrechts: Es entfällt der Aufwand, das anwendbare Recht festzustellen.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
War der gutgläubige Besitzer jedoch nicht in der Lage, von demjenigen, der ihm selbst das Kulturgut übereignet hat oder einem früheren Veräußerer die Kompensationszahlung zu erreichen, bleibt letztendlich der Restitutionsgläubiger zur Zahlung verpflichtet. Für diesen Fall bestimmt jedoch Art. 4 Abs. 3 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 520 ausdrücklich, dass der Kompensationsschuldner und Gläubiger des Restitutionsanspruchs nicht das Recht verliert, von einer anderen Person – bspw. dem Dieb des gestohlenen Kulturguts – Regress für die Entschädigungssumme zu nehmen.521 Schließlich bestimmt Art. 4 Abs. 5 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 522, dass der Besitzer nicht besser gestellt sein darf als die Person, von der er das Kulturgut durch Erbschaft oder auf sonstige unentgeltliche Weise erworben hat. Diese Vorschrift bestimmt damit, dass eine Person, die ein gestohlenes Kulturgut ohne Zahlung einer Gegenleistung erworben hat, nicht eine bessere Behandlung erfährt als diejenige Person, von der sie das Kunstwerk erlangt hatte. Damit erfasst die Vorschrift die in einigen Vertragsstaaten sich häufig ereignende Situation, dass ein Kunstsammler ein zuvor gestohlenes Kulturgut erwirbt und in der Folge (häufig aus steuerlichen Gründen) einem Museum unentgeltlich überlässt.523 Dabei ergibt sich das Problem, dass „[a]ccepting donations of undocumented antiquities is
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Zudem ist die Formulierung der Norm beinahe identisch mit derjenigen in Art. 3 Abs. 2, die bereits als Verweisung auf das Sachrecht identifiziert wurde. Die Aussagekraft dieses Umstands dürfte jedoch nicht hoch zu veranschlagen sein. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass bei der Wortwahl bewusst eine Parallele zu der Vorschrift im Zusammenhang mit den Raubgrabungen gezogen wurde. Andererseits hat die lex fori nicht per se eine enge Beziehung zu der Übereignung, für deren Rückgängigmachung die Entschädigung zu leisten ist. Die Anwendung des Sachrechts des Forums wäre daher ein zufälliges Ergebnis. Sachgerecht ist daher allein die Anwendung des Kollisionsrechts des Forumstaates. Dieser Ansatz führt eher zu einem Sachrecht mit einer engen Verbindung zu dem Sachverhalt. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Lösung gemeint ist.“ Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179, unter Berufung auf Vrellis, UNIDROIT-Konvention 1995 über gestohlene oder unerlaubt ausgeführte Kulturgüter: Bedeutung der lex originis, in: Reichelt, Neues Recht zum Schutz von Kulturgut: Internationaler Kulturgüterschutz, EG-Richtlinie, UNIDROIT Konvention und Folgerecht, 1997, S. 84. Art. 4 Abs. 3 UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995: Payment of compensation to the possessor by the claimant, when this is required, shall be without prejudice to the right of the claimant to recover it from any other person. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROITKonvention, 2005, S. 149–158; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Art. 4 Abs. 5 UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995: The possessor shall not be in a more favourable position than the person from whom it acquired the cultural object by inheritance or otherwise gratuitously. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51.
191 211
192
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
one way that museums can circumvent their own acquisitions policies, which might otherwise prevent them from purchasing material of suspicious origin“ 524. Um diese Schutzlücke zu schließen, wurde Art. 4 Abs. 5 der UNIDROIT-Convention erlassen.525
2.
Kompensation des restitutionspflichtigen Besitzers illegal exportierter Kulturgüter
212
Entsprechend der Ausgestaltung des Kompensationsrechts bei der Rückführung gestohlener Kulturgüter steht nach Art. 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 auch im Falle des illegalen Exports kultureller Güter dem restitutionspflichtigen Besitzer eines Kulturguts, der das Gut nach dessen rechtswidriger Ausfuhr erworben hat (Konstellation des illegalen Exports geschützter Kulturgüter), zum Zeitpunkt seiner Rückführung ein Anspruch auf die Zahlung einer angemessenen Entschädigung durch den die Restitution ersuchenden Ursprungsstaat unter dem Vorbehalt zu, dass dem aktuellen Besitzer bei seinem Erwerb nicht bekannt war oder vernünftigerweise hätte bekannt sein müssen, dass das Gut rechtswidrig ausgeführt worden war.526
213
Die in Art. 5 normierte Restitutionspflicht illegal exportierter Kulturgüter bedingt extensive Eingriffe in die innerstaatlichen Sachenrechtsordnungen der jeweiligen Vertragsstaaten. Zunächst bestand die Notwendigkeit der Schaffung einer neuen innerstaatlichen Anspruchsgrundlage innerhalb der nationalen Rechtsordnungen, die die Restitution ohne rechtmäßige Ausfuhrgenehmigung exportierter Kulturgüter anordnet. Bisher konnten sich Galerien, Kunstauktionshäuser und -händler sowie andere Privatpersonen völlig unstreitig auf ihre im normalen Rechts- und Geschäftsverkehr erworbenen Rechts- und Eigentumspositionen berufen, ohne dass eine Restitution unrechtmäßig exportierter Kulturgüter zu befürchten war. Der illegale Export bedingt im Grundsatz keine unrechtmäßige Eigentumsentziehung gegenüber dem kulturellen Ursprungsstaat, sodass die allgemeinen zivilrechtlichen Resolutionsmethoden zur Regulation des Kulturgüterverkehrs hier de lege lata nur in den genannten Ausnahmesituationen Anwendung finden können. Im Unterschied zu den überwiegenden Konstellationen des Transfers gestohlener Kulturgüter, in denen bspw. innerhalb des Common Law-Rechtskreises und innerhalb der deutschen Rechtsordnung im 524
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526
Elia, The World cannot afford many more collectors with a passion for antiquities, 41 The Art Newspaper, Oktober 1994. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. einleitend hierzu Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 297–298; Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 55; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 233–236.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
193
Grundsatz kein Eigentumserwerb erfolgt, agiert in den Fällen der unrechtmäßigen Ausfuhr häufig der Eigentümer selbst. Der illegal exportierende Eigentümer kann sachenrechtlichen Grundsätzen entsprechend im kulturellen Ursprungsstaat im Allgemeinen rechtswirksam das Eigentum an den unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern als Berechtigter an einen (auch bösgläubigen) Erwerber veräußern. Um eine faire Tarierung der gegenläufigen Interessen betroffener Einzelpersonen zu gewährleisten, die Umsetzung einer Restitutionsgrundlage im nationalen Recht akzeptabel und damit die Annahme der Konvention für kulturelle Importstaaten überhaupt möglich erscheinen zu lassen, wurde ebenso wie bei gestohlenen auch bei illegal exportierten Kulturgütern eine Pflicht des die Restitution ersuchenden Staates zur Kompensationszahlung an den gutgläubigen Erwerber innerhalb der UNIDROIT-Convention normiert (sog. Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers illegal exportierter Kulturgüter).527 Um die Rückführungspflicht für Staaten mit liberalerer Einstellung zum Kulturgüterverkehr akzeptabler zu machen, wurde somit nicht nur ein Entschädigungsanspruch des gutgläubigen Erwerbers statuiert, sondern dieser auch an weniger strenge Anforderungen geknüpft als im Hinblick auf gestohlene Kulturgüter.528 Insbesondere wurde keine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Einhaltung der gebührenden Sorgfalt eingeführt.529
214
Art. 6 UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995: (1) The possessor of a cultural object who acquired the object after it was illegally exported shall be entitled, at the time of its return, to payment by the requesting State of fair and reason compensation, provided that the possessor neither knew nor ought reasonably to have known at the time of acquisition that the object had been illegally exported. (2) In determining whether the possessor knew or ought reasonably to have known that the cultural object had been illegally exported, regard shall be had to the circumstances of the acquisition, including the absence of an export certificate required under the law of the requesting State. (3) Instead of compensation, and in agreement with the requesting State, the possessor required to return the cultural object to that State may decide: (a) to retain ownership of the object; or (b) to transfer ownership against payment or gratuitously to a person of its choice residing in the requesting State who provides the necessary guarantees. (4) The cost of returning the cultural object in accordance with this article shall be borne by the requesting State, without prejudice to the right of that State to recover costs from any other person.
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529
Vgl. auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 107. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 233–236, unter Berufung auf die Ausführungen bei Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 107. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 233–236.
194
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter (5) The possessor shall not be in a more favourable position than the person from whom it acquired the cultural object by inheritance or otherwise gratuitously.
a) 216
Voraussetzungen und Ausgestaltung eines Lösungsrechts bei der Restitution illegal exportierter Kulturgüter
Sachliche Voraussetzungen eines Kompensationszahlungsanspruchs nach Art. 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 sind zunächst die illegale Ausfuhr kultureller Wertgegenstände ohne rechtmäßige Ausfuhrerlaubnis aus dem kulturellen Ursprungsstaat 530, ein entgeltlicher (nach Art. 6 Abs. 5 wird der restitutionspflichtige Besitzer, der die Sache im Wege der Erbfolge oder anderweitig unentgeltlich erhalten hat, mit dem nicht anspruchsberechtigten Veräußerer gleichgestellt 531) gutgläubiger Erwerb des unrechtmäßig exportierten Kulturguts durch den restitutionspflichtigen Besitzer 532 (d.h., dass der Eigentümer selbst, der sein Kulturgut illegal ausführt, nicht kompensationsberechtigt ist, da auf den Erwerb nach der unrechtmäßigen Ausfuhr abgestellt wird 533) und die Unkenntnis des Besitzers beim Erwerb oder das vernünftigerweise Nichtbekanntseinmüssen des Besitzers, dass das Gut rechtswidrig ausgeführt worden war (maßgeblich ist, ob der restitutionspflichtige Besitzer zum Zeitpunkt des Erwerbs des von der Konvention erfassten Kulturguts von dessen verbotswidriger Ausfuhr wusste oder hiervon hätte wissen müssen). 530
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„Im Zusammenhang mit der Exportlizenz erlangt das öffentliche Recht des ersuchenden Staates wieder außerhalb seines Staatsgebiets Bedeutung. Das befasste Gericht kann das Fehlen einer ausländischen Exportlizenz nur berücksichtigen, wenn es vorher geprüft hat, ob eine solche nach dem öffentlichen Recht dieses Staats erforderlich ist. Insofern enthält Art. 6 Abs. 2 eine verborgene Kollisionsnorm: Die Erforderlichkeit eines Exportzertifikates bestimmt sich nach dem Sachrecht des ersuchenden Staates. Dies ist an sich selbstverständlich und folgt bereits daraus, dass sich die Frage des illegalen Exports ebenfalls nach dem Recht des ersuchenden Staates richtet. Die öffentlich-rechtliche Natur des Zertifikats ist zudem bei dieser Form der Berücksichtigung nicht ungewöhnlich, sondern entspricht der Praxis bei einigen anderen ausländischen öffentlich-rechtlichen Dokumenten.“ Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROITÜbereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. „Anspruchsberechtigt ist jedoch nur der Besitzer, der das Kulturgut erst nach dessen illegaler Ausfuhr erworben hat. Ein Entschädigungsanspruch kommt daher von vornherein nur in Frage, wenn nach dem Export überhaupt eine Veräußerung stattgefunden hat. Damit ist ein Anspruch des Besitzers, dem das Kulturgut im ersuchenden Staat vor und nach der Ausfuhr gehört, sowie des für den illegalen Export verantwortlichen Besitzers ausgeschlossen.“ Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68; Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 55.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
195
Als Schuldner der Entschädigungspflicht 534 ist in diesem Zusammenhang ausdrücklich der ersuchende Staat und nicht etwa der Exporteur benannt.535 Ein Restitutionsanspruch unrechtmäßig exportierter Kulturgüter betrifft bekanntlich grundsätzlich nicht unmittelbar die Eigentumsposition des dinglich Berechtigten. Wird in einer solchen Sachverhaltskonstellation das illegal transferierte Kulturgut wieder an den Ursprungsstaat restituiert, ist der momentane Besitzer (und möglicherweise Eigentümer) nach dem Regelungsregime der UNIDROITConvention allein zur Rückführung der tatsächlichen Sachherrschaft in das Territorium des Ursprungsstaats und zur dortigen Aufbewahrung verpflichtet, kann jedoch durchaus weiterhin seine Eigentümerstellung wahrnehmen. Für diese Situation wird in Art. 6 Abs. 3 der UNIDROIT-Convention geregelt, dass anstelle einer Entschädigung und im Einvernehmen mit dem ersuchenden Staat sich der Besitzer, der das Kulturgut in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates rückzuführen hat, entweder dafür entscheiden kann, Eigentümer des Kulturgutes zu bleiben, oder aber das Eigentum an eine im ersuchenden Staat ansässige Person seiner Wahl, welche die notwendigen Garantien536 bietet, gegen Entgelt oder unentgeltlich zu übertragen.537
217
Damit impliziert die Vorschrift zwei grundsätzliche Alternativen. Einerseits kann eine Kompensationszahlung verlangt werden: Ein Entschädigungsanspruch entsteht zum Zeitpunkt der Rückführung des Kulturguts an den kulturellen Ursprungsstaat 538, wenn der Erwerber das Kulturgut gänzlich dem ersuchenden
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“The phrase ‘payment by the requesting State’ was retained in Article 6 (1) although the parallel phrase ‘payment by the claimant’ was dropped in Article 4 (1).” Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. „Die betreffende Person muss die „notwendigen Garantien“ bieten, d.h. sie muss dem ersuchenden Staat als vertrauenswürdig erscheinen, so dass kein Risiko eines erneuten illegalen Exports besteht. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt; der Besitzer kann das Eigentum an dem betreffenden illegal exportierten Kulturgut auch an ein Museum oder an eine andere öffentliche oder private Institution übertragen, wenn diese ausreichende Garantien bietet.“ Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Art. 6 Abs. 3 UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995: Instead of compensation, and in agreement with the requesting State, the possessor required to return the cultural object to that State may decide: (a) to retain ownership of the object; or (b) to transfer ownership against payment or gratuitously to a person of its choice residing in the requesting State who provides the necessary guarantees. “The phrase ‘at the time of its return’ is parallel to the phrase ‘at the time of restitution’ in Article 4 (1). Although one speaker thought that the possessor of an unlawfully exported object should be entitled to refuse to return the object until the compensation had been received, and a representative of the art trade even suggested that the market value of the object should be deposited prior to the institution of proceedings ‘as a precaution against
196
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Staat überlässt, also Eigentum und Besitz überträgt. Zum anderen wird anstelle einer Entschädigung und im Einvernehmen mit dem ersuchenden Staat in Art. 6 Abs. 3 (a) der UNIDROIT-Convention die Möglichkeit der Bewahrung der Eigentümerstellung eröffnet, indem sich der Besitzer, der das Kulturgut in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates rückzuführen hat, dafür entscheiden kann, Eigentümer des Gutes zu bleiben.539 Nach Art. 6 Abs. 3 (b) besteht auch die Möglichkeit, das Eigentum an eine im die Restitution ersuchenden Staat ansässige Person gegen Entgelt zu übertragen. Dass in einem solchen Fall keine Entschädigung seitens des kulturellen Ursprungsstaates zu leisten ist, ergibt sich daraus, dass die Möglichkeiten, die dem Erwerber nach Art. 6 Abs. 3 der UNIDROIT-Convention zur Verfügung stehen, nur anstelle der Entschädigung zugelassen sind.540 Art. 6 Abs. 3 bedeutet somit aber auch, dass die Rückgabe des Kulturguts somit keine automatische Enteignung darstellt.541 Diese unterschiedlichen Varianten sollen einerseits weitestgehende Dispositionsmöglichkeiten des gutgläubigen Erwerbers eröffnen, andererseits aber auch eine Gestaltungsmöglichkeit in solchen Fällen anbieten, in denen der Ursprungsstaat keine ausreichenden Mittel zur Entschädigung anbieten kann (wenn der gutgläubige Erwerber Eigentum und unter Umständen Besitz an dem Kulturgut behalten kann, das Kulturgut dennoch in das Hoheitsgebiet des Ursprungsstaates örtlich verlegt wird).542 Die Wahl zwischen Entschädigungsmöglichkeit und Ausübung
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540
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542
vexatious law suits’, (a provision which would surely have totally precluded action by developing States), the Diplomatic Conference preferred not to deal with this in detail in the text and to leave it to the judge to find the appropriate arrangements for payment.” Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 233–236; Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 402; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 297–298. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, Art. 6, S. 66. “The article in its present form was considered to be also of advantage to the requesting State. If the requesting State should be unable to pay compensation, it could at least come to some arrangement with the person returning the object, which could thus be returned to the territory of that State, even though the State did not have the resources to offer compensation.” Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68. Vgl. auch Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 219–220; Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 55.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
197
des Eigentumsrechts im Ursprungsstaat zeigt, dass die Konvention es den Vertragsstaaten überlassen will, die Eigentumslage am Kulturgut nach seiner Rückgabe zu regeln.543 Mittels dieser zusätzlichen Option sollte die Akzeptanz der Konvention sowohl in den kulturellen Ursprungsstaaten als auch in den Zielstaaten erhöht werden.544 Noch einmal zur Klarstellung: Eine Entschädigung ist nur dann zu leisten, wenn der gutgläubige Rückgabeverpflichtete Besitz und Eigentum (falls er Eigentümer war) verliert.545
b)
Keine Kompensationszahlungspflicht für den bloßen Besitzverlust
Auffällig ist jedoch, dass keine Kompensationszahlungspflicht für den bloßen Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft oder der freien Verfügung über diese als Gestaltungsmöglichkeit innerhalb der UNIDROIT-Convention eröffnet wird.546 Dass keine derartige Regelung für den Importeur illegal exportierter Kulturgüter normiert wurde, findet durchaus seine Berechtigung, nicht jedoch für den gutgläubigen Erwerber illegal exportierter Kulturgüter, wie dies am Beispiel der Sachverhaltskonstellation Jeanneret v. Vichy 547 aufzuzeigen ist: Mrs. Jeanneret kaufte bekanntlich das Matisse-Gemälde ‚Porträt sur Fond Jaune‘ von Mrs. Vichey, nachdem das Porträt ohne rechtmäßige Ausfuhrgenehmigung aus Italien nach den dort geltenden Ausfuhrbestimmungen illegal exportiert wurde. Anzunehmen ist, dass Italien gegenüber Mrs. Jeanneret die Restitution begehren würde und diese das Gemälde in der Folge wieder auf italienisches Territorium verschafft hätte, ohne jedoch ihre Eigentümerstellung an dem Kulturgut aufgegeben zu haben. Zunächst erscheint es Siehr fraglich, warum eine Entscheidung nach Art. 6 Abs. 3 der UNIDROIT-Convention von dem Willen des die Restitution begehrenden italienischen Staates abhängig sein sollte („in agreement with
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Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 108; Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/Revue de droit uniforme 2001–3, S. 477 ff., S. 536; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158; Turner, Das Restitutionsrecht des Staates nach illegaler Ausfuhr von Kulturgütern, 2002, S. 234 m.w.N.; Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 55. Vgl. Droz, La Convention d’UNIDROIT sur le retour international des biens culturels volés ou illicitement exportés (Rome, 24 juin 1995), Rev. Crit. Dr. Int. Privé, 86 (1997), S. 239–281, S. 264; Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/ Revue de droit uniforme 2001–3, S. 477 ff., S. 538; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 233–236. Vgl. hierzu und zum Folgenden Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 219–220. Jeanneret v. Vichy, 693 F.2d 259 (2d Cir. 1982).
219
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
the requesting State“). Dies lässt sich jedoch damit erklären, dass in dem Fall, dass eine illegale Ausfuhr zuvor bereits erfolgt war, die Rückführung des Kunstwerkes an eine Person seiner Wahl innerhalb des kulturellen Ursprungsstaates als ‚Quasi-Einladung‘ zu einer erneuten Ausfuhr ohne Exportgenehmigung genutzt werden könnte; diesmal jedoch nicht in einen Vertragsstaat der UNIDROITConvention und somit außerhalb der Möglichkeit der Restitution für den Herkunftsstaat. Um dies in die Dispositionsbefugnis des kulturellen Ursprungsstaates zu legen wurde der Zusatz „in agreement with the requesting State“ in die UNIDROIT-Convention aufgenommen.548 Darüber hinaus ist in dieser Konstellation jedoch fraglich, warum Mrs. Jeanneret kein Kompensationszahlungsanspruch gegen den italienischen Staat einerseits für den Verlust ihrer tatsächlichen Sachherrschaft, zum anderen aber auch für die Wertminderung an dem Gemälde aufgrund der geographisch begrenzten Marktgängigkeit des Kulturguts zustehen soll.549 In dieser Konstellation steht nach dem Regelungsprogramm der Konvention dem gutgläubigen Besitzer kein Anspruch auf Entschädigung zu: „Aus der Formulierung des Art. 6 Abs. 3 ergibt sich …, dass die bloße Verpflichtung zur Rückführung in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine – selbst vom gutgläubigen Erwerber – entschädigungslos hinzunehmende Eigentumsbeschränkung darstellt. Denn ausdrücklich wird angeordnet, dass die Vereinbarung, dass der zur Rückführung Verpflichtete Eigentümer bleibt, die Entschädigung ersetzt und nicht etwa nur ihre Höhe mindert. Eine Entschädigung ist ihm daher nur bei Verlust des Eigentums zuzusprechen.“ 550 Vielmehr steht in derartigen Fallkonstellationen dem gutgläubigen Erwerber allein die Möglichkeit der schuldrechtlichen Regressnahme der durch die eingeschränkte Marktgängigkeit des im Transfer beschränkten Kulturguts entstandenen Schäden bei dem Veräußerer aufgrund der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Gewährleistungsregeln aus dem Veräußerungsgeschäft zu. Dementsprechend versuchte auch in der Sachverhaltskonstellation Jeanneret v. Vichy 551 Mrs. Jeanneret den Wertverlust aufgrund der nur eingeschränkten Marktgängigkeit des Matisse-Gemäldes nach Restitutionsbegehr des italienischen Staates gegenüber der Veräußerin Mrs. Vichy geltend zu machen.552
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So Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68. So ausdrücklich Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 219–220. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 233–236. Jeanneret v. Vichy, 693 F.2d 259 (2d Cir. 1982). Vgl. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 219–220.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
c)
Frage nach der richtigen Entschädigungshöhe
Innerhalb der Bestimmung der richtigen Kompensationshöhe an den restitutionspflichtigen Schuldner stellen sich dieselben Probleme, wie innerhalb der Entschädigung des gutgläubigen Erwerbers gestohlener Kulturgüter, da die UNIDROITConvention vom 24. Juni 1995 auch hier nicht über die Anordnung einer „fair and reason compensation“ hinausgeht. Fest steht lediglich, dass weder eine Kompensation in Höhe des vollständigen Wertes des Kulturguts noch in Höhe des Kaufpreises zu zahlen ist, sondern dass der Besitzer eines Kulturguts, der das Kunstwerk nach dessen rechtswidriger Ausfuhr erworben hat, zum Zeitpunkt seiner Rückführung Anspruch auf die Leistung einer angemessenen Entschädigung durch den ersuchenden Staat hat. Hintergrund dieser eingeschränkten Kompensationszahlungspflicht ist die Forderung tendenziell eher vermögensärmerer Länder, die aufgrund ihrer schwächeren finanziellen Lage sonst nicht die Möglichkeit der Restitution illegal aus ihrem Territorium exportierter Kulturgüter hätten. Da es das Übereinkommen auch im Kontext der Kompensationszahlung unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter vermeidet, den Marktwert oder den gezahlten Kaufpreis als Maßstab ausdrücklich vorzugeben, wird dem im konkreten Fall zur Entscheidung berufenen Gericht ein weiter Ermessensspielraum eröffnet. Während Spaun innerhalb der näheren Ausgestaltung der Kompensationshöhe davon ausgeht, dass eine „angemessene“ Entschädigung grundsätzlich „im Ersatz des Kaufpreises und der Abgeltung allfälliger zur Erhaltung oder Verbesserung getätigter Aufwendungen bestehen“ soll,553 ist für Beck innerhalb ihrer Untersuchungen zur Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention klar, dass Ausgangspunkt der Überlegungen sein muss, für welchen Verlust genau der Erwerber zu entschädigen ist, ob also für den bloßen Besitzverlust oder auch für den Eigentumsverlust. Dies sei anhand der anwendbaren lex situs festzustellen und erfolge in der Regel bereits im Zusammenhang mit der Bestimmung des Inhalts der von dem ersuchten Staat zu treffenden Anordnung.554 Auch sollte entsprechend der Bestimmung der Kompensationshöhe nach Rückführung gestohlener Kulturgüter ein eventuelles Mitverschulden des ersuchenden Staates an der rechtswidrigen Ausfuhr Berücksichtigung finden. „Wird der Schutz der Kulturgüter in dem ersuchenden Staat vernachlässigt, darf sich dies zugunsten des Erwerbers auswirken, der die erforderliche Sorgfalt angewendet hat. Das Übereinkommen soll fahrlässiges Verhalten des Staates, der Ausfuhrverbote über Kulturgüter verhängt, nicht honorieren.“ 555 553
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 233–236. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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Bei der Bestimmung der Kompensationshöhe ist innerhalb des Bereichs der Rückführung unrechtmäßig exportierter Kulturgüter jedoch zu beachten, dass aufgrund der örtlich eingeschränkten Transferierbarkeit solcher national geschützten Kulturgüter der internationale Kunstmarkt nur bedingt geeignet ist, da ein ausländischer Käufer das Objekt aufgrund der bestehenden Ausfuhrbeschränkung nicht aus dem Territorium des Ursprungsstaates ausführen darf. Dies greift auch Beck in ihren Überlegungen auf:
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„Die auf dem Ausfuhrverbot beruhende Bindung des Kulturguts an den Ausfuhrstaat sollte auch bei der Bestimmung der Entschädigung einbezogen werden. Maßgeblich sollte daher nicht der Marktwert im freien Handel sein, sondern der geminderte Wert, der sich aus der Belastung mit einer Ausfuhrbeschränkung in dem ersuchenden Staat ergibt. Denn zum einen ist die Wertminderung nicht Folge der Rückführung; sie haftete der Sache vielmehr schon vor der Ausfuhr an. Die Entschädigung soll jedoch nur diejenigen Schäden regulieren, die gerade auf der durch das Übereinkommen geschaffenen Rückführungspflicht beruhen. Zum anderen entspricht dies der Systematik des Art. 6, die dem gutgläubigen Erwerber auch dann keinen Anspruch auf Ausgleich der Wertminderung gewährt, wenn er die Sache im Eigentum und Besitz behält, aber in den ersuchenden Staat zurückführt. Verkauft er sie dort, was in Art. 6 Abs. 3 (b) ebenfalls ausdrücklich vorgesehen ist, erhält er als Kaufpreis ebenfalls lediglich den durch die Belastung mit dem Verbot verringerten Kaufpreis. Möchte er dafür Ersatz erhalten, muss er sich an den Verkäufer wenden, der möglicherweise für den wertmindernden Umstand einzustehen hat.“ 556
223
Im Unterschied zu dem Bereich der Rückführung gestohlener Kulturgüter ist innerhalb der Entschädigungsleistung nach Rückführung unrechtmäßig exportierter Kulturgüter ausdrücklich festgelegt, dass die Kosten der Rückführung (cost of returning the cultural object) nach Art. 6 Abs. 4 der UNIDROIT-Convention von dem ersuchenden Staat zu tragen sind.557
III. ‚Angemessene Entschädigungszahlung‘ nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 innerhalb des innereuropäischen Kulturgüterverkehrs 224
Auch innerhalb der EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 ist die Berufung auf einen gutgläubigen Erwerb als Ein-
556
557
So Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68; Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 233–236.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
201
wendung gegen den Restitutionsanspruch seitens des bona fide-Käufers nach Art. 8 ausgeschlossen:558 Art. 8 EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993: Vorbehaltlich der Artikel 7 und 13 wird die Rückgabe des Kulturguts von dem zuständigen Gericht angeordnet, wenn erwiesen ist, dass es sich dabei um ein Kulturgut im Sinne des Artikels 1 Nummer 1 handelt und die Verbringung aus dem Hoheitsgebiet unrechtmässig war.
225
Diese die Restitution illegal exportierter Kulturgüter betreffende Rechtsvorschrift (jus repetendi 559) in Form einer arte facti vindicatio 560 präzisiert erst den rechtlichen Gehalt des in Art. 2 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 normierten Restitutionsanspruchs, wonach die unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgüter nach den in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren und Bedingungen zurückgegeben werden. Es wird eine Konkretisierung derjenigen Fallkonstellationen vorgenommen, in denen der
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558
559
560
Vgl. auch Berndt, Internationaler Kulturgüterschutz: Abwanderungsschutz, Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht, 1998, S. 160; Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192; Ceuster, Les règles communautaires en matière de restitution de biens culturels ayant quitté illicitement le territoire d’un Etat membre – Analyse de la directive 93/7/CEE du mars 1993, Revue du Marché Unique européen 2 – 1993, S. 33–88, S. 79; Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297; Mansi, La tutela dei beni culturali: analisi e commento della Legge 01.06.1939 n. 1089 e di tutte le altre norme di tutela con ampi riferimenti di dottrina e giurisprudenza; nonché sulla circolazione delle opere d’arte nel diritto interno, in quello comunitario ed in quello internazionale; sul commercio dei beni culturali e sulla figura dell’artista, 1998, S. 393; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 119; Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturguts im europäischen Binnenmarkt, JZ 3/1994, S. 111–117, S. 116; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 61–62; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 236–237; Siehr, Öffentliches Recht und internationales Privatrecht beim grenzüberschreitenden Kulturgüterschutz, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 83–104, S. 101; Siehr, Handel mit Kulturgütern in der EWG, NJW 1993, Heft 35, S. 2206–2209, S. 2207–2208; Siehr, Die Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und das Privatrecht der Mitgliedstaaten der EWG, KUR 1 (1999), S. 225–236, S. 231; Taschner Kulturgüterschutz aus der Sicht des EG-Rechts, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 99; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 386–387; Wiese, Der Einfluss des EGRechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 236. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 237.
202
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Restitutionsanspruch aufgrund temporaler Präklusivwirkung nach Art. 7 561 sowie mangels Eröffnung des temporalen Anwendungsbereichs der Richtlinie nach Art. 13 562 ausgeschlossen ist. Die Berufung auf den Einwand des nach dem innerstaatlichen Sachenrecht grundsätzlich möglichen gutgläubigen Erwerbs bei der Veräußerung wird damit für den Restitutionsanspruch illegal exportierter Kulturgüter ausgeschlossen. Der Restitutionsanspruch des ersuchenden Mitgliedstaats besteht damit unabhängig von den zivilrechtlichen Eigentums- und Besitzverhältnissen an dem unrechtmäßig exportierten Kulturgut.563 227
Um jedoch eine faire Balance zwischen den Rechten des restitutionsberechtigten Mitgliedstaates der Europäischen Union und dem anderweitig rechtlos gestellten gutgläubigen Erwerber in dem ersuchten Mitgliedstaat zu erreichen, normiert Art. 9 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung:
228
Art. 9 Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993: (1) Wird die Rückgabe angeordnet, so gewährt das zuständige Gericht des ersuchten Mitgliedstaats dem Eigentümer in der Höhe, die es im jeweiligen Fall als angemessen erachtet, eine Entschädigung, sofern es davon überzeugt ist, daß der Eigentümer beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist. (2) Die Beweislast bestimmt sich nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats. (3) Im Fall einer Schenkung oder Erbschaft darf die Rechtsstellung des Eigentümers nicht günstiger sein als die des Schenkers oder Erblassers. (4) Der ersuchende Mitgliedstaat hat die Entschädigung bei der Rückgabe zu zahlen.
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Art. 7 EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993: (1) Die Mitgliedstaaten sehen in ihren Rechtsvorschriften vor, daß der Rückgabeanspruch gemäß dieser Richtlinie ein Jahr nach dem Zeitpunkt erlischt, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat von dem Ort der Belegenheit des Kulturguts und der Identität seines Eigentümers oder Besitzers Kenntnis erhält. In jedem Fall erlischt der Rückgabeanspruch 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem das Kulturgut unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats verbracht wurde. Handelt es sich jedoch um Kulturgüter, die zu öffentlichen Sammlungen gemäß Artikel 1 Nummer 1 gehören, sowie um kirchliche Güter in den Mitgliedstaaten, in denen sie nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften besonderen Schutzregelungen unterliegen, so erlischt der Rückgabeanspruch nach 75 Jahren; hiervon ausgenommen sind die Mitgliedstaaten, in denen der Rückgabeanspruch unverjährbar ist, sowie bilaterale Abkommen zwischen Mitgliedstaaten, in denen eine Verjährungsfrist von über 75 Jahren festgelegt ist. (2) Die Rückgabeklage ist unzulässig, wenn das Verbringen aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klage erhoben wird, nicht mehr unrechtmässig ist. Art. 13 EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993: Diese Richtlinie gilt nur in Fällen, in denen Kulturgüter ab dem 1. Januar 1993 unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht werden. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 61–62.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
203
Inhalt der gerichtlichen Entscheidung im Restitutionsverfahren ist nach Art. 8 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 zwar in erster Linie die materielle Rückkehr des Kulturguts in seinen kulturellen Ursprungsstaat, doch wird diese nach Art. 9 von einer in der Entscheidung zuzusprechenden Entschädigung des ‚Eigentümers‘ seitens des die Rückführung ersuchenden Mitgliedstaats abhängig gemacht, falls der ‚Eigentümer‘ beim Erwerb des Kulturguts mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist.564 Da die Richtlinien innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine unmittelbare Geltungskraft erlangen, ist ein innerstaatlicher Umsetzungsakt vonnöten. Der Anspruch des Restitutionspflichtigen auf eine angemessene Entschädigung findet sich bspw. innerhalb des deutschen Umsetzungsgesetzes, nach Ratifikation der UNESCO-Convention vom 14. November 1970, in § 10 des neuen Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (Kulturgüterrückgabegesetz) vom 18.5.2007.
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§ 10 Kulturgüterrückgabegesetz vom 18.5.2007: Entschädigung: (1) Der Rückgabeschuldner ist zur Rückgabe nur Zug um Zug gegen eine angemessene Entschädigung verpflichtet, wenn nicht der ersuchende Staat nachweist, dass dem Rückgabeschuldner bei Erwerb des Kulturgutes die unrechtmäßige Verbringung aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staats bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe ist die Entziehung der Nutzung des Kulturgutes unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Rückgabeschuldners zu berücksichtigen. Für entgangenen Gewinn und für sonstige Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entzug der Nutzung stehen, ist dem Rückgabeschuldner eine Entschädigung zu zahlen, wenn und insoweit dies zur Abwendung oder zum Ausgleich einer unbilligen Härte geboten erscheint.
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564
Vgl. zur Einführung jeweils m.w.N. Mansi, La tutela dei beni culturali: analisi e commento della Legge 01.06.1939 n. 1089 e di tutte le altre norme di tutela con ampi riferimenti di dottrina e giurisprudenza; nonché sulla circolazione delle opere d’arte nel diritto interno, in quello comunitario ed in quello internazionale; sul commercio dei beni culturali e sulla figura dell’artista, 1998, S. 393; Siehr, Öffentliches Recht und internationales Privatrecht beim grenzüberschreitenden Kulturgüterschutz, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 83–104, S. 101; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S.386–387; Berndt, Internationaler Kulturgüterschutz: Abwanderungsschutz, Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht, 1998, S. 160; Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191; Wiese, Der Einfluss des EGRechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62; Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192; Taschner, Kulturgüterschutz aus der Sicht des EG-Rechts, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, S. 99.
204
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter (2) Die Entschädigung ist von dem ersuchenden Staat zu entrichten. (3) Sichert der ersuchende Staat schriftlich zu, dass die Rechte des Rückgabeschuldners an dem Kulturgut durch die Rückgabe nicht berührt werden, so hat er diesem nur die Kosten zu erstatten, die ihm daraus entstanden sind, dass er darauf vertraut hat, das Kulturgut im Bundesgebiet belassen zu dürfen. (4) Ist das zurückzugebende Kulturgut dem Rückgabeschuldner geschenkt, vererbt oder vermacht worden, so fallen ihm die Sorgfaltspflichtverletzungen des Schenkers oder Erblassers zur Last.
1. 231
Bestimmung der Kompensationsberechtigung
Grundsätzlich steht der Entschädigungsanspruch der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 nur demjenigen Eigentümer zu, der das Kulturgut nach dessen unrechtmäßiger Verbringung aus dem kulturellen Ursprungsstaat erwirbt.565 Diese Bedingung hat zunächst zur Folge, dass – ebenso wie innerhalb der UNIDROITConvention vom 24. Juni 1995 – dem Eigentümer, der das betreffende Kulturgut zuvor selbst ohne rechtmäßige Ausfuhrerlaubnis exportiert hat, kein Anspruch auf Zahlung einer Kompensationssumme zusteht. Die Kommission der Europäischen Union unterstellte zulasten des Eigentümers, dass dieser von dem an dem Gegenstand bestehenden Ausfuhrverbot grundsätzlich Kenntnis hat oder haben muss.566 Dies lässt sich ohne größeren Aufwand damit begründen,567 dass dieser weiß oder wissen muss, dass unter das nationale Regelungsprogramm zur Bewahrung und Erhaltung bedeutsamer Kulturgüter zählende Objekte nicht entgegen den öffentlich-rechtlichen Ausfuhrbedingungen exportiert werden dürfen.568 565
566 567
568
Vgl. Ceuster, Les règles communautaires en matière de restitution de biens culturels ayant quitté illicitement le territoire d’un Etat membre – Analyse de la directive 93/7/CEE du mars 1993, Revue du Marché Unique européen 2 – 1993, S. 33–88, S. 79; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 61–62. Vgl. KOM (91) 447 vom 10.02.1992 S. 28. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297 unter Berufung auf KOM (91) 447 endg.; Ratsdok. 4327/92; BR-Drs. 137/92 vom 25. Februar 1992, 29. Kritisch hierzu BR-Drs. 137/92 vom 15.5.1992, 14. Bila weist in ihren Untersuchungen zum nationalen Kulturgüterschutz in der Europäischen Union darauf hin, dass sich hier Unbilligkeiten im Bereich des fehlenden Ausgleichs für den tatsächlichen Sachentzug des ehemaligen Eigentümers ergeben können. „Diese unwiderlegbare Vermutung zu Lasten des Eigentümers dürfte für Bürger solcher Mitgliedstaaten zutreffen, die nur eine begrenzte Zahl an Kulturgütern unter Schutz stellen. Die Unterschutzstellungsverfahren in vielen Mitgliedstaaten des minimalistischen Ansatzes sehen ein spezielles und individualisiertes Überprüfungsverfahren vor, das eine Regelung gegenüber dem Bürger mit Außenwirkung beinhaltet, vergleichbar der deutschen Definition des Verwaltungsaktes im Sinne des § 35 VwVfG. Diese Verwaltungsentscheidung wird dem Eigentümer mitgeteilt, so daß er von der Unterschutzstellung weiß und zumindest durch Parallelwertung in der Laiensphäre die Unrechtmäßigkeit der Ausfuhr erkennt. Allerdings bestehen bei Bewohnern maximalistisch schützender Staaten, in denen eine unüberschaubare Menge kultureller Erzeugnisse nicht ausgeführt werden dürfen, Zweifel, ob wirklich der Eigentümer
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
Ebenso wie in den übrigen Ausgestaltungsvarianten eines Lösungsrechts gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig transferierter Kulturgüter ist auch innerhalb des Anwendungsbereichs der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 umstritten, ob auch dem gutgläubigen restitutionspflichtigen Besitzer ein Anspruch auf Zahlung einer Kompensationssumme zusteht.569 Da nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 9 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 allein dem Eigentümer und nicht einem restitutionspflichtigen Besitzer ein Kompensationsanspruch geschuldet wird, hat zuerst Siehr und später sich auf diesen berufend Weber darauf hingewiesen, dass ein gutgläubiger Besitzer anscheinend auch keinen Verwendungsersatz geltend machen könne.570 Besonders problematisch stelle sich dieser Missstand bspw. dann dar, wenn der gutgläubige Besitzer eines
569
570
Kenntnis vom Ausfuhrverbot hatte. Er wird aber durch die Vermutung der Richtlinie verpflichtet, die Ausfuhrgesetze genau zu kennen. Da aber die Richtlinie 93/7EWG eine Rückgabeverpflichtung nur für Kulturgüter von nicht ganz unbedeutendem kulturellen und finanziellen Wert erfaßt, kann den Eigentümern wertvollerer Objekte zugemutet werden, sich bei Zweifeln über die Zulässigkeit der Ausfuhr bei den zuständigen Behörden zu informieren. Im Übrigen gilt dieses Prinzip der unterstellten Rechtskenntnis auch für nationale Gesetze, wie Strafgesetze.“ Vgl. Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192. Darüber hinaus wirft Bila die bisher ungelöste Frage auf, warum die EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 keinen Anspruch auf Kompensationszahlung für solche Eigentümer vorsehe, die ihren Besitz an den transferierten Kulturgütern unfreiwillig verloren haben, von einer Ausfuhr ihres Gegenstandes aus dem Staatsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats nichts wussten und damit auch nicht einverstanden waren. „Sehen die nationalen Bestimmungen vor, daß er sein Eigentum nicht verliert, ist er nach Rückgabe des Kulturgutes wieder Eigentümer. Für ihn ergibt sich eine ähnliche Situation, wie für den gutgläubigen Erwerber. Auch er könnte das Besitzrecht an der Sache dem Staat überlassen müssen und, nicht mehr über sie verfügen können. … [I]n einer solchen Rückforderung des Mitgliedstaates mit dauerndem Besitzrecht an der Sache [kann] ein enteignender Eingriff gegenüber dem Eigentümer gesehen werden, der je nach nationaler Rechtsordnung zu staatshaftungsrechtlichen Entschädigungsansprüchen führen kann. Eine einheitliche Regelung durch die Richtlinie, wie für den gutgläubigen Erwerber, hätte wegen der Vergleichbarkeit der Sachverhalte einen höheren Grad an Rechtssicherheit erbracht.“ So Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192. Vgl. hierzu jeweils m.w.N. Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturguts im europäischen Binnenmarkt, JZ 3/1994, S. 111–117, S. 111–112 (behandelt bloß einen Vorentwurf); Siehr, Handel mit Kulturgütern in der EWG, NJW 1993, Heft 35, S. 2206–2209, S. 2207–2208; ihm folgend Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 387; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 119; Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62; Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297; Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 61–62. Vgl. Siehr, Handel mit Kulturgütern in der EWG, NJW 1993, Heft 35, S. 2206–2209, S. 2207–2208; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 386–387.
205 232
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
unrechtmäßig aus dem kulturellen Ursprungs- und Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgeführten Kulturguts eine aufwendige Restaurierung vorgenommen oder es gegen Diebstahl versichert habe und auf unsichere und in einer neuen Klage geltend zu machende Ansprüche gegen den Eigentümer verwiesen werde.571 233
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich die Frage nach der Kompensationsberechtigung gutgläubiger Besitzer innerhalb des Anwendungsbereichs der EGRichtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 keinesfalls in der bei Siehr und Weber zu vermutenden Schärfe darstellt, da die Autoren nicht darauf hinweisen, dass die Terminologie „Besitzer“ i.S.d. Art. 9 nicht mit dem rechtstechnischen Verständnis des „Besitzers“ nach deutschem sachenrechtlichen Verständnis innerhalb des BGB gleichzusetzen ist.572 Gewiss entscheidet über die Frage, ob der restitutionspflichtige Beklagte als sorgfältiger Erwerber eine Entschädigung erhält, das zuständige Gericht im zur Rückführung ersuchten Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Klageerhebung nach geltenden innerstaatlichen Vorschriften: Nach dem Wortlaut des Art. 9 der EG-Richtlinie 93/7/EWG ist für den Eigentumserwerb nur das Recht des ersuchten Mitgliedstaates entscheidend. Jedoch ist in Art. 1 Nr. 6 eine richtlinien-autonome Bestimmung dessen normiert, wer als „Eigentümer“ i.S.d. Art. 9 anzusehen ist. Danach ist generell die Person als „Eigentümer“ i.S.d. EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 zu qualifizieren, die die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für sich selbst ausübt.573 Die besondere Definition der Terminologie des „Eigentümers“ in Art. 1 Nr. 6 unabhängig von der materiellen (Eigentums-)Rechtslage am unrechtmäßig exportierten Kulturgut verdeutlicht, dass in Art. 9 Abs. 1 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 mit dem ,,Erwerb“ nicht zwingend die Begründung einer dinglichen Rechtsposition an dem Kunstwerk verbunden ist.574 Versucht man eine Transformation dessen in das deutsche Rechtsverständnis, ist als entschädigungsberechtigter Eigentümer i.S.d. Art. 9 i.V.m. Art. 1 Nr. 6 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 auch der Eigenbesitzer im Sinne des § 872 BGB zu qualifizieren.575
234
Funktion der in der Richtlinie verbürgten Pflicht zur Zahlung einer Entschädigungssumme ist damit der Schutz von Vermögenseinbußen des redlichen Erwer-
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572 573 574
575
Vgl. zu diesem Beispiel auch Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297. Vgl. Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192. Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. So Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 119; Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
bers unrechtmäßig aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgeführter Kulturgüter, die aus einem entgeltlichen Erwerbsgeschäft herrühren.576 Kompensationsberechtigter „Erwerber“ nach Art. 9 Abs. 1 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 ist also derjenige, der das unter die Restitutionspflicht fallende Kulturgut unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erworben hat, nachdem es unrechtmäßig ausgeführt wurde. Der „Erwerber“ muss somit trotz des nach deutschem Begriffsverständnis missverständlichen Wortlauts „Eigentümer“ nicht nach der nationalen Rechtsordnung innerhalb des Belegenheitsstaates tatsächlich Eigentümer geworden sein.577 Die Richtlinie verknüpft auf diese Art den Entschädigungsanspruch unmittelbar an den Tatbestand der Begründung der tatsächlichen Sachherrschaft des Erwerbers über das Kulturgut für sich selbst. Dies hat zugleich zur Folge, dass derjenige, der nach Art. 1 Nr. 7 der EG-Richtlinie 93/7/EWG für andere die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut ausübt, das Kulturgut zu keiner Zeit „erworben“ hat und dementsprechend auch nicht kompensationsberechtigt ist.578 Dies leuchtet ein, da derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut ausschließlich für einen anderen ausübt, kein eigenes Sicherungsinteresse für Verwendungen auf das Kulturgut manifestiert.579 Das geforderte eigene Sicherungsinteresse, das zu der Kompensationsberechtigung führt, weist aber derjenige auf, der als gutgläubiger unberechtigter Eigenbesitzer im Sinne der §§ 994 ff. BGB Verwendungen auf das Kulturgut macht, es bspw. restaurieren lässt oder gegen Diebstahl versichert.580 „Macht zum Beispiel der vom Erwerber beauftragte Restaurateur Verwendungen auf das Kulturgut und hält der Restaurateur das Kulturgut zur Sicherung seiner Ansprüche zurück, so behält der Restaurateur die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut „für sich“ und ist angemessen zu entschädigen.“ 581 Somit besitzt in den typischen Konstellationen derjenige, der Verwendungen auf das Kulturgut macht, die tatsächliche Sachherrschaft am Gut auch für sich, sodass lediglich in besonders gelagerten, atypischen Fällen – etwa wenn der Sachherr getäuscht oder betrogen wurde – möglicherweise ein Verwendungs-
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Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. Vgl. Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192. Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. So Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. Überzeugend Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297; Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191; MüllerKatzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 119; ähnlich Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 190. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
ersatzanspruch eines gutgläubigen Besitzers ausfällt.582 In diesen Konstellationen können durchaus diejenigen Unbilligkeiten der Entschädigungsregelung entstehen, auf die Siehr und Weber aufmerksam gemacht haben.583 235
Die Frage, ob auch dem gutgläubigen restitutionspflichtigen Besitzer ein Anspruch auf Zahlung einer Kompensationssumme zusteht, erübrigt sich innerhalb des Anwendungsbereichs des deutschen Umsetzungsgesetzes, da § 10 des neuen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18.5.2007 584 den Entschädigungsanspruch auf den Rückgabeschuldner bezieht und damit neben dem Anspruch des Eigenbesitzers auch einen solchen des Fremdbesitzers im Sinne des § 868 BGB ermöglicht.585 Statt den Eigentümer als Entschädigungsberechtigten qualifiziert die Vorschrift ganz allgemein den „Rückgabeschuldner“ als kompensationsberechtigt. Damit trägt § 10 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18.5.2007 der vom deutschen Recht abweichenden Terminologie der EG-Richtlinie 93/7/EWG Rechnung, indem explizit festgelegt wurde, dass nicht nur der Eigentümer, sondern auch der Eigenbesitzer im Sinne des § 872 BGB entschädigungsberechtigt ist.586
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Weiterhin ist daran zu denken, dass für solche Herausgabeschuldner, die nicht unter die Voraussetzungen der Kompensationsberechtigung nach Art. 9 Abs. 1 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 fallen, die europarechtlichen Vorgaben keinen Ausschluss sonstiger zivilrechtlicher Regressmöglichkeiten bestimmen und somit Ansprüche gegen Dritte, wie bspw. die Verkäufer unrechtmäßig ausgeführter und dementsprechend unter die Restitutionspflicht der Richtlinie fallenden Kulturgüter, nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften möglich bleiben.587
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Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. § 10 des neuen Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (Kulturgüterrückgabegesetz) vom 18.5.2007. So Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 328, auf diese verweisend auch Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 322–323; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 64–65. Vgl. KOM (91) 447 vom 10.02.1992 S. 28; Ratsdok. 4327/92; BR-Drs. 137/92 vom 25. Februar 1992, 29; sich darauf berufend auch Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297; Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
2.
209
Höhe der Kompensationssumme
Ebenso wie die Bestimmung der ‚just compensation‘ nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 und der ‚fair and reasonable compensation‘ nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 bereitet auch die richtige Auslegung einer ‚angemessenen Entschädigungszahlung‘ sowohl nach der EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 als auch innerhalb des entsprechenden innerdeutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18.5.2007 Schwierigkeiten. Es stellt sich als fraglich dar, in welcher Höhe eine ‚angemessene Entschädigung‘ liegt und ob auch zusätzlich aufgewandte Ausgaben oder etwa sogar ein Wertzuwachs nach dem Zeitpunkt des Erwerbs sich als kompensationsfähige Entschädigung darstellen. Das Kriterium der Angemessenheit der Entschädigungszahlung soll zunächst eine Begrenzung in der Höhe der Kompensationssumme erreichen, um dem berechtigten Mitgliedstaat der Europäischen Union als Restitutionsgläubiger auch tatsächlich die Rückführung der unrechtmäßig ausgeführten und auf das Territorium eines Mitgliedstaates transferierten Kulturgüter zu ermöglichen. Andererseits soll aber auch das zumindest finanzielle Interesse restitutionspflichtiger Herausgabeschuldner gewahrt bleiben, die auf den güterrechtlichen Bestand des status quo berechtigterweise vertrauen durften. Da die Bestimmung des richtigen Kompensationsquantums innerhalb der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 in das Ermessen des nationalen Gerichts gestellt wurde, ist die Entschädigung weder zwingend am Wert des unrechtmäßig exportierten Kulturgutes zur Zeit des Erwerbs bzw. zum Zeitpunkt der Restitutionspflicht noch notwendigerweise direkt am Kaufpreis zu messen, sondern auch andere Wertungskriterien und Indizien sind miteinzubeziehen. Welche einzelnen Interessen im Detail kompensationsfähig sind, wird erst in der Zukunft eindeutige Präzisierung durch die nationalen Gerichte erhalten.
237
Da sich der Entschädigungsumfang auch nach den Interessen des Erwerbers am weiteren Erhalt der eigenen Sachherrschaft über das Kulturgut bemessen soll, geht die überwiegende Ansicht innerhalb der Rechtsdogmatik bei der Bestimmung der angemessenen Entschädigungssumme im Regelfall von dem seitens des Erwerbers gezahlten Kaufpreises aus 588, hält aber auch andere Kriterien, wie bspw. den objektiven Wert des Kulturguts, das emotionale Interesse des Erwerbers, die von dem Erwerber für die Erhaltung des Kulturguts getragenen Kosten (etwa Restaurierungskosten) sowie die Fragen, ob das Eigentum am Kulturgut gutgläubig erworben wurde, und ob der Erwerber Eigentümer des zurückgegebenen
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588
Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297, unter Rückgriff auf die Ausführungen bei KOM (91) 447 endg.; Ratsdok. 4327/92; BR-Drs. 137/92 vom 25. Februar 1992, 29.
210
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Kulturgutes bleibt, was sich nach Art. 12 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 nach den Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats richtet, für berücksichtigungsfähig.589 239
Aufbauend auf diesen Erwägung spricht sich Wiese explizit dafür aus, dass sich auch eine Steigerung des Marktwerts des Kulturguts erhöhend auf das finanzielle Interesse des Erwerbers am weiteren Erhalt seiner Sachherrschaft ausdrückt und angemessen auszugleichen ist. „Auch wer das Kulturgut nur zeitweilig für sich nutzen wollte und für die Nutzungsmöglichkeit Aufwendungen getätigt hat, die infolge der Restitution wertlos werden, ist angemessen zu entschädigen. Angefallene Verwendungen zum Erhalt oder zur Wiederherstellung des Kulturguts, zum Beispiel Restaurationskosten, können zur Berechnung des Entschädigungsumfangs mit herangezogen werden.“ 590 Die mögliche Kompensationsfähigkeit des kulturellen Spekulationsgewinns fand bspw. auch innerhalb des deutschen Umsetzungsgesetzes positiv-gesetzliche Berücksichtigung:
240
§ 10 Kulturgüterrückgabegesetz vom 18.5.2007: Entschädigung (1) Der Rückgabeschuldner ist zur Rückgabe nur Zug um Zug gegen eine angemessene Entschädigung verpflichtet, wenn nicht der ersuchende Staat nachweist, dass dem Rückgabeschuldner bei Erwerb des Kulturgutes die unrechtmäßige Verbringung aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staats bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe ist die Entziehung der Nutzung des Kulturgutes unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Rückgabeschuldners zu berücksichtigen. Für entgangenen Gewinn und für sonstige Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entzug der Nutzung stehen, ist dem Rückgabeschuldner eine Entschädigung zu zahlen, wenn und insoweit dies zur Abwendung oder zum Ausgleich einer unbilligen Härte geboten erscheint. (2) Die Entschädigung ist von dem ersuchenden Staat zu entrichten. (3) Sichert der ersuchende Staat schriftlich zu, dass die Rechte des Rückgabeschuldners an dem Kulturgut durch die Rückgabe nicht berührt werden, so hat er diesem nur die Kosten zu erstatten, die ihm daraus entstanden sind, dass er darauf vertraut hat, das Kulturgut im Bundesgebiet belassen zu dürfen.
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Vgl. jeweils m.w.N. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297; Eberl, Probleme und Auswirkungen der EG-Vorschriften zum Kulturgüterschutz, NVwZ, Heft 8, 13. Jahrgang (1994), S. 729–736, S. 733; Siehr, Kulturgüterschutz innerhalb der Europäischen Union, ZVglRWiss 95 (1996), S. 170–187, S. 179; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 21; Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 191; Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCOKulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191. Zu Art. 12 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 vgl. vor allem auch KOM (91) 447 endg.; Ratsdok. 4327/92; BR-Drs. 137/92 vom 25. Februar 1992, 29; BR-Drs. 137/92 vom 15.5.1992, 14. Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62, unter Rückgriff auf Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 119; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 286.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
211
(4) Ist das zurückzugebende Kulturgut dem Rückgabeschuldner geschenkt, vererbt oder vermacht worden, so fallen ihm die Sorgfaltspflichtverletzungen des Schenkers oder Erblassers zur Last.
Nach § 10 Abs. 1 S. 3 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18.5.2007 (identisch mit der vorherigen Fassung des § 9 Abs. 1 S. 3 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 15. Oktober 1998) ist dem Rückgabeschuldner für entgangenen Gewinn und für sonstige Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entzug der Nutzung stehen, eine Entschädigung zu zahlen, wenn und insoweit dies zur Abwendung oder zum Ausgleich einer unbilligen Härte geboten erscheint. Damit räumt die Vorschrift ausdrücklich die Kompensationsfähigkeit für entgangenen Gewinn und sonstige Vermögensnachteile ein, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entzug der Nutzung stehen.591 Gegen den Rechtsgehalt dieser (bzw. besser der inhaltsgleichen Vorgänger-)Vorschrift wurden jedoch Bedenken geäußert, weil § 10 Abs. 1 S. 3 des Kulturgüterrückgabegesetzes eine Entschädigung vorschreibt für entgangenen Gewinn und sonstige Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entzug der Nutzung stehen. Dabei handele es sich nicht mehr um eine Entschädigung, sondern um einen nach der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 nicht vorgesehenen Schadensersatz. „Eine Entschädigung soll einen gerechten Interessenausgleich herbeiführen und dem Betroffenen einen angemessenen Ersatz für seine Einbuße bieten. Dagegen soll ein Schadensersatz dem Betroffenen den vollen Ersatz seines Schadens leisten, wozu grundsätzlich alle materiellen Nachteile einschließlich eines entgangenen Gewinns gehören. Die Ri 93/7 schreibt in ihrem Art. 9 eine angemessene Entschädigung vor. Die in § 9 [10 n.F.] Abs. 1 S. 3 KultGüRückG angeordnete „Entschädigung“ für entgangenen Gewinn und sonstige Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entzug der Nutzung stehen, ist tatsächlich ein Schadensersatz und geht über das, was die Ri 93/7 gewähren will, hinaus.“ 592 Diese Rechtseinschätzung findet Unterstützung bei Halsdorfer, die ebenfalls § 10 Abs. 1 S. 3 des Kulturgüterrückgabegesetzes als richtlinienwidrig bewertet.593
241
Uneinheitlich wird auch die Frage beantwortet, wie es sich auswirkt, wenn der restitutionsberechtigte Mitgliedstaat nicht alles zur Verhinderung der unrechtmäßigen Ausfuhr Mögliche und Erforderliche getan hat, um ein illegales Verbringen seiner Kunstwerke zu verhindern. Dieses Kriterium wurde zuerst von Siehr und in der Folge von zahlreichen weiteren Stimmen zur Einschränkung des Entschädigungsumfangs bemüht, um die Abwälzung des Schutzes des nationalen Kultur-
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Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 64–65. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 322–323. Vgl. Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
guts auf andere Staaten zu vermeiden.594 Zur Begründung wird vor allem darauf abgestellt, dass kein Mitgliedstaat gezwungen sein dürfe, auf seine Kosten fremde nationale Kulturgüter zu schützen.595 Wiese entgegnet dem in seinen Untersuchungen zum Einfluss der europäischen Vorgaben auf das internationale Sachenrecht der Kulturgüter, dass dieser Gesichtspunkt nicht tragend sei, da – unter Berufung auf Hipp 596 – der ‚ersuchte‘ Mitgliedstaat seine angefallenen Unkosten durch das Erheben von Gerichtskosten nach seinem nationalen Verfahrensrecht deckt „und von Vollzugskosten, die ihm nach Art. 10 der RL 93/7/EWG von dem – unter Umständen nachlässigen – „ersuchenden“ Mitgliedstaat zu ersetzen sind. Es profitiert der „ersuchte“ Mitgliedstaat auch nicht von einer dem „Eigentümer“ zu gewährenden Entschädigung.“ 597 Außerdem spreche gegen den Vorschlag, den Entschädigungsumfang davon abhängig zu machen, ob der Herkunftsstaat beim Schutz seiner Kulturgüter ineffektiv vorgegangen ist, „dass der Entschädigungsregelung kein pönaler Charakter zuerkannt werden kann. Die zu sichernden Vermögensinteressen des Erwerbers bestehen unabhängig von der Effektivität des Rechtssystems des Herkunftsstaats.“ 598 In diesem Einzelfall wird eine klärende Entscheidung sicherlich auf sich warten lassen. 243
Während innerhalb des Art. 9 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 die Frage nach der Eigentumsposition an dem zu restituierenden Kulturgut nur als eines von mehreren berücksichtigungsfähigen Kriterien in der Bestimmung der Kompensationshöhe erachtet wird 599 und sich keine generalisierende Konkretisierung der angemessenen Höhe in Abhängigkeit von der Eigentumsfrage findet 600, ist in
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Vgl. Siehr, Die Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und das Privatrecht der Mitgliedstaaten der EWG, KUR 1 (1999), S. 225–236, S. 231; Siehr, Öffentliches Recht und internationales Privatrecht beim grenzüberschreitenden Kulturgüterschutz, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 83–104, S. 101; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 386–387; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 286–287; Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. Vgl. Siehr, Die Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und das Privatrecht der Mitgliedstaaten der EWG, KUR 1 (1999), S. 225–236, S. 231; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 387. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 287. Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. Vgl. etwa Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 286–287. Vgl. Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191.
4. Abschnitt: Lösungsrecht als Kompromiss
213
§ 10 Abs. 3 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18.5.2007 explizit bestimmt, dass dann, wenn der ersuchende Mitgliedstaat schriftlich zusichert, dass die Rechte des Rückgabeschuldners nicht berührt werden, der ersuchende Mitgliedstaat nur die Kosten zu erstatten hat, welche aufgrund des Vertrauens, das Kulturgut im Bundesgebiet belassen zu dürfen, entstanden sind.601 Diese Regelung berücksichtigt somit, dass aufgrund des Art. 12 der EG-Richtlinie 93/7/EWG je nach Rechtslage des ersuchenden Mitgliedstaats der Erwerber sein Eigentum am Kulturgut nach dessen Rückgabe behalten kann.602 Nach Art. 9 Abs. 3 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 darf im Fall eines unentgeltlichen Erwerbs eines Kulturguts mittels einer Schenkung oder Erbschaft die Rechtsstellung des Eigentümers nicht günstiger sein als die des Schenkers oder Erblassers. Dies bedeutet zunächst für die Konstellation, dass der Erblasser nach einer Universalsukzession bzw. der Schenker nach einer derivativen Rechtsübertragung das Kulturgut selbst unrechtmäßig ausgeführt hat oder er von der illegalen Ausfuhr wusste, dass sich diese Kenntnis auch zulasten des Erben bzw. Beschenkten auswirkt.603 „Sinn der Regelung ist, dass kein unentgeltlicher Erwerber sich darauf berufen kann, er sei beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen, wenn sein Vorgänger selbst unredlich gehandelt hatte. Unredlichkeiten des Ersterwerbers soll kein Vorschub geleistet werden.“ 604 Praktisch bedeutet dies, dass der unentgeltliche Erwerber dann keinen Anspruch auf eine Entschädigung hat, wenn auch sein Rechtsvorgänger keinen Anspruch nach Art. 9 der EG-Richtlinie 93/7/EWG hätte geltend machen können, da er keinen Gegenwert aufgebracht hat, um die Sache zu erlangen und dementsprechend finanziell weniger schützenswert ist als der restitutionsberechtigte Ursprungsstaat.605 Die Vorschrift kürzt die zu leistende Kompensationshöhe des unentgeltlichen und redlichen Zweiterwerbers jedoch nicht in jedem Fall auf diejenige Höhe, die seinem Vorgänger zugestanden hätte. „Der Beschenkte oder der Erbe erleidet zwar keine auszugleichende Vermögenseinbuße in Form einer Kaufpreiszahlung, er mag aber im Vertrauen auf den weiteren Verbleib des
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Vgl. auch Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 64–65; Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 322–323. Vgl. Ceuster, Les règles communautaires en matière de restitution de biens culturels ayant quitté illicitement le territoire d’un Etat membre – Analyse de la directive 93/7/CEE du mars 1993, Revue du Marché Unique européen 2 – 1993, S. 33–88, S.80. Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62, unter Verweis auf KOM (1991) 447 endg., S. 28; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–286. Vgl. Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Gutes in seinem Vermögen Verwendungen getätigt haben, die seinen finanziellen Ausgleich über das Entschädigungsinteresse seines Vorgängers anheben.“ 606 245
Der ersuchende Mitgliedstaat hat die Entschädigung bei der Rückgabe zu zahlen.607 Nach Art. 10 der EG-Richtlinie 93/7/EWG gehen die Ausgaben, die sich aus dem Vollzug der Entscheidung ergeben, mit der die Rückgabe des Kulturguts angeordnet wird, zulasten des ersuchenden Mitgliedstaats. Besonders erwähnenswert ist ebenso wie innerhalb der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 und der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995, dass Art. 11 der EGRichtlinie 93/7/EWG die Freihaltung und den Regress des die Restitution beanspruchenden Staates bestimmt. Danach steht die Zahlung der angemessenen Entschädigung gemäß Art. 9 und der Ausgaben gemäß Art. 10 dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats nicht entgegen, die Erstattung dieser Beträge von den Personen zu fordern, die für die unrechtmäßige Verbringung des Kulturguts aus seinem Hoheitsgebiet verantwortlich sind.608
§ 6 Ergebnis: Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers als Kompromiss innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter? 246
Die kulturgüterunspezifischen Ausgestaltungsvarianten der französischen und Schweizer Sachenrechtsordnungen eines Lösungsrechts des gutgläubigen Erwerbers gestohlener beweglicher Gegenstände dienten den zwischenstaatlichen Rechtsinstrumenten als Vorbild für die Ausgestaltung eines kulturgüterspezifischen Lösungsrechts für den restitutionspflichtigen gutgläubigen Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Im Geltungsbereich der UNESCO-Convention vom 14. November 1970, der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 und der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 ist ein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als Grundsatz absolut ausgeschlossen. Das
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Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. Art. 9 Abs. 4 EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993. „Es fehlt jedoch die Klärung, inwieweit der einen in Privateigentum stehenden Kunstschatz zurückfordernde Staat vom einem von der Rückforderung profitierenden Eigentümer Regress hinsichtlich der an den Rückgabeschuldner gezahlten Entschädigung verlangen kann. Zwar sind wegen der Sonderkollisionsnormen Fälle denkbar, in denen erst durch die Rückgabe ein zwischenzeitlicher gutgläubiger Erwerb verhindert wird und der ursprüngliche Eigentümer der Geltendmachung des staatlichen Anspruchs bedarf. Andererseits droht bei einem Regressanspruch eine Abwälzung des Risikos des illegalen Handels vom Staat auf den privaten Eigentümer. Auch ist der Eigentümer möglicherweise finanziell nicht in der Lage, die vom Staat gezahlte angemessene Entschädigung aufzubringen.“ Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191, unter Rekurs auf Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 197.
§ 6 Ergebnis: Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers als Kompromiss
215
Sacherhaltungs- und Bestandswahrungsinteresse des Eigentümers in specie und das daraus folgende Restitutionsrecht unrechtmäßig entzogener Kulturgüter überwiegen somit immer das Bedürfnis an Rechtssicherheit im internationalen Kulturgüterverkehr und das Erwerbsinteresse in specie gutgläubiger Erwerber. Unrechtmäßig entzogene Kulturgüter werden sachlich immer ihren ursprünglichen Eigentümern zugeordnet. Um jedoch einen Ausgleich für die unerhörten Bedürfnisse restitutionspflichtiger Erwerber zu schaffen und damit die Rechtsinstrumente auch für kulturelle Importstaaten annehmbar auszugestalten, sollen gutgläubige Erwerber in Form der sog. Lösungsrechte für ihren kulturellen Verlust zumindest eine finanzielle Kompensation erhalten. Während die abstrakt-theoretische Rechtskonstruktion eines kulturellen Lösungsrechts verständlich erscheint, wurde bei der Untersuchung der näheren Ausgestaltungsvarianten der ‚payment of just compensation‘ nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970, der ‚payment of fair and reasonable compensation‘ nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 sowie der ‚angemessenen Entschädigungszahlung‘ nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 zahlreiche von der Praxis ungeklärten Rechtsfragen ersichtlich. Auffallend ist, dass sämtliche Rechtskonstruktionen sprachlich unterschiedlich ausgestaltet sind, inhaltlich sich jedoch vergleichbare Ungereimtheiten ergaben. Dabei stellten sich schon Fragen nach den einzelnen Voraussetzungen eines Lösungsrechts. Uneinheitlich wurde bspw. die Frage nach der Kompensationsberechtigung bewertet. Regelmäßig stand hier zur Diskussion, ob nur der Restitutionsverpflichtete Anspruch auf eine finanzielle Kompensation erheben darf, der auch das Eigentum an dem rückzuführenden Kulturgut erwarb, oder ob auch derjenige seine finanziellen Interessen wahren darf, der allein Besitz an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern erlangte. Große Diskussion fanden schließlich auch die konkreten Rechtsfolgen eines Lösungsrechts und die Frage nach der richtigen Entschädigungshöhe und Kompensationssumme. Hier wurde innerhalb der kommentierenden Literatur kein gemeinsamer Nenner gefunden und zahlreiche unterschiedlichen Lösungsalternativen gingen in die Diskussion ein. Nur ausnahmsweise fand eine ausdrückliche Regelung über die Kompensationsfähigkeit von Rückführungs- und Restaurierungskosten explizite Regelung innerhalb eines der Rechtsinstrumente, sodass es regelmäßig der Rechtswissenschaft und den zur Entscheidung berufenen Gerichten überlassen bleibt, über diese – wie gesehen – kulturpolitisch umstrittenen Fragen zu befinden. Die Untersuchungen setzten nach der Bündelung der unterschiedlich möglichen Auslegungs- und Interpretationsalternativen einzelne Impulse, um die Diskussion der noch offenen Fragen in die richtige Richtung zu lenken.
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Schließlich ist eine Bewertung der Konstruktion eines Lösungsrechts des gutgläubigen Erwerbers als möglicher Kompromiss innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vorzunehmen. Zunächst werden
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
sich sicherlich viele Kommentatoren eine Ausstrahlungswirkung der kulturgüterspezifischen internationalen Rechtsinstrumente mit einem Lösungsrecht auch auf solche nationalen Rechtsordnungen wünschen, in denen ein solcher Mittelweg im Interessenwiderstreit zwischen den Bedürfnissen gutgläubiger Erwerber und ursprünglicher Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bislang verschlossen blieb. Dementsprechend fordern zahlreiche Vertreter der Rechtsliteratur die generelle Einführung eines kulturellen Lösungsrechts für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr de lege ferenda, um den Konflikt zwischen Eigentümer- und Erwerberinteressen zu entschärfen.609 Ein solches wird regelmäßig als beste Möglichkeit angesehen, einen Ausgleich zwischen den national divergierenden Modellen des Gutglaubenserwerbs zu bewirken, und bedeute „in der Zusammenschau der weit auseinanderreichenden nationalen Rechtsordnungen einen gangbaren Mittelweg.“ 610 Gegenüber solchen Rechtskonstrukten, die von einem grundsätzlichen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ausgehen – wie dies bspw. innerhalb des Common LawRechtskreises mittels des nemo dat quod non habet-Grundsatzes und innerhalb der deutschen Rechtsordnung bei sog. gestohlenen und anderweitig abhandengekommenen beweglichen Gegenständen erfolgt – kommt der Zahlungsanspruch eines Lösungsrechts zumeist dem gutgläubigen Erwerber zugute, dessen Vertrauen in die Eigentümerposition seines Gegenübers nach den Umständen des Erwerbs (Kauf auf einem Markt, bei einer Versteigerung, von einem Händler) besonderen Schutz verdient. 249
Andererseits ist aber auch festzustellen, dass jedes Lösungsrecht bei Restitution zugunsten gutgläubiger Erwerber zugleich die Möglichkeiten der Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter an den Eigentümer deutlich einschränkt, da er seinen Anspruch nur bei gleichzeitiger Zahlung einer finanziellen Entschädigung an den gutgläubigen Erwerber durchsetzen kann. In diesen Konstellationen wirkt sich ein generelles Lösungsrecht eher restitutionshemmend für den ursprünglichen Eigentümer aus.611 Die Zahlung einer Ausgleichssumme ist
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Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292, S. 287, hält hier das Lösungsrecht für generell geeignet. Vgl. auch Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 182–185; Reichelt, International Protection of Cultural Property (Second Study) – La protection internationale des biens culturels (Deuxième étude), Uniform Law Review / Revue de droit uniforme, 1988 I, S. 52 ff., S. 106; ähnlich auch Droz in Council of Europe (Legal Affairs), International legal protection of cultural property – proceedings of the 13. Colloquy on European Law, Delphi, 20–22 Sept. 1983 – La Protection internationale des biens culturels vue sous l’angle du droit international privé, S. 125, der aber an eine Ausgleichszahlung des rückfordernden Staates denkt. Vgl. Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 182–185. Vgl. auch die kulturpolitischen Erwägungen bei Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 182–185.
§ 6 Ergebnis: Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers als Kompromiss
217
aber speziell im Fall der Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter deshalb nicht unumstritten, weil sich auch die zuweilen exorbitant gestiegenen Preise vor allem im internationalen Kunstmarkt restitutionshemmend auswirken könnten und potentiell restitutionsberechtigte Eigentümer tendenziell von einer Rückforderung ihrer zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter Abstand nehmen lässt.612 Dementsprechend schlägt Siehr eine – praktisch jedoch nur sehr schwer zu bestimmende – Begrenzung des Lösungsrechts auf das negative Interesse 613 und somit auf die Höhe des Wertes des Kulturguts zum Zeitpunkt der Veräußerung 614 vor. Doch auch in diesem Fall erscheint – im Einklang mit der Rechtseinschätzung Schwadorf-Ruckdeschels – fraglich, ob der Veräußerungswert überhaupt seitens des Eigentümers aufzubringen ist: „Ein Museum etwa, das die Summe für den Erwerb eines Kunstwerks mühsam aufgebracht hat (schon heute erschöpfen manche Sammlungen ihr Budget für Neuerwerbungen mit dem Kauf eines einzigen Objekts), steht vor der schwierigen Frage, ob es das inzwischen gestohlene Stück ein zweites Mal „erwerben“ möchte.“ 615 Andere Stimmen in der Literatur geben jedoch über bisher Gesagtes hinaus zu bedenken, dass mit der Statuierung eines Lösungsrechts und einer dementsprechenden grundsätzlichen Ausgleichszahlung an gutgläubige Erwerber eine faktische Reduzierung des bisher ausgeübten Sorgfaltsmaßstabs sowohl privater als auch der professionell im Kunstgewerbe beteiligten Personen einhergehe, da diese nicht mehr der grundsätzlichen Restitutionspflicht unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wie bspw. innerhalb des Common Law-Rechtskreises und der deutschen Rechtsordnung unterfielen, sondern unmittelbar ihren finanziellen Ausgleich gegenüber dem Eigentümer suchen würden.616 Dies wiederum hätte für
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Vgl. etwa Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’oeuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 114; Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, 1985, S. 171; Rodotà, The Civil Law Aspects of the International Protection of Cultural Property, in: Council of Europe (Legal Affairs), International legal protection of cultural property – proceedings of the 13. Colloquy on European Law, Delphi, 20.–22. Sept. 1983, S. 118, S. 119; Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 182–185; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 157. Vgl. Siehr, Der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen – Neue Entwicklungen zu einem alten Problem, ZvglRWiss 80 (1981), S. 273–292, S. 287. Vgl. Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 182–185. So Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 182–185. Vgl. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’oeuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 114; Rodotà, The Civil Law Aspects of the International Protection of Cultural Property, in: Council of Europe (Legal Affairs), International legal protection of cultural property – proceedings of the 13. Colloquy on European Law, Delphi, 20.–22. Sept. 1983, S. 118, S. 119; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 157.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
den (inter-)nationalen Kunstmarkt mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern zumindest den Verlust einer abschreckenden Wirkung 617 und eines entsprechenden erzieherischen Effektes 618 zur Folge, da die gutgläubigen Erwerber keiner kompensationslosen Restitutionspflicht gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer – wie dies vor Einführung eines Lösungsrechts de lege ferenda zumindest in dem Common Law-Rechtskreis und der deutschen Rechtsordnung Usus ist – mehr ausgesetzt wären. Allein in den seltenen Ausnahmesituationen des gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb des Common Law-Rechtskreises und der deutschen Rechtsordnung im Wege der öffentlichen Versteigerung würde sich ein Lösungsrecht für den ursprünglichen Eigentümer eher restitutionsfördernd auswirken, da er ein zuvor unrechtmäßig entzogenes Kulturgut bspw. trotz öffentlicher Versteigerung unter Zahlung einer finanziellen Kompensation wiedererlangen könnte und kein endgültiger Rechtsverlust zugunsten des gutgläubigen Erwerbers eintreten würde.619 251
Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die unbedingte Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zusammen mit der Einführung eines Lösungsrechts zugunsten des restitutionspflichtigen gutgläubigen Erwerbers als kulturgüterspezifische Kompromisslösung des beschriebenen Interessenwiderstreits zu erkennen ist. Um jedoch keine Schlechterstellung des Kulturgüterschutzes und der Möglichkeit der Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in den Fällen und in solchen Rechtsordnungen zu erreichen, in denen die Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter grundsätzlich auch ohne Zahlung einer finanziellen Kompensationssumme möglich ist (wie bspw. innerhalb der Rechtsordnungen des Common Law-Rechtskreises oder Deutschlands), sollte eine kumulative Anwendung der allgemeinen Zivilrechtsregeln zusammen mit der kulturgüterspezifischen Instrumentalisierung eines kulturellen Lösungsrechts erfolgen. Es soll somit durch die Einführung eines Lösungsrechts keine diesbezügliche Schlechterstellung erreicht werden. Lediglich in den Konstellationen, in denen eine Rückführung aufgrund des gutgläubigen Eigentumserwerbs oder aus sonstigen Gründen ausgeschlossen ist, und das allgemeine Zivilrecht keine Restitutionsmöglichkeit eröffnet, sollte eine kulturgüterspezifische Rückführungsmöglichkeit gegen Entschädigungszahlung erfolgen. So sieht zumindest eine theoretische Kompromisslösung aus Sicht des Kulturgüterschutzes aus – praktisch scheint eine parlamentarische Umsetzung vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten in der Umsetzung der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 zur Zeit innerhalb Deutschlands jedoch ausgeschlossen, sodass nach weite617
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So Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 182. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’oeuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 115. Vgl. auch die kulturpolitischen Erwägungen bei Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 182–185.
§ 6 Ergebnis: Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers als Kompromiss
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ren, nicht zwingend gesetzgeberischen Lösungsmöglichkeiten für die deutsche Rechtsordnung Ausschau zu halten ist. Eine interessante Möglichkeit, Kulturgüter in Staatseigentum vor den Folgen des illegalen Kunsthandels nach einem Diebstahl durch den Ausschluss eines gutgläubigen Erwerbs zu schützen, stellt die Möglichkeit der Bestimmung der Extrakommerzialität besonders schützenswerter Kulturgüter in Staatseigentum dar. Es wird behauptet, dass Kulturgüter als res extra commercium außerhalb des allgemeinen Warenverkehrs stehen und die zivilrechtliche Sachzuordnung und die nationalen Privatrechtssysteme auf solche Objekte keine Anwendung finden – ein interessanter Gedanke, der im nun folgenden 5. Abschnitt einer genauen Prüfung unterzogen werden soll.
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5. Abschnitt Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs kultureller Wertgegenstände als res extra commercium Schrifttum: Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem? Daneben auch ein Beitrag zum Begriff des Kulturgüterschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 67–90; Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBL 1992, S. 11–13; Axer, Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen: zur Identität des Rechts der öffentlichen Sachen als Rechtsgebiet, 1994; Carducci, La restitution internationale des biens culturels et des objets d’art, 1997, S. 59–60; Carducci, The Growing Complexity of International Art Law: Conflict of Laws, Uniform Law, Mandatory Rules, UNSC Resolutions and EU Regulations, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 68 ff., S. 70; Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976; Cornu, Le droit culturel des biens – L’intérêt culturel juridiquement protégé, 1996; De Meo, More Effective Protection for Native American Cultural Property through Regulation of Export, American Indian Law Review 19 (1994), S. 1–72; De Visscher, La protection internationale des objets d’art et des monuments historiques, Extrait de la Revue de Droit international et de Législation comparée (n 1 et 2, 1935), S. 32 ff.; Deangeli, Sull’opponibilità al terzo di buona fede della nullità dell’alienazione di bene artistico, Giur. it. 1994, S. 1241 ff.; Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl 1993, S. 327–333; El-Bitar, Der Schutz von Kulturgut als res extra commercium in Frankreich. Ein Vorbild für Deutschland?, in Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, S. 175–207; Erbguth, Ausgewählte Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VR 1981, S. 152–157; Fechner, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1993, S. 704; Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff.; Gourdon, Excerpt from the Memoire “Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Œuvres d’Art”, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198; Häde, Das Recht der öffentlichen Sachen, JuS 1993, S. 113–116; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 355–365, S. 381–383; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 111 und S. 115; Karinshak, Relics of the Past: To Whom Do They Belong?; The Effect of an Archaeological Excavation on Property Rights, Emory Law Journal 46 (1997), S. 867–911; Kaufmann, Die Stellung des Privatrechtssubjekts zur res extra commercium des corpus juris civilis – Ein Beitrag zur Lehre der Extracommercialität, 1887; Kemper, BGB-Sachenrecht – Gutgläubiger Erwerb abhandengekommener Sachen in einer öffentlichen Versteigerung (Entscheidungsbesprechung BGH, 1989-10-05, IX ZR 265/88), JA 1990, S. 128; Kormann, Die kirchenrechtlichen Veräußerungsbeschränkungen beim katholischen Kirchengut und das bürgerliche Recht – zugleich ein Beitrag zur Lehre von den Veräußerungsverboten nach bürgerlichem Gesetzbuch, 1907; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts: Probleme und Grundlagen eines allgemeinen Teils des öffentlichen Sachenrechts, 1985; Loosli, Kulturgüterschutz in Italien: Rechtliche Grundlagen und Instrumente; Handel und Verkehr, 1996; Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall – VG Köln, NJW 1991, 2584, JuS 1992, S. 745–748, S. 748; Mehrtens, Das gesetzliche Veräußerungsverbot, 1974; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff.; Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wis-
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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senschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211; Mußgnug, Überlegungen zur Umsetzung der neuen EG-Vorschriften über den Verkehr mit Kulturgütern, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, Festschrift für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1225 ff.; Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. S. 1089–1122; Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht – Recht der öffentlichen Sachen, 13. Aufl. 2005, § 38 ff.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 1987; Poli, La protection des biens culturels meubles, 1996; Reichelt, Die Rolle von UNIDROIT für den Internationalen Kulturgüterschutz – Neue methodische Ansätze im „UNIDROIT-Entwurf 1990 über gestohlene und unerlaubt ausgeführte Kulturgüter“, in: Matscher/Seidl-Hohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 205–214; Roellecke, Warum schützen wir Kulturgüter?, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 39; Salzwedel, Gedanken zur Fortentwicklung des Rechts der öffentlichen Sachen, DÖV 1963, S. 241–251; Schmidt, Rechtsprechungsübersicht – Gutgläubiger Erwerb bei öffentlicher Versteigerung (Entscheidungsbesprechung BGH, 1989-10-05, IX ZR 265/88, NJW 1990, 899), JuS 1990, S. 411–412; SchwadorfRuckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 61–64; Siehr, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Rechtsverkehr, in: Westphalen/Sandrock, Lebendiges Recht – Von den Sumerern bis zur Gegenwart – Festschrift für Reinhold Trinkner zum 65. Geburtstag, 1995, S. 703–722; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 123; Streinz, Handbuch des Museumsrechts – Band 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, 1998, S. 131 ff.; Thormann, Nochmals: Das Hamburger Stadtsiegel, NWVBL 1992, S. 354–357; von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 557; Wappäus, Zur Lehre von den dem Rechtsverkehr entzogenen Sachen nach römischem und heutigem Recht: eine juristische Abhandlung, 1867; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002 (hinsichtlich Schweiz, Deutschland, Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich); Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001 (auch hinsichtlich Frankreich, Luxemburg, Belgien, Italien, Spanien, Portugal, Schweiz, Österreich, Großbritannien, Irland, Niederlande, Skandinavien, Griechenland, Türkei, Mexico, Ecuador); Wolf, Gutgläubiger Erwerb einer möglicherweise öffentlich-rechtlich gewidmeten Sache in einer öffentlichen Versteigerung, Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht (WuB) IV A § 383 BGB 1.90; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 2 – Ein Studienbuch, 6. Aufl. 2002, § 75; Wolkowitsch, Archives, bibliothèques, musées: statut des collections accessibles au public, 1986.
Eine spezielle Rechtsmethode des Kulturgüterschutzes und der Einwirkung auf den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr stellt die Extrakommerzialität kultureller Güter dar. Funktion der Extrakommerzialität ist die dauerhafte und lokale Sicherung von Kulturgütern, die sich entweder im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, öffentlichen kulturpolitischen Zwecken dienen oder für die unmittelbare kulturelle Funktionserfüllung der staatlichen Verwaltung unverzichtbar sind. Konkret geht es dabei um die Zuweisung einer unabänderlichen Eigentumsposition ‚öffentlicher Kulturgüter‘ an den kulturellen Verwaltungsträger. Mittel hierfür ist die Deklaration dieser besonders schützenswerten Kulturgüter als res extra commercium, d.h. als Sache außerhalb des Rechtsverkehrs. Es fragt sich jedoch, wann eine Sache außerhalb des Rechtsverkehrs steht: Nach der zutreffenden Definition von Wappäus ist das Wesen der Extrakommer-
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
zialität der Ausschluss von Rechten, sodass die Bestimmung kultureller Güter als res extra commercium zur Folge hat, dass an diesen Gegenständen keine privatrechtlichen Rechte zugelassen werden.620 Die Veräußerung eines Gegenstandes, der grundsätzlich als veräußerlich angesehen wird, wird ausnahmsweise verboten und ist unstatthaft. Konkret hat dies zur Folge, dass kulturelle Güter nach einer unrechtmäßigen Entziehung weder rechtsgeschäftlich veräußert, noch originär ersessen werden können und dass die Rechtsposition des kulturellen Zuordnungssubjekts extrakommerzialer Kulturgüter weder verjährt noch verwirkt werden kann. Diese Extrakommerzialität führt somit weder zu einer sog. Verfügungsbeschränkung (das rechtliche Fehlgehen der Verfügung beruht in diesen Fällen auf einer subjektiven Beschränkung des Verfügenden und nicht auf einer objektiven, jedermann treffenden, ‚intrinsischen‘ Eigenschaft der Sache) noch zu einem sog. Veräußerungsverbot (Wesen des Veräußerungsverbots ist dagegen der Ausschluss von Rechtsgeschäften, sodass an der Sache zwar jede Privatberechtigung stattfinden kann, trotzdem jedoch bestimmte Verträge über sie nicht geschlossen werden können),621 sondern versagt dagegen vielmehr insgesamt den rechtlichen Erfolg eines Rechtsgeschäfts über das Kulturgut selbst. 254
Die so beschriebene Extrakommerzialität kultureller Güter scheint aber in keinster Weise in das heutige System eines freien Warenaustauschs zu passen: Das allgemeine Rechtsverständnis geht nämlich davon aus, dass alle körperlichen Sachen Gegenstand von Rechten und Verfügungen sein können und somit Waren darstellen, die den allgemeinen Grundsätzen des (inter-)nationalen Handels unterliegen. Im römischen Recht galten selbst Gruppen von Menschen in privatrechtlicher Hinsicht als Sachen, an denen Besitz ergriffen und die zu Gewinn veräußert werden konnten – „Corporales hae sunt quae tangi possunt, velut fundus, homo, vestis, aurum, argentum, et denique aliae res innumerabiles.“ 622 In der deutschen Rechtsordnung werden alle in Deutschland belegenen körperlichen Gegenstände als Sachen im Sinne von § 90 BGB behandelt, unabhängig davon, ob es sich um Gegenstände mit rein finanziellem oder mit zusätzlichem immateriellem Wert handelt, ob die Sachen im Eigentum Privater oder im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, ob es sich um Gebrauchsgüter oder solche mit Unikatfunktion handelt.623 Auch kulturelle Güter stehen aus diesen Gründen grundsätzlich nicht außerhalb jeder rechtlichen Beherrschung, sondern im privatrechtlichen Eigentum einer bestimmten Person oder Körperschaft, in Europa häufig aufgrund der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft kultureller Insti620
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Vgl. zu der Abgrenzung auch Wappäus, Zur Lehre von den dem Rechtsverkehr entzogenen Sachen nach römischem und heutigem Recht: eine juristische Abhandlung, 1867, S. 36. Vgl. zu der Abgrenzung auch Wappäus, Zur Lehre von den dem Rechtsverkehr entzogenen Sachen nach römischem und heutigem Recht: eine juristische Abhandlung, 1867, S. 36. Kaser, Römisches Privatrecht, 14. Aufl. 1986, S. 285; vgl. Gai. 2, 13. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 1–6.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
223
tutionen wie Museen und Bibliotheken im Privateigentum des Staates, in den Vereinigten Staaten in der überwiegenden Mehrzahl privater Museen und kultureller Institutionen im Privateigentum individueller Träger, privater kultureller Vereinigungen und Stiftungen. Aus diesem Grund mutet es zunächst zumindest befremdlich an, wenn kulturellen Gütern, denen ein kommerzieller Wert par excellence innewohnt und die immer häufiger aktiver Bestandteil einer umfassenden Kapitalanlage sind, die Handelbarkeit von Rechts wegen entzogen werden soll. Aufgrund der speziellen Sachqualität von Kunstgegenständen wurden jedoch in einigen Rechtsordnungen Überlegungen angestellt, kulturelle Güter wegen ihrer besonderen kulturpolitischen Funktion gänzlich der Bewertung nach kommerziellen Gesichtspunkten und damit zugleich auch dem Handel als Ware zu entziehen. Der Gedanke, dass bestimmte Gegenstände von derartiger Sachnatur seien, dass sie schon gar nicht erst am Rechts- und Geschäftsverkehr teilnehmen dürfen und ihnen eine Verkehrsunfähigkeit anhaftet, fand in der Rechtsfigur der res extra commercium ihren Niederschlag.624 Allgemein wird unter einer res extra commercium somit eine Sache verstanden, die, entgegen den für sonstige Gegenstände als Handelswaren geltenden Rechtsregeln, aufgrund ihrer besonderen Sachqualität nicht am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Eine res extra commercium ist nicht verkehrsfähig und kann somit nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs sein. Die fehlende Verkehrsfähigkeit einer res extra commercium beruht darauf, dass solche Sachen nicht Gegenstand dinglicher Rechte und Verfügungen sein können.625 Weder im Wege einer gutgläubigen derivativen Veräußerung an einen redlichen Erwerber, noch mittels der temporalen Präklusion der Rechtsposition aufgrund akquisitiver Ersitzung bzw. extinktiver Verjährung des Herausgabeanspruchs kann der ursprüngliche Rechtsträger seine Rechtsposition an dem Kulturgut verlieren.
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Bereits das römische Privatrecht nahm innerhalb der Verkehrsunfähigkeit von Gegenständen Vorbildcharakter für die heutige Ausprägung der Extrakommerzialität kultureller Güter ein. Dabei war einerseits anerkannt, dass manche Sachen nicht Gegenstand privater Rechte sein konnten, sog. res extra patrimonium (d.h. Sachen außerhalb des Privatvermögens) und andererseits, dass die sog. res quarum commercium non est solche Sachen darstellten, an denen kein Privatrechtsverkehr möglich ist (sog. res extra commercium). Diese letztgenannte Klasse von Sachen wurde im römischen Privatrecht in sog. res divini iuris, sog. res communes omnium und sog. res publicae unterteilt.626 Die sog. res divini iuris
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Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 1–6. Vgl. auch Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Vgl. hierzu und zum Folgenden Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht – Ein Studienbuch, 18. Aufl. 2005, § 18, Rdnr. 5–7, S. 96–97; Honsell, Römisches Recht, 6. Aufl. 2006, § 14, S. 50–51.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
galten im Gegensatz zu den sog. res humani iuris als Sachen göttlichen Rechts, die im – nicht privatrechtlichen – Eigentum der Götter oder, was dem im alten Recht gleichkommt, unter göttlicher Schutzgewalt standen. Diese res divini iuris wurden wiederum in drei Untergruppen unterteilt. Die den überirdischen Gottheiten geweihten Sachen wie bspw. Tempel, Bildsäulen, Altäre und Kultgeräte wurden als sog. res sacrae bezeichnet. In der christlichen Zeit standen diese Kultgebäude und -geräte im zweckgebundenen Eigentum der Kirche und blieben aus diesem Grund unveräußerlich und unverpfändbar. Die sog. res religiosae stellten Grabstätten dar und waren den sog. dii Manes geweiht. An dieser Klasse der res divini iuris bestand ein privates Grabrecht, das entweder an die Familie gebunden (sepulchrum familiare) oder vererblich war (sepulchrum hereditarium). Unter göttlicher Schutzgewalt standen auch profane Sachen als sog. res sanctae, zu denen bspw. Stadtmauern und Stadttore zählten.627 Die Klasse der sog. res divini iuris ließ sich von den sog. res communes omnium abgrenzen.628 Unter diesen allen gemeinsam zustehenden Sachen verstand der Jurist Marcian die Luft, das fließende Regen- und Flusswasser, das Meer und seine Ufer. Grundsätzlich standen auch die sog. res communes omnium im römischen Privatrecht außerhalb des Rechtsverkehrs. Lediglich an den Meeresufern, den sog. litora maris, bestand eine staatliche Hoheitsgewalt. Gebäude auf dem Ufer oder im Meer konnten mit staatlicher Erlaubnis von Privaten errichtet werden und standen im privaten Eigentum. Schlussendlich waren über bisher Gesagtes hinaus noch die sog. res publicae als Sachen im Eigentum des Staates bekannt. Weil der Staat am Privatrecht im Allgemeinen nicht teilhatte, standen auch diese außerhalb des Privateigentums. Zu den sog. res publicae zählen auch Sachen im Gemeingebrauch (sog. usos publicus) wie bspw. die öffentlichen Straßen und Plätze, Flüsse und Seen. Obschon hieran nur ein öffentliches Eigentum bestand, schützte doch der Prätor den Gemeingebrauch des Einzelnen gegen den, der ihn darin beeinträchtigte, durch Interdikte im Zivilprozess, sodass auch hier eine gewisse Ausnahme aus dem Privatverkehr anzunehmen war.629 257
Es wird in den folgenden Untersuchungen fraglich sein, auf welche Art und Weise Kulturgüter heute ihre Eigenschaft als freie Handelsware verlieren können und als res extra commercium außerhalb des Rechtsverkehrs stehen. Dabei werden zwei unterschiedliche Rechtsmethoden der Bestimmung kultureller Wertgegenstände als res extra commercium ersichtlich werden. Einige Rechtsordnungen designieren spezielle Kulturgüter zu sog. ‚öffentlichen Sachen‘, die infolgedessen nicht am Rechtsverkehr teilnehmen können. Andererseits ist aber auch dann von
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Kaser, Zum röm. Grabrecht, SZ 95 (1978) S. 15 ff., S. 15. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht – Ein Studienbuch, 18. Aufl. 2005, § 18, Rdnr. 5–7, S. 96–97; Honsell, Römisches Recht, 6. Aufl. 2006, § 14, S. 50–51. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht – Ein Studienbuch, 18. Aufl. 2005, § 18, Rdnr. 5–7, S. 96–97; Honsell, Römisches Recht, 6. Aufl. 2006, § 14, S. 50–51.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
225
der Extrakommerzialität kultureller Wertgegenstände auszugehen, wenn in speziellen Gesetzen, bspw. den nationalen Kulturgüterschutzgesetzen, die Verkehrsunfähigkeit kultureller Güter explizit normiert wird.
Extrakommerzialität kultureller Güter Extrakommerzialität im engeren Sinn: Designation kultureller Güter zu ‚öffentlichen Sachen’
Extrakommerzialität im weiteren Sinn: gesetzliche Zuweisung der Unveräußerlich-, Unersitz- und Unverjährbarkeit kultureller Güter aufgrund eines Spezialgesetzes
Schema 4 – Ursachen der Extrakommerzialität kultureller Güter
Zunächst wird die Charakterisierung bestimmter Kulturgüter als sog. ‚öffentliche Sachen‘ als Beispiel par excellence für die Verkehrsunfähigkeit bestimmter Güter Darstellung finden. In einigen Rechtsordnungen ist die Rechtsposition an ‚öffentlichen Sachen‘ rein öffentlich-rechtlich ausgeformt, sodass die derart qualifizierten Gegenstände nicht im Privateigentum stehen und der Anwendungsbereich der jeweiligen nationalen Zivilrechtsordnung entsprechend der Natur der ‚öffentlichen Sache‘ keine Berücksichtigung erfährt, sondern an ihnen lediglich eine öffentlich-rechtliche Berechtigung besteht, die nach Weidner jedoch in Anlehnung an die privatrechtliche Terminologie teilweise ebenfalls als „Eigentum“ bezeichnet wird.630 Charakteristische Beispiele solcher extra commercium gestellter Kulturgüter stellen die sog. domanialen Kulturgüter 631 der französischen und der italienischen Rechtsordnungen dar. Darunter werden besondere Rechtsobjekte verstanden, die nach französischem bzw. italienischem Recht zum ‚öffentlichen Gut‘ (‚domaine public‘ bzw. ‚demanio pubblico‘) gehören. Der französische Code civil bzw. der italienische Codice civile finden auf solche Kulturgüter keine Anwendung, da an ihnen kein Privateigentum begründet werden kann und sie somit gänzlich dem Privatrechtsverkehr entzogen sind. Nur diese sind nach römisch-rechtlicher Terminologie res extra commercium im engeren Sinne.632 Rechtsursache der Extrakommerzialität solcher Kulturgüter ist die Designation zu sog. ‚öffentlichen Kulturgütern‘ nach besonderen sachlichen Voraussetzungen.633 ‚Öffentliche Sachen‘ gelten zwecks öffentlich-rechtlicher 630 631
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Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 35. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 2. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 2. Vgl. ausführlich zu den sachlichen Voraussetzungen der Designation kultureller Güter zu sog. ‚öffentlichen Sachen‘, Band 1: Illegaler Kulturgüterverkehr.
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226
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Funktionswahrung als res extra commercium, können aus diesem Grund weder derivativ noch gutgläubig im allgemeinen Güterverkehr aufgrund fehlender Verkehrsfähigkeit erworben werden und können bei funktionswidrigem Abhandenkommen außerhalb jeglicher temporaler Präklusion von dem öffentlichrechtlichen Träger gegenüber jedem Besitzer, der die aktuelle tatsächliche Sachherrschaft ausübt, herausverlangt werden (vgl. hierzu unten Punkt I. unter Punkt A.). 259
Bei einer Analyse der einschlägigen Rechtsordnungen wurde über die Designation kultureller Güter als ‚öffentliche Sachen‘ und deren Verkehrsunfähigkeit hinaus eine zweite Möglichkeit der dauerhaften Sicherung kultureller Wertgegenstände als res extra commercium für den kulturellen Verwaltungsträger ersichtlich, die kumulative oder alternative Anwendung findet: Durch die Einführung spezieller Rechtsregeln werden auch solche Kulturgüter, die sich eigentlich im zivilrechtlichen Privateigentum des Staates befinden und sich somit prinzipiell als verkehrsfähig erweisen und grundsätzlich als freie und rechtlich ungebundene Gegenstände des Rechtsverkehrs gelten, durch das nationale Kulturgüterschutzgesetz – also per Gesetz – als unveräußerlich, unersitzbar und unverjährbar bestimmt (sog. res extra commercium im weiteren Sinne). Die Gesetze müssen dann ausdrücklich bestimmen, dass der öffentliche Rechtsträger seine Rechtsposition an dem Kulturgut weder im Wege einer gutgläubigen derivativen Veräußerung an einen redlichen Erwerber noch mittels der temporalen Präklusion der Rechtsposition aufgrund akquisitiver Ersitzung des Eigentums bzw. extinktiver Verjährung des Herausgabeanspruchs verliert (vgl. hierzu unten Punkt II. unter Punkt A.). Die Extrakommerzialität kultureller Güter kann neben der Designation zu einer ‚öffentlichen Sache‘ aufgrund spezieller Rechtsvorschriften auch auf im Privateigentum stehende Kulturgüter erstreckt werden, bei denen streng genommen eine Verkehrsunfähigkeit nicht anzunehmen ist, weil die Sachen durchaus Gegenstand eines privatrechtlichen dinglichen Rechts, des Eigentums sein können. Wird per Gesetz die Unveräußerlichkeit, Unverjährbarkeit und Unersitzbarkeit bestimmt, ist ebenfalls von der Verkehrsunfähigkeit auszugehen, weil sich aufgrund der Unveräußerlichkeit die dingliche Zuordnung nicht ändern kann. Da die Güter unter keinen Umständen Gegenstand eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts und damit des Privatrechtsverkehrs insgesamt sein können, ist es auch in solchen Konstellationen angebracht, von Verkehrsunfähigkeit zu sprechen.634 Kaufmann hat hinsichtlich eines korrekten Verständnisses des Begriffes der res extra commercium völlig richtig darauf hingewiesen, dass derivative und originäre Unveräußerlichkeit und Unverjährbarkeit keineswegs Folge der Extrakommerzialität, sondern gerade ihr Wesen seien. Danach ist die Extrakommerzialität der einzelnen Sache nicht die Ursache für Unveräußerlichkeit und Unver-
634
Vgl. auch die ähnlichen rechtsdogmatischen Überlegungen bei Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 35.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
227
jährbarkeit, sondern nur die zusammenfassende Bezeichnung der verschiedenen, die Stellung derselben zum Privatrechtssubjekt markierenden Merkmale.635 Vor dem Hintergrund dieser einführenden rechtstheoretischen Gedanken sind in der Folge nationale Rechtsordnungen darzustellen, in denen die Idee der Protektion kultureller Güter über die Extrakommerzialität Ausgestaltung und Anwendung findet. Primär sind hier die französischen und italienischen Rechtsordnungen als prägend zu bezeichnen, sodass sowohl innerhalb der Analyse der rechtskonstruktiven Ausgestaltung der Extrakommerzialität kultureller Güter und der Bestimmung der konkreten Rechtsfolgen der Verkehrsunfähigkeit kultureller Güter (vgl. untenstehend Punkt B.) vornehmlich auf diese beiden Rechtsordnungen zurückgegriffen wird. Da innerhalb der deutschen Rechtsordnung nach den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts in der sog. Hamburger Stadtsiegel-Konstellation eine Extrakommerzialität kultureller Güter nicht auf Gewohnheitsrecht beruhen kann und de lege lata keine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung die Verkehrsunfähigkeit kultureller Güter innerhalb der deutschen Rechtsordnung bestimmt, soll abschließend eine Diskussion darüber erfolgen, ob de lege ferenda auch für Deutschland die Einführung einer Extrakommerzialität kultureller Güter kultur- und rechtspolitisch wünschenswert ist (vgl. untenstehend Punkt C.)
260
A. Kulturgüter als ‚öffentliche Sachen‘ und die spezialgesetzliche Extrakommerzialität als Gründe der Verkehrsunfähigkeit Bekanntlich ist innerhalb der rechtsursächlichen Konstruktion einer res extra commercium-Stellung einerseits die gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Designation kultureller Güter zu ‚öffentlichen Sachen‘ in Rechtsordnungen mit domanialen Kulturgütern (vgl. zur Extrakommerzialität im engeren Sinne untenstehend Punkt I.) sowie andererseits die spezielle, normative Statuierung der Verkehrsunfähigkeit kultureller Güter in einem Spezialgesetz ersichtlich (vgl. zur Extrakommerzialität im weiteren Sinne untenstehend Punkt II.). Klassische Beispielsrechtsordnung für die beiden rechtstheoretischen Ausgestaltungsvarianten einer Extrakommerzialität kultureller Güter stellt die französische Rechtsordnung dar, die Kulturgüter im Eigentum des Staats als res extra commercium betrachtet, wenn sie entweder aufgrund gewohnheitsrechtlicher Anerkennung als ‚öffentliche Sachen‘ zum französischen ‚domaine public‘ gehören oder aber ex lege nach dem französischen Kulturgüterschutzgesetz als ‚monument historique‘ klassifiziert wurden. In beiden Ausgestaltungsvarianten können die
635
Vgl. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 35–38.
261
228
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
unter Schutz gestellten französischen Kulturgüter weder derivativ noch originär im Kunsthandel erworben werden und bei funktionswidrigem Abhandenkommen auch ohne temporale Präklusion von dem öffentlich-rechtlichen Träger gegenüber jedem Besitzer, der die aktuelle tatsächliche Sachherrschaft ausübt, herausverlangt werden.636 262
Beispielhaft ist die französische Rechtsordnung auch für die überwiegende Anzahl weiterer nationaler Ausgestaltungsvarianten der Deklaration kultureller Güter als res extra commercium dahingehend, dass allein staatliche Kulturgüter diesem besonderen Regelungsregime unterfallen 637: Eigentümerin von domanialen Kulturgütern kann nur die öffentliche Hand sein. Domaniale Kulturgüter sowie als historische Denkmäler klassifizierte Objekte im Eigentum des französischen Staats sind als res extra commercium unveräußerlich, unersitzbar und unverjährbar.638 Da der Code civil auf verkehrsunfähige Kulturgüter keine Anwendung findet, muss selbst ein gutgläubiger Besitzer das domaniale Kulturgut entschädigungslos herausgeben. Handelt es sich hingegen ‚nur‘ um ein unter Denkmalschutz gestelltes, d.h. klassifiziertes Objekt im Eigentum der öffentlichen Hand, so hat der gutgläubige Besitzer ein Lösungsrecht. Private Kulturgüter sind keine res extra commercium.639
I.
263
Extrakommerzialität im engeren Sinn aufgrund der Qualifizierung kultureller Güter als ‚öffentliche Sachen‘
Die Designation bestimmter Kulturgüter als sog. ‚öffentliche Sachen‘ wird regelmäßig als Beispiel par excellence für die Verkehrsunfähigkeit beweglicher Gegenstände angesehen. In einigen Rechtsordnungen ist die Rechtsposition an ‚öffentlichen Sachen‘ rein öffentlich-rechtlich ausgeformt, sodass die qualifizierten Gegenstände nicht im Privateigentum stehen und die jeweilige nationale Zivil636
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638
639
Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 121. Eine Ausnahme bilden bspw. die schweizerischen Fideikommissen, die jedoch seit Geltung des schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) nicht mehr erlaubt sind, sodass nur noch die bereits errichteten rechtlich weiterbestehen dürfen. Klassifizierte Objekte im Eigentum anderer Gemeinwesen (Departemente und Gemeinden) oder öffentlich-rechtlicher Anstalten sind nicht unveräußerlich, es sei denn, sie wären einem öffentlichen Zweck gewidmet und somit Teil des domaine public. Die Veräußerung bedarf zudem der staatlichen Bewilligung. So sind private Eigentümer verpflichtet, entgeltliche und unentgeltliche Rechtsgeschäfte dem Kulturminister anzuzeigen, welche von diesem nachträglich genehmigt werden müssen. Als monument historique klassifizierte private Kulturgüter können zudem nicht ersessen werden. Die öffentliche Hand hat bei allen öffentlichen Verkäufen (namentlich bei Auktionen) ein gesetzliches Vorkaufsrecht, das sie innerhalb 15 Tagen seit dem Verkauf ausüben kann. Die Ausfuhr von notifiziertem Kulturgut ist verboten.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
229
rechtsordnung entsprechend der Natur der ‚öffentlichen Sachen‘ keine Anwendung erfährt.640 Die nationale Zivilrechtsordnung und deren Zivilgesetzbuch finden dann keine Anwendung auf ‚öffentliche Kulturgüter‘. Die Designation kultureller Werke als ‚öffentliche Sachen‘ kann dabei bekanntlich sowohl auf gewohnheits- und richterrechtlicher Anerkennung als auch auf spezieller normativer Rechtsanordnung beruhen. Charakteristische Beispiele solcher extra commercium platzierter Kulturgüter stellen die sog. domanialen Kulturgüter 641 der französischen und italienischen Rechtsordnungen dar. Darunter werden die besonderen kulturellen Rechtsobjekte verstanden, die nach französischem bzw. italienischem Recht zu ‚öffentlichen Gütern‘ (‚domaine public‘ bzw. ‚demanio pubblico‘) gehören. Der französische Code civil bzw. der italienische Codice civile finden auf solche Kulturgüter keine Anwendung, da an ihnen kein Privateigentum begründet werden kann und sie somit gänzlich dem Privatrechtsverkehr entzogen sind. Nur diese sind nach römisch-rechtlicher Terminologie als res extra commercium im engeren Sinne zu bezeichnen.642 Rechtsursache der Extrakommerzialität solcher Kulturgüter ist die Designation zu sog. ‚öffentlichen Kulturgütern‘. Es fragt sich jedoch, was unter domanialen Kulturgütern zu verstehen ist und welche Voraussetzungen für eine Designation kultureller Güter als ‚öffentliche Sachen‘ bestehen.
1.
Der sog. ‚domaine public‘ der französischen Rechtsordnung
Klassisches Beispiel einer Rechtsordnung, die bestimmte Kulturgüter als ‚öffentliche Sachen‘ – sog. ‚domaine public‘ – anerkennt, stellt das französische Kulturgüterschutzsystem 643 dar. Bereits traditionell wird in Frankreich das Eigentum des Staates (‚domaine de l’Etat‘) seit dem 19. Jahrhundert in den sog. ‚domaine public‘ (den Regeln des öffentlichen Rechts unterliegendes Staatseigentum) und den sog. ‚domaine privé‘ (den Regeln des Zivilrechts unterliegendes Staatseigentum) unterteilt.
640 641
642
643
264
Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 35. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 2. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 2. Vgl. auch ausführlich zu dem aktuellen Kulturtransferregulativ Frankreichs Siehr, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Rechtsverkehr, in: Westphalen/Sandrock, Lebendiges Recht – Von den Sumerern bis zur Gegenwart – Festschrift für Reinhold Trinkner zum 65. Geburtstag, 1995, S. 703–722, S. 709–711; Gourdon, Excerpt from the Memoire “Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Œuvres d’Art”, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198; Maurer, Die Ausfuhr von Kulturgütern in der Europäischen Union, 1995, S. 132–144; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 63–121; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–55.
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230
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Kulturgüter in Staatseigentum innerhalb der Rechtsordnung Frankreichs
‚domaine privé’: Kulturgüter ohne öffentliche Zweckbindung
‚domaine public’: Kulturgüter mit öffentlicher Zweckbindung
den Regeln des allgemeinen Zivilrechts unterliegendes Staatseigentum
den Regeln des speziellen öffentlichen Rechts unterliegendes Staatseigentum
Möbel und Kunstgegenstände zur Einrichtung und Ausstattung offizieller Gebäude
Bestände öffentlicher Museen, Galerien und Kollektionen in Staatseigentum
Schema 5 – Formen öffentlichen Eigentums kultureller Güter innerhalb der französischen Rechtsordnung
266
Der französische Code civil aus dem Jahre 1804 kannte diese Unterscheidung noch nicht, auch wenn der frühere und inzwischen außer Kraft gesetzte Art. 538 Code civil explizit den Begriff ‚domaine public‘ benannte. Es steht jedoch heute außer Streit, dass der Begriff dort allein im übergreifenden Sinne für sämtliche Güter in Staatseigentum genutzt wurde.644 Zum ‚domaine public‘ des modernen Begriffsverständnisses gehören in Abgrenzung zu dem ‚domaine privé‘ diejenigen Güter, welche für den Staat funktional deshalb unverzichtbar sind, weil ohne die Nutzung dieser Gegenstände die dem Staat und der öffentlichen Verwaltung obliegenden Aufgaben nicht erfüllt werden könnten.645 Im Gegensatz hierzu betrifft der ‚domaine privé‘ alle sonstigen Sachen, die für die öffentliche Verwaltung lediglich nützlich sind.646
267
Entsprechend dem allgemeinen Begriffsverständnis der ‚öffentlichen Sachen‘ bedeutet öffentliches Eigentum – sog. ‚domaine public‘ – nach der französischen Rechtsordnung, dass die Güter nicht dem allgemein für bewegliche Gegenstände geltenden Privatrecht, sondern ausschließlich Normen des öffentlichen Rechts unterliegen.647 Die besonderen Rechtsfolgen, die die französische Rechtsordnung diesen ‚öffentlichen Sachen‘ zuschreibt, sind der Ausschluss des gutgläubigen
644
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646
647
Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 47. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 17. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
231
Erwerbs und die Unersitzbarkeit abhandengekommener Kulturgüter sowie die Unverjährbarkeit des Herausgabeanspruchs der zwingend in Staatseigentum befindlichen Kulturgüter. Im Gegensatz hierzu ist unter dem Begriff ‚domaine privé de l’État‘ 648 das privatrechtliche Eigentum der öffentlichen Hand, d.h. des Staates, der Départements, Gemeinden und öffentlich-rechtlichen Anstalten, zu verstehen, das gerade keiner öffentlich-rechtlichen Zweckbindung unterfällt und somit keinem speziellen öffentlich-rechtlichen Zweck gewidmet ist. Zum ‚domaine privé‘ gehören somit solche Kulturgüter, die zwar im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, aber keinen öffentlichen Zweck erfüllen, z.B. Möbel und Kunstgegenstände, die zur Einrichtung und Ausstattung offizieller Gebäude genutzt werden.649 Sie sind keine öffentlichen Sachen, unterfallen aus diesen Gründen auch nicht dem speziellen öffentlich-rechtlichen Rechtsregime des ‚domaine public‘ und unterliegen somit nicht ausschließlich den Normen des öffentlichen Rechts, sondern dem allgemein für bewegliche Gegenstände geltenden Privatrecht. Kulturelle Güter innerhalb des ‚domaine privé de l’État‘ können jedoch seit Erlass der Loi sur les monuments historiques vom 31.12.1913 und heute nach den Regeln des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 speziellen Rechtsregeln nach Eintragung in die Liste unterfallen. In Frankreich gliedern sich die von dem französischen Kulturgüterschutzsystem erfassten Kulturgüter in drei Klassen. Allgemein unterscheidet das französische Kulturgüterschutzsystem hinsichtlich der besonderen Unterschutzstellung kultureller Güter als ‚öffentliche Sachen‘ nach deren Zugehörigkeit. Von den privaten Kulturgütern werden die öffentlichen Kulturgüter unterschieden, die sich ihrerseits in öffentliche Sachen des Staates (‚domaine public‘) und private Sachen des Staates (‚domaine privé de l’Ètat‘) unterteilen. Sinn und Zweck der französischen Regelungen über den ‚domaine public‘ ist es nicht in erster Linie, Kulturgüter zu schützen, sondern vielmehr im Generellen das Funktionieren der öffentlichen Verwaltung zu garantieren.650 Aufgrund der Tatsache, dass die in Rede stehenden Vorschriften keinen speziellen kulturgüterrechtlichen Bezug aufweisen, werden zahlreiche Gegenstände von der Designation bestimmter Güter als französische öffentliche Sachen zum Verwaltungsgebrauch erfasst, andererseits können aus diesem Verständnis nicht sämtliche Kulturgüter als öffentliche Sachen (‚domaine public‘) angesehen werden.651
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651
Nähere Ausführungen hierzu bei Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54 und Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 93–95. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 19. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 51. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 50.
268
232
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
269
Eine präzise Definition dessen, was genau zum französischen ‚domaine public‘ gehört und welche sachlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um bestimmte Gegenstände als öffentliche Sachen qualifizieren zu können, findet keine Determination innerhalb des französischen Code du domaine de l’État und wurde im Laufe der Zeit von Rechtsprechung und Lehre entwickelt. Allgemein wird hinsichtlich der französischen Rechtsordnung ausgeführt, dass solche Sachen zu dem ‚domaine public‘ gehören, deren Gebrauch ihrer Natur nach der Öffentlichkeit gebührt, sowie Sachen, die einem öffentlichen Zweck gewidmet werden, indem sie entweder durch ausdrücklichen Verwaltungsakt oder auch stillschweigend in den ‚domaine public‘ eingeordnet wurden. Um die rechtliche Qualifikation eines ‚domaine public‘ einzubüßen, bedarf es eines ausdrücklichen Rechtsaktes (sog. ‚déclassement‘ bzw. ‚désaffectation‘), da andernfalls die Sache weiter den besonderen Regeln des ‚domaine public‘ unterliegt, selbst wenn sie in Wirklichkeit keinem öffentlichen Zweck mehr dient.652
270
Ursprünglich 653 wurden in der französischen Rechtsordnung allein Immobilien als öffentliche Sachen qualifiziert.654 Nach und nach wurden auch beweglichen Sachen, die sich innerhalb solcher unbeweglicher Gebäude befanden, die ihrerseits zum ‚domaine public‘ zu zählen waren, miterfasst.655 In der Folge wurden auch bewegliche Gegenstände als ‚öffentliche Sachen‘ behandelt, die ausdrücklich eine Widmung zum ‚domaine public‘ erfuhren.656 In der Rechtssache Bibliothèque royale c. Charron hat die Cour de Paris am 3.1.1846 657 bereits entschieden, dass ein Manuskript von Molière, das aus der Bibliothek mindestens acht Jahre zuvor gestohlen worden war, als ‚domaine public‘ galt. Ebenso wurde in der Rechtssache Jean Bonnin c. Villes de Mâcon et de Lyon 658 entschieden, dass im Eigentum der Gemeinde Mâcon stehende Miniaturen eines mittelalterlichen Manuskripts, die gestohlen und erst 43 Jahre später wiedergefunden wurden, zu derm ‚domaine public‘ gehören.659 Diese Rechtsentwicklung 660 fand auch 652
653 654
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656 657 658 659
660
Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54. Carducci, La restitution internationale des biens culturels et des objets d’art, 1997, S. 59–60. In der Entscheidung Jean Bonrain c. Villes de Mâcon et de Lyon vom 17. Juni 1896 der Cour de cassation, req., 17., S. 1896, I, 408; D. 1897, I, 251, note Guénée, wurde die Zugehörigkeit von einzelnen Gegenständen zum französischen ‚domaine public‘ damit begründet, das Gebäude selbst, in welchem die einzelnen Objekte aufbewahrt sind, gehöre zum ‚domaine public‘. Wolkowitsch, Archives, bibliothèques, musées: statut des collections accessibles au public, 1986, S. 46. Poli, La protection des biens culturels meubles, 1996, S. 274. Cours de Paris, Entscheidung vom 3.1.1846, II, S. 212–213. Cour de Cassation, Entscheidung vom 17.6.1896, D.P. 1897, I, S. 257 ff., S. 260. Vgl. hierzu auch Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54. Vgl. hierzu auch Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
im Jahre 1963 eine gerichtliche Bestätigung, als die Cour de Cassation die ‚domanialité‘ eines Bildes des Malers Seurat unabhängig von der Qualifikation als unbewegliches oder bewegliches Kulturgut entschied:661 „Les biens des établissements publics sont partie de la domaine public … leur conservation et présentation au public sont l’objet même du service public.“ 662 Mittlerweile ist die Erweiterung des ‚domaine public‘-Begriffs auch auf bewegliche Sachen unumstritten.663 In einem Urteil vom 16. Juni 1992 hatte die Cour de Cassation 664 darüber zu entscheiden, ob eine aus einem Museum der französischen Gemeinde Chartres gestohlene Schale aus Email und Gold, welche der Dieb auf einer öffentlichen Auktion versteigern ließ, als ‚domaine public‘ zu qualifizieren sei. Die Gemeinde Chartres machte ihr Eigentum geltend und klagte gegen den Erwerber auf Herausgabe der Schale. Der Beklagte berief sich erfolglos auf den gutgläubigen Erwerb nach Art. 2279 des französischen Code civil.665 Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das aus der Museumssammlung von Chartres gestohlene Kunstwerk zum ‚domaine public communale‘ gehöre, weil die Konservierung und öffentliche Präsentation von Museumsstücken Gegenstand der kommunalen Dienstleistung seien und das Kunstwerk daher weder veräußerlich sei, noch ersessen werden könne und ein Herausgabeanspruch keiner Verjährung unterliege: „… leur conservation et leur présentation au public sont l’objet même du service public communal, et dont … l’inaliénabilité et l’imprescriptibilité font obstacle à l’application de l’art. 2279 c. civ.“ Mittlerweile ist es unumstritten, dass die Sammlungen öffentlicher Museen, Bibliotheken (sowie die dazugehörenden Bücher und Manuskripte als einzelne bewegliche Gegenstände) und Archive zum französischen ‚domaine public‘ zu zählen sind, da es Sinn und Zweck dieser Einrichtungen ist, ihre Sammlungen für die Öffentlichkeit zu bewahren und ihr zur Verfügung zu stellen.666 Auch die entsprechend der Loi sur la séparation des églises et de l’État vom 9.12.1905 667 in nationalisierten, im Eigentum des Staates 661
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Montagne c. Réunion des musées nationaux et autres, Cour de Cassation, Entscheidung vom 2.4.1963, AJDA 1963, 486. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 47. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 17; Poli, La protection des biens culturels meubles, 1996, S. 276; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54. Ville de Chartres et autres, Cour de cassation, crim., 16.6.1992, R.D.S. 1993, somm. comm., S. 35; zitiert bei Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 74–75 mit zahlreichen weiteren Beispielsfällen hierzu. Art. 2279 Code civil: En fait de meubles, la possession vaut titre. Néanmoins, celui qui a perdu ou auquel il a été volé une chose peut la revendiquer pendant trois ans à compter du jour de la perte ou du vol, contre celui dans les mains duquel il la trouve ; sauf à celui-ci son recours contre celui duquel il la tient. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 18; Poli, La protection des biens culturels meubles, 1996, S. 277; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54. Loi sur la séparation des églises et de l’État vom 9.12.1905, J.O. vom 11.12.1905.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
stehenden Kirchen aufbewahrten Kulturgüter gehören heute zweifelsohne zum ‚domaine public‘.668 271
Lange Zeit wurde in der französischen Lehre und Rechtsprechung auch darüber debattiert, ob allein unmittelbar dem Staat zugehörende, nationale Gegenstände zum französischen ‚domaine public‘ zu zählen sind, oder ob auch regionale, provinziale oder lokale Gebietskörperschaften wie die französischen Départements und die einzelnen Gemeinden ihre kulturellen Güter als eigener ‚domaine public‘ qualifizieren können, da auch hier die Funktion dieser kommunalen Einrichtungen darin zu sehen ist, ihre Sammlungen für die Öffentlichkeit zu bewahren und ihr zur Verfügung zu stellen. Diesen Fragestellungen entsprechend war strittig, ob auch das Eigentum von sonstigen Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts den Regeln des ‚domaine public‘ unterliegen kann.
272
Die widerstreitenden Gerichtsentscheidungen können anhand zweier nahezu zeitgleich ergangener Urteile verdeutlicht werden. Der französische Conseille d’État entschied in der Rechtssache Société Lyonnaise des eaux et de l’éclairage noch im Jahre 1965 669, dass kommunale öffentlich-rechtliche Anstalten nicht Eigentümer von domanialen Objekten sein können.670 Dagegen hielt die Cour de Cassation in der Rechtssache Sieur Montagne c. Réunion des musées de France et autres mit Urteil vom 2. April 1963 671 für rechtens, dass auch öffentlich-rechtliche Anstalten Eigentümer von Gütern des ‚domaine public‘ sein können. Frau Rivière war Eigentümerin einer Skizze von Georges Seurat (1859–1891) zum Gemälde ‚Un Dimanche à la Grande Jatte‘ (s. Abb. 4) und erklärte mündlich, sie wolle die Skizze dem Louvre vermachen.
273
Nach dem Tod der Eigentümerin informierten die beiden gesetzlichen Erben die Réunion des musées de France über das Legat und über ihre Absicht, dieses auch zu erfüllen. Noch bevor die Vermächtnisnehmerin aber im Besitz der Skizze war, verkaufte der Beistand einer Erbin die Skizze an einen Trödler, der sie auf einem Flohmarkt an Herrn Montagne weiterverkaufte.672 Grundsätzlich ist das Einzelvermächtnis (legs particulier) nach französischem Erbrecht als Vindikationslegat
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Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 27; Poli, La protection des biens culturels meubles, 1996, S. 281; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54. Rechtssache Société Lyonnaise des eaux et de l’éclairage, Entscheidung d. Conseille d’État 19. aus dem Jahre 1965, Rec.Cons.d’État 1965,184; JCP 1966, 11, 14583. Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 67–69. Sieur Montagne c. Réunion des musées de France et autres, Entscheidung der Cour de cassation vom 2.4.1963, AJDA 1963, II, S. 486 ff., observations Dufau; Diese Rechtsprechung wurde bestätigt durch Cons. d’État 21. (Mansuy), D. 1984, 510, note Moderne; JCP 1985, II, 20393, observations Hervouët; Rev.dr.publ. 1984, 1059, note Gaudemet. Vgl. zu den tatsächlichen Angaben des Sachverhalts auch Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 67–69.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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ausgestaltet.673 Die bedachte Réunion des Musées de France konnte als nichtbesitzende Eigentümerin das Bild vom Zweiterwerber Montagne aufgrund folgender spezieller Umstände vindizieren. Das Gericht stellte fest, dass die Réunion des musées de France Eigentümerin der Skizze geworden sei, das Kunstwerk somit zum ‚domaine public‘ gehöre und daher unveräußerlich und unersitzbar sei. Weder der Erst- noch der Zweiterwerber Montagne hätten folglich Eigentum erwerben können:674 „Attendu que la cour d’appel a décidé que le tableau acquis par la Réunion des Musées de France était tombé dans le domaine public et comme tel devenu inaliénable et imprescriptible, et que, par conséquent, Lamy ni Montagne n’avaient pu acquérir postérieurement la propriété.“ In der Entscheidung wurde die Zugehörigkeit von einzelnen Gegenständen zum französischen ‚domaine public‘ jedoch nicht mehr – wie etwa in der Entscheidung Jean Bonrain c. Villes de Mâcon et de Lyon vom 17. Juni 1896 der Cour de cassation – damit begründet, das Gebäude selbst, in welchem die einzelnen Objekte aufbewahrt sind, gehöre zum ‚domaine public‘ 675 – sondern mit der Erklärung, dass Konservierung und Ausstellung kultureller Objekte „Gegenstand des öffentlichen Dienstes“ seien:676 „Attendu que les biens des établissements publics font partie du domaine public dés lors que, comme en l’espèce, leur conservation et présentation au public sont l’objet même du service public.“ Die von der Rechtsprechung des Conseil d’État für die Widmung zusätzlich verlangte Sondernutzung (sog. ‚aménagement spécial‘) wurde nicht erwähnt, war aber auch gar nicht nötig, da die Kunstgegenstände selbst Gegenstand der Widmung waren.677 Klarheit über die Deklaration von Gegenständen in nichtnationalem Eigentum zu sog. ‚öffentlichen Sachen‘ schaffte erst die Loi n°88-13 d’amélioration de la décentralisation vom 5. Januar 1988. Nach dem inzwischen wieder aufgehobenen aber inhaltlich in dem Code général des collectivités territoriales L1311-1 fortgeltenden Art. 13 Abs. 1 sind domaniale Güter im Eigentum von Gebietskörperschaften und deren öffentlichen Anstalten unveräußerlich und können
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Vgl. Art. 1014 Abs. 1 Ccf: „Tout legs pur et simple donnera au légataire, du jour du décès du testateur, un droit ä la chose léguée […] à ses héritiers ou ayants cause.“. Sieur Montagne c. Réunion des musées de France et autres, Entscheidung der Cour de cassation vom 2.4.1963, AJDA 1963, II, S. 487. In der Entscheidung Jean Bonrain c. Villes de Mâcon et de Lyon vom 17. Juni 1896 der Cour de cassation, req., 17., S. 1896, I, 408; D. 1897, I, 251, note Guénée wurde die Zugehörigkeit von einzelnen Gegenständen zum französischen ‚domaine public‘ damit begründet, das Gebäude selbst, in welchem die einzelnen Objekte aufbewahrt sind, gehöre zum ‚domaine public‘. Sieur Montagne c. Réunion des musées de France et autres, Entscheidung der Cour de cassation vom 2.4.1963, AJDA 1963, II, S. 486 ff., observations Dufau; Diese Rechtsprechung wurde bestätigt durch Cons. d’État 21. (Mansuy), D. 1984, 510, note Moderne; JCP 1985, II, 20393, observations Hervouët; Rev.dr.publ. 1984, 1059, note Gaudemet. Vgl. hierzu und zum Vorangehenden Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 67–69.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
auch nicht ersessen werden. Diese Bestimmung erkennt also das Eigentum von regionalen, provinzialen oder lokalen Gebietskörperschaften der französischen Départements und der einzelnen Gemeinden sowie der öffentlichen Anstalten an ‚öffentlichen Sachen‘ mit ‚domaine public‘-Charakter an und begründet dies mit der öffentlich-rechtlichen Funktion der Gegenstände, die diese Verwaltungsträger solchen Gütern im Wege der Widmung zukommen ließen. Zum französischen ‚domaine public‘ gehören somit sämtliche beweglichen und unbeweglichen Gegenstände, die unmittelbar dem Staat zugehören (die sog. nationalen Gegenstände), als auch solche den regionalen, provinzialen oder lokalen Gebietskörperschaften wie den französischen Départements und den einzelnen Gemeinden sowie kulturellen Anstalten in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft zugehörigen Sachen, die einer bestimmten Sondernutzung (sog. ‚aménagement spécial‘) unterfallen. Früher wurden die besonderen Rechtsfolgen der Deklaration beweglicher Kulturgüter als öffentliche Sachen allein damit begründet, dass das Gebäude selbst, in welchem die einzelnen Objekte aufbewahrt sind, zum ‚domaine public‘ gehörte. Heute steht es außer Frage, dass die Sammlungen öffentlicher Museen, Bibliotheken (sowie die dazugehörenden Bücher und Manuskripte als einzelne bewegliche Gegenstände) und Archive zum französischen ‚domaine public‘ zu zählen sind, da es Sinn und Zweck dieser Einrichtungen ist, ihre Sammlungen für die Öffentlichkeit zu bewahren und ihr zur Verfügung zu stellen. Eine Widmung zur Erfüllung der genannten kulturpolitischen Funktionen deklariert kulturelle Güter somit als französische ‚öffentliche Sachen‘. So genießen bestimmt qualifizierte Kulturgüter auch außerhalb des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 (entsprechend der früheren Loi sur les monuments historique vom 31.12.1913) eine spezielle Unterschutzstellung mittels der gewohnheits- und richterrechtlich anerkannten Designation zum ‚domaine public‘. 275
Diese zusätzliche Sphäre rechtlichen Schutzes bestimmter kultureller Güter wird als „la protection domaniale“ 678 bezeichnet und findet allein auf ‚öffentliche Kulturgüter‘ Anwendung.679 Brichet führt diesbezüglich aus, dass die in dem Louvre verwahrten und öffentlich zur Schau gestellten Kulturgüter keine klassifizierten Kulturgüter nach dem französischen Kulturgütertransfergesetz dar678
679
Gourdon, Excerpt from the Memoire „Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Œuvres d’Art“, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198. Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen sind: Cons.d’État 7.12.1854 (de Matha), Rec.Cons.d’État 1854, 951; Cons.d’État 18.7.1866 (Dora), Rec.Cons.d’État 1866, 854; Cons.d’État 27.5.1959 (Secrétaire d’État aux transports c. Baylaucq), Rec.Cons.d’État 323; Cons.d’État 13.10.1967 (Gazeux) Rev.dr.publ. 1968, 887, note Waline; Trib.conflits, req., 24.2.1992 (Couach), JCP 1993, II, 21984, 22 note Lavialle. Zivilgerichtliche Entscheidungen sind: Cour royal de Paris 3.1.1846 (Bibliothèque royale c. Charron), D. 1846, II, 212, S. 1846, II, 77; Cour d’appel d’Agen 23.1.1860 (Fabrique de Barbaste c. Crabit-Anex), S. 1860, II, 317; Cour de cassation, req., 4.6.1866 (Flamenq c. Ville de Toulon), S. 1866, I, 446; Cour de cassation, req., 15.11.1869 (Viard c. Commune de Clinchamp) S. 1870, I, 20.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
237
stellen, sondern ihren rechtlichen Schutz allein mittels der Designation als ‚öffentliche Kulturgüter‘ erfahren: „In France, the analytical discussion of the legal meaning of the notion of domaine public also concerns what is called „the group of objects belonging within the scope of public cultural property“. The lack of complete agreement on the meaning of this formulation jeopardizes the legal status of some cultural objects. Nonetheless, the institution of domaine public unquestionably has its value in the protection of cultural property.“ 680 Der besondere Wert der Designation von Kunstwerken als ‚öffentliche‘ und ‚domaniale Kulturgüter‘ gegenüber der gewöhnlichen Unterschutzstellung französischer Kulturgüter nach dem französischen Kulturgüterschutzsystem mittels Klassifizierung besteht darin, dass durch den französischen Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 allein solche Werke Protektion erfahren, die von öffentlichem Interesse sind. Dabei variiert das momentane öffentliche Interesse in jeder zeitlichen Epoche stark. Deshalb erfüllt die Designation bestimmter Kulturgüter als ‚domaniale Sachen‘ zusätzlich die Aufgabe, die in einer Epoche kulturell nicht geschätzten Kunstwerke für spätere Epochen zu schützen, die diese Kulturgüter neu bewerten und nun möglicherweise als schützenswert qualifizieren. Darüber hinaus unterfallen auch aktuelle Werke des Kunstgeschehens nicht den speziellen Anforderungen der Klassifizierung nach dem französischen Kulturgüterschutzgesetz, sodass diese Werke einen besonderen Schutz vor Abhandenkommen mittels der Designation als ‚öffentliche Kulturgüter‘ erfahren.681
2.
Der sog. ‚demanio pubblico‘ der italienischen Rechtsordnung
Neben der französischen ist vor allem in der italienischen Rechtsordnung eine beispielhafte Ausgestaltung kultureller Güter als ‚öffentliche Sachen‘ vollzogen.682 Die besondere öffentlich-rechtliche Unterschutzstellung führt im Ergebnis ebenso wie in der französischen Rechtsordnung zur Deklaration kultureller Güter als res extra commercium, wonach die Kulturgüter nach Abhandenkommen weder gutgläubig derivativ erworben noch originär ersessen werden können und der Herausgabeanspruch des staatlichen Verwaltungsträgers nicht der extinktiven Verjährung unterliegt. Als ‚öffentliche Sachen‘ können nach der italienischen Rechtsordnung alle Kulturgüter im Eigentum der öffentlichen
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682
276
Brichet, zitiert bei Gourdon, Excerpt from the Memoire „Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Œuvres d’Art“, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198. Gourdon, Excerpt from the Memoire „Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Œuvres d’Art“, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198. Vgl. bspw. Siehr, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Rechtsverkehr, in: Westphalen/Sandrock, Lebendiges Recht – Von den Sumerern bis zur Gegenwart – Festschrift für Reinhold Trinkner zum 65. Geburtstag, 1995, S. 703–722, S. 706–709.
277
238
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Hand bezeichnet werden, welche zum ‚demanio pubblico‘ gehören.683 Allgemein wird das Eigentum des Staates und das der anderen Gebietskörperschaften (Regionen, Provinzen, Gemeinden) im italienischen Codice civile in ‚demanio pubblico‘ und ‚demanio patrimonio‘ unterteilt. Das italienische ‚demanio Kulturgüter in Staatseigentum innerhalb der Rechtsordnung Italiens
‚demanio patrimonio’: ausschließlich den Regeln des Zivilrechts unterliegendes Eigentum
‚patrimonio disponibile’
‚demanio pubblico’: den Regeln öffentlichen Rechts unterliegendes Eigentum
‚patrimonio indisponibile’
Abs. 1: ‚demanio necessario’ oder ‚per natura’
Kulturgüter keine Gegenstände notwendigerweise in Staatseigentum
Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004: kein Bestandteil des ‚demanio pubblico’
Art. 822 Codice civile
Abs. 2: ‚demanio accidentale’ oder ‚eventuale’ i.V.m. Art. 53 Codice dei beni culturali e del paesaggio
Kulturgüter in Privateigentum nach der früheren Legge n. 1089: Tutela delle cose d'interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939: ‚demanio pubblico’
Kulturgüter im Eigentum des Staates
Bestandteil des ‚demanio pubblico’: Extrakommerzialität
Schema 6 – Formen öffentlichen Eigentums kultureller Güter innerhalb der italienischen Rechtsordnung
683
Vgl. hierzu und zum Folgenden vertieft Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 70.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
239
pubblico‘ entspricht dem französischen ‚domaine public‘ und verkörpert die beschriebene besondere Form öffentlichen Eigentums und hat die speziellen Rechtsfolgen der Extrakommerzialität zur Folge. Im Gegensatz hierzu stellt der ‚demanio patrimonio‘ entsprechend dem französischen ‚domaine privé‘ das privatrechtliche Eigentum des Staates dar, das sich seinerseits in ‚patrimonio disponibile‘ und ‚patrimonio indisponibile‘ unterteilt.684 In Italien bestimmt die nationale Zivilrechtsordnung unmittelbar die Rechtsstellung der italienischen ‚öffentlichen Sachen‘.685 Zusammenfassend gilt, dass als res extra commercium in der italienischen Rechtsordnung alle Kulturgüter im Eigentum der öffentlichen Hand bezeichnet werden können, welche zum ‚demanio pubblico‘ gehören. Der italienische ‚demanio pubblico‘ entspricht dem französischen ‚domaine public‘ und verkörpert eine besondere Form öffentlichen Eigentums. Art. 822 des italienischen Codice civile bestimmt diejenigen Güter, die zum ‚demanio pubblico‘ gehören. Dabei nennt Art. 822 Abs. 1 diejenigen Güter, die ‚demanio necessario‘ bzw. ‚per natura‘ sind (darunter fallen solche Güter, die notwendigerweise öffentliches Eigentum sein müssen, Kulturgüter sind jedoch nicht erfasst) und Art. 822 Abs. 2 diejenigen Sachen, die zum ‚demanio accidentale‘ oder ‚eventuale‘ gehören (d.h. solche Güter, die nicht zwingend im Eigentum der öffentlichen Hand stehen müssen, jedoch wenn dies der Fall ist, zum ‚demanio pubblico‘ zählen). In letztgenannter Vorschrift finden sich auch spezielle Rechtsregeln für solche Immobilien, an denen ein historisches, archäologisches oder künstlerisches Interesse besteht, sowie für Sammlungen von Museen, Pinakotheken, Archiven und Bibliotheken.
278
Art. 822 Codice civile: Demanio pubblico : (1) Appartengono allo Stato e fanno parte del demanio pubblico il lido del mare, la spiaggia, le rade e i porti; i fiumi, i torrenti, i laghi e le altre acque definite pubbliche dalle leggi in materia (Cod. Nav. 28, 692); le opere destinate alla difesa nazionale. (2) Fanno parimenti parte del demanio pubblico, se appartengono allo Stato, le strade, le autostrade e le strade ferrate; gli aerodromi (Cod. Nav. 692 a); gli acquedotti; gli immobili riconosciuti d’interesse storico, archeologico e artistico a norma delle leggi in materia; le raccolte dei musei, delle pinacoteche, degli archivi, delle biblioteche; e infine gli altri beni che sono dalla legge assoggettati al regime proprio del demanio pubblico.
279
Die Zugehörigkeit solcher Kulturgüter zu dem demanio pubblico wurde auch in Art. 54 des Testo Unico dei Beni Culturali aus dem Jahre 1999 686 sowie in dem
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684
685
686
Vgl. hierzu und zum Folgenden vertieft Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 70. Vgl. hierzu und zum Folgenden Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 70. Sezione I – Alienazione e altri modi di trasmissione: Art. 54 Testo unico delle disposizioni legislative in materia di beni culturali e ambientali vom 29.10.1999: Beni del demanio storico, artistico e archivistico: (Codice civile, artt. 822 e 824): 1. I beni culturali indicati nell’articolo 822 del codice civile appartenenti allo Stato, alle regioni, alle province, ai comuni costituis-
240
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
rundum reformierten Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 in Art. 53 normativ wiederholt. Hierbei ist explizit angeordnet, dass allein Immobilien und Sachgesamtheiten dem besonderen Rechtsregime unterstellt werden, nicht jedoch einzelne Kulturgüter. 281
Art. 53 Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004: Beni del demanio culturale: 1. I beni culturali appartenenti allo Stato, alle regioni e agli altri enti pubblici territoriali che rientrino nelle tipologie indicate all’articolo 822 del codice civile costituiscono il demanio culturale. 2. I beni del demanio culturale non possono essere alienati, ne’ formare oggetto di diritti a favore di terzi, se non nei modi previsti dal presente codice.
282
Jedoch steht seit der Entscheidung der Corte di Cassazione im Jahre 1998 687 außer Zweifel, dass die einzelnen Kulturgüter der Sachgesamtheiten wie bspw. einzelne Gemälde aus staatlichen Museen ebenfalls ‚beni demaniali‘ sind und ihre Zugehörigkeit zum ‚demanio pubblico‘ auch dann nicht verlieren, wenn sie aus der Sammlung entnommen werden. In dem Fall ging es um die Frage, ob ein von einem Angestellten der kommunalen Biliotheca Valentiana von Camerino unterschlagenes Buch, welches zunächst an einen Antiquar und dann an das Staatsarchiv von Macerata verkauft worden war und grundsätzlich gemäß Art. 1153 Codice civile 688 gutgläubig erworben werden konnte, als ‚öffentliche Sache‘ zu qualifizieren sei, um die Rechtswirkungen des redlichen Erwerbs suspendieren zu können. Das Gericht bejahte die Zugehörigkeit zum ‚demanio pubblico‘ und damit auch die spezielle Rechtsfolge der Extrakommerzialität, sodass die Biliotheca Valentiana von Camerino das unterschlagene Buch auch vom redlichen Erwerber wieder zurückverlangen konnte.
283
Charakteristischste Eigenschaft der ‚beni demaniali‘ ist nach Art. 823 Codice civile ihre absolute Verkehrsunfähigkeit. Auch wenn Art. 823 allein die Unveräußerlichkeit explizit anordnet, steht es innerhalb der Rechtsdogmatik und Judikatur gänzlich außer Zweifel, dass die ‚beni demaniali‘ auch unverjährbar und unersitzbar sind, sodass im Ergebnis ein gutgläubiger Dritter weder einen derivativen Gutglaubenserwerb noch einen originären Eigentumserwerb aufgrund temporaler Präklusion erreichen kann oder etwa der Eigentumsherausgabeanspruch aufgrund Verjährung ausgeschlossen ist.
687 688
cono il demanio storico, artistico, archivistico e bibliografico e sono assoggettati al regime proprio del demanio pubblico. Cass., Entscheidung vom 28.8.1998, n. 8589, Foro it. 1998, S. 3167 ff., S. 3169. Art. 1153 Codice civile: Effetti dell’acquisto del possesso: (1) Colui al quale sono alienati beni mobili da parte di chi non ne è proprietario, ne acquista la proprietà mediante il possesso, purché sia in buona fede al momento della consegna e sussista un titolo idoneo al trasferimento della proprietà. (2) La proprietà si acquista libera da diritti altrui sulla cosa, se questi non risultano dal titolo e vi è la buona fede dell’acquirente. (3) Nello stesso modo si acquistano diritti di usufrutto, di uso e di pegno (981, 1021, 2784).
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
241
Art. 823 Codice civile: Condizione giuridica del demanio pubblico: (1) I beni che fanno parte del demanio pubblico sono inalienabili e non possono formare oggetto di diritti a favore di terzi, se non nei modi e nei limiti stabiliti dalle leggi che li riguardano (Cod. Nav. 30 e seguenti, 694 e seguenti). (2) Spetta all’autorità amministrativa la tutela dei beni che fanno parte del demanio pubblico. Essa ha facoltà sia di procedere in via amministrativa, sia di valersi dei mezzi ordinari a difesa della proprietà (948 e seguenti) e del possesso (1168 e seguenti) regolati dal presente codice.
284
Somit sind die als ‚beni demaniali‘ qualifizierten Kulturgüter aufgrund ihrer absoluten originären und derivativen Unveräußerlichkeit, Unersitzbarkeit und Unverjährbarkeit dem privaten Rechtsverkehr vollständig entzogen (Verkehrsunfähigkeit) und stellen ein Paradebeispiel einer res extra commercium-Stellung staatlicher Kulturgüter dar (Extrakommerzialität im engeren Sinne).
285
Kulturelle Güter können nach der italienischen Rechtsordnung jedoch auch als ‚beni patrimoniali‘ (d.h. als Privateigentum des Staates) qualifiziert werden. Kulturgüter im Eigentum des Staates sind somit entweder ‚beni demaniali‘ und gehören damit dem ‚demanio pubblico‘ an (und unterfallen aus diesem Grund der Extrakommerzialität) oder sie sind ‚beni patrimoniali indisponibili‘ nach Art. 826 Abs. 2 Codice civile, wozu die Sachen von historischer, archäologischer, paletnologischer, paläontologischer, künstlerischer und kultureller Bedeutung zählen, die unter der Erde gefunden werden.
286
Art. 826 Abs. 2 Codice civile: Patrimonio dello Stato, delle province e dei comuni: Fanno parte del patrimonio indisponibile dello Stato le foreste che a norma delle leggi in materia costituiscono il demanio forestale dello Stato, le miniere, le cave e torbiere quando la disponibilità ne è sottratta al proprietario del fondo, le cose d’interesse storico, archeologico, paletnologico, paleontologico e artistico, da chiunque e in qualunque modo ritrovate nel sottosuolo, i beni costituenti la dotazione della presidenza della Repubblica (Costit. 843), le caserme, gli armamenti, gli aeromobili militari (Cod. Nav. 745) e le navi da guerra.
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In Rechtsprechung und Literatur wird heute jedoch unzweifelhaft davon ausgegangen, dass sämtliche beweglichen und unbeweglichen Kulturgüter im Eigentum der öffentlichen Hand, die nicht ‚beni demaniali‘ sind, zum ‚patrimonio indisponibile‘ gehören. Rechtsfolge der Klassifizierung als ‚patrimonio indisponibile‘ ist jedoch allein, dass die Sachen durch eine Veräußerung ihrer speziellen Zweckbestimmung nicht entzogen werden dürfen. Ob diese Klasse kultureller Güter als res extra commercium zu qualifizieren ist, wird in der Literatur zwar noch immer uneinheitlich beantwortet 689, ist jedoch seit einer Entscheidung der Corte di Cassazione aus dem Jahre 1997 690 eindeutig negativ zu bescheiden.
288
689
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Dafür: Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 87; Loosli, Kulturgüterschutz in Italien: Rechtliche Grundlagen und Instrumente; Handel und Verkehr, 1996, S. 92. Entscheidung der Corte di Cassatione vom 9.10.1997, n. 8743, Giust. Civ. 1998, S. 2649– 2650.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Allein die Deklaration der Unveräußerlichkeit entgegen dem Zweck sei nicht mit dem völligen Entzug der Verkehrsfähigkeit gleichzusetzen, sodass die Kulturgüter, die zum ‚beni patrimoniali indisponibili‘ zählen, zwar unveräußerlich sind, aber keine res extra commercium darstellen. Die entsprechenden Rechtsregeln seien vielmehr als Veräußerungsverbot zu klassifizieren, die entweder zur Nichtigkeit oder zur Anfechtbarkeit der Veräußerung führen.
II. 289
Explizite normative Anordnung einer Extrakommerzialität kultureller Güter im weiteren Sinn
Neben der Extrakommerzialität kultureller Güter aufgrund der Designation zu ‚öffentlichen Sachen‘ können Kulturgüter auch aufgrund einer spezialgesetzlichen Bestimmung außerhalb des Rechtsverkehrs stehen, da diese als unveräußerlich, unersitzbar und unverjährbar per Gesetz gestellt werden. In einigen Rechtsordnungen wird – kumulativ oder alternativ zu der gerade untersuchten Designation bestimmter Kulturgüter zu ‚öffentlichen Sachen‘, die zwecks öffentlich-rechtlicher Funktionswahrung als res extra commercium gelten und aus diesem Grund weder derivativ noch gutgläubig im allgemeinen Güterverkehr aufgrund fehlender Verkehrsfähigkeit erworben werden können und bei funktionswidrigem Abhandenkommen auch ohne temporale Präklusion von dem öffentlich-rechtlichen Träger gegenüber jedem Besitzer, der die aktuelle tatsächliche Sachherrschaft ausübt, herausverlangt werden können (sog. Extrakommerzialität im engeren Sinne), –
noch ein weiterer Rechtsgrund zum Entstehen einer kulturellen res extra commercium normiert. Es finden sich Rechtsregeln, die auch solche kulturellen Güter – die sich im Privateigentum des Staates befinden und sich somit gerade prinzipiell als verkehrsfähig erweisen und grundsätzlich als Gegenstand des Rechtsverkehrs gelten – ausnahmsweise im Falle des Abhandenkommens von dem rechtmäßigen Rechtsträger als unveräußerlich und unersitzbar bestimmen. Der ursprüngliche Rechtsträger kann weder im Wege einer gutgläubigen derivativen Veräußerung an einen redlichen Erwerber noch mittels der temporalen Präklusion der Rechtsposition aufgrund akquisitiver Ersitzung des Eigentums bzw. extinktiver Verjährung des Herausgabeanspruchs seine Rechtsposition an dem Kulturgut verlieren. Bei der ex lege-Statuierung kultureller Güter als unveräußerlich und unverjährbar 691 geht es darum, dass die Extrakommerzialität kultureller Güter neben der 691
Ein Entzug bestimmt qualifizierter Kulturgüter aus dem privaten Rechtsverkehr ist bspw. auch in der Präambel des irakischen Gesetzes Nr. 40 aus dem Jahre 1926 sowie in Art. 7 des ägyptischen Gesetzes Nr. 117 aus dem Jahre 1983 bekannt: In beiden Rechtsinstrumenten wird ein generelles Handelsverbot mit bestimmt qualifizierten Kulturgütern angeordnet und als weitere rechtliche Konsequenz bestimmt, dass der Staat alleiniger Eigentümer bestimmter Kulturgüter ist und diese von Privaten nicht erworben werden können. Auch in einer solchen Rechtsfolge ist die Unveräußerbarkeit und Unverjährbarkeit explizit normiert, sodass eine explizite Statuierung einer res extra commercium-Stellung besteht.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
243
Designation zu einer ‚öffentlichen Sache‘ aufgrund spezieller Rechtsvorschriften auch auf im Privateigentum stehende Kulturgüter erstreckt wird, bei denen streng genommen eine Verkehrsunfähigkeit eigentlich nicht anzunehmen ist, weil die Sachen durchaus Gegenstand eines privatrechtlichen dinglichen Rechts, des Eigentums sein können. In solchen Fallkonstellationen wird jedoch ausnahmsweise eine Deklaration dieser Kulturgüter zu res extra commercium angenommen, weil sich aufgrund der Unveräußerlichkeit, Unersitzbarkeit und Unverjährbarkeit die dingliche Zuordnung nicht ändern kann. Da die Güter unter keinen Umständen Gegenstand eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts und damit des Privatrechtsverkehrs insgesamt sein können, ist es angebracht, auch hier von Verkehrsunfähigkeit zu sprechen (sog. Extrakommerzialität im weiteren Sinne).692 Wie bereits oben erfahren, können kulturelle Güter in Frankreich und Italien als Bestandteil der ‚domaine public‘ bzw. der ‚demanio pubblico‘ und damit als ‚öffentliche Sachen‘ eine res extra commercium-Stellung (im engeren Sinne) erlangen. Darüber hinaus können bzw. konnten Kunstwerke innerhalb der französischen Rechtsordnung noch heute und innerhalb der italienischen Rechtsordnung bis ins Jahr 1999 die Stellung einer res extra commercium (im weiteren Sinne) aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung seit Erlass der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 693 und heute mittels des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 in Frankreich und der ehemaligen, bis ins Jahr 1999 geltenden Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 in Italien erlangen.694 Der danach geltende Testo Unico dei Beni Culturali von 1999 und der völlig neu reformierte Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 haben diese Regelung aber abgeschafft und sehen heute lediglich noch Verfügungsbeschränkungen vor, sodass sich die Extrakommerzialität kultureller Güter innerhalb der italienischen Rechtsordnung auf das sog. ‚demanio pubblico‘ i.S.d. Art. 822 Abs. 2 Codice civile beschränkt.
1.
Extrakommerzialität im weiteren Sinne innerhalb des französischen Kulturgüterschutzsystems
In der französischen Rechtsordnung 695 unterliegen bereits seit Erlass der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 696 bewegliche Sachen, an deren Be692
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Vgl. auch die ähnlichen rechtsdogmatischen Überlegungen bei Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 35. J.O. vom 4.1.1914. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 93–95. Vgl. Brichet, Le régime des monuments historiques en France, S. 163. Vgl. auch ausführlich zu dem aktuellen Kulturtransferregulativ Frankreichs Gourdon, Excerpt from the Memoire „Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Œuvres d’Art“, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198;
291
244
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
wahrung ein geschichtliches, künstlerisches, wissenschaftliches oder technisches Interesse besteht, nach Art. 14 den besonderen Kulturgüterschutzbestimmungen, wenn diese Objekte aufgrund ministerieller Verfügung entsprechend dem in den Art. 15 ff. beschriebenen Verwaltungsverfahren als „monuments historiques“ klassifiziert worden sind.697 292
Klassifizierte Kulturgüter im Eigentum des Staates waren nach Art. 18 Abs. 1 und 2 absolut und unüberwindbar 698 unveräußerlich.699 Unsicherheit herrschte zunächst hinsichtlich der Qualifizierung einer derartigen Norm als Extrakommerzialitätsanordnung, da als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen Art. 18 Abs. 2 nach Art. 20 Abs. 1 S. 1 der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 700 die
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699
700
Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. S. 1089–1122, 1093–1096; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 93–95; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 50–54. Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1093–1096. Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: Art. 14: (1) Les objets mobiliers, soit meubles proprement dits, soit immeubles par destination, dont la conservation présente, au point de vue de l’histoire, de l’art, de la science ou de la technique, un intérêt public, peuvent être classés par un arrêté ministériel. (2) Les effets du classement subsistent à l’égard des immeubles par destination classés qui redeviennent des meubles proprement dits. (3) Sont applicables aux objets mobiliers les dispositions de l’article 1er, paragraphe 3, de la présente loi. Art. 15: (1) Le classement des objets mobiliers est prononcé par un arrêté du ministre d’Etat, chargé des affaires culturelles lorsque l’objet appartient à l’Etat, à un département, à une commune ou à un établissement public. Il est notifié aux intéressés. (2) Le classement devient définitif si le ministre de qui relève l’objet ou la personne publique propriétaire n’ont pas réclamé dans le délai de six mois, à dater de la notification qui leur en a été faite. En cas de réclamation, il sera statué par décret en Conseil d’Etat. Toutefois, à compter du jour de la notification, tous les effets de classement s’appliquent provisoirement et de plein droit à l’objet mobilier visé. Art. 16: (1) Les objets mobiliers, appartenant à toute personne autre que celles énumérées à l’article précédent, peuvent être classés, avec le consentement du propriétaire, par arrêté du ministre d’Etat, chargé des affaires culturelles. (2) A défaut de consentement du propriétaire, le classement est prononcé par un décret en Conseil d’Etat. Le classement pourra donner lieu au paiement d’une indemnité représentative du préjudice résultant pour le propriétaire de l’application de la servitude de classement d’office. La demande de l’indemnité devra être produite dans les six mois à dater de la notification du décret de classement. A défaut d’accord amiable, l’indemnité est fixée par le tribunal d’instance. Article 17: Il sera dressé par les soins du ministre d’Etat, chargé des affaires culturelles, une liste générale des objets mobiliers classés, rangés par département. Un exemplaire de cette liste, tenue à jour, sera déposé au ministère d’Etat, chargé des affaires culturelles et à la préfecture de chaque département. Il pourra être communiqué sous les conditions déterminées par un règlement d’administration publique. Art. 19 Abs. 1 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: Les effets du classement suivent l’objet, en quelques mains qu’il passe. Art. 18 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: (1) Tous les objets mobiliers classés sont imprescriptibles. (2) Les objets classés appartenant à l’Etat sont inaliénables. Art. 20 Abs. 1 S. 1 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: L’acquisition faite en violation de l’article 18, 2ème et 3ème alinéas, est nulle.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
245
Nichtigkeit der Veräußerung angeordnet war, sodass Art. 18 Abs. 2 auch nur als Veräußerungsverbot, dessen Nichtbeachtung mit Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts sanktioniert wird, hätte aufgefasst werden können. Dagegen sprach jedoch nach allgemeiner Meinung die eindeutige Formulierung des Art. 18 Abs. 2, in der kein Gebot an den Staat verkörpert ist, sondern die spezielle Rechtsqualität derart geschützter Kulturgüter beschrieben ist, sodass die Eigentumsübertragung nicht erst aufgrund Nichtigkeit hinfällig ist, sondern bereits aufgrund der besonderen Qualität des Gutes ausscheidet.701 Entsprechend dem allgemeinen Verständnis der französischen Rechtsordnung der Deklaration kultureller Güter zur res extra commercium aufgrund Designation als ‚öffentliche Sache‘ sowie aufgrund expliziter normativer Statuierung hat die Klassifizierung von Kulturgütern als ‚monuments historiques‘ nicht die Rechtswirkung, dass davon erfasste Kulturgüter uno actu der ‚domaine public‘ angehören und aus diesem Grund der Extrakommerzialität unterfallen, sondern sie sind weiterhin grundsätzlich der ‚domaine privé‘ zugehörig. Der besondere verwaltungsrechtliche Schutz derartiger Kulturgüter als res extra commercium war in dieser Kategorie somit nicht in der Designation kultureller Güter als französische ‚öffentliche Sache‘ (d.h. zur ‚domaine public‘), sondern in der früheren expliziten gesetzlichen Rechtsanordnung der Unveräußerlichkeit des Art. 18 Abs. 2 der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 zu sehen. Ergänzend bestimmte Art. 18 Abs. 1 der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 die Unverjährbarkeit von klassifizierten Kulturgütern im Eigentum des französischen Staates 702, sodass im Ergebnis auch die Regeln des redlichen originären Erwerbs entsprechend Art. 2279 des französischen Code civil 703 nicht anwendbar waren.704
293
Insgesamt sind klassifizierte Kulturgüter im Eigentum des französischen Staates somit seit Erlass der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 unveräußerlich und der Herausgabeanspruch des französischen Staates unverjährbar, sodass unzweifelhaft von einer Deklaration als res extra commercium auszugehen ist: “This provision is an exception to Art. 2279 of the French Civil Code, providing that possession of movable property gives title, and the registration provision allows the owner of a classified object to bring an action to recover posses-
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Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 50–54. Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1093–1096. Art. 2279 Code civil: (1) En fait de meubles, la possession vaut titre. (2) Néanmoins, celui qui a perdu ou auquel il a été volé une chose peut la revendiquer pendant trois ans à compter du jour de la perte ou du vol, contre celui dans les mains duquel il la trouve ; sauf à celui-ci son recours contre celui duquel il la tient. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 50–54.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
sion at any time and against anyone, even a bona fide purchaser. A second provision, possibly the most effective for the protection of cultural property, is that certain public properties are inalienable. This measure is narrower in scope than the provision preventing the acquisition of title through adverse possession because it does not apply to private property.” 705 295
Im Gegensatz zu den klassifizierten Kulturgütern im Eigentum des französischen Staates stellte sich die Rechtslage für Kulturgüter eines Département, einer Gemeinde bzw. einer öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtung und Anstalt dar, die nach Art. 18 Abs. 3 der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 706 mit Zustimmung des Kulturministers rechtswirksam an den Staat, eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine gemeinnützige Einrichtung veräußert werden dürfen. Sinn und Zweck war zwar auch hier die Nichthandelbarkeit klassifizierter Kulturgüter in der Hand mittelbarer öffentlicher Verwaltungsträger.707 Zuweilen wurde diese Möglichkeit des eingeschränkten Transfers derart zu qualifizierender Kulturgüter als ‚relative Unveräußerlichkeit‘ 708 bezeichnet, da die Güter zwar grundsätzlich derivativ unveräußerlich sind und ein Herausgabeanspruch keiner temporalen Präklusion unterliegt, jedoch unter bestimmten Umständen einem Transfer zugeführt werden können.709 Nach überwiegender Ansicht wird jedoch wegen der grundsätzlichen Veräußerungsfähigkeit kultureller Güter eines Département, einer Gemeinde bzw. einer öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtung und Anstalt keine Extrakommerzialität statuiert.710
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Ebenso wenig unterfielen französische Kulturgüter im Eigentum von Privatpersonen dem Rechtsinstitut der res extra commercium. Auch private Kulturgüter konnten zwar als historische Denkmäler entsprechend der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 klassifiziert werden, sodass grundsätzlich die Unterschutzstellung von unbeweglichen und beweglichen Kulturgütern in Privateigentum seit Inkrafttreten der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 möglich war. „Bewegliche und unbewegliche Güter, deren Konservierung aus Sicht der Geschichte, der Kunst, der Wissenschaft oder der Technik im öffent705
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Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1093–1096. Art. 18 Abs. 3 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: Les objets classés appartenant à un département, à une commune, à un établissement public ou d’utilité publique ne peuvent être aliénés qu’avec l’autorisation du ministre d’Etat, chargé des affaires culturelles et dans les formes prévues par les lois et règlements. La propriété ne peut en être transférée qu’à l’Etat, à une personne publique ou à un établissement d’utilité publique. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’oeuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 59. Carducci, La restitution internationale des biens culturels et des objets d’art, 1997, S. 65. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 53. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 50–54.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
lichen Interesse sind, konnten durch Verfügung (arrêté) als historisches Denkmal (monument historique) klassifiziert werden.711 Die unter Denkmalschutz gestellten privaten Kulturgüter wurden in eine Liste eingetragen.712 Stimmte der Eigentümer der Unterschutzstellung zu, so erfolgte die Klassifizierung durch Verfügung des Kulturministers.713 Wurde das Gut gegen den Willen des Eigentümers unter Denkmalschutz gestellt, so ordnete der Staatsrat die Klassifizierung nach Anhörung der Commission supérieure des monuments historiques kraft Dekret (décret) an.714 Der Eigentümer war im Lichte der Rechtsprechung zu entschädigen.715“ 716 Da sich die in Art. 20 717 bestimmten Rechtswirkungen jedoch nur auf Art. 18 der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 bezogen, unterlag der Eigentümer bei der Veräußerung gem. Art. 19 Abs. 2 und 3 der Loi sur les
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Art. 14 Abs. 1 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: Les objets mobiliers, soit meubles proprement dits, soit immeubles par destination, dont la conservation présente, au point de vue de l’histoire, de l’art, de la science ou de la technique, un intérêt public, peuvent être classés par un arrêté ministériel. Art. 17 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: Il sera dressé par les soins du ministre d’Etat, chargé des affaires culturelles, une liste générale des objets mobiliers classés, rangés par département. Un exemplaire de cette liste, tenue à jour, sera déposé au ministère d’Etat, chargé des affaires culturelles et à la préfecture de chaque département. Il pourra être communiqué sous les conditions déterminées par un règlement d’administration publique. Art. 16 Abs. 1 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: Les objets mobiliers, appartenant à toute personne autre que celles énumérées à l’article précédent, peuvent être classés, avec le consentement du propriétaire, par arrêté du ministre d’Etat, chargé des affaires culturelles. Art. 16 Abs. 2 Satz 1 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: A défaut de consentement du propriétaire, le classement est prononcé par un décret en Conseil d’Etat. Art. 16 Abs. 2 Satz 2 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: Le classement pourra donner lieu au paiement d’une indemnité représentative du préjudice résultant pour le propriétaire de l’application de la servitude de classement d’office. La demande de l’indemnité devra être produite dans les six mois à dater de la notification du décret de classement. A défaut d’accord amiable, l’indemnité est fixée par le tribunal d’instance. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 95. Art. 20 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: (1) L’acquisition faite en violation de l’article 18, 2ème et 3ème alinéas, est nulle. Les actions en nullité ou en revendications peuvent être exercées à toute époque tant par le ministre d’Etat, chargé des affaires culturelles que par le propriétaire originaire. Elles s’exercent sans préjudice des demandes en dommages-intérêts qui peuvent être dirigées soit contre les parties contractantes solidairement responsables, soit contre l’officier public qui a prêté son concours à l’aliénation. Lorsque l’aliénation illicite a été consentie par une personne publique ou un établissement d’utilité publique, cette action en dommages-intérêts est exercée par le ministre d’Etat, chargé des affaires culturelles au nom et au profit de l’Etat. (2) L’acquéreur ou sousacquéreur de bonne foi, entre les mains duquel l’objet est revendiqué, a droit au remboursement de son prix d’acquisition; si la revendication est exercée par le ministre d’Etat, chargé des affaires culturelles celui-ci aura recours contre le vendeur originaire pour le montant intégral de l’indemnité qu’il aura dû payer à l’acquéreur ou sous-acquéreur. (3) Les dispositions du présent article sont applicables aux objets perdus ou volés.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
monuments historiques vom 13.12.1913 718 nur gewissen Mitteilungs- und Benachrichtigungspflichten, deren Nichtbeachtung die Übertragung jedoch nicht nichtig machte.719 Eine Besonderheit 720 bei dem Transfer kultureller Güter in Privateigentum bestand dennoch, da nach Art. 18 Abs. 1 der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 die klassifizierten Kulturgüter in Privateigentum nicht den allgemeinen Verjährungsregelungen unterlagen, sodass dem Vindikationsanspruch des Eigentümers nicht Art. 2279 des französischen Code civil entgegengehalten werden konnte. Weil der gutgläubige Eigentumserwerb nach Art. 2279 des Code civil überwiegend als originärer Eigentumserwerb angesehen wird, führte die Unverjährbarkeit nach allgemeiner Meinung auch dazu, dass der Besitz keine Rechtswirkungen nach sich zog. Ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten war damit auch bei klassifizierten Kulturgütern im Privateigentum nicht möglich.721 Anderer Ansicht nach waren die Auswirkungen des Art. 18 Abs. 1 der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 auf Art. 2279 des französischen Code civil aber strittig, sodass die Unverjährbarkeit nur dazu führte, dass im Fall des unfreiwilligen Besitzverlustes nach Art. 2279 Abs. 2 des französischen Code civil statt einer Herausgabefrist von drei Jahren die Rückführung unbefristet beansprucht werden konnte, während jedoch Art. 2279 Abs. 1 des französischen Code civil uneingeschränkt anwendbar bleiben soll.722 Unbestritten waren jedoch die akquisitive Ersitzung abhandengekommener klassifizierter Kulturgüter sowie die extinktive Verjährung des Vindikationsanspruchs ausgeschlossen.723 Im Ergebnis stellten somit Kulturgüter im Privateigentum
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Art. 19 Abs. 2 und 3 Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913: (2) Tout particulier qui aliène un objet classé est tenu de faire connaître à l’acquéreur l’existence du classement. (3) Toute aliénation doit, dans les quinze jours de la date de son accomplissement, être notifiée au ministère d’Etat, chargé des affaires culturelles par celui qui l’a consentie. Vgl. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 95. Vgl. hierzu auch Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 53–54. Cornu, Le droit culturel des biens – L’intérêt culturel juridiquement protégé, 1996, S. 459; Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1094; Poli, La protection des biens culturels meubles, 1996, S. 145; De Visscher, La protection internationale des objets d’art et des monuments historiques, Extrait de la Revue de Droit international et de Législation comparée (n 1 et 2, 1935), S. 32 ff., S. 40, vgl. hierzu auch m.w.N. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 53–54. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 62; Lhuilier, Les oeuvres d’art, res sacrae? R.R.J. 1998, S. 513 ff., S. 556; Wolkowitsch, Archives, bibliothèques, musées: statut des collections accessibles au public, 1986, S.190; Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, Rdnr. 774. Vgl. hierzu auch Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 53–54.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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keine res extra commercium dar, wobei ihre Verkehrsfähigkeit durch die Unverjährbarkeit jedoch eine deutliche Limitation erfuhr.724 In dem heute geltenden Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 wurde ein einheitliches französisches Kulturgüterschutzsystem erstellt, das sich neben dem allgemeinen Schutz kultureller Güter auch der rechtlichen Behandlung von Archiven, Bibliotheken, Museen, archäologischen Artefakten und den besonders schutzwürdigen ‚Monuments historiques‘ sowie dem maritimen Kulturerbe widmet.
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Art. L. 1 Code du patrimoine vom 20. Februar 2004: Le patrimoine s’entend, au sens du présent code, de l’ensemble des biens, immobiliers ou mobiliers, relevant de la propriété publique ou privée, qui présentent un intérêt historique, artistique, archéologique, esthétique, scientifique ou technique.
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Das französische Kulturgüterschutzgesetz appliziert unterschiedliche Rechtsinstrumente, je nachdem, welchem Schutzobjekt ein intensives oder weniger intensives Schutzprogramm gesetzlich zugewiesen wird. Die Steuerung der Intensität wird durch die Anwendung unterschiedlicher Rechtsmethoden der Beschränkung des freien Kulturgüterverkehrs hinsichtlich verschiedener Arten, Klassen und Gattungen kultureller Güter innerhalb der divergierenden Rechtsinstrumente vorgenommen. Innerhalb des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 wurde die bereits seit Erlass der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 für bewegliche Sachen
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– an deren Bewahrung ein geschichtliches, künstlerisches, wissenschaftliches oder technisches Interesse besteht und die aufgrund ministerieller Verfügung entsprechend dem in den Art. 15 ff. der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 beschriebenen Verwaltungsverfahren als ‚monuments historiques‘ klassifiziert worden sind –
bestimmte Deklaration als res extra commercium im weiteren Sinne (d.h. nach expliziter gesetzlicher Bestimmung) beibehalten.725 Ebenso wie unter Geltung des früheren Kulturgüterschutzgesetzes werden die zu den ‚monuments historiques‘ zählenden Kulturgüter nach behördlicher Klassifikation bestimmt. Code du patrimoine vom 20. Februar 2004: Chapitre 2 Objets mobiliers Section 1 Classement des objets mobiliers : L. 622-1: Les objets mobiliers, soit meubles proprement dits, soit immeubles par destination, dont la conservation présente, au point de vue de l’histoire, de l’art, de la science ou de la technique, un intérêt public peuvent être classés au titre des monuments historiques par décision de l’autorité administrative. Les effets du classement subsistent à l’égard des immeubles par destination classés au titre des monuments historiques qui redeviennent des meubles proprement dits.
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Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 95; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 54. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 50–54.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter L. 622-2: Les objets mobiliers appartenant à l’Etat ou à un établissement public de l’Etat sont classés au titre des monuments historiques par décision de l’autorité administrative. L. 622-3: Les objets mobiliers appartenant à une collectivité territoriale ou à l’un de ses établissements publics sont classés au titre des monuments historiques par décision de l’autorité administrative, s’il y a consentement du propriétaire. En cas de désaccord, le classement est prononcé par décret en Conseil d’Etat après avis de la commission supérieure des monuments historiques. L. 622-4: Les objets mobiliers appartenant à une personne privée peuvent être classés au titre des monuments historiques, avec le consentement du propriétaire, par décision de l’autorité administrative. A défaut de consentement du propriétaire, le classement est prononcé par un décret en Conseil d’Etat pris après avis de la commission supérieure des monuments historiques. Le classement pourra donner lieu au paiement d’une indemnité représentative du préjudice résultant pour le propriétaire de l’application de la servitude de classement d’office. La demande d’indemnité devra être produite dans les six mois à dater de la notification du décret de classement. A défaut d’accord amiable, l’indemnité est fixée par le tribunal d’instance.
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Sämtliche Kulturgüter, die als ‚monuments historiques‘ klassifiziert wurden, sind – unabhängig davon, ob sie sich im Eigentum individueller Privatpersonen oder des Staates bzw. sonstiger öffentlicher Träger befinden – nach L. 622-13 des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 unverjähr- und unersitzbar. Die spezielle Qualifikation der Extrakommerzialität erlangen jedoch ebenso wie unter Geltung der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 allein diejenigen als ‚monuments historiques‘ klassifizierten Kulturgüter, die sich in Staatseigentum befinden. Damit erfahren zwar auch ‚monuments historiques‘ in Privateigentum aufgrund des Ausschlusses einer temporalen Präklusionswirkung eine Sonderstellung (die akquisitive Ersitzung abhandengekommener klassifizierter Kulturgüter sowie die extinktive Verjährung des Vindikationsanspruchs sind ausgeschlossen) und sind damit zivilrechtlich nur begrenzt veräußerbar. Eine Verkehrsunfähigkeit i.S. einer res extra commercium-Stellung erlangen jedoch ebenso wie nach alter Rechtslage allein die als ‚monuments historiques‘ klassifizierten Kulturgüter in Staatseigentum.
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Code du patrimoine vom 20. Februar 2004: L. 622-13: Tous les objets mobiliers classés au titre des monuments historiques sont imprescriptibles. L. 622-14 Les objets classés au titre des monuments historiques appartenant à l’Etat sont inaliénables. Les objets classés au titre des monuments historiques appartenant à une collectivité territoriale ou à un établissement public ou d’utilité publique ne peuvent être aliénés qu’avec l’accord de l’autorité administrative et dans les formes prévues par les lois et règlements. La propriété ne peut en être transférée qu’à l’Etat, à une personne publique ou à un établissement d’utilité publique. L. 622-15: Les effets du classement d’un objet mobilier au titre des monuments historiques suivent l’objet, en quelques mains qu’il passe.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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Im Gegensatz zu den klassifizierten Kulturgütern im Eigentum des französischen Staates stellte sich die Rechtslage für Kulturgüter territorialer Gebietskörperschaften, öffentlicher Einrichtungen oder sonstiger gemeinnütziger Institutionen anders dar. Diese Kulturgüter dürfen nur mit Zustimmung der zuständigen Verwaltungsbehörde und innerhalb des vorgesehenen förmlichen Verfahrens veräußert werden. Dabei darf das Eigentum jedoch nur an den Staat, eine Person des öffentlichen Rechts oder eine sonstige gemeinnützige Einrichtung veräußert werden. Sinn und Zweck ist hier ebenso wie innerhalb derselben Einschränkung der früheren Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 die Nichthandelbarkeit klassifizierter Kulturgüter in der Hand mittelbarer öffentlicher Verwaltungsträger.726 Innerhalb des Verständnisses der früheren Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 wurde diese Möglichkeit des eingeschränkten Transfers derart zu qualifizierender Kulturgüter bekanntlich als ‚relative Unveräußerlichkeit‘ 727 bezeichnet, da die Güter zwar grundsätzlich derivativ unveräußerlich sind und ein Herausgabeanspruch keiner temporalen Präklusion unterliegt, jedoch unter bestimmten Umständen einem Transfer zugeführt werden können.728 Nach überwiegender Ansicht wurde jedoch wegen der grundsätzlichen Veräußerungsfähigkeit kultureller Güter territorialer Gebietskörperschaften, öffentlicher Einrichtungen oder sonstiger gemeinnütziger Institutionen keine Extrakommerzialität statuiert.729
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Ebenso wie nach alter Rechtslage könnte auch hier Unsicherheit hinsichtlich der Qualifizierung einer derartigen Norm als Extrakommerzialitätsanordnung herrschen, da als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen L. 622-14 des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 nach L. 622-17 die Nichtigkeit der Veräußerung angeordnet war, sodass L. 622-14 auch nur als Veräußerungsverbot, dessen Nichtbeachtung mit Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts sanktioniert wird, hätte aufgefasst werden können.
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L. 622-17 Code du patrimoine vom 20. Februar 2004: L’acquisition faite en violation de l’article L. 622-14 est nulle. Les actions en nullité ou en revendication peuvent être exercées à toute époque tant par l’autorité administrative que par le propriétaire originaire. Elles s’exercent sans préjudice des demandes en dommages-intérêts qui peuvent être dirigées soit contre les parties contractantes solidairement responsables, soit contre l’officier public qui a prêté son concours à l’aliénation. Lorsque l’aliénation illicite a été consentie par une personne publique ou un établissement d’utilité publique, cette action en dommages-intérêts est exercée par l’autorité administrative au nom et au profit de l’Etat. L’acquéreur ou sous-acquéreur de bonne foi, entre les mains duquel l’objet est revendiqué, a droit au remboursement de son prix d’acquisition. Si la revendication est
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Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 59. Carducci, La restitution internationale des biens culturels et des objets d’art, 1997, S. 65. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 53. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 50–54.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter exercée par l’autorité administrative, celle-ci aura recours contre le vendeur originaire pour le montant intégral de l’indemnité qu’il aura dû payer à l’acquéreur ou sousacquéreur. Les dispositions du présent article sont applicables aux objets perdus ou volés.
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Nach alter Rechtslage war diese Unsicherheit bereits lange überwunden: Ebenso wie dort ist auch in L. 622-14 des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 kein Gebot an den Staat verkörpert, sondern die spezielle Rechtsqualität derart geschützter Kulturgüter beschrieben. Dies hat zur Folge, dass die Eigentumsübertragung nicht erst aufgrund Nichtigkeit hinfällig ist, sondern bereits wegen der besonderen Qualität des Gutes ausscheidet.730
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Über den sachlichen Rahmen der Extrakommerzialitätserklärung der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 hinaus wurde innerhalb des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 auch die zivilrechtliche Verkehrsunfähigkeit solcher Kulturgüter angeordnet, die zu dem Bestand der sog. ‚Musées de France‘ zählen. In Titel IV des vierten Buches des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 731 findet sich die gesetzliche Inhaltsbestimmung der ‚Musées de France‘. Zu diesen gehören solche Museen, die sich in staatlicher Trägerschaft entweder in Form einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts befinden, solange letztgenannte nichtwirtschaftliche Ziele verfolgt.732
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Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 L. 451-3: Les collections des musées de France sont imprescriptibles. L. 451-4: Toute cession de tout ou partie d’une collection d’un musée de France intervenue en violation des dispositions de la présente section est nulle. Les actions en nullité ou en revendication peuvent être exercées à toute époque tant par l’Etat que par la personne morale propriétaire des collections. L. 451-5: Les biens constituant les collections des musées de France appartenant à une personne publique font partie de leur domaine public et sont, à ce titre, inaliénables.
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Danach sind zwar sämtliche Kulturgüter in den Beständen der sog. ‚Musées de France‘ unverjähr- und unersitzbar, jedoch allein diejenigen Kunstbestände in Museen öffentlicher Trägerschaft (d.h. in Staatseigentum) unterfallen auch dem Merkmal der Unveräußerlichkeit. Somit sind die sich in öffentlichem Eigentum befindlichen Kulturwerte in den sog. ‚Musées de France‘ extrakommerzial und von den üblichen zivilrechtlichen Vorschriften der Übertragung beweglicher Gegenstände ausgenommen. 730
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Vgl. zu den Ausführungen zur alten Rechtslage bereits Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 50–54. Die Ziele und die inhaltlichen Voraussetzungen der Qualifikation als ‚Musée de France‘ sind in Livre IV, Titre IV, Chapitre 1er: Définition et missions und Chapitre 2: Appellation « musée de France» enthalten. Art. L. 441-1 Code du patrimoine vom 20. Februar 2004: L’appellation «musée de France» peut être accordée aux musées appartenant à l’Etat, à une autre personne morale de droit public ou à une personne morale de droit privé à but non lucratif.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
2.
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Abschaffung der Extrakommerzialität kultureller Güter im weiteren Sinne nach gesetzlicher Anordnung innerhalb des neuen Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004
Eine entsprechende rechtshistorische Entwicklung ist innerhalb des italienischen Kulturgüterschutzsystems ersichtlich, das sich jedoch im Gegensatz zu der französischen Ausgestaltung letztendlich in dem neu gestalteten Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 für die Abschaffung und somit gegen die Statuierung einer sog. Extrakommerzialität im weiteren Sinne aufgrund gesetzlicher Spezialdeklaration kultureller Güter entschied. Ursprünglich waren auch unter Geltung der ehemaligen Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 der italienischen Rechtsordnung aufgrund des Art. 23 sämtliche Kulturgüter im Eigentum des Staates oder anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts res extra commercium, d.h. unveräußerlich, unersitz- und unverjährbar.733
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Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939: Art. 23: Le cose indicate negli art. 1 e 2 sono inalienabili quando appartengono allo Stato o ad altro ente o istituto pubblico.
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Art. 1: Sono soggette alla presente legge le cose, immobili e mobili, che presentano interesse artistico, storico, archeologico o etnografico, compresi: a) le cose che interessano la paleontologia, la preistoria e le primitive civiltà; b) le cose d’interesse numismatico; c) i manoscritti, gli autografi, i carteggi, i documenti notevoli, gli incunaboli, nonché i libri, le stampe e le incisioni aventi carattere di rarità e di pregio. Vi sono pure compresi le ville, i parchi e i giardini che abbiano interesse artistico o storico. Non sono soggette alla disciplina della presente legge le opere di autori viventi o la cui esecuzione non risalga ad oltre cinquant’anni. Art. 2: Sono altresì sottoposte alla presente legge le cose immobili che, a causa del loro riferimento con la storia politica, militare, della letteratura, dell’arte e della cultura in genere, siano state riconosciute di interesse particolarmente importante e come tali abbiano formato oggetto di notificazione, in forma amministrativa, del ministro per l’educazione nazionale. La notifica, su richiesta del ministro, è trascritta nei Registri delle conservatorie delle ipoteche ed ha efficacia nei confronti di ogni successivo proprietario, possessore o detentore della cosa a qualsiasi titolo.
Bspw. konnte trotz Vorliegens eines bona fide-Erwerbs kein Eigentum nach Art. 1153 Codice civile erworben werden, was der Fall der Biblioteca Malatestiana illustrieren kann: Ein Angestellter der Bibliotheca Malatestiana hatte aus einem wertvollen Codex aus der Renaissance-Zeit einige Seiten mit Miniaturen herausgeschnitten und diese verkauft. Die Käufer wurden ausfindig gemacht, und die Bibliotheca Malatestiana begehrte die Rückstellung vor Gericht. Dabei berief sich die Bibliothek auf ihr fortbestehendes Eigentumsrecht an den Miniaturen.734 Die 733 734
Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 70. Vgl. Reichelt, Die Rolle von UNIDROIT für den Internationalen Kulturgüterschutz – Neue methodische Ansätze im „UNIDROIT-Entwurf 1990 über gestohlene und unerlaubt aus-
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Käufer wendeten gegen den Herausgabeanspruch aus fortbestehender Eigentumsposition gutgläubigen Erwerb gem. Art. 1153 Codice civile ein. Das Gericht gab dem Herausgabeanspruch statt, weil es sich bei diesen Miniaturen um Kulturgut von höchstem nationalen Wert handelt und an diesem ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich ist. Die Gegenstände, die zu diesem Zeitpunkt unter die Extrakommerzialität fielen, wurden in Italien in Art 23 der ehemaligen Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 geregelt. Gem. Art 1145 Codice civile sind solche res extra commercium nicht veräußerbar.735 313
Der daraufhin erlassene Testo unico delle disposizioni legislative in materia di beni culturali e ambientali vom 29. Oktober 1999 hatte die extra commercium-Regelungen kultureller Güter in Staatseigentum aber abgeschafft und sah lediglich noch Verfügungsbeschränkungen vor. Kulturelle Güter als ‚beni patrimoniali‘ im Eigentum des Staates konnten danach mit Genehmigung des Ministers veräußert werden, wenn sie nicht von Interesse für die öffentlichen Sammlungen waren und weder die Erhaltung noch die öffentliche Nutzung beeinträchtigt wurde. Damit wurde im Gegensatz zu Art. 23 der ehemaligen Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 nicht mehr die generelle Unveräußerlichkeit statuiert, sondern ausdrücklich die Verkehrsfähigkeit bestimmt. Bei Verstoß gegen das Veräußerungsverbot war das Rechtsgeschäft zwar wegen Art. 1418 Codice civile 736 nichtig, aber nicht aufgrund einer angeordneten Extrakommerzialität, sondern eines Verstoßes gegen eine Verbotsnorm. Da auch Kulturgüter im Eigentum von Privatpersonen gemäß Art. 839 des italienischen Codice civile 737 bereits von Anfang an wie normale Sachen behandelt wurden, auf die lediglich die allgemeinen öffentlich-rechtlichen Kulturtransferkontrollen national schützenswerter Kulturgüter Anwendung fanden, war auch hier keine Extrakommerzialität mehr zu entnehmen.738
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geführte Kulturgüter“, in: Matscher/Seidl-Hohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 205–214, S. 210. Vgl. Reichelt, Die Rolle von UNIDROIT für den Internationalen Kulturgüterschutz – Neue methodische Ansätze im „UNIDROIT-Entwurf 1990 über gestohlene und unerlaubt ausgeführte Kulturgüter“, in: Matscher/Seidl-Hohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 205–214, S. 210. Art. 1419 Codice civile: Nullità parziale: (1) La nullità parziale di un contratto o la nullità di singole clausole importa la nullità dell’intero contratto, se risulta che i contraenti non lo avrebbero concluso senza quella parte del suo contenuto che è colpita dalla nullità. (2) La nullità di singole clausole non importa la nullità del contratto, quando le clausole nulle sono sostituite di diritto da norme imperative (1339, 1354, 1500 e seguente, 1679, 1815, 1932, 2066, 2077, 2115). Art. 839 Codice civile: Beni d’interesse storico e artistico: Le cose di proprietà privata, immobili e mobili, che presentano interesse artistico, storico, archeologico o etnografico, sono sottoposte alle disposizioni delle leggi speciali. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 70.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
255
Auch in dem völlig neugestalteten Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004, der das aktuelle Kulturgüterschutzrecht der italienischen Rechtsordnung neu zusammenstellte, ist keine Extrakommerzialität im weiteren Sinne aufgrund einer gesetzlichen Anordnung der Verkehrsunfähigkeit bestimmt. Art. 53 des aktuellen Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 bestimmt heute lediglich die Unveräußerlichkeit der italienischen ‚öffentlichen‘ Kulturgüter, d.h. der zum ‚patrimonio pubblico‘ zählenden Gegenstände.
314
Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004: Art. 53: Beni del demanio culturale 1. I beni culturali appartenenti allo Stato, alle regioni e agli altri enti pubblici territoriali che rientrino nelle tipologie indicate all’articolo 822 del codice civile costituiscono il demanio culturale. 2. I beni del demanio culturale non possono essere alienati, ne’ formare oggetto di diritti a favore di terzi, se non nei modi previsti dal presente codice.
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Nach Art. 53 des Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 zählen kulturelle Güter, die im Eigentum des Staates, der Regionen und anderer territorialer Gebietskörperschaften stehen und zu den in Art. 822 des Codice civile genannten Klassen kultureller Gegenstände gehören, zu dem sog. ‚demanio culturale‘. Die zu dem ‚demanio culturale‘ zählenden Kulturgüter sind unveräußerlich und können nicht Gegenstand von Rechten dritter Personen sein, außer in den durch den Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 genannten Umständen. Art. 54 enthält eine Aufzählung solcher Kulturgüter im Eigentum des Staates, die unveräußerlich sind.
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Art. 54: Beni inalienabili 1. Sono inalienabili i beni culturali demaniali di seguito indicati: a) gli immobili e le aree di interesse archeologico; b) gli immobili riconosciuti monumenti nazionali con atti aventi forza di legge; c) le raccolte di musei, pinacoteche, gallerie e biblioteche; d) gli archivi. 2. Sono altresì inalienabili: a) le cose immobili e mobili appartenenti ai soggetti indicati all’articolo 10, comma 1, che siano opera di autore non più vivente e la cui esecuzione risalga ad oltre cinquanta anni, fino a quando non sia intervenuta, ove necessario, la demanializzazione a seguito del procedimento di verifica previsto dall’articolo 12; b) le cose mobili che siano opera di autore vivente o la cui esecuzione non risalga ad oltre cinquanta anni, se incluse in raccolte appartenenti ai soggetti di cui all’articolo 53; c) i singoli documenti appartenenti ai soggetti di cui all’articolo 53, nonché gli archivi e i singoli documenti di enti ed istituti pubblici diversi da quelli indicati al medesimo articolo 53; d) le cose immobili appartenenti ai soggetti di cui all’articolo 53 dichiarate di interesse particolarmente importante quali testimonianze dell’identità e della storia delle istituzioni pubbliche, collettive, religiose, ai sensi dell’articolo 10, comma 3, lettera d). 3. I beni e le cose di cui ai commi 1 e 2 possono essere oggetto di trasferimento tra lo Stato, le regioni e gli altri enti pubblici territoriali. 4. I beni e le cose indicati ai commi 1 e 2 possono essere utilizzati esclusivamente secondo le modalità e per i fini previsti dal Titolo II della presente Parte.
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256 318
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Nach Art. 54 Abs. 1 (Deklaration der Unveräußerlichkeit) sind unbewegliche Kulturdenkmäler und archäologische Ausgrabungsgebiete, die Kollektionen von Museen, Gemälde- und Kunstgalerien sowie Bibliotheken und Archivbestände im Eigentum des Staates unveräußerlich. Ebenso unterfallen andere kulturelle Gegenstände im Anwendungsbereich des Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 in Staatseigentum, die älter als 50 Jahre sind und deren Urheber und Schaffer nicht mehr lebt, unter die Unveräußerlichkeit. Auch bewegliche Gegenstände noch lebender Künstler oder Güter jüngeren Alters sind von der Unveräußerlichkeit erfasst, wenn diese im Eigentum des Staates, der Regionen und anderer territorialer Gebietskörperschaften i.S.d. Art. 53 stehen. Darüber hinaus zählen auch solche Dokumente und Manuskripte im Eigentum des Staates, der Regionen und anderer territorialer Gebietskörperschaften i.S.d. Art. 53 als auch Archive und einzelne Manuskripte der Regierung und anderer behördlicher Institutionen als der in Art. 53 genannten zum unveräußerlichen Eigentum des Staates und dürfen ebenso nur behördenintern transferiert werden. Es besteht jedoch nach der Reform des italienischen Kulturgüterschutzsystems mittels des Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 keine gesetzliche Anordnung der Unersitzbar- und Unverjährbarkeit. Besondere Rechtsvorschriften, die die Ersitzung solcher Kulturgüter ausschließen oder die Verjährung des Herausgabeanspruchs bestimmen und somit zur Extrakommerzialität italienischer Kulturgüter führen, sind im Gegensatz zu den Bestimmungen des Art. 23 der ehemaligen Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 nicht mehr in den Vorschriften des Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 enthalten, sodass innerhalb der italienischen Rechtsordnung nur noch die zum ‚demanio pubblico‘ zählenden Kulturgüter im Eigentum des Staates den Sachstatus einer res extra commercium einnehmen.
3. 319
Extrakommerzialität im weiteren Sinne innerhalb weiterer Kulturgüterschutzsysteme
Auch in anderen Rechtsordnungen ist eine ex lege-Designation kultureller Güter als res extra commercium statuiert. Besonders in tendenziell eher restriktiv ausgestalteten Kulturtransferregularien finden sich normative Rechtsanordnungen, die für sämtliche Kulturgüter oder lediglich für einzelne Klassen kultureller Güter, die für die jeweilige Rechtsordnung von besonderer Wichtigkeit sind, die Extrakommerzialität bestimmen. Auch spanische Kulturgüter 739 im Eigentum der öffentlichen Hand, die entsprechend dem spanischen Kulturgüterschutzsystem als Patrimonio Histórico Espanol zu qualifizieren sind, sind nach Art. 28 739
Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 70–76.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
257
der Ley del Patrimonio Histórico Español vom 25. Juni 1985 ex lege dem sog. dominio público zuzuordnen, zu dem gem. Art. 339 des spanischen Código Civil alle Güter gehören, die dem öffentlichen Gebrauch oder einem öffentlichen Nutzen gewidmet sind und somit per se als unveräußerlich und unverjährbar gelten und als res extra commercium behandelt werden.740 Innerhalb des griechischen Kulturgüterrechts 741 stellen bspw. archäologische Artefakte diejenige Klasse kultureller Güter dar, denen das umfangreichste Schutzprogramm zugesprochen wird. Das griechische Kulturgüterschutzsystem qualifiziert archäologische Objekte als res extra commercium und somit als unveräußerliches, unersitzbares und unverjährbares Staatseigentum.742 Individuelle Einzelpersonen sind vom Erwerb des Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte an diesen Kulturgütern ausgeschlossen, sodass Individuen allein die Möglichkeit verbleibt, Besitzer zu sein, jedoch nur unter der Bedingung, dass diese sich redlich verhalten und ihren Besitz an dem archäologischen Gut den zuständigen Verwaltungsbehörden unverzüglich nach Inbesitznahme deklarie740
741
742
Art. 28 Ley del Patrimonio Histórico Español vom 25. Juni 1985: 1. Los bienes muebles declarados de interés cultural y los incluidos en el Inventario General que est‚n en posesión de instituciones eclesiásticas, en cualquiera de sus establecimientos o dependencias, no podrán transmitirse por título oneroso o gratuito ni cederse a particulares ni a entidades mercantiles. Dichos bienes sólo podrán ser enajenados o cedidos al Estado, a entidades de Derecho Público o a otras instituciones eclesiásticas. 2. Los bienes muebles que forman parte del Patrimonio Histórico Español no podrán ser enajenados por las Administraciones Públicas, salvo las transmisiones que entre sí mismas éstas efectúen y lo dispuesto en los artículos 29 y 34 de esta Ley. 3. Los bienes a que se refiere este artículo serán imprescriptibles. En ningún caso se aplicará a estos bienes lo dispuesto en el artículo 1.955 del Código Civil. Art. 339 Código Civil: Son bienes de dominio público: Los destinados al uso público, como los caminos, canales, ríos, torrentes, puertos y puentes construidos por el Estado, las riberas, playas, radas y otros análogos. Los que pertenecen privativamente al Estado, sin ser de uso común, y están destinados a algún servicio público o al fomento de la riqueza nacional, como las murallas, fortalezas y demás obras de defensa del territorio, y las minas, mientras que no se otorgue su concesión. Vertiefend zu den gesetzlichen Grundlagen des Schutzes beweglicher Kulturgüter in Griechenland, Grammaticaki-Alexiou, The Status of Cultural Property in Greek Private International Law, Revue Hellénique de Droit International 47 ème Année (1994), S. 139–160, S. 142–145; Maurer, Die Ausfuhr von Kulturgütern in der Europäischen Union, 1995, S. 144–148; Uhl, Der Handel mit Kunstwerken im europäischen Binnenmarkt – Freier Warenverkehr versus nationaler Kulturgutschutz, 1993, S. 96–100. Art. 1 und 3 des Gesetzes 5351/1932 betreffend archäologische Kulturgüter: Article 1: (1) All antiquities, whether movable or immovable, from ancient or subsequent times found in Greece and any national possessions, in rivers, lakes and the depths of the sea, and an public, monastic and private land, shall be the property of the State. Consequently, the right and obligation to investigate and preserve such items, in public museums where appropriate, belong, to the State. (2) Full authority in this respect shall rest with the Minister of Education and Religious Affairs (Act BXM7, Article 1). Article 3: Owners of property an which antiquities are found shall be accorded the indemnification or recompense hereinafter specified. Municipalities, communes and monastries shall receive no such indemnification or recompense (Act BXM7, Article 2).
320
258
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
ren.743 Bei Erfüllung dieser Deklarationspflicht seitens des Besitzers ist es diesem erlaubt, entweder den Besitz an dem archäologischen Artefakt zu behalten oder diesen innerhalb der Staatsgrenzen des griechischen Territoriums frei zu transferieren.744 Einem Erwerber der tatsächlichen Sachherrschaft kann jedoch allein das Recht zum Besitz, keinesfalls jedoch eine Eigentumsposition verschafft werden.745
B. 321
Inhaltliche Ausgestaltung des Rechtsinstituts der res extra commercium gegenüber kulturellen Gütern
Einleitend sollte wiederholt werden, dass das Wesen der Deklaration kultureller Güter zu sog. res extra commercium ist, dass die dogmatische Rechtsquelle der Bestimmung im öffentlichen Rechtskreis wurzelt, während sich die konkreten 743
744 745
Art. 5 des Gesetzes 5351/1932 betreffend archäologische Kulturgüter: Article 5: (1) Any Person entering in whatsoever way into possession of an antiquity shall, within two weeks of the date of such entry into possession, make a declaration thereof to the nearest archaeological or police authority or to the Archaeology Department of the Ministry of Education and Religious Affairs, stating at the same time the manner of acquisition of the antiquity and, if possible, the place in which it was found. After the declaration of the antiquity, the holder may keep it himself or sell it to another party within the State in accordance with the provisions of this Act. (2) The district archaeological superintendent or other senior archaeological official appointed by the Ministry shall, within the shortest possible lapse of time, examine and precisely describe the antiquity. If the declared antiquities are of little scientific significance and of very small or no commercial value in the judgement of the Archaeological Council, they shall simply be enumerated and described before him; left for the free use of the holder. The Ministry may further require that photographs of such antiquities be deposited. (3) If the holder of the antiquity is a dealer in antiquities, the Ministry may, in the case of an antiquity of note in the judgement of the Archaeological Council effect compulsory purchase of the antiquity at a price fixed, failing agreement hetween the State and the holder of the antiquity, in accordance with the arbitrati.on procedure laid down in the second paragraph of Article 11 of this Act. The snid holder shall be paid only one half of the price so laid down (Act 5351, Article 1). Art. 5 des Gesetzes 5351/1932 betreffend archäologische Kulturgüter. Grammaticaki-Alexiou, The Status of Cultural Property in Greek Private International Law, Revue Hellénique de Droit International 47 ème Année (1994), S. 139–160, S. 143: “An exception to the above regime is introduced by art. 4 of the same law, according to which certain items, such as ancient church relics and valuable church manuscripts, kept in the sacristies of monasteries and not used for worship purposes, may be put in museums for better care. However, the ownership of the monasteries over those objects remains intact. A controversy exists in relation to works of Byzantine art (mainly icons) or objects dating after 1453 (the year when Byzantium fell to the Ottoman Empire) of artistic or historic value. As the combination of the various rules of law contained in different acts can be interpreted both ways, there is no agreement as to whether the individuals may be the owners of cultural property posterior to 1453. According to the Supreme Court (Areios Pagos) such property does not necessarily belong to the State. Another view, supported by theory, is that the legislator intended all antiquities, including those created between 1453 and 1830, to be the property of the State and res extra commercium.”.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
259
Auswirkungen im Feld des Zivilrechts bewegen. Bereits bekannt ist das Verständnis einer ‚res extra commercium‘ als Sache, die, entgegen den für sonstige Gegenstände als Handelswaren geltenden Rechtsregeln, aufgrund ihrer besonderen Sachqualität nicht am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Eine ‚res extra commercium‘ ist nicht verkehrsfähig, steht außerhalb des Rechtsverkehrs und kann somit nicht Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Übertragung sein.746 In einigen rechtsdogmatischen Ausführungen zur Extrakommerzialität wird in jeder Bestimmung, die den Handel mit einer Sache – sei es auch rein faktischer Natur – in irgendeiner Weise erschwert, eine Einschränkung der Verkehrsfähigkeit angenommen. Danach würde bereits die Tatsache, dass die Ausfuhr eines Kulturguts ins Ausland, wo es zu einem höheren Preis verkauft werden könnte, verboten wird, seine Verkehrsfähigkeit beschränken.747 Rechtlich präziser ist es jedoch unter der Terminologie der Verkehrsunfähigkeit nur solche rechtlichen Beschränkungen zu verstehen, die sich auf die Sache selbst beziehen, nicht auf die Befugnisse ihres Eigentümers oder auf die äußeren Umstände des Rechtsgeschäfts, dessen Gegenstand die betreffende Sache bildet.748 Kaufmann 749 hat zuvor in seinen Untersuchungen der Stellung des Privatrechtssubjekts zur res extra commercium des corpus juris civilis hinsichtlich der Verkehrsunfähigkeit festgestellt, dass die Extrakommerzialität eine „intrinsische, dingliche Eigenschaft der Sache“ sei, die dieser unmittelbar und grundsätzlich auch auf Dauer anhafte. Weidner folgt dieser rechtsdogmatischen Klassifizierung mit guten Gründen und betont, dass eine verkehrsfähige Sache ihre Verkehrsfähigkeit ebenso wenig einbüßen könne, wie umgekehrt eine verkehrsunfähige oder in ihrer Verkehrsfähigkeit beschränkte Sache diese Qualität nicht verlieren könne. Nur mittels einer Entscheidung der Legislative oder der Exekutive – je nachdem, ob die Verkehrsbeschränkung auf einer besonderen Einordnung der Sachen durch den Gesetzgeber oder auf einer Widmung der Exekutive beruhe – könne der dingliche Status der Sache verändert werden.
322
Rechtstheoretische Funktion der Extrakommerzialität und Verkehrsunfähigkeit als ‚intrinsische, dingliche Eigenschaften der Sache‘ selbst ist die Möglichkeit der
323
746
747
748
749
Vgl. auch Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Vgl. z.B. Cornu, Le droit culturel des biens – L’intérêt culturel juridiquement protégé, 1996, S. 89. Vgl. auch Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Kaufmann, Die Stellung des Privatrechtssubjekts zur res extra commercium des corpus juris civilis – Ein Beitrag zur Lehre der Extracommercialität, 1887, S. 6; Kormann, Die kirchenrechtlichen Veräußerungsbeschränkungen beim katholischen Kirchengut und das bürgerliche Recht – zugleich ein Beitrag zur Lehre von den Veräußerungsverboten nach bürgerlichem Gesetzbuch, 1907, S. 96, S. 105, S. 132.
260
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
rechtlichen Unterscheidung zwischen der Extrakommerzialität einerseits und andererseits den Beschränkungen der Handlungsfähigkeit oder Verfügungsmacht des Rechtsinhabers der Sache sowie solchen rechtlichen Restriktionen, die sich auf die äußeren Umstände des Rechtsgeschäfts, dessen Gegenstand die betreffende Sache bildet, beziehen. Einleitend bleibt hinsichtlich der Rechtsfolgen der Deklaration kultureller Güter als res extra commercium festzuhalten, dass sich die Verkehrsunfähigkeit bzw. Extrakommerzialität aus zwei Komponenten zusammensetzt: einerseits aus der derivativen, rechtsgeschäftlichen Unveräußerlichkeit auch gegenüber redlichen Erwerbern sowie andererseits aus der temporalen Unverjährbarkeit, die sich ihrerseits in der Exklusion der akquisitiven originären Ersitzung des Eigentums und in der extinktiven Unverjährbarkeit eines Herausgabeanspruchs des ursprünglichen Rechtsträgers äußert. Kaufmann hat hinsichtlich eines korrekten Verständnisses des Begriffes der res extra commercium richtig darauf hingewiesen, dass derivative und originäre Unveräußerlichkeit und Unverjährbarkeit keineswegs Folge der Extrakommerzialität, sondern gerade ihr Wesen sind. Deshalb ist die Extrakommerzialität kultureller Güter nicht die Ursache für Unveräußerlichkeit und Unverjährbarkeit, sondern nur die zusammenfassende Bezeichnung der verschiedenen, die Stellung der Sache zum Privatrechtssubjekt markierenden Merkmale.750 Ursachen innerhalb des Kulturgüterschutzes sind bekanntermaßen einerseits die Designation staatlicher kultureller Güter als ‚öffentliche Sachen‘ und andererseits die explizite ex lege Deklaration der derivativen und originären Unveräußerlichkeit und Unersitzbarkeit sowie der temporalen Unverjährbarkeit eines Herausgabeanspruchs. Von einer Deklaration als res extra commercium kann und ist nach dem vorliegenden Verständnis somit nur und immer dann zu sprechen, wenn kumulativ der Ausschluss des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs abhandengekommener Kulturgüter gegeben ist und zusätzlich keine Auswirkungen des Faktors Zeit auf einen Herausgabeanspruch des kulturellen Verwaltungsträgers zu verzeichnen sind. Die letztgenannten Auswirkungen des Faktors Zeit äußern sich einerseits in der Exklusion des originären Eigentumserwerbs aufgrund akquisitiver Ersitzung sowie andererseits in dem Ausschluss der extinktiven Verjährung des Herausgabeanspruchs des kulturellen Verwaltungsträgers.
I. 324
Ausschluss des gutgläubigen, rechtsgeschäftlichen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Erstes zwingendes Element einer Deklaration kultureller Güter als res extra commercium stellt der Ausschluss des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs abhandengekommener Kulturgüter dar. Die kulturellen Güter müssen als untaugliche 750
Vgl. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 35–38.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
261
Objekte eines Transfers bzw. einer Veräußerung gelten, sodass die Objekte nicht übertragen werden dürfen. Ein Kulturgut ist unveräußerlich, wenn diesem eine dingliche Eigenschaft anhaftet, die es unfähig macht, Gegenstand einer Veräußerung zu sein. Ein auf Rechtsübertragung gerichtetes Rechtsgeschäft wäre wegen rechtlicher Unmöglichkeit nichtig.751 Veräußerungsbeschränkungen wenden sich demzufolge gegen Rechtssätze, die eine rechtsgeschäftliche Verfügung darstellen,752 und können durch Gesetze, Gerichte oder andere Behörden untersagt werden. Das Veräußerungsverbot ist somit nach der oben anerkannten Terminologie ein rechtsgeschäftlicher Unterfall des Verfügungsverbotes753 und wird durch die Singularität gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass die Verfügung im Wortsinn einer rechtsgeschäftlichen Übertragung unmöglich ist, obwohl alle Voraussetzungen vorliegen, die erforderlich sind. Das Gesetz verbietet aber aus besonderen Gründen ausnahmsweise die Verfügung.754 Die geschützte Interessenlage bezieht sich beim Veräußerungsverbot auf Veräußerungen. Wie bei Verfügungen im Allgemeinen steht bei dem Verbot oder der Erlaubnis einer rechtsgeschäftlichen Übertragung die Zuordnung eines Gegenstandes zu einer bestimmten Person im Vordergrund.755 Ein Veräußerungsverbot bedeutet somit, dass an der Sache zwar jede Privatberechtigung stattfinden kann, jedoch bestimmte Verträge über sie nicht geschlossen werden können.756 Wappäus sieht als Wesen des Veräußerungsverbots den Ausschluss von Rechtsgeschäften.757 In Konstellationen der Veräußerungsbeschränkungen wird grundsätzlich zwar von veräußerlichen Verfügungsobjekten ausgegangen 758, Kennzeichen des Veräußerungsverbotes ist nach Mehrtens jedoch, dass die Veräußerung eines Gegenstandes, der grundsätzlich als veräußerlich angesehen wird, in der konkreten Situation ausnahmsweise wegen besonderer rechtspolitischer Gründe verboten wird.759 Eine Veräußerung, die gegen ein Veräußerungsverbot verstößt, ist grundsätzlich nichtig.
325
Exemplarisch kann auf die Ausführungen bei Weidner zurückgegriffen werden, die unter dem Begriff der Unveräußerlichkeit die Unübertragbarkeit einer Sache
326
751 752 753
754 755 756
757
758 759
Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 35. Mehrtens, Das gesetzliche Veräußerungsverbot, 1974, S. 36. Palm in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, Band I, § 136, Rdnr. 1. Mehrtens, Das gesetzliche Veräußerungsverbot, 1974, S. 43. Mehrtens, Das gesetzliche Veräußerungsverbot, 1974, S. 7. Wappäus, Zur Lehre von den dem Rechtsverkehr entzogenen Sachen nach römischem und heutigem Recht: eine juristische Abhandlung, 1867, S. 36; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Wappäus, Zur Lehre von den dem Rechtsverkehr entzogenen Sachen nach römischem und heutigem Recht: eine juristische Abhandlung, 1867, S. 36; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Mehrtens, Das gesetzliche Veräußerungsverbot, 1974, S. 47. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13.
262
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
versteht, d.h. den Ausschluss der rechtsgeschäftlichen Übertragung eines Rechts. Da eine unveräußerliche Sache nicht übereignet werden kann und an einer extrakommerziellen Sache keine Rechte begründet werden können, stellt die Veräußerlichkeit insofern nur einen Aspekt oder Ausschnitt der Verkehrsfähigkeit dar, dementsprechend ist die Unveräußerlichkeit nur eine Teileinschränkung derselben. Neben dem rechtlichen Ausschluss der Übertragbarkeit einer Sache kann zwar streng genommen das Eigentum an unveräußerlichen Sachen nicht übertragen werden, Verpfändung oder Dereliktion sind dagegen grundsätzlich möglich. Allgemein sind jedoch aufgrund expliziter normativer Anordnung bzw. aus gewohnheitsrechtlicher und richterlicher Rechtsfortbildung dementsprechende Verfügungen ausgeschlossen.760 327
Hinsichtlich der notwendigen terminologischen Präzision ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in zahlreichen Rechtsordnungen nicht streng zwischen den Begriffen Unveräußerlichkeit und Extrakommerzialität unterschieden wird. Diese Begriffe werden häufig synonym gebraucht. Die Qualifikation einer Sache als unveräußerlich kann grundsätzlich jedoch nicht verhindern, dass das Eigentum wegen Ersitzung der Sache durch einen anderen verloren geht oder sie wegen Verjährung des Vindikationsanspruchs nicht mehr herausverlangt werden kann.761 In diesem Sinne wurde bei den in Art. 23 der ehemaligen Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 in Italien als unveräußerlich bezeichneten Kulturgütern 762 als selbstverständlich vorausgesetzt, dass diese auch nicht ersessen werden konnten.763 Der in der Folge erlassene Testo Unico dei Beni Culturali von 1999 und der nun geltende Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 haben diese Regelung aber inzwischen abgeschafft und sehen heute lediglich noch Verfügungsbeschränkungen vor. Diese Interpretation folgte aus Art. 1145 des italienischen Codice civile 764, wonach der Besitz von Gegenständen, an denen man kein Eigentum erwerben kann, keine Rechtswirkungen nach sich zieht.765
760
761 762
763
764
765
Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 35. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 93–95. Vgl. Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 87; Deangeli, Sull’opponibilità al terzo di buona fede della nullità dell’alienazione di bene artistico, Giur. it. 1994, S. 1241 ff., S. 1243. Art. 1145 Codice civile: Possesso di cose fuori commercio: (1) Il possesso delle cose di cui non si può acquistare la proprietà è senza effetto. (2) Tuttavia nei rapporti tra privati è concessa l’azione di spoglio rispetto ai beni appartenenti al pubblico demanio e ai beni delle province e dei comuni soggetti al regime proprio del demanio pubblico (822, 824). (3) Se trattasi di esercizio di facoltà, le quali possono formare oggetto di concessione da parte della pubblica amministrazione, e data altresì l’azione di manutenzione (1170). Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 35.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
263
Rechtstheoretisch ist somit bekanntermaßen nur dann von Extrakommerzialität kultureller Güter auszugehen, wenn auch der Faktor Zeit keine Auswirkungen auf die Rechtsposition des kulturellen Verwaltungsträgers zeitigt.
II.
Ausschluss der akquisitiven Ersitzung und extinktiven Verjährung abhandengekommener Kulturgüter
Neben der Unveräußerlichkeit einer Sache ist der gänzliche Ausschluss temporaler Limitationen des Restitutionsanspruchs abhandengekommener Kulturgüter Rechtsgrund für die Deklaration der Verkehrsunfähigkeit. Die Auswirkungen des Faktors Zeit können sich in variierenden temporalen Begrenzungen des Restitutionsanspruchs abhandengekommener Kulturgüter äußern. Dabei ist rechtsdogmatisch zwischen dem originären Eigentumserwerb aufgrund akquisitiver Ersitzung und der (teilweise extinktiven) Verjährung des Herausgabeanspruchs des kulturellen Verwaltungsträgers zu trennen. Diese rechtstheoretische Unterscheidung zwischen akquisitiver Ersitzung und extinktiver Verjährung wird jedoch keinesfalls in sämtlichen Rechtsordnungen nachgezeichnet, sodass als Oberbegriff die temporale Präklusion stellvertretend für die genannten Rechtswirkungen steht. In diesem Sinne wird bspw. der im französischen Recht instrumentalisierte Begriff „imprescriptible“ bzw. die im italienischen Recht verwandte Terminologie „imprescrittibile“ von Stoll für den deutschen Rechtskreis mit „unersitzbar“ übersetzt.766 Ausgeschlossen wird durch diese Qualifizierung der Sache innerhalb der französischen und italienischen Rechtsordnungen allerdings nicht nur die Möglichkeit der akquisitiven Ersitzung, sondern es ist auch die extinktive Verjährung des Vindikationsanspruchs präkludiert. Dies beruht darauf, dass zahlreiche Rechtsordnungen erst gar nicht von Grund auf zwischen akquisitiver Ersitzung und extinktiver Verjährung unterscheiden. So handelt es sich bspw. bei der Ersitzung im Common Law, der sog. adverse possession, um einen Eigentumserwerb durch Verjährung. Normativ zeigt sich dies bspw. auch in Art. 2219 des französischen Code civil, wonach „[l]a prescription est un moyen d’acquérir ou de se libérer par un certain laps de temps, et sous les conditions déterminées par la loi“, bzw. in Art. 1930 des spanischen Zivilgesetzbuches Código civil.767
328
Die Unverjährbarkeit einer Sache kann aber auch Einfluss darauf haben, ob diese überhaupt vom Nichtberechtigten erworben werden kann, weil in manchen Rechtsordnungen – wie bspw. in Art. 2279 des französischen Code civil 768 und
329
766 767
768
Stoll in Staudinger, Internationales Sachenrecht, 13. Bearbeitung 1996, Rdnr. 178. Art. 1930 Codigo civil: (1) Por la prescripción se adquieren, dela manera y con las condiciones determinadas en la ley, el dominio y demás derechos reales. (2) También se extinguen del propio modo por la prescripción los derechos y las acciones, de cualquier clase que sean. Art. 2279 Code civil: (1) En fait de meubles, la possession vaut titre. (2) Néanmoins, celui qui a perdu ou auquel il a été volé une chose peut la revendiquer pendant trois ans à compter du
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Art. 464 und 1955 des spanischen Código civil 769 – der gutgläubige Erwerb als eine Form der Ersitzung ausgeformt ist. Aus diesem Grund spricht Weidner in ihren Untersuchungen der Extrakommerzialität kultureller Güter regelmäßig allein von der „Unverjährbarkeit“ 770: Unverjährbarkeit bedeute, dass die Sache weder ersessen werden kann noch dass der dingliche Herausgabeanspruch verjährt.771 Allgemein ist jedoch stets präzise zwischen den unterschiedlichen Konsequenzen zu unterscheiden und bei jeder Rechtsvorschrift die konkreten Rechtsfolgen der gewohnheitsrechtlichen und normativen Anordnung variierender temporaler Präklusion zu untersuchen. 330
Neben der gänzlichen Exklusion derivativen (gutgläubigen) Erwerbs einer Sache (sog. Unveräußerbarkeit) ist der Ausschluss temporaler Präklusion Grund für die Verkehrsunfähigkeit. Die ‚Unverjährbarkeit‘ 772 bedeutet, dass die Auswirkungen des Faktors Zeit keinen rechtlichen Einfluss auf die Eigentumsverhältnisse an abhandengekommenen Kulturgütern nehmen. Solche Kulturgüter können weder dem Rechtsinstitut der akquisitiven Ersitzung noch der extinktiven Verjährung des Vindikationsanspruches unterfallen. Dabei stellt der Ausschluss jeglicher temporaler Präklusion ebenso wie der Ausschluss des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs abhandengekommener Kulturgüter eine der Sache unmittelbar anhaftende, „intrinsische“ 773 dingliche Eigenschaft dar, die unabhängig
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jour de la perte ou du vol, contre celui dans les mains duquel il la trouve ; sauf à celui-ci son recours contre celui duquel il la tient. Codigo Civil: Art. 464: (1) La posesión de los bienes muebles, adquirida de buena fe, equivale al título. Sin embargo, el que hubiese perdido una cosa mueble o hubiese sido privado de ella ilegalmente, podrá reivindicarla de quien la posea. (2) Si el poseedor de la cosa mueble perdida o sustraída la hubiese adquirido de buena fe en venta pública, no podrá el propietario obtener la restitución sin reembolsar el precio dado por ella. (3) Tampoco podrá el dueño de cosas empeñadas en los Montes de Piedad establecidos con autorización del Gobierno obtener la restitución, cualquiera que sea la persona que la hubiese empeñado, sin reintegrar antes al Establecimiento la cantidad del empeño y los intereses vencidos. (4) En cuanto a las adquiridas en Bolsa, feria o mercado, o de un comerciante legalmente establecido y dedicado habitualmente al tráfico de objetos análogos, se estará a lo que dispone el Código de Comercio. Art. 1955: (1) El dominio de los bienes muebles se prescribe por la posesión no interrumpida de tres años con buena fe. (2) También se prescribe el dominio de las cosas muebles por la posesión no interrumpida de seis años, sin necesidad de ninguna otra condición. (3) En cuanto al derecho del dueño para reivindicar la cosa mueble perdida o de que hubiese sido privado ilegalmente, así como respecto a las adquiridas en venta pública, en Bolsa, feria o mercado, o de comerciante legalmente establecido y dedicado habitualmente al tráfico de objetos análogos, se estará a lo dispuesto en el artículo 464 de este Código. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 36. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Kaufmann, Die Stellung des Privatrechtssubjekts zur res extra commercium des corpus juris civilis – Ein Beitrag zur Lehre der Extracommercialität, 1887, S. 6.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
265
davon besteht, in wessen Eigentum das Gut steht. Da es sich bei dem Eigentumserwerb durch Ersitzung und dem ‚faktischen Eigentumserwerb‘ durch Verjährung um einen originären und nicht um einen derivativen Eigentumserwerb handelt, erfolgt dieser ohne ein zugrunde liegendes Rechtsgeschäft. Die Unveräußerlichkeit, die nur zur Unfähigkeit eines Gegenstandes, durch Rechtsgeschäft übereignet zu werden, führt, kann folglich einen originären Eigentumserwerb nicht verhindern.774 Chatelain sieht somit den Ausschluss temporaler Präklusion als notwendige und logische Ergänzung des Ausschlusses des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs.775 Während die Unveräußerlichkeit beim derivativen Eigentumserwerb eingreift und die unerwünschte Folge des Eigentumswechsels verhindert, erreicht die Unverjährbarkeit dies hinsichtlich des originären Eigentumserwerbs.776
III. Praktische Applikation der Extrakommerzialität kultureller Güter Um die Bedeutung der Extrakommerzialität kultureller Güter besser handhabbar zu machen, soll anhand der französischen, mexikanischen und amerikanischen Rechtsordnung exemplarisch ein kursorischer Überblick über die praktischen Rechtsfolgen aufgezeigt werden.
1.
… am Beispiel der französischen Rechtsordnung
Da die zur französischen ‚domaine public‘ gehörenden und sich einerseits in Staatseigentum befindlichen und andererseits klassifizierten Kulturgüter nicht den Regeln des Privatrechts unterliegen, kann an diesen weder derivativ noch originär Eigentum erworben werden. Diese stehen außerhalb der französischen Zivilrechtsordnung und sind damit unveräußerlich 777 sowie unersitzbar 778. Es kann weder das Eigentum an ihnen derivativ durch Rechtsgeschäft übertragen werden, noch ist die Regel des Art. 2279 des französischen Code civil anwendbar und ein gutgläubiger Erwerb möglich, weil ein privatrechtlicher Besitz im Sinne
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Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 28 und S. 30. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 82–85; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 86–87; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
des Art. 2228 des französischen Code civil an ihnen unzweifelhaft nicht möglich ist.779 Auch hinsichtlich des originären Eigentumserwerbs aufgrund temporaler Präklusion der Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers finden sich den Ausnahmevorschriften des derivativen Erwerbs entsprechende Rechtsregeln. Aufgrund der Unverjährbarkeit unterfallen die zur französischen ‚domaine public‘ gehörenden und sich in Staatseigentum befindlichen klassifizierten Kulturgüter nicht dem Rechtsinstitut der Ersitzung, sodass der kulturelle Verwaltungsträger die genannten Güter bei Abhandenkommen zeitlich unbegrenzt beanspruchen kann. Das Verbot temporaler Präklusion der zur französischen ‚domaine public‘ gehörenden und sich in Staatseigentum befindlichen klassifizierten Kulturgüter komplementiert den Ausschluss des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs.780 Aus diesen Gründen findet hinsichtlich der genannten Kulturgüter eine Derogation statt, sowohl von der Rechtsregel des Art. 2279 Abs. 2 des französischen Code civil 781, die eine akquisitive Ersitzung abhandengekommener Kulturgüter während einer Frist von 3 Jahren bei Gutgläubigkeit des Erwerbers erlaubt, als auch der Vorschrift des Art. 2262 782, die eine akquisitive Ersitzung abhandengekommener Kulturgüter während einer Frist von 30 Jahren bei Bösgläubigkeit des Erwerbers bestimmt. Eine extinktive Verjährung des Herausgabeanspruchs des kulturellen Verwaltungsträgers abhandengekommener Kulturgüter ist in der französischen Rechtsordnung nicht bekannt, sodass die res extra commercium-Stellung der zur französischen ‚domaine public‘ gehörenden und sich in Staatseigentum befindlichen klassifizierten Kulturgüter neben dem Ausschluss des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs durch das Verbot des originären Eigentumserwerbs aufgrund akquisitiver Ersitzung bedingt wird. Die französischen Verwaltungsbehörden sind in ihrer Funktion als öffentlicher Sachherr und Eigentümer bei der Herausgabeklage gegen den Erwerber nicht an die genannten Verjährungsfristen gebunden, sondern können ihr Eigentum immer mit Erfolg vor Gericht durchsetzen.783 Da der französische Code civil auf als res extra commercium deklarierte Kulturgüter keine Anwendung findet, muss selbst ein gutgläubiger Besitzer das domaniale Kulturgut entschädigungslos herausgeben. 779
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Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 86–87; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 28 und S. 30. Art. 2279 Abs. 2 Code civil: Néanmoins, celui qui a perdu ou auquel il a été volé une chose peut la revendiquer pendant trois ans à compter du jour de la perte ou du vol, contre celui dans les mains duquel il la trouve ; sauf à celui-ci son recours contre celui duquel il la tient. Art. 2262 Code civil: Toutes les actions, tant réelles que personnelles, sont prescrites par trente ans, sans que celui qui allègue cette prescription soit obligé d’en rapporter un titre ou qu’on puisse lui opposer l’exception déduite de la mauvaise foi. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 86–87; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 47–54.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
2.
… am Beispiel der Rechtsordnung Mexikos
Auch in zahlreichen südamerikanischen Staaten 784 findet sich das Rechtsinstitut der Extrakommerzialität 785 und dementsprechend ein Verbot des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs abhandengekommener Kulturgüter in Kombination mit dem Ausschluss originären Eigentumserwerbs aufgrund akquisitiver Ersitzung und der extinktiven Verjährung des Herausgabeanspruchs des kulturellen Verwaltungsträgers.786 In Mexico 787 befinden sich bspw. sämtliche unbeweglichen archäologischen Monumente und sämtliche beweglichen Artefakte, die darin aufgefunden wurden, im Eigentum der mexikanischen Nation.788 Zusätzlich wird das Staatseigentum seit dem Jahre 1972 789 auch auf private Kunstsammlungen erstreckt.790 Die Extrakommerzialität archäologischer Kulturgüter ergibt
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Hughes, The Trend Toward Liberal Enforcement of Repatriation Claims in Cultural Property Disputes, The George Washington International Law Review, Volume 33 (2000), S. 131–153, S. 145–146. Vgl. bspw. das Peruvian Statute No. 24047 vom 3. Januar 1985. Hierzu: Villena, Bienes patrimonio cultural de la nación – Ley No. 24047, 74 Revista del Foro. Organo del Colegio de Abogados de Lima (1987), S. 119 ff., S. 119 ff. Auch innerhalb des costa-ricanischen Kulturtransferregulativs wird die res extra commercium-Stellung bestimmter Kulturgüter bestimmt: Law No. 6703 on the Protection of Cultural Heritage vom 19. Januar 1982. Vgl. ausführlich zu dem aktuellen nationalen Kulturtransferregulativ Costa Ricas Vargas, Costa Rica’s Legal Framework for the Sponsorship and Protetion of Its Cultural Heritage, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 452–454. Vgl. ausführlich zu dem nationalen Kulturtransferregulativ Mexikos, Blass, Legal Restrictions on American Access to Foreign Cultural Property, Fordham Law Review 46 (1978), S. 1177–1204, S. 1180; Colley, The Effect of Efforts to Control Illicit Art Traffic on Legitimate International Commerce in Art, Georgia Journal of International & Comparative Law 8 (1978), S. 462–481, S. 468–469; Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1109–1111; Delgadillo, Cultural Property Legislation in Mexico: Past, Present, and Future, in Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 114–118. Art. 52 des Law Concerning Cultural Patrimony vom 16. Dezember 1970, 303 Diario Oficial [D.O.] 12 [1970] (Mexico). Vgl. hierzu Blass, Legal Restrictions on American Access to Foreign Cultural Property, Fordham Law Review 46 (1978), S. 1177–1204, S. 1180. Art. 27 Law Concerning Archaeological, Artistic, and Historical Monuments and Zones vom 6. Mai 1972, 312 Diario Oficial [D.O.] 18 [1972] (Mexico): Articulo 27: Son propiedad de la Nación, inalienables e imprescriptibles, los monumentos arqueológicos muebles e inmuebles. Vgl. hierzu Blass, Legal Restrictions on American Access to Foreign Cultural Property, Fordham Law Review 46 (1978), S. 1177–1204, S. 1180. Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1109–1111: “The Mexican Law of 1972 divides protected objects into three categories: archeological monuments, artistic monuments, and historical monuments. The term archeological monuments means ‘movable and immovable objects, products of the cultures prior to the establishment of the Spanish culture in the National Territory, as well as human remains, and fauna, related to these cultures. …’ [Ley federal sobre monumentos y zonas arqueológicos, artísticos e históricos, May 6, 1972, art. 28, 312 D.O. 1,6 (Mex.)]. The notion of artistic monuments embraces ‘works of outstanding aesthetic value.’
333
268
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
sich innerhalb des mexikanischen Kulturtransferregulativs aus Art. 27 der Ley federal sobre monumentos y zonas arqueológicos, artísticos e históricos vom 6. Mai 1972, wonach eine Übertragung des Eigentums weder derivativ noch originär aufgrund Zeitablaufs erfolgen kann.791 334
Art. 27 Ley federal sobre monumentos y zonas arqueológicos, artísticos e históricos vom 6. Mai 1972: Son propiedad de la Nación, inalienables e imprescriptibles, los monumentos arqueológicos muebles e inmuebles.
335
Der mexikanische Gesetzgeber normierte in der genannten Rechtsvorschrift neben der öffentlich-rechtlichen Designation archäologischer Kulturgüter der mexikanischen Nation zu Staatseigentum, dass sämtliche „archaeological monuments, movables and immovables, are the inalienable and imprescriptible property of the Nation“ 792. Diese generelle und absolute Eigentumsdeklaration des mexikanischen Staates beinhaltet sämtliche archäologischen Objekte, unabhängig davon, in wessen Eigentum und Besitz sich diese befinden, sodass auch diejenigen in privaten Sammlungen individueller Einzelpersonen, die das „product of the cultures prior to the establishment of the Spanish culture in the National Territory“ 793 darstellen, dazuzuzählen sind.794
3. 336
… am Beispiel der amerikanischen Rechtsordnung
Zur Überraschung vieler findet sich auch innerhalb des amerikanischen Kulturgüterschutzsystems eine bestimmte Klasse kultureller Güter, die dem Rechtsinstitut der Extrakommerzialität unterfallen. Diese Überraschung beruht darauf, dass das amerikanische Kulturgüterschutzsystem 795 regelmäßig als Haupt-
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The law provides that ‘with the exception of Mexican murals, the works of living artists are not to be declared monuments.’ [Art. 33] To the category of historical monuments belong: ‘properties relating to the history of the nation from the time of the establishment of Spanish culture in the country if they are declared to have such character’ by the president or by the Ministry of Public Education. [Arts. 5, 32].”. Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1109–1111: “Mexican law gives a special status to archeological monuments, proclaims that they are the property of the nation, and provides that ownership may not be acquired either by sale or by prescription.”. Federal Law on Archaeological, Artistic and Historic Monuments and Zones vom 6. Mai 1972, 312 D.O. 16. United States v. McClain, 545 F. 2d 988 (5th Cir. 1977), S. 1000. Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1109–1111. Vgl. auch das folgende Schrifttum: Buranich, The Art Collecting Countries and Their Export Restrictions on Cultural Property: Who Owns Modern Art?, California Western International Law Journal 19 (1988), S. 153–172, S. 165; Colley, The Effect of Efforts to Control Illicit Art Traffic on Legitimate International Commerce in Art, Georgia Journal of International & Comparative Law 8 (1978), S. 462–481, S. 471–472; Cuno, Beyond Bamiyan: Will the World Be Ready Next Time?, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 41–46, S. 42; De Meo, More Effective Protection for Native American Cultural Property through Regulation of Export, American Indian Law Review 19 (1994),
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
beispiel eines freien und unreglementierten Kulturgüterverkehrs bezeichnet wird und die Vereinigten Staaten von Amerika weltweit den bedeutendsten Kulturimportstaat darstellen, dessen Prinzipien auf den Grundsätzen eines freien Kulturgüterverkehrs und der weitestgehenden Nichteinmischung seitens des Staates basieren.796 So wird bekanntermaßen allgemein proklamiert, dass innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung keine Restriktionen hinsichtlich eines freien internationalen Kulturgüteraustauschs bestehen und die Vereinigten Staaten von Amerika der wohl liberalste Staat hinsichtlich der eigenen Kontrolle kultureller Güter darstellt.797 Auch innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung findet sich jedoch das Rechtsinstitut der Extrakommerzialität hinsichtlich bestimmter Kulturgüter und dementsprechend ein Verbot des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs abhandengekommener Kulturobjekte in Kombination mit dem Ausschluss originären Eigentumserwerbs aufgrund akquisitiver Ersitzung und der (extinktiven) Verjährung des Herausgabeanspruchs des Kulturträgers. Der Native American Graves Protection and Repatriation Act (sog. NAGPRA) 798 vom 16. November 1990 799 bietet für bestimmt klassifizierte archäologische Kultur-
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S. 1–72, S. 2; DuBoff, Art Law in a Nutshell, 2. Aufl. 1993, S. 16; Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 251–259; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177; Karinshak, Relics of the Past: To Whom Do They Belong?; The Effect of an Archaeological Excavation on Property Rights, Emory Law Journal 46 (1997), S. 867–911, S. 867–911; Kenety, Who Owns the Past? The Need for Legal Reform and Reciprocity in the International Art Trade, Cornell International Law Journal, Volume 23 (1990), S. 1–46, S. 30–32; Merryman, American Law and the International Trade in Art, in: Lalive, International Sales of Works of Art – Volume I – Geneva Workshop 11–13 April 1985, 1988, S. 425 ff., S. 426; Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1111–1116; Olivier, The Unidroit Convention: Attempting to Regulate the International Trade and Traffic of Cultural Property, Golden Gate University Law Review 26 (1996), S. 627–665, Fn. 54, S. 635; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 163. Vgl. z.B. Merryman, Two Ways of Thinking about Cultural Property, The American Journal of Internatinal Law, Vol. 80 (1986), S. 831–853, S. 832; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 163–164; Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz – Eingriffsnormen und der internationale Kunsthandel, in: Pfister/Will, Festschrift für Werner Lorenz zum siebzigsten Geburtstag, 1992, S. 525–542, S. 530; Bator, An Essay on the International Trade in Art, Stanley Law Review 34 (1982), S. 275 ff., S. 314. Vgl. Cuno, Beyond Bamiyan: Will the World Be Ready Next Time?, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 41–46, S. 42. Ausführlich hierzu Gerstenblith, Protection of Cultural Heritage Found on Private Land: The Paradigm of the Miami Circle and Regulatory Takings Doctrine After Lucas, St. Thomas Law Review 13 (2000), S. 65–111, S. 77–79; De Meo, More Effective Protection for Native American Cultural Property through Regulation of Export, American Indian Law Review 19 (1994), S. 1–72, S. 44–52. Kodifiziert in 25 U.S.C. §§ 3001–3013 (Supp. II 1990); 18 U.S.C. § 1170 (Supp. II 1990).
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
güter Schutz, „by regulating ownership, disposition, trafficking, and most significantly, repatriation of Native American cultural property“ 800. ‚Native Americans‘ können mittels des NAGPRA einem Verlust ihres nationalen Kulturpatrimoniums erheblich entgegenwirken, indem sie sich nicht nur auf strafrechtliche Sanktionen bei der Entziehung berufen können, sondern vor allem anderen auch die Möglichkeit der zivilrechtlichen Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter instrumentalisieren können 801: 337
“In summary, the major provisions of NAGPRA define cultural property and ownership rights, inventory and summarize cultural property possessed by federal agencies or museums, call for repatriation of cultural property from federal agencies or museums, create a review committee to oversee inventory and repatriation procedures, establish civil penalties for museums who fail to comply with NAGPRA, authorize grants to implement NAGPRA, and provide criminal penalties for illegal trafficking in cultural property and human remains.” 802
338
Rechtsinstrumental erfolgt durch den Native American Graves Protection and Repatriation Act eine generelle Designation der geschützten Güter nicht zu Staatseigentum, sondern zu ‚native ownership‘ der sog. ‚Native Americans‘, sodass nicht der Staat, sondern individuelle Volksgruppen als Rechteinhaber des Native American Graves Protection and Repatriation Act (NAGPRA) vom 16. November 1990 angesehen werden. Sämtliche ‚human remains‘ und sonstigen geschützten kulturellen Artefakte, die seit Inkrafttreten des Native American Graves Protection and Repatriation Act (NAGPRA) am 16. November 1990 auf staatlichem Territorium oder ‚tribal lands‘ ausgegraben oder entdeckt werden, stehen im Eigentum der ‚Native Americans‘ und gehören damit entweder den unmittelbaren Nachfahren selbst, dem Volksstamm dieses Territoriums oder der Volksgruppe mit der engsten kulturellen Verbindung zu dem aufgefundenen Kulturgut. Neben einem strafrechtlichen Sanktionenprogramm zum Schutze der archäologischen Kulturgüter wird den Anspruchstellern ein unveräußerliches und unverjährbares privatrechtliches Eigentumsrecht zugewiesen, wenn die ‚Native Americans‘ darlegen und beweisen können, dass das in Rede stehende archäologische Gut gestohlen wurde. In diesem Fall verbleibt das Eigentum beim ursprünglichen Eigentümer, dem „original Native American owner“.803
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803
De Meo, More Effective Protection for Native American Cultural Property through Regulation of Export, American Indian Law Review 19 (1994), S. 1–72, S. 44. 25 U.S.C. § 3005. De Meo, More Effective Protection for Native American Cultural Property through Regulation of Export, American Indian Law Review 19 (1994), S. 1–72, S. 45. De Meo, More Effective Protection for Native American Cultural Property through Regulation of Export, American Indian Law Review 19 (1994), S. 1–72, S. 60–61: “However, even theft may be an insurmountable barrier. In such situations, Native Americans may alternatively be able to prove the object in question is inalienable property of the tribe or that the property was neither abandond nor transferred by them. In each of these situations, the tribe retains ownership rights.”.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
271
Insbesondere bestimmt der Native American Graves Protection and Repatriation Act (sog. NAGPRA) vom 16. November 1990 hinsichtlich sakraler und kultischer Utensilien der Ureinwohner Nordamerikas sowie solcher Gegenstände, die zum Kulturpatrimonium dieser sog. ‚Native Americans‘ zählen, dass die ‚Native Americans‘ auch bei einem Abhandenkommen der geschützten Kulturgüter nicht ihre Eigentumsposition verlieren, weil diese Gegenstände im gemeinsamen Eigentum des Volksstammes stehen. Unabhängig von der Art des Abhandenkommens – Veräußerung des ursprünglich im gemeinsamen Eigentum des Stammes stehenden Kulturguts durch ein Mitglied des Volksstammes selbst oder gewöhnlicher Diebstahl – bleibt die Eigentumsposition erhalten, da diese zum Volk zugehörende Eigentumsposition deutlich von sonstigen gewöhnlichen privatrechtlichen Eigentumspositionen zu unterscheiden ist. Die geschützten Kulturgüter stehen somit im gemeinsamen Eigentum des gesamten Stammes, und kein individuelles Mitglied des Volksstammes vermag über das Eigentum rechtsgeschäftlich zu verfügen, das Kulturgut zu veräußern oder auf andere Art und Weise rein tatsächlich zu verbringen. Unter dem Native American Graves Protection and Repatriation Act (sog. NAGPRA) vom 16. November 1990 sind geschützte sakrale und kultische Utensilien der Ureinwohner Nordamerikas sowie solche Gegenstände, die zum Kulturpatrimonium dieser sog. ‚Native Americans‘ zählen, solange unveräußerlich, bis der Volksstamm in seiner Gesamtheit den Transfer des Kulturguts bestimmt. Aus diesen Gründen können auch redliche Erwerber solchermaßen geschützter Kulturgüter keine rechtswirksame Eigentumsposition erlangen, sodass dem Volksstamm dauerhaft die Eigentumsposition verbleibt.
339
Somit besteht unter Geltung des Native American Graves Protection and Repatriation Act (sog. NAGPRA) vom 16. November 1990 zwecks Aufrechterhaltung der speziellen Schutzfunktion, solange keine gemeinschaftliche Veräußerung der ‚Native Americans‘ vorgenommen wird, neben dem Ausschluss eines derivativen Erwerbs auch nicht die Möglichkeit des originären Eigentumserwerbs aufgrund akquisitiver Ersitzung oder (extinktiver) Verjährung des Herausgabeanspruchs.
340
C. Keine Extrakommerzialität kultureller Güter innerhalb der deutschen Rechtsordnung Auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung wurde lange Zeit ohne Diskussion davon ausgegangen, dass bestimmte Kulturgüter im Eigentum des Staates außerhalb des Kulturgüterverkehrs stehen und dementsprechend nicht gutgläubig erworben und ersessen werden können bzw. deren Herausgabeansprüche nicht verjähren. Im Gegensatz zu bspw. der Rechtsordnung Frankreichs und der ausdrücklichen gesetzlichen Statuierung einer Extrakommerzialität kultureller Güter im weiteren Sinne mittels des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 bestehen innerhalb der deutschen Kulturgüterschutzvorschriften jedoch keine ausdrücklichen Regelungen hinsichtlich der Unveräußerlichkeit, Unersitzbarkeit und Unver-
341
272
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
jährbarkeit kultureller Wertgegenstände. Deshalb kam allein eine Extrakommerzialität im engeren Sinne in Frage, sodass kulturelle Güter als ‚öffentliche Sachen‘ qualifiziert werden und diese außerhalb des Rechtsverkehrs stehen müssten.
I. 342
Kulturgüter als ‚öffentliche Sachen‘
Ebenso wie innerhalb der französischen und italienischen Rechtsordnung ist auch in der deutschen Rechtsdogmatik eine öffentlich-rechtliche Designation kultureller Güter zu sog. ‚öffentlichen Sachen‘ bekannt. Als ‚öffentliche Sachen‘ werden in der deutschen Rechtsordnung diejenigen Gegenstände angesehen, die durch ihre Benutzung öffentlichen Zwecken dienen und für deren Behandlung öffentliches Recht maßgebend ist. In Ansehung des Nutzungszwecks können unterschiedliche Personenkreise zur Inanspruchnahme der öffentlichen Sache befugt sein, sodass aufgrund der Regelung des Nutzungsumfangs der Sache zwischen öffentlichen Sachen, die dem verwaltungsexternen Gebrauch Dritter dienen (sog. ‚öffentliche Sachen im Gemein-, Sonder- und Anstaltsgebrauch‘) und solchen, die zum verwaltungsinternen Gebrauch durch die Bediensteten des Trägers öffentlicher Verwaltung bestimmt sind (sog. ‚öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch‘), unterschieden wird.804 Die Nutzung der ‚öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch‘ 805 steht jedermann ohne besondere Zulassung offen (wie z.B. die öffentlichen Straßen und Gewässer) 806, wohingegen die ‚öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch‘ solche Gegenstände sind, die die Verwaltung unmittelbar zur Erledigung ihrer Aufgaben benötigt (bspw. die Verwaltungsgebäude samt Inventar, Büromaterial, Einsatzfahrzeuge oder Ausrüstungen) 807.
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Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 2 – Ein Studienbuch, 6. Aufl. 2002, § 75, Rdnr. 10, S. 682 m.w.N. Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht – Recht der öffentlichen Sachen, 13. Aufl. 2005, § 38, Rdnr. 3–18, S. 792–796. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts – Band 1: Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973, S. 390; Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht – Recht der öffentlichen Sachen, 13. Aufl. 2005, § 40, Rdnr. 11, S. 824. Salzwedel, Gedanken zur Fortentwicklung des Rechts der öffentlichen Sachen, DÖV 1963, S. 241–251, S. 242–243; Pappermann/Löhr/ Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 1987, S. 6 ff.; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts: Probleme und Grundlagen eines allgemeinen Teils des öffentlichen Sachenrechts, 1985, S. 43; Axer, Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen: zur Identität des Rechts der öffentlichen Sachen als Rechtsgebiet, 1994, S. 123; Krämer/Kodal, Straßenrecht: systematische Darstellung des Rechts der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze in der Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl. 1999, Kap. 5 Rdnr. 1. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts – Band 1: Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973, S. 376–377; Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht – Recht der öffentlichen Sachen, 13. Aufl. 2005, § 38, Rdnr. 48–49, S. 804. Thormann, Nochmals: Das Hamburger Stadtsiegel, NWVBl. 1992, S. 354–357, S. 355; Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 328; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 1987, S. 10.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
Im Gegensatz hierzu zählen zu den ‚öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch‘ solche Güter, die ein außerhalb der Verwaltung stehender Personenkreis nach einer – zuweilen auch stillschweigenden – Zulassung im Rahmen einer besonderen vertraglichen oder verwaltungsschuldrechtlichen Benutzungsordnung nutzen darf (wie bspw. Museen und kulturelle Institutionen in öffentlicher Trägerschaft).808 Zu den sog. res sacrae zählen grundsätzlich die dem kirchlichen Gebrauch dienenden Gegenstände. ‚Öffentliche Kulturgüter’: Widmung und öffentliche Indienststellung
Gegenstände, die durch ihre Benutzung öffentlichen Zwecken dienen und für deren Behandlung öffentliches Recht maßgeblich ist
‚Öffentliche Sachen’ im verwaltungsextern en Gebrauch
‚Öffentliche Sachen’ im verwaltungsinternen Gebrauch
‚Öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch’
dienen infolge ihres unmittelbaren Gebrauchs durch Amtsträger der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
Kunstgegenstände in Amtszimmer; historisches Stadtsiegel, das Authentizität von Urkunden bezeugt
‚Öffentliche Sachen im Gemeingebrauch’
Gegenstände, deren Nutzung jedermann ohne besondere Zulassung offen steht
gesetzliche Regelungen bspw. im Bereich des Straßenrechts
‚Öffentliche Sachen im Anstaltsgebrauch’
Kulturgüter in öffentlichen Einrichtungen, die dem Bürger nach besonderer Zulassung zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden
‚Öffentliche Sachen als res sacrae’
Dem kirchlichen Gebrauch korporierter Religionsgemeinschaften dienende Gegenstände als ‚öffentliche Sachen in Gemeingebrauch’ bei Zugang aller Mitglieder und als ‚öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch’, wenn sie unmittelbar der Erledigung der Aufgaben der Religionsgemeinschaft dienen
keine gesetzliche Regelung da Nutzung grds. ohne Zulassungsakt grds. irrelevant für Kulturgüter
Kulturgüter in Bibliotheken und Museen
res sacrae: für den Gottesdienst bestimmte Sachen
‚Öffentliche Sachen im Sondergebrauch’
zur Nutzung ist eine Sondernutzung i.S.e. besonderen Erlaubnispflicht typusprägend
da Nutzung grds. nur nach besonderer Erlaubnispflicht grds. irrelevant für Kulturgüter
res ecclesiasticae: sonstige Kirchengüter
Schema 7 – Begriff der ‚öffentlichen Kulturgüter‘ innerhalb der deutschen Rechtsordnung
808
Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts – Band 1: Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973, S. 376; Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht – Recht der öffentlichen Sachen, 13. Aufl. 2005, § 38, Rdnr. 27 ff., S. 798–802. Krämer/Kodal, Straßenrecht: systematische Darstellung des Rechts der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze in der Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl. 1999, Kap. 5 Rdn. 1; Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein
273
274
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
343
Die Indienststellung einer Sache für einen öffentlichen Zweck und die faktische Gemeinwohlfunktion derselben verleihen kulturellen Gütern noch nicht per se den Status einer ‚öffentlichen Sache‘.809 Erst durch das Rechtsinstitut der Widmung wird ein Gegenstand zu einer ‚öffentlichen Sache‘ im Rechtssinne. Durch die konstitutive Widmung wird die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft begründet, der öffentliche Zweck, dem die Sache dienen soll, bestimmt und der Umfang ihrer möglichen öffentlichen Nutzung geregelt.810 Fraglich ist jedoch, welche Rechtswirkungen die Widmung kultureller Güter zu sog. ‚öffentlichen Sachen‘ zur Folge hat.
344
Nur dann, wenn ‚öffentliche Kulturgüter‘ außerhalb des Rechtsverkehrs stehen, kann von der Extrakommerzialität gesprochen werden. Es ist also fraglich, ob nach einer unrechtmäßigen Entziehung ‚öffentlicher Kulturgüter‘ gutgläubige Erwerber Eigentum auch vom Nichtberechtigten im Wege der öffentlichen Versteigerung oder der originären Ersitzung nach zehnjährigem gutgläubigen Eigenbesitz erlangen können und ob Restitutionsansprüche der 30-jährigen Verjährung unterfallen. Besonderheit der deutschen Rechtsordnung war bis zu den zivil- und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen innerhalb des Hamburger Stadtsiegel-Falls, dass bislang – soweit ersichtlich – keine judikative Beurteilung der personellen Disparität zwischen individuellem Eigentümer einerseits und öffentlich-rechtlichem Sachherrn und Kulturverwaltungsträger andererseits bei Abhandenkommen eines ‚öffentlichen Kulturguts‘ vorgenommen worden war. Das Problem, ob ‚öffentliche Kulturgüter‘ außerhalb des Rechtsverkehrs stehen, hat somit grundsätzliche Rechtsfragen des öffentlichen Sachenrechts aufgeworfen, die die „Nahtstelle zwischen öffentlichem und privatem Recht“ betreffen.811
345
Ob Kulturgüter ohne spezialgesetzliche Deklaration als res extra commercium allein aufgrund Gewohnheitsrechts vergleichbare Rechtswirkungen nach einer Widmung als ‚öffentliches Kulturgut‘ zu erfahren haben, stand vor insgesamt sieben Zivil- und Verwaltungsgerichten innerhalb des sog. Hamburger Stadtsiegel-Falles zur Debatte. Im Zivilrechtsweg 812 wurde vor dem 9. Zivilsenat des
809 810
811
812
Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 328; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 1987, S. 6; Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff., S. 153. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 3. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 2 – Ein Studienbuch, 6. Aufl. 2002, § 76, Rdnr. 1, S. 687. So das Vorbringen der klagenden Stadt Hamburg vor dem Bundesverwaltungsgericht, 7. Senat, Beschluss vom 12. August 1993, Az: 7 B 86/93, Fundstellen: NJW 1994, 144–145 (red. Leitsatz und Gründe), NVwZ 1994, 265 (red. Leitsatz) Diese Entscheidung wird zitiert von: VG Berlin 19. April 1995 1 A 145.92. Der Zivilrechtsweg der Sachverhaltskonstellation des Hamburger Stadtsiegels: BGH, 9. Zivilsenat, Urteil vom 5. Oktober 1989, Az: IX ZR 265/88 [Verfahrensgang: vorgehend OLG Köln 2. November 1988 2 U 52/88; vorgehend LG Köln 25. Februar 1988 8 O 473/87]; Fundstellen: WM 1989, 1902–1904; DB 1989, 2605; NJW 1990, 899–901; MDR 1990, 238; JA 1990, 128; RWP 1989/1187 SG 30.3, 247; JuS 1990, 411.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) im Urteil vom 5. Oktober 1989 darüber debattiert, ob bei einer freiwilligen, für jedermann zugänglichen und öffentlich bekannt gemachten Versteigerung durch einen hierzu öffentlich bestellten Auktionator der gutgläubige Ersteigerer Eigentum an einem abhandengekommenen Kulturgut erwerben kann, das als ‚öffentliche Sache‘ im Verwaltungsgebrauch oder im Anstaltsgebrauch steht.813 Zentrale Frage war hier, ob das Siegeltypar aufgrund der Qualifizierung als ‚öffentliche Sache‘ als res extra commercium galt. Innerhalb des Verwaltungsrechtswegs 814 wurde das Rechtsverhältnis zwischen privatem Eigentümer gewidmeter ‚öffentlicher Kulturgüter‘ und personenverschiedenem öffentlich-rechtlichen Sachherrn inhaltlich näher bestimmt. Zentrale Fragestellung war hier die Anerkennung eines öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs des kulturellen Verwaltungsträgers aufgrund der Qualifizierung als ‚öffentliche Sache‘, die ein Kulturgut als verkehrsunfähig bestimmt. In beiden Konstellationen musste somit festgestellt werden, ob die Widmung des 813
814
Vgl. hierzu das Schrifttum: Kemper, BGB-Sachenrecht – Gutgläubiger Erwerb abhandengekommener Sachen in einer öffentlichen Versteigerung (Entscheidungsbesprechung BGH, 1989-10-05, IX ZR 265/88), JA 1990, S. 128; Schmidt, Rechtsprechungsübersicht – Gutgläubiger Erwerb bei öffentlicher Versteigerung (Entscheidungsbesprechung BGH, 1989-10-05, IX ZR 265/88, NJW 1990, 899), JuS 1990, S. 411–412; Wolf, Gutgläubiger Erwerb einer möglicherweise öffentlich-rechtlich gewidmeten Sache in einer öffentlichen Versteigerung, Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht (WuB) IV A § 383 BGB 1.90; Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 328–329; Fechner, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1993, S. 704; Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall – VG Köln, NJW 1991, 2584, JuS 1992, S. 745–748, S. 748; Thormann, Nochmals: Das Hamburger Stadtsiegel, NWVBl. 1992, S. 354–357, S. 356; Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBl. 1992, S. 11–13, S. 13; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 158–159; Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 141–142; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 77–79 und 258–263; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 25–28; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 65–67; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 67–68; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 50–53. Der Verwaltungsrechtsweg der Sachverhaltskonstellation des Hamburger Stadtsiegels: Verwaltungsgericht (VG) Köln 8. Kammer, Urteil vom 20. März 1991, Az: 8 K 4501/89, Fundstellen: NJW 1991, 2584–2586 (red. Leitsatz und Gründe); NWVBl. 1991, 425–428 (Leitsatz und Gründe), NVwZ 1991, 1114 (red. Leitsatz), JuS 1992, 745–748; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Senat, Urteil vom 25. Februar 1993, Az: 20 A 1289/91, Fundstellen: NWVBl. 1993, 348–351 (Leitsatz und Gründe), NJW 1993, 2635–2637 (Leitsatz und Gründe), DÖV 1993, 869–871 (Leitsatz und Gründe), VR 1993, 429–430 (Leitsatz und Gründe), NVwZ 1993, 1115 (Leitsatz); Bundesverwaltungsgericht, 7. Senat, Beschluss vom 12. August 1993, Az: 7 B 86/93, Fundstellen: NJW 1994, 144–145 (red. Leitsatz und Gründe), NVwZ 1994, 265 (red. Leitsatz) Diese Entscheidung wird zitiert von: VG Berlin 19. April 1995 1 A 145.92.
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276
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Siegeltypars zu einer ‚öffentlichen Sache‘ dazu führte, dass das Kulturgut außerhalb des Rechtsverkehrs stand. 346
Die Klägerin des Herausgabeanspruchs ist die Stadt Hamburg, die von der beklagten Antiquitätenhändlerin die Herausgabe eines Handstempels zum Siegeln von Urkunden (Siegeltypar) begehrte (s. Abb. 5). Die Beklagte erwarb am 26. April 1986 auf einer Auktion des Kunsthauses Schloß A. für 2.107,80 DM das genannte Stadtsiegel. Die beklagte Antiquitätenhändlerin bot das Siegeltypar auf einer Kunstmesse in Köln im Jahre 1987 für 6.800 DM an. Darauf bat die klagende Stadt Hamburg um nähere Aufschlüsse über diesen Gegenstand, woraufhin ihr am 22. Juni 1987 verschiedene Fotos von dem Siegeltypar zugesandt wurden und die Antiquitätenhändlerin der Stadt Hamburg ein Kaufangebot unterbreitete. Diese stellte daraufhin fest, dass es sich um das Original des sog. IV. Hamburgischen Stadtsiegels handelte, das nachweisbar bereits im Jahre 1306 zum Siegeln einer Urkunde verwendet worden und bis 1810 in Gebrauch war, danach zusammen mit einer Aufbewahrungstasche aus dem 18. Jahrhundert archiviert und nicht mehr verwendet wurde. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde das Typar während des zweiten Weltkriegs oder unmittelbar danach aus dem Hamburger Archiv entwendet.
II. 347
Keine Extrakommerzialität des Hamburger Stadtsiegels im Zivilrechtsweg
Die Stadt Hamburg begehrte vor den Zivilgerichten die Herausgabe des Siegeltypars aus § 985 BGB und berief sich dabei auf ihr fortbestehendes Eigentumsrecht an dem ‚öffentlichen Kulturgut‘ aufgrund dessen Verkehrsunfähigkeit. Die besonders schwierige Fragestellung für den Zivilrichter lag hier darin, dass die Stadt Hamburg sich darauf berief, dass aufgrund der Designation des Siegeltypars als ‚öffentliche Sache im Verwaltungsgebrauch‘ die Antiquitätenhändlerin wegen der Extrakommerzialität solcher ‚öffentlicher Sachen‘ auch nicht im Wege der öffentlichen Versteigerung durch einen hierzu öffentlich bestellten Auktionator gutgläubig Eigentum an dem abhandengekommenen Kulturgut erwerben könne. Die spezielle Verkehrsunfähigkeit beruhe dabei, entsprechend den Ausführungen der herrschenden Rechtsdogmatik zum Zeitpunkt der Entscheidung des Hamburger Stadtsiegel-Falles im Jahre 1989, auf der Widmung eines Gutes zu einer ‚öffentlichen Sache‘, die bekannterweise eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft begründe, die als beschränkt dingliches Recht auf dem Eigentum laste, auf den Rechtsnachfolger im Eigentum übergehe und insbesondere einen gutgläubigen, lastenfreien Erwerb nach § 936 BGB oder eine lastenfreie Ersitzung nach § 947 BGB ausschließe.815
815
Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 10.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
Früher war die sog. Lehre vom ‚öffentlichen Eigentum‘ herrschende Meinung, die Anfang des letzten Jahrhunderts vornehmlich durch Otto Mayer in Anlehnung an die rechtliche Ausgestaltung des französischen ‚domaine public‘ geprägt wurde.816 Danach besteht im Falle des Zusammentreffens von öffentlicher Sachherrschaft und Eigentum in der Hand eines Verwaltungsträgers eine ausschließlich öffentlich-rechtliche Herrschaft über die Sache, sodass die Regeln des deutschen Zivilgesetzbuches keine Anwendung zu finden hätten. Heute herrschend ist jedoch die sog. Lehre vom modifizierten Privateigentum, wonach der Widmung bestimmter Güter zu sog. ‚öffentlichen Sachen‘ eine dualistische Rechtskonstruktion zugrunde liegt.817 Trotz eines unzweifelhaft öffentlich-rechtlichen Sachstatus besteht an den ‚öffentlichen Sachen‘ zugleich ein zivilrechtliches Eigentum im Sinne des § 903 BGB, unabhängig davon, ob der öffentliche Sachherr selbst Eigentümer ist oder nicht.818 Soweit die durch die Widmung bestimmte Zweckbindung der öffentlichen Sache reicht, werden jedoch die Rechte des Eigen816
817
818
Vgl. hierzu die kulturgüterunspezifische Literatur: Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Aufl.: S. 60–110, (2. Aufl.: S. 71–135 und 3. Aufl.: 39–72; Mayer, Der gegenwärtige Stand der Frage des öffentlichen Eigentums, AöR 21 (1907), S. 499–522, insbesondere S. 502; Ruck, Das Eigentum im Schweizerischen Verwaltungsrecht, in: Festgabe der Juristischen Fakultät der Universität Basel zum achtzigsten Geburtstag von Paul Speiser, 16. Oktober 1926, 1926, S. 16–38, S. 21; Peters, Die Ersitzbarkeit von Gegenständen öffentlich-rechtlichen Eigentums in besonderer Beziehung auf Stücke aus Archiven des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften in Preußen, in VerwArch 24 (1916), S. 167–183, S. 170; Schelcher, Zur Lehre vom öffentlichen Eigentum, in: Fischers Zeitschrift 48 (1918), S. 345–397, S. 348 und 351; Stern, Die öffentliche Sache, in: VVDStRL 21 (1964), S. 183–228, S. 203. Zum Begriff des öffentlichen Eigentums vgl. auch Friederichs, Bürgerliches und öffentliches Sachenrecht, in: AöR N.F. 7 (1921), S. 257–348, S. 307–316; Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft und öffentliche Sachverwaltung. Eine Untersuchung des deutschen Rechts der öffentlichen Sachen verglichen mit dem französischen Recht des domaine public, 1966, S. 90–92. Aus der aktuellen kulturgüterrechtlichen Literatur vgl. auch m.w.N. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 355–365; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 47. Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht – Recht der öffentlichen Sachen, 13. Aufl. 2005, § 37, S. 782–791; Axer, Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen: zur Identität des Rechts der öffentlichen Sachen als Rechtsgebiet, 1994, S. 48– 49 und S. 98 ff.; Grupp in Marschall/Schröter/Kastner, Bundesfernstrassengesetz, 4. Aufl. 1977, § 2 Rdnr. 20 ff.; Krämer/Kodal, Straßenrecht: systematische Darstellung des Rechts der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze in der Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl. 1999, Kap. 5 Rdnr. 21 ff.; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 1987, S. 16 ff; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts: Probleme und Grundlagen eines allgemeinen Teils des öffentlichen Sachenrechts, 1985, S. 47 f.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts – Band 1: Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973, S. 379 ff.; Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff., S. 154; Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall – VG Köln, NJW 1991, 2584, JuS 1992, S. 745–748, S. 746; Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBl. 1992, S. 11–13, S. 12; Thormann, Nochmals: Das Hamburger Stadtsiegel, NWVBl. 1992, S. 354– 357, S. 356; Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 328. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 355–365.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
tümers durch die Herrschaft des öffentlichen Sachherrn im Sinne einer sog. ‚öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit‘ überlagert. Die Widmung eines Gutes zu einer ‚öffentlichen Sache‘ begründet somit eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft, die als beschränkt dingliches Recht, als sog. Dienstbarkeit des öffentlichen Rechts, auf dem Eigentum lastet, auf den Rechtsnachfolger im Eigentum übergeht und insbesondere einen gutgläubigen, lastenfreien Erwerb (§ 936 BGB) oder eine lastenfreie Ersitzung (§ 947 BGB) ausschließt.819 Die dualistische Konstruktion der sog. Theorie vom modifizierten Privateigentum wirke sich somit im konkreten Fall darin aus, dass das Stadtsiegel als öffentliche Sache zwar weiterhin der allgemeinen Privatrechtsordnung des BGB unterläge, sodass grundsätzlich auch privates Eigentum individueller Einzelpersonen erworben werden könne, dieses Eigentum jedoch durch die öffentlich-rechtliche Zweckbindung überlagert sei, die die öffentliche Sache widmungsgemäß erfahren habe.820 Diese dingliche Rechtsposition an dem Hamburger Stadtsiegel könne auch nicht aufgrund rechtsgeschäftlicher Verfügung beeinträchtigt werden, sodass neben dem Ausschluss eines derivativen Erwerbs auch nicht die Möglichkeit des originären Eigentumserwerbs aufgrund akquisitiver Ersitzung oder extinktiver Verjährung des Herausgabeanspruchs des kulturellen Verwaltungsträgers, der Stadt Hamburg, bestünde. 349
Das Oberlandesgericht Köln (OLG) lehnte jedoch einen vindikatorischen Eigentumsherausgabeanspruch ab 821 und vertrat die Auffassung, die beklagte Anti819 820
821
Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 10. Wolff/Bachoff/Stober, Verwaltungsrecht – Band 2, 6. Aufl. 2002, § 77 I 1, Rdnr. 4, S. 698–699; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 10; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 49; Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall – VG Köln, NJW 1991, 2584, JuS 1992, S. 745–748, S. 745–747. Die Revision der Stadt Hamburg wendete sich auch gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Köln und meinte, dass eine Teilverweisung wegen eines einzelnen Klagegrundes, für den der gewählte Rechtsweg nicht gelte, unzulässig sei. Hintergrund der Verweisung war, dass die Stadt Hamburg auch einen öffentlich-rechtlichen Restitutionsanspruch geltend machte, der keiner dinglichen Analogie, sondern vielmehr unmittelbar aus der Designation als ‚öffentliche Sache‘ zu entnehmen sei. Das Berufungsgericht, das über alle möglichen bürgerlich-rechtlichen Ansprüche der Klägerin und die Verfahrenskosten entschieden hat, hielt eine Teilverweisung wegen eines im öffentlichen Recht liegenden Klagegrundes für praktischer und interessengerechter als eine Sachentscheidung über die hier allein zu klärenden bürgerlich-rechtlichen Ansprüche. Der Bundesgerichtshof hat diesbezüglich in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, „dass dann, wenn nur für einen von mehreren Klagegründen der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten gegeben ist, für eine Verweisung an eine andere Gerichtsbarkeit kein Raum bleibt (BGHZ 5, 105, 107; 13, 145, 153; BGH Urt. v. 8. Dezember 1970 – VI ZR 174/68, NJW 1971, 564; v. 31. Januar 1984 – RiZ (R) 3/83, NJW 1984, 2531, 2533). Von diesem Grundsatz sind auch für ihren Bereich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 18, 181, 182; 22, 45, 46) und das Bundesarbeitsgericht (BAGE 6, 300, 306) ausgegangen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der dagegen erhobenen Kritik (vgl. Kissel GVG § 13 Rdnr. 81 f.; Stein MDR 1972, 733, 735) fest. Auf die Revision der Beklagten wird deshalb die Verweisung des Rechtsstreits an
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
279
quitätenhändlerin habe gutgläubig lastenfreies Eigentum an dem Siegel aufgrund der Versteigerung erworben. Das Siegeltypar stelle keine res extra commercium dar, die nicht rechtsverkehrsfähig sei. Es handele sich vielmehr um eine ‚öffentliche Sache im Verwaltungsgebrauch‘, an der ohne rechtlichen Zweifel bürgerlich-rechtliches Eigentum begründet werden könne. Die Beklagte habe bei einer öffentlichen Versteigerung von einem öffentlich bestellten und vereidigten Auktionator für Kunst und Antiquitäten das Siegeltypar gutgläubig erworben. Damit habe sie das Eigentum nach §§ 932, 929, 935 Abs. 2 BGB erlangt. Auch die sogenannte freiwillige Versteigerung werde von §§ 935 Abs. 2, 383 Abs. 3 BGB erfasst. Ebenso gäbe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte grob fahrlässig das von ihr bei der Versteigerung erworbene Stück als wertvolles Original des aus dem 14. Jahrhundert stammenden Stadtsiegels erkannt habe. Im Gegenteil zeige das Verhalten der Beklagten nach ihrem Erwerb, dass sie sich über die Bedeutung und den Wert des Stückes nicht im Klaren gewesen sei. Hinsichtlich einer möglicherweise bestehenden öffentlich-rechtlichen dinglichen Last aufgrund der Widmung als ‚öffentliche Sache‘ führte das Gericht aus, dass selbst in dem Fall, dass aus der ursprünglich öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung des Siegeltypars ein Veräußerungsverbot hergeleitet werden könne, der gutgläubige Rechtserwerb der Beklagten einem solchen ohne rechtliche Zweifel nach § 135 Abs. 2 BGB vorginge.822 Der Bundesgerichtshof folgte den rechtlichen Ausführungen des Oberlandesgericht Köln (OLG) in Gänze: „Eine körperliche Sache, die durch Widmung für einen öffentlichen Zweck, hier Kenntlichmachung von amtlichen Urkunden durch Siegel, zur öffentlichen Sache geworden ist, wird damit nicht zur „res extra commercium“. Sie bleibt vielmehr Objekt des Privateigentums und tritt nicht aus der Geltung des Bürgerlichen Rechts heraus. Der von der Klägerin vertretenen Auffassung, an dem Siegeltypar, das seit 179 Jahren nicht mehr in Gebrauch ist, könne auf ewige Zeiten bürgerlich-rechtliches Eigentum nicht erworben werden, ist nicht zu folgen.“ 823
350
Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass ein zivilrechtlicher Herausgabeanspruch aus § 985 BGB in sämtlichen zivilrechtlichen Instanzen unter Hinweis auf den
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822
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das Verwaltungsgericht Köln aufgehoben.“ Sog. Hamburger Stadtsiegel-Fall: BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 5. Oktober 1989, Az: IX ZR 265/88 [Verfahrensgang: vorgehend OLG Köln 2. November 1988 2 U 52/88; vorgehend LG Köln 25. Februar 1988 8 O 473/87]; Fundstellen: WM 1989, 1902–1904; DB 1989, 2605; NJW 1990, 899–901; MDR 1990, 238; JA 1990, 128; RWP 1989/1187 SG 30.3, 247; JuS 1990, 411. Zitiert in der Revisionsentscheidung des BGH in dem sog. Hamburger Stadtsiegel-Fall: BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 5. Oktober 1989, Az: IX ZR 265/88 [Verfahrensgang: vorgehend OLG Köln 2. November 1988 2 U 52/88; vorgehend LG Köln 25. Februar 1988 8 O 473/87]; Fundstellen: WM 1989, 1902–1904; DB 1989, 2605; NJW 1990, 899–901; MDR 1990, 238; JA 1990, 128; RWP 1989/1187 SG 30.3, 247; JuS 1990, 411. Sog. Hamburger Stadtsiegel-Fall: BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 5. Oktober 1989, Az: IX ZR 265/88 [Verfahrensgang: vorgehend OLG Köln 2. November 1988 2 U 52/88; vorgehend LG Köln 25. Februar 1988 8 O 473/87]; Fundstellen: WM 1989, 1902–1904; DB 1989, 2605; NJW 1990, 899–901; MDR 1990, 238; JA 1990, 128; RWP 1989/1187 SG 30.3, 247; JuS 1990, 411.
280
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
gutgläubigen Eigentumserwerb der Beklagten im Wege öffentlicher Versteigerung gemäß §§ 935 Abs. 2, 383 Abs. 3 BGB abgewiesen wurde. Dem Eigentumserwerb der Beklagten stand nach Ansicht der Zivilrichter auch die aufgrund der Widmung zur ‚öffentlichen Sache‘ designierte öffentlich-rechtliche Zweckbindung des Stadtsiegels entsprechend der Theorie des modifizierten Privateigentums nicht entgegen. Während in anderen Rechtsordnungen, wie bspw. etwa in Frankreich mittels der Deklaration kultureller Güter als Bestandteil des ‚domaine public‘ 824, öffentliche Sachen dem Zivilrechtsverkehr vollständig entzogen sind, werden Kulturgüter nach deutscher Rechtsansicht seit der Entscheidung des Hamburger Stadtsiegel-Falles innerhalb der Zivilrechtsordnung nun ohne Zweifel nicht mehr als res extra commercium angesehen.825 Der Bundesgerichtshof betonte in seiner Entscheidung vielmehr ausdrücklich, dass das Stadtsiegel keine res extra commercium darstelle,826 sondern lediglich als eine ‚öffentliche Sache im Verwaltungsgebrauch‘ zu charakterisieren sei, an der die Begründung bürgerlich-rechtlichen Eigentums nicht ausgeschlossen sei.827
III. Keine Extrakommerzialität kultureller Güter im Verwaltungsrechtsweg 352
Nachdem die Stadt Hamburg die zivilrechtliche Eigentumsherausgabeklage vor dem Zivilgericht verloren hatte, versuchte sie auf dem Verwaltungsrechtsweg die Restitution des Stadtsiegels zu erreichen.828 Zentrale Fragestellung war hier 824
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Allgemein zu dem aktuellen Kulturtransferregulativ Frankreichs Gourdon, Excerpt from the Memoire „Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Œuvres d’Art“, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198 m.w.N. Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 62–64. Vgl. auch Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts – Band 1: Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973, S. 379 m.w.N. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 77. Speziell hinsichtlich des Verwaltungsrechtswegs BVerwG NJW 1994, 144; OVG Münster NJW 1993, 2635; VG Köln NJW 1991, 2584. Vgl. das Schrifttum: Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBl. 1992, S. 11–13; Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 327; Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff., S. 153 ff.; Germann, Die „gesetzlose“ Widmung von Sachen für öffentliche Zwecke, AöR 128 (2003), S. 458–482, S. 458 ff.; Häde, Das Recht der öffentlichen Sachen, JuS 1993, S. 113–116, S. 113; Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall – VG Köln, NJW 1991, 2584, JuS 1992, S. 745–748, S. 745; Thormann, Nochmals: Das Hamburger Stadtsiegel, NWVBl. 1992, S. 354–357, S. 354; Buchheister, Das Recht der öffentlichen Sachen (zu Häde, JuS 1993, 113 ff.), JuS 1994, S. 175–176, S. 175–176; Wernecke, Die öffentliche Sache im Widerstreit privater und allgemeiner Belange – verdeutlicht am Beispiel des Hamburger Stadtsiegels, Archiv für die civilistische Praxis (AcP), 195. Band (1995), S. 445–467, S. 445. Vgl. auch Grupp/Stelkens, Saarheimer Fälle zum öffentlichen Recht, in Fall: Sammlerstücke, Quelle: http://www.saarheim.de/Faelle/sammlerstueck-fall.htm.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
281
neben der Extrakommerzialität ‚öffentlicher Kulturgüter‘ vor allem auch die Anerkennung und Reichweite eines öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs des kulturellen Verwaltungsträgers aufgrund der Qualifizierung als ‚öffentliche Sache‘. Die Stadt Hamburg machte geltend, dass ihr aufgrund der Widmung des Siegels zur öffentlichen Sache und der damit verbundenen öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft ein gewohnheitsrechtlich anerkannter Anspruch auf Herausgabe zustehe.829 Der Schutz der ‚öffentlichen Sache‘ beruhe danach auf der Überlegung, dass innerhalb der deutschen Rechtsordnung aufgrund eines speziellen Gewohnheitsrechtssatzes eine Verfügung über das ‚öffentliche Kulturgut‘ nur noch im Einklang mit seiner Zweckbestimmung möglich sei. Darüber hinaus könne der öffentlich-rechtliche Rechtsträger einen Anspruch auf Rückgabe des ‚öffentlichen Kulturguts‘ 830 zur Erfüllung des vorgesehenen öffentlichen Zwecks 831 geltend machen.832 Nach der traditionellen Lehre des öffentlichen Sachenrechts 833 vermag jede juristische Person des öffentlichen Rechts die ihr gehörenden Sachen, welche unmittelbar den Zwecken der Verwaltung dienen, durch Widmung einer öffentlichrechtlichen Sachherrschaft zu unterstellen, mit der Folge, dass sie ohne vorherige Aufhebung der Widmung nicht ihrer öffentlichen Zweckbestimmung entzogen werden können, sodass die widmende Behörde jederzeit gegen den Eigentümer oder Besitzer oder sonstige dinglich an der Sache Berechtigte einen öffentlich829
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Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBl. 1992, S. 11–13, S. 11. Knopp, Museumspolitik als Kulturgüterschutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 2. Hinsichtlich des Schutzes kultureller Güter in der Museumspolitik und -praxis, vgl. Knopp, Museumspolitik als Kulturgüterschutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 3–10, der auf S. 3 Museen als ‚Anstalten zum Schutz von Kulturgütern‘ bezeichnet. Vgl. Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 90. VG Köln NJW 1991, 2584, 2586; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts – Band 1: Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973, S. 379 ff.; Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff., S. 153; Häde, Das Recht der öffentlichen Sachen, JuS 1993, S. 113–116, S. 115; Pappermann/Löhr, Grundfälle zum öffentlichen Sachenrecht (Fortsetzung aus JuS 1980, 35), JuS 1980, S. 191–198, S. 197. Allgemein hinsichtlich öffentlicher Sachen: Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht – Recht der öffentlichen Sachen, 13. Aufl. 2005, § 38, S. 792 ff., § 39, S. 810, § 37, S. 789–792; Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff., S. 158. Speziell hinsichtlich kultureller Güter im Verwaltungsgebrauch: Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 1987, § 3; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts: Probleme und Grundlagen eines allgemeinen Teils des öffentlichen Sachenrechts, 1985, S. 48, Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff., S. 157; Fechner, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1993, S. 704; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 109.
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282
2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
rechtlichen Anspruch auf Zuführung der Sache zu ihrem Widmungszweck geltend machen kann. Diesem Ansatz der herrschenden Lehre folgte auch das Verwaltungsgericht Köln und führte aus, dass das Eigentum, das die Beklagte erworben habe, durch die öffentlich-rechtliche Zweckbindung, die der Siegelstempel widmungsgemäß erfahren habe, überlagert werde. Da das Auseinanderfallen von Eigentum und öffentlich-rechtlicher Sachherrschaft am Siegelstempel seiner widmungsgemäßen Zweckbindung, der Aufbewahrung im Archiv, entgegenstehe, könne die Stadt Hamburg das Siegeltypar herausverlangen.834 In Abweichung von der herrschenden Meinung in der Literatur ergebe sich der Herausgabeanspruch jedoch nicht aus einer Analogie zu der privatrechtlichen Dienstbarkeit entsprechend §§ 1027, 1065, 1090 Abs. 2 i.V.m. § 985 BGB als öffentlichrechtliches Servitut, sondern – entsprechend der Mindermeinung in der Rechtslehre – aus einer Annexkompetenz zu der dem öffentlichen Sachherrn verliehenen Befugnis, das ‚öffentliche Kulturgut‘ widmungsgemäß zu verwenden.835 In den beiden Leitsätzen der Entscheidung heißt es wie folgt:836 354
„1. Das Rechtsinstitut des sog. modifizierten Privateigentums ist dadurch gekennzeichnet, daß auch öffentliche Sachen weiterhin der Privatrechtsordnung unterliegen, so daß an ihnen auch privates Eigentum erworben werden kann. Dieses Eigentum wird jedoch überlagert durch die öffentlich-rechtliche Zweckbindung, die diese öffentliche Sache widmungsgemäß erfahren hat. Soweit ein Auseinanderfallen von Eigentum und öffentlichrechtlicher Sachherrschaft der widmungsgemäßen Zweckbindung entgegensteht, kann der öffentliche Sachherr die Sache vom Eigentümer herausverlangen. 2. Der Herausgabeanspruch ergibt sich ohne weiteres aus einer Annexkompetenz zu der dem öffentlichen Sachherrn verliehenen Befugnis, die öffentliche Sache widmungsgemäß zu verwenden. Gegenüber solchen Ansprüchen, die aus dem Recht der öffentlichen Sachen abgeleitet sind, kann grundsätzlich die Verjährung nicht durchgreifen.“
355
Das Berufungsgericht verfolgte jedoch einen anderen Ansatz: Da keine spezialgesetzliche res extra commercium-Stellung kultureller Güter innerhalb der deutschen Rechtsordnung bekannt ist, kann sich die Extrakommerzialität somit allein aus der Designation kultureller Güter als ‚öffentliche Sachen‘ und der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung dieser Sonderrechtsposition ergeben.837 Die bislang 834 835
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Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 355–365. Einen öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruch des öffentlichen Sachherrn gegen störende Dritte, unter bestimmten Umständen auch gegen den Eigentümer selbst, bejahen nicht nur schon RG 8.2.1893, RGZ 31, 217, 221 (verneint Herausgabeanspruch des privaten Eigentümers), sondern etwa auch Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff., S. 158; Thormann, Nochmals: Das Hamburger Stadtsiegel, NWVBl. 1992, S. 354–357, S. 356; Fechner, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1993, S. 704. Ablehnend jedoch bei fehlender Publizität gegenüber dem gutgläubigen Erwerber Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts: Probleme und Grundlagen eines allgemeinen Teils des öffentlichen Sachenrechts, 1985, S. 70 und S. 81. Verwaltungsgericht (VG) Köln 8. Kammer, Urteil vom 20. März 1991, Az: 8 K 4501/89, Fundstellen: NJW 1991, 2584–2586 (red. Leitsatz und Gründe); NWVBl. 1991, 425–428 (Leitsatz und Gründe), NVwZ 1991, 1114 (red. Leitsatz), JuS 1992, 745–748. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 67.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
283
fast einhellige Meinung innerhalb der Literatur, der auch das Verwaltungsgericht Köln in seinen Ausführungen zur Extrakommerzialität kultureller Güter folgte, wurde jedoch bereits zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidungen zum Hamburger Stadtsiegel-Fall von Papier in Zweifel gezogen.838 Er betonte, dass eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit als Belastung des Privateigentums nur durch oder aufgrund ein(es) Gesetz(es) entstehen könne. Eine solche Grundlage erkennt er jedoch nur für das Wege- und Wasserrecht an. Dagegen sei es einem kulturellen Verwaltungsträger nicht möglich, ohne gesetzliche Grundlage an den von ihm für interne Zwecke genutzten Sachen (im Verwaltungsgebrauch) oder an Dritten im Rahmen eines Benutzungsverhältnisses zur Verfügung gestellten Sachen (in Anstaltsnutzung) – wie bspw. an ‚öffentlichen Kulturgütern‘ – dingliche, das Privateigentum belastende oder modifizierende Sachherrschaften mit einem nach eigenem Ermessen bestimmten Inhalt zu begründen.839 Auch Erbguth tritt diesbezüglich ausdrücklich einer häufig vertretenen Auffassung entgegen, die mit gemieteten Sachen betriebene öffentliche Verwaltung dürfe sich unabhängig vom Privatrecht kraft öffentlicher Sachherrschaft auf ein Recht zum Besitz berufen.840 Dementsprechend bildete sich in den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des Bundesverwaltungsgerichts als Revisionsgericht die Überzeugung, dass eine gewohnheitsrechtliche Extrakommerzialität kultureller Güter nicht als ‚Gesetz‘ im Sinne der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes und somit als Rechtfertigung für den Eingriff in die in Art. 14 GG verbürgte Eigentumsgarantie gelten kann. Das OVG trat der Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln entgegen und verneinte einen öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruch der Stadt Hamburg. Zwar gehe die herrschende Meinung im Schrifttum von einer durch die Widmung begründeten öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft aus, die als beschränkt dingliches Recht, als Dienstbarkeit des öffentlichen Rechts auf dem Eigentum laste, auf den Rechtsnachfolger im Eigentum übergehe und insbesondere einen gutgläubigen, lastenfreien Erwerb ausschließe, doch stehe dem entgegen, dass das Recht der ‚öffentlichen Sache im Anstalts- und Verwaltungsgebrauch‘, soweit es um die Anerkennung einer Dienstbarkeit des öffentlichen Rechts gegenüber dem gutgläubigen Erwerber gehe, keine überzeugende praktische Bestätigung erfahren habe.841
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Vgl. ebenso bspw. Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts: Probleme und Grundlagen eines allgemeinen Teils des öffentlichen Sachenrechts, 1985, S. 58–59, S. 70. Vgl. hierzu auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Senat, Urteil vom 25. Februar 1993, Az: 20 A 1289/91, Fundstellen: NWVBl. 1993, 348–351 (Leitsatz und Gründe), NJW 1993, 2635–2637 (Leitsatz und Gründe), DÖV 1993, 869–871 (Leitsatz und Gründe), VR 1993, 429–430 (Leitsatz und Gründe), NVwZ 1993, 1115 (Leitsatz). Vgl. Erbguth, Ausgewählte Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VR 1981, S. 152–157, S. 154. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 355–365.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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„Ein Gewohnheitsrechtssatz, der den gutgläubigen Erwerber einer kraft Widmung öffentlichen Sache im Verwaltungs- oder Anstaltsgebrauch zur Herausgabe der Sache an den Sachherrn verpflichtet, ist nicht feststellbar. Weder die Rechtsprechung noch die Literatur lassen den Schluß zu, daß eine solche Verpflichtung einer längeren tatsächlichen Übung entspricht, die eine dauernde, ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird. … Der Annahme eines Gewohnheitsrechts steht vor allem entgegen, daß das Recht der öffentlichen Sache im Anstalts- und Verwaltungsgebrauch, soweit es um die Anerkennung einer Dienstbarkeit des öffentlichen Rechts gegenüber dem gutgläubigen Erwerber geht, keine überzeugende praktische Bestätigung erfahren hat.“ 842
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Gemäß der in Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsgarantie kann eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit als Belastung des Privateigentums allein durch ein Gesetz oder aufgrund eines solchen normiert werden: Außer im Wege- und Wasserrecht findet sich jedoch keine derart qualifizierte gesetzliche Grundlage, die ein Rechtsinstitut der öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit mit einem dergestalt normierten Rechtsinhalt generieren könnte, ebenso wenig ist ein Gewohnheitsrechtssatz festzustellen, der den gutgläubigen Eigentümer einer kraft Widmung öffentlichen Sache zu ihrer Herausgabe an den in öffentlichrechtlicher Trägerschaft gebildeten Sachherrn verpflichten könnte: Der Annahme einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Instituts der öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit stünde trotz der insoweit fast einhelligen Meinung im Schrifttum entgegen, dass sie keine überzeugende praktische Bestätigung erfahren habe.843 Im Ergebnis konnte kein gewohnheitsrechtlicher Herausgabeanspruch eines öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträgers an zu ‚öffentlichen Sachen‘ gewidmeten Gegenständen extrahiert werden 844, sodass die Extrakommerzialität ‚öffentlicher Kulturgüter‘ einen auch aus Sicht des Gewohnheitsrechts nicht gerechtfertigten Eingriff in die in Art. 14 GG verbürgte Eigentumsgarantie darstellt.
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Darüber hinaus konnten die Gerichte weder normative Spezialbestimmungen noch gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtssätze bestimmen, die kulturelle Güter als res extra commercium deklarieren. Aufgrund der in der Hamburger Stadtsiegel-Entscheidung genannten Erwägungen muss zusätzlich aber auch das gewohnheitsrechtliche Bestehen der Extrakommerzialität an den Ausstellungsobjekten öffentlicher Museen und anderen Kulturgütern, die öffentlichen
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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Senat, Urteil vom 25. Februar 1993, Az: 20 A 1289/91, Fundstellen: NWVBl. 1993, 348–351 (Leitsatz und Gründe), NJW 1993, 2635–2637 (Leitsatz und Gründe), DÖV 1993, 869–871 (Leitsatz und Gründe), VR 1993, 429–430 (Leitsatz und Gründe), NVwZ 1993, 1115 (Leitsatz). Vgl. auch die Kommentierung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bei Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 78. Vgl. auch Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBl. 1992, S. 11–13, S. 13.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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Zwecken zu dienen gewidmet sind, verneint werden.845 Es besteht keine gewohnheitsrechtliche Regel, in der die Extrakommerzialität an den Ausstellungsobjekten öffentlicher Museen und anderen Kulturgütern, die öffentlichen Zwecken zu dienen gewidmet sind, anerkannt wäre.846 Sowohl der Bundesgerichtshof, der sich in seinen Ausführungen der Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes anschloss, als auch die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land NordrheinWestfalen und des Bundesverwaltungsgerichts stellten für den deutschen Rechtskreis klar, dass kein entsprechender Gewohnheitsrechtssatz besteht, der den gutgläubigen Eigentümer eines kraft Widmung zur ‚öffentlichen Sache‘ designierten Kulturguts zu seiner Herausgabe an den in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft gebildeten Sachherrn aufgrund der Deklaration des ‚öffentlichen Kulturguts‘ als res extra commercium verpflichten könne. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ließ in seinem Urteil die Revision nicht zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Stadt Hamburg wies das Bundesverwaltungsgericht 847 in seinem Beschluss vom 12. August 1993 aus formalen Gründen zurück. Im Übrigen bestätigte es die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Unter Hinweis auf die von dem Bundesverwaltungsgericht erlassene und von dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zitierte Entscheidung im Falle des nichtigen Grundstückstauschvertrages stellte das Bundesverwaltungsgericht nun zweifelsohne als geklärt fest, dass die Widmung einer Sache zum Verwaltungsgebrauch privatrechtliche Ansprüche Dritter, wie Herausgabeansprüche aus Eigentum oder ungerechtfertigter Bereicherung, nicht ausschließe, sondern dass es hierfür vielmehr einer gesetzlichen Grundlage bedürfe:848 „Allein die Widmung einer Sache des Verwaltungsvermögens vermag privatrechtliche Ansprüche Dritter – wie Herausgabeansprüche aus Eigentum oder ungerechtfertigter Bereicherung – nicht auszuschließen; dafür bedarf es vielmehr einer gesetzlichen Grundlage … .“
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Anders als nach italienischem und französischem Recht, in deren Rechtsordnungen die in vielerlei Hinsicht vergleichbaren Institute des ‚dominio eminente‘ Ekuadors, des ‚demanio pubblico‘ Italiens bzw. des ‚domaine public‘ Frankreichs 849 eine normative Rechtsgrundlage für eine Extrakommerzialität getroffen
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Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 260, vgl. aber auch S. 262. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 260, vgl. aber auch S. 262. Bundesverwaltungsgericht, 7. Senat, Beschluss vom 12. August 1993, Az: 7 B 86/93, Fundstellen: NJW 1994, 144–145 (red. Leitsatz und Gründe), NVwZ 1994, 265 (red. Leitsatz) Diese Entscheidung wird zitiert von: VG Berlin 19. April 1995 1 A 145.92. Vgl. auch Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 355–365. Vgl. auch ausführlich zu dem aktuellen Kulturtransferregulativ Frankreichs Gourdon, Excerpt from the Memoire „Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Œuvres d’Art“, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198; Maurer, Die Ausfuhr von Kulturgütern in der Europäischen Union, 1995, S. 132–144.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
haben 850, kann nach der deutschen Rechtslage de lege lata keine Deklaration kultureller Güter als res extra commercium konstatiert werden,851 sodass dem kulturellen Verwaltungsträger weder ein zivilrechtlicher Vindikationsanspruch aufgrund fortbestehender Eigentumsposition an kulturellen Gütern in Staatseigentum noch ein öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch aufgrund der Designation als ‚öffentliches Kulturgut‘ und eines in der Folge entstehenden öffentlich-rechtlichen Herrschaftsrechts zustünde, was die Sache außerhalb des bürgerlichen Vermögensrechts stellen könnte und somit die Verkehrsunfähigkeit bedinge. Nach den in der Literatur überwiegend begrüßten zivil- und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen im Hamburger Stadtsiegel-Fall ist die Extrakommerzialität ‚öffentlicher Kulturgüter‘ de lege lata ausgeschlossen. Auf Sachen im Verwaltungs- und Anstaltsgebrauch findet die Theorie vom modifizierten Privateigentum mangels gesetzlicher Grundlage keine Anwendung. Die Deklaration der Extrakommerzialität stellt einen Eingriff in die in Art. 14 GG verbürgte Eigentumsgarantie dar, zu dessen Rechtfertigung eine Rechtsgrundlage notwendig ist.852 Das deutsche Kulturgüterschutzrecht bietet jedoch keine Rechtsgrundlage für einen derartigen Eingriff und auch dem Gewohnheitsrecht ist eine solche Rechtsregel unbekannt.853 Das gewohnheitsrechtliche Bestehen eines beschränkten dinglichen Rechts an den Ausstellungsobjekten öffentlicher Museen und anderen Kulturgütern, die öffentlichen Zwecken zu dienen gewidmet sind, muss daher nach geltendem deutschen Recht verneint werden.854 Im Ergebnis ist somit innerhalb der deutschen Rechtsordnung de lege lata nicht von der Extrakommerzialität ‚öffentlicher Kulturgüter‘ vor den Zivil- und Verwaltungsgerichten auszugehen. Diese Erkenntnis zeitigt jedoch nicht erst in Sachverhaltskonstellationen des internationalen Transfers kultureller Güter Rechtswirkungen, vielmehr tritt, wie in dem Hamburger Stadtsiegel-Fall verdeutlicht, der Verlust wertvollen Museums-, Bibliotheks- oder Archivguts in Staatseigentum bereits bei einem gutgläubigen derivativen oder originären Rechtserwerb im Inland ein.
IV. Extrakommerzialität kultureller Güter innerhalb der deutschen Rechtsordnung de lege ferenda 362
Unzweifelhaft kann heute innerhalb des deutschen Zivil- und Verwaltungsrechts nicht mehr von der Extrakommerzialität kultureller Güter ohne Gesetzesänderung ausgegangen werden. Über die geltende Rechtsordnung hinaus stellt sich 850 851 852
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So auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 79. So auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 79. Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBl. 1992, S. 11–13, S. 11. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 355–365. Vgl. auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 260 und S. 262.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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jedoch die Frage, ob nicht aus kultur- und rechtspolitischen Gründen eine explizite gesetzliche Deklaration speziell qualifizierter Kulturgüter als res extra commercium Eingang auch in das deutsche Kulturgüterschutzrecht finden sollte.855 Sogar das OVG, das die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts Köln und damit einen öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruch ‚öffentlicher Kulturgüter‘ und deren Extrakommerzialität schließlich verneint hatte, hat in seiner Entscheidung vom 25. Februar 1993 erwogen, einen ungeschriebenen Herausgabeanspruch durch richterliche Rechtsfortbildung zu begründen.856 Im Ergebnis stellte das Rechtsmittelgericht jedoch fest, dass keine kultur- und rechtspolitischen Gründe erkennbar seien, die es rechtfertigen könnten, eine von § 935 Abs. 2 BGB abweichende Abwägung des öffentlichen Interesses am Erhalt und der Bewahrung abhandengekommener ‚öffentlicher Kulturgüter‘ zum Wohle des Staates zum einen und des Erwerbsinteresses des redlichen Käufers abhandengekommener Kulturgüter andererseits vorzunehmen. Selbst wenn man ein gewichtiges öffentliches Interesse erkennen mag, das Recht der öffentlichen Sache im Anstaltsund Verwaltungsgebrauch fortzuentwickeln, dürfe jedoch unter keinen Umständen das zumindest ebenso schutzwürdige Interesse der am Rechtsverkehr Beteiligten übersehen werden, das Vertrauen des gutgläubigen Erwerbers einer öffentlichen Sache zu schützen.857 Im Regelfall bestehe schon deshalb keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung, weil das Gut ersetzt werden könne und es deshalb letztlich nur darum gehe, wer die finanziellen Folgen des Abhandenkommens tragen solle. Soweit eine einzigartige öffentliche Sache, wie der jahrhundertealte Siegelstempel, in Rede stehe, ließen die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den gutgläubigen Erwerb befriedigende Ergebnisse zu. Eine Sache im Verwaltungs- oder Anstaltsgebrauch, deren fortdauernde Zweckbindung durch Widmung offenkundig sei oder sich aufdränge (§ 932 Abs. 2 BGB), verbleibe dem Sachherrn. Im Übrigen genieße der redliche Erwerber den Vorzug.858 Zahlreiche Vertreter der kulturgüterrechtlichen Rechtsdogmatik nehmen jedoch in der Abwägung des
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Vgl. für einen Vorschlag de lege ferenda ausführlich (auch aus rechtsvergleichender Sicht): El-Bitar, Der Schutz von Kulturgut als res extra commercium in Frankreich. Ein Vorbild für Deutschland?, in Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, S. 175–207. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Senat, Urteil vom 25. Februar 1993, Az: 20 A 1289/91, Fundstellen: NWVBl. 1993, 348–351 (Leitsatz und Gründe), NJW 1993, 2635–2637 (Leitsatz und Gründe), DÖV 1993, 869–871 (Leitsatz und Gründe), VR 1993, 429–430 (Leitsatz und Gründe), NVwZ 1993, 1115 (Leitsatz). Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Senat, Urteil vom 25. Februar 1993, Az: 20 A 1289/91, Fundstellen: NWVBl. 1993, 348–351 (Leitsatz und Gründe), NJW 1993, 2635–2637 (Leitsatz und Gründe), DÖV 1993, 869–871 (Leitsatz und Gründe), VR 1993, 429–430 (Leitsatz und Gründe), NVwZ 1993, 1115 (Leitsatz). Vgl. auch die Kommentierung bei Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 355–365.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
öffentlichen Interesses an Erhaltung und Bewahrung der ‚öffentlichen Kulturgüter‘ für das Gemeinwohl und die Öffentlichkeit einerseits und des Erwerbsinteresses des redlichen Rechtsverkehrs andererseits eine von der kultur- und rechtspolitischen Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts abweichende Einschätzung ein und fordern de lege ferenda die Extrakommerzialität (zumindest der Öffentlichkeit frei zugänglicher) deutscher Kulturgüter (in Staatseigentum). Dabei wird allgemein auf die spezielle Unikatfunktion und das besondere kulturpolitische Interesse an kulturellen Gütern verwiesen, was innerhalb des Verständnisses kultureller Güter als res sui generis vorgebracht wird. Es werden ausdrücklich gesetzliche Regeln gefordert, „die zwischen Schreibmaschinen und Museumsstücken differenzieren“ 859: 364
„Der Ausgang dieser Sache [des Hamburger Stadtsiegel-Falles] zeigt, daß es die Rechtsordnung an der nötigen Fürsorge für den öffentlichen Kulturbesitz fehlen läßt. Sie schlägt das aus einem Museum gestohlene Meisterwerk mit dem in der Eisenbahn vergessenen Regenschirm über ein und denselben Leisten. Beide können zwar nicht ohne weiteres gutgläubig erworben werden, weil sie ihrem Eigentümer „abhandengekommen“ sind. Aber wenn sie öffentlich versteigert werden, macht das BGB eine Ausnahme von dieser Regel. Das Eigentum an abhandengekommenen Sachen kann zudem nach Ablauf von zehn Jahren ersessen werden. Selbst der Rückgabeanspruch des Eigentümers gegen den Dieb oder unehrlichen Finder verjährt nach 30 Jahren. Das alles gilt ohne jeden Unterschied zwischen leicht verschmerzbaren Objekten aus Privatbesitz (wie dem Regenschirm des zerstreuten Professors) und unersetzlichen Kunstwerken (wie z.B. dem Quedlinburger Domschatz). Diese Gleichschaltung des öffentlichen Kunst- und Kulturgutbesitzes mit dem Plunder, den die Fundbüros versteigern und die Second-Hand-Shops feilbieten, ist ein Unding. … Diese Reform sollte sich bei dem privaten Kulturgut dem Prinzip der größtmöglichen Liberalität verschreiben, aber beim öffentlichen Kulturgut das genaue Gegenteil, einen extrem rigorosen Schutz, anstreben.“ 860
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Neben einer privatrechtlichen Ausgestaltung der Extrakommerzialität von bestimmten, der Öffentlichkeit zugänglichen Kulturgütern in Staatseigentum (sog. privatrechtliche Lösung) wird auch ein spezielles öffentlich-rechtliches Resolutionsmodell der Extrakommerzialität ‚öffentlicher Kulturgüter‘ de lege ferenda gefordert.
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Fechner, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1993, S. 704; Mußgnug, Überlegungen zur Umsetzung der neuen EG-Vorschriften über den Verkehr mit Kulturgütern, in: Beyerlin/ Bothe/Hofmann/Petersmann, Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, Festschrift für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1225 ff.; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 111 und S. 115. Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 26.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
1.
Die sog. privatrechtliche Lösung
Aus diesem Grund wird lautstark eine sog. privatrechtliche Lösung seitens der kulturgüterrechtlichen Literatur gefordert, die die Stellung des öffentlichen Kulturgutes als res extra commercium im Wege der spezialgesetzlichen Unterschutzstellung kultureller Güter in Staatseigentum und öffentlicher Ausstellung mittels zivilrechtlicher Sondervorschriften erreichen will.861 Vor allem Mußgnug übernahm diesbezüglich bereits seit langem eine Vorreiterrolle und zeichnete sich auch bei der Erstellung eines Entwurfs der deutschen Bundesregierung zur Neugestaltung und Reform des deutschen Kulturgüterschutzrechts (des Gesetzes zum Schutz des deutschen Kulturguts gegen Abwanderung vom 6. August 1955) verantwortlich. Hinsichtlich einer zivilrechtlichen Reform ‚öffentlicher Kulturgüter‘ sieht der Regierungsentwurf vor, dass das öffentliche Kulturgut nicht gutgläubig erworben oder ersessen werden kann und der Herausgabeanspruch des Eigentümers gemäß § 985 BGB nicht verjährt. Voraussetzung ist, dass das Kulturgut zum Bestand eines öffentlichen Kulturgutträgers gehört und von diesem ordnungsgemäß inventarisiert und in einer nach außen erkennbaren Weise als besonders geschützt gekennzeichnet ist. Mit dieser Regelung trifft der Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 für das öffentliche Kulturgut Sonderregelungen zu den §§ 932, 929, 935 Abs. 2, 937 und 197 BGB. „Ein gutgläubiger Erwerb ist danach gänzlich ausgeschlossen, sowohl in den Fällen der Unterschlagung, wenn kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB vorliegt, als auch bei der öffentlichen Versteigerung und der Ersitzung. Der Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB kann zeitlich unbeschränkt, auch nach über 30 Jahren, durchgesetzt
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289
Vgl. den (letztlich unverwirklichten) Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 der deutschen Bundesregierung; Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 207–208; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/ Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 27. Befürwortend: von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 557; Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem? Daneben auch ein Beitrag zum Begriff des Kulturgüterschutzes, in: Fechner/Oppermann/ Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 67–90, S. 74; Streinz, Handbuch des Museumsrechts – Band 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, 1998, S. 131 ff.; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 381–383; Fechner, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1993, S. 704; Mußgnug, Überlegungen zur Umsetzung der neuen EG-Vorschriften über den Verkehr mit Kulturgütern, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, Festschrift für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1225 ff.; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 111–115.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
werden. Er steht dem öffentlichen Kulturgutträger zu, soweit er selbst Eigentümer des Kulturgutes ist oder von einem privaten Eigentümer ein – bei der privatrechtlichen Lösung privatrechtliches – Besitzrecht gemäß § 986 BGB ableiten kann, etwa aufgrund eines Leihvertrages.“ 862 367
Hipp hat sich in Anlehnung an die bereits bei Mußgnug formulierten Grundsätze in ihren Ausführungen zum Schutz von Kulturgütern in Deutschland erneut für die Extrakommerzialität kultureller Güter innerhalb des deutschen Kulturgütertransferrechts stark gemacht.863 Weder aus dem Zivilrecht ergäben sich gegen die Einführung der privatrechtlichen Kulturgutklauseln Bedenken, noch sei an der Vereinbarkeit der sog. privatrechtlichen Lösung mit den Grundrechten und dem Rechtssystem der Europäischen Union zu zweifeln. Bei Abwägung zwischen den Interessen eines redlichen rechtsgeschäftlichen Verkehrs und dem Schutz des öffentlich-rechtlichen Eigentümers bzw. Besitzers ‚öffentlicher Kulturgüter‘ – und nicht kultureller Güter im Generellen –, nehmen die Vertreter der sog. privatrechtlichen Lösung die Position ein, dass weder die Vorschriften des redlichen derivativen sowie originären Erwerbs noch die allgemeinen Grundsätze der Verjährung aus kulturpolitischen Gründen Geltungskraft beanspruchen dürften.
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Zwar verkörpern die Gutglaubensvorschriften des deutschen bürgerlichen Vermögensrechts durchaus die Grundsatzentscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers, dem redlichen rechtsgeschäftlichen Verkehr Vorrang vor dem Schutz des Eigentümers zu gewähren. Dies wird einerseits mit der Sicherheit des Rechtsverkehrs und andererseits mit dem Vertrauensgedanken begründet; Argumente, die letztlich beide auf dem Rechtsschein des Besitzes beruhen. Umkehrung findet die genannte parlamentarische Wertentscheidung in Situationen des Abhandenkommens kultureller Güter: Ausnahmsweise werden in Fallkonstellationen des § 935 Abs. 1 BGB die Eigentümerinteressen vor denjenigen des Erwerbers platziert, wenn der Eigentümer seinen Besitz unfreiwillig verliert. Diese rechtspolitische Entscheidung kommt selbstredend auch ‚öffentlichen Kulturgütern‘ zugute, die aus der tatsächlichen Sachherrschaft des öffentlichen Verwaltungsträgers abhandengekommen sind. Der genannte Schutz findet aber eine erneute Einschränkung: Eine Ausnahme von der Ausnahme stellen jedoch die Fälle öffentlicher Versteigerung im Sinne der §§ 935 Abs. 2 und 383 Abs. 3 BGB dar, in denen der Gesetzgeber erneut aus Gründen des Verkehrsschutzes zu dem ursprünglichen Prinzip zurückkehrt.864 Diese Wertentscheidung des Gesetzgebers könne jedoch grundsätzlich allein hinsichtlich sonstiger Güter im Generellen, wie bspw. Verbrauchs- und Gebrauchsgüter und vergleichbarer Handelswaren, 862 863
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Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 381–383. Vgl. hierzu und zum Folgenden, Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 381–383. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 52, 1.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
291
gelten, nicht jedoch hinsichtlich kultureller Wertgegenstände mit Unikatfunktion. Hinsichtlich der bürgerlich-rechtlichen Gutglaubensvorschriften wird seitens der Vertreter einer privatrechtlichen Reform ausgeführt, dass die Rechtssicherheit und der Verkehrsschutz auch Werte seien, die ihren Ursprung im öffentlichen Interesse fänden, die jedoch dann zurücktreten müssten, wenn ein anderes öffentliches Interesse überwöge.865 Gegenüber dem (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr bedeutet dies, dass auch die Bewahrung des öffentlichen Kulturgutes in der Hand seiner verwaltungsrechtlich organisierten Kulturgutträger dem überragenden kulturpolitischen Interesse der Erhaltung des nationalen Kulturerbes im eigenen Land diene. Die genannten Vertreter der sog. privatrechtlichen Lösung instrumentalisieren diese kulturnationalistischen Erwägungen – wohl zu Recht – dahingehend, dass hinter dem Erhaltungs- und Bewahrungsinteresse einer Nation an national wichtigen Kulturgütern im eigenen Land das Interesse der Rechtssicherheit zurückzustehen habe, sodass der Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs mittels öffentlicher Versteigerung im Sinne der §§ 935 Abs. 2 und 383 Abs. 3 BGB insoweit durchaus gerechtfertigt sei.866 Dem Kulturgutschutz gebührt hier einfach Vorrang!
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Hinsichtlich einer temporalen Präklusion der Rechtsposition kultureller Verwaltungsträger an abhandengekommenen ‚öffentlichen Kulturgütern‘ wird Ähnliches proklamiert: Dem BGB ist die Unverjährbarkeit von Ansprüchen – wie bspw. in den §§ 194 Abs. 2, 758, 898, 902, 924, 2042 Abs. 2 BGB – nicht fremd. Rechtfertigung des Rechtsinstituts der Verjährung ist bekanntlich der Gedanke des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit, aus dem sich ergibt, dass die Verjährung nicht nur dem Schutz des Schuldners dient, sondern auch im öffentlichen Interesse liegt. Aus den genannten Gründen müsse die Verjährung jedoch allge-
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Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 207–208; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/ Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 27. Befürwortend: Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 557; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 112–113; Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem? Daneben auch ein Beitrag zum Begriff des Kulturgüterschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 67–90, S. 74; Streinz, Handbuch des Museumsrechts – Band 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, 1998, S. 131 ff.; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 381–383. Eine andere Bewertung nimmt in diesem Zusammenhang Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 333, vor.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
mein dann zurücktreten, wenn ein anderes öffentliches Interesse überwiege, wie dies bspw. für die Fälle der §§ 919, 920 i.V.m. 924 BGB anerkannt sei. Auch die Bewahrung des ‚öffentlichen Kulturgutes‘ in der Hand verwaltungsrechtlich organisierter Kulturgutträger diene, wie bereits oben beschrieben, dem überragenden kulturpolitischen Interesse an der Erhaltung des nationalen Kulturerbes im eigenen Land, sodass die Rechtssicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs hinter dem Erhaltungs- und Bewahrungsinteresse einer Nation an national wichtigen Kulturgütern zurückzustehen habe und der Ausschluss der Verjährung insoweit gerechtfertigt sei. Das Gleiche müsse für den Ausschluss der akquisitiven Ersitzung im Sinne des § 937 BGB gelten, da Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der Ersitzung neben dem Beharrungsinteresse des Eigenbesitzers, ebenso wie beim Rechtsinstitut der extinktiven Verjährung, der Rechtsfriede und die Rechtssicherheit sei 867, sodass auch bei der Ersitzung die Rechtssicherheit hinter dem Kulturgutschutz zurückzustehen habe.868 371
Für die Vereinbarkeit der sog. ‚privatrechtlichen Lösung‘ mit den Grundrechten und dem Rechtssystem der Europäischen Union gelte Entsprechendes. Soweit der Ausschluss des Gutglaubensschutzes und die Unverjährbarkeit des Herausgabeanspruchs überhaupt eigentümerrechtliche Positionen im Sinne des Art. 14 GG beträfen und nicht bloße Erwerbschancen darstellten,869 seien sie jedenfalls Eigentumsbindungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, die durch das öffentliche Interesse an der Erhaltung des nationalen Kulturerbes in der Hand der sie bewahrenden öffentlichen Träger gerechtfertigt seien.870 Auch die sich aus der geminderten Handelbarkeit des öffentlichen Kulturgutes ergebende Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit innerhalb des Kunst- und Antiquitätengewerbes sei durch den Kulturgüterschutz gerechtfertigt und träfe dieses weder 867 868 869
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Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 53h I. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 381–383. Von Teilen der Literatur wird bei der Deklaration kultureller Güter als res extra commercium bereits das Vorliegen eines Eingriffs in die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG mit der Begründung bestritten, dass das Grundrecht schon deshalb nicht betroffen sei, weil der Erwerber das Eigentum an der Sache von vornherein mit einer öffentlich-rechtlichen Herrschaftsposition belastet erworben habe, sodass diesem noch nie ein Mehr an Rechten zugestanden habe, in das durch die Deklaration eingegriffen werden könnte. Vgl. Germann, Die „gesetzlose“ Widmung von Sachen für öffentliche Zwecke, AöR 128 (2003), S. 458–482, S. 475 ff.; Thormann, Nochmals: Das Hamburger Stadtsiegel, NWVBl. 1992, S. 354–357, S. 357; Wernecke, Die öffentliche Sache im Widerstreit privater und allgemeiner Belange – verdeutlicht am Beispiel des Hamburger Stadtsiegels, Archiv für die civilistische Praxis (AcP), 195. Band (1995), S. 445–467, S. 465. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 381–383; Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff., S. 23; Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 205; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S.111.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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übermäßig noch unzumutbar. Der Ausschluss des Gutglaubensschutzes und der Ausschluss der Verjährung seien auch von Art. 7, 9 und 12 der EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 gedeckt und gemäß Art. 36 EGV gerechtfertigt.
2.
Die sog. öffentlich-rechtliche Lösung
Um den öffentlichen Kulturgutträgern das zur Erfüllung ihrer Aufgaben in ihrer Hand sich befindliche Kulturgut zu erhalten, wird von Teilen der Literatur die Statuierung spezieller öffentlich-rechtlicher Rechtsregeln vorgeschlagen, die kulturelle Güter in öffentlichem Eigentum bzw. in tatsächlicher Sachherrschaft, die öffentlich zur Schau gestellt werden oder sonstigen öffentlichen Kulturzwecken dienen, vor einem Verlust aufgrund illegalen Transfers wirkungsvoll schützen sollen.871 Dabei wird allgemein geltend gemacht, dass „öffentliche Kulturgüter auch der kostbarsten Art ebenso gut oder schlecht geschützt sind wie Kulturgüter 871
Vgl. bereits den Regierungsentwurf der Deutschen Bundesregierung aus dem Jahr 1998 zur Reform des Gesetzes zum Schutz des deutschen Kulturguts gegen Abwanderung vom 6. August 1955 (KGSchG); ausführlich hierzu und zum Folgenden vor allem: Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 365–380 (sich auf den Regierungsentwurf der Deutschen Bundesregierung aus dem Jahr 1998 zur Reform des Gesetzes zum Schutz des deutschen Kulturguts gegen Abwanderung vom 6. August 1955 (KGSchG) berufend); Knopp, Museumspolitik als Kulturgüterschutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 7–10; Mittler, Bibliotheksbestände von Kulturgutrang, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, S. 61–62; Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff., S. 22–23; Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 199 ff.; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/ Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 27–28. Befürwortend: Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung – Vom Kulturgüterschutz zur internationalen kulturellen Kooperation, 1992, S. 154–155; Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem? Daneben auch ein Beitrag zum Begriff des Kulturgüterschutzes, in: Fechner/ Oppermann/Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 67–90, S. 74; Müller, Kulturgüterschutz: Mittel nationaler Repräsentation oder Wahrung des Gemeinsamen Erbes der Menschheit, in: Fechner/ Oppermann/Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, S. 257–276, S. 273; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 58–59; Streinz, Handbuch des Museumsrechts – Band 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, 1998, S. 131; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 112, die allerdings letztlich eine privatrechtliche Lösung der res extra commercium-Stellung für
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
in privater Hand, wie private Güter schlechthin“.872 Es sind dies zum einen die Fälle 873, in denen der Kulturgutträger selbst Eigentümer des Kulturgutes ist, dieses ihm abhandenkommt und ausnahmsweise ein gutgläubiger Eigentumserwerb eintritt, weil das Kulturgut unterschlagen oder öffentlich versteigert wurde, in denen eine gutgläubige Ersitzung stattfindet oder der Herausgabeanspruch verjährt ist, und zum anderen diejenigen Fallkonstellationen, in denen der öffentlich-rechtliche Kulturgutträger nicht selbst Eigentümer des Kulturgutes ist und dieses ihm vom Eigentümer oder einem Dritten vorenthalten wird.874 373
Die genannten Vertreter einer speziellen Unterschutzstellung ‚öffentlicher Kulturgüter‘ in Staatseigentum plädieren nach dem Vorbild der rechtlichen Behandlung öffentlicher Straßen und der res sacrae auf eine rechtliche Qualifizierung ‚öffentlicher Kulturgüter‘ durch öffentlich-rechtliche Widmung als res extra commercium. Aufbauend auf den Erkenntnissen des Hamburger StadtsiegelFalles herrscht Einigkeit darüber, dass eine solche Widmung zur ‚öffentlichen Sache‘ nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes einer normativen Rechtsgrundlage bedarf, sodass eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage vom parlamentarischen Gesetzgeber zu statuieren sei, die es den staatlichen Kulturgutträgern und Zuordnungssubjekten kultureller Güter ermögliche, ihr Kulturgut einem öffentlich-rechtlichen, kulturgutschützenden Zweck zu widmen. Durch diese Widmung erhalte das Kulturgut einen öffentlich-rechtlichen Sach- und Herrschaftsstatus, dessen öffentlich-rechtliche Zweckbindung zum Anstaltsgebrauch 875 berechtige. „Durch die Widmung wird das Kulturgut seiner Zweckbestimmung zur Verwahrung durch einen Kulturgutträger zugeführt, der es im Rahmen der Widmung der Allgemeinheit nach besonderer Zulassung zur Nutzung zur Verfügung stellt. Z.B. zur Besichtigung in einem Museum oder zur Nutzung in einer Bibliothek oder einem Archiv.“ 876
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vorzugswürdig erachtet. Ablehnend für archäologische Kulturgüter Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts – Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht sowie Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung, 1991, S. 106–107; Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 333. Knopp, Museumspolitik als Kulturgüterschutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 7. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 365 ist diesbezüglich der Meinung, dass das öffentliche Kulturgut nach der bestehenden Rechtslage nicht hinreichend geschützt ist, anderer Ansicht aber Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 333. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 367–368. Nach anderer Ansicht berechtige die öffentlich-rechtliche Zweckbindung der Widmung zum Gemeingebrauch, vgl. Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 112. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 368; ausführlich dort auch zu den Voraussetzungen und der Formerfordernisse einer solchen öffentlich-rechtlichen Widmung, Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 368–371.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
Der bisher unveröffentlichte und nicht in das deutsche Kulturgüterschutzsystem umgesetzte Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 der deutschen Bundesregierung sollte einen einheitlichen Rahmen für die Landesgesetzgebung zum Schutz des öffentlichen und des kirchlichen Kulturgutbesitzes sowie zum Schutz des privaten Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland schaffen.877 Der Referentenentwurf unterschied zwischen öffentlichem und privatem Kulturgut. ‚Öffentliches Kulturgut‘ i.S.d. Referentenentwurfes eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 sind danach Kulturgüter, die in das Bestandsverzeichnis einer öffentlichen Einrichtung eingetragen sind, oder die im Bundesgebiet als archäologischer und paläontologischer Fund entdeckten deutschen Kulturgüter. Zu den öffentlichen Einrichtungen gehören dabei Museen, Archive, Bibliotheken und andere Sammlungen kultureller Güter des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und anderer juristischer Personen des deutschen öffentlichen Rechts. Daneben zählen aber auch private Museen, Archive, Bibliotheken und andere Sammlungen unter den Begriff der ‚öffentlichen Einrichtung‘. Vorausgesetzt wird allerdings die Öffentlichkeit der Kollektion, sodass die private Sammlung der Allgemeinheit wie eine staatliche oder kommunale Einrichtung zugänglich sein muss. Die förmliche Zuordnung zu einer öffentlichen Einrichtung i.S. des § 3 Abs. 3 des E KultgSRG erfolgt durch Widmung. Der Widmungszweck besteht in der Nutzung des Kulturguts im Rahmen der kulturellen oder wissenschaftlichen Aufgaben der öffentlichen Einrichtung. Die Widmung erlangt mit der Bekanntgabe Geltungskraft, das Bestandsverzeichnis kann eingesehen werden und die Widmung ist durch Eintragung in das Bestandsverzeichnis erfolgt. Die Publizität der Widmung wird durch das einsehbare Bestandsverzeichnis der öffentlichen Einrichtung gewährleistet. Erfolgt die Widmung ohne vorherigen staatlichen Erwerb des Eigentums bzw. ohne Zustimmung des Eigentümers, ist sie rechtswidrig. Wird die Widmung in einem solchen Fall nicht von Amts wegen zurückgenommen, so kann der Eigentümer ihre Aufhebung verwaltungsgerichtlich erzwingen. Der Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 hält daran fest, dass bei einem (gutgläubigen) Eigentumserwerb durch einen Dritten die Widmung entgegen den allgemeinen privatrechtlichen Grundsätzen bestehen bleibt. Erwirbt also ein Dritter ein gewidmetes Kulturgut, gehe zwar das Eigentum auf den Erwerber über, es bleibe aber weiterhin mit der Widmung belastet.878
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Vgl. hierzu Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 59–61. Vgl. zu der Kommentierung des Referentenentwurfes eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 die Ausführungen bei Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 59–61.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Rechtsfolge 879 einer derartigen Widmung de lege ferenda sei nach der herrschenden Rechtsdogmatik dann die uneingeschränkte Applikation der aus dem Bereich der öffentlichen Straßen und der res sacrae inhaltlich bereits definierten Theorie vom modifizierten Privateigentum 880 – so wie es die Stadt Hamburg in dem Hamburger Stadtsiegel-Fall begehrte, jedoch mangels formeller Ermächtigungsgrundlage nicht erreichen konnte –, sodass grundsätzlich an einem zur öffentlichen Sache gewidmeten Kulturgut durchaus privates Eigentum bestehen könne, das auch durch gewöhnliche privatrechtliche Verfügungen nach den §§ 929 ff. BGB veräußert werden könne, jedoch ohne dass die Belastung mit der öffentlichrechtlichen Zweckbindung aufgehoben werden könne 881. Die genannte öffentlich-rechtliche Zweckbindung bestünde in der Verwahrung des Kulturgutes durch den öffentlichen Träger, um es zu erhalten und zu pflegen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Besitzverlust des Kulturguts in der Hand des Kulturgutträgers widerspreche dem Widmungszweck, sodass in einem solchen Falle das kulturelle Zuordnungssubjekt sein Besitzrecht gemäß § 986 BGB geltend machen könne, das einem vindikatorischen Eigentumsherausgabeanspruchs eines privaten Eigentümers entgegenstünde. Eine öffentlich-rechtliche Widmung könne durch privatrechtliche Verfügungen oder Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung nicht berührt werden.882 Funktion der Theorie vom modifizierten Privateigentum sei damit, dass das gewidmete Kulturgut weder derivativ gutgläubig erworben werden könne – § 936 BGB habe keine Anwendung zu finden – noch dass eine lastenfreie Ersitzung nach § 945 BGB als originärer Eigentumserwerb möglich sei.883 Die Nichtapplikation lastenfreien Erwerbs basiere auf der Überlegung, dass die durch die Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft kein Recht eines Dritten im Sinne des § 936 BGB sei, weil das
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Hierzu und zum Folgenden, vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 373. Vgl. Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff., S. 22–23. So auch die Forderung bei Knopp, Museumspolitik als Kulturgüterschutz, in: Mußgnug/ Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 7. Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 27. Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 27, der die Möglichkeit bedenkt, das Kulturgut im Besitz der öffentlichen Sammlungen und der Kirchen kurzerhand vom gutgläubigen Erwerb, von der Ersitzung und von der Verjährung des Herausgabeanspruchs des Eigentümers auszuschließen.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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öffentliche Recht des Staates nicht den privaten Rechten Dritter gleichgestellt werden könne.884 Zur Sicherung des derart förmlich gewidmeten Kulturguts, das seinem Kulturgutträger – grundsätzlich einem staatlichen, kommunalen oder sonstigen öffentlichen Museum oder Archiv – entgegen der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung entzogen worden ist, wird dem kulturellen Zuordnungssubjekt ein unverjährbarer 885 öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch zugewiesen, der die Heraus884
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Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall – VG Köln, NJW 1991, 2584, JuS 1992, S. 745–748, S. 746; Thormann, Nochmals: Das Hamburger Stadtsiegel, NWVBl. 1992, S. 354–357, S. 355; Frotscher, Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VerwArch. (1971), S. 153 ff., S. 154; Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht – Recht der öffentlichen Sachen, 13. Aufl. 2005, § 37, S. 789–792. Zweifelnd Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBl. 1992, S. 11–13, S. 12: § 936 Abs. 1 S. 1 BGB spreche ganz allgemein von Rechten Dritter, nicht von privaten Rechten Dritter. Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall – VG Köln, NJW 1991, 2584, JuS 1992, S. 745–748, S. 746; Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht – Recht der öffentlichen Sachen, 13. Aufl. 2005, § 37, S. 789–792. Vgl. zu der Unverjährbarkeit des Herausgabeanspruchs ausführlich Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 374: „Eine Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche wird angenommen, soweit es sich um vermögensrechtliche Ansprüche auf ein Tun oder Unterlassen handelt [vgl. u.a. Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 332]. Soweit ausdrückliche Sonderregelungen fehlen, kommen die §§ 194 ff. BGB analog zur Anwendung. Öffentlich-rechtliche Ansprüche verjähren danach im allgemeinen analog § 195 BGB in 30 Jahren. Der Anspruch eines öffentlichen Kulturgutträgers auf Herausgabe eines gewidmeten Kulturgutes ist ein auf ein Tun gerichteter vermögenswerter Anspruch [Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, S. 327–333, S. 332]. Bei analoger Anwendung des § 195 BGB unterläge er somit einer Verjährungsfrist von 30 Jahren. Allerdings wird nach der Theorie vom modifizierten Privateigentum angenommen, daß der Anspruch des öffentlichen Sachherrn auf Herausgabe einer öffentlichen Sache unverjährbar sei [Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 335 ff.] Zumindest für den Anspruch eines öffentlichen Kulturgutträgers auf Herausgabe eines gewidmeten Kulturgutes ist dem zuzustimmen. Es widerspräche dem Widmungszweck, wonach die öffentlichen Kulturgutträger das gewidmete Kulturgut zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen haben, wenn sie ihren Herausgabeanspruch nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr durchsetzen und dadurch die im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben des Kulturgutschutzes nicht mehr erfüllen könnten.“ Die Unverjährbarkeit eines öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs trägt zugleich dem Regelungsgehalt von Art. 7 EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 Rechnung, wonach sich die absolute Verjährungsfrist für den Anspruch auf Rückgabe von Kulturgut aus öffentlichen Sammlungen von 30 Jahren auf 75 Jahre dann verlängert, wenn solches Kulturgut nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats besonderen Schutzregelungen unterliegt; hiervon ausgenommenen sind die Mitgliedstaaten, in denen der Rückgabeanspruch unverjährbar ist. Zwar nicht unbestritten wird eine Anpassung der deutschen Rechtslage im Sinne des Art. 7 der EG-Richtlinie 93/7/EWG in der Literatur befürwortet. Mußgnug, Überlegungen zur Umsetzung der neuen EG-Vorschriften über den Verkehr mit Kulturgütern, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, Festschrift für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1225 ff., S. 1237; Eberl, Probleme und Auswir-
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
gabe bei illegalem Transfer sicherstellen soll. Privaten Museen, den Kirchen und anderen Institutionen, die Kulturgüter verwalten, wird er nur dann zugestanden werden können, wenn auch sie ihre Sammlungen dem Publikum öffnen.886 Seit den Entscheidungen im Hamburger Stadtsiegel-Fall herrscht Einigkeit darüber, dass ein öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch und die Extrakommerzialität eines ‚öffentlichen Kulturguts‘ einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, sodass eine solche zu formulieren sei.887 Hinsichtlich der Durchsetzung des Herausgabeanspruchs besteht einerseits die Möglichkeit, dass es sich um einen öffentlichrechtlichen Anspruch handelt, der im Wege der Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten verfolgt werden kann. Darüber hinaus ist ein verwaltungsautonomes Rechtsdurchsetzungsmodell kraft Verwaltungsaktes mittels einer sog. Inanspruchnahmeverfügung rechtstheoretisch möglich. Dabei liegt es jedoch offen zu Tage, dass die Inanspruchnahmeverfügung eine eigene Belastung des Bürgers darstellt und aus diesem Grund nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes einer eigenständigen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Daher plädieren auch die Vertreter der Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs eines öffentlichen Kulturgutträgers mittels einer solchen öffentlich-rechtlichen Herausgabeverfügung auf die Normierung einer diesbezüglichen zusätzlichen, über die Deklaration als res extra commercium hinausgehenden Ermächtigungsgrundlage innerhalb der Reformbemühungen.888 377
Auch der Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 belegt die Widmung zu ‚öffentlichen Kulturgütern‘ mit einer öffentlich-rechtlichen Herausgabepflicht. Die Widmung bewirkt, dass das öffentliche Kulturgut nur für den von ihr festgelegten Zweck verwendet werden darf. Aufbauend auf dieser öffentlich-rechtlichen Funktionszuweisung ‚öffentlicher Kulturgüter‘ leitet sich ein explizit in dem Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 statuierter öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch ab,
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kungen der EG-Vorschriften zum Kulturgüterschutz, NVwZ, Heft 8, 13. Jahrgang (1994), S. 729–736, S. 733; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 335 ff. A.A. Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 163. Im Ergebnis werde dadurch verhindert, dass das deutsche öffentliche Kulturgut gegenüber demjenigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werde, in denen für den Rückgabeanspruch die längere Verjährungsfrist gelte bzw. die Verjährung ausgeschlossen sei. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 374; Knopp, Museumspolitik als Kulturgüterschutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 7 und S. 27. Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 27; siehe bereits zu der Terminologie ‚öffentliches Kulturgut‘. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 373. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 373.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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der keiner temporalen Präklusion unterfällt. Er überlagert eventuelle bürgerlichrechtliche Eigentums- oder Besitzrechte und kann daher nicht nur Besitzern gegenüber durchgesetzt werden, die einen zivilrechtlichen Besitztitel erworben haben, sondern auch gegenüber dem nichtstaatlichen Eigentümer des ‚öffentlichen Kulturguts‘ selbst. Da die ‚öffentlichen Kulturgüter‘ weder gutgläubig derivativ mittels eines Verkehrsgeschäfts erworben noch originär mittels akquisitiver Ersitzung ersessen werden (§ 9 Abs. 1) können, und der Herausgabeanspruch ‚öffentlichen Kulturguts‘ keiner weiteren temporalen Präklusion unterliegt (die extinktive Verjährung ist explizit ausgeschlossen), sind die ‚öffentlichen Kulturgüter‘ somit als res extra commercium innerhalb des Referentenentwurfes eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 dem Privatrechtsverkehr ex lege entzogen. Die bürgerlichrechtlichen Vorschriften des redlichen Erwerbs abhandengekommener Kulturgüter mittels gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs i.S.d. §§ 932 und 935, der originären Ersitzung nach §§ 937 ff. und der temporalen Präklusion aufgrund extinktiver Verjährung i.S.d. 194 ff. BGB müssten dahingehend modifiziert werden, dass sie auf die in dem Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 sachlich erfassten Kulturgüter keine Anwendung fïnden.889 Dass ein derartiger öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch zum öffentlichen Gebrauch gewidmeter Kulturgüter auch keinen Verstoß gegen die materielle Rechtsordnung darstellen würde, wird einer ausführlichen Begründung zugeführt, wonach nicht nur eine Vereinbarkeit mit Art. 14 und Art. 12 GG vorläge, sondern auch gerade mit den vorrangigen Rechtsinstrumenten der Europäischen Union.
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Eine Beeinträchtigung der in Art. 14 GG inkorporierten Rechtsgarantie kann einerseits hinsichtlich der Widmung zur ‚öffentlichen Sache‘ und andererseits hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs zustande kommen (Frage nach der Vereinbarkeit mit Art. 14 GG).890 In Bezug auf die Widmung könne Art. 14 GG nur betroffen sein, wenn das Kulturgut in privatem Eigentum stehe. In diesem Fall sei eine Widmung jedoch nur mit Zustimmung des Eigentümers zulässig, sodass folglich kein Eingriff in das Eigentum vorläge, sondern
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Vgl. zu der Kommentierung des Referentenentwurfes eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 die Ausführungen bei Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 59–61. Vgl. ausführlich hierzu und zum Folgenden: Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 377–378; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts: Probleme und Grundlagen eines allgemeinen Teils des öffentlichen Sachenrechts, 1985, S. 115. In diesem Sinne wohl auch Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem? Daneben auch ein Beitrag zum Begriff des Kulturgüterschutzes, in: Fechner/ Oppermann/Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 67–90, S. 75.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
bloß eine Konkretisierung der allgemeinen Sozialbindung, deren Voraussetzungen durch die Zustimmung des Eigentümers geschaffen worden seien. Erfolge die Widmung ohne die Zustimmung des Eigentümers, sei sie deshalb rechtswidrig und gemäß § 48 Abs. 1 S.1 VwVfG durch den Kulturgutträger zurückzunehmen und es sei nicht etwa der Eigentümer zu entschädigen.891 Nehme der Kulturgutträger die Widmung nicht zurück, könne der Eigentümer dagegen auf dem Verwaltungsrechtsweg vorgehen. In Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruch könne Art. 14 GG betroffen sein, da ein privater Käufer das Eigentum am Kulturgut nur mit der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung belastet erwerben könne. In diesem Fall sei es jedoch bereits fraglich, ob ein Eingriff in das Eigentum überhaupt vorläge. Denn der Erwerber übernehme das Kulturgut von vornherein mit der öffentlich-rechtlichen Belastung und ihm werde keine Eigentümerposition entzogen. Jedenfalls – so argumentiert Mußgnug – konkretisiere aber auch die Herausgabepflicht nur die Sozialbindung des Eigentums, die durch das überragende öffentliche Interesse des durch die öffentlichen Träger wahrgenommenen Kulturgutschutzes gerechtfertigt sei.892 Im Ergebnis löse der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Herausgabe des gewidmeten ‚öffentlichen Kulturgutes‘ jedenfalls unter keinen Umständen eine Entschädigungspflicht gemäß Art. 14 Abs. 3 GG aus.893 Es wird lediglich darüber diskutiert, ob dem gutgläubigen Erwerber eines mit der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung belasteten Kulturgutes nicht ein billiger Ausgleich gezahlt werden soll.894 380
Rechtstheoretisch ist auch eine Verletzung von Art. 12 GG denkbar 895, da die öffentlich-rechtliche Zweckbindung durchaus den (inter-)nationalen Handel mit Kulturgütern berühren kann (Frage nach der Vereinbarkeit mit Art. 12 GG). Einschränkend wird diesbezüglich jedoch geltend gemacht, dass das Kulturgut durch die Widmung dem Handelsverkehr nicht gänzlich entzogen sei und eine
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Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts: Probleme und Grundlagen eines allgemeinen Teils des öffentlichen Sachenrechts, 1985, S. 115. In diesem Sinne wohl auch Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem? Daneben auch ein Beitrag zum Begriff des Kulturgüterschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 67–90, S. 75. Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff., S. 23; Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 205; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 111. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 378. Reichelt, Diskussionsbeitrag, in Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, S. 135. Vgl. ausführlich hierzu und zum Folgenden: Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 379.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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Veräußerung des gewidmeten Kulturguts nach wie vor möglich sei. Nichtsdestotrotz ist das derart gewidmete Kulturgut mit der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung und der auf ihr beruhenden Herausgabepflicht an den öffentlichen Kulturgutträger belastet und daher aus praktischen Erwägungen de facto bloß eingeschränkt verkäuflich, sodass völlig zu Recht von einem Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Kunst- und Antiquitätengewerbes gesprochen werden kann. Nach Vertretern einer öffentlich-rechtlichen Reform und der Widmung bestimmter kultureller Güter zu einer öffentlichen Sache sei jedoch eine solche Rechtsregel durch das überragende öffentliche Interesse an der Erhaltung des nationalen Kulturerbes gerechtfertigt, das die öffentlichen Kulturgutträger sicherzustellen hätten, sodass weder eine übermäßige noch eine unzumutbare Belastung der Kunst- und Antiquitätenhändler zu erkennen sei.896 Auch eine Verletzung des vor der deutschen Rechtsordnung vorrangigen Rechtssystems der Europäischen Union kommt in Betracht (Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Rechtssystem der Europäischen Union).897 Primär ist dabei an eine Kollision der Extrakommerzialität ‚öffentlicher Kulturgüter‘ mit den Rechtsvorschriften der EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 zu denken.898 Bekanntlich übernimmt die Richtlinie jedoch eine spezielle, mitgliedstaatliche Unterschutzstellung ‚öffentlicher Kulturgüter‘ und bezieht diese nach Art. l Nr. 1, 2. Spiegelstrich EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 899 in ihren Anwendungs896 897
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Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 379. Das EG-Recht hat nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Vorrang vor dem innerstaatlichen Gesetzesrecht: Ständige Rspr. des EuGH seit RS 6/64 Costa/ENEL, Sig. 1964, 1251 ff. (1269 ff.), NJW 1964, 2371. Zum eingeschränkten Vorrang vor den Grundrechten, vgl. BVerfGE 37, 271 (Solange I); BVerfGE 52, 202 (Vielleicht); BVerfGE 73, 339 (Solange II); BVerfG, NJW 1990, 974 (Wenn nicht); BVerfGE 89, 155 (Maastricht). Das gilt auch dann, wenn das nationale Recht später erlassen wurde. Die lex posterior-Regel findet insoweit keine Anwendung. Eine EG-Richtlinie entfaltet aufgrund der Umsetzungspflicht der Mitgliedstaaten eine Sperrwirkung für das nationale Recht. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 379–380. Hierzu und zum Folgenden Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 379–380. Art. 1 EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993: Im Sinne dieser Richtlinie gilt als 1. „Kulturgut“: ein Gegenstand, – der vor oder nach der unrechtmäßigen Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Verwaltungsverfahren im Sinne des Art. 36 des Vertrages als „nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert“ eingestuft wurde und – unter eine der im Anhang genannten Kategorien fällt oder, wenn dies nicht der Fall ist, – zu öffentlichen Sammlungen gehört, die im Bestandsverzeichnis von Museen, von Archiven oder von erhaltenswürdigen Beständen von Bibliotheken aufgeführt sind. Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten als „öffentliche Sammlungen“ diejenigen Sammlungen, die im Eigentum eines Mitgliedstaats, einer lokalen oder einer regionalen Behörde innerhalb
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
bereich mit ein. Da es nach Art. 12 900 den Mitgliedstaaten freisteht, die Eigentumsverhältnisse an ihrem nationalen Kulturgut zu regeln, ist auch die Designation bestimmter Kulturgüter als ‚öffentliche Sachen‘ sowie die Statuierung einer Extrakommerzialität solcher Kulturgüter rechtswirksam möglich Daraus ergibt sich, dass die Widmung ‚öffentlichen Kulturguts‘ mit der Folge des modifizierten Privateigentums im Einklang mit der EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 steht. Darüber hinaus steht auch der Ausschluss des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs bzw. der lastenfreien Ersitzung nach der Theorie vom modifizierten Privateigentum mit den Rechtsregeln der Richtlinie in Einklang. Völlig richtig ordnet Hipp die Vereinbarkeit eines öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruches de lege ferenda mit Art. 12 der Richtlinie ein, seine Unverjährbarkeit mit Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 901 und den gutgläubigen (lastenfreien) Eigentumserwerb von Kulturgut mit Art. 9 der EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 902, der lediglich eine angemessene Entschädigung für denjenigen Erwerber gebietet, der hinsichtlich der Ausfuhr gutgläubig war.903
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eines Mitgliedstaats oder einer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelegenen Einrichtung stehen, die nach der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats als öffentlich gilt, wobei dieser Mitgliedstaat oder eine lokale oder regionale Behörde entweder Eigentümer dieser Einrichtung ist oder sie zu einem beträchtlichen Teil finanziert; – im Bestandsverzeichnis kirchlicher Einrichtungen aufgeführt ist; … . Art. 12 EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993: Die Frage des Eigentums an dem Kulturgut nach erfolgter Rückgabe bestimmt sich nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats. Art. 7 Abs. l Unterabs. 2 EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993: In jedem Fall erlischt der Rückgabeanspruch 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem das Kulturgut unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats verbracht wurde. Handelt es sich jedoch um Kulturgüter, die zu öffentlichen Sammlungen gemäß Art. 1 Nummer 1 gehören, sowie um kirchliche Güter in den Mitgliedstaaten, in denen sie nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften besonderen Schutzregelungen unterliegen, so erlischt der Rückgabeanspruch nach 75 Jahren; hiervon ausgenommen sind die Mitgliedstaaten, in denen der Rückgabeanspruch unverjährbar ist, sowie bilaterale Abkommen zwischen Mitgliedstaaten, in denen eine Verjährungsfrist von über 75 Jahren festgelegt ist. Art. 9 EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993: Wird die Rückgabe angeordnet, so gewährt das zuständige Gericht des ersuchten Mitgliedstaats dem Eigentümer in der Höhe, die es im jeweiligen Fall als angemessen erachtet, eine Entschädigung, sofern es davon überzeugt ist, daß der Eigentümer beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist. Die Beweislast bestimmt sich nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats. Im Fall einer Schenkung oder Erbschaft darf die Rechtsstellung des Eigentümers nicht günstiger sein als die des Schenkers oder Erblassers. Der ersuchende Mitgliedstaat hat die Entschädigung bei der Rückgabe zu zahlen. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 379–380.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
Die EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgüter vom 15. März 1993 stellt bekanntlich keine abschließenden Regelungen über das gemeinschaftliche Rückgabeverfahren illegal transferierter Kulturgüter dar, sondern lässt weiterhin nach Art. 30 (ex Art. 36) EGV 904 nationale Vorschriften zur Bewahrung und Erhaltung kultureller Güter für zukünftige Generationen zu.905 Sie entfaltet daher keine Sperrwirkung für den Erlass nationaler Kulturgüterschutzsysteme, die entsprechend der sog. öffentlich-rechtlichen Lösung aufgrund der Designation kultureller Güter zu ‚öffentlichen Sachen‘ einen öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruch bedingen bzw. kulturelle Güter der Extrakommerzialität unterwerfen. Prämisse hierfür ist jedoch, dass die speziellen Voraussetzungen des Art. 30 (ex Art. 36) EGV gewahrt bleiben. Die Widmung zum öffentlichen Kulturgut und die sich aus der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung ergebende Herausgabepflicht stellen zwar kein Ausfuhrverbot dar, da sie aber den Besitz am gewidmeten Kulturgut an den deutschen Kulturgutträger binden, sind sie spezifisch dazu geeignet, die Ausfuhr des gewidmeten Kulturgutes zu erschweren. Da ferner nur deutsches Kulturgut gewidmet werden kann, treffen sie auch inländische Ware und Importware unterschiedlich, sodass die Statuierung eines öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs verbunden mit der Anordnung der Extrakommerzialität sog. ‚Maßnahmen gleicher Wirkung‘ darstellen, die jedoch grundsätzlich dem Verbot des Art. 29 (ex Art. 34) EGV unterliegen. Diese sind jedoch nach Art. 30 (ex Art. 36) EGV gerechtfertigt, da die Statuierung ‚öffentlicher Sachen‘ entsprechend der Theorie des modifizierten Privateigentums gegenüber einem völligen Veräußerungsverbot, wie es in einigen anderen Mitgliedstaaten besteht, das mildere Mittel darstellt. Schließlich handelt es sich auch nicht um ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Die Widmung und der öffentlich-rechtliche Herausgabeanspruch sind nach Rechtsansicht der Vertreter der sog. öffentlich-rechtlichen Lösung durch sachliche Erfordernisse des Kulturgutschutzes gerechtfertigt. Mit ihnen verfolgt die Bundesrepublik Deutschland keinerlei Ziele wirtschaftlicher Art.906
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Art. 30 (ex-Art. 36) EGV: Die Bestimmungen der Artikel 28 und 29 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Vgl. hierzu und zum Folgenden m.w.N. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 379–380. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 379–380.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
3.
Abwägung zwischen der sog. privatrechtlichen und der sog. öffentlich-rechtlichen Lösung
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Beide Lösungsmodelle intensivieren den Schutz kultureller Güter hinsichtlich der Bestandswahrung öffentlicher Kulturverwaltungsträger. Mittels des sog. bürgerlich-rechtlichen Lösungsmodells, das dem öffentlichen Kulturverwaltungsträger eine dauerhafte privat-rechtliche Rechtsposition an dem ‚öffentlichen Kulturgut‘ zuordnet, können die Vorteile der zivilrechtlichen Resolutionsmethoden nicht nur im nationalen, sondern gerade auch im internationalen illegalen Kulturgüterverkehr fruchtbar gemacht werden. Der große Vorteil der privatrechtlichen Lösung besteht darin, dass sie nach dem Grundsatz der lex rei sitae vor ausländischen Foren in der Regel zu einer erfolgreichen Durchsetzung des dinglichen Herausgabeanspruchs führen wird, solange keine weiteren Transaktionen über das illegal transferierte Kulturgut im Ausland vorgenommen wurden. Dagegen wird dies bei der öffentlich-rechtlichen Lösung wegen des in der Praxis de lege lata applizierten Grundsatzes der Nichtanerkennung ausländischen öffentlichen Rechts nicht der Fall sein.907 Andererseits zeitigt die sog. öffentlich-rechtliche Lösung vor allem innerhalb des nationalen illegalen Kulturgüterverkehrs positive Rechtswirkungen. Rechtlichen Vorteil stellen hier vor allem die verwaltungsrechtlichen Besonderheiten dar, die aus dem Über- und Unterordnungsverhältnis individueller Privatpersonen gegenüber dem Staatswesen entsprechend dem anerkannten Subordinationsverhältnis entspringen. Die öffentlich-rechtliche Lösung hat ihre Vorzüge vor allem bei der Durchsetzung des Herausgabeanspruchs im Inland aufgrund der verwaltungsrechtlichen Besonderheiten, insbesondere des Verwaltungszwangsverfahrens.908
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Aufbauend auf diesen Erwägungen wird seitens der rechtsdogmatischen Reformbemühungen nach Erlass der Entscheidungen in dem Hamburger Stadtsiegel-Fall eine kombinierte Applikation sowohl des privatrechtlichen als auch des öffentlich-rechtlichen Lösungsmodells proklamiert, um einen möglichst weit907
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Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 208; Stoll, Diskussionsbeitrag, in Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, S. 230; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 113. Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 208; Stoll, Diskussionsbeitrag, in Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, S. 230; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 113.
5. Abschnitt: Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs extrakommerzialer Kulturgüter
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reichenden Schutz ‚öffentlicher Kulturgüter‘ zu erlangen. Diese besondere Schutzfunktion beruhe auf der rechts- und kulturpolitischen Erwägung, dass die Rechtssicherheit und der Verkehrsschutz Werte seien, die ihren Ursprung im öffentlichen Interesse fänden, die jedoch mit weiteren berücksichtigungswürdigen öffentlichen Interessen in eine Abwägung einzutreten hätten.909 Gegenüber dem internationalen Transfer kultureller Güter bedeutet dies, dass auch die Bewahrung des öffentlichen Kulturgutes in der Hand seiner verwaltungsrechtlich organisierten Kulturgutträger dem überragenden kulturpolitischen Interesse der Erhaltung des nationalen Kulturerbes im eigenen Land diene. Die Vertreter der genannten Reformbemühungen instrumentalisieren diese kulturnationalistischen Erwägungen dahingehend, dass hinter dem Erhaltungs- und Bewahrungsinteresse einer Nation an national wichtigen Kulturgütern im eigenen Land das Interesse der Rechtssicherheit zurückzustehen habe, sodass wohl zu Recht die Extrakommerzialität proklamiert wird. Aufgrund der Unterscheidung zwischen ‚öffentlichen Kulturgütern‘ – kulturelle Güter in Staatseigentum sowie die Kulturgüter, die in das Bestandsverzeichnis einer öffentlichen Einrichtung eingetragen sind, oder die im Bundesgebiet als archäologischer und paläontologischer Fund entdeckten deutschen Kulturgüter werden dem speziellen Regelungsregime ‚öffentlicher Kulturgüter‘ unterworfen – und ‚bloß‘ privaten Kulturgütern werden sowohl die herrschende Lehre als auch der Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 nicht nur den nationalen Anforderungen zwischen Verkehrsschutz und dem öffentlichen Interesse an Publizität national wichtiger Kulturgüter, sondern zusätzlich auch den internationalen Anforderungen einer fairen Abwägung zwischen den Interessen an einem freien Kulturgüteraustausch entsprechend dem Prinzip eines kulturellen Internationalismus einerseits
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Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, S. 207–208; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/ Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 27. Befürwortend: von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 557; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 112–113; Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem? Daneben auch ein Beitrag zum Begriff des Kulturgüterschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 67–90, S. 74; Streinz, Handbuch des Museumsrechts – Band 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, 1998, S. 131 ff. In Bezug auf die öffentliche Versteigerung Becker, Der Kampf um die Rückgabe von abhandengekommenem Archivgut: Von den Schwachstellen der Zivilrechtsordnung, Archivmitteilungen 43 (1994), S. 47–49, S. 48; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 381–383.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
als auch dem Bewahrungs- und Erhaltungsinteresse der Kulturgüter für zukünftige Generationen nach dem sog. kulturellen Nationalitätsprinzip andererseits gerecht. Somit kann man durchaus davon sprechen, dass sich innerhalb der innerdeutschen rechtsdogmatischen Reformbewegungen hinsichtlich des privaten Kulturguts dem Prinzip der größtmöglichen Liberalität verschrieben wird, aber beim ‚öffentlichen Kulturgut‘ das genaue Gegenteil, ein extrem rigoroser Schutz, angestrebt wird. Abgesehen vom Ausfuhrverbot privaten Kulturguts, welches in einem „Landesverzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ eingetragen ist, beschränkt der Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 den freien Handel mit privatem Kulturgut nicht. Da die EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 die Rückführung von privatem Kulturgut, das in einem Verzeichnis national wertvollen Kulturguts eingetragen ist und unrechtmäßig in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verbracht wurde, gewährleistet, sieht der Referentenentwurf vom 10. Oktober 1997 keine Beschränkung des gutgläubigen Erwerbs vor. Es besteht lediglich die Möglichkeit, den privaten Kunstbesitz in die sicherere Obhut einer öffentlichen Einrichtung zu geben und die Eintragung in das Bestandsverzeichnis dieser öffentlichen Einrichtung zu verlangen, wobei bei der Widmung von Leihgaben allerdings die schriftliche Zustimmung des Eigentümers oder Verfügungsberechtigten erforderlich ist. Durch diese für den privaten Eigentümer unbedenkliche Überlassung seines Besitzes an eine öffentliche Institution wird die Bereitschaft zu Leihgaben erhöht; denn durch die Widmung erhält auch das private Kulturgut den Schutz eines gewidmeten öffentlichen Kulturguts.910
§ 7 Ergebnis: Extrakommerzialität kultureller Güter als Allzweckwaffe im Kampf gegen den illegalen Kunsthandel? 386
Aufgabe des 2. Teils war die Darstellung unterschiedlicher rechtstheoretischer Ausgestaltungsweisen des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs bei Eintritt unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in den (inter-)nationalen Kunsthandel. Nachdem in einem ersten Schritt nach den Grundsätzen der lex rei sitae bestimmt wurde, dass diejenigen Sachenrechtsregeln zur Anwendung berufen sind, in deren Territorium sich die Veräußerung vollzog, musste in einem zweiten Schritt bestimmt werden, welcher der theoretisch möglichen Ausgestaltungsvarianten gutgläubigen Erwerbs die zur Anwendung berufene Rechtsordnung folgte. Dabei wurde erkannt, dass einige Rechtsordnungen wie bspw. die amerikanischen Zivilrechtsordnungen der einzelnen Bundesstaaten oder die deutsche
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Vgl. zu der Kommentierung des Referentenentwurfes eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 die Ausführungen bei Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 59–61.
§ 7 Ergebnis: Extrakommerzialität von Kulturgütern als ,Allzweckwaffe‘?
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Sachenrechtsordnung nach dem BGB grundsätzlich den gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ausschließen und nur ausnahmsweise einen redlichen Erwerb erlauben (vgl. oben 2. Abschnitt). Kontrastiert wurden diese Ausführungen im 3. Abschnitt durch die rechtstheoretische Möglichkeit des generellen gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter am Beispiel der Zivilrechtsordnung Italiens. Schließlich wurde erkannt, dass andere nationale Rechtsordnungen wie bspw. diejenigen der Schweiz und Frankreichs ebenso wie kulturgüterrechts-spezifische internationale Rechtsinstrumente wie die UNESCO-Convention vom 14. November 1970, die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 sowie die Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 als Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen innerhalb der Frage des gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zwar grundsätzlich die Rückführung der Kunstwerke und damit den Ausschluss einer bona fide-Akquisition bestimmen, jedoch dem gutgläubigen restitutionspflichtigen Besitzer eine finanzielle Kompensationszahlung in Form eines Lösungsrechts gewähren (vgl. oben 4. Abschnitt). Zuletzt wurde am Ende des 2. Teils ersichtlich, dass auch die nationale Designation kultureller Güter zu sog. res extra commercium zum Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs kultureller Güter führen kann (vgl. oben 5. Abschnitt). Als Definition der innerhalb der deutschen Rechtsordnung unbekannten Extrakommerzialität wurde festgestellt, dass Kulturgüter aus rechtsvergleichender Sicht immer dann als res extra commercium und damit als verkehrsunfähig zu bezeichnen sind, wenn die Objekte weder rechtsgeschäftlich erworben werden können (d.h. unveräußerlich sind), wenn kein Eigentumsverlust im Wege der originären Eigentumsersitzung eintritt (d.h. die Kulturgüter unersitzbar sind) und Herausgabeansprüche der Eigentümer aus der dinglichen Rechtsposition keiner temporalen Präklusion unterfallen (d.h. die Restitutionsansprüche unverjährbar sind). Dies kann aus rechtskonstruktiver Sicht in zweierlei Ausgestaltungsformen der Fall sein. Einmal wurde erkannt, dass in einigen Rechtsordnungen Kulturgüter als sog. domaniale Objekte angesehen werden (wie bspw. innerhalb der Rechtsordnung Frankreichs der sog. domaine public oder innerhalb Italiens der sog. demanio pubblico), die ausdrücklich per Gesetz oder per Gewohnheitsrecht zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben außerhalb des Rechtsverkehrs stehen und keiner Eigentumsposition individueller Privatpersonen zugänglich sind. Diese Ausgestaltungsform kann als Extrakommerzialität im engeren Sinne bezeichnet werden. Darüber hinaus kann die Verkehrsunfähigkeit aber auch per Gesetz innerhalb des nationalen Kulturgüterschutzrechts bestimmt werden. Diese Extrakommerzialität kultureller Güter im weiteren Sinne ist dann anzunehmen, wenn das nationale Kulturgüterschutzgesetz ausdrücklich bestimmt, dass Kulturgüter unveräußerlich und unersitzbar sind und der Restitutionsanspruch des staatlichen Verwaltungsträgers nicht verjährt. Auch diese zweite Ausgestaltungsvariante ist bspw. innerhalb der Rechtsordnung Frankreichs bekannt.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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Nach den Entscheidungen zum sog. Hamburger Stadtsiegel-Fall steht für die deutsche Rechtsordnung unbestritten fest, dass deutsche Kulturgüter nicht außerhalb des Rechtsverkehrs stehen und deshalb auch nach einem unrechtmäßigen Entziehungsakt veräußerlich sind. Da in Deutschland keine spezialgesetzlichen Regelungen eine Extrakommerzialität im weiteren Sinne anordnen, hatten die Gerichte zu prüfen, ob die sog. ‚öffentlichen Kulturgüter‘ im Eigentum der öffentlichen Verwaltungsträger per Gewohnheitsrecht unveräußerlich, unersitzbar und unverjährbar waren. Sowohl nach Ansicht des Bundesgerichtshofs als auch des Bundesverwaltungsgerichts konnte sich jedoch kein diesbezügliches Gewohnheitsrecht feststellen lassen und es wurde bestimmt, dass eine Einschränkung der Eigentumsposition und der Regelungen des gutgläubigen Erwerbs allein per Gesetz möglich ist. Solange der deutsche Gesetzgeber nicht explizit bestimmt, dass ‚deutsche‘ Kulturgüter im Staatseigentum nicht gutgläubig rechtsgeschäftlich oder originär erworben werden können und der Herausgabeanspruch des kulturellen Verwaltungsträgers nicht verjährt, ist innerhalb der deutschen Rechtsordnung nicht von der Extrakommerzialität kultureller Güter auszugehen.
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Abschließend stellt sich noch die Frage, ob die Extrakommerzialität kultureller Wertgegenstände ein effektives Mittel im Kampf gegen den illegalen Kunsthandel darstellt. Bei der Schutzwirkung der Designation kultureller Güter als res extra commercium ist zwischen der Konstellation einer Veräußerung unter Geltung der Rechtsordnung des kulturellen Ursprungsstaates, der die Extrakommerzialität bestimmte (und einem möglichen sog. schlichten Statutenwechsel), und einer Veräußerung außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates und somit bei Geltung einer neuen lex rei sitae (sog. Konstellation eines qualifizierten Statutenwechsels) zu unterscheiden. In der erstgenannten Konstellation geht es um die Veräußerung eines unveräußerlichen Kulturguts an einen gutgläubigen Erwerber innerhalb des kulturellen Ursprungsstaates, der die Extrakommerzialität bestimmt, ohne Statutenwechsel oder mit einem schlichten Statutenwechsel. Ein schlichter Statutenwechsel liegt nach allgemeinem Begriffsverständnis dann vor, wenn der sachenrechtliche Tatbestand (d.h. die Veräußerung des Kulturguts) nach den Voraussetzungen des alten Statuts (d.h. des kulturellen Ursprungsstaates) vollendet war und nach einer Ausfuhr des Kulturguts aus dem kulturellen Ursprungsstaat keine sachenrechtserhebliche Einwirkung auf das Eigentumsrecht erfolgte. In dieser Konstellation kann der kulturelle Ursprungsstaat – wohl unbestritten – innerhalb seines Forums trotz einer Veräußerung des unveräußerlichen Kulturguts (auch nach einem schlichten Transfer in eine neue Rechtsordnung) seine Eigentumsposition gegenüber dem Besitzer geltend machen.
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Ein Beispielsfall für ein staatliches Restitutionsbegehren aufgrund fortbestehenden privatrechtlichen Staatseigentums basierend auf der Klassifizierung kultureller Güter als res extra commercium bietet die vom Tribunale di Torino ent-
§ 7 Ergebnis: Extrakommerzialität von Kulturgütern als ,Allzweckwaffe‘?
schiedene Rechtsstreitigkeit Casa della cultura ecuadoriana c. Danusso 911: Aufgrund eines italienischen Zeitungsartikels hatte der Konsul Ekuadors erfahren, dass der Italiener Giuseppe Danusso sich im Besitz archäologischer Kulturgüter mit ekuadorianischer Herkunft befand. Es stellte sich heraus, dass Giuseppe Danusso die genannten Kulturgüter in Ekuador von ekuadorianischen Staatsbürgern käuflich erworben und anschließend mit nach Italien genommen hatte. Auf Grundlage von Art. 58 der in dem genannten Urteil zitierten ekuadorianischen Verfassung von 1967 sind archäologische Kulturgüter Teil des „patrimonio cultural de la nación“ mit der rechtlichen Bedeutung, dass die genannten Güter sich zwar nicht zwingend im privatrechtlichen Staatseigentum befinden, sondern Privatpersonen durchaus die Eigentümerstellung einnehmen können, jedoch mit den Beschränkungen eines „dominio fiscal o eminente“ des Art. 623 des Zivilgesetzbuches Ekuadors belastet sind. Obwohl danach Privatpersonen Eigentümer von Gütern des „patrimonio cultural de la nación“ sein können, scheidet eine rechtswirksame Veräußerung ohne Genehmigung des Instituto de cultura di Ecuador aus. Entsprechend dem Grundsatz der lex rei sitae musste zur Bestimmung des für die Veräußerung anwendbaren Rechts die Zivilrechtsordnung Ekuadors Anwendung finden, nachdem die Veräußerung der archäologischen Kulturgüter von den ekuadorianischen Staatsbürgern an Giuseppe Danusso sich auf ekuadorianischem Territorium ereignete. Nachdem das italienische Gericht die genannte schwierige ekuadorianische Rechtslage erforscht hatte, wurde ohne größere Schwierigkeiten zugunsten der Casa della cultura ecuadoriana entschieden, dass die archäologischen Objekte als Teil des „Ecuadorian patrimonio cultural“ anzusehen sind, dass die genannten Kulturgüter ohne die rechtlich zwingend notwendige Genehmigung des Instituto de cultura di Ecuador von Giuseppe Danusso erworben wurden und dass somit ein rechtswirksamer Eigentumsübergang in Ekuador ausgeschlossen sein musste. Im Ergebnis wurde damit dem Restitutionsbegehren der Casa della cultura ecuadoriana entsprochen, zumal das derart begründete Ergebnis keinesfalls als Verletzung des italienischen ordre public als Ausdruck der Grundprinzipien von Recht und Ordnung der italienischen Öffentlichkeit galt, sondern, im Gegensatz zu der genannten Befürchtung, vielmehr bereits als Ausdruck der für diesen Fall noch nicht anwendbaren UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property vom 14. November 1970 angesehen werden konnte.
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Tribunale di Torino, 25. März 1982, 18 Rivista di diritto internazionale privato e processuale, S. 625 (1982). Hierzu und zum Folgenden auch Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 82–83; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 74–75, S. 183–184 und S. 256–258.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Das Gericht sieht den dominio eminente als eine „categoria intermedia fra i beni privati ed i beni nazionali dell’uso pubblico (beni demaniali o publici)“ 912 an, die das Privateigentum an den betroffenen Sachen nicht ausschließt. Insofern kann es wohl nicht als Eigentumsrecht qualifiziert werden („istituto giuridico distinto dalla proprietà civile“ e dalla „proprietà commune“). Andererseits verwendet das Gericht zuweilen auch den Begriff des „diritto di proprietà“.913 Im Ergebnis bedeutet die Entscheidung jedoch, dass „… the original owner is still the owner and the Republic of Ecuador by its successful suit can make use of the artefacts as ,dominio cultural de la nación‘.“ 914 Der ekuadorianische dominio eminente wurde als ein den schlichten Statutenwechsel überdauerndes Recht angesehen, das nach dem Grundsatz der wohlerworbenen Rechte der lex rei sitae auch innerhalb einer ausländischen Zivilrechtsordnung einen vindikatorischen Eigentumsherausgabeanspruch zu begründen vermag. Der durch ekuadorianisches Recht anerkannte dominio eminente wurde vom italienischen Gericht als dingliches Recht qualifiziert, das unter dem alten Belegenheitsstatut wirksam entstanden und auch durch einen Ortswechsel der damit behafteten Kulturgüter nicht untergegangen ist.915 Allgemein zeigt das Urteil, dass nationale Gerichte bei der Entscheidung über die Eigentumsstellung des Erwerbers einer res extra commercium gestellten Sache nicht allein privatrechtliche, sondern gerade auch öffentlichrechtliche Vorschriften der entsprechend der lex rei sitae anwendbaren Rechtsordnung anwenden. Das Gericht sah also die im öffentlichen Interesse erlassenen Vorschriften zum Schutz des „patrimonio culturale della nazione“ als von der international-privatrechtlichen sachenrechtlichen Verweisung miterfasst an.916
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Casa della cultura ecuadoriana c. Danusso, Tribunale di Torino, 25. März 1982, 18 Rivista di diritto internazionale privato e processuale, S. 625 (1982), S. 629. Casa della cultura ecuadoriana c. Danusso, Tribunale di Torino, 25. März 1982, 18 Rivista di diritto internazionale privato e processuale, S. 625 (1982), S. 629. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 83; so auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 256–257; Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz – Eingriffsnormen und der internationale Kunsthandel, in: Pfister/Will, Festschrift für Werner Lorenz zum siebzigsten Geburtstag, 1992, S. 525–542, S. 536; sowie Clerici, La protection des biens culturels vis-à-vis des règles italiennes de conflit, Rivista di diritto internazionale privato e processuale 25 (1989), S. 799–808, S. 805. A.A.: Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff., S. 61–62: „öffentlich-rechtliches Eigentum“; Byrne-Sutton, Le trafic international des biens culturels sous l’angle de leur revendication par l’Etat d’origine, 1988, S. 131–132: „droit de propriété“; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 90: „Staatseigentum“; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 84: „Treuhänderschaft“. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 183 unter Verweis auf Casa della cultura ecuadoriana c. Danusso, Tribunale di Torino, 25. März 1982, 18 Rivista di diritto internazionale privato e processuale, S. 625 (1982), S. 629–630.
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Der unter dem ekuadorianischen Recht begründete ‚dominio eminente‘ hafte den Objekten auch noch nach einem schlichten Statutenwechsel an, lediglich der Inhalt dieser sachenrechtlichen Prägung würde von dem Recht des neuen Belegenheitsortes, also dem italienischen Recht, bestimmt.917 Das Gericht führte dazu aus, dass es in der italienischen Rechtsterminologie zwar keinen dem ekuadorianischen dominio eminente entsprechenden Begriff gäbe, jedoch sei der Inhalt der ekuadorianischen Gesetze in Bezug auf Erwerb, Ausübung und Beschränkung des Eigentumsrechtes an archäologischen Kulturgütern mit dem italienischen Recht „perfettamente compatibile“. Daher bestünden keinerlei Hindernisse, die unter dem ausländischen Statut begründeten Rechte im Inland anzuerkennen.918 Diese Konstellation ist jedoch von der im internationalen Kunsthandel häufig anzutreffenden Konstellation der Veräußerung extrakommerzialer Kulturgüter außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates unter Geltung einer neuen lex rei sitae (sog. Konstellation eines qualifizierten Statutenwechsels) zu unterscheiden (inalienable property is transferred outside the State which provides such an inalienability 919). Hier stellt sich die Frage, ob die Extrakommerzialität auch außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates und bspw. in Deutschland erfolgende Verfügungen erfasst. Gedanken des Kulturgüterschutzes und die für eine Sonderanknüpfung ausländischer Kulturgüterschutzgesetze angestellten Erwägungen sprechen dafür, dies zu bejahen.920 Zum selben Ergebnis könnte man auch bei weiter Applikation der Prägungstheorie gelangen, derzufolge Kulturgüter auch nach ihrem Grenzübertritt diejenige sachenrechtliche Prägung beibehalten, die ihnen im Herkunftsstaat gegeben wurde und die somit als wohlerworbenes Recht gilt.921 Andererseits sind bspw. innerhalb der deutschen Rechtsordnung Veräußerungsbeschränkungen aufgrund der Extrakommerzialität für Kulturgüter unbekannt und das BGB ist in § 137 S. 1 gerade bestrebt, keine res extra commercium entstehen zu lassen.922 Deshalb ist bei einer Veräußerung extrakommerzialer Kulturgüter außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates den Gutglaubensvorschriften der neuen lex rei sitae Anwendung zu verleihen und den Interessen des Kulturgüterverkehrs an Rechtssicherheit Rech-
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Casa della cultura ecuadoriana c. Danusso, Tribunale di Torino, 25. März 1982, 18 Rivista di diritto internazionale privato e processuale, S. 625 (1982), S. 631. Casa della cultura ecuadoriana c. Danusso, Tribunale di Torino, 25. März 1982, 18 Rivista di diritto internazionale privato e processuale, S. 625 (1982), S. 632–633. Grammaticaki-Alexiou, The Status of Cultural Property in Greek Private International Law, Revue Hellénique de Droit International 47 ème Année (1994), S. 139–160, S. 151–152. Vgl. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3584. Vgl. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3584. Vgl. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3584.
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
nung zu tragen. Eine Sonderanknüpfung dieser Regeln – durch die auch das Sachenrecht des BGB teilweise außer Kraft gesetzt würde – ist abzulehnen.923 Die bisherige Gerichtspraxis zeigt, dass selbst in denjenigen Staaten, die für ihre eigenen Kulturgüter eine Extrakommerzialität anerkennen, keine Unveräußerlichkeit für ausländische Kulturgüter angenommen wurde, wenn die Objekte außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates veräußert wurden.924 Selbst wenn der Forumstaat die Unveräußerlichkeit bestimmter eigener Kulturgüter in etwa dem Maße und Inhalt des kulturellen Ursprungsstaates bestimmt, erkennen dieselben Gerichte keine Extrakommerzialität für ausländische Kulturgüter an. Die Unbeachtlichkeit ausländischer Verkehrsunfähigkeit kultureller Wertgegenstände wurde schon in der französischen Entscheidung Duc de Frias v. Baron Pichon aus dem Jahre 1886 bestimmt und der italienischen Entscheidung Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini knapp einhundert Jahre später wiederholt. 393
Innerhalb der Rechtssache Duc de Frias v. Baron Pichon aus dem Jahre 1886 925 sah sich die Äbtissin der Kathedrale von Burgos in Kastilien-León im Nordwesten Spaniens gezwungen ein wertvolles Ziborium aus Geldsorgen zu verkaufen.926 Baron Pichon erwarb das Ziborium in Paris. Kurze Zeit später verlangten die Kathedrale von Burgos und der Herzog von Frias als Nachkomme des ursprünglichen Donators, der das Ziborium als unveräußerliches Gut der Kathedrale von Burgos schenkte, das Objekt aus dem Besitz von Baron Pichon wieder heraus. Der Tribunal civil de la Seine verweigerte jedoch einen Restitutionsanspruch: Nachdem das Gericht zu Recht von der Anwendbarkeit französischen Rechts aufgrund der Veräußerung des Ziboriums in Paris ausging, wurde auf Art. 2279 Code civile als Vorschrift von „l’interêt d’ordre social“ verwiesen und im Ergebnis die Anerkennung einer auf spanischem Recht beruhenden Unveräußerlichkeit der Sache aufgrund der Veräußerung des in Streit stehenden Gutes in Frankreich verwiesen. Der Tribunal civil de la Seine bestimmte, dass ein als res extra commercium klassifiziertes Kulturgut, das außerhalb des Geltungsbereichs derjenigen Rechtsordnung veräußert wird, die die Unveräußerlichkeit normiert, den Charakter als res extra commercium verliert. Und dies, obwohl die französi-
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Vgl. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3584. Vgl. auch Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 83–85. Duc de Frias v. Baron Pichon, Tribunal de la Seine, 17. April 1885, 13 Journal du droit international privé, S. 593 (1886). Weitere Quellen hierzu: Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 72; Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 73; Siehr, Handel mit Kulturgütern in der Europäischen Union und in der Schweiz, in: Walder, Aspekte des Wirtschaftsrechts – Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1994, 1994, S. 353–372, S. 355.
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sche Rechtsordnung 927 ihrerseits ein Recht anerkennt, bestimmte Güter als res extra commercium zu qualifizieren: Nach der Rechtseinschätzung des Tribunal civil de la Seine machte es in dem Fall somit keinen Unterschied, dass auch die französische Rechtsordnung als lex causae selbst eine Rechtsinstitution entsprechend der res extra commercium anerkennt, und es musste das ursprünglich unveräußerliche Recht des Kulturgutträgers durch die Veräußerung außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates erlöschen.928 Knapp einhundert Jahre später musste dieselbe Rechtsfrage, diesmal vor einem italienischen Zivilgericht, entschieden werden. Innerhalb der Rechtssache Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini vom 27. Juni 1987 929 wurden zwei die Odyssee betreffende Wandteppiche, die sich in französischem Staatseigentum befanden und im Jahre 1901 staatlich zu national wichtigen Kulturgütern deklariert wurden, ohne rechtmäßige Ausfuhrerlaubnis und damit illegal nach Italien exportiert und dort an einen gutgläubigen Erwerber veräußert. Die französische Regierung beantragte vor einem italienischen Zivilgericht die Restitution der illegal aus Frankreich transferierten Kulturgüter und gründete ihr Begehr unter anderem darauf, dass die gestohlenen Objekte als
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Speziell zu Frankreich Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1093–1096; Gourdon, Excerpt from the Memoire „Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Œuvres d’Art“, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198; Maurer, Die Ausfuhr von Kulturgütern in der Europäischen Union, 1995, S. 132–144. Diesbezüglich stellt Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 126, jedoch völlig zu Recht die Überlegung an, dass in zahlreichen Fallkonstellationen sowohl im Forumstaat als auch in dem Ursprungsstaat kulturelle Güter speziellen Rechtsregimen unterfallen, die bestimmte Kunstwerke einem Veräußerungsverbot unterwerfen bzw. diese zu res extra commercium erklären. Aufbauend auf den Überlegungen, dass der Einfluß hoheitlichen Handelns auf private Rechte größer sei und daher stärkere Berücksichtigung bei der Einschränkung der Verkehrsfähigkeit einer Sache verdiene sowie auf der nationalen Bestimmung, dass eine res extra commercium unveräußerlich, nicht gutgläubig erwerbbar und unersitzbar sei, würden eventuell bestehende private Rechte, insbesondere aber auch der Rechtsverkehr, maßgeblich eingeschränkt. Diesen Auswirkungen dürfe sich auch das Ausland nicht verschließen. In einem solchen Fall der privatrechtsbeschränkenden Unterschutzstellung kultureller sowohl in der Rechtsordnung des Forumstaates als auch des Ursprungsstaates liege die Interessenlage nämlich so, dass die meisten Rechtsordnungen selbst Sachen mit eingeschränkter Verkehrsfähigkeit (beispielsweise res sacrae oder Kulturgüter von nationaler Bedeutung) kennen und diesbezüglich die Staatsinteressen gleichgelagert sind. Dies müsse zur grenzüberschreitenden Anerkennung einer Deklaration kultureller Güter zu res extra commercium führen. Damit könnte großenteils auf bereits bestehende Rechtsinstrumente zurückgegriffen werden. Voraussetzung für die ausländische Anerkennung wäre allerdings, dass der Sache die Einschränkung der Handelbarkeit bereits anhaftet, ehe sie ins Ausland gelangt. Insoweit ist die alleinige Sachherrschaft der neuen lex rei sitae zu respektieren. Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini, Tribunale di Roma, 27 June 1987, 71 Rivista di diritto internazionale, 920 (1988).
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
unveräußerlich zu behandeln seien.930 Wäre eine gutgläubige Veräußerung der in Frankreich als „monument historiques“ klassifizierten Wandteppiche, die eine französische Amtsstube dekorierten und nach französischem Recht tatsächlich als Staatseigentum unveräußerlich waren, innerhalb Frankreichs erfolgt und die Kulturgüter dann in der Folge nach Italien verbracht worden (Konstellation eines sog. schlichten Statutenwechsels), hätte der hier zur Entscheidung berufene Tribunale di Roma sicherlich die Restitution der Wandteppiche angeordnet. Die Eigentumsübertragung innerhalb des französischen Territoriums wäre nach Art. 22 Disp.prel. C.c.i. nach dem Recht der örtlichen Belegenheit der Sache, also nach französischem Recht, beurteilt worden. Dabei hätte auch ein italienisches Gericht die französische Unveräußerlichkeitsbestimmung als dinglich wirkende Rechtsregel der französischen Rechtsordnung beachtet, im Ergebnis eine wirksame Eigentumsübertragung abgelehnt und den französischen Staat weiterhin als Eigentümer seiner Kulturgüter betrachtet, auch wenn diese zwischenzeitlich nach Italien verbracht worden wären.931 In dem konkreten Fall wurden die Wandteppiche jedoch in Italien weiterveräußert, sodass die Konstellation eines qualifizierten Statutenwechsels gegeben war. Hinsichtlich des Problems der Unveräußerlichkeit gestohlener französischer Kulturgüter vor italienischen Zivilforen führte der Tribunale di Roma aus, dass sich die Unveräußerlichkeit bzw. die Marktgängigkeit allein nach dem Grundsatz der lex rei sitae zum rechtserheblichen Zeitpunkt des Transfers der in Rede stehenden beweglichen Kulturgüter zu entscheiden habe. Aufgrund der Tatsache, dass eine Veräußerung der Wandteppiche in Italien an einen gutgläubigen Erwerber erfolgte, folgerte das Gericht, dass sich der Transfer und damit auch die Behandlung als unveräußerlich oder marktgängig allein nach italienischem Recht zu richten habe und hiernach ein gutgläubiger Erwerb der Teppiche einen wirksamen Eigentumsübergang nach sich ziehe. Damit wurde im Ergebnis den französischen Vorschriften nach einem in Italien erfolgten gutgläubigen Erwerb keine rechtliche Beachtung geschenkt und die französischen Vorschriften der Unveräußerlichkeit schlichtweg für „irrelevanti“ erklärt.932 395
In der Entscheidung berief sich Frankreich explizit auf die Erwägung, dass auch nach der italienischen Rechtsordnung kein Eigentum an solchen Sachen, die unter das Rechtsregime des öffentlichen Eigentums (demanio pubblico) fallen – besonders von Interesse sind hier Gegenstände der öffentlichen Museen, Gemäldegalerien und Archive –, weder derivativ im Wege eines Veräußerungsgeschäftes noch originär ipso iure aufgrund gesetzlicher Bestimmungen erwor-
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Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 188. Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 254. Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini, Tribunale di Roma, 27 June 1987, 71 Rivista di diritto internazionale, S. 920 (1988), S. 922.
§ 7 Ergebnis: Extrakommerzialität von Kulturgütern als ,Allzweckwaffe‘?
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ben werden könne. Nach Art. 822 Abs. 2 Codice civile italiano werden nicht nur unbewegliche Gegenstände, welche aufgrund ihrer historischen, archäologischen und künstlerischen Wichtigkeit Bedeutung erlangten, sondern zusätzlich auch sämtliche Sammlungen von Museen, Gemäldegalerien, Archiven und Bibliotheken der speziellen Rechtsherrschaft des demanio pubblico unterstellt. Rechtsfolge der Qualifizierung als demanio pubblico ist bekanntlich, dass solche Güter grundsätzlich unveräußerlich sind, und dritte Personen nicht mehr Rechte an diesen Gegenständen erwerben können als die rechtsnormativ das öffentliche Eigentum etablierenden Gesetze selbst auch bestimmen (Art. 823 Abs. 1 Codice civile italiano). Zusätzlich bestimmt Art. 1145 Codice civile italiano, dass Güter, die unter das Rechtsregime des öffentlichen Eigentums (demanio pubblico) fallen, weder durch Ersitzung (usucapione) noch durch Verjährung (prescrizione) erworben werden können. Das Gericht urteilte jedoch in Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini, dass diese Unveräußerlichkeit dem Wortlaut der genannten Vorschriften entsprechend allein italienischen Kulturgütern zukomme, keinesfalls jedoch auch ausländischen Kunstwerken von Nutzen sein könne. Damit verweigerte das Gericht die Anwendung solcher Protektionsmechanismen auf Kulturgüter, die im Eigentum fremder Staaten stehen, sodass sich die Wandteppiche heute noch immer in Italien befinden. Im Ergebnis kann somit hinsichtlich der Effektivität der Designation kultureller Güter als unveräußerlich, unersitzbar und unverjährbar festgehalten werden, dass nur bei einem nationalen Sachverhalt oder bei einem schlichten Statutenwechsel ein absoluter Schutz für den kulturellen Verwaltungsträger vor einem Rechtsverlust besteht. Erfolgt jedoch eine Veräußerung durch einen Nichtberechtigten außerhalb des Geltungsbereichs der Kulturgüterschutzvorschriften des kulturellen Ursprungsstaates (sog. Konstellation des qualifizierten Statutenwechsels), richtet sich der gutgläubige Erwerb allein nach den Sachenrechtsregeln des neuen Statuts. Jedoch selbst in dem Fall, dass auch das neue Forum die Extrakommerzialität kultureller Wertgegenstände vergleichbar zu der Ausgestaltung im kulturellen Ursprungsstaat anerkennt, qualifiziert das zur Entscheidung berufene Gericht nur eigene Kulturgüter des Forumstaates, jedoch keine ausländischen Kulturgüter als unveräußerlich, und entscheidet nach den Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten. Auch unveräußerliche Kulturgüter ausländischer Staaten können demnach bei gutem Glauben und Redlichkeit des Erwerbers im internationalen Kunsthandel gutgläubig rechtsgeschäftlich erworben werden.
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An dieser Stelle wird wieder ersichtlich, dass die Gutgläubigkeit des Erwerbers über die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter entscheidet. Nachdem nun in zahlreichen Ausführungen und immer wiederkehrend die besondere Bedeutung der Gutgläubigkeit für den Kunsthandel Darstellung fand, drängt sich die Frage auf, wann ein Erwerber sich überhaupt redlich verhält. Bislang blieb der notwendige Sorgfaltsmaßstab gutgläubiger Erwerber unbeant-
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2. Teil: Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
wortet. Es herrscht kein einheitliches Verständnis darüber, welches Verhalten noch als ‚gutgläubig‘ und welches bereits als ‚bösgläubig‘ zu bezeichnen ist, welche gegenständlichen Ausgestaltungen hinsichtlich einer gesetzlichen Gutglaubensvermutung erkennbar sind, ob vor Gericht Nacherforschungsbemühungen, eine Provenienzbestimmung oder eine Verifizierung der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers verlangt wird, welche Erfordernisse die konkreten Handelsgewohnheiten und -bräuche im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr mit sich bringen, und ob etwa persönliches Wissen oder das personale Kennenmüssen bei der Bestimmung der Gutgläubigkeit von Bedeutung sind und ob so professionell am Kunsthandel beteiligte Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser etwa strengeren Anforderungen unterliegen als private Kunstsammler. Diesen Fragen wird innerhalb des 3. Teils des vorliegenden Diskurses Gehör geschenkt. Dabei geht es einerseits um die rechtsdogmatische Ausgestaltung der Terminologie der Gutgläubigkeit, in gleichem Maße aber auch um eine Darstellung der praktisch notwendigen Verhaltensanforderungen an die im Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen, Auktionshäuser und Privatsammler und deren Redlichkeit.
3. Teil: Guter Glaube im internationalen Kunsthandel: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber Schrifttum: Antonio, The Current Status of the International Art Trade, Suffolk Transnational Law Journal 10 (1986), S. 51–86; Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585–3586; Asam, Rechtsfragen des illegalen Handels mit Kulturgütern – Ein Überblick, in: Mansel/Pfeiffer/Kronke/Kohler/Hausmann, Festschrift für Erik Jayme, 2004, S. 1651–1668, S. 1666–1667; Bator, The International Trade in Art, 1983, S. 80–89; Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257; Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932; Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, 1992, S. 93, S. 189–192; Boochs/Ganteführer, Kunstbesitz – Kunsthandel – Kunstförderung im Zivil- und Steuerrecht, 1992, S. 32; Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417; Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976; Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., S. 26–30; Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005; Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 503; Das, Claims for Looted Cultural Assets: Is There a Need for Specialized Rules of Evidence?, in: The International Bureau of the Permanent Court of Arbitration, Resolution of Cultural Property Disputes – Papers emanating from the seventh PCA International Law Seminar May 23, 2003, S. 197–199; DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464; Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 123–146 (Diskussionsbeiträge); DuBoff, The Antique and Art Collector’s Legal Guide, 2003, S. 27 ff.; Due Diligence for Acquiring Cultural Property in the New Millennium?, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 51; Evans, The relevance of good faith to the trade in cutural property, in: Council of Europe/Conseil de l’Europe, Proceddings of the Thirteenth Colloquy on European Law, Delphi, 20–22 September 1983: International Legal Protection of Cultural Property, 1984, S. 121–123; Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2., insb. S. 19–85, und S. 273 ff.; Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 374–376; Franz, Datenbanken abhanden gekommener Kulturgüter am Beispiel der Koordinierungsstelle der Länder für die Rückführung von Kulturgütern, Kunstrecht und Urheberrecht 1 (1999), S. 345–351; Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 68–74; Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, 1984, S. 176–180; Garro, The Recovery of Stolen Art Objects from Bona Fide Purchasers, in: Lalive, International Sales of Works of Art – Volume I – Geneva Workshop 11–13 April 1985, 1988, S. 514; Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 392–393; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159; Grell/Plutschow, Sorgfaltspflichten gemäss Kulturgütertransfergesetz (KGTG) – Anleitung mit praktischen Tipps, 2005; Handreichung zur Umsetzung der Erklärung
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007; Hanisch, Der Fall des Liotard und die nationale Zuordnung eines Kunstwerks, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 19–36, S. 31; Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/ Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 222–224; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 52–53, S. 200, S. 322 ff. und S. 405–406; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177; Holzweißig, Sorgfaltspflichten im Kunsthandel – Qualifizierungsworkshop November 2002, 2002; Jackson, Provenance Research – Looking for Looted Art, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, Volume 3, Numbers 3 & 4 (2000), S. 19; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 69 und 159; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38, S. 171 ff. und 179 ff.; Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 559; Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 167; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184; McCord, The Strategic Targeting of Diligence: A New Perspective on Stemming the Illicit Trade in Art, Indiana Law Journal, Band 70 (1995), S. 985–1008, insb. S. 997–1007; MüllerChen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267– 1279, S. 1272; Müller-Katzenburg, Gutgläubiger Erwerb, Ersitzung, verjährung …?, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht (Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln)/die eigene Geschichte (Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich/Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg), 2002, S. 211–237; Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2556; MüllerKatzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 315 ff. , S. 329 ff.; Phelan, Scope of Due Diligence Investigation in Obtaining Title to Valuable Artwork, Seattle University Law Review 23 (2000), S. 631–733; Pinkerton, Due Diligence in Fine Art Transactions, Case Western Reserve Journal of International Law 22 (1990), S. 1–29; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932; Redmond-Cooper, Good Faith Acquisition of Stolen Art, Art, Antiquity and Law 2 (1997), S. 55–61; Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1420; Reichelt, Kulturgüterschutz und Internationales Privatrecht, IPRax 1986, S. 73–75; Renold, Stolen Art: The Ubiquitous Question of Good Faith, in: The International Bureau of the Permanent Court of Arbitration, Resolution of Cultural Property Disputes – Papers emanating from the seventh PCA International Law Seminar May 23, 2003, S. 260–263; Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24; Reutter/Wieser, Der Handel mit der Gutgläubigkeit, Schweizer Monatshefte, Nr. 3/4 (2005), S. 29–34; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85, S. 202–206; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 208–215, S. 218–222, S. 227–229; Schack, Kunst und Recht – Bildende Kunst, Architektur, Design und Fotografie im deutschen und internationalen Recht,
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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2004, S. 199 ff.; Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1433–1434; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44; Schneider, Rechtliche Risiken beim Erwerb von Antiquitäten und Kunstgegenständen, DB 1981, S. 199–204; Schönenberger, Restitution von Kulturgut, 2009, S. 207–214; Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 175–178; Seegers, Überprüfung von Kunstwerken und Kulturgütern: Status und Provenienz, in: Holzweißig, Sorgfaltspflichten im Kunsthandel – Qualifizierungsworkshop November 2002, 2002; Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz – Eingriffsnormen und der internationale Kunsthandel, in: Pfister/ Will, Festschrift für Werner Lorenz zum siebzigsten Geburtstag, 1992, S. 525–542, S. 535–536; Siehr, Völkerrecht und Internationaler Kulturgüterschutz vor Gericht, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 57–72, S. 66–67; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68, S. 64 ff.; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff., S. 63–64; Tatzkow, Raubkunst im Kunsthandel, in: Schoeps/Ludewig, Eine Debatte ohne Ende? Raubkunst und Restitution im deutschsprachigen Raum, 2007, S. 59–82; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 139 m.w.N.; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932; Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256.
Der 3. Teil beschäftigt sich mit dem notwendigen Sorgfaltsmaßstab gutgläubiger Erwerber und der konkreten Bestimmung, wann ein Erwerber redlich handelt und welche Verhaltensweisen bei der Akquisition schon die Bösgläubigkeit indizieren. Dabei befindet man sich im Zentrum der materiell-rechtlichen Lösungsalternativen zum illegalen Kunsthandel: Die Ineffizienz internationaler Kulturgüterschutzkonventionen wie zwischenstaatlicher Rechtsinstrumente und öffentlich- und strafrechtlicher Resolutionsmethoden konnte ebenso deutlich nachgewiesen werden wie der geringe Nutzen von selbstauferlegten Verhaltensstandards zur Selbstregulation des (inter-)nationalen Kunstmarktes. Das kulturgüterunspezifische Zivilrecht wurde aufgrund der Möglichkeit einer international anerkennungsfähigen und vor allem auch durchsetzbaren Sachzuordnung kultureller Wertgegenstände an ein Zuordnungssubjekt als der Motor des heutigen Kulturgüterschutzes verstanden, auf das in letzter Instanz regelmäßig Zuflucht in Fragen der repressiven Zuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter genommen wurde. Innerhalb der nationalen Privatrechtsordnungen wurden in der Folge kollisionsrechtliche Lösungsalternativen zur Umsetzung kulturgüterspezifischer Wertungsgesichtspunkte diskutiert. Diese sind jedoch nach dem ausdrücklichen Willen des deutschen Gesetzgebers, der sich explizit für die Geltung der lex rei sitae auch im internationalen Kulturgüterverkehr ausgesprochen hat, für den deutschen Rechtskreis verschlossen. Diesem Umstand wurde auch durch die Entscheidung des 10. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 16. Oktober
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
2006 Ausdruck verliehen. Dass somit innerhalb der deutschen Rechtsordnung zur Zeit allein materiell-rechtliche Lösungsalternativen für den Disput zwischen freiem Kulturgüterverkehr und Kulturgüterschutz zur Verfügung stehen ist jedoch keineswegs als Notlösung, sondern als genau der richtige Weg zu sehen. Das materielle Zivilrecht und dabei insbesondere die Sachenrechtsregeln des BGB nehmen bereits seit mehr als einhundert Jahren eine effektive Sachzuordnung beweglicher Gegenstände vor. Auch für den Kulturgüterschutz und die Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter hält das Zivilrecht durch die Implikation spezieller Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb ein effektives Instrumentarium bereit, um den divergierenden Interessen Gehör zu verschaffen. Schon allgemein bildet das Kriterium des guten Glaubens ein Instrument, mit dem eine auf den Einzelfall zugeschnittene Anpassung der Erwerbsvoraussetzungen erfolgen kann. Aber auch im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr ist die Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der Gutgläubigkeit zur eigentlichen Schlüsselfrage und zum Regulierungsinstrument des Rechtsinstituts des Kulturguterwerbs vom Nichteigentümer geworden. Diesem Umstand wurde dadurch Rechnung getragen, dass spezielle Anforderungen an die Gutgläubigkeit von Erwerbern kultureller Wertgegenstände und entsprechende Beweislastregeln formuliert wurden. 2
Innerhalb der Untersuchungen zu den konkret notwendigen Sorgfaltsanforderungen im (inter-)nationalen Kunsthandel wird zunächst im 1. Abschnitt eine rechtsvergleichende Untersuchung des gebotenen Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vorgenommen. Darin soll entsprechend der Darstellungsweise der unterschiedlichen nationalen Ausgestaltungsformen der bona fide-Akquisition innerhalb des 2. Teils ein abstrakter Überblick über die divergierenden nationalen Gesetzesvarianten sorg- bzw. unsorgfältigen Verhaltens innerhalb des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und deren theoretisch möglichen Ausgestaltungsformen gegeben werden. Ziel besteht dabei nicht darin, für jede regelmäßig im illegalen Kunsthandel involvierte Rechtsordnung abschließend zu erklären, welche Anforderungen die Gutgläubigkeit begründen oder welche Maßnahmen zur Bösgläubigkeit führen. Vielmehr wird Wert darauf gelegt, dass beispielhaft ein Verständnis dafür geschaffen wird, welche Ausgestaltungsvarianten denkbar und realistisch sind. Zur Verdeutlichung der abstrakt-theoretisch möglichen Ausgestaltungsvarianten wird anhand zahlreicher Beispiele der national wie international notwendige Sorgfaltsmaßstab in concreto ermittelt. Damit wird für den Leser die Möglichkeit geschaffen, sich schnell in jede nationale Ausgestaltungsvariante einzudenken, um selbständig eine Prüfung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit eines Erwerbers kultureller Wertgegenstände vorzunehmen.
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Eine besondere Bedeutung nimmt die kulturgüterspezifische Erarbeitung der speziellen Indizien und Kriterien ein, die auf einen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Bestimmung der Gutgläubigkeit des Erwerbers
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr aus rechtsvergleichender Sicht hinweisen. Dabei kristallisieren sich für die unterschiedlichen Konstellationen des illegalen Kulturgüterverkehrs divergierende Hinweiszeichen heraus, die eine Art ,Checkliste‘ für den Rechtsanwender in der Bestimmung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit des Erwerbers von Kulturgütern darstellen (vgl. untenstehend den 2. Abschnitt). Signifikante Hinweise können im Rahmen der Veräußerung eines Kulturguts entweder unmittelbar auf die Nichtberechtigung des Veräußerers hindeuten oder nur Zweifel an dessen Eigentumsposition begründen, sodass entweder die Gutgläubigkeit aufgrund der Kenntnis signifikanter Hinweise ausgeschlossen ist oder nur weitere Nachforschungen seitens des Erwerbers zu verlangen sind, um diese Indizien ausräumen zu können. Dabei sind vor allem die besonderen Kriterien zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb gestohlener (2. Abschnitt Punkt A.) und illegal exportierter Kulturgüter (2. Abschnitt Punkt B.) zu nennen. Ausführlicher Darstellung werden im 2. Abschnitt unter Punkt C. auch die verdächtigen Erwerbsumstände im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr von Kulturgütern zugeführt, die im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen wurden. Aufgrund der – so wird zu sehen sein – im (inter-)nationalen Kunsthandel notwendigen Provenienzerforschungsanforderungen der professionell am Kunsthandel beteiligten Museen, Galeristen, Kunsthändler und Auktionshäuser und teilweise auch privaten Kunstsammler kommt den öffentlich zugänglichen Dokumentationsquellen illegal transferierter Kulturgüter zur Erfüllung einer Provenienzerforschungsobliegenheit gutgläubiger Erwerber im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr eine besondere Bedeutung zu. Während noch vor einigen Jahren geeignete Provenienzerforschungsbemühungen bezüglich zum Kauf anstehender Kunstwerke allein von spezialisierten Kunsthistorikern durchgeführt werden konnten, stehen heute – so wird innerhalb des 3. Abschnitts ersichtlich – zahlreiche Informationspools auch nicht professionell im Kunsthandel Beschäftigten offen, die ohne großen finanziellen, sachlichen oder zeitlichen Aufwand eine Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Eigentümer- oder Berechtigtenposition von Veräußerern kultureller Güter ermöglichen. Dabei wird auch die innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik inzwischen gehäuft anzutreffende Forderung nach der Einführung eines sog. ‚Kunstobjekt-Briefs‘ aufgegriffen und rechtliches Gehör geschenkt.
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1. Abschnitt Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber 5
Zunächst wird eine rechtsvergleichende Untersuchung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vorgenommen. Neben der Vorbildwirkung internationaler und zwischenstaatlicher Rechtsinstrumente (vgl. unten Punkt A.) wird exemplarisch auf die abstrakttheoretische Ausgestaltung des konkret notwendigen Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika (vgl. unten Punkt B.) und der deutschen (vgl. unten Punkt C.), Schweizer und italienischen Rechtsordnungen (vgl. unten Punkte D. und E.) abgestellt. Abschließend wird auf die besondere Bedeutung der speziellen Provenienzerforschungsanstrengungen innerhalb der selbstauferlegten Verhaltensstandards der professionell am Kunsthandel Beteiligten hingewiesen (vgl. unten Punkt F.), die eine ebenso rechtsprägende Funktion wie die kulturgüterspezifischen Standards der internationalen Rechtsinstrumente einnehmen. Due diligence-Anforderungen gutgläubiger Erwerber im (inter-) nationalen Kulturgüterverkehr
Konkreter Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb kultureller Wertgegenstände auf Seiten des Erwerbers (sog. ‚due diligence’-Anforderungen des Erwerbers beim Kulturgüterkauf)
Unterlassen gebotener Nachforschungen: Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen seitens gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Frage nach der Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium bei der Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs auf Seiten des Erwerbers: gesteigerte Sorgfaltspflichten der professionell am Kunsthandel Beteiligten
Konkrete Indizien der Bösgläubigkeit und spezifische im (inter-) nationalen Kulturgüterverkehr einschlägige Kriterien bei der Bestimmung der Gutgläubigkeit des Erwerbers (verdächtige Erwerbsumstände)
Fragen der Beweislastverteilung: Gutglaubensvermutung oder Pflicht zum Nachweis der Gutgläubigkeit durch den Erwerber
Schema 8 – Rechtsrelevante Fragestellungen innerhalb der Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr
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Für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr können innerhalb der normativen Ausgestaltung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs im gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter spezielle Fragestellungen extrahiert werden, die besondere Bedeutung für den Handel mit unrechtmäßig entzogenen und in
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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der Folge illegal transferierten Kulturgütern einnehmen. So ist zunächst innerhalb der rechtsvergleichenden Untersuchung der zwischenstaatlichen Regelwerke, nationalen Sachenrechtsordnungen und selbstauferlegten Verhaltensstandards der professionell am Kunsthandel Beteiligten die Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen seitens gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu überprüfen und die Folgen des Unterlassens gebotener Nachforschungen zu bestimmen. Darüber hinaus nimmt jedes Rechtsinstrument und jede Rechtsordnung auch zu der Frage Stellung, ob eine Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium bei der Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs auf Seiten des Erwerbers erfolgt. Dabei werden insbesondere generell gesteigerte Sorgfaltspflichten der professionell am Kunsthandel Beteiligten ersichtlich werden. Besondere Bedeutung nehmen innerhalb der normativen Ausgestaltung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs im gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch die Darstellung konkreter Indizien der Bösgläubigkeit (sog. ‚verdächtige‘ Erwerbsumstände) und spezifische im (inter-) nationalen Kulturgüterverkehr einschlägige Kriterien bei der Bestimmung der Gutgläubigkeit des Erwerbers ein. Schließlich ist innerhalb der rechtsvergleichenden Untersuchung der zwischenstaatlichen Regelwerke, nationalen Sachenrechtsordnungen und selbstauferlegten Verhaltensstandards der professionell am Kunsthandel Beteiligten auch die Frage nach einer Gutglaubensvermutung oder einer Pflicht zum Nachweis der Gutgläubigkeit durch den Erwerber zu beantworten. Außergewöhnlich wichtige Bedeutung nimmt dabei regelmäßig die Frage nach der Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen seitens gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und nach den Folgen des Unterlassens gebotener Nachforschungen ein. Pauschal ist zunächst festzustellen, dass nicht nur die deutsche Zivilrechtsordnung, sondern auch die überwiegende Zahl nationaler Rechtsvorschriften zum gutgläubigen Fahrniserwerb im Regelfall keine Erkundigungs-, Informations- und Nachforschungsobliegenheiten expressis verbis normieren. Diese rechtliche Ausgangslage entspricht auch der tatsächlichen Sachlage bei der Veräußerung kultureller Wertgegenstände im (inter-)nationalen Kunsthandel, in dem „traditions of the art market, steeped in secrecy and what passes for „gentlemanly“ informality, provide ideal opportunities for introducing stolen antiquities into the legal art market. Traditional methods of art dealing help to obscure the origins of rare artifacts.“1 Auch die professionell am Kunsthandel beteiligten Galeristen, Kunsthändler und Auktionshäuser sind grundsätzlich nicht bereit, Untersuchungen über die Herkunft eines Kunstwerks anzustellen, da einerseits die Auftraggeber von Kunsthändlern und Galeristen und Einlieferer in Auktionshäusern in vielen Konstellationen anonym bleiben möchten und andererseits die Händler nicht bereit sind, die Namen ihrer Kunden 1
Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 385.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
preiszugeben, weil andere professionell am Kunsthandel Beteiligte auf diese Weise Kenntnis von potentiellen Verkäufern von Kunstwerken erhalten könnten2 („dealers guard their sources and clients in order to corner certain markets“3). Auch die Praktiken beim Erwerb kultureller Wertgegenstände auf Auktionen, auf denen ein Erwerb auch außergewöhnlich wertvoller und kulturell bedeutender Werke sogar von abwesenden Personen per Telefon, anonym und ohne Identifikation des Erwerbers erfolgen kann, bergen eine Verdunkelungsgefahr. Während die großen Händler und Auktionshäuser den Standpunkt vertreten, dass die Publizität, die dem Verkauf eines Kunstwerks durch Verkaufskataloge und die Versteigerung selbst zukommt, genügt, um mögliche Eigentümer über den Verbleib ihrer Objekte in Kenntnis zu setzen,4 nehmen eher kleinere Händler den Standpunkt ein, dass die Zahl der Prozesse es nicht rechtfertige, von dem hergebrachten Brauch im Kunsthandel abzuweichen.5 Vor diesem Hintergrund gilt es, die bestehenden Regelungen dahingehend zu untersuchen, ob die zwischenstaatlichen Regelwerke, nationalen Sachenrechtsordnungen und selbstauferlegten Verhaltensstandards der professionell am Kunsthandel Beteiligten trotz dieser Feststellung „elastisch genug“ 6 sind, um die Notwendigkeit einer Provenienzerforschungsobliegenheit zu konstruieren, oder aber zumindest einen strengeren Maßstab, möglicherweise auch eine Umkehr der Beweislast unter Abkehr der Gutglaubensvermutung bspw. des § 932 Abs. 1 S. 1 BGB innerhalb der deutschen Rechtsordnung zu erreichen. 8
Innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik wird fast einhellig von dem Vorliegen einer Nacherforschungsobliegenheit (zumindest der professionell am Kunsthandel Beteiligten) ausgegangen. Nur vereinzelt finden sich Nachweise, die Verifizierungsbemühungen generell verneinen: “[T]he complexity of the art market would make it extremely inefficient to require individual purchasers
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Vgl. Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2.3, S. 26; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 39–40. Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 385. Vgl. die Leserbriefe in The Antiques Trade Gazette, London, abgedruckt in Stolen Art Alert, Bd. 5, Nr. 5, S. 4–6, 4 (Juni 1984: Brief von Paul Whitfield, Geschäftsführer von Christie’s); DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 457 Fn. 108; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 39–40. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 39–40; DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 448 Fn. 39. Siehr, Völkerrecht und Internationaler Kulturgüterschutz vor Gericht, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 57–72, S. 66.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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in each transaction to investigate all possibilities that the work in question had been smuggled or laundered. … Placing the liability for buying stolen antiquities on good faith purchasers … merely makes dealers the insurers against the risk of litigation” 7. Für den deutschen Rechtsraum weist bspw. auch Grell innerhalb der Forderung nach einer generellen Provenienzerforschungsobliegenheit auf die allgemeinen Grenzen der Praktikabilität einer Sorgfaltspflicht hin. „Diese sind angesichts des Informationsüberflusses unserer Zeit und den hohen Kosten einer fundierten Abklärung nicht allzu weit zu ziehen. Zudem gilt es beim Provenienznachweis zu berücksichtigen, dass der Eigentümer oftmals nicht mehr ermittelt werden kann oder eine genaue Provenienz nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand festgestellt werden kann. Am besten nachzuweisen ist die Provenienz eines Museums, denn normalerweise wird im Gegensatz zu privaten Erwerbungen jedes erworbene Werk durch Bildaufnahmen dokumentiert und mit einem unauffälligen Kennzeichen versehen und bei Eingang in die Bestände des Museums in einem Inventarbuch und einer Kartei vermerkt.8 Bei einer genügend intensiven Nachforschung nach der Provenienz des besagten Kunstwerkes … hat der Erwerber im Normalfall seiner Pflicht bereits Genüge getan.“ 9
9
In der Regel wird jedoch für den (inter-)nationalen Handel mit Kulturgütern nicht nur bei Vorliegen besonders ‚verdächtiger‘ Erwerbsumstände, sondern – aufgrund der typischen Gefahrensituation des Kunsthandels und der Anfälligkeit des illegalen Transfers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – generell gefordert, dass für jede Veräußerung kultureller Wertgegenstände (zumindest für die professionell am Kunsthandel Beteiligten) die Notwendigkeit spezieller Verifizierungsbemühungen des Erwerbers hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers besteht (keine Gutglaubensvermutung, sondern Nachforschungsobliegenheit10).
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So formuliert bspw. Hipp, dass sämtliche Vorschläge in diesem Zusammenhang vor allem darauf abzielen, „strengere Anforderungen an die Gutgläubigkeit beim Erwerb von Kulturgut zu stellen. Der Erwerber von Kulturgut einerseits muß nachweisen, daß er sich eingehend über die Herkunft des Gutes erkundigt
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Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 407 und Fn. 197. Unter Hinweis auf Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’œuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 44–45 äußert sich besonders aus europäischem Blickwinkel zur Inventarisierung von Kunst- und Kulturgütern. Vgl. auch Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 73–74. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159, unter Berufung auf Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 73. Vgl. auch die gerichtlich festgestellte Gutgläubigkeit des Sammlers Paul Heinz Bendix beim Erwerb des vermutlich von den NSUnrechtsbehörden beschlagnahmten Gemäldes ‚Zwei schwarze Flecken‘ (1923) von Kandinsky in art, Heft 3/1993, S. 137. Das Gemälde ist abgebildet in: Lempertz, 150 Jahre I/1995, S. 47, wo die Provenienz Lissitzky Küppers schon vermutet wird. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585–3586.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
und bei Zweifeln über eine mögliche illegale Herkunft die zur Verfügung stehenden amtlichen und nichtamtlichen, nationalen und internationalen Informationsmöglichkeiten ausgeschöpft hat. Bei erkennbar wertvollem ausländischem Kulturgut muß er sich zudem Belege für die Rechtmäßigkeit der Ausfuhr vorlegen lassen.“11 Auch Müller-Katzenburg spricht sich für erhöhte Sorgfaltsanforderungen im Kunsthandel aus: „Wer ein Kulturgut von bedeutendem Wert zu kaufen gedenkt, muss die jeweilige Provenienz des potentiellen Erwerbsgegenstandes erforschen und nach entsprechenden Anhaltspunkten für die Rechtmäßigkeit seines Transfers fahnden, wozu auch eine gewisse Klarheit über die Person des Veräußerers und dessen Verfügungsbefugnis gehört.“12 Entsprechend formuliert Schwadorf-Ruckdeschel: „Der Erwerber eines Kulturguts hat sich grundsätzlich über dessen Herkunft und die Person des Veräußerers zu erkundigen. Andernfalls ist diesem die Verletzung der notwendigen Sorgfaltspflichten vorzuwerfen. Der Ansatz erscheint deshalb grundsätzlich gerechtfertigt, weil im internationalen Kulturgüterverkehr von einem gewachsenen Bewusstsein von der Besonderheit eines Kulturguts auszugehen und eine Zunahme des allgemeinen Informationsflusses im Kunsthandel erkennbar ist.“13 12
Entsprechende rechtsdogmatische Forderungen bestehen auch innerhalb des Common Law-Rechtskreises, wonach „reforms must include routine inquiries of the supplier about the provenance of the piece; consultation of available databases of stolen and smuggled objects; examination of applicable export regulations; and inquiry into cultural significance.“14 “[I]n determining whether a defendant has purchased stolen art in good faith, courts should distinguish between an individual purchaser and the better positioned parties that participate in the art trade, such as museums, art galleries, dealers, and auction houses. … [D]ue to their intimate knowledge and extensive resources, entities and individuals in the art industry should be held to a higher standard of good faith in their dealings and investigations of title.“15 Besonders für die professionell am Kunsthandel beteiligten Museen16 wird bspw. von Collin eine erhöhte Sorg-
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Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 315. Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 175–177. Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., S. 29. Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 163–164. Vgl. so auch innerhalb der deutschen Rechtsdogmatik: „Die erhöhte Erkundigungspflicht wäre zumindest im Bereich des professionellen Kunsthandels gerechtfertigt.“ Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 167.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
327
faltsanforderung verlangt: “Museums have a unique opportunity to detect illegitimately acquired art in the marketplace by enquiring into the provenance of pieces … . ” 17 Museen stellen in der Regel einen eminent wichtigen Marktpartner im internationalen Kulturgüterverkehr dar, „… virtually all works eventually end up in public institutions and museums.“18 Könnte die illegale (entgeltliche wie unentgeltliche) Akquisition von Kunstwerken seitens kultureller Institutionen verhindert werden, könnte durchaus ein beträchtlicher Teil des illegalen Schwarzmarktes verringert werden. “Progress could also be made in the war to stop the trafficking of illicit art by imposing an additional duty of diligence on any museum acting as buyer. … Museums are in unique position of power in the art market, and, for this reason, their diligence when researching provenance should be held to the highest standard. … [T]he enhanced standard of care would require museums to acquire evidence of legitimacy for each work. This would include checking with each potential country of origin for verification of non-ownership.” 19 Dass diese Ansätze innerhalb des Common Law-Rechtskreises derweil auch judikative Bestätigung erfahren, macht bspw. die unveröffentlichte britische Entscheidung De Préval v. Adrian Alan Ltd. deutlich, in der das Gericht bestimmte, dass der Erwerber zweier kulturell außergewöhnlicher Leuchter, die im Jahre 1996 gestohlen worden waren, nicht gutgläubig handelte, da er als Kunsthändler mit Spezialisierung in diesem Bereich „should have been alerted that their provenance might be doubtful“20. Das Votum für eine Provenienzerforschungsobliegenheit gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im (inter-)nationalen Kunsthandel stellt eine kultur- und rechtspolitische Entscheidung dar, um eine faire Balance zwischen den widerstreitenden Interessen der (ursprünglichen) Eigentümer und der redlichen Erwerber zu finden, die grundsätzlich beide ‚unschuldige‘ Parteien innerhalb des Streits um die sachenrechtliche Zuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sind. Darüber hinaus dienen Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers auf Seiten des Erwerbers der Lauterkeit des (inter-)nationalen Kunsthandels insgesamt. “Comprehensive, informed investigative due diligence not only protects legal ownership rights in valuable art objects, but also is calculated to prevent the
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Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., S. 30. McCord, The Strategic Targeting of Diligence: A New Perspective on Stemming the Illicit Trade in Art, Indiana Law Journal, Band 70 (1995), S. 985–1008, S. 997. McCord, The Strategic Targeting of Diligence: A New Perspective on Stemming the Illicit Trade in Art, Indiana Law Journal, Band 70 (1995), S. 985–1008, S. 997 und S. 1001. Redmond-Cooper, Good Faith Acquisition of Stolen Art, Art, Antiquity and Law 2 (1997), S. 55–61, S. 55; O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 67–69.
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328
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
acquisition of stolen art and help curtail the exploding epidemic of international art theft and related trafficking.” 21 14
Innerhalb der einführenden Gedanken wurde ersichtlich, dass die rechtsdogmatische Forderung nach Provenienzerforschungsbemühungen gutgläubiger Erwerber in zahlreichen praktischen Fallkonstellationen schon im Voraus dazu geführt hätte, dass viele Streitigkeiten um die richtige Zuordnung obsolet geworden wären und der unrechtmäßige Entziehungsakt offenbart worden wäre. Es ist also fraglich, inwieweit die nationalen Sachenrechtsregeln solche Forderungen nach Provenienzerforschungsbemühungen im (inter-)nationalen Kunsthandel tolerieren oder sogar selbst verlangen. Vor diesem Hintergrund gilt es nun im Folgenden zu untersuchen, inwieweit eine kultur- und rechtspolitisch notwendige Provenienzerforschungsobliegenheit innerhalb der bestehenden nationalen Sachenrechtssysteme umzusetzen ist, inwieweit nicht nur professionell am Kunsthandel beteiligte Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser, sondern auch private Sammler erfasst werden und wie eine gerechte Beweislastverteilung innerhalb des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vorzunehmen ist.
A. Vorbildwirkung internationaler bzw. europäischer Rechtsinstrumente zur Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 15
Die bekannten internationalen Rechtsinstrumente zur Regulation des Kulturgüterverkehrs verlangen allesamt ein sorgfältiges Verhalten gutgläubiger Erwerber, ohne dass jedoch der konkret notwendige Sorgfaltsmaßstab ausdrückliche gesetzliche Ausformung gefunden hat. Ebenso wie die Bestimmung der Terminologie ‚innocent purchaser‘ innerhalb des Art. 7 (b) (ii) der UNESCOConvention vom 14. November 1970 Schwierigkeiten bereitet, liegen die Voraussetzungen der Gutgläubigkeit nach der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 nicht offen zu Tage. Im Falle gestohlener Kulturgüter wird nach Art. 4 Abs. 1 verlangt, dass „the possessor neither knew nor ought reasonably to have known that the object was stolen and can prove that it exercised due diligence when acquiring the object“, und im Falle unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter ist nach Art. 6 Abs. 1 Voraussetzung der Gutgläubigkeit, dass „the possessor neither knew nor ought reasonably to have known at the time of acquisition that the object had been illegally exported“. Gleichsam unpräzise bestimmt Art. 9 innerhalb der EGRichtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem 21
Quelle: http://www.bentoni.com/ta/web7_certificate.html.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
329
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993, dass nur in solchen Fällen von Gutgläubigkeit zu sprechen ist, wenn der „Eigentümer beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen“ ist. Bereits im Vorfeld der Untersuchung des Gutglaubensmaßstabs innerhalb der internationalen Rechtsinstrumente ist darauf hinzuweisen, dass – in Abgrenzung bspw. zu der deutschen Rechtsordnung – die Gutgläubigkeit des Erwerbers nicht zu einem derivativen Eigentumserwerb an den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern führt, sondern nur zu einem finanziellen Kompensationsanspruch gegen den Restitutionsberechtigten, da die genannten Regelwerke unisono der Konstruktion des generellen Ausschlusses eines Rechtserwerbs unrechtmäßig transferierter Kulturgüter folgen und die Interessen gutgläubiger Restitutionsschuldner mittels einer Entschädigung gewahrt werden. Diesen unterschiedlichen rechtstheoretischen Ansatz gilt es stets zu beachten.
I.
‚Innocent purchaser‘ in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970
Im Gegensatz zu den letztgenannten Regelwerken konnte sich bei Erlass der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 noch nicht auf die Präzisierung des Gutglaubensbegriffs des Art. 7 der Draft Convention Providing a Uniform Law on the Acquisition in Good Faith of Corporeal Movables (LUAB) aus dem Jahre 1974 berufen werden. Die Vorschrift diente als Modell für ein einheitliches Anforderungsprofil zur Begründung der Gutgläubigkeit im Bereich des Fahrniserwerbs und bestimmt einzelne Kriterien, nach denen die Gutgläubigkeit des Besitzers beurteilt werden kann.22
16
Art. 7 Draft Convention Providing a Uniform Law on the Acquisition in Good Faith of Corporeal Movables (LUAB) aus dem Jahre 197423 1. Good faith consists in the reasonable belief that the transferor has the right to dispose of the movables in con-formity with the contract. 2. The transferee must have taken the precautions normally taken in transactions of that kind according to the circumstances of the case. 3. In determining whether the transferee acted in good faith, account shall, inter alia, be taken of the nature of the movables concerned, the qualities of the transferor or his trade, any special circumstances in respect of the transferor’s acquisition of the movables known to the transferee, the price, or provisions of the contract and other circumstances in which it was concluded.
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Die in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 applizierte Terminologie ‚innocent purchaser‘ ist eine Neuschöpfung und erinnert nicht unmittelbar an eine in nationalen Rechtsordnungen in Anwendung befind-
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Vgl. hierzu auch Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 179. Revue de Droit Uniform – Uniform Law Review, Semestrielle – Biannuale (1975) I, S. 68–83.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
liche Umschreibung des Gutglaubensbegriffs. Während innerhalb der Original Secretariat Draft noch der dem Common Law-Rechtskreis prinzipiell fremde Ausdruck „bona fide“ genutzt wurde, setzte sich der Report of the Special Committee of Experts dafür ein, dass eine Entschädigung nur an „a bona fide purchaser“ zu zahlen sei, sodass „innocent“ im Rahmen der Konvention in diesem Sinne zu verstehen sein muss.24 19
Das terminologische Problem innerhalb der Beratungen zum Erlass der Konvention beruhte auf der Uneinheitlichkeit der nationalen Vertreter hinsichtlich der Häufigkeit solcher Kompensationszahlungspflichten. Während einige Verhandlungsführer darauf hinwiesen, dass die Konvention „is based on a conception that purchasers of illicitly imported cultural property would seldom be in good faith“, waren andere Regierungen der Überzeugung, dass „the cases of bona fide possession will be rather numerous.“25 Dem stimmten bspw. die an den Verhandlungen beteiligten Vertreter Frankreichs zu und betonten die Wichtigkeit, „not to hamper lawful business and not to throw suspicion on bona fide merchants, collectors or exhibitors who, by their discovery of such objects or through their appreciation of them, have often themselves largely contributed to giving them a cultural as well as a commercial value.“ 26 Dem widersprachen als Vertreter sog. kultureller Exportstaaten vehement die Delegierten Syriens, die darauf hinwiesen, dass „the concept of a bona fide purchaser should be kept within very narrow limits. Once this recommendation has been published, the cultural property of every country should cease to be regarded as a major source of material profit.“ 27
20
Bei der Auslegung der Terminologie ‚innocent purchaser‘ in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 sind diese Schwierigkeiten stets zu berücksichtigen. Innerhalb der sog. original draft wurde noch bestimmt, dass „the claimant for the recovery of such cultural property must prove the dishonesty of the possessor i.e. must establish that the latter has acquired the property in the full knowledge that it was lost, stolen or illicitly imported.“ Schließlich konnten sich die Verhandlungsführer am Ende nur auf die Formulierung eines abgeschwächten Sorgfaltsmaßstabs in Form der Terminologie ‚innocent purchaser‘ einigen. Eine Kompensationsleistung ist somit nur an solche gutgläubigen Erwerber zu zahlen, “meaning a person who obtains title by acting contrary to law without realizing the legal flaw. … In determining whether the possessor exer24
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Vgl. O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 67–69. Zitiert bei O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 67–69. Zitiert bei O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 67–69. Zitiert bei O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 67–69.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
331
cised due diligence, regard shall be had to all the circumstances of the acquisition, including the character of the parties, the price paid, whether the possessor consulted any reasonably accessible register of stolen cultural objects, and any other relevant information and documentation which it could reasonably have obtained, and whether the possessor consulted accessible agencies or took any other step that a reasonable person would have taken in the circumstances.” 28
II.
Strikter Sorgfaltsmaßstab nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene und nach Art. 6 Abs. 1 für illegal exportierte Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995
Während innerhalb der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 erst durch die Sekundärliteratur ein näheres Verständnis für die Auslegung der Terminologie ‚innocent purchaser‘ gefunden wurde, bestimmen Art. 4 Abs. 1 und 4 für gestohlene und Art. 6 Abs. 1 und 2 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 für illegal exportierte Kulturgüter sowohl ein ebenso detailliertes wie auch strenges Profil der Gut- bzw. Bösgläubigkeit. Ebenso wie in der UNESCO-Convention führt die Gutgläubigkeit nicht zum dinglichen Rechtserwerb, sondern gewährt (lediglich) einen Anspruch auf Kompensationszahlung seitens des Restitutionsgläubigers (Gutgläubigkeit als Entschädigungsgrund).29
21
Unter Abkehr der allgemeinen Gutglaubensvermutung zahlreicher nationaler Zivilrechtssysteme und dementsprechend auch innerhalb der privatrechtlichen Regulationsmethoden des internationalen Kulturgüterverkehrs wird sowohl für gestohlene als auch illegal exportierte Kulturgüter mittels der UNIDROIT-Convention dem Restitutionsschuldner die Aufgabe der Provenienzerforschung auferlegt, möchte dieser nicht von der Möglichkeit zur Wahrung seiner zumindest finanziellen Interessen ausgeschlossen sein. Da die Gewährung einer angemessenen Entschädigung nur denjenigen schützen soll, der auch wirklich guten Glaubens ist, nicht aber denjenigen, der nachlässig ist, die Augen vor verdächtigen Umständen verschließt oder einfach keine Nachforschungen anstellt,30 statuiert die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 (neben der Inkraftsetzung langer Verjährungsfristen i.H.v. 50 bzw. 75 Jahren, die von den Vertragsstaaten unter
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28 29
30
O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 67–69. Vgl. auch Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. Vgl. Prott, The Preliminary Draft Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects, International and Comparative Law Quaterly 41 (1992), S. 160–170, S. 166; Raschèr, Die Situation in der Schweiz. Zur UNIDROIT-Konvention über gestohlene und rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter, in: Flashar, Bewahren als Problem – Schutz archäologischer Kulturgüter, S. 137; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROITKonvention, 2005, S. 149–158.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Umständen sogar verlängert werden können, Art. 3 Abs. 5)31 zum Zweck der besseren Kontrolle des Kunsthandels stark erhöhte Sorgfaltspflichten für den Kauf von Kunst- und Kulturgegenständen.32 23
Art. 4 Abs. 5 und Art. 6 Abs. 5 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 bestimmen, dass der Besitzer nicht besser gestellt sein darf bzw. gestellt werden soll „als die Person, von der er das Kulturgut durch Erbschaft oder auf sonstige Weise unentgeltlich erworben hat.“ Dies hat zur Folge, dass sowohl in der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs gestohlener bzw. illegal ausgegrabener als auch in den Fällen des unrechtmäßigen Exports geschützter kultureller Wertgegenstände die erhöhten Sorgfaltsanforderungen nicht nur für die unmittelbaren entgeltlichen Erwerber, sondern auch für die Erben eines Kulturgutes und die Empfänger kultureller Schenkungstatbestände gelten.33 Da eine namhafte Anzahl neu erworbener Kulturgüter innerhalb der bedeutenden Museen heute aufgrund einer Schenkung (mit zumeist deutlichen steuerlichen Vorteilen für den Schenker) bzw. im Wege der Erbfolge (auch hier sind die steuerlichen Anreize besonders interessant) erworben werden, zielen Art. 4 Abs. 5 und Art. 6 Abs. 5 der UNIDROITConvention vom 24. Juni 1995 auf die Unterbindung einer möglichen Praxis einzelner Museen, unter Umgehung der selbstauferlegten Verhaltensstandards und Erwerbsregeln der Institutionen und Verbände mittelbar in den Besitz von Kulturgütern mit zweifelhafter Provenienz zu gelangen, deren Ankauf ihnen durch ihre ethischen Richtlinien sonst verboten wäre.34 Dieses Schlupfloch wurde aber inzwischen in den meisten Verhaltenskodizes eigenmächtig geschlossen.35
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35
Vgl. Wiederkehr-Schuler, Kulturgüterschutz – freier Kunstmarkt: zwei internationale Konventionen: Unidroit und UNESCO 70, 2000, S. 13, sich darauf berufend auch Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 105–106. Vgl. Seegers, Überprüfung von Kunstwerken und Kulturgütern: Status und Provenienz, in: Holzweißig, Sorgfaltspflichten im Kunsthandel – Qualifizierungsworkshop November 2002, 2002, S. 7; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 105–106. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158; Kurpiers, Die lex originis-Regel im internationalen Sachenrecht – Grenzüberschreitende privatrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von abhanden gekommenen und unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern, 2005, S. 109–110. Vgl. Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/Revue de droit uniforme 2001-3, S. 477 ff., S. 524; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Dass aber auch die selbstauferlegten Codes of Ethics der Museen und kulturellen Verbände heute dieses Probelm erkannt haben, zeigt bspw. Ziffer 3.2 der ICOM – Ethische Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums) (in der Fassung 2001). Der ICOM-Kodex wurde am 4. November 1986 auf der 15. ICOM-Vollversammlung in Buenos Aires, Argentinien, einstimmig angenommen und am 6. Juli 2001 auf der 20. ICOM-Vollversammlung in Barcelona, Spanien, ergänzt. Danach müssen Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter „den Standpunkt vertreten, dass es höchst unethisch ist, Schwarzhandel direkt oder indirekt zu unterstützen. Ein Museum soll Objekte oder Exemplare nur dann kaufen, leihen oder
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
1.
‚Due diligence‘-Anforderungen beim Erwerb gestohlener Kulturgüter
Hinsichtlich der Frage einer Gutglaubensvermutung erteilt die UNIDROIT Convention vom 24. Juni 1995 denjenigen Staaten für den Erwerb kultureller Wertgegenstände eine Absage, die in ihrem nationalen Zivilrecht keine Nachforschungspflicht eines bona fide-Erwerbers festschreiben.36 Nach Art. 4 Abs. 1 der UNIDROIT Convention hat der Besitzer eines gestohlenen Kulturguts, der zu dessen Restitution verpflichtet ist, bei der Rückgabe nur dann Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung, sofern dieser weder wusste, noch vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass das Gut gestohlen war (“possessor neither knew nor ought reasonably to have known that the object was stolen”), und zusätzlich nachweisen kann, bei dem Erwerb des Gutes mit gebührender Sorgfalt gehandelt zu haben (“due diligence when acquiring the object”). Anspruchsvoraussetzung ist damit eine besondere Ausgestaltungsform des „guten Glaubens“ verbunden mit der Anwendung eines erforderlichen Sorgfaltsmaßstabs durch den Erwerber.37 Art. 4 Abs. 1 der UNIDROIT Convention gewährt nur dann ein Recht des restitutionspflichtigen Besitzers auf Entschädigung, wenn neben der subjektiven Anforderung, dass der Besitzer „weder wusste noch vernünftigerweise hätte wissen müssen“, dass es sich bei dem betreffenden Objekt um Diebesgut handelt (der Restitutionsgläubiger somit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig das gestohlene Kulturgut erworben hat), auch zusätzlich das objektive Tatbestandsmerkmal der Sorgfaltserfüllung seitens des Erwerbers vorliegt und dem Käufer der Nachweis gelingt, „beim Erwerb des Gutes mit gebührender Sorgfalt gehandelt zu haben“.38
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als Geschenk bzw. Legat annehmen, wenn der Träger und die verantwortliche Person im Museum überzeugt sind, dass ein gültiger Rechtstitel erlangt werden kann. Es müssen alle notwendigen Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass eine mögliche Neuerwerbung nicht etwa im Ursprungsland oder irgendeinem anderen Land (einschließlich des eigenen), in dem es sich legal befunden haben mag, auf illegale Weise erworben oder exportiert wurde. Bevor ein Erwerb in Erwägung gezogen wird, sollte alles daran gesetzt werden, die vollständige Provenienz des betreffenden Objekts zu ermitteln – von seiner Entdeckung oder Entstehung an. Zusätzlich zu den oben beschriebenen Schutzmaßnahmen darf ein Museum keine Stücke akzeptieren, bei denen berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass ihre Entdeckung mit der ungenehmigten, unwissenschaftlichen oder absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung historischer Denkmäler einherging.“. Lalive, A Disturbing International Convention: UNIDROIT, Art, Antiquity and Law 4 (1999), S. 219–228, S. 222–223. Vgl. auch Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. Vgl. Sidorsky, The 1995 UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: The Role of International Arbitration, IJCP Vol. 5 (1996) No. 1, S. 19–72, S. 27; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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Die Interpretation des subjektiven Tatbestandsmerkmals bereitet im Grundsatz keine Schwierigkeiten und der Annex des Wissenmüssens um den Diebstahl des Kulturguts wurde aus rechtspolitischen Gründen eingefügt, um die Lauterkeit des internationalen Kunstmarkts durch eine erhöhte Sorgfalt der Käufer von kulturellen Gegenständen zu steigern. Das vorrangige Ziel von Art. 4 der UNIDROIT Convention ist die Sanktion derjenigen Käuferschicht, die Kulturgüter erwirbt, ohne ernsthafte Nachforschungen über deren Provenienz anzustellen.39
26
Entgegen der eigentlichen Rechtsetzungstechnik des Übereinkommens wurde die Bestimmung des konventionsautonomen Begriffs des due diligence-Maßstabes gutgläubiger Erwerber nicht dem Rechtsanwender überlassen, sondern ausdrücklich festgelegt, anhand welcher Gesichtspunkte das Maß der erforderlichen Sorgfalt im Einzelfall zu bestimmen ist.40 Welcher Maßstab nun tatsächlich bei der rechtlichen Beurteilung der Gutgläubigkeit eines illegal transferierten Kulturguts zu berücksichtigen ist, lässt sich aus den in Art. 4 Abs. 4 aufgezählten Parametern erfahren, die für die Beurteilung der Einhaltung der „gebührenden Sorgfalt“ maßgeblich sind41 und zuweilen als Objektivierung der angloamerikanischen due diligence-Regel verstanden werden.42
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Art. 4 Abs. 4 UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995: In deter-mining whether the possessor exercised due diligence, regard shall be had to all the circumstances of the acqui-sition, including the character of the parties, the price paid, whether the possessor consulted any reasonably accessible register of stolen cultural objects, and any other relevant information and documentation which it could reasonably have obtained, and whether the possessor consulted accessible agencies or took any other step that a reasonable person would have taken in the circumstances.
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In Anlehnung an die Präzisierung des Gutglaubensbegriffs in Art. 7 der Draft Convention Providing a Uniform Law on the Acquisition in Good Faith of Corporeal Movables (LUAB) aus dem Jahre 1974 nennt Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT Convention vom 24. Juni 1995 einen Kriterienkatalog der notwendigen Sorgfaltsanstrengungen. Bei der Bestimmung der Gutgläubigkeit nach der UNIDROIT Convention vom 24. Juni 1995 darf sich der Rechtsanwender insofern nicht von
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Vgl. Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/Revue de droit uniforme 2001-3, S. 477 ff., S. 516; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228. Vgl. Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 82.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
335
nationalen Begriffsbestimmungen leiten lassen und muss eine autonome Auslegung der einzelnen Kriterien vornehmen.43 Aus diesem Grund wurde auch mit Bedacht die explizite Nennung der bona fide als Voraussetzung der Kompensationszahlung restitutionspflichtiger Besitzer vermieden und die Voraussetzung der ‚due diligence‘ 44 bestimmt, da der Begriff der Gutgläubigkeit in den einzelnen Rechtsordnungen mit unterschiedlichen Vorstellungen befrachtet ist.45 “This wise approach avoided problems of definition (because definitions of good faith vary considerably between systems) and also avoided the possibility of judges consciously or unconsciously importing into their application of the Convention national doctrines already long developed on this terminology. Instead, the UNIDROIT Convention uses the concept of ‘due diligence’ and provides a list of some of the elements which a judge is to use in his assessment of whether this test has been met.“ 46
a)
Erwerbsumstände als Bewertungskriterien der Gutgläubigkeit im Hinblick auf gestohlene Kulturgüter
Bei der Beurteilung der Gutgläubigkeit des Erwerbers und der Frage, ob der Besitzer mit gebührender Sorgfalt gehandelt hat, werden als Kriterien nach Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT Convention vom 24. Juni 1995 alle für den Erwerb erheblichen Umstände berücksichtigt, namentlich die Eigenschaften der Parteien und das gezahlte Entgelt sowie die Tatsache, ob der Besitzer in einem vernünftigerweise zugänglichen Verzeichnis gestohlener Kulturgüter nachgeschlagen hat, sowie sonstige diesbezügliche Auskünfte eingeholt und Unterlagen eingesehen hat, 43
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Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. “The phrase ‘due diligence’ was adopted over ‘necessary diligence’ on the ground that if the object was subsequently found to have been stolen, then it was self-evident that the necessary diligence to prevent acquisition of a stolen object had not been exercised. It would perhaps have been better to replace it by the phrase ‘required diligence’ – not the degree of diligence required to prevent acquisition of a stolen object, but that required by the Convention, having due regard to the availability of information on the object. Unfortunately, ‘due diligence’ is already a term of art in United States law, and would perhaps have been better avoided, as were the words ‘bona fide’ and ‘equitable’, in order to avoid confusion with existing terms of art. But this was not in all cases possible (see the discussion on ‘possessor’ in Article 3 (1)) and is not dangerous if the judges keep in mind that the term does not reflect existing domestic practice, but relates to the requirements of this Convention. The point was raised at the Diplomatic Conference which accepted the view of the Drafting Committee that ‘due diligence’ was sufficiently clear.” Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
die er vernünftigerweise hätte erlangen können, und Organisationen zu Rate gezogen hat, zu denen er Zugang haben konnte, und ob er jeden anderen Schritt unternommen hat, den eine vernünftige Person unter denselben Umständen unternommen hätte. Dabei handelt es sich um einen nicht abschließenden 47 und nicht zwingenden 48 Kriterienkatalog, der bspw. Ergänzung findet durch „the provisions of the contract, the circumstances in which it was concluded, the provenance of the object, any special circumstances in respect of the transferor’s acquisition of the object which are known to the possessor, any reasonably accessible information as to whether the cultural object had been exported legally“.49 Es steht dem Gericht oder der zuständigen Behörde des ersuchten Staates frei, auch andere Besonderheiten des Falles zu berücksichtigen.50 Damit soll Art. 4 Abs. 4 nur eine Richtschnur für die Entscheidungsfindung sein und ein gewisses Maß an Einheitlichkeit in der Anwendung der Konvention garantieren.51 Dabei hat das Gericht alle Umstände des konkreten Erwerbsvorganges zu berücksichtigen und anhand der Maßfigur der ‚vernünftigen Person‘ („personne raisonnable“ bzw. „reasonable person“) zu beurteilen, ob der Erwerber mit der nötigen Sorgfalt vorgegangen ist.52 30
Berücksichtigungsfähig ist im Rahmen der Sorgfaltsprüfung auch der „Parteicharakter“ (character of the parties) der an der Veräußerung beteiligten Personen. „An die Sorgfaltspflicht des privaten Gelegenheitskäufers, der auf einer öffentlichen Versteigerung ein Gemälde erwirbt, werden daher geringere Anforderungen zu stellen sein, als an die eines professionellen Kunsthändlers oder passionierten Kunstsammlers, der ein einzigartiges Objekt zu einem auffallend günstigen Preis von einem Studenten erwirbt.“ 53 So wird auch von den großen
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Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51; Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. So Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/Revue de droit uniforme 2001-3, S. 477 ff., S. 520; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 293–295. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
337
Auktionshäusern „a high standard“ erwartet, da Rückgriffsmöglichkeiten auf das Fachwissen spezialisierter Kunsthistoriker bestehen: “They would know as well as any museum conservator the best ways to check on provenance. Of them a high standard can be expected. Not to check a catalogue raisonné of a major artist which would reveal prior ownerships clearly would not meet this standard.” 54 Dasselbe dürfte für spezialisierte Galerien und Händler kultureller Wertgegenstände gelten, die auf ein besonderes Fachwissen in der Veräußerung bspw. archäologischer Gegenstände zurückgreifen können und dementsprechend gut die jeweilige Provenienz der zur Veräußerung gegebenen Stücke bestimmen können. “Some major collectors, especially those who collect in defined categories, such as African art or Indian bronzes, particularly if they have had many years experience, can also be held to a high standard. Many of these major collectors have in fact professional advisers. What about smaller collectors and amateur buyers? Here the factors which should be known to experts or experienced buyers in the field cannot necessarily be attributed to them, although facts which are notorious, such as the massive losses mentioned, or the enormous illicit trade in icons, cannot be dismissed. The best protection of the less than expert is the purchase from a reputable dealer on whose expertise he then relies. Reputable dealers at present repurchase items which they have sold which prove to be stolen. The ‘character of the parties’ includes, therefore, reference to the character of the seller. A seller who has a police record, or with whom the purchaser has never previously dealt, or one who is selling objects completely outside his usual merchandise, or one who has no expertise at all in the subject, make it important for the purchaser to have made scrupulous inquiry into the provenance of the item.” 55 Bei Anwendung des Kriterienkataloges ist immer zu beachten, dass die in Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT Convention vom 24. Juni 1995 genannten Konkretisierungen des anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabes in erster Linie dem Grundanliegen der Konvention dienen, der verbreiteten Praxis im Kunsthandel entgegenzuwirken, Informationen hinsichtlich der Herkunft eines Kulturguts weder weiterzugeben noch danach zu fragen. Indem den Erwerbern bei unzureichenden Erkundigungen das Risiko einer Restitutionspflicht des illegal transferierten Kulturguts ohne Kompensationszahlung auferlegt wird, sollen die Akteure des internationalen Kulturgüterverkehrs zu sorgfältiger Provenienzforschung geradezu angespornt werden, um bereits auf diesem Wege vom Erwerb von Kunstobjekten mit dubioser Provenienz Abstand zu nehmen.56
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Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 104.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
b)
Notwendigkeit aktiver Provenienzerforschung
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Neben der ausdrücklichen Statuierung spezieller Kriterien, die beim Erwerber einen Verdacht des Diebstahls des Kulturguts auslösen sollten, normiert Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT Convention vom 24. Juni 1995 darüber hinaus explizit eine Pflicht zur aktiven Nachforschung, ob das betreffende Objekt als gestohlen gemeldet ist.57 Zur Erfüllung dieser Pflicht hat der potentielle Käufer adäquate Informationen einzuholen, sodass er in der Lage ist, die Herkunft des Gegenstandes nachzuvollziehen. Sinn und Zweck dieser gesteigerten Pflicht ist die Aufklärung von Diebstählen.58 „Hier wird eine deutlich über einer Erkundigungspflicht über Identität des Veräußerers und seine Verfügungsbefugnis, der durch Einsicht in entsprechende, vom Veräußerer vorzulegende Papiere Genüge getan werden könnte, liegende Pflicht statuiert. Es müssen, um diese Pflicht entstehen zu lassen, offenbar abgesehen von der Kulturguteigenschaft des Objekts keine weiteren Umstände (wie zB Person des Verkäufers, Verhältnis von Wert und Preis, herausragende Bedeutung des Kulturgutes) vorliegen, die die Berechtigung des Veräußerers (objektiv) zweifelhaft erscheinen lassen. Sie trifft jeden Erwerber, gleichgültig ob es sich um Privatpersonen, Museumsvertreter oder Kunsthändler handelt.“ 59 Da im Laufe der letzten Jahre eine stattliche Anzahl von einfach zu nutzenden Recherchemöglichkeiten sowohl staatlicher als auch privater Institutionen installiert wurde, inkorporiert Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT Convention zunächst „any reasonably accessible register of stolen cultural objects“. Da die meisten Datenbanken inzwischen online im Internet auch für nicht professionell im Kunsthandel beteiligte Personen verfügbar sind, erscheint eine Befragung dieser Datenbanken auch durch Laien beim Erwerb kultureller Wertgegenstände zumutbar. Zumindest jedoch manifestiert eine Anfrage die gutgläubige Absicht von Erwerbern.
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Durch die Einfügung des Zusatzes „other relevant information and documentation which it could reasonably have obtained“ intendierten die Konventionsverfasser die Möglichkeit, die Gutgläubigkeit von Käufern mittels der Recherchemöglichkeit bspw. in Ausgrabungsreporten archäologischer Gegenstände oder in Bestandskatalogen entsprechender Museen und kulturellen Institutionen zu belegen. So ist innerhalb des internationalen Kulturgüterverkehrs mit archäologischen 57
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Vgl. Franz, Datenbanken abhanden gekommener Kulturgüter am Beispiel der Koordinierungsstelle der Länder für die Rückführung von Kulturgütern, Kunstrecht und Urheberrecht 1 (1999), S. 345–351, S. 346; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROITKonvention, 2005, S. 149–158; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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Gegenständen bekannt, dass etwa das Musée Guimet ein Duplikat des Bestandsverzeichnisses des Museums in Kabul beim Erwerb kultureller Güter einiger der frühesten Hochkulturen der Menschheit (Sumer, Akkad, Babylonien, Mittani, Assyrien) aus dem Gebiet Mesopotamiens oder die Ecole française de l’Extrême Orient eine Kopie des Bestandsverzeichnisses des Angkor Conservation Centre für den Erwerb kultureller Güter der Khmerkultur bereit hält: “any buyer of objects which could have an Afghan or Khmer provenance would be well advised, considering the huge amounts of material looted from those two countries in recent unsettled conditions, to check such sources of information. A well-known publication of the mosaics of Cyprus was relevant in the case of the Kanakaria mosaics. An excavation report of a dig in Afghanistan listed a rare, perhaps unique, Bodhisattva with garnet eyes. It was until recently with other finds of this excavation in the Jellalabad Museum, but is now in the Metropolitan Museum, New York. The phrase would also cover computerised auction catalogues where these exist, either in a general data base such as ‘Thesaurus’ or put on line by the auction houses themselves.” 60 Schließlich nennt Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT Convention vom 24. Juni 1995 zum Nachweis der Gutgläubigkeit die Möglichkeit, dass der Erwerber „took any other step that a reasonable person would have taken in the circumstances“. Damit soll eine weitere Möglichkeit geschaffen werden, dass der Erwerber auch auf bisher unbekannte Nachforschungsalternativen zur Provenienzbestimmung im Einzelfall zurückgreifen kann und gleichzeitig dem berufenen nationalen Gericht eine breite Möglichkeit der Meinungsfindung in der diesbezüglichen Entscheidung zu eröffnen. Um der Provenienzerforschung und der Qualifikation als gutgläubig im Einzelfall zu genügen ist somit nicht wie Barker und Stewart suggerieren von Nöten, dass „[g]ood faith is established only by consulting every register of stolen artefacts all over the world. One must also establish if the goods need an export licence and if this is available. The dealer has the right to compensation only if he can prove that he has consulted every possible sources“ 61. Vielmehr ist davon auszugehen, dass kein generalisiertes Pflichtenprogramm zu verlangen ist, sondern die Gutgläubigkeit des Erwerbers situationsbedingt nachzuweisen ist: Handelt es sich bspw. im konkreten Fall um den Erwerb eines Kulturguts, das als ‚entartete Kunst‘ zur Zeit des Zweiten Weltkrieg qualifiziert wurde, besteht kein Bedürfnis dafür, Einsicht in das Bestandsverzeichnis des von Hitler geplanten Linzer Führermuseums zu nehmen, da Kunstwerke der Moderne dort keinen Platz finden sollten. Andererseits sollte durchaus ein Blick in die 60
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Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51, unter Rückgriff auf Maier, T., The Met digs in, Newsday (U.S.) 23 May 1995, B 37–38. Barker/Stewart, Maastricht – the last art fair? Daily Telegraph 4 March 1996, quoting L.A. Lemmens, Secretary-General of TEFAF, zitiert bei Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Internet-Datenbank Lost Art beim Erwerb von Kulturgütern geworfen werden, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verbracht, verlagert oder – insbesondere jüdischen Eigentümern – verfolgungsbedingt entzogen wurden. Geht es um die illegale Ausfuhr national schützenswerter Kunstwerke ist diese Datenbank hingegen nicht aussagekräftig. “In general, the type of inquiries made should be adapted to the type of object concerned. It would be unwise to rely solely on searching a register of stolen cultural property when it is clear that the object is unlikely to have been registered: this is the case, for example, with cultural objects of African origin, since it is well known that there is a very low proportion of stolen cultural objects from that continent registered either with INTERPOL or with a commercial register. In such case excavation reports would be a much better source of information, and factors such as origin in a particular culture or community much more significant for checking.” 62 Damit stellt der Versuch der Nachzeichnung der Provenienz beim Erwerb kultureller Wertgegenstände im Generellen eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme dar zur Verhinderung des Erwerbs zuvor gestohlener Objekte und im Speziellen gleichzeitig eine zusätzliche Möglichkeit für den Käufer, seine Gutgläubigkeit nachzuweisen, ohne dass eine solche Recherche eine zwingende Notwendigkeit darstellt, um den Sorgfaltsanforderungen zu genügen.
c) 35
Rechtsdogmatische Bewertung der UNIDROIT-Anforderungen an gutgläubige Erwerber
Spaun kritisiert an dieser Regelung die überaus strengen Anforderungen, die an die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt gestellt werden, als besonders problematisch aus Sicht eines freien Rechtsverkehrs mit kulturellen Gütern.63 „Angesichts dieses Umstandes sowie des sehr weiten Kulturgutbegriffs der Konvention, der langen absoluten Verjährungsfristen, der – wie zu Recht beklagt wird – unübersehbaren Zahl von Diebstahlsfällen und der Tatsache, dass oft Daten, die eine leichte Identifizierung des Objekts ermöglichen würden (wie z.B. der Name des Schöpfers, das Entstehungsjahr, unverwechselbare Merkmale) nicht bekannt sind, erscheint diese generelle Nachforschungspflicht, jedenfalls soweit Erwerber ohne einschlägige Sachkenntnis betroffen sind, sehr streng.“ Schaffrath ist hier sogar der Meinung, dass die Anforderungen an die gebührende Sorgfalt derart hoch sind, „dass es in der Praxis schwer sein dürfte, diesen gerecht zu werden“64
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Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 51–52. Dass der Entschädigungsregelung angesichts der strengen Sorgfaltsanforderungen an einen gutgläubigen Erwerber nur begrenzte praktische
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
341
und dass – so Kurpiers – die Zahlung einer Entschädigung in der Mehrheit der Fälle nicht in Betracht kommen wird.65 Wiederkehr-Schuler hingegen kritisiert, dass die von der Konvention statuierte Sorgfaltspflicht sowohl beim Erwerb eines Kunstobjekts aus einer öffentlichen Sammlung als auch bei einem solchen, allenfalls nicht so hochkarätigen Objekt aus dem privaten Bereich gleich hoch sei.66 Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, weshalb der bestohlene Eigentümer keiner (polizeilichen oder sonstigen publikträchtigen) Meldepflicht in Bezug auf den Diebstahl des Kulturgutes unterliege und somit die Verantwortung in erster Linie auf den Erwerber überwälzt werde.67 Dies sei vor allem vor dem Hintergrund beträchtlich, dass bis heute kein einheitliches, offizielles und umfassendes Register zur Meldung gestohlener Kulturgüter aufgebaut worden sei.68 Eine kulturpolitische Rechtfertigung dieses strengen Sorgfaltsmaßstabs liefert in seinen Ausführungen zur UNIDROIT Convention vom 24. Juni 1995 jedoch Lalive:
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“No one can deny that herein lies the main cause of the current dramatic expansion in illicit trafficking in cultural objects. That being so, who would seriously dare to assert that any international collaboration would be ‘of no use’ in improving the protection given to the victims of theft and in reducing the insecurity and unpredictability which result from conflicts of laws? And who could honestly allege that the UNIDROIT Convention would place on the buyer an unbearable and morally shocking burden simply by asking him to inform himself, in so far as he is reasonably able to do so, as the above cited article 4 (4) makes very clear, as to the provenance of the work of art which he wishes to acquire, for example, by checking either on his computer or through his antique dealer the registers of stolen goods, both public and private, which are becoming both more numerous and more accessible? These attacks against the supposed inadmissible ‘reversal’ of the burden of proof or the supposedly inequitable nature of the ‘fair and reasonable compensation’ are merely samples, among many others, of the systematic campaign of disparagement which was set in motion in certain professional circles as soon as the Convention was adopted; a campaign which is both ill-informed and ill-thought out. It would no doubt be mistaken and unjust to place in the same basket all the representatives of concerned circles, on the one hand the ‘silent majority’, and on the other the few individuals or pressure groups which rushed to criticise the Convention with an ardour and a passion which are proportional to the indifference and the passivity which they demonstrated towards the scourge of looting over the preceding decades. The fact is that a minority
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Bedeutung zukommen dürfte, vgl. auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 104. Vgl. Kurpiers, Die lex originis-Regel im internationalen Sachenrecht – Grenzüberschreitende privatrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von abhanden gekommenen und unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern, 2005, S. 109–110. Vgl. Wiederkehr-Schuler, Kulturgüterschutz – freier Kunstmarkt: zwei internationale Konventionen: Unidroit und UNESCO 70, 2000, S. 19. Vgl. Wiederkehr-Schuler, Kulturgüterschutz – freier Kunstmarkt: zwei internationale Konventionen: Unidroit und UNESCO 70, 2000, S. 19. Vgl. Jolles, Un regard critique sur la Convention d’ Unidroit, in: Breitler, La Convention d’Unidroit du 24 juin 1995 sur les biens culturels volés ou illicitement exportés: actes d’une table ronde organisée le 2 octobre 1995, 1997, S. 56.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt of activists, in the United States, in Switzerland and in England seem to have been overtaken – in a strange movement of selfintoxication – by a form of panic or hysteria. This phenomenon is all the more strange since one could have expected that the countries and areas which are the richest in works of art (and therefore the most vulnerable to the extraordinary expansion of looting) would have applauded the strengthening of legal protection of the dispossessed owner. Such a strengthening cannot be achieved other than through international collaboration, which is all the more keenly awaited having regard to the fact that, as things currently stand, the chances of recovering a stolen cultural object are, according to experts, only around 12 to 20 per cent.” 69
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Reichenau ist dementsprechend der Ansicht, dass keine exzessiven Anforderungen, sondern verhältnismäßige Bedingungen im Handel mit besonders diebstahlgefährdeten Kulturgütern statuiert werden.70 Dem pflichtet auch Beck bei: „Der Sorgfaltsmaßstab ist zwar hoch, bewegt sich aber im Rahmen der Anforderungen, die mittlerweile auch nach deutschem Recht z.B. im Zusammenhang mit dem Erwerb wertvoller Kunstgegenstände an den guten Glauben des Erwerbers gestellt werden.“ 71 Gerechtfertigt werden die hohen Anforderungen dadurch, dass grundsätzlich nur dem Käufer die Möglichkeit zusteht, vom Verkäufer eine vollständige Dokumentation über die Herkunft des Kulturguts zu verlangen, um sicher zu gehen, dass es sich um keine gestohlenen Kulturgüter handelt.72 Schlussendlich ist danach auch Spaun der Ansicht, dass die strengen Sorgfaltsanforderungen insbesondere als präventive Maßnahmen zu verstehen sind, „durch die die Akteure des Kulturgütermarktes zur aktiven Provenienzforschung motiviert werden sollen. Entsprechend wird erwartet, dass der Haupteffekt der Konvention weniger in der Restitution gestohlener Kulturgüter, sondern vielmehr in der künftigen, durch die Änderung der Verhaltensweisen bedingten Einschränkung des Handels mit gestohlenen Kulturgütern liegen wird.“73 So stellte bereits Prott in ihren Untersuchungen zu den Sorgfaltsanforderungen an die Gutgläu69
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Lalive, A Disturbing International Convention: UNIDROIT, Art, Antiquity and Law 4 (1999), S. 219–228, S. 222–223. Vgl. Reichenau, UNIDROIT – ein weiterer richtiger Schritt, in: Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW)/Schweizerische Ethnologische Gesellschaft, Recht und Ethik im Handel mit Kulturgut, Tagung der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften gemeinsam mit der Schweizerischen Ethnologischen Gesellschaft, Bern, den 27. Juni 1998,1998, S. 47–48. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 174–179. Vgl. Kurpiers, Die lex originis-Regel im internationalen Sachenrecht – Grenzüberschreitende privatrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von abhanden gekommenen und unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern, 2005, S. 109–110. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228, unter Berufung auf Prott, Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention und nach der UNESCO-Konvention, ZvglRWiss 95 (1996), S. 188 ff., S. 194; Reichelt, Die UNIDROIT-Konvention 1995 über gestohlene oder unerlaubt ausgeführte Kulturgüter – Grundzüge und Zielsetzungen, in: Reichelt, Neues Recht zum Schutz von Kulturgut: Internationaler Kulturgüterschutz, EG-Richtlinie, UNIDROIT Konvention und Folgerecht, S. 62.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
343
bigkeit fest, dass sich seriöse Kunstsammler bereits aus Eigeninitiative an die in der Konvention beschriebene Provenienzerforschungspflicht halten: “It should be noted that serious collectors already undertake various inquiries when buying important cultural property: expert opinions, for example, as to the authenticity and condition of a piece. These inquiries frequently become historical inquiries (for example, to eliminate the possibility that the piece is a copy often requires research into the history of the item’s previous sale and possession). A due inquiry into provenance is, therefore, no unreasonable additional requirement to satisfy, viewed against the range of precautions that a buyer should normally take.” 74 Jedoch nicht nur private Kunstsammler, sondern auch die professionell im internationalen Kulturgüterverkehr beteiligten Parteien erfüllen in den meisten Fällen bereits beim Erwerb eines Kulturguts aufgrund der in den selbstauferlegten Verhaltenskodizes aufgestellten Erwerbsregeln die genannten Kriterien, wie die Punkte 3.2 und 3.3 der ICOM – Ethische Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums) in der Fassung des Jahres 2001 bezeugen.75 Im Schrifttum wird diese Verschärfung ausdrücklich begrüßt und festgehalten, dass – etwa durch (teilweise kostenpflichtige) Anfragen bei den öffentlich zugänglichen Datenbanken – der Nachforschungspflicht „mit einem geringen Aufwand an Zeit und Kosten“ Genüge getan werden könne.76
2.
Kriterien der Bösgläubigkeit beim illegalen Export kultureller Güter
Auch innerhalb der Kompensationszahlungspflicht an den Käufer unrechtmäßig exportierter Kulturgüter wird neben dem Erwerb des Kulturguts nach dessen rechtswidriger Ausfuhr der Nachweis des restitutionspflichtigen Besitzers verlangt, dass ihm nicht bekannt war oder vernünftigerweise nicht hätte bekannt sein müssen, dass das Gut rechtswidrig ausgeführt wurde. Maßgeblich ist somit, ob der restitutionspflichtige Besitzer zum Zeitpunkt des Erwerbs des von der Konvention erfassten Kulturguts von dessen verbotswidriger Ausfuhr wusste oder hätte hiervon wissen müssen. Problematisch ist auch hier die richtige Auslegung der Terminologie „provided that the possessor neither knew nor ought
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Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. auch Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228. Vgl. dazu ausführlich Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 315 ff. sowie Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2556; ihr folgend Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – UnidroitKonvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 82–83; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228.
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344
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
reasonably to have known at the time of acquisition that the object had been illegally exported“ (Gegenstand des guten Glaubens ist somit die Rechtmäßigkeit der Ausfuhr). Wie diese Gutgläubigkeit in concreto bei Applikation der Konvention auszulegen ist, erscheint sich auf den ersten Blick nicht zu erschließen. Zur Feststellung, ob dem Besitzer bekannt war oder vernünftigerweise hätte bekannt sein müssen, dass das Gut rechtswidrig ausgeführt wurde, wird nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 den Umständen des Erwerbs, namentlich dem Fehlen einer gemäß den Rechtsvorschriften des ersuchenden Staates erforderlichen Ausfuhrbescheinigung, Rechnung getragen.77 40
Art. 6 Abs. 2 UNIDROIT Convention vom 24. Juni 1995: In determining whether the possessor knew or ought rea-sonably to have known that the cultural object had been illegally exported, regard shall be had to the circum-stances of the acquisition, including the absence of an export certificate required under the law of the requesting State.
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Wie beim Diebstahl, so gibt auch hier der Vertragstext selbst Anhaltspunkte zur Begriffsbestimmung des Kennens oder Kennenmüssens. Dies erleichtert die autonome und einheitliche Auslegung und schließt zugleich ein Ausweichen auf die Grundsätze der lex fori oder eines anderen Sachrechts aus.78 Maßgeblich sind nach Art. 6 Abs. 2 die Umstände des Erwerbs und insbesondere das Fehlen einer Exportgenehmigung, sofern diese nach dem Recht des ersuchenden Staates erforderlich ist.79 Auch wenn die Nennung der Umstände des Erwerbs einerseits und das Fehlen einer gemäß den Rechtsvorschriften des ersuchenden Staates erforderlichen Ausfuhrbescheinigung andererseits nicht ausschließt, dass eine Bezugnahme auf die Kriterien zur Bestimmung der Gutgläubigkeit des erwerbenden Besitzers im Rahmen der Restitution gestohlener Kulturgüter genommen wird, deutet die Formulierung des Art. 6 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 darauf hin, dass der Sorgfaltsmaßstab für eine Kompensationszahlung bei gestohlenen Kulturgütern höher zu qualifizieren ist als im Rahmen nur illegal ausgeführter Kunstwerke. Während der Vorentwurf der Konvention in sämtlichen Situationen der illegalen Ausfuhr kultureller Güter eine Kompensationszahlung bestimmte, entschieden sich die Study Group und die Governmental Experts im Laufe der Verhandlungen dafür, die Entschädigung nur bei Vorliegen
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Vgl. Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 95–96; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 297–298. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
345
eines gewissen Mindestsorgfaltsmaßes seitens des restitutionspflichtigen Besitzers zu gewähren.80
3.
Abkehr von der im Fahrniserwerb grundsätzlich bekannten Gutglaubensvermutung
Hinsichtlich der Frage einer Gutglaubensvermutung erteilt die UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995 denjenigen Staaten eine Absage, die grundsätzlich keine Nachforschungspflicht des bona fide-Erwerbers festschreiben.81 In Art. 4 Abs. 1 der UNIDROIT Convention ist innerhalb des Bereichs gestohlener Kulturgüter zunächst eine Beweislastverteilung dahingehend festgeschrieben, dass im Grundsatz von der Bösgläubigkeit des Erwerbers ausgegangen wird und vielmehr dieser seine Gutgläubigkeit beweisen muss:
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Art. 4 Abs. 1 UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995: The pos-sessor of a stolen cultural object required to return it shall be entitled, at the time of its restitution, to payment of fair and reasonable compensation provided that the possessor neither knew nor ought reasonably to have known that the object was stolen and can prove that it exercised due diligence when acquiring the object.
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Die Beweislast, dass das betreffende Objekt in seinem Besitz oder Eigentum war und gestohlen wurde, liegt beim Kläger.82 Danach hat der Besitzer eines gestohlenen Kulturguts, der zu seiner Rückgabe verpflichtet ist, bei der Restitution Anspruch auf die Zahlung einer angemessenen Entschädigung, sofern der Besitzer weder wusste, noch vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass das Gut gestohlen war, und nachweisen kann, bei dem Erwerb des Gutes mit gebührender Sorgfalt gehandelt zu haben. Ist der Besitzer bösgläubig oder kann er nicht nachweisen, beim Kauf des Gutes mit gebührender Sorgfalt vorgegangen zu sein, besteht kein Anspruch auf Entschädigung.83 Auch wenn damit eindeutig von dem allgemeinen Grundsatz der Gutglaubensvermutung zahlreicher Einzel-
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Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68. Lalive, A Disturbing International Convention: UNIDROIT, Art, Antiquity and Law 4 (1999), S. 219–228, S. 222–223. Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – UnidroitKonvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 85; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 293–295. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 293–295.
346
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
staaten abgewichen und eine Beweislastumkehr normiert wurde84 – eine derartige Gutglaubensvermutung findet sich nicht nur innerhalb der deutschen Rechtsordnung, sondern beispielsweise auch in Art. 2268 des französischen Code civile, in Art. 3 des schweizerischen ZGB, in Art. 2002 des niederländischen B.W., in Art. 1147 des italienischen Codice civile sowie in Art. 434 des spanischen Código civil – so dient diese doch einem Grundanliegen der Konvention, der verbreiteten Praxis im Kunsthandel entgegenzuwirken, Informationen hinsichtlich der Herkunft eines Kulturguts weder weiterzugeben noch danach zu fragen. Dementsprechend sind die strengen Sorgfaltsanforderungen sowie die dem Erwerber auferlegte Beweislast insbesondere als präventive Maßnahmen zu verstehen, durch die die Akteure des Kulturgütermarktes zur aktiven Provenienzforschung motiviert werden sollen.85 Mit dieser rechtstechnischen Konstruktion der Konvention wird die Hoffnung verbunden, dass der Haupteffekt der Konvention weniger in der Restitution gestohlener Kulturgüter selbst, sondern vielmehr in der künftigen, durch die Änderung der Verhaltensweisen bedingten Einschränkung des Handels mit gestohlenen Kulturgütern liegen wird.86 45
Besonderes gilt auch innerhalb der Kategorie illegal exportierter Kulturgüter. Während in Art. 4 Abs. 1 innerhalb der Kategorie gestohlener Kulturgüter vom gutgläubigen Erwerber der Nachweis verlangt wird, dass er bei dem Erwerb des Gutes mit gebührender Sorgfalt gehandelt hat, gewährt Art. 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995 dem Erwerber nur unter dem Vorbehalt einen Kompensationsanspruch, dass diesem bei seinem Erwerb nicht bekannt war oder vernünftigerweise hätte bekannt sein müssen, dass das Kulturgut rechtswidrig ausgeführt worden war. Unmittelbar wird innerhalb der Kategorie des illegalen Exports somit keine Beweislastverteilung durch die Konvention vorgenommen. Wer jedoch die Gut- bzw. Bösgläubigkeit des Erwerbers unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter zu beweisen hat, ist umstritten. Während bekanntlich in den meisten nationalen Rechtsvorschriften die Gutgläubigkeit eines Erwerbers in verschiedenen Ausgestaltungsformen entweder grundsätzlich und im Generellen vermutet
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Vgl. dazu Reithell in Reichelt, Neues Recht zum Schutz von Kulturgut: Internationaler Kulturgüterschutz, EG-Richtlinie, UNIDROIT Konvention und Folgerecht, 1997, S. 55 ff., S. 64; Kurpiers, Die lex originis-Regel im internationalen Sachenrecht – Grenzüberschreitende privatrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von abhanden gekommenen und unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern, 2005, S. 109–110. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228. Vgl. Prott, Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention und nach der UNESCOKonvention, ZvglRWiss 95 (1996), S. 188 ff., S. 194; Reichelt, Die UNIDROIT-Konvention 1995 über gestohlene oder unerlaubt ausgeführte Kulturgüter – Grundzüge und Zielsetzungen, in: Reichelt, Neues Recht zum Schutz von Kulturgut: Internationaler Kulturgüterschutz, EG-Richtlinie, UNIDROIT Konvention und Folgerecht, S. 62; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 224–228.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
347
wird (so bspw. in Art. 3 Abs. 1 des Schweizer Zivilgesetzbuches), oder präsumtiv angenommen wird, dass der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft über den Gegenstand gutgläubig ist (bspw. in §§ 323, 328 des österreichischen AGBG, Art. 2279 des französischen Code civil und Art. 1147 Abs. 3 des italienischen Codice civile), oder aber der Nachweis der Bösgläubigkeit derjenigen Seite auferlegt wird, die die Gutgläubigkeit der Gegenseite bestreitet (so bspw. in § 932 des deutschen BGB), liegt nach Rechtseinschätzung Siehrs die Beweislast der Gutgläubigkeit des Erwerbers ebenso wie innerhalb der Kategorie gestohlener Kulturgüter bei dem aktuellen Besitzer der tatsächlichen Sachherrschaft des Kulturguts. Danach würde innerhalb der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995 auch im Bereich der unrechtmäßig ausgeführten Kulturgüter eine Vermutung für die Bösgläubigkeit des Erwerbers illegal exportierter Kulturgüter bestehen.87 Dies hätte jedoch zur Folge, dass dem Ursprungsstaat sein illegal exportiertes Kulturgut in der Regel mit einem nur geringen Risiko einer Kompensationszahlungspflicht restituiert werden würde. Im Gegensatz hierzu läge jedoch bei dem Erwerber ein erhöhtes Risiko, das Kulturgut rückerstatten zu müssen, ohne Kompensationszahlung vom Ursprungsstaat zu erhalten, und seinerseits jedoch, aufgrund temporaler Ausschließlichkeitsgrundsätze zivilrechtlicher Gewährleistungsansprüche, keine Schadloshaltung bei seinem Veräußerer des illegal exportierten Kulturguts zu erlangen. Deshalb könnte dies Vertragsstaaten der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995 dazu veranlassen, ihre Restitutionsbemühungen illegal exportierter Kulturgüter zu reduzieren und darauf zu warten, bis die rechtswidrig transferierten Kulturgüter in einem anderen Vertragsstaat der Konvention auftauchen. Ob diese Risikoverteilung tatsächlich eine faire Risikoverteilung darstellt, erscheint deshalb zweifelhaft.88 Nach der überwiegenden Gegenansicht ist innerhalb Art. 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 keine Beweispflicht hinsichtlich der ausreichenden Sorgfalt eines Käufers beim Erwerb unrechtmäßig exportierter Kulturgüter vorgesehen.89 Insofern gelte also ein weniger strenger Sorgfaltsmaßstab als
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So Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 221; Siehr, Die Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und das Privatrecht der Mitgliedstaaten der EWG, KUR 1 (1999), S. 225–236, S. 231. Vgl. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 221. Klein, En relisant la Convention UNIDROIT du 24 juin 1995 sur les biens culturels volés ou illicitment exportés: Réflexions et suggestions, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Neue Folge, Band 118 (1999) (Band 140 der gesamten Folge), S. 263–285, S. 268–269; Hänni/ Lischer, Die Schweiz und der internationale Kulturgüterschutz, 1999, S. 356; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 297–298.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
im Hinblick auf gestohlene Kulturgüter. Als Grund für die unterschiedlichen Anforderungen wird regelmäßig die Überzeugung angeführt, dass im Hinblick auf den Diebstahl von Kulturgut ein strengerer Sorgfaltsmaßstab als nach den üblichen Gutglaubenskriterien einem allgemeinen Konsens entspreche, der in Bezug auf den illegalen Export kultureller Güter so nicht existiere.90 Anders als im Fall des Diebstahls muss der Erwerber unrechtmäßig exportierter Kulturgüter somit nicht nachweisen, dass er mit „gebührender Sorgfalt“ vorgegangen ist und es besteht keine Beweislastumkehr.91 Der ersuchende Staat, der die Bösgläubigkeit des Erwerbers geltend machen möchte, muss diese auch beweisen.92 Insoweit ist der Erwerber einer illegal ausgeführten Sache eindeutig besser gestellt.93 Bedeutung gewinnt dieser materielle Unterschied vor allem für solche staatlichen Restitutionsansprüche, die gegebenenfalls sowohl auf illegale Ausfuhr als auch auf Diebstahl gestützt werden können. Der rückführende Staat sollte sich daher vor Geltendmachung eines Anspruches darüber im Klaren sein, welchen Anspruch er leichter beweisen kann.94 47
Da jedoch keine ausdrückliche Regelung innerhalb des Art. 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 vorzufinden ist, und überwiegender Rechtseinschätzung entsprechend den allgemeinen Grundätzen des Übereinkommens eine Gutglaubensvermutung seitens der Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter besteht, machen einige Stimmen in der Literatur darauf aufmerksam, dass die Frage der Beweislastverteilung vielmehr dem anwendbaren nationalen Recht überlassen bleiben müsse und sich somit nach der lex fori richte.95 90 91
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Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 107. Vgl. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 55. Vgl. Schnyder, Zur Rückführung gestohlener oder rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter gemäss Unidroit-Konvention aus der Sicht des schweizerischen Privatrechts (Gutachten), in BAK, Internationaler Kulturgütertransfer, Unesco-Konvention 1970 und Unidroit-Konvention 1995, Dokumentation, vom Bund in Auftrag gegebene Rechtsgutachten, Bern, 1998, S. 24; Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 107; Sidorsky, The 1995 UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: The Role of International Arbitration, IJCP Vol. 5 (1996) No. 1, S. 19–72, S. 29; Winter, The Application of the Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Objects in Relations between member States of the European Union, in: Denters, Reflections on international law from the low countries in honour of Paul de Waart, 1998, S. 347–372, S. 364. Vgl. Schaffrath, Die Rückführung unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturguts an den Ursprungsstaat, 2007, S. 55. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 233–236; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158; Sidorsky, The 1995 UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: The Role of International Arbitration, IJCP Vol. 5 (1996) No. 1,
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
349
So geht bspw. Renold davon aus, dass es das Recht des ersuchten Vertragsstaates sei, welches die Beweislastverteilung in Bezug auf den guten Glauben festlege. Werde somit von einem Vertragsstaat ein Gesuch um Rückforderung eines bspw. in der Schweiz belegenen Kulturgutes eingereicht, komme nach schweizerischem Recht die Vermutung der Gutgläubigkeit zur Anwendung, sodass der ersuchende Staat die Gründe für die Bösgläubigkeit darlegen müsse.96 Diese Alternative wird jedoch meist im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung abgelehnt.97
III. ‚Erforderliche Sorgfalt‘ nach Art. 9 der EG-Richtlinie vom 15. März 1993 Nach Art. 9 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 gewährt das zuständige Gericht des ersuchten Mitgliedstaats bei Anordnung der Rückgabe von i.S.d. Richtlinie unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern dem Eigentümer in der Höhe, die es im jeweiligen Fall als angemessen erachtet, eine Entschädigung, sofern es davon überzeugt ist, dass der Eigentümer beim Erwerb mit der „erforderlichen Sorgfalt“ vorgegangen ist. In der Richtlinie wird bewusst nicht der Begriff der ‚Gutgläubigkeit‘ sondern der erforderlichen Sorgfalt gebraucht, da nicht die innerhalb der nationalen Zivilrechtsordnungen unterschiedlich ausgeformte präjudizielle Wirkung der Terminologie ‚Gutgläubigkeit‘ in die Entschädigungsleistung übertragen werden sollte. Sehr wichtig ist dementsprechend, dass sich diese Sorgfalt beim Erwerb gerade nicht auf die Berechtigung des Veräußerers zum Verkauf eines Kunstgegenstandes, sondern auf den rechtmäßigen Aufenthalt eines Werkes in dem Mitgliedstaat, in dem es der Käufer erworben hat, richtet.98 Deshalb ist für die Entschädigungspflicht der gute Glaube an das
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S. 19–72, S. 28; Winter, The Application of the Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Objects in Relations between member States of the European Union, in: Denters, Reflections on international law from the low countries in honour of Paul de Waart, 1998, S. 347–372, S. 364; Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/Revue de droit uniforme 2001-3, S. 477 ff., S. 536. So trifft nach Art. 4 des italienischen Gesetzes zur Umsetzung der UNIDROIT-Konvention (L. 213/99) den ersuchenden Staat die Beweislast hinsichtlich dieses Punktes, Doyal, Implementing the UNIDROIT Convention on Cultural Property into Domestic Law: The Case of Italy, Columbia Journal of Transnational Law 39 (2001), S. 657–700, S. 697. Vgl. auch Explanatory Report (I), Study LXX – Doc. 49 Nr. 108. Vgl. Renold, Les principales règles de la Convention d’UNIDROIT sur les biens culturels volés ou illicitement exportés, in: Breitler, La Convention d’Unidroit du 24 juin 1995 sur les biens culturels volés ou illicitement exportés: actes d’une table ronde organisée le 2 octobre 1995, 1997, S. 31. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Vgl. Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Eigentum oder die Verfügungsbefugnis des Verkäufers, von dem er das Kulturgut erworben hat, ohne Bedeutung. Da der Erwerber nicht zwingend Eigentum in zivilrechtlichem Sinne, sondern nach Art. 1 Nr. 6 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 lediglich die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für sich begründet haben muss, ist dieses Redlichkeitskriterium nicht mit dem des § 932 Abs. 2 BGB gleichzusetzen.99 49
Hipp und Bila beziehen die erforderliche Sorgfalt auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von der illegalen Verbringung des Kulturgutes (dieser Ansicht hat sich auch der deutsche Umsetzungsgesetzgeber angeschlossen, vgl. sogleich).100 Im Gegensatz zu den Gutglaubensanforderungen beim Erwerber bspw. nach § 932 BGB muss die notwendige Sorgfalt nicht bezüglich des Eigentums des Veräußerers, sondern im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Verbringung aus dem kulturellen Ursprungsstaat bestehen.101 Dem entgegnet jedoch Wiese, dass es bei den Vorgaben der Richtlinie nicht um die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom illegalen Verbringen, sondern darum ginge, ob der Erwerber wusste oder hätte wissen müssen, dass die Pflicht zur Restitution des Kulturgutes seine Nutzungsmöglichkeiten von vorneherein eingeschränkt hat:102 „Wird eine redlich begründete Nutzungsmöglichkeit des Gutes durch Rückführung desselben in seinen Schutzstaat vereitelt, löst dies unabhängig davon, ob die Nutzungsmöglichkeit dem zivilrechtlichen Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigten entzogen wird, die Entschädigungspflicht aus. Die Redlichkeit bezieht sich also darauf, ob der Erwerber wusste oder hätte wissen müssen, dass seine Nutzungsmöglichkeit durch die Pflicht zur Restitution des Kulturguts von vornherein eingeschränkt war.“ 103 Mit der erforderlichen Sorgfalt handelt der Eigentümer in diesen Konstellationen jedenfalls dann, wenn er die Verbringung aus dem Staatsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats im guten Glauben als rechtmäßig betrachtete.104 Zu Gunsten des gutgläubigen Erwerbers wird davon ausgegangen, dass 99
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Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 322 ff.; Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189. Vgl. Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192. Vgl. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 61. Zur unterschiedlichen Einschätzung vergleiche auch Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191. Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62, unter Rückgriff auf Siehr, Die Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und das Privatrecht der Mitgliedstaaten der EWG, S. 231; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 286. Vgl. auch die ursprüngliche Formulierung im Richtlinienvorschlag, ABI. EG Nr. C 53 vom 28.2.1992, S. 11 ff., S. 13. Vgl. KOM (91) 447 endg.; Ratsdok. 4327/92; BR-Drs. 137/92 vom 25. Februar 1992, S. 28; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–297.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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dieser nicht wissen konnte, dass das Kulturgut unrechtmäßig das Staatsgebiet eines Mitgliedstaates verlassen hatte, wenn er beim Erwerb des Gegenstandes keinen konkreten Anhalt für eine unrechtmäßige Ausfuhr hatte. Im Streitfall obliegt es dem Gericht, unter Berücksichtigung aller Umstände des Erwerbes zu entscheiden, ob der Erwerber die nötige Sorgfalt hat walten lassen.105 „Regelmäßig wird bei einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis vom illegalen Verbringen jedoch zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis von den Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeit durch die Restitutionspflicht zu bejahen sein. Alleine in den Fällen, in denen nachträglich ein Rückgabeanspruch entsteht, könnte die auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom illegalen Verbringen abstellende Formulierung den Rückgabeschuldner unter Umständen begünstigen. Zwar ist angedacht worden, dass die Gutgläubigkeit hinsichtlich des Eigentums oder der Verfügungsbefugnis, die einen gutgläubigen Erwerb erst ermöglicht, mittelbar eine Vorraussetzung des Entschädigungsanspruchs darstellen könnte, ergänzt durch das zusätzliche Erfordernis der erforderlichen Sorgfalt. Allerdings spricht dagegen, dass obwohl die RL 93/7/ EWG den Begriff des Eigentümers verwendet, letztlich nicht das Eigentum, sondern der Besitz bzw. die tatsächliche Sachherrschaft entscheidend für die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs ist.“106 Entsprechend der gewählten Form ist Art. 9 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen durch ein innerstaatliches Gesetz Geltungskraft zu verleihen. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung erfolgt dies bspw. seit Erlass des Gesetzes zur Ausführung des UNESCOÜbereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG) vom 18. Mai 2007 in § 10 (n.F. des ehemaligen § 9 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 15. Oktober 1998).
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§ 10 Kulturgüterrückgabegesetz vom 18. Mai 2007: Entschädigung: (1) Der Rückgabeschuldner ist zur Rückgabe nur Zug um Zug gegen eine angemessene Entschädigung verpflichtet, wenn nicht der ersuchende Staat nachweist, dass dem Rückgabeschuldner bei Erwerb des Kulturgutes die unrechtmäßige Verbringung aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staats bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe ist die Entziehung der Nutzung des Kulturgutes unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Rückgabeschuldners zu berücksichtigen. Für entgangenen Gewinn und für sonstige Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entzug der Nutzung stehen, ist dem Rückgabeschuldner eine Entschädigung zu zahlen, wenn und
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105 106
Vgl. Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192. Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188– 191, unter Rückgriff auf Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt insoweit dies zur Abwendung oder zum Ausgleich einer unbilligen Härte geboten erscheint. (2) Die Entschädigung ist von dem ersuchenden Staat zu entrichten. (3) Sichert der ersuchende Staat schriftlich zu, dass die Rechte des Rückgabeschuldners an dem Kulturgut durch die Rückgabe nicht berührt werden, so hat er diesem nur die Kosten zu erstatten, die ihm daraus entstanden sind, dass er darauf vertraut hat, das Kulturgut im Bundesgebiet belassen zu dürfen. (4) Ist das zurückzugebende Kulturgut dem Rückgabeschuldner geschenkt, vererbt oder vermacht worden, so fallen ihm die Sorgfaltspflichtverletzungen des Schenkers oder Erblassers zur Last.
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Die deutsche Umsetzungsgesetzgebung (auch der Verpflichtungen aus der UNESCO Konvention) ersetzt die Voraussetzung der Überzeugung des Gerichts von der „erforderlichen Sorgfalt“ der EG-Richtlinie 93/7/EWG durch den vom ersuchenden Mitgliedstaat zu führenden Nachweis, dass dem Rückgabeschuldner beim Erwerb des Kulturgutes die unrechtmäßige Verbringung aus dem Hoheitsgebiet bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war.107 Die Formulierung greift damit die deutsche Begrifflichkeit des § 932 Abs. 2 BGB auf.108 Dies wird zuweilen deshalb als problematisch empfunden, weil der Richtliniengesetzgeber den Begriff des guten Glaubens im Rahmen der Entschädigungsregelung bewusst durch den Begriff der erforderlichen Sorgfalt ersetzt hat, um zu verdeutlichen, dass keine Anknüpfung an zivilrechtliche Kriterien hinsichtlich der sachenrechtlichen Eigentumslage erfolgt.109 Hipp legt die deutsche Umsetzungsnorm i.S.d. Inhalts der EG-Richtlinie 93/7/EWG aus und betont, dass die Definition der deutschen Formulierung mit der der Richtlinie deckungsgleich sei, da mit der erforderlichen Sorgfalt nur derjenige handeln könne, der hinsichtlich der Verbringung in gutem Glauben erworben hatte.110 Schmeinck und dieser folgend Halsdorfer erkennen letztlich zutreffend, dass die deutsche Regelung nicht darauf schließen lässt, dass es schadet, wenn der Rückgabeschuldner zwar keine Kenntnis von einer illegalen Ausfuhr hatte, jedoch wusste, dass es sich um einen gestohlenen Gegenstand handelt.111 Aus der deutschen Formulierung ergibt sich besonders deutlich, dass jedenfalls derjenige keine Entschädigung
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Vgl. Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191. Vgl. Siehr, Kulturgüterschutz innerhalb der Europäischen Union, ZVglRWiss 95 (1996), S. 170–187, S. 179; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 322–323; Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191. Vgl. etwa Ulmar, Rechtsverkehr und Handel mit Kulturgütern aus Italien: unter Berücksichtigung europarechtlicher und internationalrechtlicher Aspekte, 2005, S. 321. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 286–287. Vgl. Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 197; Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
353
geltend machen kann, der das Kulturgut selbst unrechtmäßig verbracht hat, sondern nur, wer das Kulturgut nach dessen unrechtmäßiger Verbringung erwirbt.112 „Die erforderliche Sorgfalt entspricht dem Fahrlässigkeitsmaßstab des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB. Wenn aber schon derjenige Rückgabeschuldner von der Entschädigung ausgeschlossen ist, der beim Erwerb des unrechtmäßig verbrachten Kulturgutes fahrlässig gehandelt hat, muß dies erst recht für den vorsätzlich handelnden Rückgabeschuldner gelten. Der Verschuldensmaßstab der Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis entspricht der Bösgläubigkeit gemäß § 932 Abs. 2 BGB.“113 Wird das Kulturgut noch im kulturellen Ursprungsstaat erworben, wird vom Erwerber erwartet, sich über die maßgeblichen Vorschriften zu informieren und die entsprechenden Genehmigungen einzuholen, sodass das Prinzip der unterstellten Rechtskenntnis eingreift.114 Es ist aber erneut klarzustellen, dass der Begriff der erforderlichen Sorgfalt weder – wie die Gutgläubigkeit i.S. von § 932 BGB – auf das Eigentum noch auf die Verfügungsbefugnis wie in § 366 HGB bezogen werden darf.115 Ob der Eigentümer beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist, bestimmt sich nach Art. 9 Abs. 2 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 nach den Grundsätzen der lex fori, sodass sich die Frage der Beweislast nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats richtet.116 Auch wenn es sich streng genommen angesichts des Untersuchungsgrundsatzes des § 86 Abs. 1 der VwGO innerhalb der deutschen Rechtsordnung nicht um eine Beweislast handelt,117 ist die dem ersuchenden Mitgliedstaat in der deutschen Regelung in § 10 Abs. 1 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 auferlegte Nachweispflicht zulässig, die den Beweisumkehrregeln der § 932 BGB und § 366 HGB entspricht.118 112
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So Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 322–323. Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188– 191, unter Rekurs auf Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 199. Vgl. Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189; Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191. Vgl. bspw. m.w.N. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 285–97; Wiese, Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 59–62; Bila, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 189–192. Vgl. Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 328. Vgl. Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 2007, S. 188–191; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 323; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 64–65.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
§ 8 Ergebnis: Gutgläubigkeit in kulturgüterspezifischen zwischenstaatlichen Rechtsinstrumenten 54
Der 3. Teil des rechtsvergleichenden Diskurses zu der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der Frage nach der Gutgläubigkeit im Kunsthandel hat sich die Aufgabe gesetzt, eine präzise Bestimmung derjenigen Parameter vorzunehmen, die die Gut- bzw. Bösgläubigkeit im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr ausmachen. Bevor nun im Folgenden Rekurs auf nationale Gutglaubensanforderungen genommen wird, hat sich Punkt A. mit den Vorgaben zur Bestimmung der Gutgläubigkeit in kulturgüterspezifischen zwischenstaatlichen Rechtsinstrumenten beschäftigt. Diese geben nach ihrem eigenen Selbstverständnis die für den internationalen Kulturgüterverkehr spezifische Messlatte vor, an der sich nationale Rechtsordnungen auszurichten haben. Insgesamt kann festgestellt werden, dass bei der Untersuchung der Gutgläubigkeit im (inter-)nationalen Kunsthandel die internationalen bzw. europäischen Rechtsinstrumente zur Bestimmung der konkret notwendigen Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter eine Vorbildwirkung einnehmen. Es gilt jedoch immer zu bedenken: In Abgrenzung bspw. zu der deutschen Rechtsordnung führt die Gutgläubigkeit des Erwerbers innerhalb des Anwendungsfeldes zwischenstaatlicher Kulturgüterschutzinstrumente nie zu einem derivativen Eigentumserwerb an den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern, sondern nur zu einem finanziellen Kompensationsanspruch des Besitzers gegen den Restitutionsberechtigten: Die kulturgüterspezifischen internationalen Regelwerke schließen unisono den gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aus und wahren die Interessen gutgläubiger Restitutionsschuldner allein mittels einer Entschädigungszahlung des Restitutionsberechtigten.
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Zunächst wurde erkannt, dass Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 schlicht einen ‚innocent purchaser‘ verlangt. Nähere Ausführungen zu dem konkreten Sorgfaltsmaßstab unterblieben hier. Ganz anders verhält sich jedoch die UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 in der Bestimmung der Gutgläubigkeit der im Kunstmarkt Beteiligten: Art. 4 Abs. 1 verlangt im Falle gestohlener Kulturgüter, dass „the possessor neither knew nor ought reasonably to have known that the object was stolen and can prove that it exercised due diligence when acquiring the object“. Bei der Beurteilung der Gutgläubigkeit des Erwerbers und der Frage, ob der Besitzer mit gebührender Sorgfalt gehandelt hat, wird in Art. 4 Abs. 4 ausdrücklich ein nicht abschließender und nicht zwingender Kriterienkatalog der Gutgläubigkeit genannt, wonach alle für den Erwerb erheblichen Umstände berücksichtigt werden müssen, namentlich die Eigenschaften der Parteien und das gezahlte Entgelt sowie die Tatsache, ob der Besitzer in einem vernünftigerweise zugänglichen Verzeichnis gestohlener Kulturgüter nachgeschlagen hat, sowie sonstige diesbezügliche Auskünfte eingeholt und Unter-
§ 8 Ergebnis: Gutgläubigkeit in kulturgüterspezifischen Rechtsinstrumenten
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lagen eingesehen hat, die er vernünftigerweise hätte erlangen können, und ob er Organisationen zu Rate gezogen hat, zu denen er Zugang haben konnte, und jeden anderen Schritt unternommen hat, den eine vernünftige Person unter denselben Umständen unternommen hätte. Damit werden Maßstäbe gesetzt: Die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 nennt nicht nur konkrete Kriterien und Indizien zur Bestimmung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit, sondern normiert die Notwendigkeit aktiver Provenienzerforschungsbemühungen. Dabei ist die Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium bei der Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs wesentlich, sodass von professionell im Kunsthandel tätigen Personen ein gesteigertes Sorgfaltsprogramm verlangt wird. Während bekanntlich in den meisten nationalen Rechtsvorschriften die Gutgläubigkeit eines Erwerbers in verschiedenen Ausgestaltungsformen entweder grundsätzlich und im Generellen vermutet wird (so bspw. in Art. 3 Abs. 1 des Schweizer Zivilgesetzbuches), oder präsumtiv angenommen wird, dass der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft über den Gegenstand gutgläubig ist (bspw. in §§ 323, 328 des österreichischen AGBG, Art. 2279 des französischen Code civil und Art. 1147 Abs. 3 des italienischen Codice civile), oder aber der Nachweis der Bösgläubigkeit derjenigen Seite auferlegt wird, die die Gutgläubigkeit der Gegenseite bestreitet (so bspw. in § 932 des deutschen BGB), kehrt dies die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 um und auferlegt dem Anspruchsteller einer Kompensationszahlung den Nachweis seiner Gutgläubigkeit. Nicht ganz so weit reicht das Verhaltensprogramm im Falle des Erwerbs illegal exportierter Kulturgüter: Nach Art. 6 Abs. 1 wird als Voraussetzung der Gutgläubigkeit bestimmt, dass „the possessor neither knew nor ought reasonably to have known at the time of acquisition that the object had been illegally exported“. Der Vertragstext deutet darauf hin, dass der Sorgfaltsmaßstab für eine Kompensationszahlung bei gestohlenen Kulturgütern höher zu qualifizieren ist als im Rahmen nur illegal ausgeführter Kunstwerke und es ist innerhalb der Rechtsdogmatik umstritten, wie hier die Beweislastverteilung vorzunehmen ist. Gleichsam konkretisierungsbedürftig wie die UNESCO Konvention bestimmt Art. 9 innerhalb der EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993, dass nur in solchen Fällen von Gutgläubigkeit zu sprechen ist, wenn der „Eigentümer beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen“ ist. Welcher konkrete Sorgfaltsmaßstab verlangt wird, inwieweit Verifizierungsbemühungen gutgläubiger Erwerber bestehen und ob eine Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium bei der Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs erfolgt, bleibt unausgesprochen. Ob der Eigentümer beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist, bestimmt sich nach Art. 9 Abs. 2 der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 ausdrücklich nach den Grundsätzen der lex fori, sodass sich die Frage der Beweislast ebenso nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats richtet. Auch
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
wenn es sich streng genommen angesichts des Untersuchungsgrundsatzes des § 86 Abs. 1 der VwGO innerhalb der deutschen Rechtsordnung nicht um eine Beweislast handelt, ist die dem ersuchenden Mitgliedstaat in der deutschen Regelung in § 10 Abs. 1 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 auferlegte Nachweispflicht zulässig, die den Beweisumkehrregeln der § 932 BGB und § 366 HGB entspricht. 57
Nachdem durch die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 als kulturgüterspezifisches, zwischenstaatliches Rechtsinstrument ein neuer ‚Trend‘ in der Bestimmung der Gutgläubigkeit im (inter-)nationalen Kunsthandel eingeführt wurde, stellt sich in den folgenden Abschnitten die Frage, wie repräsentative Einzelrechtsordnungen den notwendigen Sorgfaltsmaßstab im Kunsthandel justieren. Exemplarisch wird auf die abstrakt-theoretische Ausgestaltung des konkret notwendigen Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika (vgl. nun folgend Punkt B.) und der deutschen (vgl. unten Punkt C.), Schweizer und italienischen Rechtsordnungen (vgl. unten Punkte D. und E.) abgestellt. Es wird jeweils danach zu fragen sein, welcher konkrete Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb kultureller Wertgegenstände auf Seiten des Erwerbers notwendig erscheint, ob eine Notwendigkeit für Verifizierungs- und Nachforschungsbemühungen besteht und ob spezielles Fachwissen als subjektives Kriterium zu berücksichtigen ist. Dabei ist stets ein Augenmerk darauf zu legen, konkrete Indizien und Hinweiszeichen der Gut- bzw. Bösgläubigkeit für den (inter-)nationalen Kunsthandel zu extrahieren. Schließlich ist jede nationale Ausgestaltungsvariante daraufhin zu untersuchen, ob eine Gutglaubensvermutung besteht oder dem Erwerber die Bürde des Nachweises seiner Gutgläubigkeit auferlegt wird.
B.
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Strenger Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung
Das Rechtssystem der Vereinigten Staaten von Amerika geht zwar im Grundsatz von der nemo dat-Regel und dem prinzipiellen Ausschluss des redlichen Erwerbs gestohlener (Kultur-)Güter aus, ausnahmsweise ist jedoch die Gutgläubigkeit eines Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in eng umgrenzten Sonderfällen innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung von Bedeutung:119 119
Notiert bei DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 445; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 316; ausführlich auch Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 397–399. Ausführlich hierzu: Phelan, Scope of Due Diligence Investigation in Obtaining Title to Valuable Artwork, Seattle University Law Review 23 (2000), S. 631–733.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
Dies ist bspw. nach Sec. 2-403 Abs. 3 des Uniform Commercial Code (UCC) beim gutgläubigen Erwerb von einem Kaufmann, der mit Waren dergleichen Art handelt und dem die Sache anvertraut war der Fall. Ein gutgläubiger Erwerb ist aber nach Sec. 2-403 des UCC auch von einer Person mit ‚voidable title‘ möglich. Zwar kann keine bona fide-Akquisition bei einem Rechtsgeschäft mit dem Dieb erfolgen, jedoch kann eine Person mit einem anfechtbaren Eigentumstitel derivativ an einen gutgläubigen Erwerber Eigentum übertragen – „voidable title exists where delivery of goods to the consignor or her predecessor was obtained through a ,transaction of purchase‘“ 120, bspw. in einem Fall der Versendung von Kunstwerken. Der Eigentümer gibt seinen Besitz und damit auch seine tatsächliche Sachherrschaft aus der Hand, sodass dieser weniger schutzwürdig ist und im Rahmen einer Abwägung mit den Interessen eines gutgläubigen Erwerbers hinten anzustehen hat.121 Eine weitere Ausnahmekonstellation, in der die Gutgläubigkeit eines Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter von Bedeutung sein kann, ist der Ausschluss des Herausgabeanspruchs des Eigentümers nach allgemeinen Verwirkungsgrundsätzen (estoppel-Grundsatz, bestätigt in Sec. 1-103 des UCC). Darüber hinaus ist die Qualifizierung eines Käufers als gutgläubig innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung deshalb von Bedeutung, da der bösgläubige Erwerber nach Sec. 2-312 des UCC nicht in den Vorteil sog. implied warranty of good title des Verkäufers gelangt.122 “One of the most useful U.C.C. provisions is § 2-312 (1976), which provides that there is warranty of title in every sales contract unless specifically excluded or modified. U.C.C. § 2-312 (1976). In the art transaction, the seller warrants that the title to the art work is good, that he or she has the right to transfer title and that the art work is delivered free from any security interest, lien, or encumbrance of which the
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Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, Fn. 144, S. 398. DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 445. “The warranty provisions of the U.C.C. can also be applied to the sale of art works. An express warranty made by the seller need not include formal words like “warrant or guarantee”. U.C.C. § 2313 (2) (1976). Pursuant to § 2-313 (1) (a) if the seller’s statement relates to the goods and is part of the basis of the bargain, an express warranty is given. U.C.C. § 2-313 (1) (a) (1976). Neither a purchaser’s reliance on the seller’s promise nor the specific intention of the seller need be established. U.C.C. § 2-313 comment 3 (1976). An example of an express warranty would be a statement by a seller that a particular object of art is by a specific artist, from a specific collection, or made in a specific period. An express warranty can be established through statements regarding technical specifications, blueprints, catalogue reference, or through advertising. If the art work does not conform to the seller’s statement the warranty is breached and the purchaser can seek a remedy. However, this remedy is limited to cases of affirmations of fact which constitute a warranty and is unavailable when inaccuracy stems from mere expression of opinion. This distinction is the prime reason why the U.C.C. warranty provision is an inadequate means for determining liability with regard to art market transactions.” Antonio, The Current Status of the International Art Trade, Suffolk Transnational Law Journal 10 (1986), S. 51–86, Fn. 56, S. 61–62.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
buyer does not have knowledge. U.C.C. § 2-312 (1) (1976). If the original owner attempts to get his art work returned, the seller will be required to defend the action. Disclaimers may be operative if the disclaimer language cannot be construed as consistent with the express warranty. U.C.C. § 2.316 (1) (1976). In the case of a warranty of title, the disclaimer is only operative if the buyer has reason to know that the seller does not claim title in himself or herself or that he or she is purporting to sell only such right or title as he or she or a third person may have. U.C.C. § 2-312 (2) (1976).” 123 Schließlich müssen die amerikanischen Gerichte ggf. auch bei Anwendbarkeit ausländischen Rechts zur Gutgläubigkeit des Erwerbers Stellung nehmen. In diesen Konstellationen ist somit auch für den amerikanischen Rechtskreis von besonderem Interesse, welche Sorgfaltsanforderungen seitens der Erwerber kultureller Wertgegenstände zu verlangen sind, um deren Gutgläubigkeit feststellen zu können. 60
Innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung wird der gute Glaube in Sec. 1-201 Abs. 20 des Uniform Commercial Code (UCC) ausdrücklich legal definiert.
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§ 1-201 Abs. 20 Uniform Commercial Code: “Good faith” … means honesty in fact and the observance of rea-sonable commercial standards of fair dealing.
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Nach amerikanischem Recht trägt der Erwerber die Beweislast für sämtliche Voraussetzungen des Erwerbs vom Nichtberechtigten, damit auch für seine Gutgläubigkeit.124 Grundsätzlich wird die Gutgläubigkeit erst bei positiver Kenntnis verneint, fahrlässiges Verhalten wird aber dann berücksichtigt, wenn der Erwerber Kenntnis von Umständen hat, die einen verständigen Durchschnittsbürger zu Nachforschungen veranlasst hätten, der Erwerber diese aber unterlässt.125 Etwas anderes gilt, wenn der Erwerber selbst Kaufmann ist.
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§ 2-104 Abs. 1 Uniform Commercial Code: “Merchant” means a person that deals in goods of the kind or other-wise holds itself out by occupation as having knowledge or skill peculiar to the practices or goods involved in the transaction or to which the knowledge or skill may be attributed by the person’s employment of an agent or broker or other intermediary that holds itself out by occupation as having the knowledge or skill.
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Erwirbt ein Kaufmann in dem beschriebenen Sinne ein Kulturgut, muss er zusätzlich die im Handelsverkehr übliche Sorgfalt einhalten.126 Im Bereich des 123
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Antonio, The Current Status of the International Art Trade, Suffolk Transnational Law Journal 10 (1986), S. 51–86, Fn. 56, S. 61–62. Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 151; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 139 m.w.N. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 139 m.w.N.; Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 503; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 321–322.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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internationalen Kulturgüterverkehrs tendiert sowohl die Rechtsdogmatik als auch die Rechtsprechung dazu, einen strengen Sorgfaltsmaßstab anzunehmen und bei kommerziellen Käufern jedenfalls eine Verpflichtung zur Nachfrage, wenn nicht sogar zur Nachforschung bezüglich der Eigentumsverhältnisse anzunehmen.127 Antonio spricht sich dementsprechend innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung für eine Provenienzerforschung seitens der professionell am Kunsthandel beteiligten Museen, Händler, Galeristen und Auktionshäuser aus, während ein laienhaft im (inter-)nationalen Kunsthandel tätiger Privatsammler sich in der Regel auf die Ausführungen des Verkäufers verlassen dürfe: “The purchaser’s position can have an impact on the outcome of a dispute. If the purchaser is experienced in the art trade, he is in a position to discover defects in the goods that an inexperienced purchaser would not be able to discern. See U.C.C. § 2-104 (1976) (definition of merchant). However, if the defect is obvious, even the inexperienced private purchaser will not be allowed to claim a breach of seller’s warranty. See U.C.C. § 2-316, comment 8 (1976) (inspection by purchaser may result in exclusion of express warranty depending on issue of reliance by purchaser, experience of purchaser and if defect is apparent upon inspection) … . Thus, an art dealer buying an art object to subsequently sell must make appropriate inquiries into the seller’s title. See U.C.C. § 2-316, comment 8 (1976) (professional buyer examining product in his field held to assume risk as to all defects which profession in same field should observe). However, the inexperienced purchaser may to a large extent rely upon the representations of the seller alone and need not make independent inquiries. See U.C.C. § 2-316, comment 8 (1976) (nonprofessional buyer only assumes risk for defects laymen expected to observe).” 128
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Um nach Ansicht der amerikanischen Rechtsprechung als „a buyer in the ordinary course of business“ qualifiziert zu werden, sind in der Profession des Kunstgewerbes tätige Personen durch den Uniform Commercial Code dazu angehalten, „to act in good faith“, indem die „reasonable commercial standards of fair dealing in the trade“ beachtet werden. Dementsprechend haben die amerikanischen Gerichte ausgesprochen, dass die Anforderung an die Redlichkeit von in der Profession des Kunstgewerbes tätigen Personen nur dann erfüllt sind, wenn eine angemessene Recherche der Provenienz eines Kulturguts und somit der rechtlichen Befugnis des Veräußerers, das Eigentumsrecht rechtsgeschäftlich zu übertragen, im konkreten Fall zu konstatieren ist. “Failure to make such an inquiry will result in return of the work to the original plaintiff-owner. Art dealers’ duty of inquiry has been held to extend to the appearance of suspicious circumstances, even absent knowledge that a sale may violate the ownership rights of a third party. Thus, if a dealer fails to inquire in to the provenance of a
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85; Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996, S. 139 m.w.N.; Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 503; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 321–322. Vgl. Antonio, The Current Status of the International Art Trade, Suffolk Transnational Law Journal 10 (1986), S. 51–86, Fn. 56, S. 61–62.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
work, and the propriety of a transaction that appears suspicious, they are not conforming to the reasonable commercial standards of fair dealing in the trade and could lose the work.” 129 Weitergehend fordert jedoch bspw. Bolano generell eine Provenienzerforschung seitens der Erwerber kultureller Wertgegenstände: 67
“An art purchaser has a duty to investigate the provenance of art work prior to its purchase. A requirement to investigate title dictates that a purchaser must take good faith measures to fulfill a reasonable duty of diligence. As measures of good faith, the purchaser should inquire into the history of ownership of the piece or request a certificate of right to pass title from the seller. Additionally, the purchaser may evaluate the seller’s reputation … . The purchaser should request a formal search from art organizations, such as the stolen paintings registry of the International foundation for Art Research (the ‘IFAR’), the Art Dealers Association of America, or the Art Loss Register (the ‘ALR’). Furthermore, the inquiry of the country of origin or of the living artist is a reasonable method to ensure that the artifact’s title is clear.” 130
68
Die weit über das Territorium der Vereinigten Staaten von Amerika ausstrahlende Judikatur der amerikanischen Gerichte nimmt innerhalb des internationalen Kulturgüterverkehrs und der zivilrechtlichen Resolutionsmethoden eine Ausnahmestellung ein, deren detaillierte Kenntnis eine notwendige Voraussetzung innerhalb des derivativen Rechtserwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter darstellt. Deshalb ist in den folgenden Untersuchungen eine präzise Darstellung der Rechtsprechung der Vereinigten Staaten von Amerika zu dem konkret notwendigen Sorgfaltsmaßstab vorzunehmen und nachzuprüfen, ob die Gerichte hinter den Forderungen der Rechtsdogmatik zurückstehen oder etwa selbst kulturgüterspezifischen, internationalen Standards wie etwa der UNIDROIT Konvention des Jahres 1995 entsprechen.
I.
69
‚Inquiry of status of title‘ seitens professionell im Kunsthandel tätiger Personen innerhalb der Rechtssache Menzel v. List
Schon in der Rechtssache Menzel v. List131 aus dem Jahre 1966 wurde seitens der New Yorker Zivilgerichte den Kunsthändlern die Pflicht beim Erwerb kultureller Güter auferlegt, Nachforschungen hinsichtlich der Eigentumsposition an den zum Verkauf stehenden kulturellen Werten anzustellen. Der Fall um die Herausgabe der Gouache ‚L’Échelle de Jacob‘ von Marc Chagall (s. Abb. 6) stellte die erste
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Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 503. Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 162. Menzel v. List, 267 NYS 2d 804 (Sup. Ct. 1966), Menzel v. List, 298 NYS 2d 297 (CA 1969), Menzel v. List, 279 NYS 2d 608 (Sup. Ct. 1967).
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
361
Restitutionsklage nach Ende des Zweiten Weltkriegs innerhalb des Territoriums der Vereinigten Staaten von Amerika dar und wies damit den Weg weiterer zivilrechtlicher Restitutionsklagen zur Wiedergutmachung kriegsbedingt entzogener Kulturgüter der nationalsozialistischen Besatzungsmacht Deutschlands im besetzten Ausland.132 Die Gouache ‚L’Échelle de Jacob‘ von Marc Chagall galt nach Kriegsende als verschollen. Sämtliche Versuche der Eigentümer Menzel, sie aufzufinden, schlugen fehl. Im Jahr 1955 wurde das Gemälde jedoch von Klaus Perls und seiner Frau Amelia Perls, Inhaber der bekannten New Yorker Perls Gallery, für US-$ 2.800 von der Pariser Kunstgalerie Art Moderne erworben. Die Eheleute Perls hatten das Gemälde ohne Kenntnis über die vorherige Geschichte und ohne Nachforschungen über die Provenienz des Gemäldes erworben. Noch im selben Jahr veräußerten die Perls die Gouache an Albert List für US-$ 4.000. Die Gouache blieb im Privatbesitz von List, bis Erna Menzel 1962 Kenntnis davon erhielt. Nachdem Frau Menzel erfolgreich eine replevin-Klage mit dem Ziel der Wiedererlangung der tatsächlichen Sachherrschaft des Gemäldes gegen List angestrengt hatte, klagte dieser seinerseits gegen die Perls Gallery auf Zahlung von Schadensersatz aufgrund „breach of warranty of title“. Die Inhaber der Perls Gallery sprachen sich jedoch aufgrund ihrer eigenen Gutgläubigkeit beim Erwerb der Gouache gegen die Pflicht zur Zahlung einer Schadensersatzsumme an List aus.
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“An objection raised by the Perls to this measure of damages is that it exposes the innocent seller to potentially ruinous liability where the article sold has substantially appreciated in value. However, this ‘potential ruin’ is not beyond the control of the seller since he can take steps to ascertain the status of title so as to satisfy himself that he himself is getting good title. (Mr. Perls testified that to question a reputable dealer as to his title would be an ‘insult.’ Perhaps, but the sensitivity of the art dealer cannot serve to deprive the injured buyer of compensation for a breach which could have been avoided had the insult been risked.) Should such an inquiry produce no reasonably reliable information as to the status of title, it is not requiring too much to expect that, as a reasonable businessman, the dealer would himself either refuse to buy or, having bought, inform his vendee of the uncertain status of title. Furthermore, under section 94 of the PPL, the seller could modify or exclude the warranties since they arise only ‘unless contrary intention appears’. Had the Perls taken the trouble to inquire as to title, they could have sold to List subject to any existing lawful claims unknown to them at the time of the sale. Accordingly, the ‘prospects of ruin’ forecast as flowing from the rule are not quite as ominous as the argument would indicate. Accordingly, the order of the Appellate Division should be reversed as to the measure of damages and the judgment awarding List the value of the painting at the time of trial of the Menzel action should be reinstated.” 133
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Vgl. zu den Sachverhaltsangaben Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 93–97 und S. 269–270; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 326–327; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 129. Menzel v. List, 24 N.Y.2d 91, 246 N.E.2d 742, 298 N.Y.S.2d 979, 6 UCC Rep.Serv. 330.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Der Court of Appeal bestimmte somit schon in seiner ersten Entscheidung zur zivilrechtlichen Restitution unrechtmäßig entzogener Beutekunst, dass innerhalb des (inter-)nationalen Kunsthandels eine Pflicht zur Provenienzerforschung besteht. Im Ergebnis erlaubte das Gericht somit dem Käufer kultureller Güter den aktuellen Marktwert des Chagalls von der veräußernden Kunstgalerie erstattet zu bekommen, weil diese ihrerseits nicht den notwendigen Sorgaltsmaßstab bei der Provenienzbestimmung des Kaufobjektes wahrte. Diese Entscheidung bedeutet, dass Kunsthändler nur dann ihre Pflichten im Rahmen der Veräußerung kultureller Güter erfüllen, wenn sie Nachforschungen hinsichtlich der rechtmäßigen Eigentumsposition des Veräußerers anstellen. Diese Verpflichtung wurde dem Kunstgewerbe bewusst entgegen der Einlassung seitens der Kunstgalerie auferlegt, dass es als üblicher Handelsbrauch angesehen werden könne, dass im Kunstgewerbe keine Provenienzrecherche zu erfüllen sei.
II. 73
‚Commercial indifference‘ von Kunsthändlern als Kriterium der Bösgläubigkeit nach der Entscheidung Porter v. Wertz
Innerhalb der Konstellation Porter v. Wertz and Richard Feigen Gallery, Inc., Richard L. Feigen & Co., Inc., and Richard L. Feigen134 hatten die zuständigen Gerichte im Bundesstaat New York eine Bestimmung der notwendigen Sorgfaltspflicht von professionell am Kunstmarkt beteiligten Parteien vorzunehmen und damit über die zu diesem Zeitpunkt umstrittene Frage zu entscheiden, ob Kunsthändler, Galerien oder sonstige kulturelle Institutionen Nachforschungen über den zu erwerbenden Kunstgegenstand hinsichtlich des rechtmäßigen Eigentumstitels anzustrengen haben, um als gutgläubig i.S.d. amerikanischen Rechtsordnung zu gelten.
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Porter v. Wertz and Richard Feigen Gallery, Inc., Richard L. Feigen & Co., Inc., and Richard L. Feigen, 56 A.D.2d 570, 392 N.Y.S.2d 10 (1977) (Antrag auf summary judgment abgelehnt); 23 UCC Rep. Serv. 614 (Sup.Ct. 1978); 68 A.D.2d 141, 416 N.Y.S.2d 254 (Sup.Ct., App.Div. 1979); affd an other grounds 53 N.Y.2d 696, 439 N.Y.S.2d 105, 421 N.E.2d S00 (1981). Vgl. auch Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 398; Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., Fn. 50, S. 27–28; DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 445–450; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85, Fn. 156, S. 85; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38; Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129– 173, S. 151–153; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 321 Fn. 317.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
In der Rechtstreitigkeit Porter v. Wertz ging es um die zivilrechtliche Restitution des Gemäldes ‚Chateau de Lion-sur-Mer‘ von Maurice Utrillo. Dieses Gemälde hatte Porter, ein privater Kunstsammler, im Jahre 1969 erworben. Der Kunsthändler Harold von Maker, mit dem Porter in Geschäftsbeziehung stand, zeigte Interesse an dem Bild. Aus diesem Grund erlaubte ihm Porter, das Kunstwerk für einen bestimmten Zeitraum in seinem Haus zu behalten, bis er über den möglichen Kauf entschieden habe. Nachdem von Maker das Gemälde von Samuel Porter geliehen und zur Verwahrung übergeben wurde, verkaufte der Kunsthändler von Maker abredewidrig das Gemälde an die Richard Feigen Gallery weiter. Da der Kunsthändler bei dem Weiterverkauf an die Galerie außerhalb seiner Verfügungsbefugnis handelte, konnte grundsätzlich von der Richard Feigen Gallery kein Eigentum erworben werden. Bei Ausführung der Leihe und der Verwahrung des Gemäldes handelte der Kunsthändler unter dem falschen Namen Peter Wertz. Nachdem Porter von der wahren Identität von Makers und den zuvor bereits erfolgten arglistig geführten Geschäften unter falschem Namen erfuhr, verlangte Porter von von Maker entweder die Rückführung des Gemäldes oder die Zahlung von US-$ 30.000. In der Folge veräußerte von Maker das Gemälde an die Richard Feigen Gallery unter Zuhilfenahme des wahren Peter Wertz, welche ihrerseits das Kunstwerk an Irvine Brenner verkaufte, die es weiter an einen Käufer in Venezuela transferierte.135 Nach Bekanntwerden des Sachverhaltes klagte der (ursprüngliche) Eigentümer Porter gegen den offiziellen Veräußerer Wertz sowie gegen die Feigen Gallery als Käuferin des ‚Utrillo‘, um entweder das Gemälde selbst, zumindest jedoch den Wert des Kunstwerks zu erstreiten. Die Feigen Gallery berief sich jedoch gegenüber dem Herausgabeanspruch des ursprünglichen Eigentümers Porter darauf, den Utrillo als „buyer in the ordinary course of business“ nach Section 2-403 Abs. 2 des amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC)136 im Wege einer ausnahmsweise zulässigen bona fide-Akquisition erworben zu haben. Über den in Sec. 2-403 Abs. 2 des UCC geregelten Fall des gesetzlich normierten estoppel-Grundsatzes hinaus berief sich die Feigen Gallery hilfsweise auf den estoppel-Grundsatz des Common Law als zweite Ausnahme von dem prinzipiell ausgeschlossenen gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig transferierter Kulturgüter.
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Ausführlich zum Sachverhalt DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 445–446. Section 2-403 Abs. 2 und 3 des amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC): (2) Any entrusting of possession of goods to a merchant who deals in goods of that kind gives him power to transfer all rights of the entruster to a buyer in ordinary course of business. (3) “Entrusting” includes any delivery and any acquiescence in retention of possession regardless of any condition expressed between the parties to the delivery or acquiescence and regardless of whether the procurement of the entrusting or the possessor’s disposition of the goods have been such as to be larcenous under the criminal law.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Zunächst musste somit seitens der angerufenen Gerichte geprüft werden, ob die Richard Feigen Gallery als „buyer in the ordinary course of business“ nach Sec. 2-403 Abs. 2 und 3 des amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC) zu qualifizieren war, sodass ausnahmsweise ein gutgläubiger Erwerb auch unrechtmäßig abhandengekommener Kunstgegenstände möglich war. Im Ergebnis konnte sich der Erwerber aus zwei Gründen im vorliegenden Fall nicht auf einen gutgläubigen Erwerb gemäß Sec. 2-403 Abs. 2 und 3 des UCC berufen, da er das Gemälde weder von einem Kaufmann, sondern von einem Strohmann des Kaufmanns erworben hatte, und die Voraussetzungen der Gutgläubigkeit nicht erfüllt waren. Sec. 2-403 Abs. 2 eröffnet dem Besitzer der anvertrauten Gegenstände die Macht „to transfer all rights of the entruster to a buyer in ordinary course of business.“ Richard Feigen und die Gallery waren jedoch nicht als solche „buyer in ordinary course of business“ i.S.d. Sec. 1-201 Abs. 9 Uniform Commercial Code137 zu qualifizieren, da als solche nur diejenigen Personen bezeichnet werden, die „in good faith and without knowledge that the sale to her is in violation of the ownership rights … of a third party in the goods buys from a person who is in the business of selling goods of that kind“. Da der Veräußerer Peter Wertz in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation jedoch kein Kunsthändler, sondern lediglich Angestellter in einem Feinkostgeschäft war und weder selbst vorgab, im Kunstgewerbe tätig zu sein, noch Feigen beweisen konnte, dass von Maker ihm Wertz als Kunsthändler vorstellen ließ, war der Veräußerer Wertz nicht „in the business of selling goods of that kind“, also im Kunsthandel tätig.138 Selbst wenn Wertz ein Kunsthändler gewesen wäre, wären die Voraussetzungen des Sec. 2-403 Abs. 2 des UCC nicht erfüllt, da Wertz als Veräußerer des Utrillo nicht identisch mit derjenigen Person war, welcher Porter das Gemälde anvertraut hatte (nämlich von Maker).139
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Sec. 1-201 Abs. 9 Uniform Commercial Code: “Buyer in ordinary course of business” means a person that buys goods in good faith, without knowledge that the sale violates the rights of another person in the goods, and in the ordinary course from a person, other than a pawnbroker, in the business of selling goods of that kind. A person buys goods in the ordinary course if the sale to the person comports with the usual or customary practices in the kind of business in which the seller is engaged or with the seller’s own usual or customary practices. A person that sells oil, gas, or other minerals at the wellhead or minehead is a person in the business of selling goods of that kind. A buyer in ordinary course of business may buy for cash, by exchange of other property, or on secured or unsecured credit, and may acquire goods or documents of title under a preexisting contract for sale. Only a buyer that takes possession of the goods or has a right to recover the goods from the seller under Article 2 may be a buyer in ordinary course of business. “Buyer in ordinary course of business” does not include a person that acquires goods in a transfer in bulk or as security for or in total or partial satisfaction of a money debt. Porter v. Wertz, 416 N.Y.S.2d 257 (App.Div. 1979); aff’d 439 N.Y.S.2d 106, 421 N.E.2d 501 (Ct.App. 1981). Vgl. auch Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38. Porter v. Wertz, 439 N.Y.S.2d 106, 421 N.E.2d 501 (Ct.App.).
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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Die angerufenen Gerichte lehnten einen ausnahmsweise zulässigen gutgläubigen Erwerb in der Konstellation zusätzlich auch deshalb ab, weil die Richard Feigen Gallery beim Erwerb des Utrillo-Gemäldes nicht die Anforderungen erfüllte, die seitens einer Kunstgalerie beim Erwerb eines Kulturguts zu erwarten seien. Anders als in den kontinental-europäischen Rechtssystemen findet sich in der amerikanischen Rechtsordnung keine allgemeine Gutglaubensvermutung eines bona fide-Erwerbs. Vielmehr setzte sich, dazu entgegengesetzt, innerhalb des Rechtsbereichs des Kulturgüterverkehrs speziell die Erkenntnis durch, dass ein Erwerber illegal transferierter Kulturgüter, der keine zufriedenstellende Provenienzrecherche unternimmt, eine ihm obliegende Aufklärungspflicht beim Erwerb kultureller Güter verletzt. Nach der Definition der Terminologie „buyer in ordinary course of business“ in Sec. 1-201 Abs. 9 des Uniform Commercial Code ist es erforderlich, dass der Käufer in gutem Glauben an das Eigentumsrecht des Verkäufers oder dessen Bevollmächtigung zum Verkauf ist.140 Da Richard Feigen als Kaufmann i.S.d. Sec. 2-104 Abs. 1 des UCC zu qualifizieren war, beurteilte sich seine Gutgläubigkeit nach der ehemaligen Vorschrift der Sec. 2-103 Abs. 1 (b) des UCC (heute Sec. 1-201 Abs. 20 UCC). Diese Vorschrift verlangte für eine Qualifikation als gutgläubig „honesty in fact and the observance of reasonable commercial standards of fair dealing in the trade“.
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Den Vorwurf, sich beim Erwerb des Gemäldes nicht ausreichend nach den Eigentumsverhältnissen und der Verfügungsbefugnis des Veräußerers erkundigt zu haben, konterte die Richard Feigen Gallery jedoch mit dem Hinweis auf die spezielle Diskretion, die im Bereich des Kunsthandels üblich sei. Unterstützung fand die Gallery durch die Argumentation der Art Dealers Association of America, die amicus curiae brief dem Court of Appeal die unbedingte Wahrung der Verkehrsinteressen des Kunsthandels betonte und dadurch warnte, „that a duty of inquiry would cripple the art business which is centered in New York“141. In dem Gutachten der Art Dealers Association of America wurde einerseits betont, dass solche Nachforschungen im Kunsthandel unüblich seien. Zum anderen argumentierte die Vereinigung, dass eine derartige Nachforschungspflicht im Kunsthandel die Durchführung von Transaktionen wesentlich erschweren würde.142 Der amerikanische Kunsthandelverband bezieht somit eindeutig Stellung gegen die Etablierung einer generellen Nachforschungspflicht hinsichtlich der Recht-
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Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38. Porter v. Wertz, 416 N.Y.S.2d 254, S. 259 (Sup.Ct., App.Div. 1979); hierzu auch: Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., Fn. 50, S. 27–28. Vgl. auch Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85.
366
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
mäßigkeit des Eigentumstitels des Veräußerers.143 Die judikative Statuierung einer derartigen Nachforschungs- und Provenienzerforschungspflicht hätte nach Ansicht der Art Dealers Association of America verheerende Folgen für den Kunsthandel New Yorks. Der New York State Attorney General betonte hingegen ebenfalls per amicus curiae brief, dass das zur Beurteilung vorliegende Verhalten die Gutgläubigkeit des Käufers ausschließen müsse.144 78
Der Trial Court entschied zunächst entsprechend der Rechtsansicht der Art Dealers Association of America, sodass Porter in seiner Klage nicht die Rückführung des Gemäldes erlaubt wurde, weil er selbst durch die Übertragung der faktischen Sachherrschaft die tatsächliche Eventualität dazu geschaffen habe, dass von Maker überhaupt erst die Möglichkeit hatte, das Gemälde als Nichtberechtigter zu veräußern145. Im Ergebnis wurde jedoch dieser Exkulpation für die unterlassene Provenienzrecherche eines professionell im Kunsthandel tätigen Instituts wie die Richard Feigen Gallery sowie der Argumentation der unangemessenen Schwächung des New Yorker Kunstmarktes als Zentrum des internationalen Kulturgüterverkehrs von der Appellate Division und dem New York Court of Appeals keine rechtliche Bedeutung beigemessen, sodass Porter die Rückführung des Utrillo erreichen konnte.
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“This claim merely confirms the observation of the trial court, that ‘in an industry whose transaction cry out for verification of both title to and authenticity of subject matter, it is deemed poor practice to probe into either’. Indeed, commercial indifference to ownership or the right to sell facilitates traffic in stolen works of art. Commercial indifference diminishes the integrity and increases the culpability of the apathetic merchant.”
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Die Appellate Division des New Yorker Supreme Court betonte in ihrer Entscheidung die Nichteinhaltung und -erfüllung der geforderten „reasonable commercial standards“ beim Erwerb des Gemäldes, sodass kein gutgläubiger Erwerb nach Section 2-403 Abs. 2 des amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC)146 143
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DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 447–448. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38. DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 446. Darüber hinaus sind die bei Gerstenblith aufgeführten Änderungen der Gutglaubensanforderungen innerhalb des UCC zu beachten: “In the 1997 draft of the revisions to Article 1 of the U.C.C., which contains the definition of terms, the higher standard of good faith, which had been present previously for merchants in Article 2, was adopted so that it would apply to all uses of ‘good faith’ in the Uniform Commercial Code, with only a few exceptions. The revised definition calls for ‘honesty in fact and the observance of reasonable commercial standards of fair dealing.’ U.C.C. ~1-201(22)(1997). Thus, the standard for the non-merchant is heightened significantly because the objective standard would apply equally to both merchants and non-merchants. The 1999 proposed revisions to Article 2 of the U.C.C. were considered in July 1999 at the National Conference of Commissioners on Uniform State
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
der Richard Feigen Gallery zu konstatieren sei und damit dem ursprünglichen Eigentümer letztendlich der Anspruch auf Restitution des Gemäldes gewährt wurde. Die Richard Feigen Gallery sei kein „buyer in the ordinary course of business because it made no effort to verify Wertz’s authority to sell the painting“ 147. Vielmehr stellte das Gericht fest, dass die seitens der Gallery offenbarte Indifferenz hinsichtlich einer detaillierten Provenienzrecherche inkonsistent mit den im Kunsthandel üblichen „reasonable commercial standards“ sei. Aufgrund der Tatsache, dass der gute Glaube eines Kunsthändlers die Beachtung der „reasonable commercial standards of fair dealing in the trade“ nach Section 2-103 (1) (b) UCC zu beachten habe, stellte das Gericht folglich fest, dass die Richard Feigen Gallery nicht sämtliche Voraussetzungen erfüllt habe, die an einen redlichen Erwerber gestellt werden, um als „buyer in the ordinary course of business“ nach Section 2-403 UCC qualifiziert werden zu können: “Under the [Uniform Sales Act] the good faith required of a bona fide purchaser is ‘honestly in fact’ and negligence is not a bar. But under the Code, if ‘reasonable commercial standards’ call for inquiry before purchase, failure to make inquiry would constitute lack of ‘good faith’ 148.”149 Der Court of Appeals 150 lehnte in der Rechtsmittelinstanz eine Bestätigung der Bösgläubigkeit Richard Feigens ab und vermied damit eine Entscheidung zu treffen, die weitreichende Auswirkungen auf den Kunsthandel in New York gehabt hätte.151 Da es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausgeschlossen war, dass der Veräußerer Wertz dem Erwerber Feigen als ein Kunsthändler vorgestellt worden war, musste der Court of Appeals nicht zwingend zu der Frage der Gutgläubigkeit Stellung nehmen.152 Die Berufungsrichter bestätigten das Urteil deswegen nur aus dem ersten Grund, der mangelnden Kaufmannseigenschaft des Veräußerers.153
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Laws. Although §2-504 would make virtually no substantive changes in 42-403, which it would replace, proposed 2-102 (23) (Definitions) explicitly applies the same revised definition of the 1997 revision of Article 1 to Article 2. While it would seem that the standard for the merchant has not changed significantly, the phrase ‘in the trade’ would be deleted. This should have a significant impact on some merchants, such as those engaged in the art market.” Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 392–393. DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 447. Porter v. Wertz, 23 UCC Rep. Serv. 614, 616 f. (Sup.Ct. 1978). Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38. Porter v. Wertz, 439 N.Y.S.2d 258 f., 421 N.E.2d 502. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38. Porter v. Wertz, 416 N.Y.S.2d 257 (App.Div. 1979); aff’d 439 N.Y.S.2d 106, 421 N.E.2d 501 (Ct.App. 1981). Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38. Porter v. Wertz, 439 N.Y.S 2d 106. Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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Über den in Sec. 2-403 Abs. 2 des UCC geregelten Fall des gesetzlich normierten estoppel-Grundsatzes hinaus berief sich die Feigen Gallery hilfsweise auf den estoppel-Grundsatz des Common Law als zweite Ausnahme von dem prinzipiell ausgeschlossenen gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig transferierter Kulturgüter. Zwar ließ zunächst der New York Supreme Court 154 diesen Einwand zu und wies daher die Klage ab, doch die Appellate Division und der Court of Appeals ließen auch diese Einwände nicht gelten.155 „Porter übergab von Maker das Gemälde nur zur Ansicht. Stattet der Eigentümer den Besitzer nicht mit weiteren Anzeichen einer Eigentümerstellung als dem Besitz aus, so reicht dieses Verhalten nicht aus, um den Eigentumsherausgabeanspruch zu verwirken. Außerdem verließ sich Feigen nur auf den von Wertz gesetzten Rechtsschein, nicht aber darauf, daß das Bild Wertz anvertraut worden war. Porter veranlaßte in keiner Weise Feigens Vertrauen in Wertz Besitz an dem Gemälde. Er stattete denjenigen, dem Feigen sein Vertrauen entgegenbrachte, nicht mit hinreichenden Anzeichen für eine Eigentümerstellung aus.156 Er hat daher seinen Herausgabeanspruch nicht verwirkt. Die Appellate Division bezog in ihre Argumentation auch den Umstand ein, daß Wertz aus Feigens Sicht ein Vertreter von Makers gewesen war. Für diesen Fall weist die Appellate Division den Einwand des common law-estoppel zurück, weil Feigen nicht in gutem Glauben gewesen ist.157“ 158
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Innerhalb der amerikanischen Rechtsdogmatik im Bereich des internationalen Kulturgüterverkehrs findet die richterliche Statuierung der Provenienzerforschungspflicht Zustimmung. So befürwortet bspw. Bolano die erhöhten Sorgfaltspflichten der professionell im Kunsthandel beteiligten Parteien beim Erwerb kultureller Wertgegenstände: “The Appellate Division emphasized that merchants’ apathy concerning their right to sell increases their culpability and facilitates commerce in stolen art. The court noted that, even if common in the trade, the practices are inexcusable because a merchant has a duty to verify the history of art work before consummating a sale. Consequently, a merchant who fails to investigate the provenance of art work is not a bona fide purchaser and therefore is not protected under the UCC. The duty to investigate the provenance of art work may lead to the discovery of clouded title. It thus functions as a prophylactic measure for the good faith purchaser, alerting the purchaser to an inherently
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Porter v. Wertz, 23 UCC Rep. Serv. 614, 616 f. (Sup.Ct. 1978). Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38. Unter Verweis auf Porter v. Wertz, 416 N.Y.S.2d 259 (App.Div.); 439 N.Y.S.2d 106 f., 421 N.E. 2d 502 (Ct.App.). Unter Verweis auf Porter v. Wertz, 416 N.Y.S.2d 259. So Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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risky transaction and to the consequences of such a purchase.” 159 Bemängelt wird hingegen, dass innerhalb der Gerichtsentscheidungen nur negativ dazu ausgeführt wurde, wann ein Kunsthändler die Voraussetzungen der Bösgläubigkeit erfüllt, jedoch keine positiven Kriterien zu der Bestimmung der Gutgläubigkeit errichtet wurden.160 Zu erkennen ist des Weiteren, dass in dem Fall, dass ein Privatmann (der nicht professionell im Kunsthandel tätig ist) auch nach der Entscheidung Porter v. Wertz nicht einer so weit reichenden Provenienzerforschungspflicht unterfällt, wie dies für Galerien und Kunsthändler festgelegt wurde.161
III. Gutglaubensausschluss „when a merchant buyer closes his eyes to the danger signals“ innerhalb der Konstellation Taborsky v. Maroney Im Fall Taborsky v. Maroney 162 wurde aufgrund der besonderen Umstände des Falls (es handelte sich um einen Verkauf eines Kulturguts durch einen Kommissionär, der Käufer kannte die Eigentumsverhältnisse und wusste, dass der Endpreis erheblich unter dem vorgegebenen Preis lag) festgestellt, dass der Käufer zu Nachforschungen verpflichtet gewesen wäre und damit wurde ein weiterer Präzedenzfall für das Bestehen einer Untersuchungspflicht im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung geschaffen.163 Dieser Fall führte zu der in der Entscheidung Porter v. Wertz ungelösten Frage aus, unter welchen Voraussetzungen ein Kunsthändler beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als gutgläubig anzusehen ist.
83
Taborsky war Eigentümer eines Gemäldes, das er dem Kunsthändler Bolen mit dem Auftrag in Verwahrung gab, das Kunstwerk für nicht weniger als US-$ 400.000 zu veräußern. Dieser veräußerte das Gemälde jedoch entgegen der intern mit Taborsky getroffenen Abmachungen an den Beklagten Maroney für
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Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 151–153. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 35–38. Vgl. Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2.3, S. 26. Taborsky v. Maroney and Hirschl & Adler, Nr. 832533, 83-2560 Civ. 296, unveröffentlichter Beschluss des US. Court of Appeals für den 7th Cir. vom 7. September 1984; Feldman/Weil/ Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2.3, S. 29). Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 38–39; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, Fn. 156, S. 85; Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85.
370
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
US-$ 205.000. Nachdem sich diese Umstände aufklärten, verlangte Taborsky von dem Erwerber Maroney sowie der Galerie Hirschl & Adler als Mitbesitzer des Gemäldes dessen Herausgabe oder alternativ die Zahlung von US-$ 400.000. Das angerufene Gericht hatte zu entscheiden, ob Maroney sowie die Galerie Hirschl & Adler ausnahmsweise als sog. „buyers in the ordinary course of business“ nach Sec. 2-403 Abs. 2 und 3 UCC gutgläubig Eigentum an dem Gemälde erwerben konnten.164 85
Die sachliche Besonderheit in dieser Konstellation war, dass dem Erwerber Maroney nicht nur bekannt war, dass das Gemälde im Auftrag Taborskys zum Verkauf angeboten wurde, sondern er auch darüber Bescheid wusste, dass der Preis in Höhe von US-$ 205.000 erheblich unter der Summe lag, die der veräußerungswillige Eigentümer Taborsky ursprünglich für das Gemälde verlangt hatte. Darüber hinaus war Maroney sogar darüber informiert, dass der zur Veräußerung des Gemäldes beauftragte Kunsthändler Bolen den Betrag nur ratenweise an Taborsky abführen konnte und dass er mit der Rückzahlung einer Schuld an Hirschl & Adler im Rückstand war.165 Vor diesem tatsächlichen Hintergrund qualifizierte das zur Entscheidung berufene Gericht das Verhalten des Erwerbers Maroney beim Erwerb des Gemäldes von dem beauftragten Kunsthändler Bolen als grob fahrlässig. Die Richter warfen dem Erwerber vor, dass dieser angesichts der besonderen Umstände dieser Konstellation vor dem Erwerb des Gemäldes verpflichtet gewesen wäre, spezielle Nachforschungen über die Berechtigung des Veräußerers zum Verkauf des Kunstwerks anzustellen. Dabei wurde besonders darauf hingewiesen, dass bereits ein Anruf bei dem Sachverständigen, den Taborsky zur Schätzung des Werts des Bildes eingeschaltet hatte und dessen Beteiligung Maroney bekannt war, die vernünftigerweise aufkommenden Zweifel an Bolens Berechtigung hätte bestätigen können:166
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“In allocating the risk between an innocent purchaser and a consignor, who has the opportunity to select and monitor his consignee, the UCC generally requires that the consignor bear the consequences of a sale by the consignee in violation of the consignment agreement. However, when a merchant buyer closes his eyes to the danger signals and elects to consummate the transaction without initiating even a nominal inquiry, he no longer qualifies as an innocent purchaser and must bear the risk that he purchased the goods, whether a basket or an invaluable objets d’art, in violation of the ownership rights of a third party.” 167 164
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Vgl. zu den tatsächlichen Sachverhaltsangaben Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 38–39. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 38–39; Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2.3, S. 36. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 38–39; Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2.3, S. 36. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 38–39; Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2.3, S. 36.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
Da der Erwerber Maroney diese Obliegenheit nicht wahrte, konnte er sich nicht auf einen ausnahmsweise zulässigen gutgläubigen Erwerb nach Sec. 2-103 Abs. 1 (b) i.V.m. Sec. 1-201 Abs. 9 des UCC (a.F.) berufen.168 Das Gericht hielt den Erwerber dementsprechend für bösgläubig und lehnte einen Eigentumserwerb ab.169 Pinkerton weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die New Yorker Kunsthändler seit Erlass der beiden Entscheidungen Porter v. Wertz und Taborsky v. Maroney deutlich mehr Aufwand hinsichtlich Provenienzrecherche beim Erwerb kultureller Wertgegenstände betreiben, und bspw. in Zusammenarbeit mit der International Foundation for Art Research in New York (IFAR) die Herkunft eines Kulturguts und die Möglichkeit eines illegalen Transfers eruieren.170
371 87
IV. Bestätigung der Provenienzerforschungsobliegenheit von Kunsthändlern in der weiteren, kulturgüterspezifischen Rechtsprechung Im Fall Howley v. Sotheby’s aus dem Jahre 1986171 wurde bestätigt, dass gerade Kunsthändler und Versteigerungshäuser verpflichtet seien, sich über die Eigentumsverhältnisse an einem zu erwerbenden Kulturgut zu vergewissern, insbesondere wenn es Hinweise dafür gebe, dass der Verkäufer nicht ohne Rückfrage über den Verkauf entscheiden dürfe. In der genannten Konstellation hatte ein Hausverwalter ohne Berechtigung des Eigentümers zwei Gemälde an sich genommen und sich gegenüber dem versteigernden Auktionshaus als Neffe des Eigentümers ausgegeben, der im Auftrag des Onkels die Kunstwerke einliefern solle. Dabei gab er vor, dass er sich wegen des Kaufpreises noch mit dem vermeintlichen Onkel absprechen müsse.172 Auch in diesem Fall ging das New Yorker Gericht davon aus, dass die professionell im Kunsthandel Beteiligten verpflichtet seien, sich über die Eigentumsverhältnisse an einem Kunstwerk zu vergewissern.173
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Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 38–39. Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85. Vgl. Pinkerton, Due Diligence in Fine Art Transactions, Case Western Reserve Journal of International Law 22 (1990), S. 1–29. Howley v Sotheby’s, NY Law Journal, 20.2.1986 (NY 1986), S. 6. Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85. Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85.
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372
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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Vergleichbare Sorgfaltsanforderungen wurden durch die New Yorker Gerichte in dem Rechtsstreit Cantor v. Anderson aus demselben Jahr 174 festgelegt. In dieser Konstellation hatte ein Kunsthändler ein ihm nur zur Ansicht in Verwahrung gegebenes Gemälde von Renoir einem Kunden als Sicherheit übergeben. Der Kläger Edward Cantor, ein privater Kunstsammler, erhielt von seinem Schuldner Dennis Anderson, einem Kunsthändler, als Sicherheit für eine Schuld ein Gemälde von Pierre-Auguste Renoir mit einem Wert von etwa US-$ 160.000, nachdem der Gläubiger Cantor mehrmals die Rückzahlung der geschuldeten Summe von Anderson gefordert hatte. Als der Sicherungsnehmer das Gemälde zur Begleichung seiner Forderung verwerten wollte, begehrten die Eigentümer des Renoirs die Herausgabe. Da der Kunde das Gemälde von einem Kunsthändler erhalten hatte, und der Eigentümer das Bild dem Händler auch anvertraut hatte, hätte der Kunde ausnahmsweise gutgläubig Eigentum auch innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung erlangt haben können. Der New York Federal District Court war jedoch der Auffassung, dass Cantor nicht als „buyer in the ordinary course of business“ zu qualifizieren sei. Aus diesem Grund könne die Ausnahme des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Gegenstände vom Nichtberechtigten schon keine Anwendung finden. Vielmehr war das Gericht der Ansicht, dass Wildenstein & Co. Inc., der Kunsthändler, der das Gemälde von Renoir dem Kunsthändler Anderson anvertraut hatte und der die Rückführung des Kunstwerks suchte, berechtigt war, die Restitution des Gemäldes zu verlangen. Im Ergebnis leitete das Gericht aus den Umständen der Übergabe des Renoirs und der Kenntnis des Kunden von der finanziellen Lage des Händlers jedoch ab, dass weitere Nachforschungen notwendig gewesen wären, um als gutgläubiger Erwerber zu gelten.175
90
Mögliche Grenzen einer Nachforschungsobliegenheit beim Erwerb kultureller Güter seitens der professionell im Kunsthandel tätigen Käufer als Voraussetzung der Gutgläubigkeit deutet die im Jahre 1995 getroffene Entscheidung Margold. Inc v. Keeler176 an. In diesem Fall veräußerte einer von zwei Kunsthändlern, die gemeinschaftlich Eigentum an dem umstrittenen Gemälde besaßen, das Kunstwerk abredewidrig an einen Dritten, der das Gemälde seinerseits an den beklagten Keeler weiterveräußerte. Letzterer hatte vor dem Erwerb bei einem vorherigen Besitzer Informationen zu dem Gemälde eingeholt, ohne sich jedoch näher
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Cantor v. Anderson, 639 F. Supp. 364 (S.D.N.Y. 1986); aff’d 833 F.2d 1002 (2nd Cir. 1986), auch zitiert bei Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Cantor v. Anderson, 639 F.Supp. 367, auch zitiert bei Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Margold. Inc v. Keeler, 891 F Supp 1361 (C.D.Cal. 1995). Vgl. Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
373
über die Eigentumsverhältnisse an dem Kunstwerk zu informieren.177 In diesem Fall wurde seitens des zur Entscheidung berufenen Gerichts angenommen, dass der Kunsthändler seiner Nachforschungspflicht durch eine Nachfrage beim Vorbesitzer des Kaufobjekts genüge getan habe. Hinweise auf eine fehlende Berechtigung des Verkäufers waren hier jedoch nicht gegeben, sodass eine weitergehende Nachforschungspflicht verneint wurde. Entscheidungsrelevant war in dieser Konstellation, dass die Nachfrage mit dem allgemein üblichen Verhalten von Kunsthändlern vereinbar war und keine weiteren Hinweise auf die fehlende Berechtigung ersichtlich waren.178 Auch diese Entscheidung zeigt, dass Nacherforschungsbemühungen Voraussetzung der Gutgläubigkeit sind, diesen hier aber durch eine Nachfrage beim Vorbesitzer genüge getan wurde.
V.
Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der Entscheidung Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg
Auch in der im Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht vielzitierten Fallkonstellation der gestohlenen Engel 179 in der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.180 war die Gut177
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180
Vgl. zu den tatsächlichen Angaben die Ausführungen bei Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 83–85. Margold. Inc v. Keeler, 891 F Supp 1361 (C.D.Cal. 1995), S. 1368–1369, zitiert bei Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Vgl. im Speziellen hierzu: Bersin, The Protection of Cultural Property and the Promotion of International Trade in Art, N.Y.L. Sch. J. Int’l & Comp. L. Vol. 13 (1992), S. 125 ff., S. 125–126; Bourloyannis/Morris, Cultural property – recovery of stolen art works – choice of law – recognition of governments: Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc., American Journal of International Law, Volume 86 (1992), S. 128–133; Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., S. 20; Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 503–504; Crowell, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal, Volume 27 (1992), S. 173–209; Hofstadter, Goldbergs Engel – Die Geschichte eines Kunstraubs, 1998; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 415–417; Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 553–559; Symeonides, On the Side of the Angels: Choice of Law and Stolen Cultural Property, in: Basedow/Meier/Schnyder/Einhorn/Girsberger, Private Law in the International Arena. From National Conflict Rules Towards Harmonization and Unification, Liber Amicorum Kurt Siehr, 2000, S. 747–761. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374; 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990). Vgl. jeweils m.w.N. Bersin, The Protection of
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374
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
gläubigkeit der Erwerberin der Mosaiken, Mrs. Peg Goldberg, zu eruieren und eine Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs vorzunehmen. In dieser Fallkonstellation wurden zypriotische Mosaiken (s. Abb. 7 und Abb. 8) an Mrs. Peg Goldberg in Genf in der Schweiz innerhalb der Freihandelszone des Genfer Flughafens verkauft, nachdem sie zuvor zum Verkauf an Mrs. Goldberg aus München dorthin transportiert wurden. 92
Die vier byzantinischen Mosaike, um deren Rückführung nach Zypern sich die Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus und die Regierung der Republik Zypern bemühten, waren ursprünglich Bestandteil des sog. Kanakaria Mosaiks, das Jesus als junges Kind und die Jungfrau Maria darstellte, die beide von zwei Erzengeln und den zwölf Aposteln umgeben waren. Die Kirche befindet sich auf dem Territorium Nordzyperns, das bereits seit der türkischen Invasion im Jahre 1974 unter Militärverwaltung steht. Sämtliche Gemeindemitglieder der Kirche von Panagia Kanakaria wurden gezwungen, die Kirche zu verlassen, sodass diese bereits seit Ende des Jahres 1976 außer Dienst gestellt und dementsprechend unbewohnt war. Zu dieser Zeit befanden sich die Mosaiken noch an der Apsis der Kirche.181 Das Kanakaria Mosaik stellte eines der wenigen erhaltenen byzantinischen Mosaiken dar und war dementsprechend von „invaluable and irreplaceable significance to Cyprus’ cultural, artistic and religious heritage.“182 Nach heute gesicherten Erkenntnissen hatte der türkische Staatsangehörige Aydin Dikmen (oder Dikman oder Diekman, je nach Quellenlage wird einer unterschiedlichen Schreibweise gefolgt) die Mosaiken zwischen August 1976 und Oktober 1979 aus der Apsis der Kirche entfernt und nach München transferiert. Er selbst behauptete, er habe die Mosaiken in den Trümmern einer verlassenen Kirche im Territorium Nordzyperns während seines Dienstes als Archäologe in Zypern ‚aufgefunden‘.183
93
Nachdem die Antikenabteilung der Republik Zypern erst im November 1979 durch einen Besucher des Kirchengebäudes von dem Diebstahl erfuhr, begann
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Cultural Property and the Promotion of International Trade in Art, N.Y.L. Sch. J. Int’l & Comp. L. Vol. 13 (1992), S. 125 ff., S. 148–150; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 242–246. Vgl. zur kulturellen Bedeutung auch Bourloyannis/Morris, Cultural property – recovery of stolen art works – choice of law – recognition of governments: Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc., American Journal of International Law, Volume 86 (1992), S. 128–133, S. 128–129. Vgl. die Stellungnahme in der Entscheidung Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, auf S. 1393 ff. Vgl. Bourloyannis/Morris, Cultural property – recovery of stolen art works – choice of law – recognition of governments: Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc., American Journal of International Law, Volume 86 (1992), S. 128–133, S. 128–129.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
375
unmittelbar eine intensive Suche nach den Mosaiken. Die Regierung setzte die UNESCO, bedeutende Museen und Auktionshäuser sowie Experten für byzantinische Kunst über den Verlust der wertvollen Mosaiken in Kenntnis.184 Nahezu zehn Jahre nach dem Verschwinden der Mosaiken tauchten diese auf dem internationalen Kunstschwarzmarkt wieder auf. Über einen befreundeten amerikanischen Kunsthändler wurde Peg Goldberg, eine Kunsthändlerin aus Indiana, die auf den Handel mit Kunstwerken aus dem 19. und 20. Jahrhundert spezialisiert war, auf die Mosaiken aufmerksam.185 Der amerikanische Kunsthändler arrangierte ein Treffen zwischen ihm, Goldberg, dem niederländischen Kunsthändler van Rijn als Mittelsperson (dieser gab sich als Nachfahre von Rembrandt und Rubens zugleich aus) und einem kalifornischen Rechtsanwalt. Dabei hatte Goldberg durch den vorbestraften holländischen Kunsthändler van Rijn erfahren, dass Dikmen, der sich als offizieller Archäologe der Türkei für Nordzypern ausgab, die Mosaiken verkaufen wollte. Letztgenannter behauptete gegenüber der beklagten Goldberg, dass er im Besitz einer Genehmigung für deren Export nach Deutschland sei. In Wirklichkeit handelte es sich bei den angeblichen Exportdokumenten lediglich um Rechnungen, die keinen klaren Bezug zu den Mosaiken aufwiesen und keinesfalls eine Ausfuhr aus dem Territorium der Republik Zypern rechtfertigten. Schließlich wurden die zypriotischen Mosaiken an Goldberg in der Schweiz innerhalb des zollfreien Bereichs der Freihandelszone des Genfer Flughafens (d.h. ohne dass die Kunstwerke die Schweizer Zollbehörden passiert hätten) am 5. Juli 1988 verkauft 186, nachdem sie zuvor zum Verkauf aus München dorthin transportiert wurden.187 Goldberg war der zweifelhafte Ruf des Vermittlers und niederländischen Kunsthändlers van Rijn bekannt, der in Frankreich aufgrund der Fälschung von Unterschriften von Marc Chagall auf Drucken seiner Werke strafrechtlich verurteilt worden war. Trotzdem entschied sich Goldberg zu dem Kauf nach der kurzen Unterredung mit Dikmen in der Freihandelszone des Gen-
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Vgl. Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 554. Crowell, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal, Volume 27 (1992), S. 173–209, S. 175–176. Die Parteien einigten sich, dass Goldberg die Mosaiken von Dikman zu einem Preis von US-$ 1.08 Millionen kaufen würde. Der Profit aus einem Weiterverkauf sollte ebenfalls zwischen den Parteien geteilt werden. Wie sich später herausstellte, agierten die Parteien, die mit Goldberg verhandelten, aller Wahrscheinlichkeit nach als Vermittler auf Seiten des Veräußerers Dikman: im Ergebnis erhielten in diesem Geschäft Dikman als Veräußerer 350.000, 282.000 der niederländische Kunsthändler, 297.500 der amerikanische Kunsthändler aus Indiana, 80.000 der kalifornische Rechtsanwalt und 70.000 US-Dollar ein weiterer involvierter Rechtsanwalt. Vgl. Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 554.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
fer Flughafens. Bevor Goldberg die Mosaiken erwarb, rief sie bei der UNESCO sowie der International Foundation for Art Research, einer privaten Organisation, die Informationen über gestohlenes Kulturgut sammelt, sowie bei den amerikanischen, deutschen, Schweizer und türkischen Zollbehörden an, die allesamt keine negative Provenienz der Mosaiken auf telefonische Nachfrage feststellen konnten. Schriftliche Nachweise für diese Bemühungen fehlten. Goldberg unterließ jedoch Erkundigungen bei der (griechischen) Republik Zypern, der griechisch-orthodoxen Kirche oder dem im Nordteil gegründeten türkischen Teilstaat.188 Peg Goldberg verbrachte die Objekte in der Folge am 8. Juli 1988 in die Vereinigten Staaten von Amerika, um sie dort gewinnbringend zu veräußern.189 Als sie die Mosaiken dem J. Paul Getty Museum zum Kauf anbot, setzte eine Mitarbeiterin entsprechend den selbstauferlegten Erwerbsregeln und Verhaltensstandards des Museums bei Andienung der Mosaiken zum Erwerb durch Goldberg die Regierung Zyperns über den Verbleib der Mosaiken in Kenntnis. Dr. Marion True des J. Paul Getty Museums, gegen die heute in Italien und Griechenland aufgrund des Erwerbs illegal erworbener archäologischer Objekte mehrere Strafverfahren eingeleitet wurden, benachrichtigte zwei zypriotische Kunsthistoriker, die unmittelbar mit der Vorbereitung der Sicherung der Panagía Kanakariá-Mosaiks zugunsten des zypriotischen Kulturerbes mittels eines Restitutionsverfahrens begannen. Zypern erhob daraufhin im U.S. District Court for the Southern District of Indiana Klage auf Herausgabe der Kunstwerke, die zu den wenigen (sechs oder sieben) byzantinischen Mosaiken gehören, die während des Bilderstreits im achten Jahrhundert nicht zerstört wurden.190 95
Aufbauend auf diesen tatsächlichen Umständen hat das Ausgangsgericht quasi hilfsweise (es wurde die Gutgläubigkeit Goldbergs bei hypothetischer Anwendung Schweizer Rechts verneint – sowohl die Ausgangs- als auch die Revisionsinstanz wendeten jedoch im Ergebnis das Recht von Indiana, und nicht der Schweiz an) befunden, dass die Gesamtumstände des Erwerbs der byzantinischen Mosaiken derart verdächtig waren, dass die beklagte Kunsthändlerin Mrs. Goldberg sich hätte aus Eigeninitiative über die Provenienz der Mosaiken erkundigen müssen. Das Gericht erkannte zunächst verdächtige Umstände des Kulturguterwerbs, qualifizierte die von Goldberg ausgeführten Sorgfaltsanforde-
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Vgl. Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 554. Vgl. Bourloyannis/Morris, Cultural property – recovery of stolen art works – choice of law – recognition of governments: Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc., American Journal of International Law, Volume 86 (1992), S. 128–133, S. 128–129. Vgl. Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 554; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 162; Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 400.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
377
rungen als unzureichend und bestimmte positiv, welche Kriterien zur Begründung eines gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter notwendig gewesen wären.
1.
Verdächtige Erwerbsumstände
In die Betrachtungen muss zunächst die Konstellation mitaufgenommen werden, dass Goldbergs Kauf aus der Sicht des ehrlichen und vorsichtigen Durchschnittskäufers durchaus von Umständen begleitet war, die den Verdacht der Kunsthändlerin hätten erregen müssen:191 Goldberg wusste, dass die Mosaiken aus dem von Kriegswirren heimgesuchten Zypern stammten, dass Mosaiken, die an Wänden angebracht wurden, im Allgemeinen äußerst selten im internationalen Kunsthandel aufzufinden sind, dass der Unterschied zwischen dem Erwerbspreis von US-$ 1,08 Millionen und dem für Goldberg auf US-$ 6 Millionen geschätzten tatsächlichen Wert der Mosaiken hätte Verdacht erregen müssen, dass die Person des türkischen Veräußerers Dikmen sehr verdächtig war, dass auch die Mittelmänner, insbesondere der vorbestrafte Händler van Rijn, im Zusammenhang mit dem illegalen Kulturgüterverkehr stehen, und dass die übertriebene Hast, mit der das Geschäft in der Freihandelszone des Genfer Flughafens abgewickelt wurde, zu Zweifeln an der legalen Herkunft der Mosaiken Anlass hätte geben müssen.192 Beispielhaft listet die Entscheidung relevante Kriterien zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb gestohlener Kulturgüter auf. Bei Abwägung sämtlicher tatsächlichen Umstände des Falles kam das Gericht zu der Ansicht, dass die Kunsthändlerin Goldberg verpflichtet war, Nachforschungen über die Herkunft und Provenienz der Mosaiken anzustellen. “All of the foregoing sets of circumstances, especially when considered together, raise significant suspicions. For these reasons, the Court concludes that suspicious circumstances surrounded this sale sufficient to cause an honest and reasonably prudent purchaser in Goldberg’s position to doubt Dikman’s capacity to convey property rights to the mosaics. The Court cannot improve on Dr. Vikan’s summation of the suspicious circumstances surrounding this sale: ‘All the red flags are up, all the red lights are on, all the sirens are blaring.’” 193
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Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, auf S. 1400–1404. Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, 1990, S. 559. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374; S. 1402.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
2. 97
Unzureichende Erfüllung der Provenienzerforschungsobliegenheit
Gegenüber dem Verhalten der Erwerberin Goldberg hat das Gericht jedoch ausdrücklich moniert, dass diese weder mit UNESCO und Interpol als international tätige Organisationen innerhalb des Kulturgüterschutzes ausreichend in Verbindung trat, noch internationale Stellen der Dokumentation illegal transferierter Kulturgüter wie bspw. die International Foundation for Art Research in New York (IFAR) oder sonstige nationale (hier im Besonderen zypriotische) Behörden und Kunstwissenschaftler offiziell und nachweislich kontaktierte, um eine zufriedenstellende Provenienzrecherche auszuführen (unzureichende Erfüllung der Provenienzerforschungsobliegenheit). Aufgrund dieser tatsächlichen Umstände oblag der Erwerberin eine Nachforschungspflicht. Da diese unterlassen bzw. nicht in dem notwendigen Umfang ausgeführt wurde, verneinte das Gericht Mrs. Goldbergs Gutgläubigkeit beim Erwerb der Mosaiken. Zentrale Erkenntnis dieser Gerichtsentscheidung ist sicherlich die erneute Formulierung der Obliegenheit der Provenienzerforschung für den (internationalen) Kulturgüterverkehr im amerikanischen Rechtssystem auf Seiten der professionell im Kunsthandel tätigen Personen.
3.
Kriterien zum Nachweis der Gutgläubigkeit von professionell im Kunsthandel tätigen Personen
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Besonderes Interesse sollte der Entscheidung jedoch auch deshalb entgegengebracht werden, weil der Richter explizit positive Kriterien zum Nachweis der Gutgläubigkeit von Händlern und Galeristen im (inter-)nationalen Kunstmarkt bestimmte. Das Gericht stellte positiv fest, welche speziellen Nachforschungen hier notwendig gewesen wären:
99
“Next, the Court will examine briefly the steps Goldberg failed to take in determining whether Dikman had the capacity to transfer property rights to the mosaics. First, and most significantly, Goldberg never contacted the Republic of Cyprus or the Church of Cyprus, even though she was told the mosaics came from an ‘extinct’ church in northern Cyprus. Contacting Cyprus is the first logical and necessary step a potential purchaser should have taken to determine the provenance of the mosaics. … Second, Goldberg never contacted the so-called Turkish Republic of Northern Cyprus, formerly known as the Turkish Federated State of Cyprus, even though she was told that the seller, Dikman, discovered the mosaics while he was working as ‘an archaeologist from Turkey assigned to northern Cyprus.’ Goldberg later refers to Dikman as ‘the official archaeologist for the northern one-third of Cyprus, known as the Turkish Federated Republic of Cyprus.’ By contacting the Turkish Republic of Northern Cyprus, Goldberg could have verified whether Dikman had ever served as the ‘official archaeologist’ of that country and whether the mosaics had ever been exported properly from northern Cyprus. Third, Goldberg failed to contact Interpol, the international police organization headquartered in France, to investigate whether the mosaics had been reported as stolen. In light of this, the defendants’ point that plaintiffs failed to report the theft of the mosaics to Interpol is of little significance. Finally, Goldberg did not consult a single disinterested expert on Byzantine art prior to purchasing the mosaics. Goldberg is not, nor does she claim to be,
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
379
an expert in Byzantine art. Rather, she deals almost exclusively in 19th and 20th century American and European paintings, etchings, and sculptures. Art dealer Barbara Divver suggested to Goldberg that she seek independent, expert advice from one familiar with Byzantine art, but Goldberg failed to do so. Even defendants’ own art expert, Andre Emmerich, testified that an art dealer should secure expert advice before venturing into areas in which he is not expert.” 194
Dementsprechend kam das Gericht zu dem Schluss, dass Goldberg die aufgrund der konkreten Verdachtsmomente notwendige Nacherforschung nicht ausreichend erfüllt hatte, hinter dem für Kunsthändler in der Entscheidung explizit benannten erforderlichen Sorgfaltsmaßstab zurückblieb und dementsprechend nicht als gutgläubig zu qualifizieren war: “As the foregoing discussions indicate, Goldberg made only a cursory inquiry into the suspicious circumstances surrounding the sale of the mosaics. Further, the Court has noted additional steps that Goldberg utterly failed to undertake. Therefore, the Court concludes that Goldberg’s inquiry was deficient in resolving doubts as to Dikman’s capacity to convey property rights to the mosaics. In summary, the Court concludes that suspicious circumstances surrounded the sale of the mosaics which should have caused an honest and reasonably prudent purchaser to doubt whether Dikman had the capacity to convey property rights. Further, the Court concludes that Goldberg, in making only a cursory inquiry into Dikman’s capacity to convey property rights to the mosaics, failed to take reasonable steps to resolve that doubt. Goldberg did not purchase the mosaics in good faith.” 195 Es besteht somit für den Kulturguterwerb keine Gutglaubensvermutung in dem Rechtssystem der Vereinigten Staaten von Amerika für Kunsthändler, Galerien und Auktionshäuser. Mit den Worten von Fox lässt sich feststellen, dass innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung eine „obligation on the part of the purchaser to exercise due diligence in investigating the provenance of artwork prior to purchase“ besteht.196
100
VI. Schwierigkeiten in der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs in der Entscheidung United States of America v. an Original Manuscript Wie schwierig die Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs auf Seiten der professionell im Kunsthandel tätigen Personen auch nach diesen Kriterien
194
195
196
Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374; S. 1403–1404. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374; S. 1404. Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 242.
101
380
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
ist, lässt sich in der Entscheidung United States of America v. an Original Manuscript vom 19. Februar 1999 erkennen.197 102
Auf einem Flohmarkt in der Stadt Mexico City erwarb Duane Douglas, ein amerikanischer Manuskript- und Münzenhändler, ein Manuskript vom 19. November 1778: “Duane Douglas, paid $ 300 to $ 400 cash for a manuscript dated November 19, 1778 bearing the signature of Juniper Serra. Without declaring it to customs authorities, the dealer brought the manuscript to the United States. The dealer then sold the manuscript to the claimant Dana Toft for $ 16,000 cash. Seeking to return the manuscript to Mexico, the United States filed a forfeiture action against Toft pursuant to the CPIA, 19 U.S.C. § 2609. The U.S. government moved for summary judgment. The court granted the motion and held that the government met its burden of establishing that there was probable cause to believe that the seized defendant-in-rem manuscript was the same one that had been reported stolen from the national archives of Mexico.” 198 Zwar verteidigte sich Toft im konkreten Fall mit der Behauptung, er sei im Erwerb wertvoller Manuskripte noch sehr unerfahren, jedoch wird aus der Entscheidung deutlich, dass der Erwerber nicht hinterfragte, dass das Geschäft in einem Hotelzimmer abgewickelt wurde, wobei US-$ 16.000 Zug um Zug gegen Aushändigung des Manuskripts übergeben wurden. Es steht fest, dass der Erwerber keine Bemühungen hinsichtlich der Provenienz der Manuskripte und der Verfügungsbefugnis des Veräußerers unternahm. Diesbezüglich ist Hoffman der Ansicht, dass das Verhalten des Veräußerers Douglas, dessen Mangel an Dokumentation bzgl. Geschichte des Manuskriptes in Kombination mit der nichtvorhandenen Provenienzerforschung seitens des Erwerbers Toft, sich als äußert zweifelhaft darstellen, und dass sich der Erwerber keinesfalls auf seine Gutgläubigkeit im konkreten Fall berufen könne.199 Dieser Einschätzung begegnet jedoch Neville mit erheblichen Bedenken und gibt Gründe dafür vor, dass schon keine verdächtige Situation vorläge, sodass im Ergebnis auch keine vertiefte Provenienzerforschung seitens des Erwerbers notwendig gewesen wäre:
197
198
199
United States of America v. an Original Manuscript, 1999 WL 97 894 (S.D.N.Y.) 96 CIV 6221 (Feb. 19, 1999). Vgl. Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 162; Neville, Rena, Sotheby’s Worldwide Compliance Director, zitiert bei Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 163. Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 162. Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 163.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
381
“Moreover, the fact that the dealer was a foreigner may explain the cash nature of the transaction. The Mexican dealer may not have wanted an out-of-country check, which would have taken time to clear and incurred bank fees. Additionally, he may have been motivated to accept cash in order to avoid potential Mexican tax liabilities. Indeed, the buyer may have assumed that the seller was trying to avoid Mexican tax law obligations or to keep currency outside of Mexico, given the sometimes volatile nature of their currency. Although such motives are not admirable, purchasers do not have a legal obligation to ensure that sellers pay whatever taxes a seller may owe in connection with a sale. On the contrary, had the buyer had any suspicion that he had purchased stolen property, he is unlikely to have consigned it to a high-profile international auction house whose catalogues are circulated throughout the world. Another fact that at least raises the possibility that the buyer did not suspect he was purchasing ‘hot’ property at a discount price was that the auction house’s published low presale estimate for the manuscript was $ 20,000, only $ 4,000 more than the buyer had paid.” 200
103
Dieser Argumentation nahm sich im Ergebnis das Gericht jedoch nicht an, sondern lehnte die Gutgläubigkeit des Erwerbers ab: “The court, in awarding summary judgment on the complaint in favor of the Government, found that the manuscript had been stolen from the Archives and that Toft, the Chicago collector who claimed ownership of the manuscript in the court proceedings, had failed to prove that he was without knowledge or reason to believe the item was stolen and therefore was not entitled to any compensation under the [Cultural Property Implementation] Act.” 201
104
VII. Verifizierungsbemühungen auch privater Kunstsammler nach der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell Auch wenn die Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell 202 primär die Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer hinsichtlich der Lokalisierungsbemühungen ihrer unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter präzisiert, kann 200
201
202
Neville, Sotheby’s Worldwide Compliance Director, zitiert bei Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 163. Press Release vom 24. Februar 1999, United States Attorney, Southern District of New York, Quelle: http://exchanges.state.gov/culprop/doj9936.html. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 153 A.D. 2d 143; 550 N.Y.S. 2d 618 (App.Div. 1st Dept. 1990), leave to appeal granted 554 N.Y.S. 2d 992; affirmed 77 N.Y. 2d 311; 567 N.Y.S. 2d 623; 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Vgl. Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 142– 143; Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 504; Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 256; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law
105
382
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
indirekt aus dem Gesamtzusammenhang geschlossen werden, dass bestimmte Bemühungen zur Determination der rechtmäßigen Eigentumsposition bei der Veräußerung kultureller Wertgegenstände auch zum notwendigen Sorgfaltsmaßstab privater Kunstsammler als Voraussetzung der Gutgläubigkeit zählen. 106
Neben anderen Verteidigungsgründen berief sich Mrs. Rachel Lubbel gegenüber dem gegen sie gerichteten zivilrechtlichen Herausgabeanspruch hinsichtlich einer wahrscheinlich im April 1965 aus dem Guggenheim-Museum gestohlenen Gouache von Marc Chagall auf ihre Gutgläubigkeit beim Erwerb. Mrs. Rachel Lubbel und ihr inzwischen verstorbener Ehemann erwarben den Chagall im Mai 1967 von der angesehenen Madison Avenue Robert Elkon Gallery zu einem Kaufpreis in Höhe von US-$ 17.000. Die 1912 entstandene Vorstudie für Chagalls Ölgemälde ‚Der Viehhändler‘ (s. Abb. 9) war 1985, also circa zwanzig Jahre nach dem Diebstahl, von einer Sotheby’s-Angestellten, die vormals im GuggenheimMuseum beschäftigt gewesen und der eine Abbildung der Gouache zu Schätzzwecken vorgelegt worden war, als das gestohlene Bild wiedererkannt worden.203 Dass nicht nur Kunsthändler, sondern jeder Käufer kultureller Wertgegenstände einer Obliegenheit zur Bestimmung der rechtmäßigen Eigentumsposition des Veräußerers beim Erwerb kultureller Wertgegenstände unterfällt, wird in der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell deshalb deutlich, weil der New York Court of Appeals in der Frage, wem das Eigentum gestohlener Kulturgüter zuzuweisen ist, das Verhalten beider ‚quasi-unschuldiger‘ Parteien, d.h. des ursprünglichen Eigentümers und des Erwerbers des gestohlenen Kulturguts, in die Abwägung mit einbezieht, ohne dass speziell zwischen den Verhaltensanforderungen an Kunsthändler oder private Sammler unterschieden wird: “The conduct of both the appellant and the museum will be relevant to any consideration of this defense at the trial level, and as the Appellate Division noted, prejudice will also need to be shown (153 AD2d at 149). On the limited record before us there is no indication that the equities favor either party. Mr. & Mrs. Lubell investigated the provenance of the gouache before the purchase by contacting the artist and his son-in-law directly.” 204
203 204
Review 9 (1993), S. 225–267, S. 241–242; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and GoodFaith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 170–171; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 25–26; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 398–399. Vgl. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991), S. 428. The Solomon R. Guggenheim Foundation, Respondent, v. Mrs. Jules Lubell, Appellant. (Third & Fourth-Party Actions) 77 N.Y.2d 311, 569 N.E.2d 426, 567 N.Y.S.2d 623 (1991), February 14, 1991.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
383
Danach besteht eine Obliegenheit der Provenienzrecherche und zur Bestimmung der tatsächlichen Eigentumsposition des Veräußerers für jeden gutgläubigen Erwerber. “The Lubells were treated as innocent, good faith purchasers for value: they investigated the painting’s provenance, paid fair market value, and publicly displayed the painting. The Elkon Gallery had purported provenance papers for the Lubells to inspect; the Lubells publicly exhibited the painting at the Elkon Gallery in 1967 and 1981, and they openly displayed it in their home for over 20 years. Their investigation of the provenance prior to purchase included contacting Chagall himself and Chagall expert Franz Meyer, Director, Kunstmuseum Basel, Switzerland.” 205 Bei der Akquisition kultureller Güter müssen sich somit die Erwerber selbst schützen, indem sie die Eigentümerstellung des Veräußerers präzise prüfen, um den Vorwurf einer Missachtung des im Kunsthandel gebotenen Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb kultureller Wertgegenstände auszuschließen (“placing the burden of proof on the defendant favors the true owner but permits the good faith purchaser to show steps taken to investigate title” 206). Dies wird explizit auch bei Bolano bestätigt:
107
“The New York Court of Appeals in Lubell held that a defendant can be subject to a duty to investigate title in art theft cases. The court stated that the defendant bore the burden of proving that the Chagall gouache in question was not stolen. The court noted that the purchaser had inquired of the artist and his son-in-law prior to the purchase in order to confirm the painting’s provenance and title. The court stated that a balancing of the equities is required and that the defendant can appeal to the court’s conscience in equity. The court of appeals remanded the case to the trial court to consider the purchaser’s good faith conduct in investigating title as well as the true owner’s delay in bringing suit. The New York Appellate Division in Lubell had also addressed the issue of whether a purchaser received valid title from a merchant under the Uniform Commercial Code (the ‘UCC’). UCC section 2-403 (1) provides that a merchant may transfer good title to a good faith purchaser for value. The art gallery obtained the Chagall gouache at issue from a former mailroom employee of the museum and sold it to the defendant. The defendant’s bill of sale identified the former museum employee as the previous owner of the gouache, implicating that individual as the thief because no other owners were listed on the bill. The court noted that the bill of sale raised ‘bright red flags’ that should have alerted the purchaser to investigate title prior to purchase. The Appellate Division thus concluded that under UCC section 2-403 (1) title would be transferred if the defendant was a good faith purchaser and only if the piece had not been stolen.” 207
108
Explizit wurde seitens der amerikanischen Gerichte außerhalb der Entscheidung Guggenheim v. Lubell-Entscheidung – soweit ersichtlich – nicht Stellung zu dem
109
205
206
207
Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, Fn 34, S. 55–56. The Solomon R. Guggenheim Foundation, Respondent, v. Mrs. Jules Lubell, Appellant. (Third & Fourth-Party Actions) 77 N.Y.2d 311, 569 N.E.2d 426, 567 N.Y.S.2d 623 (1991), February 14, 1991. Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 151–153.
384
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
notwendigen Sorgfaltsmaßstab privater gutgläubiger Erwerber bezogen, sodass die Frage, ob auch private Kunstsammler von der Provenienzerforschungsobliegenheit innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung erfasst sind, noch nicht positiv entschieden wurde. Es sollte jedoch – entsprechend der Andeutung innerhalb der letztgenannten Entscheidung – auch seitens privater Kunstkäufer zumindest in denjenigen Konstellationen, in denen „bright red flags“ für den Erwerber erkenntlich sind und „[a]ll the red flags are up, all the red lights are on, all the sirens are blaring“ mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass ein bestimmter Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb hinsichtlich der Berechtigung des Veräußerers zum Verkauf notwendig ist. Bestehen verdächtige Umstände beim Erwerb eines Kulturguts, muss auch ein Privatmann erhöhte Sorgfaltsanforderungen an den Tag legen, ohne dass generalisierend die notwendigen Kriterien schon im Voraus festzulegen sind. Besteht bspw. der Verdacht des illegalen Exports kultureller Wertgegenstände der Maori-Kultur Neuseelands, wird bei zweifelhaften Exportdokumenten auch für Privaterwerber die Pflicht zur Nachfrage bei dem kulturellen Ursprungsstaat bestehen. Entsprechende Vorsichtsmaßnahmen haben bspw. auch beim Kauf archäologischer Kulturgüter Eingang in die amerikanische Rechtsordnung gefunden. Besonders vor dem Hintergrund der auch für Privatpersonen immer leichter durchzuführenden Kontrolle des Diebstahls kultureller Wertgegenstände mittels der im Internet bereitstehenden Datenbanken ist für die Zukunft vorherzusagen, dass auch Privatpersonen vor dem Kauf zu einer diesbezüglichen Kontrolle seitens der amerikanischen Rechtsprechung verpflichtet werden. Hier gilt es die weitere Judikatur abzuwarten.
§ 9 Ergebnis: Provenienzerforschung innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung 110
Besonders rechtsprägend zeigt sich innerhalb der Bestimmung des notwendigen due diligence-Maßstabes auf Seiten gutgläubiger Erwerber die amerikanische Rechtsprechung, die anhand zahlreicher Entscheidungen einen speziellen Katalog von Sorgfaltsanforderungen im (inter-)nationalen Kunsthandel bestimmte. Der notwendige Sorgfaltsmaßstab liegt offen zu Tage: Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Eigentümerstellung des Veräußerers kultureller Wertgegenstände sind conditio sine qua non in der Begründung der Gutgläubigkeit der Erwerber. Während zunächst in der Entscheidung Menzel v. List eine positive Erkundigungspflicht (‚inquiry of status of title‘) seitens professionell im Kunsthandel tätiger Personen bestimmt wurde, genügte ‚commercial indifference‘ von Kunsthändlern als Kriterium der Bösgläubigkeit in der Entscheidung Porter v. Wertz. Innerhalb der Konstellation Taborsky v. Maroney wurde bestimmt, dass kein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter möglich ist, „when a merchant buyer closes his eyes to the danger signals and elects to consummate the transaction without initiating even a nominal inquiry“. Die bisherige Rechtsprechung hinsichtlich der Provenienzerforschungsobliegenheit von Kunst-
§ 9 Ergebnis: Provenienzerforschung innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung
385
händlern wurde in den Entscheidungen Howley v Sotheby’s und Cantor v. Anderson aus dem Jahre 1986 bestätigt. Heute kann durch die gerichtliche Entscheidungspraxis für den amerikanischen Kunstmarkt eine Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs erkannt werden: Die Richter der Sache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. verwiesen auf verdächtige Umstände sowie unzulängliche Nachforschungen und bestimmten positive Kriterien zum Nachweis der Gutgläubigkeit von professionell im Kunsthandel tätigen Personen. Das Gericht qualifizierte zunächst die von Goldberg ausgeführten Sorgfaltsanforderungen als unzureichend und bestimmte positiv, welche Kriterien im vorliegenden Fall zur Begründung eines gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter notwendig gewesen wären. Schließlich ergibt sich mittelbar aus der Rechtssache Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, dass auch seitens privater Kunstsammler Bemühungen zur Bestimmung der rechtmäßigen Eigentumsposition beim Erwerb kultureller Wertgegenstände zum notwendigen Sorgfaltsmaßstab eines gutgläubigen Erwerbers gehören. Damit steht allgemein fest, dass innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung ein Mindestmaß an Provenienzerforschung sowohl professionell wie auch laienhaft im Kunsthandel tätige Personen trifft. Spezielles Fachwissen der professionell im (inter-)nationalen Kunstmarkt Beschäftigten ist als subjektives Kriterium in besonderem Maße zu berücksichtigen und es werden gesteigerte Voraussetzungen an Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser gestellt. Dabei nimmt die amerikanische Zivilrechtsordnung schon außerhalb kulturgüterspezifischer Sondererwägungen eine der UNIDROIT Konvention aus dem Jahre 1995 entsprechende Beweislastverteilung vor und auferlegt einem Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter den Beweis seiner Gutgläubigkeit. Es bleibt festzuhalten: Die Zivilrechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika ist und bleibt ein restitutionsfreudiges System: Die rechtlichen Anforderungen an die Gutgläubigkeit sind beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter hoch und es bestehen aufgrund der Beweislastverteilung und der Pflicht zum Nachweis der Gutgläubigkeit durch den Erwerber auch aus tatsächlichen Gründen starke Anreize für ursprüngliche Eigentümer, innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten eine Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter anzustreben.
111
Vor diesem Hintergrund stellen sich die Fragen, ob auch die deutsche Rechtsordnung einen dem Dargestellten vergleichbaren Sorgfaltsmaßstab verlangt, ob deutsche Gerichte ebenso wie amerikanische Richter die Notwendigkeit von Verifizierungs- und Provenienzerforschungsbemühungen innerhalb des (inter-) nationalen Kunsthandels erkennen, ob auch der notwendige Sorgfaltsmaßstab nach dem BGB ausreichend Raum für die Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium bei der Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabes lässt und wie sich das Zivilrechtssystem Deutschlands zu einer Gutglau-
112
386
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
bensvermutung oder einer Pflicht zum Nachweis der Gutgläubigkeit durch den Erwerber innerhalb der Beweislast verhält. Diese Fragen werden innerhalb des folgenden Punktes C. beantwortet.
C. Sorgfaltsmaßstab innerhalb der deutschen Rechtsordnung 113
Wenn auch die deutschen Gutglaubensvorschriften umfassende Kommentierung für den Erwerb beweglicher Güter im Allgemeinen erfuhren, so fehlen bis dato präzise Anhaltspunkte für die Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb kultureller Güter und dessen Spezifikationen. Für die deutsche Rechtsordnung sind die Gutglaubensvorschriften innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs in verschiedenen Situationen von Bedeutung: Eine Applikation des Begriffs der Gutgläubigkeit erfolgt im deutschen Zivilrecht einerseits im Rahmen des derivativen gutgläubigen Erwerbs im Sinne der §§ 932 ff. BGB (da unrechtmäßig entzogene Kulturgüter als abhandengekommen zu qualifizieren sind, ist ein gutgläubiger derivativer Erwerb nur im Wege der öffentlichen Versteigerung i.S.d. §§ 935 Abs. 2 i.V.m. § 383 Abs. 3 BGB möglich), andererseits aber auch innerhalb des originären Erwerbs im Wege der Ersitzung nach § 937 ff. BGB mit den dort explizit hervorgehobenen Abweichungen und Besonderheiten. Auch im Rahmen besitzrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erlangt die Gutgläubigkeit Relevanz. Neben dem Anspruch wegen Besitzentziehung aus § 861 BGB kommt als Mittel zur Restitution der Anspruch aus § 1007 Abs. 1 BGB in Betracht. Diese Rechtsbehelfe spielen im Allgemeinen dann eine praktische Rolle, wenn der Kläger zwar nicht sein Eigentum an den entzogenen Kulturgütern, wohl aber seinen früheren Besitz im Rahmen eines zivilrechtlichen Herausgabeanspruchs nachzuweisen vermag. Auch in diesen Situationen erlangt die Frage nach der Gutgläubigkeit Rechtsrelevanz. Eine Legaldefinition des innerhalb der deutschen Rechtsordnung anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabs findet sich in § 932 Abs. 2 BGB: Danach ist der Erwerber „nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.“
114
Auffallend ist zunächst, dass das Gesetz den guten Glauben nicht als positive Voraussetzung formuliert, sondern eine Bestimmung der Bösgläubigkeit vornimmt und diese als Ausschlussgrund ansieht. Jedoch hat sich auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung eingebürgert, „vom gutgläubigen Erwerb oder Erwerb kraft guten Glaubens zu sprechen und diesen auch positiv zu umschreiben.“208 Fraglich ist aber, welche präzisen Sorgfaltsanforderungen an einen gutgläubigen Erwerber (speziell kultureller Güter) innerhalb der deutschen
208
Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 38.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
Rechtsordnung gestellt werden. Wolff definierte den guten Glauben einmal positiv und bestimmte, dass unter gutem Glauben „der nicht grobfahrlässige Glaube an das Eigentum des Veräußerers“ zu verstehen sei.209 Der Erwerber eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts wäre danach also dann gutgläubig, wenn er berechtigterweise oder bei nur leichter Fahrlässigkeit davon ausgehen durfte, dass der Veräußerer auch Eigentümer der veräußerten Kunstwerke war. Die nach § 932 Abs. 2 BGB notwendigen Sorgfaltsanforderungen sind nur vor dem Hintergrund der Systematik des deutschen Fahrniserwerbs und der Gutglaubensvermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB zu verstehen. Danach wird zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei (Eigentumsvermutung für Besitzer). Dieser Rechtsschein des Besitzes und das berechtigte Vertrauen auf diesen in Form der Gutgläubigkeit bilden zwei komplementäre Elemente in der deutsch-rechtlichen Konstruktion des gutgläubigen Erwerbs.210 § 932 Abs. 2 BGB nimmt damit auch innerhalb des Kulturgüterverkehrs für den deutschen Rechtsraum eine Interessenverteilung vor und bevorzugt zugunsten eines möglichst freien (Kultur-)Güterverkehrs im Grundsatz zunächst die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs und damit des Erwerbers auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zulasten des ursprünglichen Eigentümers. Nur in den beiden Fällen der Kenntnis vom Nichteigentum des Veräußerers und der grobfahrlässigen Unkenntnis von der wahren Rechtslage darf der Erwerber nicht auf den Rechtsschein des Besitzes vertrauen. Weiß der Erwerber von der unrechtmäßigen Entziehung bzw. hätte er von dem rechtswidrigen Entzug des Kulturguts von dem Eigentümer wissen müssen, ist es nicht mehr gerechtfertigt, das (kulturelle) Bestandswahrungs- und Erhaltungsinteresse des Eigentümers zurückzustellen. Damit hat die Regel des § 932 Abs. 2 BGB mit den Worten Wiegands „eine weit über den unmittelbaren Wortlaut hinausreichende Bedeutung: Sie ermöglicht eine differenzierende Risikoverteilung, indem sie eine Anpassung der subjektiven Voraussetzungen an die jeweilige Erwerbssituation erlaubt und damit eine Feinsteuerung der Interessenabwägung zwischen Eigentümer und Erwerber ermöglicht“ 211. Fraglich ist jedoch insbesondere innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs, wann der Erwerber Kenntnis bzw. grobfahrlässige Unkenntnis vom Nichteigentum des Veräußerers der zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter erlangt. Es ist Aufgabe der Rechtswissenschaft und der Judikative innerhalb des Kulturgüterrechts, diesen Widerstreit zwischen dem Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und dem ursprünglichen Eigentümer durch das passende Verständnis der Gutgläubigkeit vor dem genannten systematischen Hintergrund des deutschen BGB richtig zu justieren.
209 210 211
Vgl. Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl. 1957, § 69 II 1. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 86–89. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 40–44.
387
388
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt Bösgläubigkeit i.S.d. § 932 Abs. 2 BGB
Kenntnis vom Nichteigentum des Veräußerers
Grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung
Nichtbeachtung signifikanter Hinweise
Unterlassung gebotener Nachforschungen
Konkrete Verdachtssituation
Generelle Provenienzerforschungsobliegenheit
Schema 9 – Sorgfaltsmaßstab innerhalb der deutschen Rechtsordnung
I.
Kenntnis von der Nichtberechtigung des Veräußerers nach § 932 Abs. 2 Alt. 1 BGB
115
Die Kenntnis des Nichteigentums des Veräußerers an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern bereitet in der Charakterisierung wenige Schwierigkeiten. Der Erwerber ist ausdrücklich des Wortlauts des § 932 Abs. 2 Alt. 1 BGB nicht gutgläubig, wenn ihm bekannt ist, dass das Kulturgut nicht im Eigentum des Veräußerers steht. Weiß dementsprechend der Erwerber, dass der Veräußerer ein Kunstwerk gestohlen hat, ist ihm dessen Nichteigentum bekannt und ein gutgläubiger Erwerb ist ausgeschlossen. Dass bei positiver Kenntnis des Erwerbs von der Nichtberechtigung des Veräußerers der Erwerb ausgeschlossen ist, bedürfte an sich keiner Erwähnung im Gesetz, da in diesen Konstellationen in der Vorstellung des Erwerbers kein Rechtsschein und noch viel weniger ein irgendwie gearteter guter Glaube besteht. „Zu einer Vertrauensbildung, die den Vertrauensschutz rechtfertigen würde, kann es gar nicht kommen.“ 212
116
Wichtig ist aber, dass das Wissen des Erwerbers neben der Tatsachenkenntnis hinsichtlich der entsprechenden Umstände, die für die Eigentumsfrage relevant sind, auch den Schluss auf die richtige rechtliche Bewertung der Eigentumslage an den entzogenen Kulturgütern beinhaltet.213 „Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich, z.B. für einen Fachmann, die fehlende Rechtsstellung des Veräußerers ergibt, ist nicht selbst Kenntnis von der fehlenden Rechtsstellung als solcher“214.
212 213
214
Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 40–44. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 23–24.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
389
Ist also bspw. der Erwerber kultureller Wertgegenstände unter Verkennung des deutschen Trennungs- und Abstraktionsgrundsatzes der Meinung, dass schon der schuldrechtliche Kaufvertrag dem Veräußerer das Eigentum an dem Kulturgut verschafft habe, so hat er keine Kenntnis von der fehlenden Rechtsstellung des Veräußerers.215 Besonders wichtig ist jedoch folgende Konstellation: Ein Wissen und ein dementsprechender Ausschluss gutgläubigen Erwerbs nach § 932 Abs. 2 Alt. 1 BGB sind innerhalb des illegalen Kulturgüterverkehrs bspw. aber auch nur dann gegeben, wenn der Erwerber weiß, dass die unrechtmäßige Entziehung des Kulturguts keinen Eigentumsverlust zur Folge hatte. Dass dies in der Konstellation des individuellen Diebstahls kultureller Güter anzunehmen ist, liegt auf der Hand. Nicht so eindeutig ist diese Beurteilung aus Sicht eines Laien jedoch bspw. im Fall des Erwerbs kultureller Güter nach einer kriegsbedingten Entziehung (sog. Beutekunst), der Entziehung von sog. Raubkunst oder nach einem Verlust kultureller Güter aufgrund einer der genannten Formen der rechtswidrigen kulturellen Verstaatlichung. Nichtjuristen bzw. nicht im Kunstrecht spezialisierten Juristen wird weitgehend unbekannt sein, dass bspw. in den eruierten Situationen der staatlichen Entziehung kultureller Wertgegenstände kein Eigentumsverlust eingetreten ist und somit der öffentlich veräußernde Staat als Nichteigentümer handelt. Dies hat in den genannten Situationen zur Folge, dass trotz der Kenntnis der für die Eigentumslage relevanten Tatsachen der Erwerber gutgläubig sein kann, da er aus den Tatsachen die falschen rechtlichen Schlüsse zieht. Dies gilt, selbst wenn er aus den richtigen Schlüssen heraus hätte Nachforschungen anstellen müssen.216 Eine Kenntnis der Tatsachen kann somit nicht als Kenntnis der Rechtsfolge zu bewerten sein.217 Ebenso wie bei der falschen Einschätzung der Rechtslage handelt es sich bei dem Problem, ob der Erwerber die richtigen Schlüsse hätte ziehen können, um eine Frage der grob fahrlässigen Unkenntnis des Erwerbers, die dann ihrerseits einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs nach § 932 Abs. 2 Alt. 2 BGB zur Folge haben kann. Dies gilt es nun näher zu untersuchen.
II.
Grobfahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Veräußerers nach § 932 Abs. 2 Alt. 2 BGB
Als das eigentliche Schlüsselproblem innerhalb des gutgläubigen Erwerbs von zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern erweist sich die Frage, ob dem Erwerber bei der Akquisition grobfahrlässige Unkenntnis von der Nichtberech215
216
217
Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 23–24. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 23–24.
117
390
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
tigung des Veräußerers entgegengehalten werden kann, die ebenso wie die Kenntnis von dem Nichteigentum des Veräußerers zu einem Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs nach § 932 Abs. 2 Alt. 2 BGB führt. Fahrlässigkeit stellt nach allgemeinem Verständnis eine Verschuldensform dar, die sich ihrerseits auf eine (anderen gegenüber bestehende) Pflicht bezieht.218 118
In zahlreichen kulturgüterrechtsspezifischen Abhandlungen zum gutgläubigen Erwerb von Kunstwerken vom Nichteigentümer wurde dementsprechend danach gefragt, ob der Erwerber vor Akquisition nicht die Rechtspflicht hätte, sich darüber zu vergewissern, ob der Verkäufer Eigentümer des veräußerten Gegenstandes ist, bzw. ob der Erwerber einen bestimmten Sorgfaltsmaßstab besonders beim Erwerb kultureller Güter an den Tag legen müsse. Dies ist terminologisch wie rechtskonstruktiv verfehlt: Wer beim Erwerb (kultureller) Güter sorglos handelt, muss allein die möglichen Konsequenzen des Scheiterns des Eigentumserwerbs in Kauf nehmen, begeht jedoch keine Pflichtverletzung im technischen Sinne. Somit ist klarzustellen, dass § 932 Abs. 2 Alt. 2 BGB eine Obliegenheit des Erwerbers bei der Akquisition von Kulturgütern umschreibt, deren Nichtbeachtung zwar keinen Schadensersatzanspruch aufgrund Pflichtverletzung begründet, jedoch den Eigentumsübergang vom Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auf den Erwerber ausschließt.219 Dementsprechend hat der Erwerber auch nicht die Rechtspflicht, sich vor Abschluss eines Kaufs oder vor dessen Vollzug darüber zu vergewissern, ob der Verkäufer Eigentümer der zu veräußernden Kulturgüter ist.220 Als Obliegenheit stellt der für eine bona fideAkquisition notwendige Sorgfaltsmaßstab somit eine Verhaltensanforderung im eigenen Interesse des gutgläubigen Erwerbers dar, deren Nichteinhaltung das Entstehen eines Vorteils für den Betroffenen, d.h. den Rechtserwerb auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vom Nichteigentümer, verhindert.
119
Eine ausdrückliche Definition dessen, was unter ‚grob fahrlässiger Unkenntnis von dem Nichteigentum bzw. der Nichtberechtigung des Veräußerers‘ i.S.d. § 932 Abs. 2 Alt. 2 BGB zu verstehen ist, gibt das Gesetz nicht. ‚Fahrlässig‘ handelt nach allgemeinem Verständnis bereits der Erwerber, der von der Eigentümerstellung des Veräußerers ausgegangen ist und hierbei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt hat.221 Wendet man diese abstrakte Formel auf den gutgläubigen Erwerb innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs an, ergibt sich die Fahrlässigkeit aus einem „vorwerfbar unsorgfältigen Urteil des Erwerbers über die Eigentumslage des Veräußerers“ 222 an den unrechtmäßig entzogenen Kultur218 219 220 221
222
Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 40–44. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 40–44. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 40–44. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 26–31. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 26–31.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
391
gütern. Unsorgfältig ist die Beurteilung etwa dann, wenn die Fehleinschätzung des Erwerbers über die nichtvorhandene Eigentumsposition des Veräußerers an dem Kulturgut vermeidbar war. Unvermeidbar ist das falsche Urteil des Erwerbers über die Eigentümerstellung des Veräußerers innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs, wenn die Eigentumsposition des Veräußerers etwa durch den Schein offizieller Urkunden und professioneller Provenienzrecherchen konkret und überzeugend belegt ist. Gut gefälschte Angaben über die Provenienz und sonstige Gutachten können so den Irrtum über die Rechtsstellung des Veräußerers in der Regel fast unvermeidbar machen und dementsprechend zu einem gutgläubigen Erwerb auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in den gesetzlich bestimmten Ausnahmesituationen führen.223 ‚Grob fahrlässige Unkenntnis‘ liegt darüber hinausgehend nach der inzwischen in der Rechtsdogmatik gefestigten Meinung jedoch nur dann vor, „wenn der Erwerber zwar die fehlende Eigentümerstellung des Veräußerers nicht erkennt, er aber das fehlende Eigentum des Veräußerers hätte erkennen müssen.“224 Trotz der Tatsache, dass es sich bei dieser an den Erwerber gerichteten Verhaltensmaßregel um eine Obliegenheit handelt, können für die Beurteilung grober Fahrlässigkeit i.S.d. § 932 Abs. 2 Alt. 2 BGB die zur groben Fahrlässigkeit im Allgemeinen entwickelten Kriterien zugrunde gelegt werden.225 Die Rechtsprechung versteht unter der Terminologie ‚grobe Fahrlässigkeit‘ grundsätzlich ein Handeln, „bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was in gegebenem Falle jedem hätte einleuchten müssen.“226 Das bedeutet für den internationalen Kulturgüterverkehr und den gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, dass dem Erwerber bei nur durchschnittlichem Merk- und Erkenntnisvermögen ohne gesteigerte und besondere Aufmerksamkeit und besonders gründliche Überlegungen aufgrund der Geschäftsumstände und der Verkäuferperson erkennbar gewesen sein muss, dass der Veräußerer nicht der Eigentümer des zu veräußernden Kulturguts war.227 Somit geht man bei der Bestimmung der ‚grob fahrlässigen Unkenntnis‘ zunächst von der gewöhnlichen Sorgfalt eines durchschnittlichen Erwerbers kultureller Güter aus, die aber dann durch Berücksichtigung gruppentypischer bzw. branchenspezifischer Elemente 223
224
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226
227
Beispiel in Anlehnung an die Ausführungen bei Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 26–31. So Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26. Vgl. BGH, Entscheidung des 4. Zivilsenats vom 11.05.1953, Az: IV ZR 170/52, BGHZ 10, S. 14 ff., S. 16. Vgl. auch Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 40–44. In Anlehnung an BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 05.07.1978, Az: VIII ZR 180/77, BGH WM 78, 1208.
120
392
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
präzisiert wird. Der so ermittelte Sorgfaltsmaßstab wird nochmals konkretisiert, indem er auf die Umstände des Einzelfalles bezogen wird (Subjektivierung).228 121
Damit ergibt sich innerhalb der deutschen Rechtsordnung folgendes Prüfungsschema bei der Beurteilung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs zum Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vom Nichteigentümer: Ausgangspunkt ist zunächst immer der durchschnittliche Maßstab im Sinne des objektivierten Fahrlässigkeitsbegriffes, womit nichts anderes als die typisierte Sorgfalt gemeint ist, die auf die berufsspezifischen oder gruppentypischen Fähigkeiten (bspw. von Museen, Kunsthändlern, Galeristen, ebenso aber auch von Privatsammlern) abstellt.229 Dieser objektivierte Maßstab erlaubt der Rechtsprechung, bereichsspezifische Sorgfaltsanforderungen festzulegen, die beim Erwerb von Kraftfahrzeugen (Vorlage des Fahrzeugbriefs!) oder wertvollen Kunstgegenständen durchaus schärfer ausfallen können als beim Erwerb gewöhnlicher Sachen.230
122
Darüber hinaus sind neben dem objektiven Maßstab in die Bewertung der Gutgläubigkeit auch individuelle Merkmale des Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit einfließen zu lassen, die an den gutgläubigen Erwerber höhere Anforderungen stellen, etwa wenn er über eine im Einzelfall überdurchschnittliche Sachkenntnis in einem bestimmten Bereich des Kulturgüterverkehrs (etwa der Archäologie, einer bestimmten Kunstrichtung oder bezüglich der Werke eines bestimmten Künstlers) verfügt. Da es sich innerhalb der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs i.S.d. § 932 Abs. 2 Alt. 2 BGB nicht um eine echte Rechtspflicht, sondern um eine Obliegenheit des Erwerbers handelt, ist in einem zweiten Schritt – entsprechend der zutreffenden Beurteilung Wiegands – „eine noch stärkere Individualisierung des Maßstabes“ 231 sowohl zulässig wie erforderlich. Diese Wertung ist umso bedeutsamer, weil der Kunsthandel – im Gegensatz zu dem Absatz von Konsumgütern, die nach der Quantität bestimmt werden – eine einzelfallbezogene Betrachtung bei der Bestimmung des individuellen Sorgfaltsmaßstabs verstärkt für eine Subjektivierung der Beurteilung verlangt. Ebenso wie beim Fahrniserwerb im Allgemeinen kann auch innerhalb der Übertragung kultureller Wertgegenstände im Besonderen exempli causa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe (Kunsthändler, Galeristen, Auktionshäuser) gleichfalls eine erhöhte Sorgfalt begründen.232 Der objektive Maßstab kann indes durch die einzubeziehenden individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des
228 229 230
231 232
Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 86–89. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 47–52. Vgl. Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1433–1434. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 47–52. Vgl. zum Ganzen auch Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
393
Erwerbers nur verschärft, aber nicht gemildert werden.233 Somit mindern allgemeingültige Handelsgewohnheiten und spezielle persönliche Verhältnisse des Erwerbers den Sorgfaltsmaßstab nicht, können diesen aber verschärfen.234 Für die Einhaltung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs auf Seiten des Erwerbers bei der Bestimmung der Eigentumsposition des Veräußerers sind somit neben dem objektiv bestimmten und typisierten Sorgfaltsmaßstab anforderungssteigernd auch immer die speziellen subjektiven Umstände des Erwerbers in die Wertung miteinzubeziehen, um dann schließlich in einem dritten Schritt zu prüfen, „ob der Erwerber diesen Maßstab in so erheblichem Umfang unterschritten hat, dass von grober Fahrlässigkeit die Rede sein kann.“ 235 Diese wird jedoch nicht schon aus der Vermeidbarkeit einer Fehlbeurteilung der Situation erkenntlich, sondern nur dann, wenn der Fehler „leicht, bei geringer Aufmerksamkeit und ohne jede Schwierigkeit zu vermeiden gewesen“ war.236 Innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs ist dementsprechend von ‚grober Fahrlässigkeit‘ nur bei solchen tatsächlichen Umständen zu sprechen, die „mit Deutlichkeit“ und „auffallend“ gegen das Eigentum an den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern auf Seiten des Veräußerers sprechen.237 „Solche Umstände sind vor allem gegeben, wenn sie ohne besonders sorgfältiges pflichtbewusstes Verhalten, ohne besondere Aufmerksamkeit oder ohne besonders gründliche Überlegung erkennbar sind. Leichtsinnige Geschäftsgebräuche freilich vermögen nichts zu entschuldigen, da es um einen objektiven Maßstab geht.“ 238 Danach ist auf Seiten des Erwerbers eine ‚grob fahrlässige Unkenntnis‘ hinsichtlich der Eigentumsposition des Veräußerers 239 kultureller Wertgegenstände dann anzunehmen, wenn der Erwerber entweder signifikante Hinweise nicht beachtet hat, die darauf hindeuten, dass der Veräußerer ein zuvor unrechtmäßig entzogenes Kulturgut veräußert, oder gebotene Nachforschungen über die Eigentumsposition und Berechtigung des Veräußerers zum Transfer der zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter unterlässt (Unterlassung gebotener Nachforschungen).
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Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 36. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 47–52. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 26–31. So für den Fahrniserwerb allgemein Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 26–31. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 26–31. So auch die Einteilung bei Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 47–52.
123
394
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
1.
Nichtbeachtung signifikanter Hinweise des Erwerbers bei der Veräußerung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch einen Nichteigentümer
124
Ausgangspunkt der Beurteilung ist nach den auf den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr zu übertragenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs, dass „für den Erwerber bei nur durchschnittlichem Merk- und Erkenntnisvermögen ohne besonders hohe Aufmerksamkeit und ohne besonders gründliche Überlegung“ 240 zu erkennen gewesen sein muss, dass das zuvor unrechtmäßig entzogene Kulturgut dem Verkäufer nicht gehörte.241 Das wird dann angenommen, wenn dem Erwerber bei Akquisition der Kulturgüter Umstände bekannt wurden, „die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprechen, dass der Verkäufer nicht Eigentümer“ 242 der Kunstwerke war. Aufgrund bestimmter tatsächlicher Anhaltspunkte und konkreter objektiver auf die Veräußerungsgesamtsituation und subjektiver auf die Personen von Veräußerer und Erwerber Rekurs nehmender Indizien kann der Schluss erlaubt sein, dass grob fahrlässige Unkenntnis zu bejahen ist, „weil der an sich von der Übergabe ausgehende Rechtsschein des Besitzes durch andere Elemente zerstört oder überlagert wird“.243 Eine Orientierungshilfe für den Rechtsanwender, welche Hinweiszeichen als Indikatoren der grob fahrlässigen Unkenntnis berücksichtigungswürdig sind, soll der unten ausführlich dargestellte Kriterienkatalog bilden. Um einen gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund mangelnden Sorgfaltsmaßstabs des Erwerbers wegen Nichtbeachtung signifikanter Hinweise bei der Veräußerung durch den Nichteigentümer ausschließen zu können, muss der Rechtsschein des Besitzes jedoch eindeutig erschüttert worden sein. Liegen nur solche Verdachtsmomente vor, die den Veräußerer möglicherweise als Nichteigentümer erscheinen lassen, sprechen diese Kriterien jedoch für notwendige Nachforschungen hinsichtlich der Berechtigung des Veräußerers.
125
Geht man von diesen Grundpositionen aus, „so ist klar, dass der Übergang zwischen den Fällen, in denen der Rechtsschein ausgeschlossen ist, und den Fällen, in denen nur Zweifel oder Verdachtsmomente begründet sind, immer fließend
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BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 05.07.1978, Az: VIII ZR 180/77, BGH WM 1978, 1208, S. 1209; ähnlich schon BGH, Entscheidung des 4. Zivilsenats vom 23.05.1956, Az: IV ZR 34/56, BGH WM 1956, 884; vgl. auch Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 53–54. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44. BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 05.07.1978, Az: VIII ZR 180/77, BGH WM 1978, 1208, S. 1209; ähnlich schon BGH, Entscheidung des 4. Zivilsenats vom 23.05.1956, Az: IV ZR 34/56, BGH WM 1956, 884; vgl. auch Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 53–54. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 53–54.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
395
sein wird.“ 244 Wird bei einer summarischen Prüfung dieses nicht abschließenden Kriterienkatalogs deutlich, dass signifikante Hinweise im Rahmen der Veräußerung eines Kulturguts auf die Nichtberechtigung des Veräußerers hindeuten, ist es zulässig, die in § 1006 BGB normierte Eigentumsvermutung aufgrund der Besitzstellung des Veräußerers als widerlegt zu betrachten und bei Nichtbeachtung dieser Anzeichen seitens des Erwerbers aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis des Nichteigentums des Veräußerers einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu erlauben. Dabei kann bereits ein Verdachtsmoment allein als so gravierend zu bewerten sein, dass eine Eigentumsvermutung aufgrund der Besitzstellung des Veräußerers nicht mehr zu rechtfertigen wäre, zuweilen sind erst mehrere Umstände in der Summe als signifikante Hinweise auf die Nichteigentümerstellung des Veräußerers zu werten. Hier ist eine wertungsbedingte Einzelfallentscheidung vorzunehmen.
2.
Unterlassen gebotener Nachforschungen: Verifizierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als Obliegenheit gutgläubiger Erwerber
Eine ‚grob fahrlässige Unkenntnis‘ hinsichtlich der Eigentumsposition des Veräußerers kultureller Wertgegenstände ist auf Seiten des Erwerbers jedoch nicht nur dann anzunehmen, wenn der Erwerber signifikante Hinweise nicht beachtet hat, die darauf hindeuten, dass der Veräußerer ein zuvor unrechtmäßig entzogenes Kulturgut als Nichtberechtigter veräußert. Grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Veräußerers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ist möglicherweise auch dann gegeben, wenn gebotene und geeignete Nachforschungen über die Eigentumsposition und Berechtigung des Veräußerers an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern unterlassen werden.245
126
Innerhalb des kulturgüterspezifischen Schrifttums zu der deutschen Rechtsordnung wird allgemein die Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als Obliegenheit gutgläubiger Erwerber betont.246
127
244 245
246
So Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 55–60. So auch die Einteilung bei Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 47–52. Vgl. etwa m.w.N. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585–3586; Siehr, Völkerrecht und Internationaler Kulturgüterschutz vor Gericht, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 57–72, S. 66–67; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200; Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 175–177; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 171 ff. und 179 ff.; Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Mül-
396
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Dementsprechend führt bspw. Grell beim Versuch einer positiven Umschreibung der Terminologie „gutgläubig“ aus, dass ein Erwerber kultureller Wertgegenstände im (inter-)nationalen Kunsthandel nur dann als gutgläubig zu bezeichnen ist, „wenn er eine angemessene Sorgfalt bei den jeweils objektiv notwendigen Nachforschungen walten liess und sich in massvoller Manier über die Verfügungsfähigkeit des Veräusserers und die Provenienz des Erwerbsgegenstandes erkundigt hatte und sich davon auch überzeugen liess.“247 Es stellt sich also auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung die Frage, inwieweit vom Erwerber zu verlangen ist, dass er Nachforschungen über das Eigentum bzw. die Veräußerungsbefugnis auf Seiten des Verkäufers anstellt.248 Erneut ist darauf hinzuweisen, dass die geforderten Nachforschungsbemühungen seitens der Erwerber ebenso wie die Einhaltung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs als Obliegenheit bei der Akquisition von Kulturgütern zu umschreiben sind, deren Nichtbeachtung den Eigentumsübergang unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ausschließt 249 und sich dementsprechend als eine Verhaltensanforderung im eigenen Interesse der gutgläubigen Erwerber darstellt, deren Nichteinhaltung das Entstehen eines Vorteils für die Betroffenen, d.h. den Rechtserwerb auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vom Nichteigentümer, verhindert. 128
Ausgangspunkt bei der Frage nach Verifizierungsbemühungen des Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs muss die in den Regelungen der §§ 932 ff. BGB zugrundeliegende Konzeption der Erleichterung und Sicherung des Rechtsverkehrs mit beweglichen Sachen sein. Da die Regelungen des Gutglaubenserwerbs eine rasche und reibungslose Abwicklung des Warenverkehrs bezwecken und damit dem Rechtsverkehr und dem einzelnen Erwerber dienen, räumen die Vorschriften dem ‚Verkehrsschutz‘ im Grundsatz Vorrang gegenüber den Interessen des Eigentümers ein. Sinn und Zweck dieses Regelungsumfangs ist die Entlastung redlicher Geschäftspartner von Nachforschungen nach der wirklichen Rechtslage und der Schutz deren Vertrauens in die Wirksamkeit abgeschlossener Rechtsgeschäfte.250 Innerhalb dieser
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ler-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 222–224; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 315; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff., S. 64; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 69 und 159. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 40–44. Vgl. hierzu Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 68–69; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 1 und 3.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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Grundkonzeption von Sorgfaltsanforderungen an gutgläubige Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter finden Nachforschungsbemühungen hinsichtlich der Eigentumsposition an dem Kunstwerk bei dem Veräußerer an sich keine Legitimation 251, da entweder der gute Glaube aufgrund der Rechtsscheinposition des Besitzes beim Veräußerer gerechtfertigt oder, wenn andere Elemente den Rechtsschein eindeutig überlagern oder zerstören, infolge (Kenntnis oder) grober Fahrlässigkeit des Erwerbers ausgeschlossen ist.252 Da die Forderung nach Verifizierungsbemühungen der Eigentumsposition an entzogenen Kulturgütern durch den Erwerber diese Grenzziehung verwischt und der angestrebten reibungslosen Abwicklung der Veräußerungsgeschäfte entgegensteht, sind für den (inter-)nationalen Kunsthandel innerhalb der deutschen Rechtsordnung solche Provenienzerforschungsbemühungen und entsprechende Anforderungen an die Bestimmung eines kulturellen Pedrigrees im Grundsatz nicht mit der gesetzlichen Regelung zu vereinbaren.253 Die Konstruktion des gutgläubigen Mobiliarerwerbs innerhalb des BGB will somit den Rechtsverkehr und das Vertrauen des Erwerbers im Regelfall mit Vorrang vor dem Eigentümer schützen, wenn die äußeren Anknüpfungspunkte für den Rechtserwerb (d.h. die Übergabe) und damit der durch die Besitzverschaffungsmacht begründete Rechtsschein verwirklicht sind.254 Innerhalb der deutschen Rechtsdogmatik wird jedoch in solchen Ausnahmesituationen eine Rechtfertigung für die Forderung nach Verifizierungsbemühungen proklamiert, in denen aufgrund der besonderen Qualität des konkreten Handelszweigs der Eigentümer nicht in unangemessenem Ausmaß mit dem Risiko belastet werden soll, das sich aus dem Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz ergeben kann. Ob eine solche Ausnahmesituation auch innerhalb des Kulturgüterverkehrs gegeben ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles und bedarf einer ausdrücklichen Begründung, da von dem Grundkonzept des gutgläubigen Fahrniserwerbs aufgrund des Rechtsscheins des Besitzes abgewichen wird. Es ist also zu fragen, ob aus rechtspolitischen Gründen auch innerhalb des Kunsthandels eine Höherbewertung des sachenrechtlichen Eigentums gegenüber anderen Vermögenswerten vorzugswürdig ist.
129
Schon unmittelbar nach Inkrafttreten des BGB in Deutschland hat das Reichsgericht die Systematik des gutgläubigen Fahrniserwerbs hinsichtlich des anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabs auf Seiten des Erwerbers wie folgt interpretiert: Das Reichsgericht war der Meinung, dass das Gesetz davon ausgehe, dass von
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Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 68–69. Im Ansatz auch Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 68–69. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 1 und 3.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
dem Erwerber ein gewisses Maß an Vorsicht geübt werde, „dass er diejenige Prüfung in Ansehung des Rechts seines Vormannes nicht unterlasse, die nach den gegebenen Umständen zu erwarten ist und deren Nichtvornahme schlechthin mit dem Verhalten eines ordentlichen Mannes unverträglich ist“ 255. Mit dieser Entscheidung war bereits die Grundlage für die später sog. Nachforschungsbemühungen auf Erwerberseite geschaffen worden. Bei der Konkretisierung dieser noch sehr allgemein gehaltenen Formulierung lässt die Rechtsprechung des Reichsgerichts und der späteren Bundesgerichte keine einheitliche Linie erkennen, was indessen auch hier in der Natur der Sache liegt.256 Hinsichtlich der praktischen Applikation solcher Nachforschungsobliegenheiten standen von Anfang an Sicherungsgeschäfte im Vordergrund und eine Anwendung eines besonderen Sorgfaltsmaßstabs auf Seiten des Erwerbers in gewöhnlichen Umsatzgeschäften ist praktisch nicht nachweisbar. Die besonderen Gegebenheiten der Sicherungsgeschäfte – d.h. etwa die Überlegung, dass der gutgläubige Sicherungsnehmer bei der Übereignung von Waren eines Kaufmanns oder eines Unternehmens als Sicherheit damit rechnen muss, dass er die Waren unter Eigentumsvorbehalt erworben hat – verlangten einen gehobenen Sorgfaltsmaßstab auf Seiten des Erwerbers, der bei gewöhnlichen Austauschgeschäften in der Regel nicht gegeben ist. Auch die Rechtsprechung hat ihre Forderung nach Nachforschungsbemühungen in der Folge von Sicherungsgeschäften auch auf andere bestimmte Geschäftsarten übertragen und bspw. ein besonderes Bedürfnis auf Seiten des Erwerbers von Kraftfahrzeugen aufgrund der speziellen verkehrstypischen Gefahrensituationen der Veräußerung gestohlener PKW erkannt. Deshalb müssen besondere Umstände auch für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr vorliegen, die eine Rechtfertigung einer über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Verifizierungsbemühung bieten. 131
Gewiss sind Nachforschungsbemühungen bei Umsatzgeschäften mit Konsumgütern und Verbrauchswaren des alltäglichen Lebens und Wirtschaftsverkehrs mit dem Konzept des deutschen Fahrniserwerbs im Allgemeinen und der Interessenlage der beteiligten Personenkreise im Speziellen im Grundsatz nicht zu vereinbaren.257 Zunächst ist aber zu erkennen, dass sich die Rechtsprechung zu den Nachforschungsobliegenheiten von Anfang an nicht auf gewöhnliche Umsatzgeschäfte bezog.
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Diese Erkenntnis stellt den Ansatzpunkt der Forderung nach Verifizierungsbemühungen innerhalb der deutschen Rechtsordnung auch für den Kunsthandel dar. Ebenso ist der (inter-)nationale Kulturgüterverkehr aufgrund der beson-
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RGZ 58, 162, S. 164. So die Wertung bei Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 55–60. Vgl. auch im Generellen Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 74.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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deren Sachqualität der Handelsgegenstände ein solcher Handelszweig, der keine gewöhnlichen Umsatzgeschäfte zum Inhalt hat und aufgrund der kulturellen Unikatfunktion der Gegenstände sich nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich vom Handel mit Gebrauchtwaren und sonstigen Konsumgütern unterscheidet, die nach Quantität und Masse ‚umgeschlagen‘ werden und theoretisch beliebiger Reproduktion offenstehen. Innerhalb des Kunsthandels erfolgt ein Transfer mit individualisierten und spezifizierten Gegenständen, die einer charakteristischen Vergangenheit in Form eines Pedigrees als Stammbaum des Kulturguts fähig sind. Ihre sachliche Rechtfertigung findet die Forderung nach Verifizierungsbemühungen gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter damit in der speziellen Sachqualität von Kunstgegenständen, die ihrerseits aufgrund des großen Wertes mindestens ebenso anfällig sind, als Hehlerware auf dem grauen oder schwarzen Markt vertrieben zu werden, wie Personenkraftwagen. Provenienzerforschungsobliegenheiten sind infolgedessen innerhalb des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs als Handel mit grundsätzlich nicht wiederherstellbaren Unikaten aufgrund der besonderen soziokulturellen Bedeutung des künstlerischen Handelsgegenstandes auch innerhalb der deutschen Gesetzessystematik aufgrund einer Analyse der Interessenlage und der beteiligten Bedürfnisse als notwendige und zulässige Präzisierung des gesetzlichen Tatbestandes zu qualifizieren.258 Innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs liegen damit besondere Indizien vor, die für eine solche Nachforschungsobliegenheit innerhalb der Systematik der §§ 932 ff. BGB sprechen, um den Schutz des Eigentümers zu erhalten.259 Mit der Einführung solcher Verifizierungsbemühungen als Voraussetzung des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter hat sich die Praxis des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs ein Instrumentarium geschaffen, mit dem der Interessenausgleich fall- und situationsbezogen vorgenommen werden kann.260
133
Nach der skizzierten Grundkonzeption steht sowohl für den gutgläubigen Fahrniserwerb im Generellen als auch für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr im Speziellen fest, dass für eine Provenienzerforschung auf Seiten des Erwerbers kultureller Wertgegenstände grundsätzlich immer exzeptionelle Umstände zur Rechtfertigung dieser zusätzlichen Kosten und des ergänzenden Aufwandes (vor allem für den professionellen Handel in Form der Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser) vorliegen müssen. So bemängelt bspw. Quack, dass die ausdrückliche Gesetzesanlage – gutgläubiger Erwerb aufgrund des Rechtsscheins des Besitzes – von der Rechtsprechung nicht immer beachtet wird und diese „im
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Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 68–69. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 76. In Anlehnung an die generellen Erwägungen bei Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 68–69.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Grenzfall eher zum Schutz des Eigentümers als zum Schutz des Erwerbers“ tendiert. „Das erweist sich vor allem an den in zunehmendem Maße formulierten Erkundigungs- und Überprüfungspflichten.“ 261 Wiegand betont folgerichtig für den gutgläubigen Mobiliarerwerb generell, dass aus dieser Erwägung auch mit Notwendigkeit folgt, dass „in Bezug auf das Ausmaß und die Art und Weise der Verifizierung eine restriktive Handhabung geboten ist.“ 262 Derart restriktiv verwendet, stellen Nachforschungsobliegenheiten jedoch eine notwendige Präzisierung des im Einzelfall anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabes und damit eine Konkretisierung des § 932 Abs. 2 BGB dar, mit deren Hilfe ein differenzierter Interessenausgleich zwischen Eigentümer und Erwerber ermöglicht wird.263 135
Nur so lange als eine zu keinen Zweifeln Anlass gebende Provenienz vom Verkäufer glaubhaft nachgewiesen wird oder sonst ersichtlich ist, besteht in der Regel kein Grund zu weiteren Nachforschungsbemühungen.264 Innerhalb der Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als Obliegenheit gutgläubiger Erwerber sind jedoch zwei Fallgruppen zu unterscheiden:265 Einerseits werden Verifizierungsbemühungen auf Seiten des Erwerbers kultureller Wertgegenstände erst und nur dann verlangt, wenn der durch die Besitzverschaffungsmacht ausgelöste Rechtsschein durch andere Elemente erheblich beeinträchtigt wird. In einer konkreten Verdachtssituation besteht eine Obliegenheit zur Provenienzerforschung und ein Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter muss versuchen, sich über die wahre Rechtslage Klarheit zu verschaffen.266 In dieser Fallgestaltung des nach der jeweiligen Sachlage konkreten Verdachts gegen die Berechtigung des Verfügenden kann somit eine solche Vermutung bei objektiver und zumutbarer Würdigung nicht ohne grobe Fahrlässigkeit unberücksichtigt bleiben (vgl. hierzu nun folgend Punkt a)).267
136
Hiervon zu unterscheiden ist die andere Fragestellung, ob und in welcher Weise und in welchen Fällen der Erwerber kultureller Wertgegenstände ohne konkreten Anlass und damit im Generellen mehr als die relevante Besitzerstellung nachzu-
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Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 1 und 3. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 71–73. So Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 86–89. Vgl. auch Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 71–73. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 71–73. So Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
401
prüfen gehalten ist.268 Von zentraler Bedeutung ist damit an zweiter Stelle die Frage, ob der Kunsthandel und (inter-)nationale Kulturgüterverkehr im Generellen als bestimmter Lebensbereich oder Geschäftstyp eine verkehrstypische Gefahrsituation (gemeint ist die Gefahr, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört) und damit eine solche Ausnahmesituation darstellt, dass der Erwerber auch ohne spezielle Indizien generell Nachforschungen anstellen muss (vgl. hierzu nun folgend Punkt b)).269
a)
Provenienzerforschungsobliegenheit gutgläubiger Erwerber in konkreten Verdachtssituationen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Güter
Zunächst stellt sich innerhalb der Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter die Frage, ob der Erwerber Nachforschungen anstellen muss, wenn zwar nicht solche signifikanten Hinweise bestehen, dass der Rechtsschein eindeutig ausgeschlossen wird, sondern nur Zweifel an der Eigentümer- bzw. Berechtigtenposition des Veräußerers bestehen. Innerhalb des kulturgüterrechts-spezifischen Schrifttums 270 wird hierzu – soweit ersichtlich – die einhellige Meinung vertreten, dass bei einer konkreten Verdachtssituation – so Grell – „auch aufwändigere Recherchen im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse durchzuführen“ sind, um den Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu vermeiden.271 „Es geht … meist darum zu klären, ob das Kul-
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So Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 71–73. Vgl. jeweils m.w.N. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585–3586; Siehr, Völkerrecht und Internationaler Kulturgüterschutz vor Gericht, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 57–72, S. 66–67; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200; Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 175–177; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 171 ff. und 179 ff.; Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 222–224; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 315; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff., S. 64; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 69 und 159. Vgl. auch Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24: „Der Käufer kann bereits dann nicht mehr gutgläubig sein, wenn Anlass zu erhöhter Aufmerksamkeit bestanden hätte und er dennoch keine Schritte unternommen hat, um sich über die Verfügungsberechtigung des Veräusserers zu vergewissern.“.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
turgut einem bestimmten Voreigentümer abhanden gekommen ist. Erst wenn dies feststeht, sind weitere Recherchen angezeigt, etwa zur Frage einer Ersitzung.“ 272 Die Notwendigkeit von Nachforschungsbemühungen besteht richtigerweise schon dann, wenn Anlass zu Misstrauen besteht. Diese erhöhten Anforderungen auf Seiten der Erwerber kultureller Wertgegenstände gelten für professionell am Handel Beteiligte ebenso wie für private Sammler.273 In diesem Sinne betont bspw. auch Kunze, dass in dem Fall, dass sich aus der Veräußerungssituation konkrete Verdachtsmomente ergeben, die den durch Besitz begründeten Rechtsschein zerstören, „nach praktisch einhelliger Ansicht vom Erwerber Nachforschungen zu verlangen [sind], die sämtliche aufgetretenen Verdachtsmomente beseitigen.“274 138
Während der Rechtsschein des Besitzes beim Vorliegen signifikanter Hinweise bei der Veräußerung durch den Nichteigentümer eindeutig erschüttert worden ist und unmittelbar zu einem Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund mangelnden Sorgfaltsmaßstabs des Erwerbers führt, sprechen solche Verdachtsmomente, die den Veräußerer möglicherweise als Nichteigentümer erscheinen lassen, zunächst nur für notwendige Nachforschungen hinsichtlich der Berechtigung des Veräußerers. Der Übergang zwischen den Fällen, in denen der Rechtsschein direkt aufgrund besonders signifikanter Hinweise ausgeschlossen ist, und den Situationen, in denen nur Zweifel oder Verdachtsmomente begründet sind, wird jedoch immer fließend sein.275 Ein großer Teil der von der deutschen Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Nachprüfungs- und Erkundigungsobliegenheiten behandelten Fallkonstellationen beinhaltet eine solche konkrete Verdachtssituation. Auch innerhalb des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs wird selten unmittelbar die grob fahrlässige Unkenntnis des Erwerbers von der Nichteigentümerstellung des Veräußerers gegeben sein, sodass hauptsächlich Sachkonstellationen zu einem Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter führen werden, in denen der Erwerber nicht mehr gutgläubig sein konnte, wenn er nichts zur ‚Beseitigung‘ aller konkret vorliegender Verdachtsmomente unternahm.276 Die deutschen
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So bspw. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Nach Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24, für private Sammler, die über eine gewisse Erfahrung in einer Sparte des Handels verfügen. So für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr etwa Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184, unter Verweis auf BGH, Entscheidung des 2. Zivilsenats vom 13.04.1994, Az: II ZR 196/93, NJW 1994, S. 2022 ff., S. 2023 (bzgl. Kfz-Brief); BGH, Entscheidung des 2. Zivilsenats vom 19.06.1958, Az: II ZR 228/57, LM § 365 HGB Nr. 1 (bzgl. Eigentumsvorbehalt). So Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 55–60. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48.
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Gerichte gingen in diesem Sinne bspw. außerhalb des Kulturgüterverkehrs von einer grob fahrlässigen Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Veräußerers und damit von dem Bestehen einer Nachforschungsobliegenheit auf Seiten des Erwerbers aus, wenn bei einem Kraftfahrzeugerwerb der Kraftfahrzeugbrief fehlte, die Betriebserlaubnis für eine Baumaschine und allgemein solche Unterlagen seitens des Veräußerers nicht vorweisbar waren, die nach dem Verkehrsgebrauch mit der Sache veräußert und von ihr nicht getrennt zu werden pflegen. Selbstverständlich ist auch der Inhalt solcher Papiere, soweit er Schlüsse auf die mögliche Nichtberechtigung erlaubt, heranzuziehen.277 Eine Provenienzerforschungsobliegenheit gutgläubiger Erwerber in konkreten Verdachtssituationen fordert innerhalb des kulturgüterspezifischen Schrifttums unter Vergleich auf den Gebrauchtwagenkauf auch Schack: „Wer unter Verdacht erregenden äußeren Umständen kauft, ist zu ganz besonderer Sorgfalt verpflichtet. Das gilt nicht nur beim Kauf zB eines Gebrauchtwagens auf offener Straße, sondern ganz generell für den Kauf von Kunstgegenständen von Trödlern oder auf einem Flohmarkt. Da jeder weiß und damit rechnet, dass dort vertriebene Gegenstände gestohlen sein können, empfiehlt sich hier mE eine generelle Einschränkung: Wer behauptet, den Gegenstand auf dem Flohmarkt oder unter ähnlichen Umständen erworben zu haben, darf sich auf Gutgläubigkeit nicht berufen mit der Folge, dass er nicht gemäß § 937 I BGB nach 10 Jahren Eigentum erwirbt, sondern 30 Jahre lang dem Herausgabeanspruch des Eigentümers ausgesetzt bleibt. Ein solches Ergebnis trifft den Erwerber keineswegs unbillig, da er bewusst ein Risikogeschäft eingegangen ist, das ihn meist auch nicht viel gekostet hat. Die gleiche Bereichsausnahme wie für Flohmarktgeschäfte sollte für anonyme Transaktionen gelten, da auch hier die vom Erwerber zu vertretenden besonderen Umstände des Besitzerwerbs ursächlich für die schlechte Beweislage des Eigentümers sind.“ 278
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Dieselben Wertungsgrundsätze wurden durch das Oberlandesgericht München auch auf den gutgläubigen Erwerb kultureller Güter innerhalb des sog. Kykladenidol-Falles vom 10. Januar 1973 279 für den Kunsthandel im Speziellen übertragen und eine Nachforschungspflicht des Erwerbers bestimmt, wenn spezielle Verdachtsmomente hinsichtlich der Eigentümer- bzw. Berechtigtenstellung des Veräußerers bestehen. Der Kläger besaß ein sog. Kykladenidol, eine weibliche Figur aus dem 3. Jahrtausend vor Christus. Er überließ das Idol, das ca. 70.000 bis 80.000 DM wert war, einem gewissen G., der sich u.a. auch im Kunsthandel betätigte, mit anderen Kunstgegenständen zum Verkauf. Dieser übergab das Idol in Gegenwart des griechischen Studenten P., den er als Eigentümer des Idols vor-
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Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48. Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1445–1446. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. hierzu auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
stellte, dem zur Herausgabe Beklagten, um es ihm zu Eigentum oder zu Sicherungseigentum zu übertragen. Der Beklagte zahlte dafür 7.000 DM an P., die letzterer dem G. aushändigte. Der Kläger behauptete, Eigentümer und früherer Besitzer des Idols zu sein, und begehrte mit der Klage dessen Herausgabe.280 Da der Eigentümer die Figur im vorliegenden Fall freiwillig aus der Hand gab, ist der Schutz des Eigentümers vor dem Verlust einer Sache aufgrund gutgläubigen Erwerbs im Wege der Qualifikation als abhandengekommen hier ausgeschlossen, sodass der Erwerber bei Gutgläubigkeit Eigentum an dem Idol erwerben konnte. G. hatte das Idol nicht im Rahmen und zur Finanzierung der ihm erteilten Verkaufskommission oder des ihm gegebenen Verkaufsauftrages dem Beklagten überlassen, sondern hatte es, wie das Berufungsgericht annimmt, unterschlagen. Im Ergebnis erscheint es unter den genannten Wertungsgesichtspunkten nicht verwunderlich, dass auch ein deutsches Gericht beim Erwerb kultureller Güter – wie innerhalb des Kykladenidol-Falles – die Notwendigkeit einer Erkundigungs-, Untersuchungs- und Provenienzerforschungsobliegenheit des Erwerbers des antiken Götterbildes aufgrund besonders verdächtiger Umstände für rechtens gehalten hat. 141
Das Oberlandesgericht München betonte hinsichtlich des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, dass „an die Nachforschungspflicht des Beklagten hohe Anforderungen zu stellen sind“ und dass außer dem bedeutenden Wert des Kykladenidols auch die ungewöhnlichen Umstände in dem konkreten Fall eine Rolle spielten – gemeint war hier die Veräußerung durch einen unbekannten Studenten. Das Oberlandesgericht München hat weiter ausgeführt, dass „die heute allgemein bekannte Tatsache, daß wertvolle Antiquitäten strengen Ausfuhrbestimmungen ihrer Herkunftsländer unterliegen, habe den Beklagten zumindest zu einer Frage nach der Herkunft des Idols veranlassen müssen, weil G. ihm vorgemacht hatte, daß das Idol erst in letzter Zeit aus Griechenland nach Deutschland gekommen sei. Der Beklagte habe aber nicht einmal eine Frage nach der Herkunft des Idols gestellt, sondern sich mit der Unterzeichnung einer von ihm selbst aufgesetzten eidesstattlichen Versicherung durch P. begnügt.“ 281 Somit hielt das Gericht den Einwand des Beklagten, er habe sich von dem Veräußerer und angeblichen Eigentümer sogar eine eidesstattliche Versicherung ausstellen lassen282, in Fällen 280
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Vgl. zu den tatsächlichen Angaben der Sachverhaltskonstellation Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Worauf sich diese eidesstattliche Versicherung bezogen hat, wurde in der Entscheidung nicht ganz deutlich; es ist jedoch wohl unzweifelhaft davon auszugehen, dass die Eigentümerstellung des Versichernden gemeint war; so auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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derart wertvoller Kulturgüter nicht für ausreichend. Bleiben in der Provenienzrecherche Zweifel, hat der Erwerber die Obliegenheit, weitere Informationen zur Herkunft und zum bisherigen Verbleib des Kulturguts in Kenntnis zu bringen, bevor er als gutgläubig zu bezeichnen ist. Der Beklagte kannte somit seine mangelnde Berechtigung grob fahrlässig nicht.283 Es erfolgte somit für den Bereich des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung eine Abkehr von der alleine maßgeblichen Bedeutung des Rechtsscheins des Besitzes. Im Ergebnis hat das Gericht den Erwerber aus § 1007 BGB zur Herausgabe an den früheren Besitzer verurteilt. Auch innerhalb der Schweizer Rechtsprechung finden sich vergleichbare Konstellationen:284 In einer Entscheidung des Schweizer Bundesgerichts ging es um eine Sammlung kostbarer Skulpturen, die einem erfahrenen Kunstsammler von einem ihm bekannten Händler angeboten wurde.285 Es bestanden erhebliche Verdachtsmomente der Veräußerung illegal transferierter Kulturgüter: Die Veräußerung erfolgte nicht in der Galerie, sondern in der Privatwohnung des Veräußerers. Der Kaufpreis von 350.000 Schweizer Franken musste sofort in ‚cash‘ beglichen. Der Veräußerer konnte dem Erwerber weder eine Herkunftsbescheinigung noch eine Schätzung des Kaufobjektes vorweisen. Wie sich nachträglich herausstellte, waren die Skulpturen dem Veräußerer zu Ausstellungszwecken übergeben worden. In solchen Konstellationen bestehen so große Zweifel an der Berechtigung des Veräußerers, dass weitergehendere Nachforschungen notwendig sind: Im Beispielsfall hatte der Erwerber Sach-, Markt- und Branchenkenntnisse. Das Geschäft war ein ‚Schnäppchen‘, der Ort der Übergabe, die Art des Kaufobjekts, die Höhe des Kaufpreises und das Fehlen jeglicher Bescheinigungen hätten den Erwerber veranlassen müssen, sich nach der Provenienz der Skulpturen zu erkundigen.286 Dementsprechend fordert auch Müller-Chen für die Schweizer Rechtsordnung: „Von Käufern wertvoller Kunst ist zu fordern, dass sie die Herkunft des Kaufobjekts sorgfältig recherchieren; dies belastet sie auch nicht über Gebühr, da sie die Mittel dazu haben. Dazu gehört die Konsultation von Versteigerungskatalogen grosser Auktionshäuser, von Werksverzeichnissen und von weiteren einschlägigen Quellen, wie z.B. der Lost Art Internet Datenbank. Hinweise auf das übliche Mass an Sorgfalt im Kunsthandel liefern auch diverse Verhaltenskodices, wie z.B. der Code of Professional Ethics des Internationalen Museumsrates.“ 287 283
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Vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. zum Folgenden: Müller-Chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267–1279, S. 1272. Vgl. den Sachverhalt in BGE 122 III 1. So schon BGE 80 II 53; vgl. auch BGE 123 II 134. Müller-Chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267–1279, S. 1272.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Es bleibt die Frage nach der richtigen Bestimmung der ‚geeigneten‘ Erkundigungen. Im Generellen wird für die Nacherforschungsobliegenheit beweglicher Gegenstände bestimmt, dass die Verifizierungsbemühungen des gutgläubigen Erwerbers dann als ‚geeignet‘ zu qualifizieren sind, wenn diese die Nichtberechtigung des Veräußerers ergeben. Allgemein gilt für sämtliche Provenienzerforschungsbemühungen auf Seiten des Erwerbers, dass es auf den eventuellen Erfolg der getätigten Verifizierungsbemühungen innerhalb der Nachforschungsobliegenheiten nicht ankommt. Der Erwerber muss – im Interesse des Eigentümers – nur versuchen, die wahre Rechtslage zu ermitteln. Unternimmt er diesen Versuch in angemessener Form aber ohne Erfolg, so ist der gutgläubige Erwerbstatbestand erfüllt. Zwischen Bösgläubigkeit und unterbliebener Nachforschung muss also keine Kausalität bestehen. Unterlässt er jedoch den Versuch der Aufklärung, dann ist der Erwerbstatbestand nicht erfüllt, sodass es keine Rolle spielt, ob die Nachforschungen zur Erkenntnis der wirklichen Rechtslage geführt hätten.288 Da es sich bei Einhaltung der notwendigen Sorgfalt um eine Obliegenheit des Erwerbers handelt, begründet die konkrete Situation, also die trotz konkreter Verdachtslage unterlassene Nachforschung selbst, die Bösgläubigkeit. Die Bestimmung der notwendigen Verifizierungsbemühungen dient damit nur der argumentativen Konkretisierung der Verdachtslage und als Begründung für ihr Vorliegen.289 „Die Formel von der Erkundigungspflicht ist deshalb im Grunde bei diesen Fallgestaltungen eine gerichtliche oder prozessuale Courtoisie, eine Umschreibung für die Feststellung, dass das behauptete Vertrauen in die Eigentümerstellung des Verfügenden bei der gegebenen Situation wenigstens grob fahrlässig war.“ 290 Da ‚geeignete‘ Erkundigungen in der Regel den Erfolg für den Nachweis der Nichtberechtigung des Verfügenden voraussetzen, sind nur solche Überprüfungen als ‚geeignet‘ zu qualifizieren, die tauglich sind, den Verdacht zu erhärten, dass der Veräußerer nicht der Eigentümer oder ein sonstiger zur Verfügung Berechtigter des zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturguts ist.291 Zu Recht betont somit Quack, dass dem Erwerber nicht die unterlassene Überprüfung vorgeworfen wird, sondern der vernachlässigte Verdacht.292 Ausreichend sind in concreto nur tatsächlich vorgenommene Überprü288
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So bereits ausdrücklich Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 82; Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48. In Anlehnung an die allgemeinen Erwägungen bei Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48. So Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
407
fungen, die alle Verdachtsmomente beseitigen, also wenn bspw. der Erwerber auf Nachfrage von dem Veräußerer eine gut gefälschte Exporterlaubnis (als Beispielsfall des illegalen Exports) oder wenn im Fall gestohlener Kulturgüter der Erwerber gut gefälschte Provenienzurkunden oder Expertengutachten mit einem diesbezüglichen Pedigree ausgehändigt bekommt und wenn sonst keine Verdachtsmomente mehr bestehen.
b)
Generelle Nachforschungsobliegenheit innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs als verkehrstypische Gefahrensituation
Somit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass eine Provenienzerforschungsobliegenheit gutgläubiger Erwerber in konkreten Verdachtssituationen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Güter besteht. Darüber hinaus könnte aber auch eine generelle Nachforschungsobliegenheit innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs bestehen, da der Erwerb von Kunstwerken eine verkehrstypische Gefahrensituation des Handels mit unrechtmäßig entzogenen Objekten darstellt. Somit könnten nicht nur in einer leibhaftigen Verdachtssituation, sondern auch ohne konkreten Anlass innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs als besondere Geschäftsart und spezielle Branche immer und grundsätzlich Zweifel auf Seiten des Erwerbers bei der Akquisition kultureller Wertgegenstände angebracht und ein Erwerber stets zur Nachprüfung der Eigentumsposition bzw. Berechtigung des Veräußerers gehalten sein, um als gutgläubig zu gelten.293 Von zentraler Bedeutung ist damit die Frage, ob der Kunsthandel und (inter-)nationale Kulturgüterverkehr als bestimmter Lebensbereich generell eine verkehrstypische Gefahrensituation (gemeint ist die Gefahr, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört) und damit eine solche Ausnahmesituation darstellt, dass der Erwerber auch ohne spezielle Indizien hinsichtlich des Nichteigentums bzw. der Nichtberechtigung des Veräußerers Nachforschungen über die Eigentums- bzw. Berechtigungsposition des Veräußerers anstellen muss.294
(1)
Vertrauen des Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auf die augenscheinliche Besitzlage als Ausgangslage
Ohne konkreten Verdacht des Nichteigentums bzw. der Nichtberechtigung des Veräußerers lassen sich Erkundigungs-, Überprüfungs- und Nachforschungspflichten sowohl innerhalb des gutgläubigen Fahrniserwerbs im Generellen als auch der gutgläubigen Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im 293
294
144
So Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48. Aus der kulturgüterspezifischen Literatur: Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 76–78. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 71–73.
145
408
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Speziellen jedoch nur ausnahmsweise rechtfertigen. Allgemein ist hier der innerhalb des gutgläubigen Mobiliarerwerbs der Sachenrechtsregeln angelegten Interessenbewertung und dem dementsprechend formulierten Grundsatz zu folgen, dass ein Erwerber auf die augenscheinliche Besitzlage vertrauen darf und keine Provenienzerforschungsbemühungen vorzunehmen hat, um nicht als grob fahrlässig hinsichtlich des Nichteigentums des Veräußerers zu gelten. Derjenige, der „in diesen Fällen Überprüfungsobliegenheiten formuliert“, würde „die negative Anforderung des Gesetzes (Abwesenheit von Bösgläubigkeit) durch eine positive (Gutgläubigkeit, Redlichkeit)“295 ersetzen. 146
Auch wenn nicht ausnahmslos innerhalb des allgemeinen Fahrniserwerbs von Verifizierungsbemühungen auszugehen ist, so könnte doch durchaus beim gutgläubigen Erwerb speziell kultureller Wertgegenstände eine zwingende Provenienzerforschungsobliegenheit unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bestehen. Eine generelle Nachforschungsobliegenheit lässt sich jedoch nach einmütiger Rechtsbeurteilung heute „allenfalls ausnahmsweise für bestimmte, verkehrstypische Gefahrensituationen rechtfertigen, wobei das auf den konkreten Vertragsschluss und nicht auf die Wirtschaftslage zu beziehen ist.“ 296 Deshalb ist es innerhalb des Kunsthandels für die deutsche Rechtsordnung fraglich, ob eine solche Ausnahmesituation gegeben und die Qualifizierung des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs als verkehrstypische Gefahrensituation möglich ist.
(2)
147
Qualifizierung des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs als verkehrstypische Gefahrensituation und die Forderung nach generellen Provenienzerforschungsanstrengungen
Einerseits könnte man sich auf den Standpunkt berufen, dass die Einschränkung der Gutglaubensvermutung aufgrund der Forderung nach einer generellen Provenienzerforschungsobliegenheit innerhalb des § 932 Abs. 1 S. 1 BGB einer Einschränkung des (inter-)nationalen Handels mit Kulturgütern aufgrund der Limitation des Verkehrsschutzes gleichkommt, diese jedoch keine hinreichende kulturpolitische Rechtfertigung findet, da der Kunsthandel nicht mehr oder weniger gefährdet ist als andere Bereiche des Güteraustausches auch. Dementsprechend könnte sich darauf berufen werden, dass in sämtlichen Geschäftsbereichen die Gefahr des Handels auch mit unrechtmäßig entzogenen Mobilien besteht, die Hehlerware Kulturgut keine spezielle Rechtsbehandlung rechtfertige, die zum Nachteil des deutschen Kunsthandels gereiche, und eine (weitere) Schwächung des kulturellen Marktplatzes Deutschland nicht zu rechtfertigen wäre.
295
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So ausdrücklich Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48. So Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
409
Anderer Ansicht nach zählt vornehmlich der Erwerb kultureller Wertgegenstände, der in der Mehrzahl der Fallkonstellationen einen besonders hohen Wert für einzelne bewegliche Gegenstände ausmacht, zu den verkehrstypischen Gefahrensituationen, in denen generelle Nachforschungs- und Provenienzerforschungsanforderungen selbst von denen angenommen werden, die eine solche Obliegenheit nur ganz ausnahmsweise zulassen wollen.297 Dies wird innerhalb des kulturgüterspezifischen Schrifttums bspw. bei Schack vertreten:
148
„Grundsätzlich ist im Interesse der Leichtigkeit des Handelsverkehrs kein Käufer verpflichtet, von sich aus Nachforschungen über den Voreigentümer der Kaufsache anzustellen. Der Käufer darf vielmehr regelmäßig auf das Eigentum des Verkäufers und bei einem Kaufmann auch auf dessen Verfügungsbefugnis vertrauen. Diese Regel kann jedoch für wertvolle Kunstgegenstände so nicht gelten. Wer sie erwerben will, ist zu gesteigerter Sorgfalt verpflichtet. Angesichts der bekannten Häufigkeit von Kunstdiebstählen wird man dem Erwerber hier generell eine Erkundigungspflicht auferlegen müssen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, Fragen an einen potentiellen Betrüger seien nutzlos, ein vorgelegter Stammbaum für Kunstwerke sei leicht zu fälschen. Wer solche Fragen stellen muss, bringt vielleicht neue Verdachtsmomente ans Licht. Mit Stories, der Veräußerer wolle aus welchen Gründen auch immer anonym bleiben, wird sich ein Kaufinteressent nicht zufrieden geben dürfen. Das Anonymitätsinteresse des Eigentümers ist selten legitim, dahinter steckt vielmehr regelmäßig die Absicht der Steuerhinterziehung. Gesteigerte Anforderungen an die Gutgläubigkeit des Erwerbers von Kunstgegenständen könnten hier durchaus zur Verbesserung der guten Sitten im internationalen Kunsthandel beitragen.“ 298
149
Beachtenswert ist dabei vor allem, dass diese Rechtsansicht auch außerhalb des kulturgüterspezifischen Schrifttums Anklang findet. So hat bspw. Quack innerhalb seiner Kommentierung des gutgläubigen Fahrniserwerbs im Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch ausdrücklich den Kunsthandel als Beispiel für eine verkehrstypische Gefahrensituation neben dem unbestritten hierzu zählenden Gebrauchtwagenhandel 299 aufgeführt: „Zu den verkehrstypischen Gefahrensituationen, bei denen echte Nachforschungsverpflichtungen am ehesten anzunehmen sind, gehört die Veräußerung von gebrauchten Kraftfahrzeugen mit „unverdächtigem“ Kraftfahrzeugbrief, die Veräußerung anderer, besonders wertvoller Gegenstände, vor allem von Kunstgegenständen jeder Art.“300 Auch Wiegand bezeichnet in seiner Staudinger-Kommentierung innerhalb der Frage der generellen Nachforschungsobliegenheiten außerhalb konkreter Verdachts-
150
297 298
299
300
So wohl auch Schönenberger, Restitution von Kulturgut, 2009, S. 207–214. Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1445. Diesen Vergleich zieht auch Jackson, Provenance Research – Looking for Looted Art, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, Volume 3, Numbers 3 & 4 (2000), S. 19. Ausdrücklich Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48.
410
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
momente den Erwerb von Kunstgegenständen und Kulturgütern als generelle verkehrstypische Gefahrensituation exempli causa: 151
„Beim Erwerb von Kunstgegenständen, insbes auch Antiquitäten, sind bei der Beurteilung der Gutgläubigkeit strenge Maßstäbe anzulegen. Es handelt sich um einen typischen Beispielsfall für die oben beschriebene Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen. Ähnlich wie im Wertpapierhandel nach dem zweiten Weltkrieg und im Kraftfahrzeughandel ist der vom Besitz und der Besitzverschaffungsmacht ausgehende Rechtsschein zunehmend erschüttert worden. Anlass dazu bildeten die Fälle, in denen gestohlene oder sonst wie abhanden gekommene Kunstgegenstände (etwa die vom Nazi-Regime beschlagnahmten Werke der „entarteten Kunst“ und die sog „Beute- und Raubkunst“) veräußert wurden. In derartigen Fällen verhindert § 935 Abs 1 den Erwerb bei einer gewöhnlichen Übereignung. In aller Regel werden solche Gegenstände jedoch in einer Versteigerung veräußert, so dass ein Eigentumserwerb nach § 932/935 Abs 2 in Betracht käme, sofern der Erwerber gutgläubig ist. Bei der Beurteilung dieser Frage wirkt sich die Verschärfung der Maßstäbe aus: So wird etwa vorgeschlagen, dass der Erwerber sich vor einem Steigerungskauf selbst um die Klärung der Herkunft bemühen und insbesondere die branchenbekannten Kontrollregister (www.beutekunst.de oder www.lostart.de) einsehen müsse. Ähnlich ist die Lage beim Erwerb von Kulturgütern (der Begriff hat sich im Anschluss an die UNESCO Convention an the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property eingebürgert; die EU verwendet in ihren Rechtsakten den Terminus Cultural Goods). In einer Reihe von internationalen Regulierungen, die teilweise ratifiziert bzw in der EU umgesetzt wurden, soll der Kulturgüterschutz durchgesetzt und der illegale Handel unterbunden werden. Dieser noch in vollem Gang befindliche Prozess ist hier insoweit von Interesse als er ähnliche Erkundigungsobliegenheiten auslöst wie beim Erwerb der zuvor genannten Kunstgegenstände. Der Erwerber muss die Vorlage von Herkunftsnachweisen, Ex-/Importpapieren und allenfalls behördlichen Genehmigungen verlangen. Andernfalls kann er nicht als gutgläubig betrachtet werden. Dies gilt sowohl für den Erwerb nach § 932 wie nach § 935 Abs 2, sofern die Gegenstände nach den maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften als abhanden gekommen anzusehen sind. Die generelle Tendenz der internationalen Regelungen und des Kulturgütersicherungsgesetzes sowie des Kulturgüterrückgabegesetzes geht dahin, den gutgläubigen Erwerb derartiger Gegenstände völlig auszuschließen oder rückgängig zu machen.“ 301
152
Im Gegensatz hierzu überrascht es eher wenig, dass innerhalb des kulturgüterspezifischen Schrifttums nahezu einhellig von gesteigerten Sorgfaltsanforderungen und einer dementsprechenden mehr oder weniger weitreichenden Provenienzerforschungsobliegenheit auf Seiten der Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch innerhalb des deutschen Rechtskreises ausgegangen wird.302 301 302
Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 132–133. Vgl. etwa m.w.N. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3585–3586; Siehr, Völkerrecht und Internationaler Kulturgüterschutz vor Gericht, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 57–72, S. 66–67; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200; Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 175–177; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 171 ff. und 179 ff.; Hanisch, Inter-
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
411
So erklärt bspw. Hanisch: „So wenig das Kollisionsrecht geeignet erscheint, dem rechtlichen Sorgenkind des gestohlenen Kunstgegenstandes aus der Krise zu helfen, so viel mehr ist das jeweils berufene Sachrecht aufgefordert, die Rechtslage für den Erwerb von Kunstgegenständen zu verbessern. Sowohl in der Frage des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs als auch in der Frage des guten Glaubens bei der Ersitzung erscheinen sehr viel strengere Maßstäbe bei der Rechtsanwendung notwendig als diejenigen, die sich in den Entscheidungen beobachten lassen. Hier gilt durchaus, daß Kunst eine besondere Sache ist, der schwarze Kunstmarkt sich mehr denn je als unsterblich erweist und das Bedürfnis nach dem Reinwaschen des Makels naturgemäß groß ist.“303 Bereits im Jahre 1996 stellte Müller-Katzenburg fest, dass sich in der internationalen Rechtsprechung eine Tendenz dahingehend abzeichne, dass ‚Profis‘ im Kunsthandel (jedenfalls bei besonders wertvollen Gegenständen) nicht nur von einer Erkundigungspflicht (Nachfrage nach der Provenienz, Forderung nach Belegen, Information über die Identität des Veräußerers), sondern ebenso von einer Nachforschungspflicht ausgehen müssen, um nicht als bösgläubig zu gelten. Für ‚Laien‘ konnte sie eine solche Verpflichtung (noch) nicht feststellen, hält aber eine Verschärfung von Rechtsprechung und Gesetzgebung in dieser Richtung für wünschenswert.304 So bezeichnet bspw. auch Grell den Kunsthandel als „anfälligen Geschäftsbereich“ und weist auf die Ähnlichkeit zum Gebrauchtwagenkauf hin: „Verschiedentlich wird bei der Frage nach dem Mass und der Intensität der Nachforschungen und der nötigen Sorgfalt beim Erwerb der Vergleich zum Erwerb von Gebrauchtwagen gezogen, wo man sich auch nur auf seine Gutgläubigkeit berufen kann, wenn man aufgrund der Eintragung des Kraftfahrzeug-Briefs überprüft hat, dass der Veräusserer zur Verfügung über den Wagen befugt war. Beim Kunsthandel handelt es sich ebenfalls wie beim Handel mit Occasionswagen der Luxusklasse um einen bezüglich Rechtsmängel der zu verkaufenden Objekte besonders „anfälligen“ Geschäftsbereich, wie dies das [Schweizer] Bundesgericht 305 bereits für den Bereich des Antiquitätenhandels … festgestellt hatte, der zwischen dem Handel mit normalen Gebrauchtwaren und dem Handel mit Kunstwerken einzugliedern ist. Diese Ansicht wird auch durch die zahlreichen Diebstähle von Kunstwerken und durch die häufigen Fälle
303
304 305
nationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 222–224; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 315; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff., S. 64; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 69 und 159; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/ Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 222 und S. 224. Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 315. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. März 1996 i.S. Versicherung X. gegen A. M. (Berufung) Regeste, Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts, BGE 122 III 1 ff.
153
412
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt unrechtmässigen Handelns solcher Kunstwerke im Kunsthandel untermauert, die heute als allgemein bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Die Begründung für diese erhöhten Anforderungen findet sich nach Bundesgericht in der Würdigung der schützenswerten Interessen des Berechtigten, dem ein solches Objekt gegen seinen Willen abhanden gekommen ist. Dieser habe für den beim späteren Erwerber hervorgerufenen falschen Rechtsschein nicht einzustehen.“306
154
Die weitergehende Einschränkung der Verkehrsfähigkeit kultureller Wertgegenstände und die diesbezügliche Schwächung des Standortes Deutschland als Kunstumschlagsplatz sind zugunsten eines weiterreichenden Kulturgüterschutzes damit zu rechtfertigen, dass es dem im Kunsthandel beteiligten Personkreis als durchaus zumutbar auferlegt wird, die inzwischen hoch sensibilisierten und präzisierten Informationspools illegal transferierter Kulturgüter zu kontaktieren, die ohne großen finanziellen, personalen und temporären Aufwand eine weitreichende Dokumentation des unrechtmäßigen Kulturgüterverkehrs nahezu weltweit übernommen haben.307 Besteht keine konkrete Verdachtssituation, so ist – angesichts der Häufigkeit allein von Kulturgutdiebstählen – regelmäßig eine verkehrstypische Gefahrensituation anzunehmen.308 Somit kann sich ein Erwerber nach dieser Rechtseinschätzung generell nicht auf die eingeschränkte Erkundigungspflicht nach dem Eigentum und der Berechtigung des Veräußerers berufen, welche die Verifizierung der näheren Umstände nur beim Vorliegen konkreter Verdachtsmomente verlangt. Wenn vor der Akquisition keine Aufklärung aufgrund der gebotenen Nacherforschung erfolgt, muss auf den Erwerb des Kulturguts verzichtet werden. Verzichtet ein Erwerber nicht und hofft, dass alles gut geht, ist grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der Nichtberechtigung und der fehlenden Eigentumsposition des Veräußerers anzunehmen.309 Dies gilt auch für den Erwerb eines Kunstgegenstandes im Wege der öffentlichen Versteigerung. Der Erwerber darf sich also nicht ohne Weiteres darauf verlassen, dass der Versteigerer die notwendigen Nachforschungen vorgenommen hat.310
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Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159, unter Berufung auf Urteil des BGer vom 24.9.1987, BGE 113 II 397 (S. 399/4(X)). Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 318. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Auch Privatpersonen sollten danach den erhöhten Sorgfaltsanforderungen im internationalen Kulturgüterverkehr unterworfen werden, da die Besonderheit eines Kunstkaufs normalerweise auch dem Laien bewusst ist und er über gute Informationsmöglichkeiten verfügt. Vgl. Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 177. Vgl. Looschelders, Der zivilrechtliche Herausgabeanspruch des Eigentümers auf Rückgabe von abhanden gekommenen Kulturgütern nach deutschem Recht, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, S. 103–128, S. 107.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
(3)
413
Subjektivierung des notwendigen Provenienzerforschungsmaßstabes
Eine generelle Provenienerforschungsobliegenheit im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr könnte jedoch zu weit gehen und sich hemmend innerhalb des privaten Kunstsammelns auswirken. Um einer diesbezüglichen Einschränkung vorzubeugen, könnte man innerhalb des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs eine Unterscheidung nach der Person des gutgläubigen Erwerbers vornehmen. Damit würde sich der Grad der einzuhaltenden Sorgfalt auch nach dem speziellen Erfahrungsstand der potentiell gutgläubigen Person bestimmen. Dies wiederum hätte zur Folge, dass unterschiedliche Anforderungen einerseits an Kaufleute, Händler und sonstige beruflich im Kunsthandel tätige Personen und andererseits an Privatpersonen ohne berufliches Sonderwissen und Provenienzerforschungsmöglichkeiten gestellt werden.311 Eine Subjektivierung der notwendigen Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber hätte innerhalb des Kunsthandels zur Folge, dass sowohl eine Milderung des Sorgfaltsmaßstabs nichtprofessionell im Kunstmarkt agierender Personen als auch eine Steigerung der Provenienzerforschungsobliegenheiten auf Seiten der Kunsthändler, Galeristen und Museen einträte.
155
So hat bspw. bereits Pinkerton in ihren Untersuchungen zu Due Diligence for Acquiring Cultural Property in the New Millenium unterschiedliche Verhaltensanforderungen für „all transferees of cultural property“ einerseits und „sophisticated transferees“ andererseits bestimmt. Die Erstgenannten unterfallen danach folgendem Verhaltensprogramm: “• Every transferee should obtain and keep documents evidencing that the following inquiries were made. This is a matter of simple evidence. No documents equals no proof. • Every transferee should obtain and keep a bill of sale, a deed of gift, or the instrument by which he acquired the object. • Every bill of sale should name and show: – the address of the emporium, business or person from which the object was purchased, regardless of the name of the true owner, – the price paid by the transferee, – the date of the transaction. Alternatively, the transferee’s canceled check can serve as the record provided it has all of this information in full. • Every transferee should ask the name of the true owner or person(s) conveying title and ask that the information be given to him no later than the date on which the title passes to the transferee. • Every transferee should ask additional questions in reasonable places if the answers to any of the previous questions are unsatisfactory, or if any other circumstances related to the transaction, but not to any subsequent circum-
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311
So auch Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 62.
414
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
stances, would cause a reasonable transferee in those circumstances, but not in any subsequent circumstances, to question the quality of title. • Regardless of any other steps taken, a transferee who knows, genuinely thinks, or, in the process of researching the object, becomes aware that the object is stolen or has a seriously flawed title which cannot be repaired as part of the transaction, but takes the object anyway, should be deprived of all the legal benefits of diligence and of good faith under the law.“ 312 157
Darüber hinaus verlangt Pinkerton für „sophisticated transferees“ zusätzliche Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb kultureller Wertgegenstände. Zu diesen „sophisticated transferees“ zählen „any museum or entity owning and operating a museum anywhere, regardless of size, any commercial seller of cultural property anywhere, regardless of size, any auctioneer of cultural property anywhere, regardless of size, receiving consignment of property for auction sale or accepting transfer of ownership of property, any person who has ever held, or currently holds, himself out as an “expert” in or “collector” of art or cultural property, every government entity.“ 313 Zusätzlich zu den Anforderungen „for all transferees of cultural property“ sollten „sophisticated transferees“ darüber hinaus „obtain and retain documentary evidence that each of the following steps was taken. They should: • contact, or require the transferor to contact, the Art Loss Register and determine whether the object has been reported stolen, and should keep on record the results of that inquiry. • conduct searches on the Internet using obvious terms and obvious search engines and save the search results to determine whether anyone has reported the object as stolen. No party should have to search every Web site, but should conduct a reasonable number of searches using reasonable terms in light of what’s available at the time. Six good ones are: The Art Loss Register http://www.artloss.com, Museum Security Network http://www.museumsecurity.org, Jonathan Sazanoff of SAZ Productions http://www.saztv.com, The FBI http: //www/fbi.gov/majcases/arttheft/art.htm, Interpol http://www.stolenart. net/, Commission for Art Recovery, World Jewish Congress http://www.wjcartrecovery.org • conduct, document and save at least some art historical research about the provenance of the object prior to consummating the transaction, taking into consideration how much time is available
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Pinkerton, Due Diligence für Acquiring Cultural Property in the New Millennium?, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 51. Vgl. Pinkerton, Due Diligence für Acquiring Cultural Property in the New Millennium?, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 51–52.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
415
• learn the nature and reputation of the transferor and should make inquiries about them if the transferor is unknown to the transferee • condition the closing of the transfer on receiving the name and address of the true transferring owner and collect a warranty that the information is accurate and an indemnity from the transferor if the warranty is breached. Retain this information • advertise the object in some public way, whether by exhibition, publication, or offering for sale, or all of these, within two years of the date of acquiring the object.“314 Eine dementsprechende Subjektivierung sollte auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung vorstellbar sein, sodass vom versierten Käufer mehr Wachsamkeit verlangt wird als von dem in einem Sammlungsgebiet unerfahrenen Laien:315 Einerseits könnte man zunächst an eine Milderung des Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb kultureller Güter solcher Personen denken, die, ohne zur Profession des Kunstgewerbes zu gehören, kulturelle Güter als Privatsammler erwerben.
158
In diesem Sinne sind auch die von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. April 1995 in der sog. Rheinstein-Bögen-Konstellation 316 zu verstehen. Ebenso wie in der Konstellation des Hamburger Stadtsiegels ging es auch innerhalb des Rheinstein-Bögen-Falles um die rechtliche Beurteilung des gutgläubigen originären Erwerbs durch Ersitzung bzw. der derivativen Akquisition eines redlichen Erwerbers mittels eines rechtsgeschäftlichen Verkehrsgeschäftes abhandengekommener ‚öffentlicher Sachen‘. In Frage stand jeweils die Gutgläubigkeit der Erwerberin von zuvor in den Wirren des Zweiten Weltkriegs abhandengekommenen Kulturgütern. Die die Restitution betreibende Klägerin war der Ansicht, dass angesichts des Stempelaufdrucks und der fehlenden Gummierung kein gutgläubiger Eigenbesitz habe begründet werden können. Die Beklagte berief sich hingegen auf ihre Gutgläubigkeit, die entweder zur Ersitzung oder aber zum derivativen Erwerb der Briefmarken geführt hätte. Ihr Großvater habe die Rheinstein-Bögen 1949 in Lohberg bei Dinslaken erworben und mit anderen Briefmarken unsortiert in einem Karton verwahrt. Am 26. Dezember 1967 habe sich ihr Großvater von seiner Ehefrau getrennt und ihr sein sämtliches Hab und Gut nebst der Kiste mit Briefmarken geschenkt. Die Großmutter habe die Marken seitdem bis zum Jahr 1979 in Eigenbesitz gehabt und infolgedessen gutgläubig ersessen. Am Mutter-
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Pinkerton, Due Diligence für Acquiring Cultural Property in the New Millennium?, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 52. Vgl. auch Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24. Vgl. zu der sog. Rheinstein-Bögen-Konstellation die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. April 1995: VG Berlin, 1. Kammer, Urteil vom 19. April 1995, Az: 1 A 145.92.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
tag 1979 habe sie die Kiste mit den Marken ihr – der Beklagten – geschenkt. Da die Beklagte keine Briefmarkensammlerin sei, habe sie nicht gewusst, was sie mit den Marken habe machen sollen und daher diese bei sich in Berlin auf dem Dachboden gelagert. Im Januar 1991 habe ihr Ehemann den Karton mit den Briefmarken – darunter die Rheinstein-Bögen – bei Aufräumarbeiten gefunden und eigentlich dem Müll übergeben wollen. Auf Anregung eines Nachbarn sei man dann auf die Idee gekommen, den Wert der Marken überprüfen zu lassen. Da selbst bei den damit befassten Sachverständigen keine Zweifel an ihrer Berechtigung aufgekommen seien, könne nicht nachvollzogen werden, wieso der Stempel und die fehlende Gummierung bei einem Laien Verdachtsmomente hervorrufen sollten. Die Beklagte war daher der Ansicht, Eigentum an den Rheinstein-Bögen erworben zu haben, und zwar entweder durch Schenkung im Jahr 1979 oder im Wege der Ersitzung im Jahr 1989. Das Gericht entschied, dass keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Beklagte beim Erwerb der Marken nicht gutgläubig war und stellte auf die subjektiv begrenzte Erkenntnismöglichkeit der Beklagten als Laie ab: „Es spricht nichts dafür, daß der Stempelaufdruck sowie die handgeschriebene Ziffernfolge, die sich zudem nur auf einem der Bögen befinden, geeignet sind, für einen philatelistischen Laien eine frühere Eigentümerstellung der ehemaligen Reichsdruckerei erkennbar werden zu lassen und daher Zweifel an seiner eigenen Berechtigung hervorzurufen. Ebensowenig kann vorausgesetzt werden, daß ein Laie aus einer fehlenden Gummierung entsprechende Rückschlüsse zu ziehen vermag.“317 160
Andererseits könnte eine diesbezügliche Subjektivierung der Terminologie der ‚grob fahrlässigen Unkenntnis‘ von der Berechtigung und der Eigentümerstellung des Veräußerers jedoch auch eine Steigerung des Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb kultureller Güter für solche Personengruppen bedingen, die im Rahmen ihrer Profession ein berufspezifisches Sonderwissen und vertiefte Provenienzerforschungsmöglichkeiten tatsächlich besitzen bzw. zumindest beherrschen sollten. Dieser gesteigerte Grad der einzuhaltenden objektiven Sorgfalt könnte sich dann durchaus zulasten von Kaufleuten, Händlern und sonstigen beruflich im Kunsthandel tätigen Personen auswirken: Dementsprechend fordert ein Großteil des kulturgüterspezifischen Schrifttums, dass generelle Verifizierungs- und Provenienzerforschungsbemühungen allein seitens der professionell am Kunstgewerbe beteiligten Galerien, Kunsthändler, Versteigerungshäuser, Museen und sonstiger kultureller Institutionen bestehen, während privaten Kunstsammlern Nachforschungsbemühungen nur im Falle konkreter Verdachtssituationen abverlangt werden.318 317 318
VG Berlin, 1. Kammer, Urteil vom 19. April 1995, Az: 1 A 145.92. Reichelt, Kulturgüterschutz und Internationales Privatrecht, IPRax 1986, S. 73–75, S. 74; Reichelt in Sladek, Das kulturelle Erbe im Risiko der Modernität: Salzburger Symposium 1992, 1993, S. 63; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68, S. 64 ff.; Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz – Eingriffsnormen und der
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
417
Vertreter dieser Ansicht sind bspw. Schnabel und Tatzkow: „Bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden ist die Streitfrage, ob der gutgläubige Erwerb auch voraussetzt, dass der Erwerber ausreichende Erkundigungen bei Instituten, in Registern, Behörden usw. eingeholt haben muss, um die Frage zu klären, ob dort das Kunstwerk als Verlust gemeldet ist. Bei professionell Tätigen dürfte es zukünftig erforderlich sein, sich in den einschlägigen, über das Internet zugänglichen Registern zu informieren, ob dort das zu erwerbende Kunstobjekt aufgeführt ist. Ist dies der Fall, muss der Erwerber weitere Nachforschungen anstellen und aufklären, ob die Verlustanzeige zutreffend ist oder durch weitere Nachforschungen die Berechtigung des Veräußerers geklärt werden kann.“319 Auch Kunze setzt sich für einen unterschiedlichen Sorgfaltsmaßstab, je nach Zugehörigkeit zu der jeweiligen Personengruppe ein: Demnach … „… ist zu fragen, ob der vom Erwerber zu beachtende Sorgfaltsmaßstab für alle Personen gleich ist, oder ob nicht besondere individuelle Merkmale Berücksichtigung finden können. In der Literatur wird hierzu angemerkt, daß die jeweilige Personengruppe zu berücksichtigen ist, welcher der Käufer angehört. Von Privatpersonen wird daher nicht mehr als die Sorgfalt eines durchschnittlich aufmerksamen Käufers gefordert werden dürfen. Professionelle Kunsthändler dagegen gehören einer Berufsgruppe an, die über die besonderen Risiken des Kunstkaufs informiert ist und sein muß, schon im eigenen Interesse. Die Unbefangenheit eines durchschnittlichen Käufers können diese Personen nicht für sich in Anspruch nehmen, so daß die von ihnen zu erwartende Sorgfalt über dem Mindestmaß liegen muß, was in vergleichbarer Situation erwartet werden kann. In dem Rechtsstreit Menzel v. List hat das erkennende New Yorker Gericht als allgemeine Praxis des Kunsthandels kritisiert, daß die Herkunft der Bilder nicht ausreichend recherchiert würde. In ähnliche Richtung weist die UNIDROIT-Konvention über die Rückgabe gestohlener oder illegal exportierter Kulturgüter, die gemäß Art. 4 Abs. 4 zur
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internationale Kunsthandel, in: Pfister/Will, Festschrift für Werner Lorenz zum siebzigsten Geburtstag, 1992, S. 525–542, S. 535–536; Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung – Vom Kulturgüterschutz zur internationalen kulturellen Kooperation, 1992, S. 159; Walter, Rückführung von Kulturgut im Internationalen Recht, 1988, S. 198–199, Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff., S. 63–64; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 68–69; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 315 ff.; Hanisch, Der Fall des Liotard und die nationale Zuordnung eines Kunstwerks, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 19–36, S. 31; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184; Reichelt, Die Vereinheitlichung des privatrechtlichen Kulturgüterschutzes nach dem UNIDROITVertragsentwurf 1990, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 67 ff., S. 73; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42– 44.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt Wahrung der Sorgfaltspflicht vom Erwerber die Einsicht in die Register gestohlenen Kulturgutes verlangt. Manche fordern daher, daß zumindest im Handel mit national wertvollem Kulturgut der Besuch von Ausstellungen über gestohlene Kulturgüter oder die regelmäßige Lektüre der Versteigerungskataloge großer Auktionshäuser zur Pflicht erklärt wird, um den Anforderungen an die Sorgfalt zu genügen.“ 320
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Fraglich ist, ob eine diesbezügliche Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs überhaupt mit der Terminologie der ‚grob fahrlässigen Unkenntnis‘ zu vereinbaren ist. Quack geht jedoch innerhalb des gutgläubigen Fahrniserwerbs zu Recht davon aus, dass zu den subjektiven Hinweiszeichen, die den durch Besitz begründeten Rechtsschein diminuieren, auch die Umstände der Person des Erwerbers zählen.321 Allgemein wird es somit für möglich gehalten, dass auch die soziale Gruppe, der der Erwerber angehört, ein wichtiges Kriterium zur Vermeidbarkeit einer Fehleinschätzung der Situation darstellt. Sie ist auch von Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob der Fehler in der konkreten Erwerbssituation ‚leicht‘ vermeidbar war und damit ‚grob fahrlässige Unkenntnis‘ hinsichtlich der Eigentumsposition des Veräußerers zu bejahen ist. Dementsprechend wird nicht nur für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr, sondern allgemein davon ausgegangen, dass an einen Kaufmann, einen Bankier, eine Pfandkreditanstalt oder einen Rechtsanwalt bei der Beurteilung der Situation strengere Anforderungen zu stellen sind als an einen einfachen Arbeiter, der keinerlei Erfahrungen in dem Gebiet des Kulturguterwerbs und Kunsthandels insgesamt aufzuweisen hat. Zur Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabs ist auch von Bedeutung, ob der Erwerber allgemein geschäftlich erfahren oder unerfahren ist. Bestimmen die Person und die soziale Stellung des Veräußerers die Erwerbssituation, so ist im Ergebnis durchaus bei Kaufleuten, Rechtsanwälten und fachlich spezialisierten Personen, bspw. Kunsthändlern, Kunstsammlern, Kunstgalerien, Versteigerungshäuser und Museen sowie sonstigen kulturellen Institutionen usw. die Person des Erwerbers als ein wichtiges Kriterium zur Vermeidbarkeit von Fehleinschätzungen von Bedeutung anzuerkennen und zusätzlich eine Subjektivierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs vorzunehmen.322 Diese allgemeinen Erwägungen finden auch innerhalb des kulturgüterspezifischen Schrifttums hinreichende Stütze. So betont bspw. Grell, dass der Sorgfaltsmaßstab „bei einem Erwerb mit dem Metier des Kunsthandels vertrauten Personen wie Galeristen, Händlern, Museen und ande-
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Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184, unter Rekurs auf Reichelt, Die Vereinheitlichung des privatrechtlichen Kulturgüterschutzes nach dem UNIDROIT-Vertragsentwurf 1990, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 67 ff., S. 73. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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ren Einrichtungen natürlich wegen der besonderen Fachkenntnisse höher anzusiedeln“ sei „als bei einem privaten Sammler, der mehr aus Liebe zur Kunst als aus kommerziellen Zwecken sich mit dem Kunsthandel abgibt.“323
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Möglichkeit eines variablen Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der notwendigen Provenienzrecherche
Richtigerweise sollte vor dem Hintergrund der Vorgaben der deutschen Rechtsordnung innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs von variablen Sorgfaltsanforderungen ausgegangen werden, die nicht nur eine situationsbedingte, sondern auch subjektivierte und an den konkret beteiligten Personen ausgerichtete Determination des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb von Kunstwerken im Einzelfall vornehmen. Dabei sind nicht nur sämtliche tatsächlichen Kriterien, die innerhalb der deutschen Rechtsordnung eine Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen begründen bzw. signifikant auf das Nichteigentum des Veräußerers hinweisen, mit in die richtige Taxierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs des Erwerbers einzubeziehen, sondern auch die subjektiven, speziell in der Person des Erwerbers liegenden Fähigkeiten, sodass sich für jeden Einzelfall die Frage nach der Einhaltung des jeweiligen Sorgfaltsmaßstabs stellt. Diese verschiedenen Dimensionen gesteigerter Aufmerksamkeitsmomente bis hin zur nur äußerst selten zu verlangenden Akribie in der Bestimmung der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers durch den gutgläubigen Erwerber lässt sich am besten exemplarisch nachvollziehen.
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Ist ein Ausnahmefall der Provenienzerforschungsobliegenheit eines Erwerbers kultureller Güter anzunehmen, so wird auf der Grundlage der gesetzlichen Interessenwertung und unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Abweichung von dieser am ehesten rechtfertigen lassen, dass der Erwerber zurückfragt oder sich ausdrücklich Eigentum versichern lässt, seltener schon, dass er die Vorlage von Beweismitteln verlangt und nur ganz ausnahmsweise, dass er selbst nachforscht.324 Beim Erwerb kulturell unbedeutender und materiell nicht sonderlich wertvoller Kunstwerke durch eine im Kunsthandel unbedarfte Privatperson genügt in aller Regel der Rechtsschein des Besitzes zur Begründung der Gutgläubigkeit. Der Kauf von kulturell und materiell weniger bedeutenden Antiquitäten auf dem Flohmarkt bleibt dementsprechend weiterhin möglich! Zu verlangen ist aber beim Erwerb kultureller Wertgegenstände auch durch im Kunsthandel Unbedarfte, dass auch der Laie beim Veräußerer nach dessen Eigentumsposition rückfragt, sich über die Herkunft der Sache, die Dauer des Besitzes sowie den
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So Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Anlass der Veräußerung erkundigt und verlangt, dieser möge seine Eigentümerstellung ausdrücklich versichern. Dies belastet den Veräußerer immerhin bereits mit der Strafdrohung des § 263 StGB.325 Beim Versteigerungserwerb genügt es nach Ansicht Grells in der Regel, „wenn der Ersteher sich vom Auktionator die Eigentumsverhältnisse so darlegen lässt, dass eine Plausibilitätskontrolle möglich ist.“ 326 165
Im Gegensatz hierzu wird bei der Akquisition desselben kulturell eher weniger bedeutsamen und nicht so wertvollen Kulturguts durch eine professionell im Kunsthandel tätige Person der notwendige Sorgfaltsmaßstab nur bei Vorliegen einer Plausibilitätskontrolle innerhalb der Datenbanken unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gewahrt sein. Diese Belastung der im Kunstgewerbe beteiligten Kreise wird zugunsten eines weiterreichenden Kulturgüterschutzes damit gerechtfertigt, dass es dem im Kunsthandel beteiligten Personkreis als durchaus zumutbar auferlegt wird, die inzwischen hoch sensibilisierten und präzisierten Informationspools illegal transferierter Kulturgüter zu kontaktieren, die ohne großen finanziellen, personalen und temporären Aufwand eine weitreichende Dokumentation des unrechtmäßigen Kulturgüterverkehrs nahezu weltweit übernommen haben.327
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Andererseits ist aber auch von einem im Kunsthandel unbedarften Laien eine solche Plausibilitätskontrolle als Mindestvoraussetzung zu verlangen, wenn das Kaufobjekt kulturell besonders bedeutsam bzw. wertvoll ist.328 Auch für einen im Kunsthandel unerfahrenen Laien und Privatsammler stellt es keine Überforderung dar, bei dem Erwerb kulturell bedeutsamer und außergewöhnlich wertvoller Kulturgüter (bspw. unter verdächtigen Umständen, bei einem gegenüber dem Marktwert zu geringen Kaufpreis von einem unbekannten Veräußerer) etwa die deutsche Bundespolizei, Interpol oder einen kulturellen Ursprungsstaat (vielleicht über die in Deutschland ansässige Botschaft) zu kontaktieren, um (nur) eine Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenposition des Erwerbers zu erreichen. Selbstredend sind hier die Grenzen nicht eindeutig zu ziehen, jedoch durch den Richter im Einzelfall anhand der berück325
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Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 318. So auch Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1445: „Bei wertvolleren Kunstgegenständen wird man vom Erwerber inzwischen auch verlangen können, dass er bei einer der international tätigen Vereinigungen anfragt, ob das Kunstwerk dort als gestohlen registriert ist. Auch Art. 4 IV des Unidroit-Übereinkommens von 1995 will als Indiz würdigen, „ob der Besitzer in einem zugänglichen Verzeichnis gestohlener Gegenstände nachgeschlagen hat, das er angemessenerweise hätte zu Rate ziehen können“.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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sichtigungsfähigen Kriterien nicht zu schwer zu bestimmen. Insgesamt fordert das Schrifttum diesbezüglich jedoch einen strengen Maßstab.329 Für professionell im Kunsthandel tätige Personen genügt bei dem Erwerb solcher kulturell bedeutsamen bzw. wertvollen Objekte die alleinige Prüfung der im Internet zugänglichen Datenbanken zur Begründung der Gutgläubigkeit dementsprechend ohne Zweifel nicht mehr. Für Galeristen, Kunsthändler, Auktionshäuser, Museen und sonstige kulturellen Institutionen stehen (relativ leicht zugängliche) weitergehende Möglichkeiten zur Verifizierung der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers offen. So können bspw. zusätzliche Informationen innerhalb der Provenienzerforschungsbemühungen in Werksverzeichnissen von Künstlern 330 und Bestandsverzeichnissen von Museen und kulturellen Institutionen gewonnen werden, es müssen – in verhältnismäßigem Umfang, sodass die Informationskosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert des Kulturguts stehen 331 – intern institutionelle Mühen zur Provenienzerforschung im Generellen aufgewendet und extern Experten zu Rate gezogen werden, wenn die eigenen Möglichkeiten den Verdacht nicht entkräften können. Nur vor dem Hintergrund dieser variablen Bestimmung der notwendigen Sorgfaltsanforderung scheinen die Erwerbsinteressen gutgläubiger Erwerber und die Bestandswahrungsinteressen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter tariert, materiell-rechtlich harmonisch und ausgewogen.
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Es gilt somit Folgendes: Ein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ist aufgrund der ‚grob fahrlässigen Unkenntnis‘ des Erwerbers vom
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Dafür auch allg. Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 159; Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 222; Hanisch, Der Fall des Liotard und die nationale Zuordnung eines Kunstwerks, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 19–36, S. 36; Spinellis, Das Vertrags- und Sachenrecht des internationalen Kunsthandels – zugleich ein Beitrag zur Bedeutung der Eingriffsnormen im heutigen internationalen Rechtsverkehr, 2000, S. 426 ff.; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff., S. 64; Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz – Eingriffsnormen und der internationale Kunsthandel, in: Pfister/Will, Festschrift für Werner Lorenz zum siebzigsten Geburtstag, 1992, S. 525–542, S. 536; Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2556; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 315 ff.; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Bei wichtigen Werken ist jedenfalls eine Überprüfung anhand der Verzeichnisse gestohlener Kunst erforderlich. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. So Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Nichteigentum des Veräußerers dann ausgeschlossen, wenn der Rechtsschein des Besitzes in der konkreten Veräußerungssituation entweder durch signifikante Hinweise oder durch das Unterlassen gebotener Nachforschungen bei genereller Nachforschungspflicht innerhalb des Kunsthandels oder bei konkreten Zweifeln an der Eigentümerstellung eliminiert wurde. Auch wenn nach Rechtseinschätzung Wiegands für die Beurteilung der ‚grob fahrlässigen Unkenntnis‘ des Erwerbers „verallgemeinerungsfähige Gesichtspunkte nicht entwickelt werden können“ 332,333 so sind in der (hauptsächlich) kulturgüterunspezifischen Rechtsprechung durchaus Kriterien deutlich geworden, die – wie auch die Kritiker solcher Kriterienkataloge zugeben müssen – „eine Art ,,Checkliste“ für den Rechtsanwender“ bilden, eine „Zusammenstellung von Fallgruppen“ erkennen lassen und als gemeinsamer Nenner den Schluss erlauben, dass grobe Fahrlässigkeit immer dann zu bejahen ist, „wenn der an sich von der Übergabe ausgehende Rechtsschein durch andere Elemente zerstört oder überlagert wird“.334 So hat bspw. Quack in seiner Kommentierung des gutgläubigen Erwerbs nach § 932 BGB einen kulturgüterunspezifischen Kriterienkatalog für die Beurteilung der Bösgläubigkeit beim gutgläubigen Fahrniserwerb erstellt, auf dessen Grundlage hier zur Beurteilung der ‚grob fahrlässigen Unkenntnis‘ des Erwerbers über das Nichteigentum des Veräußerers nach unrechtmäßiger Entziehung kultureller Güter in modifizierter (d.h. kulturgüterspezifischer) Form zurückzugreifen ist. Wird bei einer summarischen Prüfung dieses nicht abschließenden Kriterienkatalogs deutlich, dass signifikante Hinweise im Rahmen der Veräußerung eines Kulturguts auf die Nichtberechtigung des Veräußerers hindeuten oder solche Zweifel an dessen Eigentum begründen, dass nur weitere Nachforschungen seitens des Erwerbers diese ausräumen können, ist es zulässig, die in § 1006 BGB normierte Eigentumsvermutung aufgrund der Besitzstellung des Veräußerers als widerlegt zu betrachten und bei Nichtbeachtung dieser Anzeichen seitens des Erwerbers aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis des Nichteigentums des Veräußerers einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu erlauben. Zur ausführlichen Diskussion dieser Hinweiszeichen ist auf die rechtsvergleichende Darstellung spezieller Indizien der Bösgläubigkeit beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr zu verweisen.
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Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 53–54. Auch nach Rechtsansicht von Kunze existieren keine zu verallgemeinernden Richtlinien und es ist jeweils auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere auf die Veräußerungssituation, abzustellen, vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 53–54.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
3.
Praktisch bedeutsam: Beweislastverteilung in Restitutionsansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Jede nationale Ausgestaltung eines Gutglaubenserwerbs und die unterschiedlichen Möglichkeiten der Interessenwahrung gutgläubiger Erwerber und ursprünglicher Eigentümer bleiben ein theoretisches Gedankenkonstrukt, wird keine faire Risikoverteilung der Gefahren der Beweislast erreicht. Die Frage der Beweislastverteilung hat eine nicht zu unterschätzende praktische Bedeutung innerhalb der zivilrechtlichen Resolutionsmethoden zur Regulation des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs.335 Grundsätzlich ist eine Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vom Nichtberechtigten in der deutschen Rechtsordnung nur bei Redlichkeit des Erwerbers möglich. Der Eigentümer, der den Rechtserwerb angreift und bestreitet, hat in der Regel die Unredlichkeit zu beweisen (vgl. die ausdrückliche Formulierung in § 932 Abs. 1 S. 1 BGB: „es sei denn, dass … “).336 Damit befindet sich die deutsche Rechtsordnung im Einklang mit zahlreichen weiteren europäischen Zivilrechtsregeln, da sich derartige Gutglaubensvermutungen zugunsten des Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei internationaler Rechtsvergleichung bspw. in Art. 2268 des französischen Code civile, in Art. 3 des schweizerischen ZGB, in Art. 2002 des niederländischen B.W., in Art. 1147 des italienischen Codice civile sowie in Art. 434 des spanischen Código civil wiederfinden. Diese Grundregel beruht nicht auf Wahrscheinlichkeitserwägungen, sondern dient nach allgemeinem Verständnis dem Vertrauensschutz des Erwerbers. Demzufolge hat im Grundsatz der die Restitution beantragende (ursprüngliche) Eigentümer eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts die Bösgläubigkeit des Erwerbers zu beweisen und es wird die Gutgläubigkeit des Erwerbers vermutet.337
a)
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Prüfungsschema der Beweislast (Teil 1)
Daraus ergibt sich folgendes Prüfungsschema der Beweislast (Teil 1): Der Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter hat innerhalb der deutschen Rechtsordnung grundsätzlich wie bei der gewöhnlichen Übereignung nach § 929 BGB die Erwerbsvoraussetzungen zu beweisen. Wenn der ursprüngliche Eigentümer und Anspruchsteller in einem Restitutionsverfahren zur Rückführung seiner unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter den Eigentumserwerb jedoch bestreitet, muss dieser beweisen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer und der Erwerber bei der Akquisition der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter nicht in gutem 335
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Vgl. Fechner, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Eine Einführung, in: Fechner/Oppermann/Prott, Prinzipien des Kulturgüterschutzes – Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 11–46, S. 45; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 405–406. Vgl. bspw. m.w.N. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, S. 602–605. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 405–406.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Glauben war.338 Der potentiell Restitutionsberechtigte müsste somit die Bösgläubigkeit des Restitutionsschuldners beim Erwerb beweisen – ein regelmäßig vergebliches Unternehmen! Eine besondere Schwierigkeit innerhalb der Geltendmachung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter stellt bereits seit jeher die Feststellung der zutreffenden Tatsachen dar. Auch wenn Kulturgütern aufgrund der Individualität grundsätzlich jedes einzelnen Werkes gleich einem Stammbaum bei Personen theoretisch eine eigenständige charakteristische Provenienz zugewiesen werden kann, stellte die detaillierte Erforschung des Verbleibs schon vor einem längeren Zeitpunkt unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die korrekte sachenrechtliche Zuordnung unrechtmäßig transferierter Kulturgüter eines der Hauptprobleme auf Seiten der de lege lata beweispflichtigen, die Restitution anstrebenden (ursprünglichen) Eigentümer dar. In zahlreichen Situationen konnten die Anspruchsteller jedoch die korrekte Eigentumslage nicht mit einhundertprozentiger Sicherheit bestimmen, sodass bei Unaufklärbarkeit der Eigentumsposition als beweiserhebliche Tatsache der die Restitution betreibende Kläger diesen Nachteil zu tragen hatte und somit die Rückführung von zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern ausgeschlossen war.
b)
Forderung nach einer gesetzlichen Umkehr der Beweislast im Kunsthandel innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsliteratur
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Deshalb wird für einen effektiven Kulturgüterschutz im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr de lege ferenda zulasten des Kulturgüterverkehrs (auch) für die deutsche Rechtsordnung und die Regeln des gutgläubigen Fahrniserwerbs mit Kulturgütern innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik regelmäßig verlangt, dass für die Akquisition kultureller Wertgegenstände eine gesetzliche Unredlichkeitsvermutung einzuführen sei.339 In Umkehrung der geltenden Beweislastregeln sei dem Erwerber die Beweispflicht für seine Gutgläubigkeit aufzuerlegen und ein Erwerber grundsätzlich unter Generalverdacht zu stellen.340
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Regelmäßig wird dabei darauf hingewiesen, dass der (inter-)nationale Kunstmarkt insgesamt, aber auch die einzelnen kulturellen Transaktionen von einem ‚geheimnisvollen Schleier‘ der Verschwiegenheit umhüllt werden. Selbst Museen in staatlicher Trägerschaft suchten in Einzelfällen, die Herkunft ihrer Neuerwer338
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340
Dies ist heute unbestritten und als geltendes Recht zu bezeichnen, vgl.: BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 05.10.1981, Az: VIII ZR 235/80, NJW 1982, S. 38–39, WM 1981, 1272–1273. Vgl. einleitend hierzu Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1442. So bspw. Garro, The Recovery of Stolen Art Objects from Bona Fide Purchasers, in: Lalive, International Sales of Works of Art – Volume I – Geneva Workshop 11–13 April 1985, 1988, S. 514.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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bungen zu verschleiern und nicht zu offenbaren. Nicht selten erfolgte dies auch deshalb, um dem öffentlichen Bewusstsein zu verschweigen, dass (meist archäologische) Kulturgüter, die aus kulturellen Ursprungsstaaten widerrechtlich ausgeführt wurden (d.h. unter Verstoß gegen die Ausfuhrkontrollvorschriften der nationalen Kulturgüterschutzgesetze), im Inland von Museen und ähnlichen Einrichtungen erworben wurden. Auch Kunsthändler und Galeristen führen teilweise noch heute kulturelle Transaktionen außerhalb jeglicher Publizität: “Art deals are frequently shrouded in secrecy. Nonchalance concerning a piece’s provenance or history, facilitates the attitude among some dealers and buyers that a piece’s origins do not matter. Covert transactions and a complex web of international laws effectively blur the boundaries between legitimate and illegitimate transactions. Trails of stolen art are obscured by their easy movement. The wall of silence maintained in the world of art dealers creates a perfect haven in which the less scrupulous can sell their wares.” 341 Kunsthändler und -galerien sind ebenso zurückhaltend in der Preisgabe näherer Informationen über Veräußerer und Erwerber kultureller Wertgegenstände und den Fundort sowie die Angabe des kulturellen Ursprungsstaates wie auch über die gehandelten Objekte selbst, sodass im internationalen Kulturgüterverkehr eine Atmosphäre der Verschwiegenheit und Heimlichkeit zu konstatieren ist. Diesem ‚geheimen Schleier‘ der Verschwiegenheit aller im Kunstmarkt Beteiligten werde bei Einführung einer Beweislastumkehr effektiv begegnet: Sowohl die professionell als auch laienhaft im (inter-)nationalen Kunsthandel Tätigen müssten bei einer Beweislastumkehr dafür Sorge tragen, ihre Redlichkeit beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch vor Gericht darlegen und beweisen zu können. Dabei sprächen auch praktische Erwägungen für eine Beweislastumkehr besonders im Kunsthandel als traditionell ‚heimlicher‘ Geschäftsbereich: In der Regel kann der Erwerber nämlich viel leichter seine Gutgläubigkeit beweisen, als dem ursprünglichen Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter der Nachweis der Bösgläubigkeit des Erwerbers gelingt. Darüber hinaus findet die Umkehr der Beweislast in der empirischen Wirklichkeit ihre Rechtfertigung. Führt man sich die Einschätzung zahlreicher Praktiker vor Augen, dass bspw. die weit überwiegende Zahl – es wird regelmäßig von mehr als 80–90 % gesprochen – aller archäologischen Artefakte in den bedeutendsten Museen der Welt aus illegalen Raubgrabungen erworben wurden, erscheine es nach Ansicht der Literatur dringend geboten, dass der Gesetzgeber durch die Einführung einer Unredlichkeitsvermutung aus kulturpolitischen Gründen auf die Erwerbsmentalität im Kunsthandel per Gesetz eingreift. Nach der Einschätzung eines ehemaligen Direktors des Metropolitan Museum in New York, „almost every antiquity that
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Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 492.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
has arrived in America in the past ten to twenty years has broken the laws of the country from which it came“342. In diesem Sinne vermutete auch Blass in seinen schon im Jahre 1978 getätigten Untersuchungen über restliche Restriktionen des Zugangs der Vereinigten Staaten zu ausländischen Kulturgütern, dass die überwiegende Zahl sämtlicher archäologischer Artefakte 343, die auf dem Territorium der Vereinigten Staaten von Amerika zum Kauf angeboten werden, von ihrem Ursprungs- bzw. Herkunftsstaat illegal transferiert wurden.344 Somit könne insbesondere der illegale Kunsthandel mit archäologischen Objekten exemplarisch zur Verdeutlichung der Behauptung dienen, dass eine generelle Vermutung der Bösgläubigkeit der Realität im Kunstmarkt entspricht.345 174
Allgemein formuliert Hipp die Forderung nach einer Beweislastumkehr und platziert damit die praktisch häufig drohende Gefahr, dass weder der Erwerber seine Gutgläubigkeit noch der (ursprüngliche) Eigentümer dessen Bösgläubigkeit beweisen kann, auf Seiten der Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Der Vertrauensschutz der Erwerber habe bei Kulturgütern, deren Angebot bei einer Veräußerung in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Nachforschungsobliegenheit auf Seiten des Erwerbers auslöse, hinter das Bestandsinteresse des Eigentümers zurückzutreten. Der Eigentümer habe nach einer Beweislastumkehr daher lediglich diejenigen Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen die Obliegenheit zur Nachforschung hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenperson des Veräußerers auf Seiten des Erwerbers folge. Es sei dann Sache des Erwerbers zu beweisen, dass er bei der Akquisition des zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturguts nicht grob fahrlässig hinsichtlich der Nichtberechtigung des Veräußerers das Objekt erworben habe.346
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Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 377. Vgl. zu der Dimension und den desaströsen Auswirkungen des illegalen Transfers mit archäologischen Artefakten vertiefend die tatsächlichen Angaben bei Brodie, An Archaeologist’s View of the Trade in Unprovenanced Antiquities, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 52–63, S. 54–55. Blass, Legal Restrictions on American Access to Foreign Cultural Property, Fordham Law Review 46 (1978), S. 1177–1204, S. 1178. Vgl. für eine Beweislastumkehr auch Lalive, Sur le régime des objets d’art volés en droit international privé, in: Matscher/Seidl-Hohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 51–69, S. 65–66. So BGH, Entscheidung des 2. Zivilsenats vom 11.03.1991, Az: II ZR 88/90, NJW 1991, S. 1415 ff., S. 1416–1417 („Leitsatz: 1. Wird im Inland ein im Ausland zugelassenes gebrauchtes Kraftfahrzeug verkauft, dann hat sich der Käufer grundsätzlich die Kraftfahrzeugpapiere im Original (hier: italienische carta di circulazione mit dem zugehörigen foglio complementare) vorlegen zu lassen, um sich – notfalls unter Einschaltung eines sprachkundigen Fachmanns – darüber zu vergewissern, daß er nach dem Inhalt der ausländischen Papiere unbelastetes Eigentum erwerben kann.“). Vgl. auch Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 405–406.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
Bei Heuer und Müller-Katzenburg wird auch im Zusammenhang mit den im Zweiten Weltkrieg und aufgrund des nationalsozialistischen Unrechtsregimes unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern eine Beweislastumkehr gefordert.347 Besondere Härten in der Nachweisbarkeit tatsächlicher Umstände stellen sich insbesondere im Zusammenhang mit der Beutekunst, Raubkunst und entarteten Kunst, die nicht selten erst heute als solche identifiziert, von den (ursprünglichen) Eigentümern lokalisiert und aus dem Bestand der aktuellen Besitzer aufgrund der unrechtmäßigen Entziehung herausverlangt werden. In solchen Konstellationen war es aufgrund der Flucht oder der persönlichen Gefangennahme häufig schon den ursprünglichen Eigentümern unmöglich, die genauen Hintergründe der Entziehung, geschweige denn die weiteren kulturellen Transferbewegungen und die Gut- bzw. Bösgläubigkeit der Erwerber detailliert nachzuzeichnen. Viel schwieriger stellt sich die Situation jedoch noch bei dem Bestreben der Restitution dieser unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter durch die Rechtsnachfolger der oftmals in Konzentrationslagern ermordeten Juden und verfolgten Personengruppen dar. Nicht selten wussten die Rechtsnachfolger noch nicht einmal von der Zugehörigkeit dieses Kunstwerks zum Vermögen der Erblasser und können heute kaum noch die Einzelheiten eines möglicherweise schon viele Jahre zurückliegenden Verhaltens des Erwerbers nachzeichnen.
c)
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Faire Beweislastverteilung de lege lata bei Annahme einer Provenienzerforschung im internationalen Kunsthandel – Prüfungsschema der Beweislast (Teil 2)
Sämtliche rechtspolitischen Erwägungen, die als Argumente für eine gesetzliche Beweislastumkehr ins Feld geführt werden, sind zutreffend und einschränkungslos zu unterstützen. Es ist richtig, dass zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels, zur mittelbaren Implikation einer neuen ‚Kultur des Kulturguterwerbs‘ sowie zur stufenweisen Umsetzung neuer Verhaltensstandards und ethischer Erwerbsrichtlinien im Kunsthandel die Bösgläubigkeit vermutet werden und der Erwerber für den Nachweis seiner Gutgläubigkeit Vorsorge treffen muss. Zutreffend ist auch, dass dem ‚geheimen Schleier‘ der Verschwiegenheit aller im Kunstmarkt Beteiligten durch eine faire Risikoverteilung innerhalb der Beweislastregeln begegnet werden muss und sowohl die professionell als auch laienhaft im (inter-)nationalen Kunsthandel Tätigen dafür Sorge tragen müssen, ihre Redlichkeit beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch vor Gericht darlegen und beweisen zu können. Richtig sind auch die angeführten praktischen Erwägungen einer gesetzlichen Beweislastumkehr besonders im Kunsthandel als traditionell ‚heimlicher‘ Geschäftsbereich, da regelmäßig der Erwer-
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Vgl. Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2551; Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2558.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
ber sehr viel leichter seine Gutgläubigkeit beweisen kann, als dem ursprünglichen Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter der Nachweis der Bösgläubigkeit des Erwerbers gelingt. Uneingeschränkt zu befürworten ist des Weiteren, dass die Umkehr der Beweislast angesichts des immer steigenden Volumens des illegalen, internationalen Kunsthandels in der empirischen Wirklichkeit ihre Rechtfertigung findet. Schließlich ist völlig zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der Vertrauensschutz der Erwerber von Kulturgütern, deren Angebot bei einer Veräußerung in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Nachforschungsobliegenheit auf Seiten des Erwerbers auslöst, hinter das Bestandsinteresse des Eigentümers zurückzutreten hat. Dabei die Bösgläubigkeit des Erwerbers nachweisen zu müssen, könnte dementsprechend eine Aufgabe sein, die seitens der restitutionsberechtigten Anspruchsteller nicht zu erbringen ist, zumal diese in der Regel weniger Einblick in die Veräußerungskette besitzen als der Erwerber selbst. Dementsprechend wird auch im Bereich der Restitutionsverfahren nationalsozialistisch bedingter und durch den Zweiten Weltkrieg verursachter Kulturgutverluste zu Recht hinterfragt, ob das geltende System der Beweislast und die Unredlichkeitsvermutung des Erwerbers noch zu gerechten Ergebnissen führen, und regelmäßig eine spezialgesetzliche Umkehr der Beweislastregeln verlangt. 177
Obwohl sämtliche Erwägungen zutreffen, bedarf es bei richtigem Verständnis der Beweislastverteilung innerhalb der deutschen Zivilrechtsordnung keiner gesetzlichen Korrektur: Die Festschreibung einer generellen Nachforschungsobliegenheit gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im (inter-)nationalen Kunsthandel 348 hat zugleich auch Folgen für die Beweislast, muss sich ins Prozessrecht verlängern und darin ‚durchschlagen‘! Behauptet der den Erwerb bestreitende Eigentümer, dass Seiten des gutgläubigen Erwerbers grobe Fahrlässigkeit infolge der Nichtbeachtung einer Erkundigungsobliegenheit vorliegt, so hat nach richtigem Verständnis der geltenden Beweislastregeln der Eigentümer nur die tatsächlichen Umstände zu beweisen, aus denen sich die Verantwortung und Notwendigkeit des Erwerbers zu Nachforschungen ergeben.349 In den Fällen, in denen nach der Sachlage eine Erkundigungs-, Überprüfungs- oder Nachforschungspflicht besteht, spricht schon nach der geltenden Gesetzeslage eine tatsächliche Vermutung für die grobe Fahrlässigkeit des Erwerbers. „Zum Nachweis der groben Fahrlässigkeit des Erwerbers sind die Umstände darzulegen und ggf zu beweisen, aus denen sich die Erkundigungspflicht des Erwerbers ergibt. Es ist dann dessen Sache zu beweisen, daß er geeignete Erkundigungen
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Soweit noch zustimmend Jauernig in Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, § 932, Rdnr. 17: „Nachprüfung auch erforderlich bei Erwerb wertvoller Sachen (zB Teppich, Gemälde, Schmuck) von Privaten …“. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 105.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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eingezogen hat.“350 Insoweit ist diese Einschätzung auch unumstritten, und wird von der ständigen Rechtsprechung 351 und Lehre 352 geteilt. Das bedingt für den (inter-)nationalen Kunsthandel und die Frage der konkreten Beweislastverteilung das folgende Prüfungsschema der Beweislast (Teil 2): Behauptet der ursprüngliche Eigentümer und Anspruchsteller der Restitutionsforderung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, dass der restitutionspflichtige Besitzer beim Erwerb grob fahrlässig handelte, weil er keine hinreichende Provenienzerforschung vorgenommen hat, hat der Eigentümer und Anspruchsteller nur die tatsächlichen Umstände zu beweisen, aus denen sich die Verantwortung und Notwendigkeit des Erwerbers zu Nachforschungen ergeben. Nach den obigen Ausführungen sind von gutgläubigen Erwerbern im (inter-)nationalen Kunsthandel jedoch regelmäßig Mindesterkundigungen über die Provenienz eines Kulturguts und die Berechtigtenposition des Veräußerers einzuholen. Nach richtigem Verständnis ist dabei von einem variablen Sorgfaltsprogramm auszugehen, das seitens der professionell im Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser eine plausible Provenienzerforschung erwartet, während ein laienhaft im Kunsthandel tätiger Privatsammler regelmäßig nur bei kulturell wie materiell bedeutsamen Objekten Mindesterkundigungen anzustellen hat (und somit ein Antiquitätenerwerb auf dem Flohmarkt weiterhin ohne Provenienzrecherche möglich bleibt). Da aber eine Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium immer mit in die Betrachtung einzufließen hat, ist in Einzelfällen auch beim Erwerb kulturell wie materiell unbedeutender Kulturgüter durch einen Privatsammler eine Mindesterkundigung über die Provenienz eines Kulturguts und die Berechtigtenposition des Veräußerers nicht ausgeschlossen. Weil somit im Grundsatz innerhalb der deutschen Sachenrechtsordnung generell von einer Provenienzerforschung im Kunsthandel auszugehen ist, hat ein Erwerber innerhalb eines gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei Geltung der deutschen Zivilrechtsordnung dann zu beweisen, dass er bei der Akquisition angemessene Maßnahmen zur Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts getroffen und Mindesterkundigungen über die Berechtigtenposition des Veräußerers eingeholt hat.
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Baumgärtel in Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht – Band: 2: BGB Sachen-, Familien- und Erbrecht, 1985, § 932, Rdnr. 4–5. Soweit wohl auch noch Jauernig in Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. 2007, § 932, Rdnr. 17, jedoch nicht ganz deutlich. BGH, Entscheidung des 2. Zivilsenats vom 13.04.1994, Az: II ZR 196/93, NJW 1994, S. 2022–2024; unter Rekurs auf: BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 04.05.1977, Az: VIII ZR 3/76, BGHZ 68, 323–331, NJW 1977, S. 1240–1242. Vgl. jeweils m.w.N. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 105; Baumgärtel in Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht – Band: 2: BGB Sachen-, Familien- und Erbrecht, 1985, § 932, Rdnr. 4–5. Soweit wohl auch noch Jauernig in Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. 2007, § 932, Rdnr. 17, jedoch nicht ganz deutlich.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Umstritten ist innerhalb der Frage der Beweislastverteilung allein, ob dem gutgläubigen Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in diesen Fallkonstellationen der Gegenbeweis dafür offensteht, dass er auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt den unrechtmäßigen Entziehungsakt des Kulturguts, die Nichtberechtigung des Veräußerers und den wahren berechtigten Eigentümer nicht hätte erkennen können. Ein Teil der Literatur353 ist hier der Rechtsansicht, dass eine „Informationspflicht nicht Selbstzweck“354 sei, sondern nur dazu diene, die wahre Eigentumslage zu ermitteln. Schon zu Zeiten des Reichsgerichts 355 war die Rechtsprechung jedoch der gegenteiligen Auffassung und bestimmte, dass der Eigentumserwerb ohne Rücksicht darauf scheitert, ob eventuelle Erkundigungen zur Aufklärung der wahren Rechtslage geführt hätten. Die Gegenansicht verkennt die Funktion und die Rechtsnatur der Erkundigungsobliegenheit im systematischen Verständnis des gutgläubigen Erwerbs, in dem eine Regulation eines typisiert gefahranfälligen Geschäftsbereich erfolgt und den empirischen Gegebenheiten angepasst wird.356 Kann der gutgläubige Erwerber somit den Beweis, dass er bei der Akquisition angemessene Maßnahmen zur Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts getroffen und Mindesterkundigungen über die Berechtigtenposition des Veräußerers eingeholt hat, nicht führen, so scheitert der Eigentumserwerb ohne Rücksicht darauf, ob eventuelle Erkundigungen zur Aufklärung der wahren Rechtslage geführt hätten.357 Damit tritt innerhalb der Beweislastverteilung de lege lata der Vertrauensschutz der Erwerber bei Kulturgütern im Grundsatz hinter das Bestandsinteresse der Eigentümer zurück und der Anspruchsteller einer Restitutionsforderung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter hat nach der geltenden Gesetzeslage in kulturellen Restitutionsfällen lediglich diejenigen Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen die Notwendigkeit zu Provenienzerforschung hinsichtlich des Kulturguts und die Nach353
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Jauernig in Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. 2007, § 932, Rdnr. 17. Ihm folgend Baumgärtel in Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht – Band: 2: BGB Sachen-, Familien- und Erbrecht, 1985, § 932, Rdnr. 7; Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht: die Schwierigkeiten der Beweislastverteilung und die Möglichkeiten ihrer Überwindung, 1996, Rdnrn. 161, 169; Schilken in Ring/Grziwotz/Keukenschrijver/Bülow/Lemke/Plehwe, Anwaltkommentar BGB – Sachenrecht (Band 3), 2004, § 932, Rdnr. 44. Jauernig in Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. 2007, § 932, Rdnr. 17. „Stets entscheiden die gesamten Umstände des Einzelfalls. Bösgläubigkeit scheidet aus, wenn die gebotenen Nachforschungen zwar unterblieben sind, aber einwandfrei feststeht (Beweislast beim Erwerber), daß sie nicht das Nichteigentum des Veräußerers ergeben hätten; denn die Informatiospflicht ist nicht Selbstzweck, sondern basiert auf der Möglichkeit, zum Schutz des Eigentümers die wahre Rechtslage ermitteln zu können … . Die Gegenansicht … verkennt … , dass die Unkenntnis „infolge grober Fahrlässigkeit“, also aufgrund einer (schuldhaften) Verletzung der Informationspflicht, bestehen muß, hier aber eine „Information“ die Unkenntnis nicht beseitigt hätte.“. Ständige Rechtsprechung seit RGZ 134, 14, S. 19; RGZ 147, 321, S. 331. Vgl. aus der Literatur so auch Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 105. Ständige Rechtsprechung seit RGZ 134, 14, S. 19; RGZ 147, 321, S. 331.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
431
forschungsobliegenheit hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenperson des Veräußerers folgen. Eine faire Risikoverteilung ohne die Notwendigkeit eines Eingriffs des Gesetzgebers!
d)
Tatsächliche Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren illegal exportierter Kulturgüter
Während gutgläubige Erwerber in kulturellen Restitutionsstreitigkeiten regelmäßig die Voraussetzungen der Eigentumsübertragung und angemessene Maßnahmen zur Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts und Mindesterkundigungen über die Berechtigtenposition des Veräußerers nachweisen müssen, haben die anspruchstellenden Eigentümer vornehmlich damit zu kämpfen, ihre Eigentümerstellung und Rechtsposition vor Gericht darzulegen und zu beweisen, dass der Kulturgutverlust keine Auswirkungen auf ihre ursprüngliche Rechtsposition zeitigte. Relativ einfach stellt sich dies bei gestohlenen Kunstwerken, wie bspw. Gemälden dar. Hier ist regelmäßig leicht ein Beleg für die Eigentumsposition zu finden und der kulturelle Diebstahl hat selbstredend keinen Eigentumsverlust zur Folge. Wesentlich schwieriger wird dieses Unterfangen jedoch schon bei dem Nachweis kultureller Ursprungsstaaten, dass bspw. archäologische Objekte aus ihrem Territorium stammen, durch sog. umbrella statutes bzw. sog. automatic forfeiture clauses oder rhetorical ownership statutes noch innerhalb des Machtbereichs des kulturellen Ursprungsstaates zu Staatseigentum designiert und anschließend unrechtmäßig ausgeführt wurden. Dies wurde bereits beispielhaft anhand des Rechtsstreits Republic of Lebanon v. Sotheby’s 358 dargestellt. Bei dem sog. Sevso-Schatz handelt es sich um eine Kollektion von vierzehn römischen Silberantiken aus dem vierten oder fünften Jahrhundert mit einem Schätzwert zwischen US-$ 70 und 100 Millionen 359, deren Bestand angeblich auf dem Gebiet des heutigen Libanons ausgegraben wurde.360 Nach Erhebung der Resti358
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360
Republic of Lebanon v. Sotheby’s, 167 A.D. 2d 142, 561 N.Y.S. 2d 566 (Sup. Ct. 1990); sub. nom., Republic of Croatia v. Trustees of the Marquess of Northhampton 1987 Settlement, 610 N.Y.S.2d 262 (1994); motion for appeal denied, 618 N.Y.S.2d 6 (1994). Lenzner, The Illicit International Trade in Cultural Property: Does the UNIDROIT Convention Provide an Effective Remedy for the Shortcomings of the UNESCO Convention?, Journal of International Business Law 15 (1994), S. 469–507, S. 470–471. Vgl. Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 400; Church, Evaluating the Effectiveness of Foreign Laws on National Ownership of Cultural Property in U.S. Courts, Columbia Journal of Transnational Law, Volume 30 (1992), S. 180–229, Fn. 175, S. 214; Fischer, Ein Kampf um Seuso, FAZ, Artikel vom 8.1.1994, S. 31; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 170; Lenzner, The Illicit International Trade in Cultural Property: Does the UNIDROIT Convention Provide an Effective Remedy for the Shortcomings of the UNESCO Convention?, Journal of International Business Law 15 (1994), S. 469–507, S. 469–477; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 193–194.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
tutionsklage durch den Libanon schlossen sich jedoch sowohl das ehemalige Jugoslawien bzw. in der Folge Kroatien361 als auch Ungarn der Klage gegen Sotheby’s an und behaupteten ihrerseits, dass der wertvolle Sevso-Schatz auf ihrem Staatsgebiet ausgegraben worden und daher entsprechend dem jeweiligen nationalen Recht ihr Staatseigentum sei. Letztlich konnte aber keiner der Anspruchsteller den erforderlichen Beweis – „[i]n order to prove ownership, a country must prove that the items in question were excavated on its soil“ 362 – dafür erbringen, dass der Silberschatz gerade auf seinem Staatsgebiet ausgegraben worden war, sodass das New Yorker Gericht den Sevso-Schatz dem aktuellen Inhaber der Sachherrschaft, der Treuhänderschaft Marquess of Northampton Settlement, zusprach.363
e)
Tatsächliche Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren gestohlener Kulturgüter
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Das eben Gesagte gilt entsprechend bei Klagen auf Restitution gestohlener Kulturgüter. Dies wird in der sog. Filzanzug-Fallkonstellation ersichtlich.364 Darin wird um den sog. ‚Filzanzug‘ des Düsseldorfer Künstlers Joseph Beuys gestritten, der vor ca. 20 Jahren aus einer Privatwohnung in Haltern bei Münster gestohlen wurde. Im Jahre 2006 wurde das Kunstwerk in einer Düsseldorfer Kunsthandlung zu einem Verkaufspreis i.H.v. 64.000 Euro zum Verkauf angeboten worden. Nach einem Hinweis eines Bekannten des früheren Eigentümers beschlagnahmte die Polizei die Beuys-Arbeit. Da der Künstler 100 solcher Filzanzüge geschneidert hatte, bestand Unsicherheit über den Eigentümer und die Herkunft des Anzuges, sodass die Frage der sachlichen Zuordnung des Objektes offen war.365
182
Auf das beschlagnahmte Objekt mit der Nummer 18 erhoben zwei Personen Anspruch: Ein Privatsammler aus Mönchengladbach sowie ein Schüler von Beuys. Nachdem der letztgenannte den Anzug direkt vom Künstler für 1.200 Mark erworben hatte, war er im Jahre 1988 aus der Privatwohnung des heute 58-Jähri361
362
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Vgl. Republic of Croatia v. The Trustee of the Marquess of Northampton 1987, Settlement 203 AD 2d 167, 610 NYS 2d 263 (Dept. 1994). Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 403. Zum Sachverhalt Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 400; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 193–194; Lenzner, The Illicit International Trade in Cultural Property: Does the UNIDROIT Convention Provide an Effective Remedy for the Shortcomings of the UNESCO Convention?, Journal of International Business Law 15 (1994), S. 470–471. Vgl. zu den Sachverhaltsangaben: http://www.wdr.de/themen/kultur/bildende_kunst/beuys/ filzanzug_sichergestellt.jhtml. Vgl. zu den Sachverhaltsangaben: http://www.wdr.de/themen/kultur/bildende_kunst/beuys/ filzanzug_sichergestellt.jhtml.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
433
gen gestohlen worden. Nachdem der Dieb, ein Galerist, gefasst und verurteilt worden war, stellte sich heraus, dass dieser dem Anzug die Nummer 47 gegeben und ihn auf den Kunstmarkt gebracht hatte. Dort verlor sich die Spur. Der zweite Anspruchsteller war ein Privatsammler aus Mönchengladbach, der den ‚Filzanzug‘ offenbar im Jahre 1991 in einer Viersener Galerie für 86.000 Mark erstanden hatte und diesen im Jahre 2006 in einer Düsseldorfer Galerie weiterveräußern wollte. Dort entdeckte ihn ein Freund des Beuys-Schülers per Zufall. Nur derjenige, der seine Eigentümerstellung nachweisen kann, hat einen Anspruch auf Herausgabe der Arbeit. Ein Gutachter musste deshalb prüfen, ob es sich bei dem gefundenen Anzug um die umgeänderte Nummer 47 oder die ursprüngliche Nummer 18 handelt und wem das Kunstwerk rechtmäßig gehört.366
f)
Konkretisierung der Beweislastverteilung am Beispiel der Restitution nationalsozialistisch- und kriegsbedingter Kulturgutverluste
Besonders schwierig ist regelmäßig auch die Beweislastverteilung bei Restitutionsklagen mit dem Ziel der Rückführung von Beutekunst, Raubkunst und entarteter Kunst. Hier hat der (ursprüngliche) Eigentümer nicht nur seine ursprüngliche Eigentumsposition zu beweisen, sondern darüber hinaus schlüssig vor Gericht darzulegen, dass der Kulturgutverlust während der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft keinen Eigentumsverlust zur Folge hatte. Man kann sich leicht vorstellen, dass der Nachweis der Sittenwidrigkeit der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen bspw. des sog. kulturellen Fluchtguts und die speziellen Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit dieser Rechtsgeschäfte auf sog. Judenauktionen für die zur damaligen Zeit verfolgten (oftmals jüdischen) Bevölkerungskreise und deren Rechtsnachfolger heute, nach teilweise mehr als 70 Jahren nach dem Kulturgutverlust, nicht mehr einfach zu erbringen sind. Das erklärt verschiedene Ursachen für die Beweisschwierigkeiten der Antragsteller:
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“The adjudication of cultural property claims arising from armed conflict raises a whole set of evidentiary problems. A. War Conditions: The war conditions prevailing at the time of the loss or damage affect the availability and quality of the evidence. The large-scale destruction of infrastructure and records obviously impacts the ability of claimants to produce supporting evidence. With high levels of damage to housing, many of the documents and other items that could be used to substantiate claims are destroyed, lost or looted. Population displacement also has a distinct bearing on the production of supporting evidence. People who are forced to flee rarely succeed in securing the documents that could later be used to authenticate their losses. For possessions looted after their owners were sent to concentration camps, proving ownership will be a particularly difficult proposition. B. Lapse of Time: More than half a century has passed since World War II. This time lapse brings about a range of delicate evidentiary problems. Evidence which might easily have been obtained at the time is now lost or extremely difficult to collect. Many of
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366
Vgl. zu den Sachverhaltsangaben: http://www.wdr.de/themen/kultur/bildende_kunst/beuys/ filzanzug_sichergestellt.jhtml.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt those involved have died. First-hand information is becoming rare. Statements taken from witnesses such a long time after the event are not always fully credible. Claimants who have not been involved personally – e.g., heirs – may experience difficulties in piecing together a story that would have been so very familiar to their immediate forebears, making it difficult to embark on the collection or verification of evidence. C. Absence of Comprehensive Records: Unlike, for instance, real property, there is no central registry in which ownership rights over cultural assets are recorded. There is neither an inclusive repository of titles to cultural property, nor a law obliging parties to a transaction to record transfers of title. As a consequence, there is – even under the most favorable circumstances – relatively little certainty about the provenance of works of art. D. Claimants’ Access to Evidentiary Sources: Researching the many different records available is a particularly tedious, costly and time-consuming exercise, requiring expert skills and professional support. This raises two particular problems of inequality. First, when the proceeding involves an individual claimant and a governmental or other public institution, the individual party will clearly be in a disadvantageous position with regard to access to evidentiary sources. Second, while extensive evidence gathering may be a worthwhile option for wealthy claimants, the cost and complexities involved may be prohibitive for claimants who are less affluent. … H. The Socio-Economic Situation of the Claimant Population: The socio-economic situations of the claimants also have an impact upon the preparation of the claims and the quality of the evidence. Different levels of income, literacy and education may result in significant discrepancies in the quality of presentation of the claims and in the relevance and materiality of the evidence submitted. While this is true for all litigation, it is an especially pertinent consideration when adjudicating claims arising out of a war that has negatively affected the social and economic development of entire population groups.” 367
185
Für nationalsozialistisch- und kriegsbedingte Kulturgutverluste und deren Restitutionsforderungen hat jedoch seit Ende des Zweiten Weltkrieges ein diffiziles System wechselseitiger Vermutungen Eingang in die Beurteilung derartiger Kulturgutverluste gefunden, auf das sich heute die „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 und die hierzu erlassene Handreichung zur Umsetzung vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich gegenüber staatlichen Museen beziehen. Die Handreichung gibt dabei leitende Überlegungen zur Prüfung des verfolgungsbedingten Entzugs und zur Vorbereitung von Entscheidungen über Restitutionsbegehren vor, die aus der alliierten zonalen und bundesdeutschen Rückerstattungsgesetzgebung im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Wiedervereinigung sowie aus der deutschen wie alliierten Rückerstattungsrechtsprechung originieren. Auch außerhalb dieses Anwendungsbereichs sollte aus den genannten und noch zu verdeutlichenden Gründen diesem System wechselseitiger Darlegungs- und Ver-
367
Das, Claims for Looted Cultural Assets: Is There a Need for Specialized Rules of Evidence?, in: The International Bureau of the Permanent Court of Arbitration, Resolution of Cultural Property Disputes – Papers emanating from the seventh PCA International Law Seminar May 23, 2003, S. 197–199.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
435
mutungsregelungen in kulturellen Restitutionsstreitigkeiten um die oben genannten Kulturgutverluste gefolgt werden.
(1)
1. Schritt: Vermutung der Kollektivverfolgung
Zunächst ist in einem ersten Schritt der Beweislastverteilung festzustellen, dass der Antragsteller des kulturellen Restitutionsverlangens bzw. sein Rechtsvorgänger als Berechtigter eines kulturellen Verlustes anzusehen ist (dabei ist auch die Berechtigung bzw. Rechtsnachfolge vom Geschädigten auf den Anspruchsteller durch die Vorlage von Erbscheinen und Vollmachtsurkunden lückenlos zu belegen) und in der Zeit vom 30.01.1933 bis zum 08.05.1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurde.368 Innerhalb der Darlegung der individuellen, nationalsozialistischen Verfolgung spricht seit Erlass der Entscheidung des Obersten Rückerstattungsgerichtes in Berlin aus dem Jahre 1956 seit dem 30.01.1933 369 die Vermutung der Kollektivverfolgung.370
186
Besonders repräsentativ für die Beweislastverteilung innerhalb der alliierten Rückerstattungsgesetze und auch des bundesdeutschen Rückerstattungsrechts ist hier bspw. Art. 2 des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 371. Danach galten
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Vgl. die Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 29–30. Vgl. ORG (Oberstes Rückerstattungsgericht) Berlin, NJW/RzW 1956, S. 210. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 81–84. Art. 2 US-Militärregierungsgesetz Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947: Acts of Confiscation: 1. Property shall be considered confiscated within the provisions of this Law if the person entitled thereto has been deprived of it, or has failed to obtain it despite a well founded legal expectancy of acquisition, as the result of: a) A transaction contra bonos mores, threats or duress, or an unlawful taking or any other tort; b) Seizure due to a governmental act or by abuse of such act; c) Seizure as the result of measures taken by the NSDAP, its formations or affiliate organisations, provided the acts described in a) to c) were caused by or constituted measures of persecution for any of the reasons set forth in Article 1. 2. It shall not be permissible to plead that an act was not wrongful or contra bonos mores because it conformed with a prevailing ideology concerning discrimination against individuals on account of their race, religion, nationality, ideology or their political opposition to National Socialism. 3. Confiscation by a governmental act within the meaning of paragraph 1 b) shall be deemed to include, among other acts, sequestration, confiscation, forfeiture by order or operation of law, and transfer by order of the State or by a trustee appointed by the State. The forfeiture by virtue of a judgment of a criminal court shall also be considered a confiscation by a governmental act, if such judgment has been vacated by order of an appropriate court or by operation of law. 4. A judgment or order of a court, or of an administrative agency, which, although based on
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Vermögensgegenstände als entzogen, wenn ihr Inhaber 372 sie infolge eines gegen die guten Sitten verstoßenden Rechtsgeschäfts, einer Drohung, einer widerrechtlichen Wegnahme 373 oder sonstigen unerlaubten Handlung (Art. 2 Abs. 1 a)), einer Wegnahme durch Staatsakt (nach Art. 2 Abs. 4 S. 2 sind solche Entscheidungen oder Verfügungen als nichtig zu betrachten) oder infolge eines Missbrauchs eines solchen (Art. 2 Abs. 1 b)) oder einer Wegnahme durch Maßnahmen der NSDAP, ihrer Gliederungen oder angeschlossenen Verbände (Art. 2 Abs. 1 c)) eingebüßt hat, sofern diese Tatbestände durch Verfolgungsmaßnahmen verursacht waren oder solche Verfolgungsmaßnahmen darstellten, die sich gegen Personen richteten, die in der Zeit zwischen 1933 und 1945 aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der politischen Auffassung oder der politischen Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus verfolgt wurden.374
(2) 188
2. Schritt: Vermögensverlust durch Zwangsverkauf, Enteignung oder auf sonstige Weise
In einem zweiten Schritt der Beweislastverteilung ist festzustellen, ob im maßgeblichen Zeitraum ein Vermögensverlust durch Zwangsverkauf, Enteignung oder auf sonstige Weise erfolgte. Auch hier bestehen besondere Regeln der Beweislastverteilung hinsichtlich der Verfolgungsbedingtheit des Kulturgutverlustes.375 Innerhalb der Beweislastverteilung hat das alliierte und bundesdeutsche Rückerstattungsrecht ebenso wie die Rückerstattungsrechtsprechung eine Unterscheidung zwischen rechtsgeschäftlichen Vermögensverlusten und Verlusten auf-
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general provisions of law, was handed down solely or primarily with the purpose of injuring the party affected by it for any of the reasons set forth in Article 1 shall be deemed a specific instance of the abuse of a governmental act. The abuse of a governmental act shall also include the procurement of a judgment or of measures of execution by exploiting the circumstance that the opponent was, actually or by law, prevented from protecting his interests by virtue of his race, religion, nationality, ideology or his political opposition to National Socialism. The Restitution Authorities (Restitution Agency, Restitution Chamber and Oberlandesgericht) shall disregard any such judgment or order of a court or administrative agency whether or not it may otherwise be appealed or reopened under existing law. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 98–117, ergänzt, dass es nicht nötig war, dass der Verfolgte selbst ein Angehöriger der Rasse, Religion oder Nationalität sein musste, vgl. dazu auch den Entscheid des United States Courts, Bd. I, S. 37 in Sachen Riede v. Lederer. Vgl. United States Courts, Bd. VII, S. 25 ff., S. 28 in Sachen Meyer v. Neuheck; vgl. auch das Urteil des BGH vom 8.10.1953, Az: IV ZR 30/ 53, NJW 1953, S. 1909–1910. Vgl. auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 98–117. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 29–30.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
437
grund von Entziehungsmaßnahmen der Staatsgewalt vorgenommen.376 Die Beweislast der Verfolgungsbedingtheit von staatlichen Eingriffen und die Qualifikation des Abhandenkommens kultureller Wertgegenstände in Form der zwangsweisen Entziehung durch widerrechtliche Handlungen Einzelner und staatlichen Hoheitsakt zulasten des Antragstellers erschienen rechtlich unproblematisch und liegen bei Kenntnis der Pathologie des nationalsozialistischen Unrechtsregimes auf der Hand. Bei Kulturgutverlusten aufgrund eines Rechtsgeschäftes kann sich der Antragsteller auf die Vermutungsregelung berufen, dass Vermögensverluste von NS-Verfolgten im Verfolgungszeitraum ungerechtfertigte Entziehungen waren.377 Dabei geht es um die Wiedergutmachung in Fällen des Abhandenkommens kultureller Wertgegenstände in Form der formal ‚freiwilligen‘ Entziehung durch Rechtsgeschäfte und Veräußerungen der durch das nationalsozialistische Unrechtsregime verfolgten Eigentümer. Versuchte man in solchen Konstellationen ein Rechtswidrigkeitsverdikt der kulturellen Entziehung zu begründen, stieß man schnell auf das Problem, dass der (zumeist jüdische) Veräußerer eine der ‚Entziehung‘ zustimmende Willenserklärung abgegeben hat und musste somit zumindest den äußeren Schein, mit der Vermögenseinbuße einverstanden gewesen zu sein, gegen sich gelten lassen.378 Das einer Entziehung innewohnende Element des Zwanges war in solchen Konstellationen der Veräußerung kultureller Wertgegenstände ‚lediglich‘ der innere Beweggrund für den Abschluss des Rechtsgeschäfts, der schon ohnehin kaum einem Beweis zugänglich ist. Näherte man sich dieser Konstellation NS-verfolgungsbedingt veräußerter Kulturgüter (zumeist aus dem Eigentum und Besitz der jüdischen Bevölkerung Deutschlands und in den besetzten Gebieten) im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg aus rein praktischen Gesichtspunkten, musste die Tatsache in die Erwägungen miteinbezogen werden, dass „ein Beweis meist auch deshalb nicht zu führen sein wird, weil die Personen, die gewillt und imstande wären, die verwerfliche Vorgeschichte scheinbar einwandfreier Verträge aufzudecken, nicht mehr am Leben oder nicht zu ermitteln und das Geschäft betreffende Unterlagen vernichtet worden sind.“ 379
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Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 81–84. Vgl. ausdrücklich Art. 3 REAO (Anordnung BK/O [49] 180 der Alliierten Kommandantur Berlin). Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 3, Anm. 1, sich darauf beziehend auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85. Vgl. Werner, Zur Anwendung des Rückerstattungsgesetzes für die amerikanische Zone, NJW 1947/48, S. 539–543, S. 541; Korth,
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438
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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Es bestand jedoch im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg Einigkeit darüber, dass auch solche (kulturellen) Vermögensgüter zurückerstattet werden mussten, die nicht durch Konfiskation oder formlosen Gewaltakt, sondern äußerlich gesehen durch einen auf den ersten Blick freiwillig vereinbarten Vertrag im Wege der kulturellen Veräußerung entzogen wurden. Das ist selbstverständlich für ‚Verträge‘, die etwa ein staatlich bestellter Treuhänder im Namen eines Juden abschloss; ebenso sollten jedoch auch solche Verträge keine zivilrechtlichen Wirkungen entfalten, zu deren Abschluss durch die verhafteten Juden man 1935 bspw. Notare eigens in Konzentrationslager kommen ließ. Darüber hinaus musste der Grundsatz aber auch für die große Masse der Verträge gelten, die NS-verfolgte Personen abschlossen, als sie zwar noch scheinbar ‚freiwillig‘ handelten, aber, wie jedermann wusste, „in Wahrheit schon unter dem Kollektivdruck einer rechtlosen Verfolgung, einer immer deutlicher sich ankündigenden Austreibung und Ausraubung standen. Es sind also, kurz gesagt, im Grundsatz auch alle vertraglichen arisierten Objekte zurückzuerstatten.“ 380
191
Innerhalb der amerikanischen Besatzungszone widmete sich die Regelung des Art. 3 des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 der Konstellation der sog. ‚freiwilligen Entziehungstatbestände‘, d.h. (kultureller) Veräußerungen in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 von zum Kreis der verfolgten Personen zugehörigen Individuen, und deren besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten. Die Regelung bestimmt einen für die Nachkriegszeit angemessenen Ausgleich zwischen den primär schutzwürdigen Belangen der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und den Interessen der rechtstreuen Erwerber, die wirklich freiwillig getätigte Rechtsgeschäfte mit Personen aus dem NS-Verfolgtenkreis eingegangen waren. Nach Art. 3 Abs. 1 bestand bei Individual- oder Kollektivzwang (d.h. bei Zugehörigkeit zu einer in ihrer Gesamtheit verfolgten Gruppe) die gesetzliche (nach Abs. 2 i.V.m 3 widerlegbare) Vermutung der Entziehung nach Art. 2 des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947.381
192
Art. 3 US-Militärregierungsgesetz Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947: Presumption of Confiscation: 1. It shall he presumed in favour of any claimant that the following transactions entered into between 30 January 1933 and 8 May 1945 constitute acts of confiscation within the meaning of Article 2:
380
381
Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 377. Zusätzlich auch Werner, Die Rechtsprechung zum brit. REG im Vergleich zur Praxis des amerik. REG, NJW 1951, S. 503–506, S. 503–506. Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 361–362. Vgl. Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362; Werner, Zur Anwendung des Rückerstattungsgesetzes für die amerikanische Zone, NJW 1947/48, S. 539–543, S. 542.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
439
a) Any transfer or relinquishment of property made during a period of persecution by any person who was directly exposed to persecutory measures on any of the grounds set forth in Article 1; b) Any transfer or relinquishment of property made by a person who belonged to a class of persons which on any of the grounds set forth in Article 1 was to be eliminated in its entirety from the cultural and economic life of Germany by measures taken by the State or the NSDAP. 2. In the absence of other factors proving an act of confiscation within the meaning of Article 2, the presumptions set forth in paragraph 1 may be rebutted by showing that the transferor was paid a fair purchase price. Such evidence by itself shall not, however, rebut the presumptions if the transferor was denied the free right of disposal of the purchase price on any of the grounds set forth in Article 1. 3. A fair purchase price within the meaning of this Article shall mean the amount of money which a willing buyer would pay and a willing seller would take, taking into consideration, in the case of a commercial enterprise, the normal good will which such enterprise would have in the hands of a person not subject to persecutory measures referred to in Article 1.
Als „unter dem Druck des Nationalsozialismus zustandegekommen“ i.S.d. Art. 2 des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 galt ein Rechtsgeschäft danach dann, wenn der Veräußerer entweder persönlich unmittelbaren Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt war oder aber zu einer von den Nationalsozialisten verfolgten Gruppe gehörte, er beispielsweise Jude war. Die damit ausgesprochene Vermutung der ungerechtfertigten Entziehung legte die Beweislast in vollem Umfang auf den Anspruchsgegner.382 Den tatsächlichen Beweisschwierigkeiten verfolgter Personen einer rechtswidrigen Entziehung wurde somit durch die Einführung einer gesetzlichen Vermutungsregelung Rechnung getragen.383 Nach Art. 3 Abs. 1 wurde zugunsten eines Rückerstattungsberechtigten – hierzu zählen grundsätzlich nach Art. 7 sowohl die Personen, denen (kulturelle) Vermögensgegenstände unmittelbar unrechtmäßig entzogen wurden, als auch die Rechtsnachfolger solcher Personen (einzige Ausnahme besteht dann, wenn gesetzlicher Erbe des Verfolgten gemäß § 1936 BGB der Staat wäre, da nach Art. 10 in diesem Falle an die Stelle des Staates eine von der Militärregierung zu bestimmende Nachfolgeorganisation trat) – die Vermutung aufgestellt, dass ein in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis 8. Mai 1945 abgeschlossenes Rechtsgeschäft eine Vermögensentziehung im Sinne des Art. 2 des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 darstellte, wenn entweder die Veräußerung oder Aufgabe des Vermögensgegenstandes in der Zeit der Verfolgungsmaßnahmen von einer Person vorgenommen 382
383
Vgl. Gansel, Die Rückerstattung, forum historiae iuris, Artikel vom 3. Mai 2001, Quelle: www.rewi.hu-berlin.de/FHI/seminar/0105gansel.htm, Rdnr. 15–25. Arndt, Das Rückerstattungs-Gesetz der amerikanischen Zone, NJW 1947/48, S. 161–165, S. 162 erblickt in dieser Formulierung die Anerkennung gesetzlichen Unrechts nach Radbruch, indem er Hitlers Despotie als „Gewaltherrschaft nicht des Staates, sondern als Gewaltherrschaft im Staate“ bezeichnete.
193
440
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
worden war, welche Verfolgungsmaßnahmen aus Gründen des Art. 1 unmittelbar ausgesetzt war (Art. 3 Abs. 1 a)), oder wenn die Veräußerung oder Aufgabe eines Vermögensgegenstandes seitens einer Person vorgenommen wurde, die zu einer Gruppe von Personen gehörte, welche in ihrer Gesamtheit aus Gründen des Art. 1 durch Maßnahmen des deutschen Staates oder der NSDAP aus dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben Deutschlands ausgeschaltet werden sollte (Art. 3 Abs. 1 b)).384 Während in Art. 3 Abs. 1 a) eine die Person des Veräußerers unmittelbar berührende Verfolgungsmaßnahme vorausgesetzt wurde, genügte innerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 3 Abs. 1 b) des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 bereits die Zugehörigkeit zu einer verfolgten Personengruppe.385 Hierzu zählten namentlich die Juden, die unzweifelhaft als eine Gruppe von Personen anzusehen sind, „die nach dem Willen der Nationalsozialisten vollständig aus dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben Deutschlands ausgeschaltet werden sollten“ 386. Die besondere Funktion der in Art. 3 Abs. 1 b) normierten Vermutungsregel bestand darin, dass jüdische Veräußerer (kultureller Güter) nicht direkt die unmittelbare Verfolgung ihrer Person nachzuweisen hatten, sondern allein den Nachweis dafür erbringen mussten, dass die Veräußerung des Kulturguts in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 erfolgte und der Veräußerer Teil der NS-verfolgten jüdischen Bevölkerungsgruppe war.387 Die Entziehungsvermutung trug somit dem Gesichtspunkt der Kollektivverfolgung einzelner Gruppen Rechnung – sie berührte nicht die individuelle Bedrohung.388 Wenn die Entziehungsvermutung also nicht einschlägig war, zum Beispiel weil der Berechtigte wirklich einen angemessenen Kaufpreis zur freien Verfügung bekommen hatte, konnte der Berechtigte immer noch geltend machen, dass individuell auf ihn Zwang ausgeübt worden war – bspw. durch eine 384
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Vgl. zu Art. 3 Abs. 1 b) des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 auch die vom Kammergericht Berlin in seinem Urteil vom 29.10.1946 (SJZ 1947, Sp. 257 ff., Sp. 260 ff.) entwickelten Gedanken zur Rechtserheblichkeit einer sog. ‚Kollektivdrohung‘ bei § 123 BGB. Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 3, Anm. 5; Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362; Werner, Zur Anwendung des Rückerstattungsgesetzes für die amerikanische Zone, NJW 1947/48, S. 539–543, S. 542; Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 378. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85. Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 3, Anm. l, 2, 3 und 5; Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 377; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85. Gansel, Die Rückerstattung, forum historiae iuris, Artikel vom 3. Mai 2001, Quelle: www.rewi.hu-berlin.de/FHI/seminar/0105gansel.htm, Rdnr. 15–25.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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Erpressung des Erwerbers. Für diese individuelle Drohung trug dann aber der Berechtigte selbst die Beweislast.389 Auch das Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für die britische Zone vom 26. Juli 1949 390 und die Verordnung der Alliierten Kommandantur für Berlin (Anordnung BKO (49) 180) über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer nationalsozialistischer Unterdrückungsmaßnahmen vom 26. Juli 1949, die in vielen Punkten dem US-Militärregierungsgesetz Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 folgten, setzten in sachlicher Übereinstimmung mit dem amerikanischem Rückerstattungsrecht eine „unverhältnismäßige Beraubung“ („unjust deprivation“) in Art. 2 voraus.391 Ist jemand in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 um identifizierbare Vermögenswerte aus Gründen der Rasse, des Glaubens, der Nationalität oder wegen seiner politischen Einstellung, insbesondere wegen seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus, beraubt worden, so steht ihm generell ein Rückerstattungsanspruch zu.392 Die Beraubung kann in Übereinstimmung mit Art. 2 des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 entweder durch eine sog. „Sammelaktion“ als Maßnahme der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände oder durch eine sog. „Einzelaktion“ erfolgt sein.393 Zu dem sachlichen Anwendungsbereich der letztgenannten Konstellation zählen einerseits (kulturelle) Vermögensverluste mittels eines Rechtsgeschäfts, das gegen die guten Sitten verstößt, oder wegen einer insbesondere durch Drohungen gekennzeichneten Zwangslage, einer rechtswidrigen Entsetzung oder einer sonstigen unerlaubten Handlung, sowie andererseits solche Entziehungstatbestände (kultureller) Wertgegenstände mittels Beschlagnahme durch Staats- oder Verwaltungsakt oder durch Einschreiten von Staats- oder Verwaltungsorganen unter Missbrauch der Staatsautorität.394
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Nach der ständigen Rechtsprechung der Obersten Rückerstattungsgerichte 395 kann dabei jede Partei die ihr obliegende Beweisführung mangels konkreter
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Gansel, Die Rückerstattung, forum historiae iuris, Artikel vom 3. Mai 2001, Quelle: www.rewi.hu-berlin.de/FHI/seminar/0105gansel.htm, Rdnr. 15–25. Inhaltlich gelten die folgenden Ausführungen auch für die Verordnung der Alliierten Kommandatur für Berlin vom 26. Juli 1949. Mosheim, Das Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für die britische Zone, Der Betriebs-Berater 4 (1949), S. 337–339. Vgl. die Ausführungen in der Präambel und Art. 1 des Rückerstattungsgesetzes Nr. 59 für die britische Zone vom 26. Juli 1949. Vgl. zu der terminologischen Bestimmung Mosheim, Das Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für die britische Zone, Der Betriebs-Berater 4 (1949), S. 337–339. Mosheim, Das Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für die britische Zone, Der Betriebs-Berater 4 (1949), S. 337–339. Ständige Rechtsprechung der Obersten Rückerstattungsgerichte, vgl. bspw. ORG Berlin in RzW 1976 S. 3.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Unterlagen im Einzelfall auch durch den sog. Anscheinsbeweis erfüllen. Der Anscheinsbeweis setzt voraus, dass ein unstreitiger bzw. bewiesener Grundsachverhalt sowie historische Erkenntnisse vorliegen, wonach bei derartigen Fallkonstellationen typische Geschehensabläufe folgen. Die Gegenseite kann den Anscheinsbeweis erschüttern, wenn sie Anhaltspunkte belegt (nicht nur behauptet), welche ernsthaft die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes in Betracht kommen lassen.396 Auch bei Schenkungen gilt die Vermutungsregelung, es sei denn, es handelt sich aufgrund der persönlichen Beziehungen der Beteiligten um eine „Anstandsschenkung“ oder der Beschenkte kann die Vermutung durch den Nachweis einer „echten“ Schenkung widerlegen.397 Die Vermutung ungerechtfertigter Entziehung besteht zugunsten eines jüdischen Veräußerers auch dann, wenn der Erwerber gleichfalls ein Jude war.398
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3. Schritt: Widerlegung der Vermutungsregelung bei rechtsgeschäftlichen Kulturgutverlusten durch den Restitutionsbeklagten bei Veräußerungen bis zum 15.9.1935
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In einem dritten Untersuchungsschritt der Beweislastverteilung ist zu prüfen, ob die Vermutungsregelung bei rechtsgeschäftlichen Verlusten durch den Nachweis widerlegt werden kann, dass der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis erhalten hat und er über ihn frei verfügen konnte. Bei Kulturgutverlusten bis zum 15.9.1935 reicht für die Widerlegung der Vermutungsregelung die Darlegung, dass der NS-Verfolgte einen angemessenen Kaufpreis erhalten hat und über diesen frei verfügen konnte. Auch bei einer Widerlegung der Vermutungsregelung bleibt es dem Anspruchsteller allerdings unbenommen, Beweise vorzulegen, aus denen sich dennoch eine ungerechtfertigte Entziehung ergibt.399
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Eine normative Sicherung der Interessen rechtstreuer Erwerber, die wirklich freiwillig getätigte Rechtsgeschäfte mit Personen aus dem NS-Verfolgtenkreis einge-
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Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 81–84. Art. 4 REAO. Vgl. auch Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 81–84 (unter Verweis auf Täpper in RzW 1953 S. 354). Oberstes Rückerstattungsgericht (ORG) für die Britische Zone, RzW 1955 S. 9; Court of Restitution Appeals, RzW 1952 S. 164. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 81–84.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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gangen waren, wurde bspw. innerhalb des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 dadurch erreicht, dass die Entziehungsvermutung des Art. 3 Abs. 1 von dem Rückerstattungspflichtigen nach Art. 3 Abs. 2 durch den Beweis widerlegt werden konnte, dass dem Veräußerer ein „angemessener Kaufpreis“ bezahlt worden ist und dieser frei darüber verfügen konnte. Diese Widerlegung der Entziehungsvermutung durch den Rückerstattungsverpflichteten besteht aus den zwei Elementen einer fairen Kaufpreiszahlung und der freien Verfügbarkeit über den gezahlten Kaufpreis.400 Nach der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 3 ist unter einem „fair purchase price“ innerhalb des Art. 3 Abs. 2 derjenige Geldbetrag zu verstehen, den ein Kauflustiger zu zahlen und ein Verkaufslustiger anzunehmen bereit wäre 401, „taking into consideration, in the case of a commercial enterprise, the normal good will which such enterprise would have in the hands of a person not subject to persecutory measures referred to in Article 1.“ Dadurch wird sichergestellt, dass bei der Bestimmung eines fairen Kaufpreises besondere persönliche Umstände, wie die Verfolgung aus rassischen Gründen, unberücksichtigt bleiben mussten.402 „Maßgeblich sind vielmehr allein die Marktverhältnisse zur Zeit des Abschlusses des Rechtsgeschäfts. Demnach muss namentlich bei der Ermittlung des angemessenen Preises für ein Kunstwerk zunächst geklärt werden, ob für Werke des jeweiligen Künstlers zur selben Zeit überhaupt ein Markt vorhanden gewesen ist. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass zu bestimmten Zeiten der Marktpreis durch das Überangebot von Kunstwerken aus jüdischen Sammlungen nach unten gedrückt war. Dieser Preis kann nicht als Vergleichsgrundlage herangezogen werden, was die Bestimmung des angemessenen Kaufpreises für Kunstwerke äußerst schwierig macht.“ 403 Über den Beweis der Zahlung eines angemessenen Kaufpreises hinaus konnte die in Abs. 1 normierte Entziehungsvermutung nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 somit nur dann widerlegt werden, wenn dem Veräußerer aus
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Vgl. Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362; Werner, Zur Anwendung des Rückerstattungsgesetzes für die amerikanische Zone, NJW 1947/48, S. 539–543, S. 542; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 98–117; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 98–117. Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 3, Anm. 7. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85, unter Bezugnahme der Ausführungen bei Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der Aliierten Mächte, Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland, Band 1, 1974, S. 160.
198
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
den Gründen des Artikels 1 das Recht der freien Verfügung über den Kaufpreis nicht verweigert worden ist.404 199
Auch innerhalb der Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007 wird dieser Auslegung im Prinzip gefolgt: Für die Angemessenheit des Kaufpreises ist grundsätzlich der objektive Verkehrswert maßgeblich, den das Objekt im Zeitpunkt des Verkaufs unter Nichtverfolgten gehabt hätte. Bei direkten Verkäufen von Kunstwerken käme es darauf an, ob z.B. durch zeitnahe Versteigerungskataloge ein Marktpreis für ähnliche Werke des Künstlers ermittelbar ist. Für Kunstversteigerungen aufgrund privater Einlieferung muss es dem Ermessen der betroffenen Einrichtung überlassen bleiben, den erzielten Versteigerungserlös stets als angemessenen „Marktpreis“ anzusehen oder zugunsten des Anspruchstellers ggf. im Einzelfall zu unterstellen, dass zum Zeitpunkt des Vermögensverlustes wegen der zunehmenden Verfolgungsmaßnahmen und der sich daran anschließenden Vielzahl der Verkäufe das Preisniveau generell „zu niedrig“ war.405
200
Eine freie Verfügung über den geleisteten Gegenwert war nach den Erfahrungen der nationalsozialistischen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung bspw. dann nicht gegeben, wenn der Veräußerer mit dem Erlös die ihm auferlegte Reichsfluchtsteuer oder Judenvermögensabgabe bezahlt hat, wenn der Kaufpreis auf ein gesperrtes Bankkonto eingezahlt werden musste oder kein angemessener Transfer ins Ausland bewilligt worden ist.406 Voraussetzung war somit der Nachweis, dass die Veräußerung nicht unter einer Drohung zustandegekommen und auch sonst nichts Verwerfliches geschehen ist, das eine Qualifizierung des Vermögensverlustes als Entziehung i.S.d. Art. 2 Abs. 1 a) des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 rechtfertigte.407 404
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Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 81–84. Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 3, Anm. 8; Godin, Das Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für das amerikanische Kontrollgebiet Deutschlands, JR 1948, S. 32 ff., S. 33. Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361– 365, S. 362; Werner, Zur Anwendung des Rückerstattungsgesetzes für die amerikanische Zone, NJW 1947/48, S. 539–543, S. 542; Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 377.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
Auch innerhalb des Rückerstattungsgesetzes Nr. 59 für die britische Zone vom 26. Juli 1949 und der Verordnung der Alliierten Kommandantur für Berlin (Anordnung BKO (49) 180) über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer nationalsozialistischer Unterdrückungsmaßnahmen vom 26. Juli 1949, die in vielen Punkten dem US-Militärregierungsgesetz Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 folgten, musste der Verpflichtete, wenn es sich um eine rechtsgeschäftliche Beraubung einer unmittelbaren Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzten Person handelte, zu seiner Entlastung nach Art. 3 Abs. 2 beweisen, dass er den angemessenen Kaufpreis an den Verfolgten gezahlt hat. Es musste sich dabei – ebenso wie innerhalb des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 – um eine Zahlung handeln, die tatsächlich in die freie Verfügungsgewalt des Verfolgten gelangt war.408
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4. Schritt: Erschwerte Widerlegung der Vermutungsregelung ab dem 15.9.1935
Bei Kulturgutverlusten ab dem 15.9.1935 ist die Vermutungsregel zusätzlich nur dann zu widerlegen, wenn der Abschluss des Rechtsgeschäftes seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus stattgefunden hätte oder die Wahrung der Vermögensinteressen des Verfolgten in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg vorgenommen wurde, bspw. durch die Mitwirkung bei einer Vermögensübertragung ins Ausland.409 Die Zäsur für die Vermutungsregelung bei rechtsgeschäftlichen Verlusten hinsichtlich der Kausalität zwischen Verfolgung und Vermögensverlust stellt der Zeitpunkt des Inkrafttretens der sog. Nürnberger Rassengesetze dar.
202
Seit Annahme der sog. Nürnberger Gesetze, auch sog. Nürnberger Rassengesetze, vom 15. September 1935 anlässlich des 7. Reichsparteitags der NSDAP (der sog. ‚Reichsparteitag der Freiheit‘) in Nürnberg vor dem Reichstag unterlagen die jüdischen Bevölkerungsteile besonderer Suppression. Die Nürnberger Gesetze umassten das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (sog. Blutschutzgesetz), das Reichsbürgergesetz und das Reichsflaggengesetz. Besondere Bedeutung erlangten dabei vor allem die Festlegungen im Reichsbürgergesetz, wonach nur „Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes“ Reichsbürger sein konnten. Den assimilierten „jüdischen Mischlingen“ wurden
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Mosheim, Das Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für die britische Zone, Der Betriebs-Berater 4 (1949), S. 337–339. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 29–30.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
das Wahlrecht und eine „vorläufige Reichsbürgerschaft“ zugestanden. Damit hatte das Reichsbürgergesetz unmittelbar zur Folge, dass kein Jude mehr ein öffentliches Amt innehaben durfte. Auch die jüdischen Beamten, die bislang durch das sog. Frontkämpferprivileg im Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem Jahre 1933 von der Entlassung verschont geblieben waren, mussten zum 31. Dezember 1935 den Dienst quittieren. Außerdem verloren Juden das politische Wahlrecht. Durch weitere Verordnungen zum Reichsbürgergesetz wurde im Jahre 1938 jüdischen Ärzten und Rechtsanwälten die Zulassung entzogen. Bedeutsam wurde schließlich die von Hitler initiierte 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941, wonach deutschen Juden damit die Staatsangehörigkeit aberkannt wurde, wenn sie ihren Wohnsitz im Ausland nahmen. Bei Deportation verloren Juden mit dem Grenzübertritt ihre Staatsangehörigkeit, zugleich gingen ihr gesamtes Eigentum und Vermögen wie auch ihre Ansprüche aus Lebensversicherungen und Renten förmlich an den Staat über. 204
Das amerikanische Rückerstattungsrecht bediente sich vor dem Hintergrund, dass sich die Verfolgung der Juden in ihrem Ausmaß und ihrer Intensität seit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft von Jahr zu Jahr gesteigert hatte, zur Feststellung eines Entziehungstatbestandes (kultureller Vermögensgegenstände) einer gesetzlichen Fiktion.410 Für die Zeit vom 15. September 1935 bis zum 8. Mai 1945 statuierte das US-Militärregierungsgesetz Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 in Art. 4 411 für die amerikanische Besatzungszone die Möglichkeit einer ‚Anfech410
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Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85. Art. 4 US-Militärregierungsgesetz Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947: Power of Avoidance: 1. Any transaction entered into by a person belonging to a class referred to in Paragraph 1 b) of Article 3 within the period from 15 September 1935 (the date of the first Nuremberg laws) to 8 May 1945 may, because of the duress imposed on such class, be avoided by a claimant where such transaction involved the transfer or relinquishment of any property unless: a) The transaction as such and with its essential terms would have taken place even in the absence of National Socialism, or b) The transferee protected the property interests of the claimant (Article 7) or his predecessor in interest in an unusual manner and with substantial success, for example, by helping him in transferring his assets abroad or through similar assistance. 2. In determining under paragraph 1 a) whether the transaction would have taken place even in the absence of National Socialism, the fact that the transferor himself offered to sell the property to the transferee, or the transferor received a fair purchase price (see Article 3, paragraph 3) the free right of disposal of which was not denied him on any of the grounds set forth in Article 1, shall be considered by the Restitution Authority together with all other facts, but neither fact, either singly or in conjunction with the other shall be sufficient to show that the transaction, would have taken place even in the absence of National Socialism. 3. Similarly neither of these facts, either singly or in conjunction with the other, shall be sufficient to show that the claimant is estopped from exercising the power of avoidance by reason of his own previous conduct or that of his predecessor in interest. 4. The term “claim for restitu-
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
447
tung‘ der seitens der NS-verfolgten Bevölkerung abgeschlossenen (kulturellen) Veräußerungsgeschäfte (Regelung des sog. „Arisierungsproblems“ 412 bzw. der „Tatbestände einfacher Entziehung“ 413).414 Für Rechtsgeschäfte, die von einem jüdischen Veräußerer seit Erlass der Nürnberger Rassengesetze am 15. September 1935 bis zum 8. Mai 1945 vorgenommen worden sind, erfolgte durch Art. 4 Abs. 1 des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 somit eine Einschränkung der Möglichkeit einer Widerlegung der Entziehungsvermutung des Art. 3 Abs. 1.415 Danach kann der Restitutionsberechtigte eine (kulturelle) Veräußerung, die von einer Person vorgenommen wurde, die zu einer Gruppe von Personen gehörte, welche in ihrer Gesamtheit aus Gründen des Art. 1 durch Maßnahmen des deutschen Staates oder der NSDAP aus dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben Deutschlands ausgeschaltet werden sollte, und in der Zeit vom 15. September 1935 (d.h. ab dem Zeitpunkt des Erlasses der ersten Nürnberger Gesetze) bis zum 8. Mai 1945 getätigt worden ist, wegen der Zwangslage, in der sich diese Gruppe befand, anfechten, wenn das Rechtsgeschäft die Veräußerung oder Aufgabe eines Ver-
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tion” as used in this Law shall be deemed to include all claims based on the right to exercise the power of avoidance. The exercise of the Power of avoidance shall have the effect that the property transferred or relinquished pursuant to the voided transaction shall for the purposes of this Law be deemed to be confiscated property. 5. The filing of a claim for restitution shall, whether or not it is specifically stated, be deemed to be an exercise of the right of avoidance on behalf of the person entitled to exercise such right. Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362. Werner, Zur Anwendung des Rückerstattungsgesetzes für die amerikanische Zone, NJW 1947/48, S. 539–543, S. 543. Vgl. Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362; Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 377; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85. „Die Widerrechtlichkeit der Entziehung war bei individueller Verfolgung nachzuweisen; bei Gruppenverfolgung (Juden) wurde sie vermutet. Diese Vermutung konnte vom Pflichtigen widerlegt werden: bei Rechtsgeschäften in der Zeit von der Machtergreifung bis Erlaß der Nürnberger Gesetze (1935) durch Nachweis der Zahlung eines angemessenen Kaufpreises, der zur freien Verfügung des Veräußerers gelangt war; in der Zeit danach nur dann, wenn das Rechtsgeschäft auch ohne die Verfolgung abgeschlossen worden wäre (z.B. Erbauseinandersetzung), oder wenn der Erwerber die Vermögensinteressen des Veräußerers in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg (z.B. durch Hilfe beim illegalen Transfer des Kaufgeldes in das Ausland) wahrgenommen hatte. Der Berechtigte konnte statt der Rückerstattung die Nachzahlung des Unterschieds zwischen dem gezahlten und dem angemessenen Kaufpreis verlangen.“ Schwarz, Zur Einführung: Das Recht der Wiedergutmachung und seine Geschichte, JuS 1986, S. 433–440, S. 434–435. Vgl. auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
mögensgegenstandes zum Inhalt hatte. D.h., es wird diesen Verfolgten die Möglichkeit eröffnet, jedes Geschäft aus dem fraglichen Zeitraum, das die Veräußerung oder Aufgabe eines Vermögenswertes zum Gegenstand hatte, wegen seines nahezu unwiderleglich vermuteten Zusammenhangs mit ihrer seinerzeitigen Zwangslage anzufechten.416 Dieses Anfechtungsrecht ist nach Art. 4 nur dann ausgeschlossen, wenn der Restitutionspflichtige beweisen kann, dass entweder das Rechtsgeschäft als solches (und mit seinen wesentlichen Bestimmungen) auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre, oder der Erwerber die Vermögensinteressen des Berechtigten i.S.d. Art. 7 oder seines Rechtsvorgängers in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg, insbesondere durch Mitwirkung bei einer Vermögensübertragung ins Ausland oder durch ähnliche Maßnahmen, wahrgenommen hat. 206
Während für den Rückerstattungsberechtigten die Beweislage der Anspruchsvoraussetzungen ebenso günstig wie innerhalb des Entziehungstatbestandes des Art. 3 des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 ausgestaltet ist und dieser nur zu beweisen hat, dass er zum Kreis der NS-verfolgten Personengruppe zählt und den der Rückerstattung unterfallenden (kulturellen) Vermögenswert in der Zeit vom 15. September 1935 bis zum 8. Mai 1945 veräußert hatte, damit eine Vermutung für die (kulturelle) Entziehung vorliegt, obliegt dem Rückerstattungspflichtigen der Beweis der besonderen, in Art. 4 Abs. 1 Halbs. 2 normierten Ausschlusstatbestände eines Entziehungstatbestandes, die – im Vergleich zu Art. 3 Abs. 2 – erhöhter Anforderungen bedürfen.417
207
Zum einen wurde der Restitutionsverpflichtete dann von seiner Rückerstattungspflicht frei, wenn er nachwies, dass die Veräußerung auch ohne den Hintergrund der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft vorgenommen worden wäre.418 Hierzu musste der Restitutionsverpflichtete bspw. nach Art. 4 Abs. 2 solche Tatsachen beweisen, dass entweder der Veräußerer den Vermögensgegenstand selbst
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Werner, Zur Anwendung des Rückerstattungsgesetzes für die amerikanische Zone, NJW 1947/48, S. 539–543, S. 543. Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 4, Anm. 6; Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 379. Vgl. Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 98–117; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85; Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 380; Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 4, Anm. 7; Arndt, Das Rückerstattungs-Gesetz der amerikanischen Zone, NJW 1947/48, S. 161–165, S. 162.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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dem Erwerber angeboten hatte, oder er musste sämtliche Anhaltspunkte dafür nachweisen, dass der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis i.S.d. Art. 3 Abs. 3 erhalten hatte, ohne dass ihm dabei aus den Gründen des Art. 1 die freie Verfügung über den Kaufpreis verweigert wurde.419 Dabei sollten beide Nachweismöglichkeiten, weder für sich allein noch beide zusammen, nicht zum Nachweis dafür ausreichen, dass das Rechtsgeschäft auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre. In seinen Untersuchungen zum Rückerstattungsrecht hat Arndt unmittelbar nach Erlass des amerikanischen Rückerstattungsgesetzes zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Regelung nur vor dem Hintergrund zu verstehen sei, dass eine pekuniäre Entschädigung zwar materielle Kompensationswirkung besitzt, ideell jedoch die Entziehung eines (kulturellen) Vermögensgegenstandes, insbesondere eines Kunstwerks, selbst bei finanziellem Ausgleich stets eine Rechtsverletzung darstelle.420 Als „andere Tatsachen“ i.S.d. Art. 4 Abs. 2 des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 kommen nach Rudolph „bei der Veräußerung von Kunstwerken neben wirtschaftlichen Gründen wie der Lebensunfähigkeit des Unternehmens des Veräußerers schon vor dem 30. Januar 1933 vor allem familiäre Gründe in Betracht.“ 421 Nach Korth ist eine solche Konstellation bspw. im Fall der Veräußerung zum Zwecke einer Erbauseinandersetzung denkbar.422 Zur Widerlegung einer Kollektivverfolgung i.S.d. Art. 4 Abs. 1 konnte seitens des Restitutionsverpflichteten über bisher Gesagtes hinaus als Verteidigung geltend gemacht werden, dass der Erwerber in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg den Schutz der Vermögensinteressen des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers wahrgenommen habe.423 Mit dem Ausschlusstatbestand des Art. 4
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Vgl. die Entscheidung des United States Courts, Bd. I, S. 171 f. in Sachen Schulz v. Rosenthal. Arndt, Das Rückerstattungs-Gesetz der amerikanischen Zone, NJW 1947/48, S. 161–165, S. 162. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85. Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 380; Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 4, Anm. 7. Vgl. Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362; Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 4, Anm. 8; Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 380; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 98–117; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85; Pawlita, »Wiedergutmachung« durch Zivilrecht? Zur juristischen und politischen Auseinandersetzung um die Rückabwicklung verfolgungsbedingter Vermögensverschiebungen im Nationalsozialismus, Justiz 1991, S. 42–60, S. 52.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Abs. 1 b) intendiert das US-Militärregierungsgesetz Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 die Anerkennung einer über die bloße Bekundung einer anständigen Gesinnung noch hinausgehenden aktiven Unterstützung eines Verfolgten.424 Dies galt jedoch erst ab Erlass der Nürnberger Rassengesetze, obwohl bereits davor gezielt gegen Juden und Systemkritiker vorgegangen wurde. Daher war eine Rückerstattung an Juden, die vor besagtem Stichtag in Vorahnung kommender Entwicklungen ohne individuelle Verfolgung ihren Besitz zu einem angemessenen und frei verfügbaren Kaufpreis veräußert hatten, ausgeschlossen.425 „Eine solche Wahrnehmung der Vermögensinteressen namentlich eines jüdischen Veräußerers kann außer durch die ausdrücklich genannte Mitwirkung bei einer Vermögensübertragung ins Ausland auch dadurch erfolgt sein, dass der Erwerber das Rechtsgeschäft in Kenntnis dessen mit einem Strohmann abschloss, um dadurch einen höheren als den sonst möglichen Kaufpreis an den Verfolgten zu bezahlen oder zu erreichen, dass dieser überhaupt in die Verfügungsmacht des Kaufpreises kam.“ 426 209
Nach Art. 4 Abs. 3 des US-Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände vom 10. November 1947 reicht weder der Nachweis, dass die Veräußerung auch ohne dem Hintergrund der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft vorgenommen worden wäre, noch der Beweis, dass der Erwerber in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg den Schutz der Vermögensinteressen des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers wahrgenommen habe, dazu aus, dass der Berechtigte sich durch die Anfechtung in unzulässiger Weise zu seinem oder seines Rechtsvorgängers früheren Verhalten in Widerspruch setzt. Inzident wird damit jedoch dem Restitutionsverpflichteten über die explizit normierten Befreiungstatbestände in Art. 4 Abs. 2 hinaus die Berufung auf die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben i.S.d. § 242 BGB ermöglicht, wonach sich der Gläubiger eines Anspruchs nicht in Widerspruch zu
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Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85, unter Verweis auf Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 4, Anm. 8; Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 380. Pawlita, »Wiedergutmachung« durch Zivilrecht? Zur juristischen und politischen Auseinandersetzung um die Rückabwicklung verfolgungsbedingter Vermögensverschiebungen im Nationalsozialismus, Justiz 1991, S. 42–60, S. 52; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 98–117. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85, unter inhaltlicher Bezugnahme auf Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 380.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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seinem vorherigen Verhalten setzen darf.427 Wird somit aus tatsächlichen Gründen eindeutig ersichtlich, dass der Veräußerer aus freiem Willen den Vermögensgegenstand übertragen hatte, gelingt dem Restitutionsverpflichteten die Widerlegung der Beweisvermutung und es ist nicht von einer (kulturellen) Entziehung auszugehen. Voraussetzung ist jedoch stets, dass sich ein echtes Einverständnis mit dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft bspw. durch eine spätere Bestätigung der Veräußerung oder einer Gefallensbekundung des Rechtsgeschäfts aus dem Ausland ohne Zwangslage nachweisen lässt.428 Kommt zu den Widerlegungstatbeständen i.S.d. Art. 4 Abs. 1 hinzu, dass der Veräußerer noch aus dem Ausland die Loyalität des Erwerbers anerkannt und sich mit dem Kaufpreis dort „eine auskömmliche neue Existenz geschaffen hat, während hier durch die Rückerstattung die Existenz des Pflichtigen zusammenbräche, dann würde diese Einrede durchdringen“ 429. Das Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für die britische Zone vom 26. Juli 1949 und die Verordnung der Alliierten Kommandantur für Berlin (Anordnung BKO (49) 180) über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer nationalsozialistischer Unterdrückungsmaßnahmen vom 26. Juli 1949 lösten die erschwerte Widerlegung der Vermutungsregelung ab dem 15.9.1935 rechtskonstruktiv anders, inhaltlich jedoch vergleichbar: Im Gegensatz zu der rechtskonstruktiven Ausgestaltung der Wiedergutmachung innerhalb des Art. 4 Abs. 1 des US-Militärregierungsgesetzes in Form eines Anfechtungsrechts für Rechtsgeschäfte, die von einem jüdischen Veräußerer seit Erlass der Nürnberger Rassengesetze am 15. September 1935 bis zum 8. Mai 1945 vorgenommen worden sind, wurde im Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für die britische Zone vom 26. Juli 1949 kein Anfechtungsrecht normiert, sondern das besondere Schutzbedürfnis der (zumeist jüdischen) Rückerstattungsberechtigten in der Zeit vom 15. September 1935 bis zum 8. Mai 1945 durch eine Erschwerung der Widerlegung der Entziehungsvermutung erreicht. Art. 3 des Rückerstattungsgesetzes Nr. 59 für die britische Zone vom 26. Juli 1949 erleichtert den Beweis zugunsten des Beraubten für Rechts-
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Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362; Godin/Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und in Berlin, 2. Aufl. 1950, USREG, Art. 4, Anm. 9; Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 381; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85. Korth, Die materiellrechtliche und prozessuale Ausgestaltung des Rückerstattungsanspruchs, SJZ 1948, Sp. 377 ff., Sp. 381; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 70–85; Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362. Küster, Das Rückerstattungsgesetz für die US-Zone, Der Betriebs-Berater 2 (1947), S. 361–365, S. 362.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
geschäfte durch eine Rechtsvermutung, die der Rückerstattungsverpflichtete nur durch entsprechend schwer zu erbringende Gegenbeweise zu entkräften vermochte. Für Vermögensverluste unmittelbar verfolgter Personen zwischen dem 15. Dezember 1935 (dem Erlass der Nürnberger Gesetze) und dem 8. Mai 1945 (Kapitulation des NS-Regimes) wurden schärfere Voraussetzungen zur Widerlegung einer unrechtmäßigen Entziehung formuliert als in Fällen vor dem 15. Dezember 1935. Während der Rückerstattungsverpflichtete in Fällen des rechtsgeschäftlichen Vermögensverlustes (kultureller Güter) bei – unmittelbaren Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzten – Personen zu seiner Entlastung allgemein beweisen musste, dass er den angemessenen Kaufpreis an den Verfolgten gezahlt hatte (es musste sich dabei um eine Zahlung handeln, die tatsächlich in die freie Verfügungsgewalt des Verfolgten gelangt war, Art. 3 Abs. 2) 430, vergrößerte sich dagegen in solchen Konstellationen der rechtsgeschäftlichen Vermögensentziehung (kultureller Gegenstände) aus dem Besitz NS-verfolgter Personen, in denen der (kulturelle) Vermögensverlust nach dem 15. September 1935 (dem Erlass der Nürnberger Gesetze) erfolgt war, für den Rückerstattungsverpflichteten die Beweislast, wollte er die gegen ihn streitende Rechtsvermutung ausräumen.431 Er hatte zusätzlich den alternativen Beweis zu erbringen, dass das Rechtsgeschäft mit seinem wesentlichen Inhalt auch ohne die Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes erfolgt wäre oder dass er die Vermögensinteressen des Verfolgten oder seines Rechtsvorgängers in außergewöhnlicher Art und Weise und mit wesentlichem Erfolg, insbesondere durch Mitwirkung bei einer Vermögensübertragung ins Ausland, wahrgenommen hat.432 211
Diese erschwerte Widerlegung der Vermutungsregelung ab dem 15.9.1935 hat heute auch die Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007 aufgegriffen. Über das bisher Gesagte geht diese jedoch noch einen Schritt weiter und bestimmt eine zweite zeitliche Zäsur im Jahre 1938: Der Versuch, die freie Verfügung durch Nachweise zu belegen, ist regelmäßig bei inländischen Verkäufen nach der Anordnung spezieller Verfügungsbeschränkungen aufgrund des „vertraulichen Erlasses Nr. 64“ vom 14.5.1938, jedenfalls aber seit Erlass der
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Mosheim, Das Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für die britische Zone, Der Betriebs-Berater 4 (1949), S. 337–339; Gansel, Die Rückerstattung, forum historiae iuris, Artikel vom 3. Mai 2001, Quelle: www.rewi.hu-berlin.de/FHI/seminar/0105gansel.htm, Rdnr. 15–25. Vgl. Mosheim, Das Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für die britische Zone, Der Betriebs-Berater 4 (1949), S. 337–339. Vgl. Gansel, Die Rückerstattung, forum historiae iuris, Artikel vom 3. Mai 2001, Quelle: www.rewi.hu-berlin.de/FHI/seminar/0105gansel.htm, Rdnr. 15–25; Mosheim, Das Rückerstattungsgesetz Nr. 59 für die britische Zone, Der Betriebs-Berater 4 (1949), S. 337–339.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
453
Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 433 aussichtslos. In § 14 wurde inländischen Juden verboten, „Kunstgegenstände, soweit der Preis für den einzelnen Gegenstand 1000 Reichsmark übersteigt“, zu verpfänden oder freihändig zu veräußern. Mit der Fünften Durchführungsverordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 25. April 1941 entfiel schließlich auch die 1.000 RM-Grenze.434
(5)
Bewertung der Beweislastverteilung in Beutekunst-, Fluchtkunstund Raubkunst-Fällen
Durch dieses wechselseitige System von Vermutungen und der Möglichkeit der (erschwerten) Widerlegung der Vermutung wird eine ausgeglichene und faire Beweislastverteilung in kulturellen Restitutionsverfahren bei Rückführung von Kulturgutverlusten erreicht, die während des Zweiten Weltkrieges erfolgten oder ihren Ursprung in der Verfolgung einzelner Bevölkerungskreise durch das nationalsozialistische Unrechtsregime erfuhren. Heute besteht ein hinreichendes Wissen über die kulturellen Entzugstatbestände, sodass mit den wiedergegebenen Untersuchungsschritten faire Ergebnisse erzielt werden: “In the context of Holocaust-looted art claims, presumptions and inferences can play an important role. Independent historical research appears to have established a clear and precise picture of the various types and patterns of displacement of cultural goods during the 1933–1945 period. In various countries, very detailed and vivid accounts of spoliation have been prepared, examined and publicly debated. To the extent that these accounts indicate sufficiently clear patterns of facts, they provide an evidentiary platform that enables the elaboration and formulation of precise and detailed presumptions. They should equally enable the adjudicators to develop and apply sound and legitimate inferences in specific cases, if and when needed.” 435 Die Anwendung sollte weiterhin ausgedehnt werden und als Standard einer notwendigen Beweisführung in Beutekunst-, Fluchtkunst- und Raubkunst-Fällen Einsatz erlangen.
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RGBl. I, S. 1709–1710. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 81–84. Das, Claims for Looted Cultural Assets: Is There a Need for Specialized Rules of Evidence?, in: The International Bureau of the Permanent Court of Arbitration, Resolution of Cultural Property Disputes – Papers emanating from the seventh PCA International Law Seminar May 23, 2003, S. 248–249.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
D. Guter Glaube innerhalb der Schweizer Rechtsordnung 213
Das Schweizer Recht schützt neben dem guten Glauben an das Eigentum allgemein auch den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers (kultureller) Güter.436 In Art. 3 des Schweizer Zivilgesetzbuchs findet sich eine Legaldefinition des ‚guten Glaubens‘:
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Art. 3 ZGB: Guter Glaube: (1) Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten. (2) Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen.
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Als gutgläubig galt dabei nach Art. 3 Abs. 2 des ZGB zunächst derjenige Käufer, dem das fehlende Bewusstsein der illegalen Herkunft des unrechtmäßig entzogenen Kulturgutes nicht vorgeworfen werden konnte, also derjenige, der einen bestimmten Sorgfaltsmaßstab beachtete.437 Obwohl einem Kunstwerk die Eigenschaft eines Unikats zukommt, ging die frühere Lehre und Rechtsprechung innerhalb der Schweizer Zivilrechtsordnung nicht von einer gesteigerten Sorgfaltspflicht von Kunsthändlern aus, sodass bspw. eine Diskrepanz zwischen dem Wert eines Kulturgutes und dem verlangten niedrigen Kaufpreis den Erwerber nicht ohne weiteres misstrauisch machen musste.438 Jedoch wurde auch innerhalb der Schweizer Sachenrechtsregeln im Laufe der Jahre die Frage nach einer Nachforschungspflicht bei verdächtigen Hinweisen laut und heute stellt es einhellige Rechtspraxis dar, dass in solchen Konstellationen, in denen die Umstände die Berechtigung des Veräußerers verdächtig erscheinen lassen, grundsätzlich eine Nachforschungspflicht auf Seiten des Erwerbers hinsichtlich der Eigentums- bzw. Berechtigtenposition des Veräußerers besteht.439
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, Fn. 94, S. 75. Vgl. Schnyder/Schmid/Tuor, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 1995, S. 63 ff.; Francini/ Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55. Vgl. Siehr, Rechtsfragen zum Handel mit geraubten Kulturgütern in den Jahren 1933–1950, in: Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und das Recht, Bd. II: Privatrecht, 2001, S. 125–203, Rdnr. 28; Francini/ Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, Fn. 94, S. 75; Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55; Siehr, Rechtsfragen zum Handel mit geraubten Kulturgütern in den Jahren 1933– 1950, in: Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und das Recht, Bd. II: Privatrecht, 2001, S. 125–203, Rdnr. 28.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
455
Dies fand bspw. bereits in der Entscheidung der II. Zivilabteilung des Schweizerischen Bundesgerichts in der Entscheidung Koerfer gegen Goldschmidt vom 13. Dezember 1968 440 rechtliche Erwähnung, auch wenn sich das Urteil nicht auf den derivativen gutgläubigen Erwerb im Rahmen eines Verkehrsgeschäfts, sondern auf den originären Eigentumserwerb im Wege der Ersitzung bezog, die ihrerseits Gutgläubigkeit verlangt. In der Entscheidung Koerfer gegen Goldschmidt lag nicht offen zu Tage, ob es sich um eine unrechtmäßige Entziehung kultureller Wertgegenstände aufgrund einer nationalsozialistischen Verfolgung oder um einen Tatbestand des kulturellen Verlustes außerhalb der staatlichen Einwirkung aufgrund allgemeiner finanzieller Schwierigkeiten handelte. Der jüdische Sammler Goldschmidt war bereits im Jahre 1931 in wirtschaftliche Bedrängnis geraten und musste zahlreiche Gemälde, die später nach Ende des Zweiten Weltkrieges Gegenstand seiner Restitutionsforderungen wurden, einer Bank sicherungsübereignen. Nachdem im Januar 1941 seine deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt und sein Vermögen als dem Deutschen Reich verfallen erklärt worden war, versteigerte das Finanzamt Moabit – gegen heftigen Protest der sicherungsnehmenden Bank – die Bilder, da es die Werke lediglich als verpfändet ansah. Auf dieser Versteigerung erwarb Jakob Koerfer die umstrittenen Gemälde ‚Le premier tricot‘ und ‚Dans la loge‘ von Toulouse-Lautrec und verbrachte sie in der Folge in die Schweiz. Ein (hier: originärer) Erwerb (im Wege der Ersitzung) konnte nur bei Gutgläubigkeit von Koerfer erfolgen. Die Vorinstanz hatte zuvor bereits festgestellt, dass der Kläger den von Gesetzes wegen zu vermutenden guten Glauben Jakob Koerfers zur Zeit der Inbesitznahme der Bilder nicht zu widerlegen vermochte. Zwar habe Koerfer als Kunstfreund gewusst, dass sich „hinter den Initialen J.G.“, mit denen der Auktionskatalog die Herkunft des größten Teils der am 25. September 1941 versteigerten Bilder bezeichnete, „der emigrierte Jude und berühmte Kunstsammler Jakob Goldschmidt verbarg“, er habe jedoch damals in guten Treuen annehmen können, die Versteigerung der „ehemaligen Sammlung J.G.“ hänge mit der damals allgemein bekannten Überschuldung Goldschmidts zusammen.441
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Die Annahme der Vorinstanz, Koerfer könne für den Zeitpunkt der Inbesitznahme der Bilder durch ihn den guten Glauben für sich beanspruchen, wurde seitens der II. Zivilabteilung des Schweizerischen Bundesgerichts in ihrer Ent-
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Koerfer v. Goldschmidt, II. Zivilabteilung des Schweizerischen Bundesgerichts, Urteil vom 13. Dezember 1968; Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts aus dem Jahre 1968, Amtliche Sammlung, 94., Band, II. Teil: Zivilrecht, (BGE) 94 II, S. 297 ff. [Tribunal fédéral, 2ème Cour civile – 13 décembre 1968 – Koerfer contre Goldschmidt – ATF 94 II 297, Journal des Tribunaux 1970 I 176]. Koerfer v. Goldschmidt, II. Zivilabteilung des Schweizerischen Bundesgerichts, Urteil vom 13. Dezember 1968; Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts aus dem Jahre 1968, Amtliche Sammlung, 94., Band, II. Teil: Zivilrecht, (BGE) 94 II, S. 297 ff. [Tribunal fédéral, 2ème Cour civile – 13 décembre 1968 – Koerfer contre Goldschmidt – ATF 94 II 297, Journal des Tribunaux 1970 I 176].
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
scheidung in Sachen Koerfer gegen Goldschmidt vom 13. Dezember 1968 442 bestätigt. Der Kläger machte jedoch geltend, Koerfer habe seinen guten Glauben infolge mehrerer Mitteilungen Goldschmidts vom 1. September/4. November 1948 und 27. Januar 1949 vor Ablauf der Ersitzungsfrist verloren, in deren auf die Eigentumslage Goldschmidts an den Gemälden verwiesen wurde, und die Ersitzung aus diesem Grunde nicht vollenden können. Diesbezüglich war die II. Zivilabteilung des Schweizerischen Bundesgerichts in ihrer Entscheidung jedoch der Meinung, dass diese Mitteilungen „für sich allein nicht geeignet [waren], Koerfer für die Zukunft bösgläubig zu machen oder ihm doch nach Art. 3 Abs. 2 ZGB für die Zukunft das Recht zu entziehen, sich auf seinen guten Glauben zu berufen. Sie zeigten ihm zunächst nur, dass Goldschmidt sich als rechtmässigen Eigentümer der Bilder betrachtete, dem diese durch widerrechtliche Massnahmen der Nationalsozialisten weggenommen worden seien, und dass Goldschmidt ihn als bösgläubigen Erwerber ansah und die Bilder von ihm herausverlangte. Diesen Rechtsstandpunkt brauchte Koerfer nicht ohne weiteres anzuerkennen. Der Vorwurf Goldschmidts, er habe die Bilder in bösem Glauben, d.h. in Kenntnis der widerrechtlichen Wegnahme seines Eigentums erworben, war nach den eigenen Feststellungen der Vorinstanz ungerechtfertigt. Koerfer nahm darnach an und war zur Annahme berechtigt, die Versteigerung der Bilder sei eine normale, rechtmässige Folge der Überschuldung Goldschmidts. Die bloße Behauptung des Gegenteils zwang ihn nicht, die bis dahin in guten Treuen gehegte Überzeugung kurzerhand preiszugeben, sondern verpflichtete ihn zunächst nur, deren Begründetheit zu überprüfen. Dieser Pflicht kam er nach, indem er auf das erste Schreiben Goldschmidts hin von diesem nähere Auskunft verlangte und sich in der Folge mit den Vorbringen Goldschmidts und des von diesem beigezogenen Anwalts ernsthaft auseinandersetzte. Seine Erhebungen bestätigten, dass Goldschmidt die Bilder schon 1931, also vor der nationalsozialistischen Machtergreifung, zur Sicherstellung seiner Schulden gegenüber der Bank hatte verwenden müssen und dass der Versteigerungserlös der Bank zur Tilgung ihrer Forderungen überlassen wurde. Dass Koerfer 1948/49 noch glaubte, Goldschmidt habe die Bilder im Jahre 1931 verpfändet, während es sich um eine Sicherungsübereignung gehandelt hatte, kann ihm nicht schaden. Auch unter der Voraussetzung, dass die Bilder der Bank bloss verpfändet und somit Eigentum Goldschmidts geblieben waren, durfte Koerfer trotz den Mitteilungen Goldschmidts – welche die Vorgänge des Jahres 1931 völlig übergingen – bei der Überzeugung bleiben, die Bilder seien zur Deckung der Schulden Goldschmidts gegenüber der Bank verwertet worden, und er habe sie daher rechtmässig erworben. Er durfte das
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Koerfer v. Goldschmidt, II. Zivilabteilung des Schweizerischen Bundesgerichts, Urteil vom 13. Dezember 1968; Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts aus dem Jahre 1968, Amtliche Sammlung, 94., Band, II. Teil: Zivilrecht, (BGE) 94 II, S. 297 ff. [Tribunal fédéral, 2ème Cour civile – 13 décembre 1968 – Koerfer contre Goldschmidt – ATF 94 II 297, Journal des Tribunaux 1970 I 176].
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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um so eher, als Goldschmidt, nachdem der Anwalt Koerfers mit Schreiben vom 4. Februar 1949 das Herausgabebegehren unter Berufung auf den rechtmässigen Erwerb bei einer ordentlichen Pfandversteigerung zurückgewiesen hatte, die vorher angedrohten gerichtlichen Schritte nicht einleitete, sondern mehr als drei Jahre lang (bis zum 24. April 1952) stillschwieg.“ 443 Somit hatte der Erwerber Koerfer bezüglich der bestehenden Nachforschungspflicht bei Zweifeln an der Eigentumslage der betroffenen Gemälde das seinerseits Notwendige getan, um den Verdachtsmomenten nachzugehen, die möglicherweise den Rechtsschein, das Finanzamt sei zur Veräußerung berechtigt, zerstören könnten.444 Also gilt auch für die Schweizer Rechtsordnung in dem Fall, dass sich aus den konkreten Umständen sichere Verdachtsmomente ergeben, dass der Erwerber dazu angehalten ist, Nachforschungen möglichst objektiver Art anzustrengen, die diese konkreten Verdachtsmomente entkräften können. Nur wenn sie dazu in der Lage sind, darf der Erwerber weiterhin auf seinen rechtmäßigen Erwerb vertrauen.445
218
Über die Nachforschungspflicht auf Seiten der Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund konkreter Indizien und Hinweise auf die Nichtberechtigung des Veräußerers stellt sich innerhalb der Schweizer Zivilrechtsordnung hinaus die Frage nach einer generellen Nachforschungspflicht seitens der professionell am Kunsthandel beteiligten Personenkreise. Unter Abkehr von der alten Rechtsauffassung ist heute davon auszugehen, dass für Personen mit besonderer Sachkenntnis und Händler in „Geschäftszweigen, in denen oft Waren zweifelhafter Herkunft angeboten werden“, wozu auch der Antiquitätenhandel zählt, nach neuerer Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts eine erhöhte Sorgfaltspflicht für Erwerber mit einschlägigen Branchenkenntnissen besteht.446
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Erstmalig hat die II. Zivilabteilung des Schweizer Bundesgerichts in der Rechtssache L. AG gegen Compagnie D. vom 24. September 1987 447 festgestellt, dass beim Kauf von „Occasionsautomobilen der Luxusklasse“ für den branchenkundigen Erwerber eine besondere Nachprüfungspflicht in Form einer genauen
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Koerfer v. Goldschmidt, II. Zivilabteilung des Schweizerischen Bundesgerichts, Urteil vom 13. Dezember 1968; Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts aus dem Jahre 1968, Amtliche Sammlung, 94., Band, II. Teil: Zivilrecht, (BGE) 94 II, S. 297 ff. [Tribunal fédéral, 2ème Cour civile – 13 décembre 1968 – Koerfer contre Goldschmidt – ATF 94 II 297, Journal des Tribunaux 1970 I 176]. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, Fn. 94, S. 75. II. Zivilabteilung des Schweizer Bundesgerichts in der Rechtssache L. AG gegen Compagnie D. vom 24. September 1987, BGE 113 II 397.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Kontrolle des Kaufobjekts und der dazugehörigen Papiere bestehe („Eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft den Erwerber von Sachen, bei denen erfahrungsgemäss häufig damit zu rechnen ist, dass sie einem Dritten gestohlen worden sind“ 448):449 „Vorweg höhere Anforderungen sind daher an jene Erwerbszweige zu stellen, in denen erfahrungsgemäss häufig Gegenstände zum Kauf oder Tausch angeboten werden, die mit Rechtsmängeln behaftet sind. Das gilt ganz besonders dann, wenn damit zu rechnen ist, dass angebotene Sachen dem Berechtigten gegen seinen Willen – so durch Diebstahl – abhanden gekommen sind; denn in derartigen Fällen hat der Berechtigte nicht dafür einzustehen, dass ein falscher Rechtsschein entstanden ist, indem seine Sache in den Verkehr gelangte und durch den Gegeninteressenten erworben wurde. Auch wenn grundsätzlich die Regel zutrifft, dass Art. 3 Abs. 2 ZGB keine allgemeine Erkundigungspflicht statuiert und dass sich nur erkundigen muss, wer Grund zum Verdacht hat …, gilt dies deshalb nur beschränkt für jene Geschäftszweige, die dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft und folglich mit Rechtsmängeln behafteter Sachen in besonderem Masse ausgesetzt sind, wie es beim Handel mit Gebrauchtwaren aller Art der Fall ist. … Vielmehr können die Interessen des redlichen Geschäftsverkehrs, auf die der Gesetzgeber durch den in Art. 934 Abs. 2 ZGB verankerten Gutglaubensschutz Rücksicht genommen hat, im Einzelfall eine Abklärungspflicht des an sich gutgläubigen Erwerbers begründen.“ 450 221
Diese Grundentscheidung zur Statuierung einer Nacherforschungs‚pflicht‘ für den branchenkundigen Erwerber bestätigte das Schweizer Bundesgericht auch explizit für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr. Die II. Zivilabteilung des Schweizer Bundesgerichts hat in der Rechtssache Versicherung X. gegen A. M. vom 5. März 1996 451 speziell für den Kulturgüterverkehr entschieden, dass in Geschäftsbereichen wie dem des Antiquitätenhandels, in denen oft Waren zweifelhafter Herkunft angeboten werden, bei einem Erwerber mit einschlägigen Branchenkenntnissen hohe Anforderungen an die zu verlangende Aufmerksamkeit gemäß Art. 3 Abs. 2 ZGB zu stellen sind, unabhängig davon, ob ein Gegenstand zum Eigengebrauch erworben wird oder ob ein Handelskauf vorliegt.
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II. Zivilabteilung des Schweizer Bundesgerichts in der Rechtssache L. AG gegen Compagnie D. vom 24. September 1987, BGE 113 II 397. Vgl. hierzu auch Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, Fn. 94, S. 75. II. Zivilabteilung des Schweizer Bundesgerichts in der Rechtssache L. AG gegen Compagnie D. vom 24. September 1987, BGE 113 II 397. Urteil der II. Zivilabteilung des Schweizer Bundesgerichts in der Rechtssache Versicherung X. gegen A. M. vom 5. März 1996, BGE 122 III 1. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, Fn. 94, S. 75; O’Keefe, Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, 2000, S. 67–69; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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„Einerseits sind die erhöhten Anforderungen an die Sorgfaltspflicht wie erläutert nicht nur auf den Auto-Occasionshandel beschränkt, sondern erstrecken sich generell auf Geschäftszweige, die dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft in besonderem Masse ausgesetzt sind, und bei denen infolgedessen ein erhöhtes Risiko besteht, dass Waren mit Rechtsmängeln behaftet sind. Diese Rechtsprechung, die sich auf den Handel mit Gebrauchtwaren aller Art bezieht, gilt auch für den Antiquitätenhandel.“ 452
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Diese Rechtsansicht fand in dem Arrêt de la Ie Cour de droit public in der Rechtssache L. contre Chambre d’accusation du canton de Genève (recours de droit administratif) vom 1. April 1997 453 Bestätigung. Dort wurde festgestellt, dass ein im Antiquitätenhandel nicht ganz Unerfahrener auf das erhöhte Risiko einer zweifelhaften Provenienz kultureller Wertobjekte achten und erhöhte Sorgfalt walten lassen muss. Dies bedeutet, dass derjenige, der ein Gemälde erwirbt, ohne sich um dessen Herkunft und die Identität des Veräußerers zu kümmern, noch dazu
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„Im April 1979 wurde aus der Villa von R. M. in Versoix (GE) eine antike Waffensammlung gestohlen. C. F. übernahm die Beute von den Dieben und übergab die Waffensammlung A. R., welcher sie im Oktober 1979 an A. M. verkaufte. Die Versicherung X. bezahlte R. M. für die gestohlene Waffensammlung eine Entschädigung von Fr. 553.045,–. Im Gegenzug wurden ihr sämtliche Rechte am Deliktsgut abgetreten. Am 21. Dezember 1992 erhob die Versicherung X. Klage gegen A. M. und verlangte die Herausgabe sämtlicher Waffen, die aus dem Diebstahl bei R. M. stammten. Mit Urteil vom 2. Dezember 1994 wurde die Herausgabeklage vom Amtsgericht Luzern-Land gutgeheissen. Die von A. M. dagegen erhobene Appellation hiess das Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 7. September 1995 gut und wies die Herausgabeklage der Versicherung X. ab. Mit Berufung vom 6. November 1995 beantragt die Versicherung X. dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern aufzuheben und ihre Herausgabeklage gutzuheissen.“ Vgl. II. Zivilabteilung des Schweizer Bundesgerichts in der Rechtssache L. AG gegen Compagnie D. vom 24. September 1987, BGE 113 II 397. Arrêt de la Ie Cour de droit public in der Rechtssache L. contre Chambre d’accusation du canton de Genève (recours de droit administratif) vom 1. April 1997, BGE 123 II 134. Vgl. die dortigen Sachverhaltsangaben: „Le 13 décembre 1994, le Juge d’instruction près le Tribunal de grande instance de Grasse a adressé à l’Office fédéral de la police une demande d’entraide judiciaire pour les besoins de l’enquête pénale ouverte en France pour le vol de ce tableau. Le magistrat français a requis diverses investigations, ainsi que la saisie du tableau. Le 13 juin 1996, le Juge d’instruction genevois a ordonné la remise du tableau aux autorités françaises, ainsi que des procès-verbaux d’audition des personnes interrogées dans le cadre de son enquête. Par ordonnance du 1er novembre 1996, la Chambre d’accusation du canton de Genève a rejeté le recours formé par L. contre la décision du 13 juin 1996. La Chambre d’accusation a considéré en bref, au regard des art. 59 al. 1 let. b et 74 al. 3 EIMP dans leur teneur de l’époque (aEIMP), que L. n’avait pas rendu vraisemblable qu’il avait acquis de bonne foi le tableau volé. Agissant le 16 décembre 1996 par la voie du recours de droit administratif, L. demande principalement au Tribunal fédéral d’annuler l’ordonnance du 1er novembre 1996 et de déclarer la demande d’entraide „nulle et non avenue“. A titre subsidiaire, il requiert que le tableau litigieux ne soit pas remis à l’Etat requérant; à défaut, une garantie devrait être fournie. Encore plus subsidiairement, L. demande à ce que la cause soit renvoyée au Juge d’instruction pour nouvelle décision au sens des considérants. Il invoque l’art. 4 Cst., ainsi que les art. 5, 59 al. 1 let. b aEIMP et 74 al. 3 et 74a EIMP dans leur teneur du 4 octobre 1996, entrée en vigueur le 1er février 1997 (nEIMP). Il reproche en outre à la Chambre d’accusation d’avoir constaté les faits de manière incomplète et inexacte (art. 105 al. 2 OJ).“.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
zu einem im Verhältnis zum Wert viel niedrigeren Preis, sich nicht auf seinen guten Glauben berufen kann.454 224
„Pour la Chambre d’accusation, le recourant n’aurait pas rendu vraisemblable la thèse selon laquelle il aurait acquis de bonne foi le tableau litigieux. Elle a considéré qu’au moment de l’achat, le recourant, homme rompu aux affaires et connaisseur d’art, ne s’était soucié ni de l’authenticité, ni de la provenance du tableau; en outre, le recourant avait pris le risque de traiter avec des inconnus et ne s’était assuré de la régularité de l’importation du tableau en Suisse que le 19 décembre 1994, soit après la conclusion de la transaction et le versement du prix convenu. … Sur le vu de l’ensemble des circonstances de la cause, la Chambre d’accusation pouvait admettre que le recourant n’avait pas rapporté la preuve requise … . Le recourant n’a pas rendu vraisemblable, … qu’il aurait pris, avant la transaction, les précautions élémentaires dont doit s’entourer la personne prudence qui acquiert une œuvre d’art de grande valeur. En particulier, il n’a pas démontré avoir fait à temps toutes les démarches nécessaires pour s’assurer de l’origine du tableau et de la régularité de son importation en Suisse; il n’a pas fait examiner l’œuvre par un expert qui aurait pu en certifier la provenance, ni pris les mesures idoines pour vérifier que l’œuvre n’était ni volée ni perdue. En outre, les conditions concrètes de la transaction, ainsi que le prix de vente – très inférieur à la valeur du tableau – n’accréditent pas la thèse du recourant“ 455.
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Von rechtserheblichem Interesse ist in diesem Zusammenhang seit der nationalen Umsetzung der Verpflichtungen aus der UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970 das in Art. 16 Abs. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003 normierte Übertragungsverbot illegal transferierter Kulturgüter speziell seitens der professionell am Kunstgewerbe beteiligten Personen und Unternehmen.456
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Art. 16 Abs. 1 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Sorgfaltspflichten: Im Kunsthandel und im Auktionswesen darf Kulturgut nur übertragen werden, wenn die übertragende Person nach den Umständen annehmen darf, dass das
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Vgl. hierzu auch Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, Fn. 94, S. 75; Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCO-Konvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EGRichtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 86–87; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Arrêt de la Ie Cour de droit public in der Rechtssache L. contre Chambre d’accusation du canton de Genève (recours de droit administratif) vom 1. April 1997, BGE 123 II 134. Vgl. hierzu und zum Folgenden die Kommentierung des Art. 16 Abs. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer vom 20. Juni 2003: Botschaft 01.077 über die UNESCO-Konvention 1970 und das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG) im Namen des Schweizerischen Bundesrates vom 21. November 2001 (Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung der UNESCO-Konvention vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCO-Konvention 1970) sowie den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) mit dem Antrag auf Zustimmung).
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
461
Kulturgut: a. nicht gestohlen worden ist, nicht gegen den Willen der Eigentümerin oder des Eigentümers abhanden gekommen ist und nicht rechtswidrig ausgegraben worden ist; b. nicht rechtswidrig eingeführt worden ist.
Die im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen dürfen dementsprechend kulturelle Wertgegenstände nur dann übertragen, wenn sie auf Grund der Umstände annehmen können, dass die Kulturgüter nicht gestohlen worden oder gegen den Willen der Eigentümerin oder des Eigentümers abhandengekommen sind, dass sie nicht rechtswidrig ausgegraben und auch nicht rechtswidrig in die Schweiz eingeführt worden sind. Somit sind die professionell im Kunsthandel und Auktionswesen Berufstätigen dazu verpflichtet, bei einem Transfer kultureller Güter erhöhte Sorgfalt und Aufmerksamkeit walten zu lassen. Die besondere Sorgfaltspflicht rechtfertigt sich im Kunsthandel und Auktionswesen zunächst durch den Umstand, dass ein erhöhtes Risiko besteht, dass Objekte zweifelhafter Herkunft angeboten werden. Traditionell wurden kulturelle Veräußerungsgeschäfte in der Vergangenheit in größter Diskretion ausgeführt und nicht selten durch die Einschaltung von Mittelsmännern und Agenten ohne Offenlegung der an dem Kunstdeal beteiligten Rechteinhaber vollzogen, sodass in den seltensten Fällen eine verlässliche Provenienzbestimmung erfolgte bzw. überhaupt erst erfolgen konnte. Andererseits ist aber auch davon auszugehen, dass die im Kunsthandel und Auktionswesen aktiv tätigen Personen in Fragen des Kunsthandels über besondere Kenntnisse und spezielles Wissen verfügen und zudem mit der Branche vertraut sind. Völlig zu Recht beruft sich somit die schweizerische Begründung des Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer vom 20. Juni 2003 auf die in Rede stehenden besonderen Kenntnisse, das Spezialwissen und die Branchenvertrautheit als subjektive, das Maß der Sorgfaltspflicht qualifizierende Eigenschaften und verbietet die rechtsgeschäftliche Übertragung illegal transferierter Kulturgüter speziell seitens der professionell im Kunsthandel beteiligten Personen und Unternehmen. Damit wird die erhöhte Sorgfaltspflicht nach Artikel 16 Abs. 1 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 mit den analogen zivilrechtlichen Anforderungen an den Kunsthandel und das kulturelle Auktionswesen auch ins öffentliche Recht übertragen: Dies entspricht danach sowohl der herrschenden Lehre zur Sorgfaltspflicht nach den allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts 457 als auch derjenigen zum Schutz des guten Glaubens des nichtberechtigten Erwerbers einer beweglichen Sache nach Artikel 934 ZGB i.V.m. Artikel 3 ZGB 458, und bestätigt im Ergebnis auch die genannte Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts zu den geforderten Nachforschungsbemühungen der professionell am Kunsthandel Beteiligten. 457
458
Vgl. Schnyder in Honsell/Vogt/Wiegand, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 1996, Art. 1-529 OR, N 52 f. zu Art. 41 OR. Vgl. Rey, Grundriss des schweizerischen Sachenrechts – Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, 2. Aufl. 2000, Nr. 1778 und 2118a.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
E.
Eingeschränkter Sorgfaltsmaßstab innerhalb der italienischen Rechtsordnung
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Auch in anderen Rechtsordnungen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass ein Erwerber illegal transferierter Kulturgüter, der keine zufriedenstellende Provenienzrecherche unternimmt, eine ihm obliegende Aufklärungspflicht beim Erwerb kultureller Güter verletzt, was nicht nur eine Qualifikation als gutgläubig nicht mehr zu rechtfertigen vermag, sondern auch eine derivative Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund eines mangelnden Schutzbedürfnisses des Erwerbers ausschließen muss. Uneindeutig stellt sich – soweit ersichtlich – noch die Rechtslage hinsichtlich des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs innerhalb der Rechtsordnung Italiens dar.
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In einer rein inneritalienischen Sachverhaltsstudie vor dem Pretore di Milano vom 2.3.1987 459 hat ein italienischer Antiquitätenhändler zwei kulturell außergewöhnliche antike Maggiolini-Möbelstücke gutgläubig erworben, die zuvor gestohlen worden waren. Der Pretore di Milano hat in seiner Entscheidung vom 2.3.1987 zwar den Antiquitätenhändler vom strafrechtlichen Vorwurf des „incauto acquisto“ im Sinne von Art. 712 Codice penale freigesprochen, jedoch explizit dazu ausgeführt, dass dem Antiquitätenhändler die gesetzliche Gutglaubensvermutung des Art. 1147 Codice civile 460 nicht zugute kommen könne. Vielmehr beurteilte der Pretore di Milano das Verhalten des Antiquitätenhändlers deshalb als grob fahrlässig, weil sich dieser mit einer generellen Erklärung des Verkäufers zufriedengegeben und nicht weitergehende Sorgfaltsanstrengungen aufgewandt hatte, um sich von der rechtmäßigen Herkunft der wertvollen Möbel zu überzeugen. In diesem Zusammenhang betonte das Gericht, dass der Antiquitätenhändler eine sorgfältige Provenienzrecherche der beiden gestohlenen Maggiolinis aufgrund seiner Profession und vor allem seiner Kompetenz speziell in Bezug auf Maggiolini-Möbelstücke nicht hätte unterlassen dürfen.461 Im Ergebnis verneinte das Gericht einen möglichen gutgläubigen Erwerb und ordnete somit die Herausgabe der Antiken an den bestohlenen Eigentümer an.462
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Pretore di Milano vom 2.3.1987 (unveröffentlichte Entscheidung), zitiert bei Monaco, Sulla restituzione di beni culturali rubati all’estero secondo la Convenzione dell’UNESCO, 71 Rivista di diritto internazionale (1988), S. 842 ff., S. 857; weiter Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 319–320. Articolo 1147 Codice civile: Possesso di buona fede: E’ possessore di buona fede chi possiede ignorando di ledere l’altrui diritto (535). La buona fede non giova se l’ignoranza dipende da colpa grave. La buona fede e presunta e basta che vi sia stata al tempo dell’acquisto. Pretore di Milano vom 2.3.1987 (unveröffentlichte Entscheidung), zitiert bei Monaco, Sulla restituzione di beni culturali rubati all’estero secondo la Convenzione dell’UNESCO, 71 Rivista di diritto internazionale (1988), S. 842 ff., S. 857, hierzu Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320–321. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 319–320.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
Innerhalb der Rechtssache Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini vor dem Tribunale di Roma vom 27. Juni 1987 463 wurde die Statuierung spezieller Verifizierungsbemühungen seitens der professionell am Kunsthandel Beteiligten durch den Pretore di Milano jedoch keiner gerichtlichen Bestätigung zugeführt. In dem zeitlich unmittelbar nach der Entscheidung des Pretore di Milano ergehenden Urteil des italienischen Tribunale di Roma wurden zwei die Odyssee betreffende Aubusson-Gobelins, die sich in französischem Staatseigentum befanden, nachdem sie aus ihrem Verwahrungsort gestohlen worden waren, ohne rechtmäßige Ausfuhrerlaubnis und damit illegal nach Italien exportiert und dort an einen gutgläubigen Erwerber transferiert. Die französische Regierung beantragte vor einem italienischen Zivilgericht die Restitution der illegal aus Frankreich transferierten Kulturgüter und gründete ihr Begehr nicht nur auf den illegalen Export aus Frankreich, sondern zusätzlich noch darauf, dass die Kulturgüter in Frankreich vor dem Transfer nach Italien gestohlen wurden. Das Tribunale di Roma hat hier entschieden, dass gemäß Art. 1147 des italienischen Codice civile die Gutgläubigkeit des italienischen Erwerbers vermutet wird, obwohl der Erwerber überhaupt keine Provenienzerforschung betrieben hatte. Zu Recht wird hier jedoch kritisch darauf hingewiesen, dass es den erwerbenden italienischen Händler hätte stutzig machen müssen, dass ihm innerhalb einer kurzen Zeit von verschiedenen Verkäufern zwei offensichtlich zusammengehörige Wandteppiche aus der berühmten Manufaktur von Aubusson zum Erwerb angeboten wurden.464 Dieser Gedanke wurde jedoch in der gerichtlichen Erörterung nicht aufgegriffen und die Gutgläubigkeit des Erwerbers bejaht.
F.
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Spezielle Provenienzerforschung innerhalb der selbstauferlegten Verhaltensstandards der professionell am Kunsthandel Beteiligten
Wiederholt wurde auf die rechtsprägende Bedeutung der besonderen Standards innerhalb der selbstauferlegten Codes of Ethics der professionell am Kunsthandel Beteiligten für den internationalen Kulturgüterverkehr hingewiesen, die teilweise auch hinsichtlich der Frage spezieller Erwerbsregeln und besonderer Sorgfaltsanforderungen der Museen und kulturellen Institutionen ausführen.465 Regelmäßig sind danach seitens der erfassten Kreise entsprechende Erkundigungs- und Untersuchungspflichten beim Erwerb kultureller Güter zu berück-
463
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Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini vom 27. Juni 1987, Tribunale di Roma, 71 Rivista di diritto internazionale, S. 920 (1988). Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 319. Hierauf stützt sich zu Recht auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 316–319.
231
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
sichtigen. Dies hat zur Folge, dass beim Erwerb von Kunstgegenständen entsprechend den selbstauferlegten Erwerbsregeln im Allgemeinen nur noch ein solches Verhalten verkehrsüblich ist, das den Anforderungen an eine präzise Provenienzrecherche Genüge tut, indem die „am internationalen Kulturgüterverkehr professionell beteiligten Personen Erkundigungen hinsichtlich der Herkunft eines potentiellen Erwerbsobjektes für ihr Metier als Verhaltensstandard akzeptieren und sich danach richten wollen.“ 466 So bestimmt bspw. der ICOM-Kodex, der am 4. November 1986 auf der 15. ICOM-Vollversammlung in Buenos Aires einstimmig angenommen und am 6. Juli 2001 auf der 20. ICOM-Vollversammlung in Barcelona ergänzt wurde, eine spezielle Provenienzerforschungspflicht der den ethischen Richtlinien folgenden Museen, die auch nach den veröffentlichten Standards für Museen für die Mitglieder des Deutschen Museumsbunds Anwendung erfahren sollen („Die im ICOM Code of Ethics benannten ethischen Grundsätze des Sammlungserwerbs, z. B. die nationalen und internationalen gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit Kulturgut, werden beachtet.“).467 Ähnliche Verhaltensstandards und Nacherforschungsbemühungen haben sich nationale Vereinigungen von Museen, aber auch Händler, Galeristen und Auktionshäuser beim Erwerb kultureller Wertgegenstände auferlegt – vgl. bspw. den British Dealers Code of Practice aus dem Jahre 1986 als Exempel aus dem Bereich der Kunsthändler und die Statements of Principles and Policies an Ethics and Conduct als Beispiel des nationalen Ontario Museums. So bestimmt bspw. die britische Museums Association in ihren Code of Ethics For Museums (ethical principles for all who work for or govern museums in the UK) wie folgt: 232
Code of Ethics For Museums (ethical principles for all who work for or govern museums in the UK) der Museums Association (UK):468
466 467
468
Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 317–318. 3.2 der ICOM – Ethische Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums) (in der Fassung 2001): Unrechtmäßiger Erwerb: Ein Museum soll Objekte oder Exemplare nur dann kaufen, leihen oder als Geschenk bzw. Legat annehmen, wenn der Träger und die verantwortliche Person im Museum überzeugt sind, dass ein gültiger Rechtstitel erlangt werden kann. Es müssen alle notwendigen Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass eine mögliche Neuerwerbung nicht etwa im Ursprungsland oder irgendeinem anderen Land (einschließlich des eigenen), in dem es sich legal befunden haben mag, auf illegale Weise erworben oder exportiert wurde. Bevor ein Erwerb in Erwägung gezogen wird, sollte alles daran gesetzt werden, die vollständige Provenienz des betreffenden Objekts zu ermitteln – von seiner Entdeckung oder Entstehung an. … Fehlt bei einem gewünschten Erwerb der Herkunftsnachweis, kann ein Konflikt entstehen. Auch in solchen Fällen muss die Möglichkeit, einen Rechtstitel auf den Gegenstand zu erlangen, eine vorrangige Rolle spielen. Ausnahmsweise kann ein Stück ohne Herkunftsnachweis von derart überragender wissenschaftlicher Bedeutung sein, dass eine Bewahrung im öffentlichen Interesse liegt. Aufgrund der anzunehmenden internationalen Tragweite einer solchen Entscheidung sollte sie in die Hände von Autoritäten aus dem betreffenden Fachgebiet gelegt und nicht von nationalen oder institutionellen Erwägungen beeinflusst werden. Sie hat ausschließlich klar definierten wissenschaftlichen Interessen zu dienen. www.museumsassociation.org.uk.
1. Abschnitt: Normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs
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5.7 Exercise due diligence when considering an acquisition or inward loan. Verify the ownership of any item being considered for acquisition or inward loan and that the current holder is legitimately able to transfer title or to lend. Apply the same strict criteria to gifts, bequests and loans as to purchases. 5.8 Reject any item if there is any suspicion that it was wrongfully taken during a time of conflict, unless allowed by treaties or other agreements. 5.9 Reject any item if there is any suspicion that it has been stolen unless, in exceptional circumstances, this is to bring it into the public domain, in consultation with the rightful owner. 5.10 Reject items that have been illicitly traded. Note that the UNESCO Convention (on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property) was finalised in 1970. Reject, therefore, any item if there is any suspicion that, since 1970, it may have been stolen, illegally excavated or removed from a monument, site or wreck contrary to local law or otherwise acquired in or exported from its country of origin (including the UK), or any intermediate country, in violation of that country’s laws or any national and international treaties, unless the museum is able to obtain permission from authorities with the requisite ju-risdiction in the country of origin. 5.11 Reject any item that lacks secure ownership history, unless there is reliable documentation to show that it was exported from its country of origin before 1970, or the museum is acting as an externally approved reposi-tory of last resort, or in the best judgement of experts in the field concerned the item is of minor importance and has not been illicitly traded. 5.12 Contact colleagues and appropriate authorities both in the UK and overseas for any information or advice that may be necessary to inform judgement regarding the legitimacy of items considered for acquisition or inward loan. 5.13 Comply not only with treaties which have been ratified by the UK Government, but also uphold the principles of other international treaties intended to curtail the illicit trade, if legally free to do so. 5.14 Report any suspicion of criminal activity to the police. Report any other suspicions of illicit trade to other museums collecting in the same area and to organisations that aim to curtail the illicit trade.
Das J. Paul Getty Museum erklärt dementsprechend bspw. in Punkt 111.5 seiner Policy for Acquisitions, dass „[e]very effort will be made by the Museum to inquire into the provenance of the acquisition. To accomplish this, staff members will consult as is necessary and reasonable with their colleagues and Museum counsel.“ 469 Entsprechendes gilt für den Code of Practice der UK Fine Art and Antiques Trade Members, der seine Unterzeichner ausdrücklich verpflichtet, nicht mit gestohlenen oder illegal exportierten Kunstgegenständen zu handeln und größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen, zu der auch eine präzise Provenienzerforschung der betroffenen Kulturgüter zählt.470 Auch wenn diesen Verhal469
470
Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 200; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 177 f. Nr. 227 ff. m.w.N. Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 215–216; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
tensregeln zwar keine unmittelbare Rechtswirkung insbesondere im Außenverhältnis und vor Gericht zukommt, dokumentieren sie doch durchaus deutlich die gängigen Wertvorstellungen und Handelsgewohnheiten der jeweiligen Berufsgruppe sowie die berufsspezifischen Sorgfaltsmaßstäbe beim Erwerb kultureller Wertgegenstände. Es erscheint daher nicht unbillig, von den Angehörigen der professionell am Kunsthandel beteiligten Museen, Galeristen, Kunsthändler und Auktionshäuser ein erhöhtes Maß an Sorgfalt allein wegen der Zugehörigkeit zu dieser Berufsgruppe zu verlangen.471 234
Besondere Bedeutung kommt innerhalb der selbstauferlegten Erwerbsregeln und Verhaltensstandards der professionell am Kunsthandel Beteiligten seit dem Jahre 1999 dem sog. Code of Due Diligence for Dealers Trading in Fine Art, Antiques, Antiquarian Books, Manuscripts and Collectors Items des Council for the Prevention of Art Theft (CoPAT) zu. CoPAT wurde im Jahre 1992 innerhalb Großbritanniens gegründet, um Mittel und Wege zum Schutz des nationalen Kulturerbes vor Diebstahl, Beschädigung und Zerstörung aufgrund krimineller Aktivitäten aufzuzeigen.472 Aus diesem Grund wurde im März 1999 in Zusammenarbeit mit dem Home Office und der Association of Chief Police Officers (ACPO) der sog. Code of Due Diligence for Dealers Trading in Fine Art, Antiques, Antiquarian Books, Manuscripts and Collectors Items verfasst, der eine Reihe von Leitsätzen als Vorgaben für Kunsthändler und Auktionshäuser bereithält, damit professionell am Kunsthandel Beteiligte nicht unwissentlich illegal transferierte Kulturgüter erwerben. Die CoPAT-Regelsätze wurden durch Mitglieder des Kunst- und Antiquitätenhandels in Zusammenarbeit mit den zuständigen Polizeibehörden erstellt und sollen alle professionell am Kunsthandel Beteiligte über das primäre Ziel des Code of Due Diligence hinaus auch zur Zusammenarbeit im Kampf gegen den illegalen Kulturgütertransfer aktivieren.
235
Code of Due Diligence for Dealers Trading in Fine Art, Antiques, Antiquarian Books, Manuscripts and Collectors Items: In order to prevent the illicit trade in stolen art and antiques, CoPAT recommends that dealers endeavour to: 1. Require a vendor to provide their name and address and to sign a form identifying the item for sale and confirming that it is the unencumbered property of the vendor and that they are authorised to sell it, and this form will be dated. 2. Verify the identity and address of new vendors and record the details. 471
472
Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. “It works through a number of specialist committees, which draw their membership from heritage organisations, museums, historic house owners, the art trade, the insurance industry, legal profession, police, and experts in various aspects of crime prevention. CoPAT is a registered charity (no. 101753) and depends on the donations and voluntary efforts of those who support its aims. The theft of art, antiques, antiquities and architectural items is now a major category of crime. Art thieves target places of worship, historic houses, museums, parks and gardens, dealers’ premises, and private houses. Losses include important national treasures, the fixtures and fittings of listed buildings, garden statues, and cherished family heirlooms.” Quelle: http://www.museum-security.org/object-ID-and-Copat.htm#copat.
§ 10 Ergebnis: Provenienzerforschung, Fachwissen und Beweislast im deutschen Recht
467
3. Be suspicious of any item whose asking price does not equate to its market value. 4. If there is reason to believe an item may be stolen: (a) Attempt to retain the item while enquiries are made. (b) Contact the officer with responsibility for art and antiques within the local police force area, or in an emergency dial 999. (c) Check with relevant stolen property register(s). (d) Pass to the police any information which may help to identify the person(s) in possession of such items. (e) If still uncertain, refuse to buy, sell or value it. 5. If requested, submit catalogues to the officer with responsibility for art and antiques within the local police force area. 6. Look critically at any instance when requested to pay in cash and avoid doing so unless there is a strong and reputable reason to the contrary. In the absence of such a reason, pay by cheque or other method that provides an audit trail. 7. Be aware of money laundering regulations. 8. Appoint a senior member of staff to whom employees can report suspicious activities. 9. Ensure that all staff are aware of their responsibilities in respect of the above. This code has been drawn up with the co-operation of: Antiquarian Booksellers’ Association, British Antique Dealers’ Association, Library Association, Rare Books Group, Incorporated Society of Valuers and Auctioneers, Royal Institution of Chartered Surveyors, Society of Fine Art Auctioneers.
Bei einer weiten Applikation dieses Code of Due Diligence for Dealers Trading in Fine Art, Antiques, Antiquarian Books, Manuscripts and Collectors Items würde sicherlich eine Diminuierung des illegalen Kulturgütertransfers erfolgen, besticht doch der professionelle Kunsthandel außerhalb der allgemeinen Publizität besonders wertvoller und kulturell bedeutender Veräußerungen und Versteigerungen noch immer durch die Wahrung einer besonderen Diskretion und Heimlichkeit hinsichtlich der beteiligten Personen sowohl auf Veräußerer- als auch Erwerberseite.
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§ 10 Ergebnis: Provenienzerforschung, Berücksichtigung speziellen Fachwissens und Umkehr der Beweislast im internationalen Kunsthandel Bis dato fehlten in der deutschen Judikatur und Rechtsdogmatik systematische Anhaltspunkte für die Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs und der Gutgläubigkeit beim Erwerb kultureller Güter. Es ist Zeit, ein Fazit hinsichtlich des konkret notwendigen Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der Gutgläubigkeit im (inter-)nationalen Kunsthandel zu ziehen. Ausgangspunkt waren die Fragen, ob auch die deutsche Rechtsordnung mit den Forderungen der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik, dem Vorbild der UNIDROIT Konvention aus dem Jahre 1995 und dem in zahlreichen Gerichtsentscheidungen bestätigten strengen Sorgfaltsmaßstab innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika Schritt halten kann, ob deutsche Gerichte ebenso wie amerikanische Richter die Notwendigkeit von Verifizierungs- und Provenienzerforschungsbemühungen innerhalb des (inter-)nationalen Kunsthandels erkennen, ob auch der notwendige Sorgfaltsmaßstab nach dem BGB ausreichend Raum für die Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium bei der Bestimmung des
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468
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
konkreten Sorgfaltsmaßstabes lässt und ob die Beweislastverteilung des deutschen Zivilrechtssystems eine Abkehr von der im Civil Law-Rechtskreis weit verbreiteten Gutglaubensvermutung und eine Hinwendung zu einer Pflicht zum Nachweis der Gutgläubigkeit durch den Erwerber verträgt. 238
So erstaunlich die Beantwortung dieser Fragen vor einer Analyse des Sorgfaltsmaßstabs innerhalb des Systems der deutschen Sachenrechtsregeln geklungen hätte, lassen sich nun sämtliche Fragestellungen mit einem deutlichen JA beantworten und die Erwartungen des Kulturgüterschutzes an die kulturgüterunspezifische Zivilrechtsordnung Deutschlands lassen ohne die Notwendigkeit einer gesetzlichen Intervention de lege ferenda ein effektives Sorgfaltsprogramm auf Seiten des gutgläubigen Erwerbers zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels erkennen (wenn die Rechtsanwender der richtig verstandenen Auslegung und Interpretation des Gesetzeswortlauts folgen!). Zusammenfassend gilt Folgendes: Nach der Legaldefinition des anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabs in § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nur in den beiden Fällen der Kenntnis vom Nichteigentum des Veräußerers und der grob fahrlässigen Unkenntnis von der wahren Rechtslage bösgläubig. Die Kenntnis des Nichteigentums bereitet in der Charakterisierung nur wenige Schwierigkeiten. Weiß der Erwerber, dass der Veräußerer ein Kunstwerk bspw. gestohlen hat, ist ihm dessen Nichteigentum bekannt und ein gutgläubiger Erwerb ausdrücklich des Wortlauts des § 932 Abs. 2 Alt. 1 BGB ausgeschlossen. Als das eigentliche Schlüsselproblem erweist sich jedoch die Frage nach der grob fahrlässigen Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Veräußerers i.S.d. § 932 Abs. 2 Alt. 2 BGB.
239
Sicherlich bedeutet eine unbekannte Provenienz nicht notwendig illegale Fundoder Erwerbsumstände.473 Eine ‚grob fahrlässige Unkenntnis‘ ist zunächst dann anzunehmen, wenn der Erwerber signifikante Hinweise nicht beachtet hat, die darauf hindeuten, dass der Veräußerer ein zuvor unrechtmäßig entzogenes Kulturgut veräußert. Hierfür müssen dem Erwerber bei der Akquisition Umstände bekannt werden, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprechen, dass der Verkäufer nicht Eigentümer der Kunstwerke war. ‚Grob fahrlässige Unkenntnis‘ liegt aber auch dann vor, wenn der Erwerber gebotene Nachforschungen über die Eigentumsposition und Berechtigung des Veräußerers unterlässt. Doch findet nach der gesetzlichen Grundkonzeption die Forderung nach aktiven Provenienzerforschungsbemühungen gutgläubiger Erwerber grundsätzlich keine gesetzliche Legitimation, da nach der Gutglaubensvermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet wird, dass er auch Eigentümer ist. Derjenige, der „in diesen Fällen Überprüfungsobliegenheiten formuliert“, würde „die negative Anforderung des Gesetzes (Abwesenheit von
473
So Ede, Moral, Antikenhandel und archäologische Wissenschaft, in: Flashar, Bewahren als Problem – Schutz archäologischer Kulturgüter, 2000, S. 59–69, S. 61.
§ 10 Ergebnis: Provenienzerforschung, Fachwissen und Beweislast im deutschen Recht
469
Bösgläubigkeit) durch eine positive (Gutgläubigkeit, Redlichkeit)“ 474 ersetzen. Innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs sind dennoch zwei Fallgruppen ersichtlich, in denen aufgrund der außergewöhnlichen Umstände gutgläubige Erwerber aktive Provenienzerforschungsbemühungen unternehmen müssen, um gutgläubig zu sein. Spezielle Verifizierungsbemühungen werden zunächst dann verlangt, wenn der durch die Besitzverschaffungsmacht ausgelöste Rechtsschein durch andere Elemente erheblich beeinträchtigt wird. Besteht eine konkrete Verdachtssituation der unrechtmäßigen Entziehung, sollte grundsätzlich eine Nachforschungsobliegenheit des gutgläubigen Erwerbers angenommen werden. Diese Wertungsgrundsätze wurden durch das Oberlandesgericht München innerhalb des sog. Kykladenidol-Falles 475 für den Erwerb kultureller Wertgegenstände anerkannt und ausdrücklich festgestellt, dass „an die Nachforschungspflicht des Beklagten hohe Anforderungen zu stellen sind“.476 Richtigerweise sollte beim gutgläubigen Erwerb kultureller Wertgegenstände darüber hinausgehend auch von einer generellen Provenienzerforschungsobliegenheit auf Seiten der Erwerber ausgegangen werden. Entgegen der gesetzlichen Grundkonzeption des § 1006 BGB sollte eine ausnahmslose Einschränkung der Verkehrsfähigkeit kultureller Wertgegenstände durch generelle Nachforschungsobliegenheiten gutgläubiger Erwerber zugunsten des Kulturgüterschutzes und der Lauterkeit des deutschen Kunsthandelsplatzes Rechtfertigung finden. Der (inter-)nationale Kulturgüterverkehr stellt aufgrund der besonderen Sachqualität der Handelsgegenstände einen Handelszweig dar, der keine gewöhnlichen Umsatzgeschäfte zum Inhalt hat und aufgrund der kulturellen Unikatfunktion der Kaufobjekte sich nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich vom Handel mit Gebrauchtwaren und sonstigen Konsumgütern unterscheidet.
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Es ist dem im Kunsthandel beteiligten Personenkreis auch durchaus zumutbar, die inzwischen hoch sensibilisierten und präzisierten Informationspools illegal transferierter Kulturgüter zu kontaktieren, die ohne großen finanziellen, personalen und zeitlichen Aufwand eine weitreichende Dokumentation des unrechtmäßigen Kulturgüterverkehrs nahezu weltweit übernommen haben. Vor einer möglichen Einführung eines ‚Kunstobjekt-Briefs‘, ohne dessen Vorlage ein Erwerber als grob fahrlässig i.S.d. Gutglaubensschutzes zu qualifizieren ist,
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475
476
So ausdrücklich Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. hierzu auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320. Auf einen eventuellen Erfolg der Verifizierungsbemühungen kommt es dabei nicht an. Bleibt der Erwerber bei dem Versuch, in angemessener Form die wahre Rechtslage zu ermitteln, ohne Erfolg, so ist der gutgläubige Erwerbstatbestand erfüllt.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
stehen Erwerbern kultureller Wertgegenstände bspw. mit dem Art Loss Register (ALR) als weltweit größter Datenbank unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und bspw. der Lost Art Internet Database, die die Erfassung kultureller Güter zum Inhalt hat, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs entzogen wurden, zwei relativ kostengünstige online verfügbare Register zur Erfüllung der notwendigen Mindestprovenienzerforschungsbemühungen zur Verfügung. Zusätzlich kann auf die traditionellen Informationsmöglichkeiten in Fachzeitschriften und (monographischen) Spezialveröffentlichungen, auf die bekannten ‚catalogues raisonnés‘ und Werkverzeichnisse der Künstler, sowie auf die lokalen wie staatlichen Polizei- und Kulturverwaltungs- und internationalen Rechtsverfolgungsbehörden wie bspw. Interpol zurückgegriffen werden. 242
Schack hat zu Recht darauf verwiesen, dass die Grenzen zwischen verantwortungsbewussten Kunsthändlern, die trotz aller Vorsicht einmal an gestohlene Kunstgegenstände geraten können, und bewusst fahrlässigen, unseriösen Kunsthändlern fließend sind.477 Ebenso wie beim Erwerb gestohlener PKW werden im Kunsthandel jedoch regelmäßig Verdachtsmomente beiseite geschoben und selbstverständliche Vorsichtsmaßnahmen unterlassen.478 Wer Augen und Ohren verschließt, um sich ein günstiges Angebot nicht entgehen zu lassen, der mag sein Gewissen mit der Vorstellung beruhigen: „Wenn ich nicht kaufe, kaufen die anderen.“ Doch selbst wenn dieser niedrige Standard im Kunsthandel üblich sein sollte, gibt diese Einstellung nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt entsprechend dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab der groben Fahrlässigkeit wieder.479 Zur Bekämpfung des kulturellen Schwarzmarktes ist es unumgänglich, ein Mindestmaß an Aufklärungsbemühungen seitens der Erwerber von Kunstwerken zu verlangen. Kunstgegenstände sind aufgrund des großen Wertes mindestens ebenso gefahranfällig, als Hehlerware auf dem Schwarzmarkt vertrieben zu werden, wie gestohlene Personenkraftwagen. Spezielle Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber sind infolgedessen innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs als Handel mit nicht wiederherstellbaren Unikaten aufgrund der besonderen soziokulturellen Bedeutung des künstlerischen Handelsgegenstandes auch innerhalb der deutschen Gesetzessystematik als notwendige und zulässige Präzisierung des gesetzlichen Tatbestandes zu qualifizieren. Da
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Vgl. Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1444. Vgl. Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1444. Vgl. Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1444.
§ 10 Ergebnis: Provenienzerforschung, Fachwissen und Beweislast im deutschen Recht
471
starre Provenienzerforschungsobliegenheiten den privaten Kunsthandel sehr hemmen, scheint es vor dem Hintergrund der Vorgaben der deutschen Rechtsordnung sinnvoll, eine Subjektivierung der due diligence-Anforderungen vorzunehmen. Einerseits bewirkt dies eine Milderung des Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb kultureller Güter durch Personen, die, ohne zur Profession des Kunstgewerbes zu gehören, als Privatsammler erwerben. Andererseits wird aber auch eine Steigerung des Sorgfaltsmaßstabs für solche Personengruppen betont, die im Rahmen ihrer Profession ein berufsspezifisches Sonderwissen und vertiefte Provenienzerforschungsmöglichkeiten tatsächlich besitzen bzw. zumindest beherrschen sollten. Während bspw. beim Erwerb kulturell unbedeutender und materiell nicht sonderlich wertvoller Kunstwerke durch eine im Kunsthandel unbedarfte Privatperson grundsätzlich der Rechtsschein des Besitzes zur Begründung der Gutgläubigkeit genügt, wahren professionell im Kunsthandel Beteiligte den notwendigen Sorgfaltsmaßstab nur bei Vorliegen einer Plausibilitätskontrolle innerhalb der genannten Datenbanken. Andererseits ist dies aber auch von einem im Kunsthandel unbedarften Laien zu erwarten, wenn das Kaufobjekt kulturell bedeutsam bzw. materiell wertvoll ist. Von professionell im Kunsthandel tätigen Personen sind in diesem Fall sogar weitergehendere interne wie externe Provenienzerforschungen zu erwarten, wenn die eigenen Möglichkeiten einen Verdacht nicht entkräften können. Grundsätzlich müssen die aufgewendeten Kosten jedoch immer im angemessenen Verhältnis zum Wert des Kulturguts stehen. Wenn vor der Akquisition kultureller Wertgegenstände keine speziellen Nachforschungsbemühungen des Käufers hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers unternommen werden, muss nach dem deutschen Sorgfaltsmaßstab auf den Erwerb des Kulturguts verzichtet werden. Verzichtet ein Käufer gleichfalls nicht und hofft, dass alles gut geht, ist grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der Nichtberechtigung und der fehlenden Eigentumsposition des Veräußerers innerhalb der deutschen Rechtsordnung anzunehmen. Im Einklang mit dem internationalen Trend verlangt somit auch die deutsche Rechtsordnung Provenienzerforschungsanstrengungen gutgläubiger Erwerber. Durch die Implikation eines variablen Sorgfaltsmaßstabs erfolgt auch innerhalb des BGB eine Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium. Bleibt schließlich noch der Vergleich der deutschen Ausgestaltung der Beweislastverteilung mit dem aktuellen internationalen Trend: Die internationale Rechtsgemeinschaft befindet sich bei der Frage nach der Beweislastverteilung regelmäßig in einem großen Dilemma: Einerseits ist (insbesondere in kulturellen Restitutionsansprüchen in unrechtmäßig entzogenen Beutekunst-, Fluchtkunst-, Raubkunst- oder entarteten Kunst-Fällen) seitens der Eigentümer und Anspruchsteller kultureller Restitutionsansprüche regelmäßig keine ausreichende Dokumentation ihrer Forderungen zu erwarten, da aus tatsächlichen Gründen keine Angaben über den Entziehungsakt und die weitere Veräußerungskette im
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
(inter-)nationalen Kunsthandel gemacht werden können. Aus diesen Gründen neigt der Rechtsanwender schnell dazu, der sog. probatio diabolica-Doktrin zu folgen, wonach von der beweispflichtigen Partei kein Nachweis dafür erbracht werden muss, wenn keine Nachweise oder Zeugenaussagen hierfür mehr erbracht werden können oder sich nicht im für den Anspruchsteller zugänglichen Bereich befinden oder aus sonstigen Gründen kein Zugang hierzu besteht.480 Auf der anderen Seite führt die Befreiung des Anspruchstellers von seiner notwendigen Beweispflicht in besonderem Maße in kulturellen Restitutionsstreitigkeiten zu der Gefahr des Missbrauchs und der Benachteiligung der Rechtsposition des potentiell restitutionspflichtigen Anspruchsgegners und Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, der dann seinerseits nachweisen müsste, dass der Anspruch des Antragstellers zu Unrecht vorgetragen wird. 244
“[W]hatever international mechanism is made competent to resolve art claims arising from World War II, it will have to design creative and fair ways of administering evidence. Given the level of destruction caused by the War and the Holocaust, the long period of time that has elapsed since the War, and the absence of a central record registering ownership and provenance, any initiative to return or compensate for looted or stolen cultural assets has to take into account that many claimants will not be in a position to fully document or substantiate their claims. The central question … can therefore be formulated as follows: knowing that evidentiary support will be scarce, should there be a relaxation in favor of claimants of the normal evidentiary requirements, and if so, how can the claims resolution process ensure that legitimate claims are upheld, on the one hand, and that false, fraudulent or otherwise invalid claims are excluded, on the other?” 481
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Nach § 932 Abs. 1 S. 1 BGB hat im Grundsatz der Eigentümer, der den Rechtserwerb angreift und bestreitet, in der Regel die Unredlichkeit des Erwerbers zu beweisen. Damit steht die deutsche Rechtsordnung im Einklang mit zahlreichen weiteren europäischen Zivilrechtsregeln, da sich vergleichbare Gutglaubensvermutungen zugunsten des Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei internationaler Rechtsvergleichung bspw. in Art. 2268 des französischen Code civile, in Art. 3 des schweizerischen ZGB, in Art. 2002 des niederländischen B.W., in Art. 1147 des italienischen Codice civile sowie in Art. 434 des spanischen Código civil wiederfinden. Anders verhält sich aber bspw. die Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika und auch innerhalb der genannten europäischen Rechtsordnungen wird der konkret anzuwendende Sorgfaltsmaßstab zunehmend strenger. Zahlreiche Kommentatoren beginnen auch hier unter Ver480
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Vgl. hierzu Das, Claims for Looted Cultural Assets: Is There a Need for Specialized Rules of Evidence?, in: The International Bureau of the Permanent Court of Arbitration, Resolution of Cultural Property Disputes – Papers emanating from the seventh PCA International Law Seminar May 23, 2003, S. 205. Das, Claims for Looted Cultural Assets: Is There a Need for Specialized Rules of Evidence?, in: The International Bureau of the Permanent Court of Arbitration, Resolution of Cultural Property Disputes – Papers emanating from the seventh PCA International Law Seminar May 23, 2003, S. 195.
§ 10 Ergebnis: Provenienzerforschung, Fachwissen und Beweislast im deutschen Recht
473
weis auf die Umkehrung der Beweislast innerhalb der UNIDROIT Konvention aus dem Jahre 1995 zu zweifeln, ob eine Gutglaubensvermutung noch immer eine faire und gerechte Beweislastverteilung innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs darstellt.482 Eine rechtsebenenübergreifende Lossagung von der bislang einheitlich vertretenen Gutglaubensvermutung kann für den Kulturgüterverkehr auch innerhalb des Strafrechts und dessen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beobachtet werden. Ein französisches Strafgericht, der Tribunal de Grande Instance de Nanterre, hatte in der Rechtssache Demartini c. Williams vom 6. Juli 2001483, der sog. Frans Hals-Entscheidung 484, darüber zu befinden, ob ein bekannter New Yorker Kunsthändler beim Erwerb von Beutekunst gutgläubig gehandelt hatte. Auch wenn es sich in diesem Fall um ein strafrechtliches Verfahren handelte, in dem der Händler aufgrund des Besitzes gestohlener Objekte strafrechtlich verurteilt wurde, und innerhalb der strafrechtlichen Resolutionsmethoden die Beweislast grundsätzlich auf Seiten des Angeklagten liegt und dieser nachzuweisen hat, dass er in gutem Glauben handelte, scheint ein Rechtsvergleich hier durchaus passend und auch für die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter fruchtbar zu sein.
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In der Entscheidung ging es um das Gemälde ‚Porträt du Pasteur Adrianus Tegularius‘ von Frans Hals (s. Abb. 10). Das Gemälde gehörte ursprünglich zu der während der Zwischenkriegszeit weltweit bekannten Sammlung von Adolphe Schloss in Paris und wurde zusammen mit 332 anderen Gemälden, darunter Werke von Pieter Brueghel, Lucas Cranach und Peter Paul Rubens, im April 1943 von Angehörigen der deutschen Gestapo, französischen Polizisten und Mitarbeitern des sog. Judenkommissariats der französischen Vichy-Regierung aus dem Schloss Chambon in der südfranzösischen Corréze geraubt. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges tauchten lediglich 148 der während des Zweiten Weltkriegs unrechtmäßig entzogenen Gemälde wieder auf. Der Franzose Jean Demartini, Universal-
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Vgl. Lalive, La convention d’Unidroit sur les biens culturels volés ou illicitement exportés (du 24 juin 1995), SZIER, 7. Jahrgang (1997), S. 13–56, S. 30 und 38; Renold, Stolen Art: The Ubiquitous Question of Good Faith, in: The International Bureau of the Permanent Court of Arbitration, Resolution of Cultural Property Disputes – Papers emanating from the seventh PCA International Law Seminar May 23, 2003, S. 260–263. Demartini c. Williams, Tribunal de Grande Instance de Nanterre, July 6, 2001 (unpublished decision). Herstatt, Die Schuld der Käufer: Der Handel mit NS-Raubkunst wird erschwert – aber das ist erst der Anfang; Renold, Stolen Art: The Ubiquitous Question of Good Faith, in: The International Bureau of the Permanent Court of Arbitration, Resolution of Cultural Property Disputes – Papers emanating from the seventh PCA International Law Seminar May 23, 2003, S. 257–258; Anglade, The Portrait of Pastor Adrianus Tegularius by Franz Hals – A Landmark Criminal Decision on Looted Art is Finally Handed Down by French Court, 8 (1) Art, Antiquity & Law (2003), S. 77; Giovannini, The Holocaust and Looted Art, 7 (3) Art, Antiquity & Law, S. 263 ff.; Vgl. auch Art-Law Centre News, Mar. 2002.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
erbe der Schloss-Familie, entdeckte erstmals im Jahre 1967 das Hals-Porträt, doch konnte keine Restitution erfolgen, da sich das ‚Porträt du Pasteur Adrianus Tegularius‘ damals unerreichbar im Ausland befand. Der Rechtsnachfolger des Sammlers Adolphe Schloss musste in der Zwischenzeit beobachten, dass das Gemälde seither in den Auktionshäusern von Sotheby’s und Christie’s in New York viermal ohne Probleme, teils sogar mit Angabe der Provenienz, den Besitzer wechselte, ohne eine Rückführung erreichen zu können. Welche genauen Versuche hierzu unternommen wurden, kann nicht eindeutig bestimmt werden. Bei jedem Neuverkauf verlangte das Pariser Außenministerium jedoch im Namen des Erben die Rückgabe des Bildes, fand aber bei den Behörden in Washington kein Gehör. Die letzte Veräußerung erfolgte im Jahre 1989: Der New Yorker Galerist und Kunsthändler Adam Williams, einer der renommiertesten New Yorker Galeristen und Betreiber der bekannten Newhouse Galleries, hatte das Bild im Jahre 1989 bei Christie’s in London für 1.2 Millionen Franc ersteigert. 248
Als das Gemälde erstmals offiziell in Frankreich ausgestellt wurde, nutzte der Rechtsnachfolger der Schloss-Familie die ‚Chance‘ und die Justiz schlug zu. Williams führte das Frans Hals-Porträt beim französischen Zoll ein, um es auf der Kunstmesse Biennale des Antiquaires in Paris auszustellen. Auf der Messe jedoch beschlagnahmten Polizisten der Spezialabteilung zur Aufklärung von Kunstdiebstahl das ‚Portrait du Pasteur Adrianus Tegularius‘. Einer der renommiertesten New Yorker Galeristen lief somit Gefahr, wegen Hehlerei von Beutekunst vor einem französischen Strafgericht verurteilt zu werden. Ein Untersuchungsrichter nahm den amerikanischen Kunsthändler wegen des Verdachts der Hehlerei und des Handels mit gestohlenen Objekten unter Voranklage. Es folgte ein langes Strafverfahren: Nachdem Adam Williams zweimal von französischen Richtern freigesprochen wurde, hob am 4. Juni das Oberste Gericht in Paris beide Urteile auf. Das Verfahren wurde erst im Juli 2001 mit der Restitution des Frans Hals-Gemäldes an den Schloss-Erben und der Verurteilung des New Yorker Galeristen Williams zu acht Monaten Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe beendet.
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Von besonderem Interesse für die Frage der Beweislast war in der Demartini c. Williams-Entscheidung vom 6. Juli 2001, dass das höchste Strafgericht die Berufung auf die Gutgläubigkeit des New Yorker Galeristen nicht anerkannte. Vielmehr berief sich das Gericht in seiner Entscheidung darauf, dass ein angesehener und in dieser Richtung spezialisierter Kunsthändler und Galerist wie Adam Williams beim Erwerb kultureller Wertgegenstände eine Provenienzrecherche vorzunehmen und festzustellen habe, dass das Gemälde zuvor nicht unrechtmäßig entzogen worden war, einen makellosen Pedigree aufweise und vom Verkäufer rechtmäßig veräußert werden könne. Obwohl der Auktionskatalog des Hauses Christie’s bei der Versteigerung im Jahre 1989 keinen ausdrücklichen Hinweis auf die zweifelhafte Provenienz des ‚Portrait du Pasteur Adrianus
§ 10 Ergebnis: Provenienzerforschung, Fachwissen und Beweislast im deutschen Recht
475
Tegularius‘ enthielt, hätte Williams als Kunsthändler und Fachmann auf diesem Gebiet bei einer Recherche der Kataloge der vorherigen Versteigerungen ausdrückliche Hinweise auf den Beutekunstcharakter des Gemäldes erkannt. Im Jahre 2001 hat somit ein Kunsthändler gesteigerte Provenienzerforschungen zu erbringen, um seine Gutgläubigkeit vor französischen Gerichten auf diesem Wege beweisen zu können. Sorgfältige Verifizierungsbemühungen der Berechtigtenposition des Veräußerers schützen somit vor einer strafrechtlichen Verurteilung und eine hinreichende Provenienzbestimmung beim Erwerb kultureller Wertgegenstände liegt im eigenen Interesse des Erwerbers. Wenn schon das Strafrecht mit gravierenden pönalen Sanktionen wie Freiheits- und Geldstrafe eine Provenienzerforschung und den Nachweis der Gutgläubigkeit eines Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter dem angeklagten Besitzer auferlegt, darf das Zivilrecht nicht zurückbleiben, droht doch ‚nur‘ der Verlust des Gemäldes, grundsätzlich ohne finanziellen Schaden, da sich ein Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei seinem Veräußerer aufgrund einer Rechtsmängelhaftung schadlos halten kann.
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Auch für die deutsche Zivilrechtsordnung stellte sich die Ausgangsfrage, ob das BGB mit seiner grundsätzlichen Vermutung der Gutgläubigkeit des Erwerbers auch unrechtmäßig entzogener Gegenstände in § 932 BGB nicht hinter dem internationalen Trend des Kulturgüterschutzrechts zurückbleibt. Diesbezüglich war aber die Feststellung überraschend, dass die kulturgüterunspezifischen Rechtsvorschriften des deutschen Sachenrechts ebenso wie die Fragestellungen nach der Notwendigkeit einer Provenienzrecherche und nach der Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium bei der Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabs dem Rechtsanwender ausreichend Spielraum für die Umsetzung notwendiger Kulturgüterschutzerwägungen lassen. Es wurde festgestellt, dass das Beweislastsystem des BGB erlaubt, dem gutgläubigen Erwerber und potentiell restitutionspflichtigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter die Beweislast für seine Gutgläubigkeit und Redlichkeit aufzuerlegen. Die Festschreibung einer generellen Nachforschungsobliegenheit gutgläubiger Erwerber im (inter-)nationalen Kunsthandel hat zugleich auch für die Beweislast rechtliche Folgen: Behauptet der ursprüngliche Eigentümer und Anspruchsteller der Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, dass der restitutionspflichtige Besitzer beim Erwerb grob fahrlässig handelte, weil er keine hinreichende Provenienzerforschung vorgenommen hat, hat der Eigentümer und Anspruchsteller nur die tatsächlichen Umstände zu beweisen, aus denen sich die Verantwortung und Notwendigkeit des Erwerbers zu Nachforschungen ergibt. Da innerhalb der deutschen Rechtsordnung jedoch regelmäßig von gutgläubigen Erwerbern im (inter-)nationalen Kunsthandel Mindesterkundigungen über die Provenienz eines Kulturguts und die Berechtigtenposition des Veräußerers einzuholen sind, hat innerhalb eines gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei Geltung der deutschen Zivilrechtsordnung ein Erwerber zu
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476
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
beweisen, dass er bei der Akquisition angemessene Maßnahmen zur Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts getroffen und Mindesterkundigungen über die Berechtigtenposition des Veräußerers eingeholt hat. Kann er diesen Beweis nicht führen, so scheitert der Eigentumserwerb ohne Rücksicht darauf, ob eventuelle Erkundigungen zur Aufklärung der wahren Rechtslage geführt hätten.485 252
Entscheidend ist, dass der Kunsthandel ebenso wie der Gebrauchtwagenhandel ein besonders gefahranfälliger Geschäftsbereich darstellt, der sich vom sonstigen Rechtsverkehr mit gewöhnlichen Konsumgütern unterscheidet. Gebrauchtwagenhandel und Kunsthandel sind gleich zu behandeln. Dies drückte bereits die Historic Claims Director des Art Loss Register aus und verwies darauf, dass sich bei diesem Verständnis die deutsche Rechtsordnung in ‚guter‘ Gesellschaft befindet: “It is interesting to contrast this with the secondhand automobile market in the UK where no reputable dealer fails to check whether a car is stolen or has an outstanding lien before they purchase it. Furthermore, the burden of proof is on the dealer to show that they have done so by checking the central database. It took many years for this to become standard practice in the auto trade, but it is now so well recognized that if a dealer does not consult the database, the police will now tend to take this as prima facie evidence of handling stolen property.” 486
253
Dadurch tritt der Vertrauensschutz der Erwerber bei Kulturgütern hinter das Bestandsinteresse der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch innerhalb der Frage der Beweislastverteilung grundsätzlich zurück, sodass Letztgenannter in kulturellen Restitutionsfällen lediglich diejenigen Umstände darzulegen und zu beweisen hat, aus denen die Nachforschungsobliegenheit hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenperson des Veräußerers folgt. Diese Beweislastregel findet aus kulturpolitischer Sicht in der empirischen Wirklichkeit ihre Rechtfertigung. Aufgrund der tatsächlichen Dimensionen des illegalen Kunsthandels erscheint die hier vertretene Auslegung der Beweisgrundsätze dringend geboten: Durch die Beweispflicht des Erwerbers, bei der Akquisition angemessene Maßnahmen zur Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts getroffen und Mindesterkundigungen über die Berechtigtenposition des Veräußerers eingeholt zu haben, wird positiv auf die Erwerbsmentalität im Kunsthandel eingegriffen. Darüber hinaus kann der Erwerber regelmäßig auch wesentlich leichter seine Gutgläubigkeit beweisen, als dem ursprünglichen Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter der Nachweis der Bösgläubigkeit des Erwerbers gelingt. Die deutsche Beweislastverteilung scheint damit ebenso wie der konkret notwendige Sorgfaltsmaßstab durch die Implikation einer Prove485 486
Ständige Rechtsprechung seit RGZ 134, 14, S. 19; 147, 321, S. 331. Vgl. auch Jackson, Provenance Research – Looking for Looted Art, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 19.
§ 10 Ergebnis: Provenienzerforschung, Fachwissen und Beweislast im deutschen Recht
477
nienzerforschungsobliegenheit im internationalen Kunsthandel ausgewogen und liegt – darüber hinaus – vollständig im internationalen, rechtsnormen- und -ebenenübergreifenden Trend der richtigen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Das theoretische Konzept des guten Glaubens nach den deutschen Rechtsregeln hält somit einem Vergleich mit den internationalen Standards des Kulturgüterschutzes stand und erweist sich als modernes Konstrukt im internationalen Kunsthandel! Die kulturgüterunspezifischen Rechtsregeln des inzwischen mehr als einhundertjährigen BGB verlangen als konkreten Sorgfaltsmaßstab im Grundsatz nach einer generellen Provenienzerforschung, die Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium fordert einen variablen Maßstab in der Beurteilung der konkret notwendigen Verifizierungsbemühungen bei der Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts und der Berechtigung des Veräußerers zur Eigentumsübertragung und ein gutgläubiger Erwerber muss seine Redlichkeit auch vor Gericht beweisen können. Nachdem die abstrakte Systematik für einen effektiven Kulturgüterschutz tauglich ist, fragt sich jedoch, wer nun tatsächlich bösgläubig ist oder wer sich zu Recht auf seine Gutgläubigkeit berufen darf. Da der Verkäufer von Rechts wegen nicht verpflichtet ist, die Provenienz der von ihm angebotenen Kunstwerke zu offenbaren, den Erwerber mit einem Pedigree des Kaufobjektes auszustatten oder eigene Nachforschungen über die Herkunft zu belegen, gilt Folgendes: Ist der Verkäufer zu keinen weiteren Bemühungen bereit, bleibt es dem Erwerber überlassen, ob er ein riskantes Geschäft abschließen, davon ablassen oder eigene Schritte unternehmen möchte, um Zweifel zu beseitigen.487 Für einen Erwerber kultureller Wertgegenstände stellt sich damit die Frage, welche Vorsichtsmaßnahmen er denn im Falle eines Falles treffen soll. So hat schon Pinkerton in ihren Untersuchungen zu Due Diligence für Acquiring Cultural Property in the New Millennium festgestellt, dass „[i]n today’s marketplace, the sophisticated transferee knows that he may buying a lawsuit but has little idea of the standards against which the sale will later be judged. The unsophisticated transferee has very little, if any, idea of the issues, much less the possibility of a subsequent lawsuit.“ 488 Im folgenden 2. Abschnitt wird den Fragen und Bedürfnissen der Praxis durch eine Checkliste notwendiger Sorgfaltsanstrengungen beim Erwerb kultureller Wertgegenstände Rechnung getragen. Dabei wird einerseits eine Antwort darauf gegeben, wie sich ein Erwerber im internationalen Kunstmarkt redlich verhält, andererseits werden aber auch die notwendigen Anhaltspunkte zur richterlichen Beurteilung der Gutgläubig-
487
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Vgl. auch Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24. Due Diligence for Acquiring Cultural Property in the New Millennium?, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 51.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
keit eines Erwerbers post festum aufgezeigt. Durch den Rekurs auf einen bunten Strauß internationaler Gerichtsentscheidungen und zahlreicher praktischer Beispiele schlägt die Studie so den Bogen von der theoretisch-abstrakten Forderung nach einer Provenienzerforschung sämtlicher im Kunsthandel professionell wie laienhaft Beteiligten zu einem praktischen Wegweiser konkreter Indizien zur Bestimmung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit von Museen, Kunsthändlern, Galeristen und Auktionshäusern als auch individuellen Privatsammlern.
2. Abschnitt Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit beim Erwerb von Kulturgütern Bei einer Gesamtbetrachtung zahlreicher Gerichtsentscheidungen und Fallbesprechungen innerhalb der Rechtsdogmatik hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter stellt sich heraus, dass bestimmte Sachverhaltskonstellationen wiederholt als Indizien und Kriterien eines unrechtmäßigen Kulturgutverlustes herangezogen wurden und dementsprechend als signifikante Hinweise in der Bestimmung der Nichtberechtigung bzw. der Nichteigentümerposition des Veräußerers bzw. zur Begründung einer Nachforschungsobliegenheit auf Seiten des Erwerbers dienten. Dabei kristallisieren sich für die unterschiedlichen Konstellationen des illegalen Kulturgütertransfers divergierende Hinweiszeichen heraus, die eine Art ,Checkliste‘ für den Rechtsanwender in der Bestimmung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit des Erwerbers von Kulturgütern darstellen. Signifikante Hinweise können im Rahmen der Veräußerung eines Kulturguts entweder unmittelbar auf die Nichtberechtigung des Veräußerers hindeuten oder nur Zweifel an dessen Eigentumsposition begründen, sodass entweder die Gutgläubigkeit aufgrund der Kenntnis signifikanter Hinweise ausgeschlossen ist oder nur weitere Nachforschungen seitens des Erwerbers zu verlangen sind, um diese Indizien ausräumen zu können. Dabei kann bereits ein Verdachtsmoment allein als so gravierend zu bewerten sein, dass eine Eigentumsvermutung des Veräußerers aufgrund dessen Besitzstellung nicht mehr zu rechtfertigen wäre, zuweilen sind erst mehrere Umstände in der Summe als signifikante Hinweise auf die Nichteigentümerstellung des Veräußerers oder als vertiefte Nachforschungsbemühungen begründend zu werten. Hier ist eine wertungsbedingte Einzelfallentscheidung vorzunehmen, wobei aufgrund der Besonderheit des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs und dessen Gefahranfälligkeit bereits leichte Zweifel an der Eigentümerstellung des Veräußerers zwar keine signifikanten Hinweise für die Nichtberechtigung darstellen, zumindest aber weitergehendere, tiefgreifendere Nachforschungen seitens eines Erwerbers fordern. Vor diesem rechtskonstruktiven Hintergrund ist zu erkennen, dass der Übergang zwischen den Fällen, in denen der Rechtsschein aufgrund signifikanter Hinweise auf die Nichteigentümerstellung des Veräußerers ausgeschlossen ist, und in denen nur Zweifel oder Verdachtsmomente begründet sind und somit weitergehendere, tiefgreifendere Nachforschungen zur Wahrung der Gutgläubigkeit des Erwerbers notwendig sind, immer fließend sein wird.489 Diese Tendenz wird auch in der kulturgüterspezifischen Rechtsprechung bestätigt, wonach in der überwiegenden Zahl der Urteile zur Bestimmung des notwendigen Sorg-
489
Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 55–60.
255
480
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
faltsmaßstabs die Frage eine ausschlaggebende Rolle spielte, ob der Erwerber Erkundigungen hätte einziehen oder Nachforschungen hätte anstellen müssen, um bestehende Zweifel am Eigentum des Veräußerers auszuräumen.490 256
Nachdem unter Punkt A. zunächst spezielle Kriterien zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb gestohlener Kulturgüter analysiert werden, erfolgt unter Punkt B. eine Untersuchung spezieller Verdachtsmomente beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter, bevor unter Punkt C. verdächtigen Erwerbsumständen im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr bezüglich der im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und dem Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
A. Kriterien zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb gestohlener Kulturgüter 257
Besonders innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs mit gestohlenen Kunstwerken sind spezielle tatsächliche Hinweiszeichen491 zu erkennen, bei deren Vorliegen regelmäßig „[a]ll the red flags are up, all the red lights are on, all the sirens are blaring.“ 492 Entweder ist dann bereits unmittelbar von der Bösgläubigkeit des Erwerbers auszugehen oder die Umstände legen diesem spezielle, weitergehendere oder tiefgreifendere Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Eigentums- bzw. Berechtigtenposition des Veräußerers und der Provenienz des zu erwerbenden Kulturguts auf. Nach einer ausführlichen Darstellung der objektiven (Punkt I.) und subjektiven Indizien (Punkt II.) zur Bestimmung verdächtiger Erwerbsumstände im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr mit gestohlenen Kulturgütern ist die Wirkungsweise spezieller Sorgfaltsanforderungen an Erwerber kultureller Wertgegenstände bei Vorliegen verdächtiger Akquisitionsumstände in der Praxis anhand der Entscheidung Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.493 exemplarisch aufzuzeigen (Punkt III.).
490 491
492
493
Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 55–60. Vgl. einführend auch die Erwägungen bei Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 68–72. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1402. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374; 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990). Vgl. jeweils m.w.N. Bersin, The Protection of Cultural Property and the Promotion of International Trade in Art, N.Y.L. Sch. J. Int’l & Comp. L. Vol. 13 (1992), S. 125 ff., S. 148–150; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 242–246.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
I.
Objektive Indizien zur Bestimmung verdächtiger Erwerbsumstände im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr mit gestohlenen Kulturgütern
Eine Unterscheidung wird innerhalb der Kriterien zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb gestohlener Kulturgüter allgemein zwischen objektiven Umständen der kulturellen Veräußerung (Art, Gestaltung und Inhalt der Veräußerung, Erwerbspreis, ein ungewöhnlicher Veräußerungsort, die Besitzverhältnisse und die Besitzdauer beim Veräußerer, eine ungewöhnliche Eile sowie die Üblichkeiten der Kunstbranche allgemein beim Erwerb kultureller Wertgegenstände) und subjektiven Aspekten des Veräußerers beim Erwerb kultureller Wertgegenstände vorgenommen, wozu die Besonderheiten der Person des Veräußerers neben die Legitimation des Veräußerers, dessen Verkaufsmotivation, spezielle Erklärungen und Urkunden, die Vermögenslage sowie sonstige äußerlich erkennbare subjektive Umstände des Veräußerers treten. Schon in den allgemeinen Lehrbüchern des (deutschen) Sachenrechts wird bestimmt, dass es bei der Festlegung des Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber „auf die Person des Erwerbers (versierter Geschäftsmann oder harmloser Zeitgenosse), die des Veräußerers (vertrauenserweckender, geachteter Bürger – lichtscheues Subjekt) ebenso an[kommt] wie auf die Art des Geschäfts (Verkehrsgeschäft des täglichen Lebens – Kreditgeschäft) und allgemein bekannte Erfahrungsregeln.“ 494 Hier wird jeweils auf den Einzelfall der zur Beurteilung vorliegenden Sachverhaltskonstellation abgestellt. Als Hinweiszeichen, die den durch Besitz begründeten Rechtsschein zerstören, sind sowohl objektive, persönliche, sachliche wie situative Umstände des Kulturguterwerbs und eine Gesamtbetrachtung aller Vorgänge um die Akquisition so mit in die Betrachtung einzubeziehen, wie sie einem durchschnittlichen Erwerber mit der besonderen subjektiven Sachkenntnis des Betroffenen zur Wertung vorliegen.
1.
495
258
Art, Gestaltung und Inhalt des konkreten Kulturguttransfers als Indizien am Beispiel des Erwerbspreises und der Erwerbszeit
Art, Gestaltung und Inhalt des konkreten Kulturguttransfers 495 sind mitunter die wichtigsten Anhaltspunkte bei der Beurteilung einer grob fahrlässigen Unkenntnis von dem Nichteigentum des Veräußerers an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern („die Art und Gestaltung des Erwerbsgeschäfts, der Preis und die 494
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Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, S. 602–630. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40; Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26; Michalski in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 9–10.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Marktlage können das Geschäft als normal oder ungewöhnlich erscheinen lassen“ 496). Auch innerhalb der UNIDROIT Convention kommt in der Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig transferierter Kulturgüter den konkreten Erwerbsumständen besondere Bedeutung zu.497 Zur Bestimmung der „gebührenden Sorgfalt“ des Erwerbers eines gestohlenen Kulturguts müssen danach alle relevanten Umstände des Erwerbes berücksichtigt werden, um festzustellen, ob die erwerbende Partei jegliche Anstrengung unternommen hat, die wahre Herkunft des Objektes aufzuklären.498 260
Zuvörderst ist hier an den konkreten Preis des zu veräußernden Kulturguts und die Marktlage solcher Güter im Generellen zu denken.499 Je weiter der Kaufpreis von allgemeinen Markt- oder Schätzpreisen abweicht, dest mehr Skepsis ist geboten.500 Die Höhe des Kaufpreises wird auch in Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT Convention vom 24. Juni 1995 ausdrücklich als Kriterium genannt. Ein außerordentlich niedriger Kaufpreis kann so bspw. das Geschäft als ungewöhnlich erscheinen lassen.501 Wenn der in der jeweiligen Transaktion vom Verkäufer geforderte Kaufpreis wesentlich geringer als der entsprechende Marktwert des zu veräußernden Kulturguts ist, muss der Käufer besondere Vorsicht walten lassen und im Besonderen die rechtmäßige Provenienz des Objektes erforschen. “This does not preclude a reasonable bargain, but it does mean that an acquirer must 496
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Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44. Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26. Vgl. auch Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11 – Kykladenidol; BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 05.11.1969, Az: VIII ZR 247/67, MDR 1970, S. 227 (Eigentumsvorbehaltskauf: Weiterveräußerung – Bösgläubigkeit, Leitsatz 2: 2. Zur Frage der Bösgläubigkeit, wenn ein Großhändler eine Ware von einem anderen Großhändler, der sich in Liquiditätsschwierigkeiten befindet, unter Einkaufspreis erwirbt); OLG Hamburg, Entscheidung vom 5.3.1970, MDR 1970, S. 506–507. Verweis auch bei Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184; Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24. Vgl. Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184, unter Rekurs auf Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11 – Kykladenidol; BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 05.11.1969, Az: VIII ZR 247/67, MDR 1970, S. 227; OLG Hamburg, Entscheidung vom 5.3.1970, MDR 1970, S. 506–507.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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be satisfied that the low price is not due to the fact that there is a defect in the title.” 502 Stellt die Gegenleistung des Käufers nur einen Bruchteil des Marktwertes des Kunstwerks dar, ist somit erhöhte Vorsicht geboten. Eine solche Konstellation ereignete sich in der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung der Chambre d’accusation de Genève vom 1. April 1997 in dem in der Literatur teilweise sog. Desportes Still-life case, in dem die Rückführung eines in Frankreich gestohlenen Gemäldes angestrebt wurde. Der potentiell restitutionspflichtige Besitzer in der Schweiz berief sich in seiner Verteidigung auf seinen guten Glauben beim Erwerb des Gemäldes und die daraus folgende Berechtigung zum dauerhaften Behaltendürfen des Gegenstandes. Das Schweizer Instanzengericht erkannte in dieser Fallkonstellation, dass der Käufer das auf einen Preis von ca. 3.200.000 FF geschätzte Gemälde innerhalb des Territoriums der Schweiz zu einem Kaufpreis i.H.v. 1.083.000 FF nach Vortrag des Restitutionsgläubigers bzw. i.H.v. 1.700.000 FF aus Sicht des Restitutionsschuldners, und damit in beiden Fällen weit unter dem geschätzten Marktpreis, erworben hatte. In seinem Urteil sah das Revisionsgericht keinen Grund, von der Entscheidung des Eingangsgerichts abzuweichen, das die Voraussetzungen der Gutgläubigkeit hier nicht als erfüllt ansah. Die Chambre d’accusation de Genève führte aus, dass der Erwerber ein erfahrener Geschäftsmann und Kenner des Kunstmarktes sei, der trotz des außergewöhnlich niedrigen Kaufpreises des Gemäldes keine weitergehenden Authentizitätsuntersuchungen oder Provenienzrecherchen des Kaufobjektes vornahm, obwohl ihm der Verkäufer gänzlich unbekannt war und keinen Nachweis für eine rechtmäßige Einfuhr des Gemäldes in die Schweiz attestierte.503
261
Dies hatte die deutsche Rechtsprechung schon zuvor sowohl bei einem Erwerb von Waren zu Schleuderpreisen für den gutgläubigen Fahrniserwerb im Generellen 504 als auch beim Erwerb kultureller Güter im sog. Kykladenidol-Fall 505 für den Kunsthandel im Speziellen entschieden. Der Kläger besaß bekanntlich ein sog. Kykladenidol, eine weibliche Figur aus dem 3. Jahrtausend vor Christus. Er überließ das Idol, das ca. 70.000 bis 80.000 DM wert war, einem gewissen G., der sich u.a. auch im Kunsthandel betätigte, mit anderen Kunstgegenständen zum Verkauf. Dieser übergab das Idol in Gegenwart des griechischen Studenten P.,
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Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Ordonnance rendu le 1. novembre par la Chambre d’accusation de Genève (the) le Cour de Droit public, Decision of 1 April 1997, zitiert bei Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. OLG Hamburg, MDR 1970, S. 506. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. hierzu auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
den er als Eigentümer des Idols vorstellte, dem zur Herausgabe Beklagten, um es ihm zu Eigentum oder zu Sicherungseigentum zu übertragen. Der Beklagte zahlte dafür 7.000 DM an P., die letzterer dem G. aushändigte. Der Kläger behauptet, Eigentümer und früherer Besitzer des Idols zu sein, und begehrt mit der Klage dessen Herausgabe.506 Da der Eigentümer die Figur im vorliegenden Fall freiwillig aus der Hand gab, ist der Schutz des Eigentümers vor dem Verlust einer Sache aufgrund gutgläubigen Erwerbs im Wege der Qualifikation als Abhandengekommen hier ausgeschlossen, sodass der Erwerber bei Gutgläubigkeit Eigentum an dem Idol erwerben konnte. Nach Rechtseinschätzung des Berufungsgerichts „mußte schon das grobe Mißverhältnis zwischen dem Wert des Idols und dem dafür verlangten Betrag das Mißtrauen des Beklagten erwecken“507. In der Revisionsbegründung wurde seitens des Beklagten eingewandt, dass G. das Idol dem Beklagten zur Sicherung für eine Darlehensforderung übergeben habe. Bei der Beleihung eines Kunstgegenstandes sei aber nicht ohne weiteres Anlass zu Misstrauen gegeben, wenn er zur Sicherung für einen Darlehensbetrag überlassen werde, der erheblich unter dem Wert der Sache liege. Dies ist sicherlich als beachtenswerte Überlegung in die Bewertung miteinzubeziehen. Das Oberlandesgericht München bescheinigte diesem Vorbringen in der vorliegenden Konstellation jedoch keinen Erfolg, da zusätzlich noch weitere Umstände für die Bösgläubigkeit des Beklagten sprachen: „Es hat darauf hingewiesen, daß derart wertvolle Kunstwerke nur im Fachhandel, auf Versteigerungen oder von privaten Sammlern verkauft werden. Bei P. habe es sich aber um einen dem Beklagten bis dahin völlig unbekannten jungen griechischen Studenten gehandelt. Es hat weiter ausgeführt, die heute allgemein bekannte Tatsache, daß wertvolle Antiquitäten strengen Ausfuhrbestimmungen ihrer Herkunftsländer unterliegen, habe den Beklagten zumindest zu einer Frage nach der Herkunft des Idols veranlassen müssen, weil G. ihm vorgemacht hatte, daß das Idol erst in letzter Zeit aus Griechenland nach Deutschland gekommen sei. Der Beklagte habe aber nicht einmal eine Frage nach der Herkunft des Idols gestellt, sondern sich mit der Unterzeichnung einer von ihm selbst aufgesetzten eidesstattlichen Versicherung durch P. begnügt. Das Berufungsgericht hat aus diesen Umständen rechtsirrtumsfrei gefolgert, daß der Beklagte seine mangelnde Berechtigung grob fahrlässig nicht kannte.“ 508 Damit konnte im Ergebnis der Beklagte den Besitz des Idols auch nicht gutgläubig erwerben, sodass schon das Berufungsgericht 506
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Vgl. zu den tatsächlichen Angaben der Sachverhaltskonstellation Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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mit Recht der Auffassung war, dass im vorliegenden Fall an die Nachforschungspflicht des Beklagten hohe Anforderungen zu stellen waren, weil eine Sache von bedeutendem Wert unter ungewöhnlichen Umständen übergeben wurde. Das Berufungsgericht lehnte dementsprechend die Gutgläubigkeit des Erwerbers ab und gab der Restitutionsklage des Eigentümers statt.509 Festzuhalten bleibt jedoch, dass in dem Fall, dass Kulturgüter zur Sicherung für eine Darlehensforderung übergeben werden, allein aufgrund der Tatsache, dass das Kunstwerk einen erheblich höheren Wert als die Darlehenssumme hat, nicht unmittelbar auf Bösgläubigkeit des Sicherungsnehmers geschlossen werden kann.510 Hierfür müssen noch weitere Indizien der Bösgläubigkeit hinzutreten. Allgemein wird in der Literatur jedoch ausgeführt, dass die Sicherungsübereignung für einen Erwerber generell verdächtiger sein müsse als ein Austauschgeschäft. Dies ergäbe sich aus dem fehlenden Austausch ebenso wie aus der Tatsache des Sicherungsbedürfnisses, ohne dass sich jedoch zwingend sagen ließe, dass bei Sicherungsübereignung immer Erkundigungsobliegenheiten bestünden.511 Auch innerhalb der amerikanischen Entscheidung Taborsky v. Maroney 512 war von Bedeutung, dass dem Erwerber Maroney nicht nur bekannt war, dass das Gemälde im Auftrag Taborskys zum Verkauf angeboten wurde, sondern er auch darüber Bescheid wusste, dass der Preis in Höhe von US $ 205.000 erheblich unter der Summe lag, die der veräußerungswillige Eigentümer Taborsky ursprünglich für das Gemälde verlangt hatte. Darüber hinaus war Maroney sogar darüber informiert, dass der zur Veräußerung des Gemäldes beauftragte Kunsthändler Bolen den Betrag nur ratenweise an Taborsky abführen konnte und dass er mit der Rückzahlung einer Schuld an Hirschl & Adler im Rückstand war.513
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Vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11; vgl. hierzu auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. hierzu auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Taborsky v. Maroney and Hirschl & Adler, Nr. 832533, 83-2560 Civ. 296, unveröffentlichter Beschluss des US. Court of Appeal für den 7th Cir. vom 7. September 1984; Feldman/Weil/ Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2.3, S. 29. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 38–39; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, Fn. 156, S. 85; Köhling, Der Eigentumserwerb abhanden gekommener Kunstgegenstände im amerikanischen Recht, 1999, S. 28–32. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 38–39; Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2.3, S. 36.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Vor diesem tatsächlichen Hintergrund qualifizierte das zur Entscheidung berufene Gericht das Verhalten des Erwerbers Maroney beim Erwerb des Gemäldes von dem beauftragten Kunsthändler Bolen als grob fahrlässig. Die Richter warfen dem Erwerber vor, dass dieser angesichts der besonderen Umstände der vorliegenden Konstellation (besonders niedriger Kaufpreis) vor dem Erwerb des Gemäldes verpflichtet gewesen wäre, spezielle Nachforschungen über die Berechtigung des Veräußerers zum Verkauf des Kunstwerks anzustellen. Dabei wurde besonders darauf hingewiesen, dass bereits ein Anruf bei dem Sachverständigen, den Taborsky zur Schätzung des Werts des Bildes eingeschaltet hatte und dessen Beteiligung Maroney bekannt war, die vernünftigerweise aufkommenden Zweifel an Bolens Berechtigung hätte bestätigen können.514 264
Das Schweizer Bundesgericht lieferte mit dem sog. Waffensammlung-Fall 515 ein Beispiel für die Konstellation, dass ein angemessener Kaufpreis aber auch dafür spricht, dass trotz anderer verdächtiger Umstände nicht zwingend von Bösgläubigkeit auszugehen ist. In der Nacht vom 8. auf den 9. April 1979 wurde eine antike Waffensammlung aus einer Villa in Versoix bei Genf gestohlen. Die Diebe übergaben die Sammlung über einen Zwischenhändler, der die Objekte schließlich einem Antiquitätenhändler verschaffte, der sie auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Diebstahl einem Privatsammler verkaufte.516 Die besonderen Umstände der Veräußerung sind eigentlich als verdachtsbegründend zu werten: Das Geschäft wurde in der Privatwohnung des Veräußereers abgewickelt und der Erwerber musste den Kaufpreis i.H.v. 320.000 Schweuzer Franken ‚cash‘ zahlen. Bis 1991 blieb die Sammlung verschwunden. Die im darauffolgenden Jahr erhobene Herausgabeklage wurde 1997 nach einem Umweg übers Bundesgericht vom Luzerner Obergericht abgewiesen.517 Im Ergebnis wurde die Gutgläubigkeit des Erwerbers bejaht, obwohl das Bundesgericht den „Antiquitätenhandel als risikoreiche Branche“ qualifizierte 518, in der oft mit ‚unsauberer Ware‘ gehandelt wird.519 Daraus folgerten die Richter eine erhöhte Sorgfaltspflicht und eine Nachforschungs- und Erkundigungsobliegenheit des Händlers oder Sammlers.520 „Das Luzerner Obergericht erkannte zwar, dass die Waffensammlung kein alltägliches Kaufobjekt und der Kaufpreis im Verhältnis zum Schatzungswert 514
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Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 38–39; Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2.3, S. 36. Vgl. Müller-Chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267–1279, S. 1272. Vgl. Müller-Chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267–1279, S. 1272. Obergericht Luzern, Urteil vom 2.6.1997 (Az: N 11 96 45/133). Vgl. BGE 122 III 1. Vgl. Müller-Chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267–1279, S. 1272. Vgl. BGE 122 III 1.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
487
sehr günstig war. Ferner lagen weder Angaben über die Herkunft der Ware noch Gutachten vor. Ausserdem sprach auch das im Urteil nicht weiter spezifizierte Verhalten des Erwerbers nach dem Kauf nicht für seine Gutgläubigkeit. Entscheidend schien aber zu sein, dass der Kaufpreis nicht nachgerade als Schleuderpreis betrachtet werden konnte, der Erwerber keine Zweifel an der Seriosität des Veräusserers zu haben brauchte und sich die Umstände des Kaufes im Rahmen des Branchenüblichen bewegten.“ 521 Dies war bspw. auch innerhalb der Restitutionsklage der Erben von Karl Grünwald gegen das Musée d’Art Moderne et Contemporain Strasbourg auf Herausgabe der Gouache ‚Die Erfüllung‘ von Gustav Klimt (s. Abb. 11) fallentscheidend.522
265
Hintergrund der Klage gegen das Musée d’Art Moderne et Contemporain in Strasbourg auf Herausgabe der Gouache ‚Die Erfüllung‘ von Gustav Klimt war die tragische Vermögensentziehung des Wiener Kunst-, Antiquitäten- und Möbelstoffhändlers Karl Grünwald, der nach Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich nach Frankreich flüchtete, seine Kunstsammlung jedoch zunächst zurücklassen musste. Während Karl Grünwald und seine Söhne im Jahre 1942 nach Amerika emigrieren konnten, fanden seine Ehefrau Steffany und die Tochter Lena in einem Konzentrationslager den Tod. Nach Ausfuhr von 50 Werken aus der Kunstsammlung von Karl Grünwald aus Österreich noch vor Einmarsch deutscher Truppen in den Westgebieten nach Straßburg, wurden die Gemälde nach Einmarsch der deutschen Truppen von den NS-Besatzern im Sommer 1940 sichergestellt, beschlagnahmt und im Juni 1942 und 1943 zwangsversteigert. Unter unbekannten Umständen wurde das Klimt-Gemälde ‚Die Erfüllung‘ im Jahre 1956 von dem Musée d’Art Moderne et Contemporain in Strasbourg zu einem für damalige Verhältnisse äußerst niedrigen Preis i.H.v. von 500 Franc heutiger Währung (etwa 75 Euro) erworben. Obwohl Karl Grünwald bereits unmittelbar nach Kriegsende mit der Suche nach seinen im Krieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern begann, wurden erst die Erben Karl Grünwalds Ende der 1990er Jahre auf die Gouache aufmerksam. Nachdem die Erben erfolglos die Restitution des Gemäldes durch das Musée d’Art Moderne et Contemporain in Strasbourg begehrten, erhoben sie 1998 Klage vor dem zuständigen französischen Zivilgericht auf Herausgabe ihres Gemäldes ‚Die Erfüllung‘ von Gustav Klimt.523
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Vgl. Müller-Chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, Aktuelle juristische Praxis 2003 Heft 11, S. 1267–1279, S. 1272. Vgl. Lillie, Was einmal war – Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, 2003, S. 434 ff.; Heinick, Gutes Ende – Wiederentdeckt, restituiert und bald auktioniert: Egon Schieles „Sonnenblumen“, F.A.Z. vom 13. Mai 2006; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 79–80; Rediscovered Masterpiece by Egon Schiele to be Auctioned at Christie’s (http://www.news-antique.com/?id=781375); Rediscovered Masterpiece (http://christies.com/presscenter/pdf/04212006/113918.pdf). Vgl. zum Sachverhalt Lillie, Was einmal war – Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, 2003, S. 434 ff.; Heinick, Gutes Ende – Wiederentdeckt, restituiert und bald
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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Zu Recht ging das Strasbourger Zivilgericht mit keinem Wort auf die Sicherstellung und Beschlagnahme des Gemäldes durch die Organe und Behörden des nationalsozialistischen Deutschlands auf französischem Territorium ein: Sowohl nach den allgemeinen zivilrechtlichen Wertungen (die völkerrechtswidrige Entziehung kultureller Güter bewirkt keinen zivilrechtlichen Eigentumsübergang und ist privatrechtlich als Abhandenkommen zu werten524) als auch nach den speziellen Nichtigkeitserlassen Frankreichs trat kein Eigentumsverlust Karl Grünwalds ein. Aus letztgenanntem Grund konnte auch auf der öffentlichen Auktion in den Jahren 1942 bzw. 1943 in Strasbourg, die durch den Gerichtsvollzieher durchgeführt wurde, von den Erwerbern keine Rechtposition erworben werden, sodass Karl Grünwald auch weiterhin als Eigentümer des Klimt-Gemäldes anzusehen war.
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Da jedoch nach den Regeln des französischen Privatrechts ausnahmsweise auch an unrechtmäßig entzogenen Gegenständen ein gutgläubiger Rechtserwerb möglich ist, hatte das Strasbourger Zivilgericht darüber zu entscheiden, ob das Musée d’Art Moderne et Contemporain in Strasbourg durch den Erwerb im Jahre 1956 Eigentümerin des Klimt-Gemäldes wurde. Die Rechtsinstitute des gutgläubigen Erwerbs und der akquisitiven Ersitzung der Eigentumsposition sowie die Möglichkeit extinktiver Verjährung des Herausgabeanspruchs sind immer dann aktuell, wenn die unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter in der Folge einem (internationalen) Veräußerungsgeschäft zugeführt werden, die außerhalb der Reichweite der französischen Nichtigkeitserlasse liegen. Im Ergebnis hat das Strasbourger Zivilgericht jedoch dem Restitutionsanspruch der Karl Grünwald-Erben stattgegeben und entschieden, dass aufgrund des besonders niedrigen Kaufpreises des Gemäldes das grundsätzlich anwendbare Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs im konkreten Fall aufgrund der besonderen Verkaufsumstände tatbestandlich nicht erfüllt sei, da keine Redlichkeit des Musée d’Art Moderne et Contemporain in Strasbourg anzunehmen sei, und die Erben, nach dem Tod ihres Vaters im Jahre 1964, in dessen Eigentümerstellung eingetreten sind. Im Ergebnis hatte das Musée d’Art Moderne et Contemporain in Strasbourg das Gemälde an die Erben zu restituieren. Das Gericht verurteilte die Stadt zudem zur Zahlung von 50.000 Franc an die Karl Grünwald-Erben. Die Stadt teilte mit, sie werde dem Urteil sofort Folge leisten.
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Schließlich kann auch die Erwerbszeit als weitere Konkretisierung der Art, Gestaltung und des Inhalts des konkreten Kulturguttransfers ein Verdachtsmoment der Nichteigentums- bzw. Nichtberechtigtenposition des Veräußerers ausdrücken. Dies war bspw. in der bekannten Sachverhaltskonstellation Reid v. Metropolitan
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auktioniert: Egon Schieles „Sonnenblumen“, F.A.Z. vom 13. Mai 2006; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 79–80. Vgl. ausführlich hierzu auch Band 1: Illegaler Kulturgüterverkehr.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Police Commissioner 525 von Interesse. In dieser Sachverhaltskonstellation hatte der Käufer zwei Kerzenleuchter ca. eine viertel Stunde vor Sonnenaufgang des 13. Februar 1970 auf dem New Caledonian Market in London erworben und genau deshalb blieb ihm die Berufung auf die in dem market overt-Fall aus dem Jahre 1596 statuierte Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot des gutgläubigen Erwerbs verwehrt. Innerhalb der Entscheidung des Court of Appeal bestimmte Richter Scarman wie folgt: “When shops were scarce, the market was the place, and market day the occasion for the public to buy and sell. The market was regulated by the franchise-holder; the place, the day, and the hours of business were established under the authority of the franchise and were well known. Thus any person whose goods had been stolen would know where and when the thief was likely to seek to dispose of them, and would have an opportunity of finding and recovering them before they were sold in the open market.” 526
2.
Relevanz des Erwerbsorts und die besondere Objektqualität des Erwerbsgegenstandes als Indizien
Als objektive Umstände der Veräußerung, aus denen sich Verdachtsmomente ergeben, sind auch die weiteren Gegebenheiten der konkreten Veräußerungssituation und des gesamten Akquisitionstatbestandes entscheidend, nach dem sich die Eigentumsübertragung vollzieht.527 Misstrauen ist im Kunsthandel bspw. dann als notwendig zu betrachten, wenn der Verkauf über einen Händler abgewickelt wird, der seinen eigenen Namen oder den seines Auftraggebers nicht preisgeben will.528 Besonders wird dabei auf einen ungewöhnlichen Ort der Übergabe kultureller Wertgegenstände aufmerksam gemacht.529 „Wer in einem groß-
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Reid v. Commissioner of Police of the Metropolis, (1973) 1 QB 551 (CA); Reid v. Metropolis Police Commissioner, (1973) 2 All ER 97. Reid v. Metropolis Police Commissioner, (1973) 2 All ER 97, S. 101–102. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40; Michalski in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 9–10. Vgl. Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24 führt zur Beseitigung von begründetem Misstrauen des Erwerbers unter anderem Expertisen an, die sich zur Provenienz äußern. Relevanz des Ortes einer Übergabe im vergleichbaren Gebrauchtwagenkauf: „Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Streithelfer der Beklagten das von ihm zum Verkauf angebotene Fahrzeug auf der Straße vor seinem Haus abgestellt hatte. Dieser Umstand mußte in Verbindung mit der Tatsache, daß in dem Kraftfahrzeugbrief nicht der Verkäufer, sondern ein Dritter als Halter des Fahrzeugs eingetragen war, dem Beklagten … Anlaß zu einer Nachforschung nach der Verfügungsbefugnis des Verkäufers geben. Daß er eine solche Nachforschung unterlassen hat, ist ihm als grobe Fahrlässigkeit anzulasten, die seinen
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
städtischen Bahnhofsviertel nachts von Unbekannten goldene Uhren kauft, kann sich auf seine Arglosigkeit nicht herausreden. Das lässt sich ganz allgemein für den Erwerb wertvoller Gegenstände auf der Straße sagen.“ 530 Die verkehrsübliche Abwicklung des Geschäfts, d.h. ob Kunstwerke quasi „unter der Hand“ 531 oder im Rahmen eines allgemeinen, öffentlichen Geschäftsbetriebes veräußert werden, wird im Besonderen auch für den Erwerb kultureller Güter entscheidende Bedeutung in der Bestimmung der grob fahrlässigen Unkenntnis von dem Nichteigentum des Veräußerers auf Seiten des Erwerbers erlangen. Außergewöhnliche Erwerbsorte kultureller Wertgegenstände wurden bspw. bei der Veräußerung zypriotischer Mosaiken in der Freihandelszone des Genfer Flughafens innerhalb der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.532 (hier wurde die Importkontrolle der Schweiz umgangen) oder bei der Veräußerung des Sevso-Schatzes 533 im Anhänger eines Lastkraftwagens im Ladebereich einer Hafenanlage erkenntlich. 271
Die besondere Bedeutung des Erwerbsortes wurde auch bei der Veräußerung einer wertvollen Geige unter zweifelhaften Umständen in dem sog. Gragnani-
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Eigentumserwerb sowohl nach § 366 HGB als auch nach § 932 BGB ausschließt; denn auch dem Beklagten … mußte bekannt sein, daß beim Verkauf von Gebrauchtwagen, vor allem wenn er auf der Straße vorgenommen wird, mit unlauteren Machenschaften gerechnet werden muß. Hätte der Beklagte … bei dem damals noch im Brief als Halter des Fahrzeugs eingetragenen Kläger nachgefragt, dann wäre ihm dessen Eigentumsvorbehalt und die fehlende Verfügungsbefugnis des Verkäufers über das Fahrzeug nicht verborgen geblieben.“ Vgl. BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 5.02.1975, Az: VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, JR 1975, S. 413 m. Anm. Fischer, Verweis auch bei Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. „Guter Glaube an Verfügungsbefugnis; gutgläubiger Erwerb eines Gebrauchtwagens: Sonstiger Orientierungssatz: 1. Wer bei einem Händler im Rahmen von dessen Geschäftsbetrieb eine Ware kauft, geht im Zweifel mindestens von der Verfügungsbefugnis des Händlers aus. 2. Der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis eines Kaufmanns kann gerechtfertigt sein, selbst wenn ein guter Glaube an sein Eigentum durch grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen wäre. 3. Beim Kauf eines Gebrauchtwagens ist die Übergabe und Prüfung des Kfz-Briefs nur eine Mindestanforderung für einen gutgläubigen Eigentumserwerb. Sind Umstände vorhanden, die einen Verdacht erregen müssen, so besteht eine Erkundigungspflicht beim letzten eingetragenen Halter des Fahrzeugs. Ein solcher Verdachtsgrund liegt immer vor, wenn ein Gebrauchtwagen auf der Straße verkauft wird und der Verkäufer nicht der letzte im Kfz-Brief eingetragene Halter ist.“ BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 5.02.1975, Az: VIII ZR 151/73. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. die Formulierung bei Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1398; bestätigt in 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990). Vgl. D’Arcy, The Sevso treasure: who did what and to whom, 31 The Art Newspaper, Artikel vom 14. Oktober 1993, S. 38.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
491
Geigen-Fall des OLG München vom 12.12.2002 ersichtlich.534 In dieser Fallkonstellation hatte der Veräußerer den Erwerbsinteressenten an den Münchener Hauptbahnhof gebeten und dort eine Gragnani-Geige weit unter dem Marktwert veräußert. Eine Bescheinigung über die Echtheit der Geige wurde seitens des Veräußerers nicht beigebracht. Hinzu kam, dass die angebliche Auftraggeberin nicht in Erscheinung trat und auch der zur Legitimation dienende handschriftlich verfasste Auftrag nicht von ihr stammte. Der Erwerber hat vor dem OLG München vorgetragen, sein Bruder habe gemäß §§ 932, 933 BGB bzw. gemäß § 366 Abs. 1 HGB gutgläubig Eigentum an der streitgegenständlichen Geige durch eine sog. Stubenhändlerin erworben, die ihm diese Geige im Auftrag eines Geigenbaumeisters mit der Genehmigung der angeblichen Eigentümerin verkauft habe. Er selbst habe das Eigentum von seinem Bruder gemäß §§ 929, 931 BGB durch Abtretung des Herausgabeanspruchs erworben. Die ursprüngliche Eigentümerin machte demgegenüber geltend, dass in beiden beschriebenen Fallkonstellationen kein Eigentumserwerb eingetreten sein könne und sie dementsprechend weiterhin rechtmäßige Eigentümer der Geige sein müsse. Bei dem Verkauf einer wertvollen Geige am Münchener Hauptbahnhof ohne die Vorlage eines echten OriginalZertifikats von einem anerkannten Unternehmen könne kein guter Glaube entstehen. Der vom Kläger in der Berufungsinstanz neu eingeführte Begriff der „Stubenhändlerin“ habe keine rechtliche Bedeutung und begründe keine Kaufmannseigenschaft. Auch ein Geigenbauer, der hin und wieder eine Geige verkaufe, sei kein Kaufmann. Das OLG München stellte in seiner Entscheidung fest, dass weder ein Eigentumserwerb nach §§ 929, 931 BGB und §§ 932, 933 BGB noch nach § 366 Abs. 1 HGB erfolgt war. Dem Erwerber fehlte der gute Glaube an die Berechtigung des Veräußerers und an die Eigentümerstellung der angeblichen Auftraggeberin. Außerdem lag keine Veräußerung eines Kaufmanns im Betrieb seines Handelsgewerbes vor. Das Gericht begründete die Unredlichkeit des Erwerbers mit folgenden Erwägungen: „An einem guten Glauben des Erwerbers an der Berechtigung des Veräußerers fehlt es bereits dann, wenn dieser ohne besondere Aufmerksamkeit und besonders gründliches Überlegen auf Grund der Gesamtumstände die fehlende Berechtigung des Veräußerers bzw. die fehlende Eigentümerstellung der Person, die den Veräußerungsauftrag erteilt hat, hätte erkennen müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein besonders wertvoller Gegenstand außerhalb eines gewöhnlichen Geschäftsbetriebs deutlich unter dem Verkehrswert verkauft wird … . An diesen Voraussetzungen fehlt es hier, da der Bruder des Klägers, der von Beruf Geigenbauer ist, die streitgegenständliche Geige im Wert von ca. 170 TDM samt Bogen im Wert von ca. 20 TDM für 130 TDM in bar in oder vor einem Lokal in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs erwarb. Auf Veräußererseite waren die arbeitslose Laborantin … und der Geigenbauer … , der im Hintergrund wirkte, tätig. Das Originalzertifikat für die Geige und den Bogen lag nicht vor, sondern nur ein handschriftlich verfasster Auftrag, der nicht einmal von der angeblichen Eigentümerin und Auftraggeberin … unterschrieben war.“ 534
Vgl. OLG München, Entscheidung des 19. Zivilsenats vom 12.12.2002, Az: 19 U 4018/02, NJW 2003, S. 673. Vgl. hierzu auch Arendholz, § 10 Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Hoeren/Holznagel/Ernstschneider, Handbuch Kunst und Recht, S. 217–241.
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492
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
273
Das OLG München wies ausdrücklich darauf hin, dass die streitgegenständliche Geige weit unter dem Verkehrswert an einer Örtlichkeit verkauft wurde, an der üblicherweise kein Handel mit kostbaren Musikinstrumenten stattfindet. Der Bruder des Klägers musste als Fachmann deshalb an der Korrektheit des Geschäfts stark zweifeln.535 Trotz dieser Umstände hinterfragte keiner der Erwerber die Veräußerungsbefugnis des Überbringers der Geige, sowie der Eigentümerstellung des Hintermanns des Veräußerungsgeschäfts, von dem dem Erwerber nicht einmal eine Anschrift bekannt war. Ein solches Verhalten ist grob fahrlässig und verhindert die Begründung eines guten Glaubens. Darüber hinaus bestimmte das OLG München, dass die Veräußerer keine Kaufleute waren, da der gelegentliche Verkauf eines Musikinstruments keine Kaufmannseigenschaft begründet, da es an der Gewerbsmäßigkeit fehlt. Diese liegt nur dann vor, wenn eine dauernde wirtschaftliche Tätigkeit in der Absicht ausgeübt wird, ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen.536
274
Bei der Veräußerung kultureller Güter auf offener Straße 537 – etwa an freien Verkaufsständen, im öffentlichen Warenverkauf oder (das gilt besonders für antiquarische Gegenstände) auf Flohmärkten – müssen in der Regel jedoch weitere Merkmale hinzukommen, um den Rechtsschein des Besitzes zerstören zu können. Dies wurde bspw. im wohl bekannten Hamburger Stadtsiegel-Fall 538 seitens der auf Herausgabe klagenden Stadt Hamburg geltend gemacht.539 535
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OLG München, Entscheidung des 19. Zivilsenats vom 12.12.2002, Az: 19 U 4018/02, NJW 2003, S. 673: „1. Wer ein hochwertiges Musikinstrument deutlich unter dem Verkehrswert an einem Ort erwirbt, an dem kein Handel mit solchen Gegenständen stattfindet, handelt grob fahrlässig und kann sich somit nicht auf einen guten Glauben an die Eigentümerstellung oder an die Veräußerungsbefugnis berufen, wenn die Legitimation des Verkäufers nicht glaubhaft gemacht ist. An die Glaubhaftmachung sind in einem solchen Fall hohe Anforderungen zu stellen. 2. Der gelegentliche Verkauf eines Musikinstruments begründet mangels Gewerbsmäßigkeit noch keine Kaufmannseigenschaft.“. Vgl. OLG München, Entscheidung des 19. Zivilsenats vom 12.12.2002, Az: 19 U 4018/02, NJW 2003, S. 673. Vgl. etwa BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 5.02.1975, Az: VIII ZR 151/73. Sog. Hamburger Stadtsiegel-Fall: BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 5. Oktober 1989, Az: IX ZR 265/88 [Verfahrensgang: vorgehend OLG Köln 2. November 1988 2 U 52/88; vorgehend LG Köln 25. Februar 1988 8 O 473/87]; Fundstellen: WM 1989, 1902–1904; DB 1989, 2605; NJW 1990, 899–901; MDR 1990, 238; JA 1990, 128; RWP 1989/1187 SG 30.3, 247; JuS 1990, 411. Vgl. Kemper, BGB-Sachenrecht – Gutgläubiger Erwerb abhandengekommener Sachen in einer öffentlichen Versteigerung (Entscheidungsbesprechung BGH, 1989-10-05, IX ZR 265/88), JA 1990, S. 128; Schmidt, Rechtsprechungsübersicht – Gutgläubiger Erwerb bei öffentlicher Versteigerung (Entscheidungsbesprechung BGH, 1989-10-05, IX ZR 265/88, NJW 1990, 899), JuS 1990, S. 411–412; Wolf, Gutgläubiger Erwerb einer möglicherweise öffentlich-rechtlich gewidmeten Sache in einer öffentlichen Versteigerung, Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht (WuB) IV A § 383 BGB 1.90; Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – ein Trümmerhaufen, NWVBl 1993, S. 327–333, S. 328–329; Fechner, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1993, S. 704; Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall – VG Köln, NJW 1991, 2584, JuS 1992, S. 745–748, S. 748; Thormann, Nochmals: Das Hambur-
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
Wie bereits erläutert, war die Beklagte Inhaberin eines Antiquitätengeschäfts und das genannte Stadtsiegel wurde am 26. April 1986 auf einer Auktion des Kunsthauses Schloß A. für 2.107,80 DM erworben. Der Auktionskatalog wurde zahlreichen hamburgischen und sonstigen deutschen Museen sowie dem Bundeskriminalamt vor der Auktion zugeleitet. Auf diese wurde auch in den überregionalen Tageszeitungen (z.B. FAZ, SZ, Welt) hingewiesen. Auftraggeber des für die Versteigerung von Kunstgegenständen und Antiquitäten öffentlich bestellten und vereidigten Auktionators war ein Ehepaar, das das Siegel viele Jahre vorher auf einem Trödelmarkt in Braunschweig erworben hatte, ohne von der speziellen Herkunft und Bedeutung des Siegels zu wissen. Bei der erstinstanzlichen Herausgabeklage vor dem Landgericht Köln berief sich die Stadt darauf, dass ein Stadtsiegel zweifelsohne nicht Gegenstand eines gutgläubigen Erwerbsgeschäfts auf einem Flohmarkt sein könne und dementsprechend das erwerbende Ehepaar bösgläubig gewesen sein musste. Damit berief sich die auf Herausgabe klagende Stadt auf den besonders auffallenden Veräußerungsgegenstand als signifikanter Hinweis für das Nichteigentum des Veräußerers.540 Art oder Zustand
540
ger Stadtsiegel, NWVBL 1992, S. 354–357, S. 356; Axer, Das Hamburger Stadtsiegel – ein Problem des Rechts der öffentlichen Sachen, NWVBL 1992, S. 11–13, S. 13; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 158–159; Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 141–142; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 77–79 und 258–263; Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 25–28; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 65–67; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 67–68; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 50–53. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184, unter Berufung auf OLG München, Entscheidung vom 18.6.1928, JW 1929, S. 332; KG, Entscheidung vom 22.9.1931, JW 1932, S. 63–64; OLG Frankfurt, Entscheidung vom 14.5.1974, WM 1975, S. 1050–1051; BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 04.10.1972, Az: VIII ZR 66/71, MDR 1973, S. 44–45 („Es ist auch grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, daß das Berufungsgericht demjenigen, der vom Vorbehaltskäufer erwirbt – will er dem Vorwurf der Bösgläubigkeit entgegen –, die Pflicht auferlegt, sich nicht mit einer entsprechenden Versicherung des Verkäufers zu begnügen, sondern Erkundigungen darüber einzuziehen, ob der veräußernde Vorbehaltskäufer durch Zahlung des Kaufpreises Eigentümer geworden ist. Dies hat der erkennende Senat schon wiederholt ausgesprochen (vgl. VIII ZR 54/66 vom 17. Januar 1968, WM 1968, 540; VIII ZR 35/68 vom 17. Dezember 1969, LM BGB § 932 Nr. 26 JZ 1970, 187, WM 1970, 120). Eine solche Erkundigungspflicht obliegt aber dem Abnehmer des Vorbehaltskäufers nur, wenn die Umstände der Veräußerung den Verdacht nahelegen, der Vorbehaltskäufer veräußere, obgleich er den Kaufpreis noch nicht (voll) bezahlt habe und deshalb selbst noch kein Eigentum an der Sache erworben habe (§ 932 BGB). Dies bedarf einer Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Sache an den Abnehmer veräußert ist.“ BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 04.10.1972); RG, Entscheidung vom 6.3.1923, RGZ 106, 350, S. 352.
493 275
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
der zu veräußernden Sache stellen damit für den Erwerber beachtenswerte Umstände dar.541 Im Ergebnis wurde vom Landgericht die von der Stadt Hamburg geäußerte Ansicht jedoch „nicht geteilt“ und festgestellt, dass sich bei der Veräußerung von Siegelstempeln nicht jedem der Verdacht aufdrängen müsse, dass dieser dem ehemaligen Besitzer abhandengekommen sei. Das Landgericht begründete seine Einschätzung – hier zum gutgläubigen Erwerb auf der öffentlichen Versteigerung – mit der Feststellung, dass weder das Bundeskriminalamt noch der Auktionator noch die Kunsthändlerin Anstoß an der Veräußerung des Siegels genommen hätten und somit auch die Antiquitätenhändlerin keinen Verdacht hätte schöpfen müssen.542 In der Berufungsbegründung der Stadt Hamburg wurde daraufhin geltend gemacht, dass ein gutgläubiger Erwerb des Stempels nicht möglich gewesen sein könne: „Erstens sei ein gutgläubiger Erwerb eines solch auffälligen Objekts auf einem Flohmarkt (um das Jahr 1970) nicht denkbar, daher auch keine anschließende Ersitzung durch das Ehepaar, das das Petschaft im Jahre 1986 zur Auktion gab. Zweitens hätten sowohl der Auktionator als auch die sachverständige Firma den Stempel als entfremdetes Typar einer Gebietskörperschaft erkennen müssen.“ 543 In der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 2. November 1988 wurde diesen Erwägung jedoch nicht gefolgt: Weil sich dem Auktionator – eine mit einer besonderen Sachkunde ausgestattete Person – der Charakter des Objektes nicht „aufdrängte“, müsse auch ein sonstiger Erwerber diesen nicht erkennen. Dies belege auch der gutgläubige Erwerb durch die Antiquitätenhändlerin. Das Vorbringen der Stadt Hamburg, ein Fachmann hätte den Siegelstempel erkennen müssen, wurde vom OLG als „pauschale und im einzelnen nicht näher konkretisierte Behauptung“ bezeichnet.544 Auch vor dem Bundesgerichtshof machte die Stadt Hamburg in ihrer Revisionsbegründung geltend, dass die Firma das Typar nicht gutgläubig erwerben konnte, weil sie grob fahrlässig handelte, als sie den offiziellen Charakter des Stempels nicht erkannte. Es wurde seitens der Stadt gerügt, dass das Oberlandesgericht den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht richtig beurteilt hätte. Das OLG war der Ansicht, grobe Fahrlässigkeit sei nicht gegeben, weil sich der Firma 541
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Relevanz des Artes oder des Zustandes der zu veräußernden Sache, vgl. OLG München, Entscheidung vom 18.6.1928, JW 1929, S. 332; KG, Entscheidung vom 22.9.1931, JW 1932, S. 63 f., 64; OLG Frankfurt, Entscheidung vom 14.5.1974, WM 1975, S. 1050–1051; BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 04.10.1972, Az: VIII ZR 66/71, MDR 1973, S. 44–45; RG, Entscheidung vom 6.3.1923, RGZ 106, 350, S. 352, Verweis auch bei Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. LG Köln, Entscheidung vom 25. Februar 1988, Az: 8 O 473/87 (unveröffentlicht), wiedergegeben auch bei Eckardt, Stationen eines Stempels – Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel, 1995, S. 40. Eckardt, Stationen eines Stempels – Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel, 1995, S. 44. Entscheidung des OLG Köln, Entscheidung vom 2. November 1988, Az: 2 U 52/88, wiedergegeben bei Eckardt, Stationen eines Stempels – Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel, 1995, S. 48.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
495
keine „eindeutigen“ Umstände „aufdrängen“ mussten. Diese Bestimmung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit sei jedoch rechtsfehlerhaft, da grobe Fahrlässigkeit schon dann zu bejahen sei, wenn dem Erwerber Umstände bekannt oder mühelos erkennbar seien, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprächen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer sei. In der vorliegenden Situation hätte die Firma zwar nicht erkennen müssen, dass es sich um den IV., aber sie hätte sehen müssen, dass es sich um einen offiziellen Siegelstempel der Stadt Hamburg handelte. „Sie hätte Verdacht schöpfen müssen, da nach allgemeiner Lebenserfahrung sowohl gültige als auch außer Kraft gesetzte Siegelstempel vom Siegelinhaber unter Verschluss gehalten werden und üblicherweise nicht Gegenstand des Handels sind.“ 545 Letztinstanzlich folgte aber auch der Bundesgerichtshof nicht den seitens der Stadt Hamburg vorgebrachten Erwägungen, dass die Echtheit des Siegeltypars mühelos erkennbar gewesen sei, und stellte fest, dass keine Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Unkenntnis von dem Nichteigentum des Veräußerers bei dem Erwerb durch die Antiquitätenhändlerin gesprochen hätten.
3.
Besondere Umstände der Kaufsache als verdachtsbegründende Indizien
Auch die besonderen Umstände an der Kaufsache selbst müssen eine erhöhte Vorsicht beim Erwerber hervorrufen. Dies wird bspw. anhand des Restitutionsbegehrs des Rubens-Gemäldes ‚Tarquinius und Lucretia‘ (s. Abb. 12) ersichtlich, in dem die deutsche Bundesregierung Rückführungsverhandlungen mit Vertretern der Russischen Föderation geführt hat.546
276
Das Gemälde gehörte ursprünglich zum Bestand der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Potsdam und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von einem sowjetischen Militärangehörigen individuell gestohlen, ohne Befehl der sowjetischen Besatzungsbehörden (d.h. nicht kriegsbedingt, da keine staatliche Zurechnung) auf das Territorium der Sowjetunion als persönliche Trophäe verbracht und in der Wohnung seiner Familie über Jahrzehnte hinweg geheim gehalten. Aufgrund der sozialistisch geprägten Sachenrechtsordnung innerhalb des sowjetischen Staatsgebietes waren Kulturgüter in der Regel nicht verkehrsfähig und ein privater Handel – in diesem Fall sogar mit einem wertvollen Rubens-Gemälde – war unzulässig. Diese Rechtslage änderte sich jedoch grundlegend durch das neue russische Zivilgesetzbuch aus dem Jahre 1995, unter
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545
546
Eckardt, Stationen eines Stempels – Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel, 1995, S. 52. Vgl. hierzu und zu den folgenden Angaben Schoen, Kulturgutverluste – Ausgewählte Einzelfälle in bezug auf die aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter, in Gornig/Horn/Murswiek, Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte, 2007, S. 157–166, S. 161–162.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
dessen Geltung das Gemälde durch die Tochter des Militärangehörigen an einen Dritten veräußert wurde.547 Aktuell befindet sich das Gemälde im Bestand eines russischen Geschäftsmanns mit juristischer Ausbildung, der vorgibt, das Gemälde im Jahre 1999 von einem Händler erstanden zu haben und sich gegenüber möglichen Restitutionsforderungen zu Unrecht auf seine Gutgläubigkeit beim Erwerb des Gemäldes beruft, da eine solche nach dem neuen russischen Recht schon deshalb ausscheidet, weil das Gemälde dem Eigentümer abhandengekommen ist und nach Art. 302 Abs. 1 des geltenden russischen Zivilgesetzbuches an abhandengekommenen Gegenständen kein gutgläubiger Erwerbmöglich ist.548 278
Jedoch selbst wenn eine bona fide-Akquisition theoretisch möglich gewesen wäre, müsste eine solche hier ausscheiden, da der Besitzer wusste bzw. wissen musste, dass das Gemälde nicht im Eigentum des Veräußerers stand. „Durch unsachgemäße Behandlung hatte das Gemälde großen Schaden erlitten. Der Rahmen des großformatigen Gemäldes ist nicht mehr vorhanden. Das Gemälde selbst wurde ersichtlich mehrfach auf Koffergröße gefaltet, um es besser transportieren und verwahren zu können. Die Leinwand und die Farbe sind entsprechend geschädigt. Um derartige Beschädigungen zu vermeiden, werden große Bilder, wenn sie schon nicht in Rahmen transportiert werden können, bei einer Verlagerung von Fachleuten nicht geknickt, sondern mit der Leinwand nach außen gerollt. Aber noch ein Weiteres spricht entschieden gegen die Gutgläubigkeit: Im Kaufvertrag mit dem derzeitigen Besitzer trägt das beschädigte Gemälde nicht irgendeinen Titel, sondern genau diejenige Bezeichnung, unter dem es in der Kunstgeschichte bekannt ist und auch als Verlustbild dokumentiert ist: ,Tarquinius und Lucretia‘. Käufer und Verkäufer wußten damit doch sehr genau, womit sie handelten.“ 549 Die deutsche Bundesregierung vertritt hier somit zu Recht die Meinung, dass kein Rückkauf in Frage käme, sondern die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Potsdam als rechtmäßige Eigentümerin des Gemäldes Herausgabe vom gegenwärtigen Besitzer verlangen könne. Als Annex gilt es zusätzlich darauf hinzuweisen, dass für solche Kulturgüter, die nicht auf Anordnung der Besatzungsorgane geplündert worden sind, sondern privat gestohlen wurden, keine Designation zu Staatseigentum der Russischen
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Vgl. zu dem tatsächlichen Hintergrund des Falles Schoen, Kulturgutverluste – Ausgewählte Einzelfälle in bezug auf die aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter, in Gornig/Horn/Murswiek, Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte, 2007, S. 157–166, S. 161–162. Vgl. Schoen, Kulturgutverluste – Ausgewählte Einzelfälle in bezug auf die aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter, in Gornig/Horn/ Murswiek, Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte, 2007, S. 157–166, S. 161–162. Schoen, Kulturgutverluste – Ausgewählte Einzelfälle in bezug auf die aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter, in Gornig/Horn/Murswiek, Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte, 2007, S. 157–166, S. 161–162.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
497
Föderation aufgrund des russischen Kulturgütergesetzes vom 15. April 1998 i.d.F. vom 25. Mai 2000 erfolgte. Besondere Auffälligkeiten bestanden auch bei dem Erwerb des Gemäldes ‚Winter‘ von Corrado Giaquinto innerhalb der Rechtssache Erisoty v. Rizik 550. Das Gemälde war eines von vier weiteren gestohlenen Kunstwerken, die im Jahre 1960 aus dem Haus von Souraya Rizik gestohlen wurden. Im Jahre 1988 wurde das Gemälde zerschnitten in fünf Teile in einer Plastiktüte bei Umzugsarbeiten in einem Haus in Philadelphia aufgefunden. Das Gemälde wurde von Kunsthistorikern des Philadelphia Museum of Art dem Künstler Corrado Giaquinto zugeschrieben, ohne dass jedoch eine Aussage hinsichtlich der Provenienz getroffen werden konnte. Nachdem das Gemälde im Jahre 1989 von der Erisoty-Familie auf einer öffentlichen Versteigerung zu einem Kaufpreis i.H.v. US-$ 29.500 gutgläubig erworben wurde (der Käufer Stephen Erisoty beabsichtigte als professioneller Restaurator die Instandsetzung des Gemäldes, um es anschließend wieder zu veräußern), hatte das FBI das Gemälde im Jahre 1993 aus deren Bestand beschlagnahmt und ohne Durchführung eines Verfahrens zur Feststellung des wahren Gläubigers (sog. interpleader action) unmittelbar an den ursprünglichen Eigentümer Rizik herausgegeben. Nachdem Rizik die Aufforderung Erisotys zur Rückführung des Gemäldes verweigerte hatte, klagte die Erisoty-Familie auf Restitution des Gemäldes vor dem Pennsylvania district court. Das angerufene Gericht stellte fest, dass in der vorliegenden Konstellation eine ausgewogene Entscheidung für eine Rückführung des gestohlenen Gemäldes an den ursprünglichen Eigentümer Rizik spreche. In seiner Entscheidung stellte das Gericht vornehmlich darauf ab, dass der gutgläubige Erwerber Erisoty das Gemälde ohne eine Nacherforschung der Provenienz des Kunstwerks erworben habe. Dies wäre in der vorliegenden Konstellation schon deshalb besonders bedeutsam gewesen, weil das Kunstwerk in fünf Teile zerschnitten war. Aufgrund dieser „suspicious circumstances“ 551 hätte der Erwerber nach Ansicht des Gerichts damit rechnen müssen, dass früher oder später der wahre Eigentümer auftauchen werde, sodass die Richter die unzulängliche Erfüllung der Sorgfaltsanforderungen des gutgläubigen Erwerbers Erisoty beanstandeten.
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So wäre es bspw. innerhalb der Fallkonstellation United States v. McClain verdächtig gewesen, dass sich bei dem Verkaufsgespräch an den archäologischen Gegenständen noch Transportspuren, Erde oder Strohreste befanden, ein Umstand, der weitere Untersuchungen nach der Herkunft der Artefakte vonnöten gemacht hätte.552 Allgemein formuliert bspw. Jayme hinsichtlich der besonderen
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Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Vgl. United States v. McClain, 545 F.2d 988 (1977); 551 F.2d 52 (1977); 593 F.2d 658 (1979) (U.S.).
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Objektqualität des Erwerbsgegenstandes als Indiz, dass entsprechend der Entscheidung des Oberlandesgerichtes München im sog. Kykladenidol-Fall 553 bei archäologischen Kulturgütern beim gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten höhere Anforderungen an den guten Glauben des Erwerbers gestellt werden müssen als bei der Veräußerung anderer Gegenstände. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts, welches ausgeführt hatte, „die heute allgemein bekannte Tatsache, daß wertvolle Antiquitäten strengen Ausfuhrbestimmungen ihrer Herkunftsländer unterliegen, habe den Beklagten zumindest zu einer Frage nach der Herkunft des Idols veranlassen müssen“ 554.555 Hierfür plädiert ohne wenn und aber auch Siehr: „Ein wesentlicher Unterschied zwischen archäologischen Kunstschätzen und anderen Kulturgütern besteht darin, dass bei archäologischen Kunstschätzen nicht der Gegenstand als solcher in erster Linie interessiert, sondern der Gegenstand in seinem archäologischen Kontext. Erst dieser Kontext gibt sicheren Aufschluss über die Bedeutung des archäologischen Gegenstandes. Das ist meistens anders bei allen übrigen Kunstgegenständen. Sie stehen für sich selbst, ihr Urheber ist meistens bekannt und nur selten erschliesst sich ihre Bedeutung erst aus einem anderen bereits bekannten Kontext. Deshalb lässt es sich durchaus vertreten, archäologische Kulturgüter anders zu behandeln als alle übrigen Kunstgegenstände und beim Erwerb von archäologischen Kunstgütern einen lückenlosen Provenienznachweis zu verlangen, wenn man einen gutgläubigen Erwerb für sich in Anspruch nehmen will. Ob man diesen Nachweis auch bei anderen Gegenständen verlangen soll, lässt sich erst beantworten, wenn man eine andere Unterscheidung mehr als bisher betont.“ 556 281
Innerhalb der Kommentierungen zu Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT Convention wird ausgeführt, dass zu den besonders zu prüfenden Erwerbsumständen auch spezielle dingliche Eigenschaften zählen, wie bspw. die Veräußerung von kulturellen Gütern aus Staaten wie Afghanistan 557 oder Irak558, in denen bereits seit 553
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Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. hierzu auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. hierzu auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320. Vgl. Jayme, Kulturgüterschutz in ausgewählten europäischen Ländern, ZVglRWiss 95 (1996), S. 158–169, S. 159. Siehr, Handel mit Kulturgütern in der Europäischen Union und in der Schweiz, in: Walder, Aspekte des Wirtschaftsrechts – Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1994, 1994, S. 353–372, S. 367–368. Vgl. Press Release by UNESCO 30 March 1994; 65 The Art Newspaper December 1996 1–3; 66 January 1997, 6. Vgl. Press Release by UNESCO 4 March 1995, Notice of Stolen Cultural Property (UNESCO) 1 August 1995; Gibson/Mc Mahon, Lost Heritage: Antiquities Stolen From
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
499
längerer Zeit Krieg geführt wird und eine nationale Kontrolle archäologischer Ausgrabungsstätten bzw. kultureller Institutionen nur noch geringfügig oder überhaupt nicht möglich ist.559 “In such a case due diligence would require the dealer to seek proof that the objects were legally acquired. A collector or dealer who wishes to acquire antiquities in a special corner of the market would be well advised to avoid an area where there is a 90 per cent chance of buying either an illegally excavated or fake object.” 560 Zur Bestimmung einer solchen Sachqualität, die die ‚roten Glocken‘ für alle am Kunsthandel beteiligten Personen zum Läuten bringt, zählen bspw. ebenso wie alle bei Interpol gelisteten Kunstgegenstände auch sämtliche in Spezialberichten als auch der Tagespresse wiederholt aufgeführten und explizit als unrechtmäßig verbracht genannten Gattungen kultureller Güter, wie dies bspw. bei malischen Keramiken 561 und bei archäologischen Gegenständen aus Kambodscha (etwa aus Angkor Wat) 562 der Fall ist. Hinsichtlich des Tatbestandes des kulturellen Diebstahls verdeutlichen die beispielhaften Ausführungen bei Prott das Gemeinte: “The offer, by the same person, of two very rare examples of a book by one of the survivors of the last voyage of Magellan, of which not more than ten copies exist in the entire world, and which were roughly disguised by the recent scratching out of several stamps, should have alerted a major auction house to a possible illegal transaction. According to evidence given before the French court the books had been published in Paris in 1575 and were offered to Sotheby’s Paris which sold them on, although inquiries could have established that three copies of this book had been stolen during the 1970s from three French libraries, two of them in Paris. Sufficient elements in this transaction exist to suggest that the level of diligence required by the UNIDROIT Convention would not have been met.“ 563 Allgemein ist festzuhalten, dass die Objektqualität eine besondere Bedeutung einnimmt. Insbesondere ist beim Erwerb einer Rarität Vorsicht geboten. Ist ein solches Kulturgut kaum auf dem Markt zu finden oder stammt es aus einem
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Iraq’s Regional Museums, 1993; Baker/Matthews/Postgate, Lost Heritage: Antiquities Stolen From Iraq’s Regional Museums, 1994; Fujii/Kazumi Oguchi, Lost Heritage: Antiquities Stolen from Iraq’s Regional Museums, 1996. Dieser Gedanke ist bereits wiedergegeben bei Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Sidibe, The Fight against the Plundering of Malian Cultural Heritage and Illicit Exportation, in: Schmidt/McIntosh, Plundering Africa’s Past, S. 79; Brent, A View inside the illicit Trade in African Antiquities, in: Schmidt/McIntosh, Plundering Africa’s Past, 1996, S. 63; ICOM One Hundred Missing Objects from Africa; Looting in Africa 1992, S. 109–111. Vgl. ICOM, 100 Missing Objects: Looting in Angkor: Pauvert (International Council of Museums), Pillage a Angkor, Looting in Angkor. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51.
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500
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Land, das den Export von Kunstwerken oder Antiquitäten einschränkt, ist mehr Aufmerksamkeit am Platz, als wenn gängige Werke angeboten werden.564
4.
Besitzverhältnisse und die Besitzdauer beim Veräußerer sowie ungewöhnliche Eile bei der Veräußerung als weitere Indizien der Nichtberechtigung des Veräußerers
283
Weitere äußere Umstände der Veräußerungssituation, die den Rechtsschein des Besitzes angreifen, sind die Besitzverhältnisse und die Besitzdauer beim Veräußerer.565 Wird eine kulturell außergewöhnlich bedeutsame und dementsprechend wertvolle Sache, statt sie sinnvoll zu nutzen, kurzfristig wieder veräußert, muss beim Erwerber generell ein Verdacht ausgelöst werden. Nach der Rechtsansicht in der Literatur stellt die kurze Dauer des Vorbesitzers ein generelles Verdachtsmoment dar, das der Erwerber nicht ohne weiteres übersehen darf und zusammen mit den weiteren Umständen der Veräußerung bewerten muss.
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Ganz besonders auffallend ist im (inter-)nationalen Kunsthandel sicherlich eine ungewöhnliche Eile bei der Veräußerung.566 Übertriebene Eile des Verkäufers muss ebenso eine besondere Vorsicht beim Erwerber hervorrufen, wie etwa besondere Umstände an der Kaufsache selbst.567 Gerade im grenzüberschreitenden Kulturgüterverkehr sind zahlreiche Formalitäten zu beachten und auch in reinen Binnensachverhalten sind häufig vor Rechtsübertragung Echtheitszertifikate, umfassende Gutachten und sonstige Anforderungen (wie bspw. Versicherungsleistungen und Bankabsprachen) zu erfüllen. Wird in solchen Situationen seitens des Veräußerers ein außergewöhnlicher zeitlicher Druck auf den Erwerber ausgeübt, kann allein dies schon einen signifikanten Hinweis für den Erwerber auf eine Veräußerung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch den Nichteigentümer darstellen, was den guten Glauben ausschließt.
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Vgl. auch Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26; Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184, unter Rekurs auf BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 05.02.1975, Az: VIII ZR 151/73, NJW 1975, S. 735 ff., S. 737. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
5.
501
Verkehrsübliche bzw. verkehrsunübliche Abwicklung der kulturellen Veräußerung als weitere objektive Indizien
Während eine schlechte Wirtschaftslage allgemein oder auch des (inter-)nationalen oder regionalen Kunstmarktes prinzipiell keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Nichtberechtigung des Veräußerers bieten (ausnahmsweise könnte man daran jedoch in solchen Konstellationen denken, in denen kulturell außergewöhnliche Kunstwerke oder bspw. besonders wertvolle archäologische Objekte fern der bekannten Kunstzentren durch bisher unbekannte Personen veräußert werden), kann innerhalb der objektiven Veräußerungssituation „auch die Solidität der betreffenden Branche im Allgemeinen“ 568 einen signifikanten Hinweis auf das Nichteigentum des Veräußerers darstellen. Bei einer Branche wie bspw. dem Gebrauchtwagenhandel, bei der Unregelmäßigkeiten an der Tagesordnung sind, sind dementsprechend strenge Maßstäbe zu setzen.569 Diese Erwägung trifft aufgrund der besonderen Sachqualität der Erwerbsobjekte – es handelt sich um außerordentlich wertvolle Gegenstände, die seit alters der besonderen Diebstahlsgefahr unterliegen und dementsprechend häufig Gegenstand von Hehlergeschäften sind – auch auf den Erwerb kultureller Güter zu.
285
Ein wesentliches Indiz für die Beurteilung der Fahrlässigkeit gutgläubiger Erwerber ist jedoch die verkehrsübliche bzw. verkehrsunübliche Abwicklung der kulturellen Veräußerung 570.571 Da innerhalb der deutschen Rechtsordnung aufgrund der Qualifikation der genannten Fallkonstellationen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Güter als abhandengekommen in der Regel nur ein Erwerb vom Nichtberechtigten im Wege der öffentlichen Versteigerung i.S.d. § 935 Abs. 2 i.V.m. § 383 Abs. 3 BGB möglich ist, stellt der Versteigerungserwerb Besonderheiten innerhalb der verkehrsüblichen Abwicklung kultureller Veräußerungsgeschäfte dar. Bei einem Erwerb kultureller Güter bei einer Auktion sind nämlich Besonderheiten zu beachten, da in dieser Situation nur eine be-
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Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Dabei wird innerhalb der Rechtsliteratur in erster Linie an langlebige Wirtschaftsgüter gedacht, die in den Bevölkerungskreisen des Veräußerers üblicherweise mit Eigentumsvorbehalt erworben werden. Hier muss sich der Erwerber um ein etwa bestehendes Sicherungseigentum oder einen Eigentumsvorbehalt kümmern. „Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Üblichkeit des Eigentumsvorbehalts bzw eine Sicherheitsübereignung für einen Kredit, das Alter der Sache und die übliche Ratenlaufzeit. Die Anforderungen insoweit dürfen allerdings nicht überspannt werden.“ Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
grenzte Nachprüfung der Eigentumsposition möglich ist. Bei einer Veräußerung bspw. bei Sotheby’s als Beispiel für ähnliche Ausgestaltungsvarianten sind die Auktionen für die Öffentlichkeit zugänglich und „alle Kunstobjekte in einer Auktion können circa drei bis sieben Tage vor dem jeweiligen Auktionstermin öffentlich besichtigt werden. Die Kataloge von allen Versteigerungen sind circa einen Monat vor dem Auktionstermin erhältlich. Diese umfassen zu jedem Los eine Beschreibung, die Provenienz, die Ausstellungsgeschichte, eine Auflistung der Sekundärliteratur und den Schätzpreis. Die Kataloge sind (in den Sprachen Englisch, Französisch und Italienisch) circa einen Monat vor dem Auktionstermin ebenfalls online über www.sothebys.com einzusehen.“572 Um an einer Auktion teilnehmen zu können, kann man entweder vor Ort persönlich mitbieten, ein schriftliches Gebot abgeben, indem ein sogenanntes Bieterformular ausgefüllt wird, oder, in bestimmten Fällen, telefonisch mitbieten.573 In diesen Situationen kann es bspw. fraglich sein, ob der an einem Erwerb interessierte Käufer sich auf die von Sotheby’s selbst veröffentlichten Angaben zur Provenienz verlassen darf, oder ob eigenständige Nachforschungen notwendig erscheinen. Wenn nicht explizit bei verständiger Würdigung der Provenienzangaben innerhalb des Auktionskataloges Unklarheiten bestehen, kann davon ausgegangen werden, dass keine weiteren Verifizierungsbemühungen notwendig sind. So wird bspw. betont, dass bei einem Kauf über Auktionshäuser der Käufer zum Teil von eigenen Nachforschungen insofern entlastet wird, „als die Öffentlichkeit eine gewisse Kontrollfunktion übernimmt und die Auktionshäuser selbst (im eigenen Interesse) Recherchen anstellen.“ 574 Anders wären jedoch exempli cause Sachverhaltskonstellationen zu bewerten, in denen die Versteigerung von Beute- bzw. Raubkunst erfolgt und darauf Hinweise aus den Provenienzangaben ersichtlich werden; wie immer, entscheidend bleiben auch hier die Umstände des Einzelfalles. Auch den Ersteher in einer öffentlichen Versteigerung kann daher eine Nachforschungsobliegenheit treffen.575 Wichtig ist jedoch in allen Einzelfällen, dass „verkehrsübliche Schlampereien und verkehrsüblicher Leichtsinn“ keinen Anlass dafür bieten, die grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Andererseits sind Umstände, die nur in Fachkreisen bekannt sind – außer bei diesen –, im gewöhnlichen Verkehr nicht zu berücksichtigen.576 287
Es wird eine Unterscheidung in der Beurteilung der Gutgläubigkeit im Versteigerungserwerb vorgenommen, ob es sich um eine Veräußerung für eigene oder für
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So die Informationen bei www. sothebys.com. Vgl. www. sothebys.com. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
503
fremde Rechnung handelt. Von besonderem Interesse ist dabei die schon von Kunze aufgegriffene Entscheidungspraxis des Bundesgerichtshofs zur Frage der formularmäßigen Haftungsfreizeichnung im Kunsthandel, die indirekt Argumente zur Begründung einer Nachforschungsobliegenheit im Einzelfall bietet.577 Hintergrund dieses Ansatzes ist, dass es der gängigen Praxis im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr entspricht, dass die Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel bereits in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der professionell am Kunsthandel beteiligten Galeristen, Händler und Versteigerungshäuser ausgeschlossen wird.578 Diese Risikoverteilung zulasten des Erwerbers fand innerhalb der sog. Jawlensky-Entscheidung 579 jedenfalls dann rechtliche Billigung vor den Augen des Bundesgerichtshofs, wenn die beteiligten Kunsthändler, Galeristen und Versteigerungshäuser das Kulturgut kommissionsweise im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung veräußerten.580 Am 28. April 1971 erwarb die beklagte Kunsthändlerin auf einer von der klagenden Kunsthändlerin durchgeführten Kunstauktion zum Preise von 30.331,26 DM ein Ölgemälde, das die Klägerin in eigenem Namen, aber für Rechnung der damaligen Eigentümerin versteigerte. In dem von der Klägerin zur Auktion herausgebrachten Katalog war das Werk auf Seite 20 des Bildteils abgebildet und beschrieben und mit dem Zusatz versehen, dass per Expertise bestätigt werde, dass es sich um ein in dem Werkstattverzeichnis aufgeführtes Bild des Künstlers handele und dem Experten die Herkunft des Bildes bis zum Atelier des Malers bekannt sei. Eine Haftung für Sach- und Rechtsmängel wurde ausgeschlossen. Später stellte sich heraus, dass es sich weder um das im Werkstattverzeichnis geführte Stillleben noch überhaupt um ein Werk des Künstlers, sondern um ein unsigniertes, laienhaft von einem Dritten gemaltes und somit für die Klägerin wertloses Bild handelte. Der Vertrag sei daher bisher von der Klägerin nicht erfüllt, jedenfalls aber von ihr durch rechtzeitig erklärte 577
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Vgl. hierzu und zum Folgenden Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. So bereits Schneider, Rechtliche Risiken beim Erwerb von Antiquitäten und Kunstgegenständen, DB 1981, S. 199–204, S. 201. BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 15.01.1975, Az VIII ZR 80/73, BGHZ 63, 369–377, WM 1975, 266–268. Vgl. hierzu Hiddemann, LM Nr 36 zu § 459 BGB (Anmerkung); Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. So Thomsen, Käuferschutz bei Kunstauktionen: Vergleich d. Rechte Deutschlands, Frankreichs, d. Schweiz u. Perspektiven spezialgesetzlicher Regelungen in d. USA, 1989, S. 63 ff.; Schneider, Rechtliche Risiken beim Erwerb von Antiquitäten und Kunstgegenständen, DB 1981, S. 199–204, S. 201; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184; alle unter Verweis auf BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 15.01.1975, Az: VIII ZR 80/73, NJW 1975, S. 970 ff. – Jawlensky, mit Anm. v. Hoynigen-Huene, ebenda, S. 962 ff., (vgl. auch Reimer, Urteilsanmerkung zu BGHZ 63, 369 – Jawlensky, S. 614 ff.).; BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 13.02.1980, Az: VIII ZR 26/79, NJW 1980, S. 1619 ff. – Bodensee-Kunstauktion.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Wandlung rückgängig gemacht worden. In dieser Entscheidung ging es zwar nicht unmittelbar um die Sorgfaltspflichten beim gutgläubigen Erwerb, jedoch führte der Bundesgerichtshof ausdrücklich zu dem im professionellen Kunsthandel notwendigen Sorgfaltsmaßstab aus: Der BGH stellte für den vorliegenden Fall fest, dass die Kunsthändlerin im Wege der Auktion als Kommissionär Kunstwerke versteigerte. In einem solchen Fall treffe den Versteigerer „gerade hinsichtlich der Echtheit und der Herkunftsangaben typischerweise ein erhebliches Risiko. Angesichts des häufigen Eigentumswechsels von Kunstgegenständen ist er vielfach gar nicht in der Lage, durch zumutbare eigene Nachforschungen Sicherheit über die Echtheit des Werkes zu erlangen. Er bleibt daher weitgehend auf die Angaben seiner Auftraggeber sowie auf Expertisen angewiesen. Das gilt nicht nur für die Werke sog. alter Meister, sondern auch für die im vorliegenden Fall zur Versteigerung gelangten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts, die durch die Kriegswirren und die staatliche Unterdrückung ganzer Kunstrichtungen oft ein sehr wechselvolles Schicksal gehabt haben. Wenn in solchen Fällen der Auktionator den Kaufinteressenten Gelegenheit gibt, während einer angemessenen Frist die zur Versteigerung gelangenden Werke zu besichtigen, ihre Echtheit zu prüfen und gegebenenfalls selbst weitere Auskünfte einzuholen, so stellt es keine einseitige und unangemessene Durchsetzung eigener Interessen dar, wenn er die Gewährleistung insbesondere für die Echtheit und die Herkunft der Kunstwerke ausschließt. Mit einer derartigen Haftungsbeschränkung muß jedenfalls beim kommissionsweisen Verkauf im Kunsthandel auch der typischerweise an derartigen Rechtsgeschäften beteiligte Personenkreis rechnen.“581 Nur dann, wenn der Verkäufer die ihm obliegende Nachforschungspflicht grob fahrlässig verletzt oder sich über einen sich ihm aufdrängenden Zweifel hinwegsetzt, ohne dem Käufer davon Mitteilung zu machen, wäre der Ausschluss des Sachmängelgewährleistungsrechts unangemessen und damit unwirksam.582 289
Dieser Ansatz wurde in der sog. Bodensee Kunstauktions-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Februar 1980 mit einem Fall der Versteigerung kultureller Wertgegenstände in eigenem Namen und auf eigene Rechnung kontrastiert,583 in der – der Sachverhalt war der eben genannten Entscheidung sonst
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BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 15.01.1975, Az VIII ZR 80/73, BGHZ 63, 369–377, WM 1975, 266–268. Vgl. hierzu Hiddemann, LM Nr 36 zu § 459 BGB (Anmerkung); Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 15.01.1975, Az VIII ZR 80/73, BGHZ 63, 369–377, WM 1975, 266–268. BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 13.02.1980, Az: VIII ZR 26/79, WM 1980, 529–532, NJW 1980, 1619–1622, BB 1980, 805–807. Vgl. hierzu: Weißen, JA 1981, 41–42; Emmerich, JuS 1980, 678–679; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
505
ähnlich – hauptsächlich zu der Frage ausgeführt wurde, ob und unter welchen Voraussetzungen Katalogbeschreibungen für eine Kunstauktion als Eigenschaftszusicherungen anzusehen sind. Zunächst führt der BGH zur Funktion der seitens des Versteigerers angegebenen Informationen innerhalb des Kataloges aus: „Katalogbeschreibungen dienen in erster Linie der Darstellung des zum Verkauf (Auktion) angebotenen Gegenstandes und seiner zeitlichen und räumlichen Einordnung. Sie sollen dem Interessenten die Entscheidung, ob und bis zu welcher Höhe er mitbieten will, erleichtern. Nimmt jemand – wie hier der Kläger – nur durch schriftliche Auftragserteilung an der Auktion teil, so stellen die Katalogbeschreibungen in der Regel die einzige Möglichkeit dar, von dem Bildinhalt und der kunstgeschichtlichen Einordnung des Werkes Kenntnis zu erhalten.“584 Der BGH erkennt daraufhin in der Entscheidung an, dass der Versteigerer durch die Annahme eines gefälschten Werkes die ihm gegenüber dem zukünftigen Ersteigerer (Käufer) obliegende Sorgfaltspflicht verletzen kann. Dies gelte nicht nur für den Fall der groben Fahrlässigkeit, sondern schon dann, wenn der Versteigerer die Fälschung hätte erkennen können. „Der Auktionator nimmt nicht nur dem Ersteigerer gegenüber die Stellung eines Sachkenners ein, sondern entscheidet auch selbst, welche Werke er von den Einlieferern zur Auktion annimmt, und kann dabei zumindest deren Vertrauenswürdigkeit prüfen, – eine Möglichkeit, die dem Ersteigerer im Regelfall verschlossen ist. Es würde daher den Ersteigerer entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 9 Abs 1 AGBG), wenn man ihm schlechthin das Risiko auch für diejenigen Fälschungen aufbürden würde, die der Auktionator bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs 1 Satz 2 BGB) als solche hätte erkennen können … .“ 585 Die in der Jawlensky-Entscheidung getroffene Wertung für die kommissionsweise im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung durch Kunsthändler, Galeristen und Versteigerungshäuser veräußerten Kulturgüter wurde aber auch in der sog. Bodensee Kunstauktions-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Februar 1980 bestätigt, sodass der Sorgfaltsmaßstab der professionell am Kunsthandel Beteiligten sich danach richtet, ob sie auf eigene oder fremde Rechnung veräußerten.586 Ganz besonders wichtig ist aber hier erneut der Hinweis, dass der Bundesgerichtshof nicht auf die Sorgfaltsanforderungen im Rahmen der §§ 932 ff. BGB 584
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BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 13.02.1980, Az: VIII ZR 26/79, WM 1980, 529–532, NJW 1980, 1619–1622, BB 1980, 805–807. BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 13.02.1980, Az: VIII ZR 26/79, WM 1980, 529–532, NJW 1980, 1619–1622, BB 1980, 805–807. Vgl. die kritische Literatur zu den beiden genannten Entscheidungen, jeweilis m.w.N.: Thomsen, Käuferschutz bei Kunstauktionen: Vergleich d. Rechte Deutschlands, Frankreichs, d. Schweiz u. Perspektiven spezialgesetzlicher Regelungen in d. USA, 1989, S. 77 ff.; Löhr, Haftung in der Kunstauktion, GRUR 1976, S. 411 ff.; Dietlein, Weltkunst 1978, S. 2867 ff.; Heinbuch, Kunsthandel und Kundenschutz, NJW 1984, S. 15 ff.; Reimer, Urteilsanmerkung zu BGHZ 63, 369 – Jawlensky, S. 614 ff.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
direkt Bezug nahm (in denen die Gutgläubigkeit im Grundsatz durch den Rechtsschein des Besitzes vermutet wird), sondern über die Frage der Haftungsfreizeichnung des Auktionators für Angaben in den Versteigerungskatalogen zu entscheiden hatte. Nichtsdestotrotz können mittelbar aus den genannten Entscheidungen die verkehrsübliche bzw. verkehrsunübliche Abwicklung der kulturellen Veräußerung im kulturellen Versteigerungswesen und die möglicherweise unterschiedlichen Sorgfaltsanforderungen bei der Veräußerung kultureller Güter auf eigene oder fremde Rechnung als weitere objektive Indizien in die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs einbezogen werden. So geht auch Kunze davon aus, dass eine Unterscheidung in Verkäufe in eigenem und fremdem Namen auch für die Frage der Nachforschungsobliegenheiten möglich erscheint. „Aus der Sicht des Sachenrechts ist entscheidend, daß der Kommissionär im Gegensatz zu dem für eigene Rechnung veräußernden Kunsthändler nicht Eigentümer des Werkes ist. Der lediglich vermittelnde Kommissionär hat demnach ein geringeres Eigeninteresse an den Herkunftsangaben, da etwaige Rechtsmängel für ihn keinen unmittelbaren Nachteil bedeuten. Sollte der Erwerber das erstandene Werk zu Recht beanstanden, kann er sich auf den formularmäßig vereinbarten Gewährleistungsausschluß berufen. Der Kunsthändler jedoch, der das Werk zu Zwecken der Weiterveräußerung erwirbt, wird bestrebt sein, seinerseits gesicherte Erkenntnisse über das Werk zu erhalten. Zum einen, um selbst gesichertes Eigentum zu erwerben, zum anderen, um den von der Rechtsprechung aufgestellten Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Gewährleistung bei Weiterveräußerung zu entsprechen. Viel eher darf sich also der Erwerber auf Angaben eines Kunsthändlers oder Auktionators verlassen, der für eigene Rechnung veräußert. Die Angaben eines kommissionsweise veräußernden Händlers sind demgegenüber mit einer erhöhten Gefahrtendenz belastet, so daß bereits kleine Unstimmigkeiten oder eine zweifelhafte Quelle Nachforschungsobliegenheiten begründen können.“ 587
II.
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Subjektive Kriterien der Bestimmung verdächtiger Erwerbsumstände im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr mit gestohlenen Kulturgütern
Zu den subjektiven Aspekten des Veräußerers beim Erwerb kultureller Wertgegenstände zählen bspw. die Besonderheiten der Person des Veräußerers, seine Legitimation und Verkaufsmotivation, spezielle Erklärungen und Urkunden, die Vermögenslage sowie sonstige äußerlich erkennbaren subjektiven Umstände des Veräußerers.
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So zu Recht Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Legitimation des Veräußerers als subjektives Hinweiszeichen
Neben den äußeren Umständen der kulturellen Transferleistung sind auch subjektive Hinweiszeichen zu beachten, die den durch Besitz begründeten Rechtsschein diminuieren können. Hierzu zählen zunächst solche in der Person des Veräußerers liegenden Umstände,588 wozu Schnabel und Tatzkow insbesondere auch die Frage zählen, ob der Veräußerer generell befugt und berechtigt ist, Kunstwerke zu veräußern.589 Von Bedeutung ist damit auch beim Erwerb kultureller Güter vom Nichteigentümer die Verkehrsauffassung über die im Normalfall erforderliche Legitimation des Veräußerers. So hat bspw. das Oberlandesgericht München innerhalb des sog. Kykladenidol-Falles darauf hingewiesen, dass derart wertvolle Kunstwerke wie die umstrittene Figur grundsätzlich nur im Fachhandel, auf Versteigerungen oder von privaten Sammlern verkauft werden. Bei dem Veräußerer habe es sich aber um einen dem Beklagten bis dahin völlig unbekannten jungen griechischen Studenten gehandelt.590 Schon aus diesem Grund konnte der Rechtsschein des Besitzes den Glauben an das Eigentum des griechischen Studenten nicht mehr bewirken und der Käufer wäre zumindest zu weiteren Nachforschungen verpflichtet gewesen. Die Anforderungen dürfen hier allerdings nicht so weit gehen, dass die grundsätzliche Wertung des Gesetzes zur Legitimationswirkung des Besitzes aufgehoben wird 591 und bestimmte Verkäufer bspw. archäologischer Kulturgüter quasi unter einen Generalverdacht gestellt werden. Der Besitz des zu veräußernden Kulturguts legitimiert im Grundsatz den Veräußerer.
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Allgemein gilt, dass bei einem Erwerbung kultureller Wertgegenstände über einen unbekannten Händler mehr Vorsicht angebracht ist, als wenn ein Objekt von einem reputierten Händler angeboten wird. „Erfolgt der Kunst- oder Antiquitätenkauf über einen unbekannten Händler, ist mehr Vorsicht angebracht, als wenn ein, Objekt von einem reputierten Händler angeboten wird. Dies gilt um so mehr, wenn der Händler seine Identität nicht preisgeben will oder für einen nicht genannt werden wollenden Verkäufer handelt.“ 592 Dies kann an dem Manuskript des
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Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, § 932, Rdnr. 21–26; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44. Vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11; vgl. hierzu auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. auch Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24.
508
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Marquis de Sade-Fall des Schweizer Bundesgerichts verdeutlicht werden.593 Nathalie de Noailles, französische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Fontainebleau in Frankreich, war seit Beginn der 1920er Jahre Eigentümerin des zwischen 1782 und 1785 geschriebenen Buches ‚Les 120 journées de Sodom‘ von Donation Alphonse Francois Marquis de Sade (1740–1814). In eingeweihten Sammlerkreisen galt diese erotische Handschrift als kostbare Rarität. Obwohl de Noailles nie Verkaufsabsichten bekundet hatte, ließ der international bekannte Genfer Kuriositätensammler Gérard Nordmann einschlägige Buchantiquare mehrfach wissen, dass er am Erwerb interessiert wäre. Nathalie de Noailles hatte in der Folge das wertvolle Originalmanuskript, ohne ihr Eigentum daran aufzugeben, einem Freund, Grouet, anvertraut, der das Objekt sodann dem Geschäftsführer eines renommierten Pariser Antiquariats übergab. Dieser hatte von den Kaufabsichten des Genfer Sammlers gehört, nahm sich des Anliegens seines Kunden an und ließ diesen im Oktober 1982 wissen, dass das Manuskript zum Verkauf stehe. Nachdem das Manuskript in die Schweiz geschmuggelt worden war, verkaufte das Antiquariat am 17. Dezember 1982 in Genf als Vermittler die Schrift an Nordmann für 300.000 Schweizer Franken. Der Kauf war damit zur vermeintlichen Zufriedenheit des Genfer Sammlers abgeschlossen. Nachdem de Noailles den Verbleib des Manuskripts in Erfahrung gebracht hatte, klagte sie in Genf auf Herausgabe des Schriftstücks. Der Tribunal de première instance de Genève wies die Klage am 13. März 1997 mit der Begründung ab, Nordmann habe nach Art. 933 ZGB gutgläubig Eigentum erworben. Die Cour de justice du canton de Genèse wies eine dagegen erhobene Berufung mit Urteil vom 14. November 1997 ab. Auch vor dem Schweizer Bundesgericht scheiterte schließlich die Berufung und es wurde das Urteil der Vorinstanz bestätigte.594 Nach Ansicht der höchsten Schweizer Zivilinstanz hatte der Genfer Sammler genug Anlass, um von der Verfügungsberechtigung des Bekannten der Eigentümerin auszugehen. Unter anderem wies das Gericht darauf hin, dass der Preis des Manuskripts marktkonform war und die Begleitumstände des Kaufs den Schluss zuließen, dass der Verkäufer zur Verfügung befugt war. Besondere Bedeutung maßen die Richter der Tatsache bei, dass die Veräußerung durch den Geschäftsführer eines reputierten und seriösen Pariser Antiquariats in die Wege geleitet worden war. Die Beteiligung dessen ließ den Handel als vertrauenswürdig erscheinen. Dem Antiquar waren der Verkäufer und sein Umfeld bestens bekannt. Bekanntermaßen pflegte dieser eine enge Beziehung zur Eigentümerin. Daher bestand auch kein Anlass, seine Verfügungsberechtigung positiv abzuklären. Zudem hatte der Antiquar den Bekannten der Eigentümerin darauf aufmerksam gemacht, dass der Genfer nur mit Check zahle, um jederzeit eine Verbindung zum Verkäufer her593
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Vgl. hierzu auch Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 292–293, insbesondere Fn. 325–327. Schweizer Bundesgericht, Entscheidung vom 28.5.1998 (De Noailles g. Nordmann), Az: 5C. 16/1998, unveröffentlicht.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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stellen zu können. Unter diesen Umständen konnte es dem erwerbenden Kunstsammler nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er keine weiteren Nachforschungsbemühungen unternommen hatte. Die Entscheidung in dem Manuskript des Marquis de Sade-Fall zeigt, „dass dem Ruf eines in den Verkauf involvierten Händlers große Bedeutung zukommt. Häufig genügt aber das Vertrauen in den Händler allein nicht. Vielmehr sollte der Sammler den Verkäufer zu Präzisierungen anhalten oder selbst Nachforschungen anstellen.“ 595 Zu den subjektiven Indizien zählen aber auch die Persönlichkeit des Veräußerers im Allgemeinen 596 sowie der Gesamteindruck, den der Verkäufer auf den Erwerber macht.597 Auch hierzu hat das Oberlandesgericht München innerhalb des sog. Kykladenidol-Falles Stellung bezogen: Die heute allgemein bekannte Tatsache, dass wertvolle Antiquitäten strengen Ausfuhrbestimmungen ihrer Herkunftsländer unterliegen, habe den Beklagten zumindest zu einer Frage nach der Herkunft des Idols veranlassen müssen, weil der griechische Student als Verkäufer der Figur dem Erwerber vermittelte, dass das Idol erst in letzter Zeit aus Griechenland nach Deutschland gekommen sei. Der Beklagte habe aber nicht einmal eine Frage nach der Herkunft des Idols gestellt. Schon das Berufungsgericht hatte aus diesen Umständen rechtsirrtumsfrei gefolgert, dass der Beklagte seine mangelnde Berechtigung grob fahrlässig nicht kannte.598 Damit war das Berufungsgericht mit Recht der Auffassung, dass im vorliegenden Fall an die Nachforschungspflicht des Beklagten hohe Anforderungen zu stellen waren, weil eine Sache von bedeutendem Wert unter ungewöhnlichen Umständen übergeben wurde. Das Instanzengericht lehnte dementsprechend die Gutgläubigkeit des Erwerbers ab und gab der Restitutionsklage des Eigentümers statt.599
2.
Relevanz der Erklärungen des Veräußerers
Eine besondere Bedeutung nehmen Erklärungen des Veräußerers ein. Je lückenhafter das zu erwerbende Kulturgut vom Veräußerer beschrieben wird, desto mehr Achtsamkeit ist auf Seiten des Erwerbers notwendig. Werden hingegen die Objektbeschreibung des Veräußerer und die Provenienz des Kulturguts zum 595
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Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11; vgl. hierzu auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 320.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Inhalt des Kaufvertrags gemacht und äußert sich der Veräußerer in schlüssiger Art und Weise über Echtheit und Herkunft eines Werks, besteht weit weniger Anlass zu Misstrauen.600 Aber auch hierbei steht fest, dass der Erwerber Erklärungen des Veräußerers über Anlass und Bedingungen des Geschäfts kritisch würdigen muss.601 Wenn die Erklärungen in keiner Weise einleuchtend sind, besteht Anlass zu Misstrauen. Einen starken Grund für Zweifel stellen auch unplausible Beweggründe der Veräußerung und die Verkaufsmotivation des Veräußerers im Generellen dar.602 296
Besonders bei erfahrenen und kundigen Erwerbern besteht die Verpflichtung, Informationen des Veräußerers über Anlass und Bedingungen des Verkaufs kritisch zu würdigen,603 wobei eine Eigentumsbestätigung des Veräußerers in aller Regel nicht genügt.604 Diesbezüglich hat bspw. Schack darauf hingewiesen, dass „auch Museumsexperten gerne gutgläubig“ sind, wenn „ein großer Fang lockt“ 605! Dies kann am Beispiel des sog. Euphronios Krater-Falles (s. Abb. 13) nachgewiesen werden. So hat der Direktor des New Yorker Metropolitan Museum den Veräußerer gefragt, ob es sich um „heiße Ware“ handele und sich über den Verdacht, dass der für US-$ 1.000.000 erworbene Euphronios Krater aus einem etruskischen Grab geraubt sein könnte, mit der Versicherung des veräußernden römischen Kunsthändlers hinweggeholfen, die Vase stamme aus einer ‚alten Sammlung‘, deren Eigentümer, ein in Beirut lebender Armenier, nach Australien auswandern und wegen steuerlicher Probleme anonym bleiben wolle.606 So stellte schon Meyer fest, dass die ‚Alte Sammlung‘ und der ‚Besitzer, der sich in einer heiklen Situation befindet‘, „zu den ältesten Tricks des illegalen Handels“ gehören.607 600
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Vgl. auch Reutter, Nur der vorsichtige Käufer wird geschützt – Rückgabepflicht bei gestohlenen Kunstwerken, Finanz und Wirtschaft, Artikel vom 5.12.1998, S. 24. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44. Vgl. BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 05.07.1978, Az: VIII ZR 180/77, WM 78, 1208. Vgl. Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1444. Vgl. hierzu Meyer, Geplünderte Vergangenheit – Der illegale Kunsthandel: Fälscher, Diebe und Bewahrer, 1977, S. 115; Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1444. Ausführlich zum Erwerb der Vase des Metropolitan Museum: Meyer, Geplünderte Vergangenheit – Der illegale Kunsthandel: Fälscher, Diebe und Bewahrer, 1977, S. 111–124. Meyer, Geplünderte Vergangenheit – Der illegale Kunsthandel: Fälscher, Diebe und Bewahrer, 1977, S. 115.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
Aber auch von unerfahrenen Erwerbern ist zu verlangen, dass sich diese verdeutlichen, ob die abgegebenen Erklärungen des Veräußerers auf eigener Beobachtung und Kenntnis beruhen 608 und, soweit Ungereimtheiten und Widersprüche in den Erläuterungen des Veräußerers auftreten, diese gegebenenfalls durch Nachfragen ausgeräumt werden.609 Erneut kann beispielhaft auf den sog. Kykladenidol-Fall verwiesen werden, in dem das Gericht in seiner Würdigung der Gutgläubigkeit des Erwerbers bemängelte, dass dieser nicht einmal eine Frage nach der Herkunft des Idols gestellt, sondern sich mit der Unterzeichnung einer von ihm selbst aufgesetzten eidesstattlichen Versicherung begnügt habe. Schon das Berufungsgericht hatte aus diesen Umständen rechtsirrtumsfrei gefolgert, dass der Beklagte seine mangelnde Berechtigung grob fahrlässig nicht kannte.610
3.
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Bedeutung von Urkunden als Indizien der Eigentümerstellung des Veräußerers
Ab einem gewissen Wert werden Kunstwerke im seriösen Kunsthandel in der Regel nur noch mit Begleitpapieren in der Form von Expertisen, Verzollungsund Versicherungsurkunden veräußert.611 Diese vom Veräußerer ausgehändigten und vorgelegten Urkunden muss der Erwerber jedenfalls unbefangen und genau prüfen. Expertisen und Gutachten sind kostspielig und werden dementsprechend in aller Regel nur für solche Kulturgüter angefertigt, die einen gehobenen Marktwert besitzen. Je nach Renommee des Hauses erstellen Galerien, Kunsthändler, Art Consultants und Auktionshäuser diese Gutachten selbst oder geben sie in Auftrag.612 Es wird zunehmend als Aufgabe der Galerien und Auktionshäuser angesehen, umfassenden Service in Form einer Auswahl der Künstler, der Archivierung der Werke sowie des Erstellens von Biographien und Expertisen zu bieten.613
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Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44. Vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 10. Januar 1973, Az: VIII ZR 132/71, Warneyer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Jahrgang 1973, 1. Halbband, Nr. 3, S. 9–11. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Dabei stellt Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184, dar, dass in der Praxis Auktionatoren und Versteigerer das zu versteigernde Gut regelmäßig selbst schätzen und begutachten. Vgl. im Einzelnen aber die Verordnung über gewerbsmäßige Versteigerungen (Versteigererverordnung, VerstV) vom 24.04.03 (BGBl. I 03,547). Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Wie bereits darauf hingewiesen, sind bei Sotheby’s als Beispiel eines der großen Auktionshäuser die Kataloge von allen Versteigerungen circa einen Monat vor dem Auktionstermin in den Sprachen Englisch, Französisch und Italienisch erhältlich.614 Diese umfassen zu jedem Los eine Beschreibung, die Provenienz, die Ausstellungsgeschichte, eine Auflistung der Sekundärliteratur und den Schätzpreis. Zusätzlich zu der Schätzung von Kunstobjekten, die vor einer Auktion vorgenommen wird, führt Sotheby’s aber auch Bewertungen von Objekten durch, die möglicherweise für Versicherungen, Steuerbehörden und Nachlässe, karitative Anlässe oder für Darlehenszwecke benötigt werden könnten. Eine vollständige Bewertung wird in einem gebundenen Dokument übergeben. Dieses umfasst eine detaillierte Beschreibung der Objekte und eine Wertangabe. Diese Bewertungen durch Sotheby’s sind bei den örtlichen Stellen, Finanzämtern und Versicherungen weithin anerkannt.615 Da sich vor allem im Privatverkehr solche Gutachten, die vorwiegend den Nachweis der Echtheit und der künstlerischen Herkunft des Werkes betreffen, jedoch ebenfalls Angaben zu den Vorbesitzern beinhalten, soweit sich diese zurückverfolgen lassen, immer häufiger als unerlässliche Grundlage der Kaufentscheidung erweisen,616 darf der Erwerber Anzeichen für eine Fälschung vorgelegter Urkunden und sonstige Ungereimtheiten wie Widersprüche nicht unbeachtet lassen. Versäumnisse gehen dann grundsätzlich zulasten des Erwerbers.617 Soweit Urkunden vorgelegt werden, aus denen sich die Eigentumslage an den zu veräußernden Kulturgütern ergeben soll, besteht eine Prüfungspflicht.618 „Aus der Sicht eines Erwerbers jedoch stützen sie den Rechtsschein des Besitzes, wenn sich aus ihnen – idealiter – die Besitzverhältnisse bis zum Direkterwerb vom Künstler zurückverfolgen lassen. Auch wenn dies in den seltensten Fällen gelingen mag, müssen sich aus Lücken nicht bereits Verdachtsmomente ergeben, die eine Nachforschungsobliegenheit begründen. Es ist maßgeblich auf die Gesamtumstände des Einzelfalls abzustellen. Auszugehen ist von der Person des Erstellers der Expertise, seiner Reputation und ausgewiesenen Fachkenntnis. Wurde die Expertise von einem Kunst- oder Auktionshaus selbst angefertigt, ist dessen Größe, Tradition und Renommee zu beachten. Weiter kann entscheidend sein, wie lange die Dokumentationslücken 614
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Neben den Versteigerungshäusern haben sich bspw. auch Museen, wie bspw. das GettyMuseum, zur Aufgabe gesetzt, eine umfassende Datensammlung über die Herkunft von Kunstwerken zu erstellen, vgl. den Hinweis von Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 73, Fn. 361; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. www.sotheby’s.com. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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zurückliegen. Auffällig kurze Besitzzeiten im Anschluß an diese Lücken können geeignet sein, einen Verdachtsmoment zu erregen. Gleiches gilt für sich widersprechende Angaben. Gibt die Expertise jedoch selbst keinen Anlaß zu Zweifeln über die Richtigkeit ihres Inhalts, wird der Erwerber daher auf ihren Inhalt vertrauen und auf die Vorlage derselben seinen guten Glauben an die Eigentümerstellung des Veräußerers stützen dürfen. … Es ist jedoch als gängige Praxis anzusehen, daß der seriöse Kunsthandel ein Werk von gewissem Wert nicht ohne Expertise oder Provenienznachweise anbietet. Geschieht dies dennoch, so wird bereits in dieser Abweichung von der Praxis ein Verdachtsmoment zu sehen sein, der eine Nachforschungsobliegenheit begründen kann. Noch eher gilt das für Erwerbungen von privaten Veräußerern: Da davon ausgegangen werden kann, daß Kunstwerke regelmäßig über den Handel vertrieben werden, begründet das Fehlen von Legitimationspapieren bei Werken von gewissem Wert hier in aller Regel eine Nachforschungsobliegenheit.“ 619
4.
Vermögenslage und geschäftliches Verhalten als Kriterien zur Bestimmung der Eigentumsposition des Veräußerers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Auch die Vermögenslage und das geschäftliche Verhalten des Veräußerers sind im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr wesentliche Indizien zur Beurteilung dessen Eigentümerstellung.620 Einem Veräußerer, der erkennbar wirtschaftliche Schwierigkeiten hat (eventuelle Liquiditätsschwierigkeiten 621), muss der Erwerber nach allgemeinen Erfahrungswerten mit größerer Vorsicht gegenüberstehen622 (Kenntnis der „desolaten finanziellen Verhältnisse“623).624 Deshalb ist auch die Sicherungsübereignung kultureller Wertgegenstände, die immerhin ein Sicherungsbedürfnis voraussetzt, in der Regel etwas verdächtiger als ein Aus619
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Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184, unter Hinweis auf die Beobachtungen bei Boochs/Ganteführer, Kunstbesitz – Kunsthandel – Kunstförderung im Zivil- und Steuerrecht, 1992, S. 2, wonach es bei privaten Veräußerungen häufiger vorkommt, dass „der gentleman ein dealer als der dealer ein gentleman ist“. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Herchenröder, Die Kunstmärkte – Sammelgebiete, Museumspolitik, Auktionsstrategien, Messenmärkte, Die großen Sammler, Fälschungen, Wert der Expertise, 1978, S. 151–152. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40; Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. auch den Ansatz bei BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 8.02.1978, Az: VIII ZR 20/77, JZ 1978, 400. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
tauschgeschäft zu bewerten.625 Allgemein soll dabei der bekannt schlechten Vermögenslage des Veräußerers die völlig unbekannte Vermögenslage gleich zu achten sein, sodass bei dieser Vermögenssituation auch die Erklärungen des Veräußerers wenig Vertrauen verdienen.626 Neben Liquiditätsschwierigkeiten stellen auch frühere unkorrekte kaufmännische Verhaltensweisen des Veräußerers wichtige Indizien dar, die der Erwerber nicht unbeachtet lassen darf. Während eine aktuelle oder vorübergehende schlechte Liquiditätslage im (inter-)nationalen Kunsthandel allgemein noch keinen Anlass für Bösgläubigkeit begründet, darf der Erwerber in seiner Beurteilung bspw. Ungereimtheiten bei der Abwicklung des Geschäfts (wie etwa mehrere Rechnungen) nicht vernachlässigen.
5. 301
Sonstige erkennbare Umstände im Bereich der Person des Veräußerers
Es ist abschließend noch darauf hinzuweisen, dass auch sämtliche sonstigen erkennbaren Umstände im Bereich der Person des Veräußerers berücksichtigungswürdig sind.627 Zur Bewertung der Eigentumssituation des Veräußerers zählen damit bspw. auch solche Indizien, ob der Veräußerer bekannt oder unbekannt, generell erreichbar oder nicht erreichbar (dazu zählen etwa ein Wohnsitz im Ausland bzw. eine unbekannte Wohnung) ist.628
III. Applikation dieses Kriterienkataloges innerhalb der Restitutionssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg 302
Zur praktischen Anwendung dieses Kriterienkataloges kann auf die Begründung einer Nacherforschungsobliegenheit aufgrund spezieller Indizien und Zeichen, die auf einen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Bestimmung der Gutgläubigkeit des Erwerbers im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr hindeuten, auf die Entscheidung Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.629 verwiesen werden. 625
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Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44; Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 32–40. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374; 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990). Vgl. jeweils m.w.N. Bersin, The Protection of
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Goldbergs Kauf war aus der Sicht des ehrlichen und vorsichtigen Durchschnittskäufers durchaus von Umständen begleitet, die den Verdacht der Kunsthändlerin hätten erregen müssen:630 Goldberg wusste, dass die Mosaiken aus dem von Kriegswirren heimgesuchten Zypern stammten, dass Mosaiken, die an Wänden angebracht wurden, im Allgemeinen äußerst selten im internationalen Kunsthandel aufzufinden sind, dass der Unterschied zwischen dem Erwerbspreis von US $ 1,08 Millionen und dem für Goldberg auf US $ 6 Millionen geschätzten tatsächlichen Wert der Mosaiken hätte Verdacht erregen müssen, dass die Person des türkischen Veräußerers Dikmen sehr verdachtserregend war, dass auch die Mittelmänner, insbesondere der vorbestrafte Händler van Rijn, im Zusammenhang mit dem illegalen Kulturgüterverkehr stehen, und dass die übertriebene Hast, mit der das Geschäft in der Freihandelszone des Genfer Flughafens abgewickelt wurde, zu Zweifeln an der legalen Herkunft der Mosaiken Anlass hätte geben müssen.631 “Many suspicious circumstances surrounded the sale of the mosaics. First, Goldberg knew the mosaics came from an area occupied by foreign military forces. Goldberg testified that at the time of the sale she was aware that Turkish military forces had invaded Cyprus in 1974 and that the Turks have been in control of northern Cyprus since that time. Tr. 460. She was told by Michel van Rijn that the mosaics had been ‘found’ by the seller in the rubble of an ‘extinct’ church in northern Cyprus and that the church had been damaged during the Turkish invasion. … Second, the very nature of the items for sale warranted that a potential purchaser should proceed with caution. As Professor von Mehren explained: Here we have not an ordinary object, nor do we have an object that is typical movable property. Instead we have mosaics that are unique, that have great cultural and artistic value, that have also great economic value. These mosaics were, up until very recently, not movable property at all. They were part of a building. They were immovable property. When one has an object that was not movable property and it then is turned into movable property and appeared on the market and is of great and unique value, the circumstances require an explanation as to how that came about. Was this a legitimate series of events, or not? In addition, these objects are not ordinary commercial objects. They are objects that have religious and cultural significance. They are the kind of objects that do not ordinarily enter into commerce, and here they are in commerce, or being offered for sale. A careful and honest purchaser would have to understand and explain why … these mosaics should now be offered on the market. Third, a vast disparity existed between the appraised value of the mosaics and the price Goldberg paid for them. Goldberg paid $1.08 million, in cash, for the mosaics; six months later, she offered to sell them to the Getty Museum for $20 million. Prior to her purchase of the mosaics, Goldberg received an appraisal of their value from van Rijn. He valued the mosaics at approxi-
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Cultural Property and the Promotion of International Trade in Art, N.Y.L. Sch. J. Int’l & Comp. L. Vol. 13 (1992), S. 125 ff., S. 148–150; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 242–246. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, auf S. 1400–1404. Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 559.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt mately $1.2 million for each of the three smaller pieces and approximately $2.4 million for the mosaic depicting Christ, or a total of $6 million for all four mosaics. Art dealer Robert Roozemond appraised the value of the mosaics at two million pounds, or approximately $4 million. Robert Fitzgerald, an art dealer with 28 years experience, valued the mosaics at $3 to $5 million. The defendants’ art expert, Andre Emmerich, estimated the market value of the mosaics to be between $5 and $6 million. Fourth, Goldberg knew very little about the seller, Aydin Dikman. Everything she knew about Dikman she learned from middlemen: Fitzgerald, van Rijn, and Faulk. She was told that Dikman was a Moslem Turk attempting to sell Christian mosaics from northern Cyprus. She was also told that Dikman ‘found’ the mosaics while he was employed as ‘an archaeologist from Turkey assigned to northern Cyprus.’ The Court believes that a reasonable purchaser would have found it peculiar that a Turkish archaeologist would be in the business of selling Cypriot antiquities. … In addition, Goldberg met the seller, Dikman, only once. That brief meeting occurred on July 5, 1988, or two days before the sale was consummated. This was the only time Goldberg and Dikman ever communicated directly with each other. Finally, as previously discussed, no document such as a bill of sale or export paper links Dikman to these mosaics. … Fifth, the cast of characters acting as middlemen, namely, Michel van Rijn, Ronald Faulk, and Robert Fitzgerald, were themselves suspect. Goldberg knew very little about Michel van Rijn; she first met him on July 1, 1988, or six days before the sale was consummated. She did know, however, that he was a felon. Goldberg testified that at the time of the sale she knew van Rijn had been convicted in France for art forgery. She also knew that van Rijn was being sued by an art gallery for ‘[f]ailure to pay money.’ Next, Goldberg knew very little about Ronald Faulk. She knew only that he was an attorney from California and that he was representing Fitzgerald and van Rijn in this transaction. Goldberg was, however, familiar with Robert Fitzgerald, the principal middleman. She ‘had known him casually for several years’. She knew, for example, that in the past Fitzgerald had used the names Robert Jones, Robert Jones-Fitzgerald, and Robert Fitzgerald-Jones. She also knew that Fitzgerald had been sued for his involvement in a transaction involving a purported Michelangelo modello. In addition, Goldberg knew that all three middlemen were to profit financially from the sale of the mosaics. … Finally, the haste with which the transaction was carried out raises suspicions. Goldberg first learned of the mosaics on July 1, 1988. On July 4th, she signed a contract with the three middlemen to divide the mosaics’ resale profits. Later on July 4th Goldberg traveled from Amsterdam to Geneva. There she inspected the mosaics on July 5th. The sale was consummated on July 7th. On July 8th, the mosaics were on an airplane to the United States. The rush with which this sale took place raises suspicions. As Dr. Vikan testified: The timing of the sale [raises suspicions]. July 2nd [to] July 7th. What is the big hurry? These things have been in somebody’s warehouse in Munich for ten years, nine years. Why such a hurry now? If you are in such a hurry why not put a good faith deposit down, why not put your funds in escrow, why not write a contract with the contingency this contract will go into effect on the 1st of September with the delivery of all funds contingent on the satisfactory resolution of provenance, authenticity, and restorability.“ 632
304
Bei Abwägung sämtlicher tatsächlichen Umstände des Falles kam das Gericht zu der Ansicht, dass die Kunsthändlerin Goldberg verpflichtet war, Nachforschungen über die Herkunft und Provenienz der aus einer Kirche gestohlenen Mosaiken anzustellen. “All of the foregoing sets of circumstances, especially when considered together, raise significant suspicions. For these reasons, the 632
Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1401–1402.
§ 11 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb gestohlener Kulturgüter
517
Court concludes that suspicious circumstances surrounded this sale sufficient to cause an honest and reasonably prudent purchaser in Goldberg’s position to doubt Dikman’s capacity to convey property rights to the mosaics. The Court cannot improve on Dr. Vikan’s summation of the suspicious circumstances surrounding this sale: ‘All the red flags are up, all the red lights are on, all the sirens are blaring.’ ” 633
§ 11 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb gestohlener Kulturgüter Besonders innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs mit gestohlenen Kunstwerken sind spezielle tatsächliche Hinweiszeichen zu erkennen, bei deren Vorliegen regelmäßig unmittelbar von der Bösgläubigkeit des Erwerbers auszugehen ist oder diesem spezielle, weitergehendere oder tiefgreifendere Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Eigentums- bzw. Berechtigtenposition des Veräußerers und der Provenienz des zu erwerbenden Kulturguts aufzuerlegen sind, um weiterhin noch als gutgläubig zu gelten. Wird somit eine der Fragen zu den objektiven Gegebenheiten des Veräußerungsgeschäfts oder verdächtigen Umständen des Veräußerers vor Erwerb eines Kulturguts positiv beantwortet, sollten von dem Erwerber weitere Nachforschungen getätigt oder es würde besser Abstand von dem Geschäft genommen werden.
305
Objektive Verdachtsmomente des kulturellen Veräußerungsgeschäfts: 1. Ist der Kaufpreis des Kulturguts im Verhältnis zum Marktwert außergewöhnlich niedrig, sodass das Geschäft insgesamt als ungewöhnlich erscheint? Besteht ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Kulturguts und dem Kaufpreis? 2. Erwecken die Erwerbszeit (wie bspw. außerhalb der gewöhnlichen Geschäftsöffnungszeiten) bzw. der Inhalt, die konkrete Art und äußere Gestaltung der Veräußerung des Kulturguts Misstrauen? 3. Erweckt ein außergewöhnlicher (wie bspw. die Veräußerung auf öffentlichen Plätzen außerhalb der Geschäftsöffnungszeiten) oder heimlicher (wie bspw. der Anhänger eines Lastkraftwagens innerhalb eines Hafenbereichs) Veräußerungsort besondere Verdachtsmomente? Wird durch die Wahl eines speziellen Veräußerungsortes (wie etwa die Freihandelszone eines Flughafens) eine Einfuhrkontrolle des Importstaates umgangen und somit eine behördliche Kontrolle des Kulturguts gescheut? 4. Ist die besondere Objektqualität des kulturellen Erwerbsgegenstandes verdachtserregend und lässt die Gattung des Kulturguts auf eine erhöhte Gefahr des Diebstahls (Fresken werden regelmäßig ebenso selten im Kunsthandel veräußert wie Mosaiken von Wänden) bzw. der Raubgrabung schließen (bei archäologischen Kulturgütern bestehen bspw. generell gesteigerte Provenienzerforschungsobliegenheiten)? Deutet die außergewöhnliche Art eines Kulturguts auf eine regelmäßige Veräußerung allein im professionellen Kunsthandel hin (Veräußerung kulturell wie materiell besonders bedeutsamer Objekt auf einem Flohmarkt, obwohl besondere Klassen Kulturgüter regelmäßig nur in Galerien, Kunsthandlungen oder Auktionshäusern gehandelt werden)?
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Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1402.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt 5. Stammt das Kulturgut aus einem besonders verdachtserweckenden kulturellen Herkunftsort bzw. Ursprungsstaat (archäologische Objekte aus dem Irak oder Afghanistan könnten aufgrund der Kriegswirren aus einem Museum gestohlen worden sein; es sind spezielle Klassen kultureller Güter, wie bspw. die kambodschanische Khmer-Kultur, bekannt, die besonders häufig gestohlen wurden)? 6. Ist ein außergewöhnlicher Zustand des Kulturguts festzustellen oder werden bei einer näheren Untersuchung Diebstahlsspuren ersichtlich? Wurde ein Gemälde zu Transportzwecken aus dem ursprünglichen Rahmen geschnitten, gefaltet oder mit der Leinwand nach innen gerollt? Wurden Fresken fehlerhaft und nicht dem aktuellen Standard der Profession entsprechend von den ursprünglichen Wänden entfernt? Sind noch Transportspuren, Erde, Strohreste an archäologischen Objekten ersichtlich oder wurden Altertumsfunde aufgrund ihres Gewichtes und ihrer Größe in verschiedene Teile zur Erleichterung des Abtransports zersägt? 7. Deutet eine kurze Besitzdauer des Vorbesitzers eines Kulturguts oder andere außergewöhnliche Besitzzeiten innerhalb des Pedigrees eines Kulturguts auf einen Diebstahl hin? 8. Bestand eine ungewöhnliche Eile bei der Veräußerung des Kulturguts, obwohl regelmäßig zahlreiche Formalitäten im Kunsthandel zu beachten sind (wie die Erstellung von Expertisen, Gutachten, die Beantragung von Exportlizenzen oder Bankabsprachen)? Wurde seitens des Veräußerers ein außergewöhnlicher zeitlicher Druck auf den Erwerber ausgeübt? 9. Bestehen sonstige Hinweise auf eine verkehrsunübliche Abwicklung des kulturellen Veräußerungsgeschäfts?
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Subjektive Verdachtsmomente auf Seiten des Veräußerers: 1. Bestehen außergewöhnliche, in der Art und Person des Veräußerers liegende Umstände, die dessen Solidität und Rechtsseeligkeit im Kunsthandel zweifelhaft erscheinen lassen? Lassen die Vermögenslage und das bisherige geschäftliche Gebaren Zweifel an der Lauterkeit des Veräußerers aufkommen? 2. Lassen die Erklärungen des Veräußerers über Anlass, Bedingungen, Umstände und Motivation für die Veräußerung kultureller Wertgegenstände nach einer kritischen Würdigung entscheidende Fragen unbeantwortet? 3. Schweigt der Veräußerer bei Fragen nach der Herkunft, der Provenienz und dem Pedigree eines Kulturguts oder bei Fragen nach den Vorbesitzern und -eigentümern der Objekte oder reagiert er ausweichend, sodass diesbezügliche Zweifel bei dem Erwerber bleiben? 4. Eröffnen sich nach einer unbefangenen und genauen Prüfung der vom Verkäufer vorgelegten Urkunden, Expertisen und Gutachten sowie Ausfuhrbescheinigungen und vergleichbaren behördlichen Schriftstücke und Belege Dokumentationslücken, Ungereimtheiten und Widersprüche (möglicherweise auch zu den Erklärungen des Veräußerers)? 5. Bestehen sonstige erkennbar verdächtigen Umstände in und im Umfeld der Person des Veräußerers (führt dieser verdächtige Personen mit in das Veräußerungsgeschäft ein oder haben weitere Personen ein finanzielles Interesse daran, so gelten die subjektiven Verdachtsmomente auch für diese)?
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
B.
Spezielle Sorgfaltsanforderungen und Verdachtsmomente beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter
Im Grundsatz kann hinsichtlich des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber im Hinblick auf illegal exportierte Kulturgüter auf die zu verallgemeinernden Ausführungen hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb gestohlener Kulturgüter verwiesen werden, die auch hierfür allgemeine Geltung beanspruchen. Nichtsdestotrotz bestehen sowohl rechtskonstruktive als auch praktische Besonderheiten, die stets zu den allgemeinen Sorgfaltsanforderungen gestohlener Kulturgüter hinzugelesen werden müssen.
I.
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Kenntnis von der Kulturgüterschutzvorschrift beim Export kultureller Wertgegenstände aus dem kulturellen Ursprungsstaat
Regelmäßig gehört es zu den notwendigen Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber dazu, sich über die bestehenden Kulturgüterschutzvorschriften innerhalb des kulturellen Ursprungsstaates zu informieren. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die kanadische Entscheidung R. v. Yorke 634, in der der Nova Scotia Court of Appeal bestimmte, dass ein Kunsthändler sich beim Erwerb und Export kultureller Wertgegenstände aus dem kulturellen Ursprungsstaat über die bestehenden Kulturgüterschutzgesetze zu informieren hat.635 Der beklagte Yorke lebte zwischen 1976 und 1985 in Südamerika, zumeist in Bolivien. Er agierte zu dieser Zeit als Händler indigener Textil- und Webwaren der südamerikanischen Kulturen. Im Jahre 1985 stellten kanadische Zollbehörden fest, dass nicht nur gefälschte Exportdokumente bei der Einfuhr bolivianischer Kulturgüter benutzt wurden, sondern dass darüber hinaus Kulturgüter nach Kanada importiert wurden, die unzweifelhaft zum nationalen Kulturerbe Boliviens gehörten. In der Folge wurden mehr als 6.000 Kulturgüter bei Yorke konfisziert, sowohl wegen Verletzung allgemeiner Zollvorschriften bei der Einfuhr beweglicher Gegenstände als auch aufgrund einer Verletzung des kanadischen Cultural Property Export and Import Act aus dem Jahre 1977. Der Nova Scotia Court of Appeal stellte diesbezüglich fest, dass damit zugleich auch der hierfür entsprechende Straftatbestand verwirklicht war. Da gemäß den allgemeinen
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R. v. Yorke, 122 C.C.C.3d 298 (N.S.C.A. 1998). Vgl. Hughes, The Trend Toward Liberal Enforcement of Repatriation Claims in Cultural Property Disputes, The George Washington International Law Review, Volume 33 (2000), S. 131–153, S. 143–144; O’Keefe, The Use of Criminal Offences in UNESCO Countries: Australia, Canada and the U.S.A., Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 19–35, S. 26–28. Vgl. auch Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
kanadischen Grundsätzen seitens der Anklage nachgewiesen war, dass der Tatbestand einer Straftat erfüllt war, oblag es nun dem beklagten Yorke, wenn er eine Verurteilung umgehen wollte, nachzuweisen, dass er die notwendige Sorgfalt bei der Bestimmung der Frage an den Tag legte, ob die Gegenstände unter das bolivianische Kulturexportregulativ fielen. 310
Auch wenn das Gericht im Ergebnis zur Bestimmung der Strafbarkeit nicht auf die bolivianischen Rechtsinstrumente zurückgriff, sondern eine Verurteilung schon aufgrund eines Verstoßes gegen die kanadischen Einfuhrgesetze für rechtens hielt, führte das Gericht zu dem anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab wie folgt aus: “Yorke was … in the process of publishing a book on Aymara weavings to come out in April of 1988. From all the documentation and from his own demeanour and questions, publications, correspondence, it is very apparent that the accused is extremely knowledgeable about the weavings … the accused conducted a portion of the cross-examination. His questions on cross-examination were lengthy and frequently amounted to an exposition rather than a question. By these questions he displayed his extensive knowledge of Bolivia, its government, its indigenous people, its culture and weavings. His discussions … were extremely enlightening on this vast knowledge of the textile industry. I would find that the accused had a wealth of knowledge about native history and culture. He had a reliable business practice for recording and describing in detail his collection of antique weavings … The business-like manner with which the accused went about collecting, cataloguing, detailed descriptions and his business connections in Bolivia indicate that the accused was or should have been aware of the laws and regulations pertaining to this industry.” 636 Hinsichtlich der speziellen subjektiven Eigenschaften Yorkes bestimmte das Gericht, dass “a person whose business is the trading in and importation of cultural property and artwork clearly has a duty to make greater inquiries [than a tourist]. Such a person has access to consular offices, Customs and police officials and other traders in the foreign lands. It is not unreasonable to expect of such persons that they make reasonable inquiries about the status of the property they propose to export from that foreign land.” 637 Die Entscheidung ist verallgemeinerungsfähig und mahnt auch europäische Kunsthändler und Galeristen ebenso wie Museen, die national schützenswerte Objekte erwerben oder aus dem kulturellen Ursprungsstaat exportieren!
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Vgl. R. v. Yorke, 122 C.C.C.3d 298 (N.S.C.A. 1998), auch zitiert bei Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68. R. v. Yorke (1998), 166 N.S.R. (2d) 130 At 143, auch zitiert bei O’Keefe, The Use of Criminal Offences in UNESCO Countries: Australia, Canada and the U.S.A., Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 19–35, S. 27.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
II.
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Konkreter Sorgfaltsmaßstab beim gutgläubigen Erwerb illegal exportierter Kulturgüter – die Vorgaben der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995
Erste Anhaltspunkte hierfür können aus dem innerhalb der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 statuierten Sorgfaltsprogramm gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig exportierter Kulturgüter gewonnen werden. Ebenso wie beim Diebstahlstatbestand gibt auch hier der Vertragstext ausnahmsweise Anhaltspunkte zur Begriffsbestimmung des Kennens oder Kennenmüssens und damit zur Bestimmung der Gut- und Bösgläubigkeit vor. Dies erleichtert die autonome und einheitliche Auslegung und schließt zugleich ein Ausweichen auf die Grundsätze der lex fori oder eines anderen Sachrechts aus.638 Maßgeblich sind nach Art. 6 Abs. 2 die Umstände des Erwerbs und insbesondere das Fehlen einer Exportgenehmigung, sofern diese nach dem Recht des ersuchenden Staates erforderlich ist.639
311
Auch wenn einerseits die Nennung der Erwerbsumstände und andererseits das Fehlen einer gemäß den Rechtsvorschriften des ersuchenden Staates erforderlichen Ausfuhrbescheinigung nicht ausschließt, dass Bezug auf die Kriterien zur Bestimmung der Gutgläubigkeit des erwerbenden Besitzers im Rahmen der Restitution gestohlener Kulturgüter genommen wird, deutet die Formulierung des Art. 6 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 darauf hin, dass der Sorgfaltsmaßstab für eine Kompensationszahlung bei gestohlenen Kulturgütern höher zu qualifizieren ist als im Rahmen nur illegal ausgeführter Kunstwerke. Während der Vorentwurf der Konvention in sämtlichen Situationen der illegalen Ausfuhr kultureller Güter eine Kompensationszahlung bestimmte, entschieden sich die Study Group und die Governmental Experts im Laufe der Verhandlungen dafür, die Entschädigung nur bei Vorliegen eines gewissen Mindestsorgfaltsmaßes seitens des restitutionspflichtigen Besitzers zu gewähren.640
312
Zur Bestimmung derjenigen Umstände, nach welchen dem Erwerber unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter ein Kompensationsanspruch nach Restitution an den kulturellen Ursprungsstaat nach der UNIDROIT-Convention zustehen soll (Umstände des Erwerbs), muss auf die einzelnen Gegebenheiten des jeweils zur Entscheidung anstehenden Sachverhalts eingegangen und entschieden wer-
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Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Vgl. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
den, ob eine Entschädigungszahlung angemessen ist. So sprächen bspw. bei Anwendbarkeit der UNIDROIT-Convention in der Fallkonstellation Attorney General of New Zealand v. Ortiz 641 bei dem Erwerb der Maori-Schnitzerei durch George Ortiz von dem Veräußerer Lance Entwhistle die Umstände eher gegen die Zahlung einer Entschädigungssumme,642 da der Käufer sich in dem in New York unterzeichneten Kaufvertrag in einer Klausel explizit dazu verpflichtete, weder das für Neuseeland und die Kultur der Maori so bedeutsame Kulturgut noch ein Foto dieses Gegenstandes keinem neuseeländischen Archäologen und keiner dritten Person für einen Zeitraum von zwei Jahren zu zeigen.643 314
Über die Umstände des Erwerbs hinaus präzisiert Art. 6 Abs. 2 der UNIDROITConvention für die Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs, dass auch das Fehlen einer gemäß den Rechtsvorschriften des die Restitution ersuchenden kulturellen Ursprungsstaats erforderlichen Ausfuhrbescheinigung maßgeblich ist. Diese Formulierung stellt eine abgeschwächte Version gegenüber der ursprünglichen Entwurfsfassung des Art. 8 Abs. 2 der Draft UNIDROIT Convention on the International Return of Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom Dezember 1994 dar, wonach bei Fehlen einer erforderlichen Exportlizenz die unwiderlegbare Vermutung des bösen Glaubens vorgesehen war, was erhebliche Erkundigungspflichten des Erwerbers nach sich gezogen hätte.644 Die deutsche
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Attorney General of New Zealand v. Ortiz, (1982) 2 WLR 10 (QB), [1984] 1 AC, 1 (CA, HL). Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 80–81, 178–179 und 263–264; Biondi, The Merchant, the Thief and the Citizen: The Circulation of Works of Art within the European Union, Art, Antiquity and Law 4 (1999), S. 205–218, S. 214–216; Blake, Export Embargoes and the International Antiquities market: The Turkish Experience, Art, Antiquity and Law 2 (1997), S. 233–250, S. 245; Cater, The Taranaki Panels – a case-study in recovery of cultural heritage, Museum (UNESCO), Volume XXXIV, No. 1 (1982), S. 256–258; Church, Evaluating the Effectiveness of Foreign Laws on National Ownership of Cultural Property in U.S. Courts, Columbia Journal of Transnational Law, Volume 30 (1992), S. 180–229, S. 210; Nafziger, The New International Legal Framework for the Return, Restitution or Forfeiture of Cultural Property, N.Y.U.J. Int’l L. & Pol., Volume 15 (1983), No. 4, S. 789–812, S. 795–799; Nott, Title to Illegally Exported Items of Historic or Artistic Worth, The International and Comparative Law Quaterly, Volume 33 (1984), S. 203–207; O’Keefe, Export and Import Controls on Movement of the Cultural Heritage: Problems at the National Level, Syracuse Journal of International Law and Commerce 10 (1983), S. 352–369; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 138–141; O’Keefe, The Use of Criminal Offences in UNESCO Countries: Australia, Canada and the U.S.A., Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 19–35, S. 21–22. Vgl. auch Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68. Vgl. die Details bei Cater, The Taranaki Panels – a case-study in recovery of cultural heritage, Museum (UNESCO), Volume XXXIV, No. 1 (1982), S. 256–258, S. 256. Vgl. Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
Delegation hatte sich entschieden gegen diese Regel gewandt,645 nach der wohl nur in den seltensten Fälle eine Kompensationszahlungspflicht seitens des kulturellen Ursprungsstaates entstanden wäre. Die in der Entwurfsfassung umgesetzte Politik, dass dem Besitzer sein guter Glaube und damit auch das Recht auf eine Entschädigung – bei Fehlen einer solchen Bescheinigung – abzusprechen seien, wurde innerhalb der Endfassung der Konvention nicht weiter verfolgt, sodass das Nichtvorliegen einer erforderlichen Exportlizenz nur als eines von mehreren Kriterien zur Beurteilung des guten Glaubens gilt.646 “The phrase „knew or ought reasonably to have known” was chosen to align the text with Article 4 (1) although other alternatives (“should at least have had doubts”, “purchaser on notice”, absence of certificate would raise an irrebuttable presumption of bad faith) had been proposed.” 647 Liegt keine Ausfuhrbescheinigung vor, stellt dies somit noch keinen unwiderlegbaren Beweis der Bösgläubigkeit des Erwerbers dar.648 Thorn weist darüber hinaus darauf hin, dass neben den genannten Kriterien zu berücksichtigen sei, ob der Erwerber über einschlägige Branchenkenntnisse verfügt:649 „Personen oder Institutionen, die berufsmäßig am Verkehr mit Kulturgütern beteiligt sind, sind strengeren Beurteilungsmaßstäben unterworfen 645
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So Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 253–257. Schneider, 1995 Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Explanatory Report prepared by the Unidroit Secretariat, Uniform Law Review/Revue de droit uniforme 2001-3, S. 477 ff., S. 536. Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 63–68. “Finally there are certain classes of antiquities where illicit origin should be presumed unless a clear chain of title can be shown. The known corpus of Cycladic figures is now reckoned at about 1600; a few are casual finds, about 143 have been recovered archaeologically; the other 1400 or so have … appeared on the market or in the possession of private collections inside or outside Greece with no declared recent history as to their movements between their places in the ground and the present proprietor… About 90 per cent of the corpus, then is practically without history. [Chippindale, C./Gill, D. in Tubb, Antiquities Trade or Betrayed – legal, ethical and conservation issues – Cycladic figures: art versus archaeology?, S. 132] In December 1985 large numbers of Apulian vases were offered sale at Sotheby’s. A three volume publication of more than 6,000 Apulian vases listed every known and legally excavated vase from the area up to 1983. One or two might have been missed, but not more. None of those offered for sale were listed [The Observer 1 December 1985, 1; The Times 7 December 1985, 2, 10 December, 10].” Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158; Winter, The Application of the Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Objects in Relations between member States of the European Union, in: Denters, Reflections on international law from the low countries in honour of Paul de Waart, 1998, S. 347–372, S. 364; Vrellis, UNIDROIT-Konvention 1995 über gestohlene oder unerlaubt ausgeführte Kulturgüter: Bedeutung der lex originis, in: Reichelt, Neues Recht zum Schutz von Kulturgut: Internationaler Kulturgüterschutz, EG-Richtlinie, UNIDROIT Konvention und Folgerecht, 1997, S. 89–90.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
als Erwerber ohne nachweisliches Sachverständnis. In Fachkreisen kann die Kenntnis der speziellen Verfügungs- und Ausfuhrbestimmungen der Herkunftsländer in der Regel vorausgesetzt werden. Wegen ihrer beruflichen Verantwortung, besonderen Kenntnisse und des erleichterten Zuganges zu weiterführenden Informationsquellen ist ein besonders strenger Maßstab hinsichtlich der Gutgläubigkeit von im Kunst- und Antiquitätenhandel tätigen Personen und Institutionen durchaus gerechtfertigt. Verfügt der Erwerber selbst über keine ausreichende Sachkenntnis, kann ihm im Einzelfall auch zugemutet werden, Fachpersonen zu Rate zu ziehen.“ 650 Hier liegt der Verweis auf die Entscheidung des Nova Scotia Court of Appeal in der Rechtssache R. v. Yorke auf der Hand!
III. Aktuelle Entwicklung: Gesteigerte Sorgfaltsanforderungen seit Erlass der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 315
Sowohl die rechtlich unverbindlichen Richtlinien des britischen Department for Culture, Media and Sport (DCMS) aus dem Jahre 2005 als auch der völlig neu überarbeitete Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 erkennen die zeitliche Grenze des Jahres 1970 und den Erlass der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 als den maßgeblichen Zeitpunkt gesteigerter Sorgfaltsanforderungen zum Schutz vor illegalem Export kultureller Wertgegenstände an.
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Das Schutzprogramm der DCMS-Guidelines 2005 fokussiert neben dem Erwerb gestohlener Kunstwerke vornehmlich auf die Verhinderung des Erwerbs illegal exportierter, d.h. entgegen den nationalen Kulturgüterschutzgesetzen kultureller Ursprungsstaaten ausgeführter Kulturgüter. Kern der britischen Leitlinien zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels stellt die Forderung dar, dass Museen “… acquire and borrow items only if they are legally and ethically sound. They should reject an item if there is any suspicion about it, or about the circumstances surrounding it, after undertaking due diligence. Documentary evidence, or if that is unavailable an affidavit, is necessary to prove the ethical status of a major item. Museums should acquire or borrow items only if they are certain they have not been illegally excavated or illegally exported since 1970.” 651 Die DCMS-Guidelines 2005 rezipieren mit der zeitlichen Grenze des Jahres 1970 eine inzwischen weltweit so verstandene und global geäußerte temporale Schwelle,
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So Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158, unter Rekurs auf Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung: UNESCOKonvention 1970 – Unidroit-Konvention 1995 – EG-Verordnung 3911/92 – EG-Richtlinie 93/7 – Schweizerisches Recht, 2000, S. 95–96; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 323. Vgl. 3. Basic Principles, Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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die zugleich einen deutlichen und pragmatischen Wendepunkt in der Bekämpfung des illegalen Kulturgüterverkehrs darstellt. Zwar weisen die Richtlinien darauf hin, dass nationale oder internationale Gesetzeswerke auch vor dem Datum des Jahres 1970 ausgeführte Kulturgüter einem Rechtswidrigkeitsverdikt unterwerfen können und diese Regeln vorrangig sind, doch dürfen nach den Richtlinien Museen nur dann erwerben, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Kulturgüter nach Beginn des Jahres 1970 nicht unrechtmäßig ausgegraben oder illegal aus dem kulturellen Ursprungsstaat exportiert wurden. Auch die AAMD qualifiziert innerhalb des Report on Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 die UNESCO-Convention als Ausdruck eines einheitlichen sog. „set of expectations for museums, sellers, and donors“652. Danach sollen die Mitglieder der AAMD von dem Erwerb eines archäologischen Objekts Abstand nehmen, wenn nicht nach angemessenen Sorgfaltsanstrengungen zur Bestimmung der Provenienz des Gegenstandes mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass sich das Objekt schon vor dem Jahr 1970 außerhalb des Territoriums des kulturellen Entdeckungsortes befand oder der Gegenstand nach dem genannten Datum entsprechend den nationalen Kulturgüterschutzgesetzen der kulturellen Ursprungsstaaten rechtmäßig ausgeführt wurde. In dem Datum der Unterzeichnung der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 sehen die Museumsdirektoren den Zeitpunkt eines neuen Dialoges über den Schutz archäologischer Objekte vor Raubgrabungen, Zerstörung der Fundstellen und dem Verlust des Kontextes bei illegalen Veräußerungen von Altertumsfunden. Aus diesen Gründen stellen das Jahr 1970 und die Unterzeichnung der UNESCO-Convention eine zeitliche Schwelle „for the application of more rigorous standards to the acquisition of archaeological materials and ancient art as well as for the development of a unified set of expectations for museums, sellers and donors.“ 653
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In zahlreichen staatlichen, institutionellen aber auch individuellen Richtlinien, acquisition policies und selbstauferlegten Verhaltensstandards bildet sich immer deutlicher ein neues Verhaltensprogramm. Bei der Untersuchung dieser Rechtsinstrumente kann eine Unterscheidung nach dem Normgeber und damit zwischen staatlichen Richtlinien zum Erwerb kultureller Wertgegenstände ohne rechtliche Bindungskraft (vgl. nachfolgend unter Punkt 1.), zwischen Verhaltensstandards und Erwerbsregeln von Museumsverbänden und einzelnen Museen (vgl. nachfolgend unter Punkt 2.), professionellen Kunsthändlern, Galeristen und deren Interessenverbänden (vgl. nachfolgend unter Punkt 3.) sowie zwischen den Veräußerungsbedingungen des Auktionswesens (vgl. nachfolgend unter Punkt 4.) getroffen werden. Die unterschiedlichen Positionen innerhalb des (inter-)natio-
318
652 653
Quelle: http://www.aamd.org/newsroom/documents/2008ReportAndRelease.pdf. Quelle: http://www.aamd.org/newsroom/documents/2008ReportAndRelease.pdf.
526
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
nalen Kunsthandels haben dementsprechend auch zu divergierenden inhaltlichen Ausgestaltungen der selbstauferlegten Verhaltensstandards beim Erwerb und der Veräußerung bzw. Versteigerung kultureller Wertgegenstände geführt.654
1.
Staatliche Richtlinien zum Erwerb kultureller Wertgegenstände ohne rechtliche Bindungskraft anhand der britischen sog. DCMS-Guidelines 2005
319
Staatliche Richtlinien zum Erwerb kultureller Wertgegenstände ohne rechtliche Bindungskraft bestehen heute in einigen Rechtsordnungen. Die Richtlinien des britischen Department for Culture, Media and Sport (DCMS) – Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005 stellen einen praktischen Leitfaden für den Erwerb kultureller Wertgegenstände für professionell am Kunsthandel beteiligte Museen, Bibliotheken und Archive dar. Einleitend wird zu Recht die kulturpolitische Bedeutung der Vergrößerung von Sammlungsbeständen kultureller Institutionen betont, wobei jedoch allein auf legal transferierte Kulturgüter zurückgegriffen werden dürfe und besondere Vorsichtsmaßnahmen und Sorgfaltsanstrengungen beim Erwerb kultureller Objekte der Bekämpfung des illegalen Kunsthandels dienen.
320
DCMS-Guidelines: Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005: 1. Introduction: There is general agreement within museums, libraries and archives that the illicit trade in cultural material must be resisted, that they should set high ethical standards for acquisitions and that they should avoid giving tacit support to the market in unprovenanced material through their acquisition activities. There is, however, much ethically acceptable material on the market, and for many reasons it is vitally important that museums, libraries and archives continue to be able to develop their collections. New acquisitions inform, entertain and inspire visitors, encourage new audiences and raise the profile of the institution (and of all of those bodies involved in the acquisition). They provide an impetus for research and can play a vital role in education, outreach and training. The process of acquisition in itself can be an important stimulus and catalyst for other processes within and between institutions. Museums, libraries and archives must take precautions to ensure that they acquire, or borrow, only ethically acceptable items and reject items that might have been looted or illegally exported. To ensure they do this, they need to exercise due diligence.
321
DCMS-Guidelines 2005 sollen kulturellen Institutionen als Informationsquelle dazu verhelfen, sich ethischen Minimalprinzipien entsprechend am (inter-)nationalen Kunstmarkt zu verhalten und illegal transferierte Kulturgüter nicht in ihre Sammlungsbestände aufzunehmen.655 Das Schutzprogramm fokussiert in erster
654
655
Vgl. für eine Gesamtübersicht auch O’Keefe, Trade in Antiquities – Reducing Destruction and Theft, 1997, S. 44–56. Vgl. 2. Scope of guidelines, Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
527
Linie auf den Erwerb gestohlener und unrechtmäßig, d.h. entgegen den nationalen Kulturgüterschutzgesetzen kultureller Ursprungsstaaten ausgeführter Kulturgüter. Kern der britischen Leitlinien zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels stellt die Forderung dar, dass Museen … “… acquire and borrow items only if they are legally and ethically sound. They should reject an item if there is any suspicion about it, or about the circumstances surrounding it, after undertaking due diligence. Documentary evi-dence, or if that is unavailable an affidavit, is necessary to prove the ethical status of a major item. Museums should acquire or borrow items only if they are certain they have not been illegally excavated or illegally exported since 1970.” 656
322
Die DCMS-Guidelines 2005 rezipieren mit der zeitlichen Grenze des Jahres 1970 eine inzwischen weltweit so verstandene und global geäußerte Schranke, die zugleich einen deutlichen und pragmatischen Wendepunkt in der Bekämpfung des illegalen Kulturgüterverkehrs darstellt. Zwar weisen die Richtlinien darauf hin, dass nationale oder internationale Gesetzeswerke auch vor dem Datum des Jahres 1970 ausgeführte Kulturgüter einem Rechtswidrigkeitsverdikt unterwerfen können und diese Regeln vorrangig sind. Nichtsdestotrotz dürfen nach den Richtlinien Museen nur dann erwerben, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Kulturgüter nach Beginn des Jahres 1970 nicht unrechtmäßig ausgegraben oder illegal aus dem kulturellen Ursprungsstaat exportiert wurden. Funktionaler Hintergrund der Zeitgrenze ist die Annahme der DCMS-Guidelines 2005, dass erst seit diesem Zeitpunkt international eine Sensibilisierung der Weltgemeinschaft für den Schutz des nationalen Kulturerbes innerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungsstaates erfolgte. Das Jahr 1970 stellt das Schlüsseljahr für eine ethische Annäherung an das Problem des illegalen Kunsthandels und des Erwerbs unrechtmäßig exportierter Kulturgüter für Museen dar. Die zeitliche Grenze findet Unterstützung durch den Erlass der UNESCO-Convention vom 14. November 1970, die eine weltweite Transformation der ethischen Verhaltenslandschaft von Museen initiierte, durch den Erlass des Museum Association Code of Ethics aus dem Jahr 2002, sowie durch die Veröffentlichung des 1998 seitens des British Museum erarbeiteten Statement on the Acquisition of Antiquities und durch die entsprechende Resolution des Council of the British Academy, die ebenfalls einen Bezug auf die Zeitgrenze des Jahres 1970 nehmen und den Erwerb von Antiquitäten ohne gesicherte Provenienz seit diesem Zeitpunkt ablehnen.
323
Die DCMS-Guidelines 2005 verlangen bei jeder Akquisition kultureller Wertgegenstände eine sorgfältige Provenienzrecherche. Für nichtbritische Kulturgüter muss eine von drei Möglichkeiten vorliegen, damit ein Erwerb nicht dem Makel der Rechtswidrigkeit unterfällt: Ein Erwerb ist dann durchzuführen, wenn nachweis-
324
656
Vgl. 3. Basic Principles, Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
lich feststeht, dass der Gegenstand bereits vor dem Jahr 1970 innerhalb des Territoriums Großbritanniens belegen war und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass zuvor eine illegale Ausfuhr aus dem kulturellen Ursprungsstaat erfolgt war. Eine zweite Möglichkeit des richtlinienkonformen Erwerbs liegt dann vor, wenn das Kulturgut nachweislich schon vor der Zeitgrenze des Jahres 1970 aus dem kulturellen Ursprungsstaat ausgeführt worden war (aber nicht nach Großbritannien eingeführt worden war) und der Beweis dafür erbracht werden kann, dass der nachfolgende Export in das Territorium Großbritanniens im Einklang mit den Rechtsvorschriften des Exportstaates erfolgte. Schließlich darf ein Museum nach den DCMS-Guidelines 2005 auch dann ruhigen Gewissens ein Kulturgut erwerben, wenn sich das Kulturgut noch nach der zeitlichen Grenze des Jahres 1970 innerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungsstaates befand, jedoch feststeht, dass der Gegenstand den Voraussetzungen des Kulturgüterschutzgesetzes des kulturellen Ursprungsstaates entsprechend ausgeführt worden war.657 Diese Voraussetzungen haben zur Folge, dass sich Museen vollständig der Rechtslage innerhalb potentieller kultureller Ursprungsstaaten bewusst sein müssen, sowohl vor der zeitlichen Grenze des Jahres 1970 als auch danach. Es wird somit seitens der Museen erwartet, dass diese selbst die Prüfung vornehmen, dass ein Kulturgut nicht unrechtmäßig aus dem Territorium ausgeführt wurde. Kann der Veräußerer keine hinreichenden Provenienzangaben bezüglich des zu erwerbenden Kulturguts treffen, dann hat das potentiell erwerbungsfreudige Museum selbstständig die notwendigen Recherchen vorzunehmen, bevor eine Akquisition in Frage kommt.658 Bestehen am Ende dieser Untersuchungen Zweifel über den ethischen Status des zu erwerbenden Kulturguts, verlangen die DCMS-Guidelines 2005 die Abstandnahme von einem Erwerb. Bei einer positiven Prüfung ergeben sich die folgenden Konsequenzen für das erwerbende Museum: 325
Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005: 7. The results of due
657
658
Vgl. 4. What to do when considering the acquisition or loan of an item, Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005. Vgl. ferner die folgenden Ausführungen an dieser Stelle: “In order to do this, the museum should ask the vendor or donor to provide documentary evidence verifying the presence of the item in the UK prior to 1970, or confirming the legitimate export of the item to the UK after 1970. In the case of an auction sale, if the sale catalogue does not confirm that the item was legally exported or entered the UK before 1970 then the museum should ask for necessary documentary proof of provenance before the sale. The museum needs to be fully aware of the implications of any legislation, in the UK or the country of origin or an intermediate country, that might apply to the period before 1970 and make every reasonable effort to ascertain that its export was not in violation of that legislation.”. Vgl. 5. What to do if there are problems establishing the provenance, Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit diligence: The due diligence process outlined above may raise doubts about the item’s ethical status, in which case it cannot be acquired or borrowed. In all cases if there is any suspicion whatsoever about the item, then you should not proceed with the acquisition. However, as a result of the due diligence process the museum may conclude that the item’s ethical status is acceptable. In this case one of the following will apply: a) The vendor/donor gave a plausible account of the item’s history and provided documentary or other acceptable evidence to support the provenance, proving that it was not illegally exported or excavated after 1970. b) The museum is clear that the item entered the UK prior to 1970, or was legally exported from the country of origin (and any intermediate country) to the UK after 1970, but there is no documentary evidence of provenance. In situation b) the museum should ask for a sworn statement (affidavit), prepared by a lawyer, from the vendor or donor, or their agent, to confirm their account of the item’s provenance. In the case of major items the absence of documentary evidence, or an affidavit from the owner, donor or their agent, confirming their account of the item’s provenance means that there must be doubts about the item’s status, so it cannot be acquired or borrowed. In the case of a minor item659 instead of requiring an affidavit it is acceptable to record in writing the vendor/donor’s ac-count and ask him/her to sign it as a true account. Note that under the Data Protection Act the vendor/donor has the right to inspect records concerning them. c) If the item is minor and the owner cannot provide a plausible account of its provenance and if it does not fall into any of the categories outlined above (e.g. freshly excavated, from a ‘hot’ area, or a ‘hot’ category of item), then the decision to accept or purchase the item is a matter for the judgement of the individual museum, having considered all the relevant points mentioned above. If the museum does embark on the purchase, it is the mu-seum’s responsibility to act openly and transparently and record the ways in which due diligence has been exer-cised. This is important not only in cases where funds are being sought for a purchase, but also to avoid potential future difficulties for the acquiring institution. In all cases if there is any suspicion whatsoever about the item, then you should not proceed with the acquisition. If, after all necessary checks have been made, it is felt to 659
“Minor items: Many minor items appear on the market or are offered to museums with no acquisition history. This may be because they are illicit but it may equally be because none of their previous owners has ever thought it worthwhile to catalogue or record them, or to provide or keep receipts of purchase. There is also the possibility that documentary evidence of a legitimate provenance has been lost. The only satisfactory way to decide whether in individual cases it is ethically admissible to attempt to acquire such items is through the exercise of due diligence. ‘Minor items’ are not easy to define comprehensively, since most categories of material, from manuscripts and coins to porcelain and Greek vases, necessarily include both minor and major items. Nor is it appropriate to use financial value as the main criterion, since items which are very cheap and which may seem insignificant can have major archaeological and cultural significance. However, they share the following characteristics: – may be of common types, or may be items of which multiple examples were made and have survived. – are usually made of relatively cheap or plentifully available materials – are often (but not always) small in physical size – may lack conventional beauty or other appeal – tend to be (but are not always) of relatively low monetary value. If a museum is unsure whether an item falls into the category of ‘minor items’ they should consult with colleagues from other institutions (see Appendix 1). They should ensure that the decision to treat an item as minor is fully recorded.” Fn. 2 Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt be inappropriate to pursue the acquisition further, then the process should be closed formally, with all relevant documentation put on file. Note that under freedom of information requirements, the file may be open to future examination. If a museum believes that a criminal of-fence has taken place they should report it to the police.
326
Verlangen spezielle Regierungsrichtlinien, Gesetze oder Konventionen des kulturellen Ursprungsstaates die Einwilligung zu der Veräußerung kultureller Wertgegenstände an Museen, die anderweitig keiner Veräußerung unterfallen sollen, ist eine solche Zustimmung vor der Akquisition unerlässlich.660 Besondere Richtlinien wurden schließlich für den Erwerb ganzer Sammlungen vorgesehen. Von dem Grundsatz der individuellen Prüfung jedes einzelnen zu erwerbenden Objekts kann nach Punkt 9 der DCMS-Guidelines 2005 dann abgewichen werden, „[i]f a discrete collection is accompanied by documentation or acceptable evidence verifying its provenance, then acquisition of the collection is not a problem.“ 661 Besteht jedoch keine Dokumentation für die gesamte Kollektion oder es wird nur auf einzelne Objekte Bezug genommen, dann erwarten die Richtlinien ebenso hinreichende Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb ganzer Kollektionen wie bei der Akquisition einzelner Gegenstände.
327
Abgerundet werden die DCMS-Guidelines 2005 durch die Institutionalisierung des Grundsatzes von Museums of last resort for items originating in the UK. Damit greifen die Richtlinien eine moderne Entwicklung innerhalb des Kulturgüterschutzes auf: Danach sollen insbesondere Museen nicht daran gehindert werden, kulturelle Güter ohne Provenienzangaben trotz der Gewissheit eines zuvor erfolgten unrechtmäßigen Entziehungsaktes und des illegalen Handels innerhalb des internationalen Kunstmarktes zu erwerben. Funktionen der Deklaration von Museen als Repositories of Last Resort sind die Wahrung solcher außergewöhnlichen Gegenstände für die Öffentlichkeit und der Schutz vor einem endgültigen Abtauchen in den schwarzen Markt. Anfänglich wurde diese Tendenz nicht unkritisch rezipiert, da Museen so dem illegalen Kunsthandel Vorschub leisten. Im Ergebnis wurde aber die Bedeutung solcher Gegenstände für die Öffentlichkeit als Rechtfertigung anerkannt. Voraussetzung ist allerdings innerhalb der Ausgestaltung der DCMS-Guidelines 2005, dass diese Objekte von ausstehender kultureller oder wissenschaftlicher Bedeutung sind und dass britische Museen allein für britische Kulturgüter einen sicheren Hafen bilden sollen. 660
661
Vgl. 8. Specific permission from the country of origin, courts, etc., Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005: Under some government policies, laws or conventions there may be procedures that can give consent to museums to acquire an item that would otherwise be unacceptable under the law or convention, or retrospectively approve an export. In such cases it is vital that the museum obtains such consent in writing before acquiring the item. Vgl. 9. Due diligence when acquiring collections, Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005: 11. Museums of last resort for items originating in the UK: Museums occasionally act as repositories of last resort for antiquities originating within their local areas of responsibility, and they will on occasion approve the acquisition of antiquities without documented provenance where it can reliably be inferred that they originated within their collecting area within the United Kingdom, and where such payment as may be made is not likely to encourage illicit excavation. This does not apply to items originating outside the UK. In such cases the following principles should apply: – The museum should not make a decision to acquire such an item on its own, but should seek external advice and approval from appropriate experts (See Appendix 1) – The museum should pursue the acquisition in as open a way as possible, including, for example, publishing a note of it in Museums Journal, the museum’s annual report, or other appropriate publication – Museums should report items known, or strongly suspected, to have been stolen or illegally removed to the police – Record details of all actions and discussions concerning the item. It is not possible to foresee any circumstances under which museums should purchase items known to have been stolen or illegally removed. If museums do acquire such items, they would normally come via law enforcement agencies. It is also crucial to ensure that any such acquisitions are lawful under, for example, the Dealing in Cultural Objects (Offences) Act 2003 and other legislation.
328
Insgesamt stellen die DCMS-Guidelines 2005 zur Selbstregulierung des Erwerbs kultureller Wertgegenstände durch britische Museen, Bibliotheken und Archive ein modernes Rechtsinstrument dar, das hohe Anforderungen an die Museen stellt und diese ausdrücklich in die Pflicht zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels nimmt. Dabei befinden sich die einzelnen Anforderungen, die an die Museen, Bibliotheken und Archive gestellt werden, einen deutlichen Schritt vor der Rechtslage de lege lata. Besonders durch die Implikation spezieller Sorgfaltsanforderungen seitens der Erwerber kultureller Wertgegenstände liegen die DCMSGuidelines 2005 im Trend der Zeit und verdeutlichen die notwendigen Bedürfnisse eines fairen und lauteren Kulturgüterverkehrs.662
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2.
Museale Erwerbsregeln kollektiver Verbände und einzelner Museen
Schrifttum: Amory, Policies – An Outline of Problems of Concern to Acquisition Committees, in: DuBoff, Art Law – Domestic and International, 1975, S. 371–382; Cuno, Museums, Antiquities, Cultural Property, and the US Legal Framework for Making Acquisitions, in: Gibbon, Who Owns the Past? – Cultural Policy, Cultural Property, and the Law, 2005, S. 143–157; Elsen, Museum Acquisition Policies, in: DuBoff, Art Law – Domestic and International, 1975, S. 415– 419; Griffin, Museum Acquisitions Policies, in: DuBoff, Art Law – Domestic and International, 1975, S. 395–409; Hamilton, Museum Acquisitions: The Case for Self-Regulation, in: DuBoff, Art Law – Domestic and International, 1975, S. 347–362; Lewis, Selbstregulierung der Museen: Der ICOM-Kodex und das Verhältnis zur Forschung, in Heilmeyer/Eule, Illegale Archäologie – Internationale Konferenz über zukünftige Probleme bei unerlaubtem Antikentransfer, 23.–25.5.2003 in Berlin, aus Anlass des 15. Jahrestages der Berliner Erklärung, 2004, S. 50–60; 662
Vgl. detailliert zu den Sorgfaltsanforderungen innerhalb der DCMS-Guidelines 2005.
532
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, insb. S. 119 ff.; Renfrew, Ankäufe durch Museen: Verantwortung für den illegalen Handel mit Antiken, in Heilmeyer/Eule, Illegale Archäologie – Internationale Konferenz über zukünftige Probleme bei unerlaubtem Antikentransfer, 23.–25.5.2003 in Berlin, aus Anlass des 15. Jahrestages der Berliner Erklärung, 2004, S. 61–75; Streinz, Handbuch des Museumsrechts 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, 1998, S. 152–155; Wechsler/Coate-Saal/Lukavic, Museum Policy and Procedures für Nazi-Era Issues, 2001.
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Auch die Museen und deren Interessenverbände weisen heute aktualisierte Verhaltenskodizes auch hinsichtlich des Erwerbs kultureller Güter auf und suchen so eine Selbstregulation und die Implikation ethischer Mindestverhaltensstandards.
a)
Erwerbsregeln des International Council of Museums
331
Der International Council of Museums (ICOM) setzt bereits seit Jahrzehnten mit seinen Richtlinien neue Standards in der Selbstregulierung der Museen. Der Internationale Museumsrat als die internationale Organisation für Museen und Museumsfachleute ist dem Erhalt, der Pflege und der Vermittlung des kulturellen und natürlichen Welterbes verpflichtet. Mit über 24.000 Mitgliedern in 150 Ländern ist ICOM das internationale Netzwerk von Museen und Museumsfachleuten quer durch alle Fachgebiete. ICOM gehören 118 Nationalkomitees und 30 internationale Komitees sowie zahlreiche regionale und angegliederte Organisationen an. Mit über 3.700 Mitgliedern ist ICOM Deutschland die größte Organisation der Museen und Museumsfachleute in Deutschland und zugleich das mitgliederstärkste Nationalkomitee innerhalb des Internationalen Museumsrats. ICOM sieht seinen Auftrag darin, in Zusammenarbeit mit der UNESCO die in den Museen verwahrten Kulturgüter zu schützen und sie in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Die von ICOM entwickelten und inzwischen weltweit anerkannten Ethischen Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums) bilden die Grundlage der professionellen Arbeit von Museen und Museumsfachleuten.663 Ausgangspunkt der Selbstregulierung war gerade die Zusammenstellung sog. Ethics of Acquisitions aus dem Jahr 1970, die der Internationale Museumsrat als sog. ICOM-Recommendation veröffentlichte:
332
ICOM-Ethics of Acquisitions aus dem Jahr 1970: 1. The museum of today is not a mere repository of objects: it is concerned with the acquisition of the objects as an integral part of a specific programme of: 663
Der erste vollständige Code of Professional Ethics wurde am 4. November 1986 in Buenos Aires (Argentinien) durch die 15. ICOM-Generalversammlung veröffentlicht. Am 6. Juli 2001 hat die 20. ICOM-Generalversammlung in Barcelona (Spanien) den Code of Ethics for Museums fortgeschrieben und in einer neuen Fassung in englischer und französischer Sprache verabschiedet. Der Code of Ethics for Museums wurde am 8. Oktober 2004 auf der 21. ICOM-Generalversammlung in Seoul/Süd-Korea erneut überarbeitet. ICOM Deutschland hat zusammen mit ICOM Österreich und ICOM Schweiz im Jahr 2003 eine deutsche Übersetzung der Fassung von 2001 herausgeben. Quelle: www.icom-deutschland.de.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit a. scientific research, b. education, c. conservation, d. the demonstration of National and International, Natural and Cultural Heritage. 2. Some museums may encompass all aspects of this far-reaching programme, whilst others may specialize in certain parts of it. Consequently no object should be acquired which has no part to play in the aims of the museum as demonstrated by its programme. 3. The object being considered for acquisition may come from anywhere within a wide spectrum of definitions, the two extremes of which may be briefly summarized as being: a. objects recognised by scholarship and/or the community where they have their full cultural significance as having a unique quality and are therefore beyond value; b. objects which, though not necessarily rare in themselves, nevertheless have a value which derives from their cultural and natural environment. 4. The significance of the object (cultural and scientific) will depend upon its being fully documented. As a matter of principle no acquisition should be made without this full documentation, with the possible exception of certain objects which come near to that end of the spectrum characterized by definition (a), paragraph 3, when the essential documentation relative to the latter may be obtained by systematic research after acquisition. 5. In most fields, direct acquisitions are best obtained by scientifically conducted research missions. They may occur in the mission’ s own country or abroad. In the latter case they must be conducted with the agreement or the cooperation, and according to the laws of the host country. 6. Direct acquisitions can also be made through cooperation with a museum or with an institution responsible for the safeguard of the national cultural heritage, in the country possessing the required object. These same principles may also be profitably applied “mutatis mutandis” to objects which come near to that end of the spectrum characterized by definition (a), paragraph 3. 7. The object acquired by direct means is as well documented as possible; this is not always the case with indirect acquisitions. Whereas direct acquisitions conducted as described in paragraphs 5 and 6, will always conform to ethical standards, this may not always be the case with the indirect system. 8. The indirect acquisition, which includes the gift and bequest, is that which has been acquired through one, or more intermediaries. When a museum feels obliged to acquire an object indirectly, this should always be done in observance of the laws and interests of the country from which it is obtained, or the country of origin when the country from which it is obtained is only a place of commercial transit. 9. The responsibility of the museum professional in those museums which have as their primary function the preservation of the national heritage is threefold: a. to acquire and preserve for the country concerned a comprehensive collection illustrating all aspects of the nation’s cultural and natural heritage; b. to control the international movement of objects belonging to this heritage; c. to cooperate with foreign museums and other scientific institutions to ensure adequate representation of that culture on an international scale. 10. It is imperative that if the museum is to fulfil completely its roles in education and international understanding, its professional staff must observe the highest ethical standards not only in the very important process of acquisition but also in the other fields of their professional activity.
533
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
333
Dies war der Ausgangspunkt einer weitreichenden Entwicklung zur Bekämpfung des illegalen Kulturgüterverkehrs:664 Heute werden innerhalb des ICOMCode of Ethics for Museums vom 8. Oktober 2004 in der Fassung des Jahres 2006 konkrete Deklarationen bezüglich der Ankaufspolitik von Museen getroffen, die sicherstellen sollen, dass Museen nicht unrechtmäßig transferierte Kulturgüter auf dem illegalen Kunstmarkt erwerben und in die Sammlungen aufnehmen.
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ICOM-Code of Ethics for Museums vom 8. Oktober 2004 in der Fassung des Jahres 2006 2. MUSEUMS THAT MAINTAIN COLLECTIONS HOLD THEM IN TRUST FOR THE BENEFIT OF SOCIETY AND ITS DEVEL-OPMENT: Principle: Museums have the duty to acquire, preserve and promote their collections as a contribution to safeguarding the natural, cultural and scientific heritage. Their collections are a significant public inheritance, have a special position in law and are protected by international legislation. Inherent in this public trust is the notion of stewardship that includes rightful ownership, permanence, documentation, accessibility and responsible disposal. ACQUIRING COLLECTIONS 2.1 Collections Policy: The governing body for each museum should adopt and publish a written collections policy that addresses the acquisition, care and use of collections. The policy should clarify the position of any material that will not be catalogued, conserved, or exhibited … . 2.2 Valid Title: No object or specimen should be acquired by purchase, gift, loan, bequest, or exchange unless the acquiring museum is satisfied that a valid title is held. Evidence of lawful ownership in a country is not necessarily valid title. 2.3 Provenance and Due Diligence: Every effort must be made before acquisition to ensure that any object or specimen offered for purchase, gift, loan, bequest, or exchange
664
Der Internationale Museumsrat hat jedoch nur die Bekämpfung des illegalen Kunsthandels mit unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern thematisiert und mittels der sog. ICOMRecommendations concerning the Return of Works of Art Belonging to Jewish Owners vom 14. Januar 1999 spezielle Richtlinien der Behandlung NS-verfolgungsbedingt entzogener Vermögensverluste bestimmt: During its last meeting, held in Paris in December 1998, the Executive Council of the International Council of Museums (ICOM) discussed the issue of works of art confiscated from Jewish owners during the Second World War and kept in museums or public collections. According to ICOM’s Code of Professional Ethics, the Executive Council wished to reiterate that In all activities, museum employees must act with integrety and in accordance with the most stringent ethical principles as well as the highest standards of objectivity. Concerning the confiscation of Jewish works of art, the Executive Council of ICOM made the following recommendations to museum professionals around the world: – To actively investigate and identify all acquisitions of a museum, especially those acquired during or just after the Second World War, that might be regarded as of dubious provenance (notably objects once belonging to Jewish owners and stolen, looted or removed forcibly). – To make such relevant information accessible to facilitate the research and identification of objects of doubtful provenance by potential rightful owners or their heirs. – To actively address and participate in drafting and establishing procedures, nationally and internationally, for disseminating information on these objects and facilitating their rightful return. – To actively address the return of all objects of art that formerly belonged to Jewish owners or any other owner, and that are now in the possession of museums, to their rightful owners or their heirs, according to national legislation and where the legitimate ownership of these objects can clearly be established.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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has not been illegally obtained in or exported from, its country of origin or any intermediate country in which it might have been owned legally (including the museum’s own country). Due diligence in this regard should establish the full history of the item from discovery or production. 2.4 Objects and Specimens from Unauthorised or Unscientific Fieldwork: Museums should not acquire objects where there is reasonable cause to believe their recovery involved the unauthorised, unscientific, or intentional destruction or damage of monuments, archaeological or geological sites, or species and natural habitats. In the same way, acquisition should not occur if there has been a failure to disclose the finds to the owner or occupier of the land, or to the proper legal or governmental authorities. … 2.9 Acquisition Outside Collections Policy: The acquisition of objects or specimens outside the museum’s stated policy should only be made in exceptional circumstances. The governing body should consider the professional opinions available to them, and the views of all interested parties. Consideration will include the significance of the object or specimen including its context in the cultural or natural heritage, and the special interests of other museums collecting such material. However, even in these circumstances, objects without a valid title should not be acquired (See also 3.4). 2.11 Repositories of Last Resort: Nothing in this Code of Ethics should prevent a museum from acting as an author-ised repository for unprovenanced, illicitly collected or recovered specimens and objects from the territory over which it has lawful responsibility. … 3.4 Exceptional Collecting of Primary Evidence: In exceptional cases an item without provenance may have such an inherently outstanding contribution to knowledge that it would be in the public interest to preserve it. The acceptance of such an item into a museum collection should be the subject of a decision by specialists in the discipline concerned and without national or international prejudice. … 4.5 Display of Unprovenanced Material: Museums should avoid displaying or otherwise using material of questionable origin or lacking provenance. They should be aware that such displays or usage can be seen to condone and contribute to the illicit trade in cultural property.
Von besonderer Bedeutung sind hier die Erwerbsregeln für kulturelle Institutionen: Museen dürfen hiernach Objekte nur dann kaufen, leihen oder als Geschenk annehmen, wenn der Träger und die verantwortliche Person davon überzeugt sind, dass ein gültiger Rechtstitel erlangt werden kann. Zudem müssen Museen alle notwendigen Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass eine mögliche Neuerwerbung nicht im kulturellen Ursprungsland oder irgendeinem anderen Land, in dem sie sich legal befunden haben mag, auf illegale Weise erworben oder exportiert wurde. Um eine möglichst weitgehende Verringerung der Gefahr des Erwerbs unrechtmäßig entzogener und im Kunsthandel illegal transferierter Kulturgüter zu erreichen, soll vor einem Erwerb alles daran gesetzt werden, die vollständige Provenienz des betreffenden Objekts zu ermitteln. Zum Schutz archäologischer Stätten dürfen Museen keine Stücke akzeptieren, bei denen berechtigter Grund zur Annahme besteht, dass ihre Entdeckung mit einer ungenehmigten unwissenschaftlichen oder absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung historischer Denkmäler einherging.
335
Von aktueller Bedeutung ist die Rezeption der Idee von Museen als Repositories of Last Resort in Punkt 2.11 und 3.4. Danach sollen Museen nicht daran gehin-
336
536
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
dert werden, kulturelle Güter ohne Provenienz trotz der Sicherheit eines zuvor erfolgten unrechtmäßigen Entziehungsaktes und des illegalen Handels innerhalb des internationalen Kunstmarktes dann zu erwerben, wenn diese Objekte von ausstehender kultureller oder wissenschaftlicher Bedeutung sind. Funktionen der Deklaration von Museen als Repositories of Last Resort sind die Wahrung solcher außergewöhnlichen Gegenstände für die Öffentlichkeit und der Schutz vor einem endgültigen Abtauchen in den schwarzen Markt. Anfänglich wurde diese Tendenz nicht unkritisch rezipiert, da Museen so dem illegalen Kunsthandel noch Vorschub leisten, im Ergebnis wurde aber die Bedeutung solcher Gegenstände für die Öffentlichkeit als Rechtfertigung anerkannt. 337
Auch innerhalb der in Deutschland verfügbaren Fassung der ICOM – Ethische Richtlinien für Museen vom 6. Juli 2001 wurden spezielle Erwerbsrichtlinien aufgenommen:
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ICOM – Ethische Richtlinien für Museen vom 6. Juli 2001: 3.2 Unrechtmäßiger Erwerb: Der illegale Handel mit Objekten und Exemplaren fördert die Zerstörung von historischen Stätten, ethnischen Kulturen und natürlichen Lebensräumen und begünstigt Diebstahl auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Er gefährdet den Bestand bedrohter Pflanzen- und Tierarten, verstößt gegen die „UNOKonvention über die biologische Vielfalt“ (UN Convention on Biological Diversity) von 1992 und steht im Widerspruch zur allgemein gültigen Haltung gegenüber nationalem und internationalem Erbe. Museen sollten anerkennen, dass die illegale Bedienung von Marktinteressen zur Zerstörung von menschlichen Lebensräumen und der Umwelt sowie zu Wissensverlust führt. Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter müssen den Standpunkt vertreten, dass es höchst unethisch ist, Schwarzhandel direkt oder indirekt zu unterstützen. Ein Museum soll Objekte oder Exemplare nur dann kaufen, leihen oder als Geschenk bzw. Legat annehmen, wenn der Träger und die verantwortliche Person im Museum überzeugt sind, dass ein gültiger Rechtstitel erlangt werden kann. Es müssen alle notwendigen Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass eine mögliche Neuerwerbung nicht etwa im Ursprungsland oder irgendeinem anderen Land (einschließlich des eigenen), in dem es sich legal befunden haben mag, auf illegale Weise erworben oder exportiert wurde. Bevor ein Erwerb in Erwägung gezogen wird, sollte alles daran gesetzt werden, die vollständige Provenienz des betreffenden Objekts zu ermitteln – von seiner Entdeckung oder Entstehung an. Zusätzlich zu den oben beschriebenen Schutzmaßnahmen darf ein Museum keine Stücke akzeptieren, bei denen berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass ihre Entdeckung mit der ungenehmigten, unwissenschaftlichen oder absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung historischer Denkmäler einherging. Dies gilt auch für archäologische und geologische Stätten sowie natürliche Lebensräume und für Funde, die dem Grundeigentümer oder den zuständigen Behörden verheimlicht wurden. Außerdem dürfen Museen weder auf direktem noch indirektem Wege biologische oder geologische Materialien erwerben, die unter Verstoß gegen lokale, regionale, nationale und internationale Artenschutz- oder Naturschutzgesetze oder -abkommen gesammelt, verkauft oder auf andere Weise weitergegeben wurden. Fehlt bei einem gewünschten Erwerb der Herkunftsnachweis, kann ein Konflikt entstehen. Auch in solchen Fällen muss die Möglichkeit, einen Rechtstitel auf den Gegenstand zu erlangen, eine vorrangige Rolle spielen. Ausnahmsweise kann ein Stück ohne Herkunftsnachweis von derart überragender wissenschaftlicher Bedeutung sein, dass eine Bewahrung im öffentlichen Interesse liegt. Aufgrund der anzunehmenden internationalen Tragweite einer solchen Entscheidung sollte sie in die Hände von Autoritäten aus dem betreffenden Fachgebiet gelegt und
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
537
nicht von nationalen oder institutionellen Erwägungen beeinflusst werden. Sie hat ausschließlich klar definierten wissenschaftlichen Interessen zu dienen. 3.3 Feldstudien und Aufsammlungen: Museen sollten bei den Bemühungen, der Zerstörung natürlicher, archäologischer, ethnographischer, historischer und künstlerischer Ressourcen weltweit Einhalt zu gebieten, eine führende Rolle spielen. Sie sollen Richtlinien entwickeln, die es ihnen ermöglichen, ihre Sammlungsaktivitäten im Einklang mit nationalen und internationalen Gesetzen und Abkommen durchzuführen und sicherstellen, dass sich ihre Vorgehensweise mit dem Geist und den Absichten nationaler und internationaler Bemühungen deckt, das kulturelle und natürliche Erbe zu schützen und zu fördern. Feldforschungen, Aufsammlungen und Ausgrabungen dürfen nur in Übereinstimmung mit den Gesetzen und Bestimmungen des Gastlandes durchgeführt werden. Vor der Planung von Feldstudien und Aufsammlungen müssen Untersuchungen vorgenommen und bekannt gemacht werden. Zuständige Behörden und interessierte Museen im Gastland oder der Region sind zu konsultieren. Diese Konsultationen dienen der Überprüfung, ob die geplanten Aktivitäten legal und aus akademisch-wissenschaftlicher Sicht gerechtfertigt sind. Dabei sollte auch vereinbart werden, dass den zuständigen Behörden des Gastlandes die erlangten Informationen und Forschungsergebnisse mitgeteilt werden. Bei der Durchführung jedes Feldforschungsprogramms muss sichergestellt sein, dass alle an der Sammlung von Exemplaren und Daten Beteiligten legal und verantwortlich handeln und dass sie unethisches, illegales und zerstörerisches Vorgehen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern suchen. Wenn es bei der Arbeit im Gelände um ein bestehendes Gemeinwesen oder dessen Erbe geht, sollten Erwerbungen nur im gegenseitigen Einverständnis erfolgen und weder Eigentümerin oder Eigentümer noch Gewährsleute ausgenützt werden. Es ist überaus wichtig und erfordert größtes Fingerspitzengefühl, den Wertvorstellungen und Bedürfnissen der beteiligten Gemeinschaft mit Respekt zu begegnen.
Schließlich werden seitens des ICOM-Code of Ethics for Museums vom 8. Oktober 2004 in der Fassung des Jahres 2006 spezielle Richtlinien in Punkt 6.2 für die Repatriierung rechtmäßig ausgeführter Kulturgüter und für die Restitution in Punkt 6.3 illegal exportierter und in Punkt 6.4 kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter formuliert:
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ICOM-Code of Ethics for Museums vom 8. Oktober 2004 in der Fassung des Jahres 2006: 6. MUSEUMS WORK IN CLOSE COLLABORATION WITH THE COMMUNITIES FROM WHICH THEIR COLLECTIONS ORIGI-NATE AS WELL AS THOSE THEY SERVE: Principle: Museum collections reflect the cultural and natural heritage of the communities from which they have been derived. As such they have a character beyond that of ordinary property which may include strong affinities with national, regional, local, ethnic, religious or political identity. It is important therefore that museum policy is responsive to this possibility.
340
ORIGIN OF COLLECTIONS … 6.2 Return of Cultural Property: Museums should be prepared to initiate dialogues for the return of cultural property to a country or people of origin. This should be undertaken in an impartial manner, based on scientific, professional and humanitarian principles as well as applicable local, national and international legislation, in preference to action at a governmental or political level. 6.3 Restitution of Cultural Property: When a country or people of origin seeks the restitution of an object or specimen that can be demonstrated to have been exported or otherwise transferred in violation of the principles of international and national con-
538
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt ventions, and shown to be part of that country’s or people’s cultural or natural heritage, the museum concerned should, if legally free to do so, take prompt and responsible steps to cooperate in its return. 6.4 Cultural Objects From an Occupied Country: Museums should abstain from purchasing or acquiring cultural objects from an occupied territory and respect fully all laws and conventions that regulate the import, export and transfer of cultural or natural materials.
341
Bereits in der in Deutschland verfügbaren Fassung der ICOM – Ethische Richtlinien für Museen vom 6. Juli 2001 wurde in Punkt 4.4 das Verhalten von Museen bzgl. der Rückgabe und Rücknahme von Kulturgütern beschrieben. Dabei wurde explizit auf die UNESCO-Convention vom 14. November 1970 und die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 Bezug genommen, wonach Museen bei der Rückgabe und Rücknahme von Kulturgütern handeln sollten. Weiter heißt es: „Wenn ein Herkunftsland oder -volk die Rückgabe eines Objekts oder Exemplars erbittet und sich belegen lässt, dass der Gegenstand unter Verletzung der Prinzipien dieser Konventionen exportiert oder auf anderem Wege übereignet wurde und eigentlich zum kulturellen oder natürlichen Erbe dieses Landes oder Volkes gehört, sollte das betreffende Museum umgehend geeignete Schritte einleiten und bei der Rückgabe helfen, sofern es rechtlich dazu befugt ist. Bei der Beantwortung von Anfragen bezüglich der Rückgabe von Kulturgütern an ihre Herkunftsländer oder -völker sollten Museen bereit sein, auf der Basis wissenschaftlicher und professioneller Prinzipien in einen unvoreingenommenen Dialog zu treten. Diese Vorgehensweise ist möglichen Maßnahmen auf politischer oder Regierungsebene vorzuziehen. … Museen haben außerdem die Bedingungen der ,Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten‘ (Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict, erstes Protokoll 1954 und zweites Protokoll 1999) vollständig anzuerkennen. Zur Unterstützung dieser Konvention sollten Museen sich weigern, Kulturgüter besetzter Länder zu erwerben oder in Besitz zu nehmen.“ 665
342
Schließlich nimmt der ICOM-Code of Ethics for Museums vom 8. Oktober 2004 in der Fassung des Jahres 2006 Rekurs auf die bestehenden internationalen Konventionen zum Kulturgüterschutz, bezieht sich explizit aber auch auf die bestehenden nationalen Kulturgüterschutzgesetze zur Bewahrung und Erhaltung national bedeutsamer Kulturgüter der Ursprungsstaaten für zukünftige Nationen.
343
ICOM-Code of Ethics for Museums vom 8. Oktober 2004 in der Fassung des Jahres 2006: LEGAL FRAMEWORK 7.1 National and Local Legislation: Museums should conform to all national and local laws and respect the legislation of other states as they affect their operation. 7.2 International Legislation: Museum policy should acknowledge the following international legislation which is taken as a standard in interpreting the ICOM Code of Ethics: 665
Punkt 4.4 der ICOM – Ethische Richtlinien für Museen vom 6. Juli 2001.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
539
• UNESCO Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict (The Hague Convention, First Protocol, 1954 and Second Protocol, 1999); • UNESCO Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (1970); • Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (1973); • UN Convention on Biological Diversity (1992); • Unidroit Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects (1995); • UNESCO Convention on the protection of the Underwater Cultural Heritage (2001); • UNESCO Convention for the Safeguarding of the Intangible Cultural Heritage (2003).
b)
Erwerbsregeln der American Association of Museums
Über den Internationalen Museumsrat als globale Vereinigung der Museen hinaus greifen aber auch nationale Museumsverbände regulierend in den (inter-)nationalen Kunstmarkt ein. Die American Association of Museums 666 hat bspw. im Jahre 1991 die Annahme des sog. Code of Ethics for Museums als formale Festschreibung ethischer Mindestverhaltensstandards für Museen vorgesehen und verlangt seitdem die Beachtung dieser, inzwischen letztmalig im Jahre 2000 revidierten Grundsätze seitens der im Museumsbereich Beschäftigten. Innerhalb der einführenden Anmerkungen bettet die American Association of Museums das Verhalten ihrer Mitglieder in den vorgegebenen rechtlichen Rahmen, verlangt jedoch weitergehend die Einhaltung ethischer Mindestverhaltensstandards:
344
AAM-Code of Ethics for Museums aus dem Jahr 2000: … The law provides the basic framework for museum operations. As nonprofit institutions, museums comply with applicable local, state, and federal laws and international conventions, as well as with the specific legal standards governing trust responsibilities. This Code of Ethics for Museums takes that compliance as given. But legal standards are a minimum. Museums and those responsible for them must do more than avoid legal liability, they must take affirmative steps to maintain their integrity so as to warrant public confidence. They must act not only legally but also ethically. This Code of Ethics for Museums, therefore, outlines ethical standards that frequently exceed legal minimums. …
345
666
“About AAM: ‘AAM’s mission is to enhance the value of museums to their communities through leadership, advocacy, and service.’ The American Association of Museums has been bringing museums together since 1906, helping to develop standards and best practices, gathering and sharing knowledge, and providing advocacy on issues of concern to the entire museum community. We are dedicated to ensuring that museums remain a vital part of the American landscape, connecting people with the greatest achievements of the human experience, past, present and future. AAM is the only organization representing the entire scope of museums and professionals and nonpaid staff who work for and with museums. We currently represent more than 15,000 individual museum professionals and volunteers, 3,000 institutions, and 300 corporate members. Individual members span the range of museum occupations, including directors, curators, registrars, educators, exhibit designers, public relations officers, development officers, security managers, trustees and volunteers. Every type of museum is represented including art, history, science, military and maritime, and youth museums, as well as aquariums, zoos, botanical gardens, arboretums, historic sites, and science and technology centers.” Quelle: http://www.aam-us.org/aboutaam/index.cfm.
540
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
346
Hinsichtlich der speziellen Anforderungen beim Erwerb kultureller Wertgegenstände reichen die Anforderungen jedoch über allgemeine Programmsätze nicht hinaus:
347
AAM-Code of Ethics for Museums aus dem Jahr 2000: Collections: The distinctive character of museum ethics derives from the ownership, care, and use of objects, specimens, and living collections representing the world’s natural and cultural common wealth. This stewardship of collections entails the highest public trust and carries with it the presumption of rightful ownership, permanence, care, documentation, accessibility, and responsible disposal. Thus, the museum ensures that: – acquisition, disposal, and loan activities are conducted in a manner that respects the protection and preservation of natural and cultural resources and discourages illicit trade in such materials – acquisition, disposal, and loan activities conform to its mission and public trust responsibilities – competing claims of ownership that may be asserted in connection with objects in its custody should be handled openly, seriously, responsively and with respect for the dignity of all parties involved.
348
Besondere Vorgaben für den Erwerb archäologischer Objekte beziehen die sog. AAM-Standards Regarding Archaeological Material and Ancient Art vom 11. August 2008 mit ein.667 Mit diesem noch sehr jungen Rechtsinstrument erließ die American Association of Museums neue Standards „regarding museum acquisition of archaeological material and ancient art that emphasizes proper provenance of such objects and complete transparency on the part of the acquiring institutions.“ 668 Die AAM-Standards vom 11. August 2008 bestimmen neue ethische Erwerbsanforderungen für die angeschlossenen amerikanischen Museen, um die Akquisition archäologischer Artefakte aus illegalen Ausgrabungen, die Anzahl von Interessenten für solche unrechtmäßig transferierten Kulturgüter und damit die Anreize für die weitere Plünderung archäologischer Grabungsorte weitestgehend zu reduzieren. “The new Standards require museums to have a publicly available collections policy setting out the institution’s standards for provenance – that is, history of ownership – concerning new acquisitions of archaeological material and ancient art.” 669 Nach den AAM-Standards vom 11. August 2008 müssen die Museen zusätzlich auch die Provenienz und Voreigentümer sämtlicher archäologischer Objekte in ihren Sammlungen offenlegen. Ebenso wie die Richtlinien des britischen Department for Culture, Media and Sport (DCMS), die sog. Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005, sehen die AAM-Standards vom 11. August 2008 das Datum des 17. November 1970, der Moment der Unterzeichnung der UNESCO-Convention 667
668 669
Vgl. ausführlich hierzu auch Süddeutsche Zeitung, Artikel vom 05.06.2008, S. 11; FAZ, Artikel vom 06.06.2008, S. 46; Kennedy, Museums Set Stricter Guidelines for Acquiring Antiquities, New York Times, Artikel vom 4.6.2008. Quelle: http://www.aam-us.org/museumresources/ethics/standards_ancientart.cfm. Quelle: http://www.aam-us.org/museumresources/ethics/standards_ancientart.cfm.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
541
on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export, and Transfer of Ownership of Cultural Property, als letztmöglichen Zeitpunkt an, von dem an Museen speziellen Verhaltensanforderungen beim Erwerb archäologischer Objekte unterfallen. Die folgenden Mindestvoraussetzungen werden den Mitgliedern der American Association of Museums seit Erlass der AAM-Standards vom 11. August 2008 beim Erwerb archäologischer Objekte vorgeschlagen: AAM-Standards Regarding Archaeological Material and Ancient Art vom 11. August 2008: Preamble: To promote public trust and accountability for U.S. museums, AAM offers the following standards to guide the operations of museums that own or acquire archaeological material and ancient art originating outside the United States.
349
Standards: 1. Collections Policy: Museums should have a publicly available collections policy setting out the institution’s standards for provenance concerning new acquisitions of archaeological material and ancient art. 2. New Acquisitions: Museums should: – rigorously research the provenance of an object prior to acquisition, – make a concerted effort to obtain accurate written documentation with respect to the history of the object, including export and import documents, and – require sellers, donors, and their representatives to provide all available information and documentation. Museums must comply with all applicable U.S. law, including treaties and international conventions of which the U.S. is a party, governing ownership and title, import and other issues critical to acquisitions decisions. Beyond the requirements of U.S. law, museums should not acquire any object that, to the knowledge of the museum, has been illegally exported from its country of modern discovery or the country where it was last legally owned. In addition, AAM recommends that museums require documentation that the object was out of its probable country of modern discovery by November 17, 1970, the date on which the UNESCO Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export, and Transfer of Ownership of Cultural Property was signed. For objects exported from their country of modern discovery after November 17, 1970, AAM recommends that museums require documentation that the object has been or will be legally exported from its country of modern discovery, and legally imported into the United States. AAM recognizes that there are cases in which it may be in the public’s interest for a museum to acquire an object, thus bringing it into the public domain, when there is substantial but not full documentation that the provenance meets the conditions outlined above. If a museum accepts material in such cases, it should be transparent about why this is an appropriate decision in alignment with the institution’s collections policy and applicable ethical codes. …
Hervorzuheben aus den unterschiedlichen Vorgaben der AAM-Standards vom 11. August 2008 ist zunächst, dass über die gesetzliche Notwendigkeit hinaus aus Gründen ethischen Mindestverhaltens generell von einem Erwerb bekanntermaßen illegal ausgeführter Objekte Abstand zu nehmen ist. Allgemein sollen Museen beim Erwerb den Nachweis verlangen, dass die archäologischen Objekte aus dem wahrscheinlichen kulturellen Ursprungsstaat schon vor dem 17. November 1970, der Unterzeichnung der UNESCO-Convention, ausgeführt waren. Für den Erwerb derjenigen Gegenstände, die nach diesem relevanten Zeit-
350
542
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
punkt aus dem kulturellen Ursprungsstaat ausgeführt wurden, empfehlen die AAM-Standards erwerbenden Museen, einen Nachweis dafür zu erbringen, dass die archäologischen Artefakte rechtmäßig aus dem kulturellen Ursprungsstaat ausgeführt wurden oder noch werden und gleichzeitig legal in das Territorium der Vereinigten Staaten von Amerika eingeführt werden. In Anlehnung an den aktuell häufig rezipierten Grundsatz von Museums of last resort ermöglichen auch die AAM-Standards vom 11. August 2008 den Erwerb archäologischer Objekte ohne vollständige Provenienzangaben und Voreigentümernachweise unter bestimmten Voraussetzungen und wenn die Öffentlichkeit durch die Ausstellung profitiert.
c) 351
Erwerbsregeln der Association of Art Museum Directors
Besondere internationale Beachtung finden auch die Erwerbsregeln und ethischen Mindestverhaltensstandards der Association of Art Museum Directors 670 des amerikanischen Museumraums, zu der heute mehr als 190 Direktoren von Museen in den USA, Kanada und Mexiko zählen. Während der AAMD-Code of Ethics aus dem Jahr 2001 hinsichtlich des Erwerbs kultureller Güter lapidar bestimmt, dass „[a] museum director should not knowingly acquire or allow to be recommended for acquisition any object that has been stolen, removed in contravention of treaties or international conventions to which the United States is 670
“The purpose of the Association of Art Museum Directors is to support its members in increasing the contribution of art museums to society. The AAMD accomplishes this mission by establishing and maintaining the highest standards of professional practice; serving as forum for the exchange of information and ideas; acting as an advocate for its member art museums; and being a leader in shaping public discourse about the arts community and the role of art in society. Members: Membership consists of persons who serve as directors of art museums in the United States, Canada, and Mexico which, by purpose, size, and standards of operation meet the eligibility requirements established by the Trustees of the Association. Membership in the Association is based on the qualifications of both the individual director and the specific art museum and no museum may be represented by more than one individual. The Association currently has 190 Active Members, 40 emeritus, and 20 honorary members. The Association maintains a ceiling of 200 active members. About Membership: Membership is open to persons who serve as directors of art museums in the United States, Canada, and Mexico which by purpose, size, and standards of operation meet the eligibility requirements established by the Trustees of the Association. The term ‘director’ is here used to designate that officer who has ultimate responsibility for the works of art owned by or lent to the museum, including jurisdiction over their acquisition, exhibition, preservation, study, and interpretation. Eligible individuals will be professionally qualified for their positions by a sufficient combination of art historical training, museum experience, demonstrated ability and adherence to the Code of Ethics of the Association. The term ‘art museum’ is here used to designate non-profit institutions primarily concerned with the exhibition of works of art, a professional staff and an annual operating budget equivalent to or exceeding $2 million for two consecutive years. Membership in the Association is based on the qualifications of both the individual director and the specific art museum and no museum may be represented by more than one individual.” Quelle: http://www.aamd.org/about.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
543
a signatory, or illegally imported in the United States“ 671, ist besonderes Augenmerk auf die separat veröffentlichten Position papers, Reports und Guidelines der AAMD zu legen. Auch die Association of Art Museum Directors ist dem aktuell weltweit zu konstatierenden Trend hinsichtlich des Ankaufs archäologischer Objekte gefolgt und hat den sog. Report on Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 als Ausdruck der „highest standards of professional practice“ erlassen.672 Innerhalb der Präambel stellt die AAMD die Wechselbeziehung zwischen dem Kulturgüterschutz und dem Bedürfnis nach einem starken legalen Markt archäologischer Objekte als Schlüssel zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels dar: Report on Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008: Preamble: The AAMD recognizes that the acquisition of archaeological materials and ancient art has in recent years become an increasingly complex task that requires the careful consideration of a number of different and, at times, seemingly contradictory goals. This report is intended to help its members understand the issues they will face when evaluating the purchase or acceptance of a gift of archaeological materials and ancient art and provides a framework for responsible decision-making in the development of their collections. Acknowledging that these subjects are interrelated, it also reaffirms the importance and the possibility of protecting archaeological sites as well as collecting archaeological materials and ancient art. This dual objective can only be accomplished through enhanced cooperation between source countries (i.e., countries of modern discovery of archaeological materials and ancient art) and museums that collect such works as well as the development of a mutual understanding and respect for the rights of these countries to protect their cultural property and those of museums whose work is to enhance – through collecting, research, and exhibition – knowledge and appreciation of the artistic achievements of the past.
352
Der neue AAMD-Report vom 4. Juni 2008 erkennt ebenso wie die Richtlinien des britischen Department for Culture, Media and Sport (DCMS), die sog. Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005 das Datum der Unterzeichnung der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 als zeitliche Grenze für die Applikation strengerer Erwerbsstandards archäologischer Gegenstände an. Die AAMD qualifiziert damit die UNESCO-Convention als Ausdruck eines einheitlichen sog. „set of expectations for museums, sellers, and donors“ 673. Danach sollen die Mitglieder der AAMD von einem Erwerb archäologischer Objekte Abstand nehmen, wenn nicht nach angemessenen Sorgfaltsanstrengungen zur Bestimmung der Provenienz des Gegenstandes mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass sich das Objekt schon vor dem Jahr 1970 außerhalb des Territoriums des kulturellen Entdeckungsortes befand oder nach dem genannten Datum entsprechend den nationalen Kulturgüterschutzgesetzen der kulturellen Ursprungsstaaten rechtmäßig ausgeführt wurde.
353
671 672 673
Quelle: http://www.aamd.org/about/#Code. Quelle: http://www.aamd.org/newsroom/documents/2008ReportAndRelease.pdf. Quelle: http://www.aamd.org/newsroom/documents/2008ReportAndRelease.pdf.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
354
Report on Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008: … II. Guidelines: … These guidelines apply to acquisitions of archaeological materials and ancient art by purchase, gift, bequest, or exchange. A. Member museums should thoroughly research the ownership history of archaeological materials or works of ancient art (individually a “work”) prior to their acquisition, including making a rigorous effort to obtain accurate written documentation with respect to their history, including import and export documents. B. When the work is being imported into the U.S. in connection with its acquisition by the member museum, import documentation should be obtained and compliance with the export laws of the country of immediate past export to the U.S. should be confirmed. C. Member museums should require sellers, donors, and their representatives to provide all information of which they have knowledge, and documentation that they possess, related to the work being offered to the museum, as well as appropriate warranties. D. Member museums must comply with all applicable local, state, and federal U.S. laws 674, most notably those governing ownership and title, import, and other issues pertinent to acquisition decisions. E. Member museums normally should not acquire a work unless provenance research substantiates that the work was outside its country of probable modern discovery before 1970 or was legally exported from its probable country of modern discovery after 1970. The museum should promptly publish acquisitions of archaeological materials and ancient art, in print or electronic form, including in these publications an image of the work (or representative images in the case of groups of objects) and its provenance, thus making this information readily available to all interested parties. …
355
Danach haben sich die Mitglieder der AAMD beim Erwerb archäologischer Objekte im Einklang mit den geltenden Rechtsregeln nach den höchsten Standards ethischen und professionellen Verhaltens zu richten. Ihr Erwerbsverhalten muss sich immer daran messen lassen, dass illegale Raubgrabungen und der illegale Markt mit archäologischen Artefakten weitestgehend verringert werden und seitens der Museumswelt keine Anreize hierfür geschaffen werden. Die Mitglieder der AAMD werden beim Erwerb archäologischer Objekte dazu angehalten, höchste Sorgfaltsanstrengungen zur Bestimmung des ursprünglichen Fundortes und der Provenienz des Gegenstandes zu verwenden und größtmögliche Transparenz im Erwerbsvorgang und in der Information der Öffentlichkeit zu schaffen. Das Datum der Unterzeichnung der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 sehen die Museumsdirektoren als Zeitpunkt eines neuen Dialoges über den Schutz archäologischer Objekte vor Raubgrabungen, der Zerstörung der Fundstellen und vor dem Verlust des Kontextes bei illegalen Veräußerungen von Altertumsfunden. Aus diesen Gründen stellen das Jahr 1970 und die Unterzeichnung der UNESCO-Convention eine zeitliche Schwelle dar „for the application of more rigorous standards to the acquisition of archaeological materials and ancient art as well as for the development of a unified set of expectations for museums, sellers and donors.“ 675 Ebenso wie die DCMS-Richtlinien 674
675
The reference to U.S. law means, for AAMD members outside of the U.S., the laws of their country. Quelle: http://www.aamd.org/newsroom/documents/2008ReportAndRelease.pdf.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
545
vom Oktober 2005 hält der Report on Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 aber auch eine Regelung für den Erwerb solcher archäologischen Gegenstände bereit, die letztlich keiner vollständigen Bestimmung des ursprünglichen Fundortes und ihrer Provenienz zugänglich sind. Bei der Akquisition solcher Gegenstände ist eine Abwägung zwischen der Möglichkeit des Erwerbs von Altertumsfunden aus Raubgrabungen oder illegalen Ausfuhren und der Sicherung der kulturell bedeutsamen Objekte vor Zerstörung und für die Öffentlichkeit vorzunehmen: Report on Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008: … F. The AAMD recognizes that even after the most extensive research, many works will lack a complete documented ownership history. In some instances, an informed judgment can indicate that the work was outside its probable country of modern discovery before 1970 or legally exported from its probable country of modern discovery after 1970, and therefore can be acquired. In other instances, the cumulative facts and circumstances resulting from provenance research, including, but not limited to, the independent exhibition and publication of the work, the length of time it has been on public display and its recent ownership history, allow a museum to make an informed judgment to acquire the work, consistent with the Statement of Principles above. In both instances, the museum must carefully balance the possible financial and reputational harm of taking such a step against the benefit of collecting, presenting, and preserving the work in trust for the educational benefit of present and future generations. The museum must prominently post on the AAMD website, to be established, an image and the information about the work as described in Section E above, and all facts relevant to the decision to acquire it, including its known provenance. G. If a member museum, as a result of its continuing research, gains information that establishes another party’s right to ownership of a work, the museum should bring this information to the attention of the party, and if the case warrants, initiate the return of the work to that party, as has been done in the past. In the event that a third party brings to the attention of a member museum information supporting the party’s claim to a work, the museum should respond promptly and responsibly and take whatever steps are necessary to address this claim, including, if warranted, returning the work, as has been done in the past.
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Auch innerhalb des Report on Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 erfolgt somit eine Institutionalisierung des Grundsatzes von Museums of last resort, wonach insbesondere Museen nicht daran gehindert werden sollen, kulturelle Güter ohne oder mit nur unzulänglichen Provenienzangaben trotz der Möglichkeit oder Gewissheit eines zuvor erfolgten unrechtmäßigen Entziehungsaktes und des illegalen Handels innerhalb des internationalen Kunstmarktes zu erwerben.
357
d)
Individuelle Erwerbsregeln und Verhaltensstandards einzelner Museen am Beispiel der Policy on Acquisitions des British Museum vom 24. April 2007
Schließlich haben sich auch einzelne Museen individuellen Erwerbsregeln und Verhaltensstandards unterworfen, um über die bestehende Rechtslage hinaus ihr Haus ethischen Richtlinien entsprechend auszurichten. Hier sind zahlreiche
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Einzelgestaltungen ersichtlich, die jedoch meist Bezug zu den Verhaltensanforderungen und Erwerbsstandards musealer Dachverbände nehmen. Dies ist auch bei der Policy on Acquisitions des British Museum vom 24. April 2007 erkenntlich, die sich stark an den Vorgaben der DCMS-Richtlinien vom Oktober 2005 orientiert und hier als Beispiel für ein modernes Rechtsinstrument zur Selbstregulierung einer kulturellen Institution dient.676 359
Policy on Acquisitions des British Museum vom 24. April 2007: This Policy outlines the principles the Museum takes into account when acquiring objects for its collection 677. … Trade: Due Diligence Guidelines for Museums, Libraries and Archives on Collecting and Borrowing Cultural Material. (DCMS 2005) 2.2 The Museum will not acquire objects unless they are legally available for acquisition. If the Museum is in doubt it will not proceed with the acquisition. Transferors and/or the Museum should complete a written record to demonstrate that due diligence has been exercised in respect of title and provenance. 2.3. The Museum will not accept whether as a gift or bequest, or on purchase, any object without obtaining the confirmation of the donor, executor or seller that s/he owns the object, and is able to transfer it free from encumbrances. The Museum will not acquire any object where it has reasonable cause to believe that the current holder is not legitimately entitled to retain the object or that the object was stolen, illegally exported or illegally imported. 2.4. The Museum deplores the looting of antiquities with the ensuing damage to archaeological sites and loss of cultural context. The Museum does not acquire objects that are known to result from such looting. 2.5 The Museum will normally only acquire those archaeological and heritage objects that have documentation to show a legal history back to November 14th 1970 (the date of the UNESCO Convention) and this policy will apply to all objects of major importance. The Museum recognises, however, that in practice many minor items 678 are not accompanied by detailed documentary history or proof of origin and reserves the right for the Museum’s curators to use their best judgement as to whether such objects should be recommended for acquisition. 2.6 There may be occasions when acquisition outside of the application of this policy is considered, as for example could occur if cultural or archaeological objects were otherwise under threat of destruction. The Museum may sometimes also act as a repository of last resort for antiquities, especially when it may reliably be inferred that the object(s) concerned originated within the United Kingdom, and where such payment as
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678
Quelle: http://www.britishmuseum.org/pdf/Acquisitions.pdf. This policy takes account of the UNESCO Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Cultural Property (14th November 1970); the Return of Cultural Objects Regulations 1994; the Dealing in Cultural Objects (Offences) Act 2003; the Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, dated 3 March 1973; the Treasure Act 1996; the Treasure Act 1996 Code of Practice (Revised) England and Wales; the Combating Illicit Trade: Due Diligence Guidelines for Museums, Libraries and Archives on Collecting and Borrowing Cultural Material; the Code of Professional Ethics of the International Council of Museums (ICOM); the Code of Professional Ethics of the Museums Association (MA); and the Code of Practice on Archives for Museums in the United Kingdom. As defined in Combating Illicit Trade: Due Diligence Guidelines for Museums, Libraries and Archives on Collecting and Borrowing Cultural Material.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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may be made to acquire the object(s) is not likely to encourage illicit excavation. Such circumstances would be exceptional and would be matters for discussion by the Board of Trustees 679. 2.7 The Museum will pay due respect to the moral rights of other individuals, groups or organisations. 2.8 The Museum does not normally acquire objects and materials made of, or including in their composition, parts or derivatives of wild fauna or flora included in any appendix to the CITES convention, where that object or material has been traded in contravention of the Convention since 1973. 2.9 The Museum normally expects Treasure finds from England to be acquired by regional museums and, in general, will acquire Treasure finds either when those museums are unable to proceed with the acquisition or, in the case of finds of major significance, only with the support of the appropriate regional museum. 2.10 The Museum does not purchase objects for the collection unless full funding has first been secured and it is satisfied that the purchase price represents value for money. 2.11 Acquisitions are normally made only after the costs of acquisition, conservation, storage and display have been identified and fully funded. Objects in such poor condition that they cannot be stabilised by conservation treatments are not normally acquired. 2.12 Acquisitions to be vested in the collection will be given a collection registration number on transfer and will be entered on the collection database as soon as possible thereafter. 2.13 Gifts are not accepted subject to conditions which are unreasonable or unduly onerous. 2.14 The Museum will normally expect to receive from the transferor any records and contextual information about an object it acquires. 2.15 The Museum will normally seek to obtain from the transferor an assignment of subsisting intellectual property rights in an acquisition or the rights’ holder’s licence to reproduce the object for the Museum’s general purposes. 2.16 No acquisition will be made in conflict with the Ethics Policy. This Policy was approved by the Trustees of the British Museum on 24 April 2007 and will be reviewed no later than 2011.
Man erkennt hierbei eindeutig die Handschrift der Richtlinien des britischen Department for Culture, Media and Sport (DCMS), die sog. Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005. Zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels mit archäologischen Objekten und zur Anreizreduzierung illegaler Ausgrabungen verlangt die Policy on Acquisitions des British Museum vom 24. April 2007 gesteigerte Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb, die Beachtung der geltenden Gesetze, insbesondere, dass die Objekte rechtmäßig auf britisches Territorium ein- und aus dem kulturellen Ursprungsstaat ausgeführt wurden, und erkennt die zeitliche Schwelle des Jahres 1970 mit Unterzeichnung der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 als Datum erhöhter Sorgfaltsanforderungen und effektiver Provenienzerfoschung. Auch innerhalb der Policy on Acquisitions des British Museum vom 24. April 2007 erfolgt eine Insti679
An example of a circumstance in which this might happen would be if the Museum were invited to accept items seized by HM Customs and Revenue as a donation to the Collection.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
tutionalisierung des Grundsatzes von Museums of last resort aus übergeordneten kulturpolitischen Gründen.
e)
Erwerbsregeln deutscher Museen
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Im Gegensatz zu zahlreichen ausländischen kulturellen Institutionen unterwerfen sich deutsche Museen – soweit ersichtlich – keiner eigenständigen Selbstregulation und übernehmen die Verhaltensstandards des Deutschen Museumsbundes und ICOM Deutschlands. Während die in Deutschland verfügbare Fassung der ICOM – Ethische Richtlinien für Museen vom 6. Juli 2001 spezielle Verhaltensstandards für den Erwerb kultureller Güter normierte, hat der Deutsche Museumsbund in Form sog. Standards für Museen vom Februar 2006 zwar eine Orientierung für eine qualifizierte Museumsarbeit in Deutschland vorgelegt, bleibt darin aber hinsichtlich spezieller Verhaltensweisen der Mitglieder zur Bekämpfung des illegalen Kulturgüterverkehrs und Erwerbsregeln hinter den Vorlagen vergleichbarer Verbände augenscheinlich zurück.680 Somit fehlen präzise Verhaltensstandards für deutsche Museen in einem so wichtigen Kernbereich musealer Tätigkeit, sodass diese bei ihren Erwerbungen verstärkt den Gefahren kulturgüterspezifischer Sorgfaltsverletzungen ausgesetzt werden. Dies hat auch zur Folge, dass deutsche Museen hinter dem internationalen Trend, durch selbstauferlegte Verhaltensstandards beim Erwerb einen Schritt vor den Minimalanforderungen des Gesetzgebers zu stehen, zurückbleiben, sodass die Befürchtung naheliegt, dass deutsche Museen den Anschluss an die ethischen und professionellen Anforderungen im internationalen Kunstmarkt verlieren.
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Inoffiziell schenken bspw. die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die ihr angeschlossenen Museen über die Beachtung der in Deutschland verfügbaren Fassung der ICOM – Ethische Richtlinien für Museen vom 6. Juli 2001 den sog. Berliner Resolutionen aus den Jahren 1988 und 2003 beim Erwerb archäologischer Objekte besondere Aufmerksamkeit.681 Öffentlichen Ausdruck fand das Schutzanliegen für archäologische Objekte schon innerhalb der Erklärung des Berlin International Congress for Classical Archaeology im Jahre 1988. In der Berliner Erklärung zu Leihgaben und Neuerwerbungen von archäologischen Objekten durch Museen aus dem Jahr 1988 werden spezifische Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb von Altertumsfunden statuiert:682
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www.museumsbund.de/cms/fileadmin/geschaefts/dokumente/varia/Standards_fuer_ Museen_2006.pdf. So die Information von Frau Karthmann, Justitiarin bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Vgl. ausführlich hierzu Eule, 15 Jahre Berliner Erklärung, in Heilmeyer/Eule, Illegale Archäologie – Internationale Konferenz über zukünftige Probleme bei unerlaubtem Antikentransfer, 23.–25.5.2003 in Berlin, aus Anlass des 15. Jahrestages der Berliner Erklärung, 2004, S. 96–104.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit Berliner Erklärung zu Leihgaben und Neuerwerbungen von archäologischen Objekten durch Museen aus dem Jahr 1988:
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A. Präambel 1. Der geschichtliche Zeugniswert eines Sammlungsobjektes kunst- und kulturgeschichtlicher Museen ist dem materiellen, ästhetischen oder anderen Wert gleich, unter dem es zeitweise vorwiegend betrachtet worden ist. 2. Der geschichtliche Zeugniswert eines solchen Sammlungsobjekts ist durch Faktoren festgelegt wie: seine Entstehung, seine Funktion, seine Funktionszusammenhänge (Kontext), die Auflösung derselben, und ob dies aufgezeichnet ist oder nicht, im extremen Fall seine teilweise Zerstörung, dann seine Entdeckung als Sammelobjekt und seine Aufbewahrung in Museen und anderen Sammlungen. 3. Die wichtigste Methode, einen archäologischen Gegenstand nach seinem geschichtlichen Zeugniswert von der Entstehung bis zur Zerstörung zu befragen, ist die Ausgrabung; der wichtigste Arbeitsbereich, einen archäologischen Gegenstand seit seiner Entdeckung als Sammelobjekt zu befragen, ist das Archiv. 4. Auch alle neueren Eingriffe in den Zustand eines archäologischen Gegenstandes, besonders Restaurierungen, Aufstellungen und Ortsveränderungen, müssen dokumentiert werden. Vernachlässigung oder Verlust dieser Angaben mindert den historischen Zeugniswert des Gegenstandes. B. Neuerwerbungen 5. Wie die Bestände der Museen in den antikenreichen Ländern durch Ausgrabungen vermehrt werden, verdanken die übrigen Antikensammlungen der Welt ihr inneres Leben, Neuaufstellungen und wissenschaftliche Neuorientierung den Sonderausstellungen, Leihgaben und Neuerwerbungen. 6. Auch bei neu im Handel auftauchenden Antiken und bei den Neuerwerbungen der Museen sollte deren geschichtlicher Zeugniswert im ganzen übersehbar sein; dazu gehört die Dokumentation ihrer Auffindung (Ausgrabung) und ihrer späteren Aufbewahrung. 7. Vernichtung oder Verschleierung der Angaben über Auffindung und Aufbewahrung archäologischer Gegenstände ist wissenschaftlich unerträglich; diese Angaben nur auf Grund stilistischer oder anderer Kriterien zu rekonstruieren kann den dadurch auftretenden Verlust an historischem Zeugniswert niemals aufwiegen. 8. Um dem Verlust dieser Angaben sowie der möglichen Zerstörung archäologischer Stätten durch unerlaubte Ausgrabung keinen Vorschub zu leisten, müssen neu auftauchende Antiken auf die Geschichte ihrer Entdeckung und der darauf folgenden Aufbewahrung überprüft werden. Die Museen müssen sich vergewissern, keine Gegenstände durch Neuerwerb, Geschenk oder als Leihgaben aus einem Handel zu erhalten, der die Gesetze der Herkunftsländer verletzt und deswegen die Herkunftsangaben unterlassen hat. Alle Archäologen sollten vermeiden, einen solchen Handel durch Gutachten oder andere Auskünfte gegenüber Händlern oder Privatsammlern zu unterstützen. Die dafür Verantwortlichen sind aufgefordert, die Übertretung der Gesetze durch unerlaubte Ausgrabungen mit ausreichenden Strafen zu ahnden.
Auf Initiative der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz wurde vom 23. bis 25. Mai 2003 eine internationale Konferenz mit dem Titel Illegale Archäologie? – Internationale Konferenz über zukünftige Probleme bei unerlaubtem Antikentransfer veranstaltet, um ihre Bestürzung über die Plünderung antiker Fundorte und Museen wie auch über die bewusste Zerstörung von Kulturerbe in Verbindung mit bewaffneten Auseinandersetzungen wie im Irak, und um ihre Überzeugung von der Bedeutung einer
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
generellen Anerkennung des ICOM Code of Ethics (1986–2001) durch die Museums-Gemeinschaft auszudrücken. In Übereinstimmung mit den Resolutionen, die auf der Konferenz Eredità Contestata? an der Accademia Nazionale dei Lincei, Rom, 29. bis 30. April 1991, und auf der Konferenz Art, Antiquity and the Law an der Rutgers State University in New Brunswick, New Jersey, 30. Oktober bis 1. November 1998, verabschiedet worden sind, wurde die sog. Berliner Resolution vom 25. Mai 2003 erlassen, die auch für Erwerbungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Anhaltspunkte geben:683 365
Berliner Resolution 2003, Berlin, 25. Mai 2003 Die Teilnehmer der Konferenz in Berlin aus Anlass des 15. Jahrestages der Berliner Erklärung (organisiert von Stiftung Preußischer Kulturbesitz und unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der UNESCO, dem Mc Donald Institut in Cambridge, England, und der School of American Research in Santa Fe, New Mexico), 1) Alle Staaten sollten die Konvention von Den Haag über den Schutz von Kulturgut im Fall von bewaffneten Auseinandersetzungen (1954) und ihre zwei Protokolle (1954, 1999), die Konvention der UNESCO über die Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (1970) und die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder illegal exportierte Kulturgüter (1995) bestätigen und umsetzen. 2) Um den legalen Austausch von und den legalen Handel mit archäologischen Objekten zu unterstützen, sollten alle Objekte, die auf dem Markt angeboten werden, ein „Pedigree“ tragen, das Informationen über ihre Herkunft (Ort und Datum der Ausgrabung/Entdeckung, Erlaubnis des Exports aus dem Herkunftsland), und die Besitzverhältnisse (frühere/r und gegenwärtige/r Besitzer) bietet und von Wissenschaftlern, Kunsthändlern, Sammlern und Museumspersonal verwendet und geprüft wird. 3) Für jede Leihgabe (über kurze oder lange Zeiträume) von archäologischen Objekten sollten die leihgebenden und die leihnehmenden Institutionen bescheinigen, dass sie adäquate Klimabedingungen und Sicherheit garantieren und dass sie den ICOM Code of Ethics beachten; generell sollten die Prinzipien, die die „Erklärung von Rom 2002“ enthält, beachtet werden. 4) Jedes Museum und jede Institution des Kulturerbes und jeder beruflich damit Befasste sollte die Öffentlichkeit fortwährend über die Zerstörung von Kulturerbe durch illegale Ausgrabungen informieren und das öffentliche Bewusstsein über die Notwendigkeit, dieses Erbe zu schützen, so fördern, dass es dasselbe Maß erreicht wie das Bewusstsein über den Schutz von bedrohten Tier- und Pflanzenarten. 5) Wirksamer Austausch von Informationen zwischen Beamten, Staatsanwälten, der Polizei, dem Zoll, Akademikern, Wissenschaftlern, Händlern und Sammlern sollte angeregt und ihre Ausbildung über die Probleme der illegalen Antiken gefördert werden. Die Teilnehmer haben übereingestimmt, 6) die Stiftungsbeiräte (board of trustees) der Museen und jeden Museumsdirektor aufzurufen, a) eigene Erwerbsrichtlinien für Antiken zu formulieren und öffentlich bekannt zu machen, besonders in Bezug auf Kulturbesitz ohne Herkunftsnachweis; b) ihre Erwerbsrichtlinien in gleichem Maß für Schenkungen und Vermächtnisse wie für Ankäufe anzuwenden und die Richtlinien auch für die Annahme von Objekten als Leihgabe oder zur Restaurierung in Kraft zu setzen; c) ihre Erwerbsrichtlinien für Antiken so
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Vgl. ausführlich hierzu Heilmeyer/Eule, Illegale Archäologie – Internationale Konferenz über zukünftige Probleme bei unerlaubtem Antikentransfer, 23.–25.5.2003 in Berlin, aus Anlass des 15. Jahrestages der Berliner Erklärung, 2004.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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zu gestalten, dass das betreffende Museum nur solche Objekte erwirbt, für die dokumentiert ist, dass sie vor 1970 ausgegraben und bekannt geworden sind bzw. zu einem früheren Datum, das durch die Gesetzgebung ihres Herkunftslandes festgelegt wird; 7) zu empfehlen, dass die UNESCO einen „Ethischen Verhaltens-Kodex für Archäologen“ ausarbeitet; 8) die Einrichtung einer internationalen Vereinigung der Archäologen „Archäologie ohne Grenzen“ („Archaeologists without frontiers“) zu empfehlen, möglicherweise in Kooperation mit dem „Blue Shield“, deren Einsatz im Notfall zur Verfügung gestellt werden kann; 9) im Grundsatz anzuerkennen, dass ein Zufluchts-Museum für jede Region oder Nation bestimmt werden kann, das als legaler Aufnahmeort für illegal ausgegrabene Antiken dienen soll, die innerhalb des Gebiets der jeweiligen Region oder Nation, und zwar nur dort, aufgefunden worden sind.
Ebenso wie innerhalb international vergleichbarer aktueller Erwerbsrichtlinien wird beim Erwerb archäologischer Objekte dazu angehalten, Sorgfaltsanstrengungen zur Bestimmung des ursprünglichen Fundortes und der Provenienz des Gegenstandes zu verwenden und durch die Ausarbeitung einer einheitlichen Ankaufspolitik größtmögliche Transparenz im Erwerbsvorgang und inder Information der Öffentlichkeit zu schaffen. Auch die Berliner Resolution 2003 sieht in dem Datum der Unterzeichnung der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 den Ausgangspunkt eines neuen Dialoges über den Schutz archäologischer Objekte vor Raubgrabungen, der Zerstörung der Fundstellen und dem Verlust des Kontextes bei illegalen Veräußerungen von Altertumsfunden. Aus diesen Gründen stellen das Jahr 1970 und die Unterzeichnung der UNESCOConvention auch für die Berliner Resolution 2003 eine zeitliche Schwelle erhöhter Sorgfaltsanforderungen dar.
3.
Erwerbsregeln der professionell im Kunsthandel tätigen Kunsthändler und Galeristen sowie deren Interessenvertreter
Ebenso große Bedeutung wie die Verhaltensstandards von Museen in dem Bestreben, den illegalen Kunsthandel einzudämmen, nehmen die Erwerbsregeln der professionell im Kunsthandel tätigen Kunsthändler und Galeristen sowie deren Interessenvertreter ein.684 Selbstredend kann hier – im Gegensatz zu den Codes of Ethics musealer Vereinigungen und sonstiger kultureller Institutionen, die dem Gedanken des Kulturgüterschutzes eher ein offenes Ohr schenken – von einem diametralen Interessenwiderspruch ausgegangen werden. Die Bestrebungen eines effektiven Kulturgüterschutzes engen naturgemäß das Handlungsfeld
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Vgl. ausführlich hierzu O’Keefe, Feasibility of an international code of ethics for dealers in cultural property for the purpose of more effective control of illicit traffic in cultural property (a report for UNESCO), 1994; Ede, Der Kampf gegen den illegalen Kunstmarkt – aus Sicht des Handels, in Heilmeyer/Eule, Illegale Archäologie – Internationale Konferenz über zukünftige Probleme bei unerlaubtem Antikentransfer, 23.–25.5.2003 in Berlin, aus Anlass des 15. Jahrestages der Berliner Erklärung, 2004, S. 131–135.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
der Kunsthändler und Galeristen ein und jede Form der Regulierung wird zu Recht als potentielle Einschränkung wirtschaftlicher Verdienstmöglichkeiten gesehen. Die Implikation spezieller Sorgfaltsanforderungen hat somit auch diesbezüglich einen Ausgleich zu schaffen. Auch die selbstauferlegten Verhaltensstandards der professionell im Kunsthandel tätigen Kunsthändler und Galeristen sowie deren Interessenvertreter spiegeln diesen Interessenwiderstreit wider, sodass – im Vergleich zu den Selbstregulationsversuchen seitens der Museen und deren Verbände – eher weniger innovative Mindestverhaltensstandards geläufig sind und regelmäßig Rekurs auf die geltende Gesetzeslage genommen wird. 368
Von Interesse ist zunächst, dass die UNESCO im Jahre 1978 ein Zwischenstaatliches Komitee zur Förderung der Rückgabe illegal erworbener Kulturgüter in ihre Ursprungsländer gründete, das im Jahr 1999 einen ethischen Kodex für Kunsthändler, den sog. International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property aus dem Jahre 1999, verabschiedet hat, um eine Verminderung von Diebstahl und illegalem Handel mit Kulturgütern zu erreichen. Die 30. UNESCO-Generalkonferenz hat den Kodex im November 1999 bestätigt.
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UNESCO International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property aus dem Jahre 1999:685 Members of the trade in cultural property recognize the key role that trade has traditionally played in the dissemination of culture and in the distribution to museums and private collectors of foreign cultural property for the education and inspiration of all peoples. They acknowledge the world wide concern over the traffic in stolen, illegally alienated, clandestinely excavated and illegally exported cultural property and accept as binding the following principles of professional practice intended to distinguish cultural property being illicitly traded from that in licit trade and they will seek to eliminate the former from their professional activities. Article 1 – Professional traders in cultural property will not import, export or transfer the ownership of this property when they have reasonable cause to believe it has been stolen, illegally alienated, clandestinely excavated or illegally exported. Article 2 – A trader who is acting as agent for the seller is not deemed to guarantee title to the property, provided that he makes known to the buyer the full name and address of the seller. A trader who is himself the seller is deemed to guarantee to the buyer the title to the goods. Article 3 – A trader who has reasonable cause to believe that an object has been the product of a clandestine excavation, or has been acquired illegally or dishonestly from an official excavation site or monument will not assist in any further transaction with that object, except with the agreement of the country where the site or monument exists. A trader who is in possession of the object, where that country seeks its return within a reasonable period of time, will take all legally permissible steps to cooperate in the return of that object to the country of origin.
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Adopted by the UNESCO Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin or its Restitution in Case of Illicit Appropriation at its Tenth Session, January 1999 and endorsed by the 30th General Conference of UNESCO, November 1999. Quelle: http://www.unesco.org/culture/legalprotection/committee/html_eng/ ethics1.shtml.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Article 4 – A trader who has reasonable cause to believe that an item of cultural property has been illegally exported will not assist in any further transaction with that item, except with the agreement of the country of export. A trader who is in possession of the item, where the country of export seeks its return within a reasonable period of time, will take all legally permissible steps to cooperate in the return of that object to the country of export. Article 5 – Traders in cultural property will not exhibit, describe, attribute, appraise or retain any item of cultural property with the intention of promoting or failing to prevent its illicit transfer or export. Traders will not refer the seller or other person offering the item to those who may perform such services. Article 6 – Traders in cultural property will not dismember or sell separately parts of one complete item of cultural property. Article 7 – Traders in cultural property undertake to the best of their ability to keep together items of cultural heritage that were originally meant to be kept together. Article 8 – Violations of this Code of Ethics will be rigorously investigated by (a body to be nominated by participating dealers). A person aggrieved by the failure of a trader to adhere to the principles of this Code of Ethics may lay a complaint before that body, which shall investigate that complaint before that body, which shall investigate that complaint. Results of the complaint and the principles applied will be made public.
Der UNESCO International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property aus dem Jahre 1999 richtet sich gegen den Handel mit gestohlenen und abhandengekommenen Kunstwerken, heimlich in Raubgrabungen geplünderten archäologischen Objekten sowie mit entgegen den nationalen Kulturgüterschutzgesetzen illegal exportierten Kulturgütern. Die Kunsthändler werden darin aufgefordert, jeglichen Handel mit solchen Objekten zu unterlassen und bei Aufforderung kultureller Ursprungsstaaten hinsichtlich der Rückführung zu kooperieren. Weitere Schutzansätze des UNESCO International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property aus dem Jahre 1999 zielen auf den Erhalt zusammenhängender Sammlungen (sog. Ensembleschutz). Damit legte die UNESCO eine hohe Messlatte für Kunsthändler und Galeristen sowie deren Verbände, deren Verhaltensanforderungen jedoch nur schwierig individuelle oder durch einen Verband gestaltete Umsetzung finden werden.
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Die Confédération Internationale des Négociants en Œuvres D’Art (CINOA) wurde im Jahr 1935 gegründet und ist ein internationaler Dachverband des Kunst- und Antiquitätenhandels. Heute sind mehr als 30 Verbände von Künstlern und Galeristen aus 21 Staaten Mitglieder, sodass CINOA insgesamt mehr als 5.000 Kunsthändler und Galeristen weltweit vertritt.686 Die CINOA-Codes of
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“CINOA is a non-profit international federation of associations which was established more than 70 years ago. It is the only international federation for antique and art dealers that represents a wide array of specialities. CINOA’s members are 30 art and antique associations from 21 countries. Through these associations CINOA represents more than 5000 dealers worldwide. Membership of CINOA is based on associations which bind their dealer members to adhere to reputable standards of quality and expertise. The CINOA secretariat, based in Brussels, has two official working languages: English and French. Our members are from Australia, Austria, Belgium, the Czech Republic, Denmark, France, Germany,
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Ethics stellen allgemeine Verhaltensstandards für den angeschlossenen Kunstund Antiquitätenhandel dar und wurden erstmalig anlässlich der Generalversammlung in Florenz im Jahre 1987 formuliert, in Stockholm am 26. Juni 1998 einer Änderung unterzogen und schließlich in der aktuellen Form am 11. Mai 2005 in New York beschlossen: 372
Confédération internationale des négociants en œuvres d’art (CINOA) : CINOA Guidelines/Lignes de conduite du CINOA 687 – Ethical Code of Conduct : Although there is a general tendency to increase the number of administrative and legal rules, the professions of trader in art objects and of collector are based on very personal choices and represents an important part of our culture. It is not desirable that this profession would be jeopardised by excessive regulations and restrictions. To this effect each shall see to it upon his own authority, shall comply with the texts of the current laws. Any member association must commit itself to comply with or make its own members comply with the clear and respectable lines of conduct below. It is more specifically as a reaction to the global will to face trafficking that is inherent to art objects and other illegal exports, that CINOA wishes to underscore and recommend to its member associations the following lines of conduct: In view of the worldwide concern regarding trafficking and illegal export of stolen antique objects and works of art CINOA wishes that the profession of antique dealers and traders in works of art would be governed by the following principles: 1. The affiliated members of CINOA who happen to possess an object about which there are serious suspicions that it was illegally imported and of which the country of origin demands that it is returned within a reasonable amount of time, shall have to do everything that is possible to them according to the current laws to cooperate in returning the object to its country of origin. In the case of a purchase in good faith by the antique dealer, an amicable refund may be agreed to. 2. The affiliated members of CINOA agree to comply with the laws on the protection of endangered species. They therefore agree not to trade in objects manufactured from materials that are protected under the Convention on International Trade in Endangered Species. 3. The members will have to take all the necessary measures to detect stolen objects and refer, among others, to registers that are published to this effect and to use these judiciously. 4. The members cannot under any circumstance participate in transactions which to the best of their knowledge can result in money-laundering operations. 5. It is the duty of each one of the members to check the authenticity of the objects they possess. 6. The present code of ethics shall apply to all objects that are negotiated on the market of antique objects and art objects.
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Schon in den Eingangsgedanken wird deutlich, dass eine Regulierung des Kunsthandels eher negativ eingeschätzt wird. Die CINOA-Codes of Ethics vom 11. Mai 2005 erläutern, dass in einer Zeit allgemeiner gesetzlicher und administrativer
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Republic of Ireland, Italy, the Netherlands, New Zealand, Norway, Poland, Portugal, Russia & CIS, South Africa, Spain, Sweden, Switzerland, the United Kingdom and the United States of America.” Quelle: http://www.cinoa.org/index.pl?id=2197. Resolved at the General Meeting in Florence in 1987, amended in Stockholm on 26 June 1998 and in New York on 11 May 2005. Quelle: http://www.cinoa.org.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Regulierung der Handel mit und das Sammeln von Kunst weiterhin Ausdruck von Individualismus sind und einen wichtigen Teil der gemeinsamen Kultur darstellen. Es wird die Meinung vertreten, dass dies nicht durch Überregulierung und exzessive Verbote bedroht werden, stattdessen sich jeder Kunsthändler der Ziele der einschlägigen Gesetze bewusst sein und diese durch Selbstbeschränkung unterstützen sollte. Durch die CINOA-Codes of Ethics vom 11. Mai 2005 werden alle Mitglieder dazu verpflichtet, die Prinzipien eines fairen und ehrenhaften kaufmännischen Handels zu beachten. Auffällig ist sowohl innerhalb der einleitenden Erwägungen wie auch innerhalb der Programmsätze, dass die Richtlinien vornehmlich zur Einhaltung der bestehenden Gesetze innerhalb des Importstaates mahnen, ohne jedoch über dieses obligatorische Pflichtenprogramm hinaus weitere Sorgfaltsanstrengungen selbst zu übernehmen. Eine Rückführung illegal transferierter Kulturgüter wird bei finanzieller Kompensationszahlung an gutgläubige Händler bestimmt. Nähere Ausführungen über das konkrete Händlerverhalten werden nicht gegeben, insbesondere wird keine Beschreibung der notwendigen Sorgfaltsanforderungen vorgenommen. Sowohl in ihrer Regelungsweite als auch ihrer effektiven Wirkungsweise bleibt die Verhaltensempfehlung der CINOA somit weit hinter den musealen Richtlinien als auch hinter dem UNESCO International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property aus dem Jahre 1999 zurück. Innerhalb Deutschlands sind verschiedene Dachverbände des Kunst- und Antiquitätenhandels sowie des Galeriewesens ersichtlich, die allesamt Mitglieder der Confédération Internationale des Négociants en Œuvres D’Art sind und dementsprechend deren Verhaltensstandards tragen. Der Arbeitskreis Deutscher Kunsthandelsverbände (ADK) versteht sich auf Bundesebene als das entscheidende Gremium der Akteure des deutschen Kunstmarktes und vertritt die rechtlichen, kulturpolitischen und wirtschaftlichen Interessen der deutschen Kunsthändler, Galerien, Kunstverleger, Antiquariate und Antiquitätenhändler. Zu dem ADK zählen gegenwärtig drei Mitgliedsverbände, der Bundesverband des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels (BDKA) mit 177 Mitgliedern, der Bundesverband Deutscher Galerien und Editionen (BVDG) mit 360 Mitgliedern sowie der Verband deutscher Antiquariate (VDA) mit 272 Mitgliedern, sodass insgesamt etwa 850 Einzelmitglieder vertreten werden.688 Nach Ansicht der juristischen Vertretung des ADK haben sich die deutschen Kunsthandelsverbände „sehr strenge Selbstverpflichtungen auferlegt“ 689. Müller-Katzenburg begründet dies bspw. mit dem Verhaltenskodex des Bundesverbandes Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler (BDKA), der lange Zeit mit dem der Confédération Internationale des
688 689
Quelle: http://arbeitskreis-kunsthandel.de/der-adk. Vgl. Dr. Müller-Katzenburg, Anhörung des Kulturausschusses zur UNESCO-Konvention von 1970, Fragenkatalog Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 053 vom 1. September 2006.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Négociants en Œuvres d’Art identisch war, jedoch für den maßgeblichen französischen Kunsthändlerverband den Anlass bildete, vor einigen Jahren aus der CINOA auszutreten, weil ihm die darin enthaltenen, selbst auferlegten Verpflichtungen für den Handel zu streng und zu nah an den Regelungen der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 erschienen.690 Es ist deshalb zu untersuchen, ob die vom Kunsthandel übernommenen Verhaltensnormen über die bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehen und welche überobligationsmäßigen, ethischen Mindestverhaltensrichtlinien für die Mitglieder der Verbände verbindliche Vorgaben aufgeben. 375
Der Bundesverband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels 691 (BDKA), der seinerseits der Confédération Internationale des Négociants en Œuvres D’Art angehört, erwartet von den Mitgliedern seiner Landesverbände, dass sie sich der besonderen Verantwortung ihres Berufes bewusst sind, ihn gemäß den geschriebenen und ungeschriebenen Grundsätzen des Berufsverbandes ausüben und sich insbesondere dem Berufsbild des Kunsthändlers verpflichtet fühlen.692 Um diese Ziele zu erreichen, hat sich der deutsche Kunsthandel einem verbindlichen Verhaltenskodex für den internationalen Handel mit Kunstwerken unterworfen. Dieser ist an die Verhaltensrichtlinien der CINOA inhaltlich angelehnt und beinhaltet wie diese die Selbstverpflichtung der durch den Verband repräsentierten Mitglieder, dem illegalen Handel mit Kunst und Antiquitäten entgegenzuwirken.
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692
Vgl. Dr. Müller-Katzenburg, Anhörung des Kulturausschusses zur UNESCO-Konvention von 1970, Fragenkatalog Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 053 vom 1. September 2006. „Verbandsmitgliedschaft als Zeichen von Sachkunde und Vertrauenswürdigkeit: Um die ideellen und wirtschaftlichen Interessen des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels wahrzunehmen und das allgemeine Interesse für Gegenstände der angewandten und bildenden Kunst zu fördern, haben sich renommierte deutsche Kunsthändler – wie auch ihre Kollegen in anderen Staaten – schon vor Jahrzehnten im Bundesverband des Deutschen Kunstund Antiquitätenhandels e.V. (BDKA) mit seinen Landesverbänden zusammengeschlossen. Verbandsmitglied kann nur werden, wer seinen Hauptfirmensitz im Gebiet der Bundesrepublik hat und nachweislich bereits über mehrere Jahre ohne Beanstandungen hauptberuflich mit Gegenständen gehandelt hat, die den gesetzlichen Definitionen für Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten entsprechen. Der Kunsthändler als Experte: Wert und Echtheit eines Kunstgegenstandes sind für Laien und selbst für Sammler oftmals nur schwer zu beurteilen. Hier bedarf es des Rates eines Experten. Der seriöse Kunsthändler ist dank seiner im Berufsbild vorausgesetzten besonderen Sachkunde auf seinem Spezialgebiet meist selbst ein gefragter Experte. So erklärt es sich auch, dass selbst Gerichte und Industrie- und Handelskammern, wenn sie einen Gutachter für die Bewertung von Kunstgegenständen oder sonstige Fragen des Kunstmarktes zu benennen haben, sich an die Verbände des seriösen Kunsthandels wenden. Der BDKA ist jederzeit bereit, auf Anfragen einen geeigneten Experten aus den Reihen seiner Mitglieder oder aus dem Museumsbereich zu benennen. Damit vermeidet man Schaden durch selbsternannte ,Sachverständige‘, deren ,Echtheitszertifikate‘ oft sehr zweifelhaft sind. Im BDKA sind 5 Landesverbände des Kunst und Antiquitätenhandels zusammengeschlossen.“ Quelle: http://www.bdka.com/infobdka.htm. Vgl. http://www.kunst-antiquitaeten-hessen.de/de/nodes/info.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
557
Verhaltenskodex des Bundesverbandes des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels 693 Angesichts der weltweiten Besorgnis über den Handelsverkehr mit gestohlenen Antiquitäten und Kunstwerken und der illegalen Ausfuhr solcher Objekte, sowie angesichts des Verbots des Handels mit Objekten aus artengeschützten Materialien, unterwirft sich der deutsche Kunsthandel folgenden Verhaltensnormen: 1. Der deutsche Kunsthandel wird sich nicht am Import, Export oder Handel solcher Gegenstände beteiligen, bei denen hinreichender Grund zu der Annahme besteht, daß a. der Verkäufer nach geltendem Recht nicht zur Verfügung über den Gegenstand berechtigt ist, insbesondere der Gegenstand mittels Diebstahl oder in anderer Weise unrechtmäßig erworben wurde; b. ein importierter Gegenstand in seinem Herkunftsland unter Verstoß gegen das dort geltende Recht erworben wurde, c. ein importierter Gegenstand ohne die erforderliche Erlaubnis ausgegraben oder aus Ausgrabungsstätten erworben wurde. 2. Der deutsche Kunsthandel verpflichtet sich darüber hinaus, kein Objekt auszustellen, zu beschreiben, zu begutachten, zu bewerten oder aufzubewahren in der Absicht, seinen unrechtmäßigen Handel oder Export nicht nur nicht zu verhindern, sondern sogar zu begünstigen. 3. Im Rahmen der gegebenen rechtlichen Möglichkeiten wird sich der deutsche Kunsthandel ferner für die Rückführung gestohlener oder illegal ausgeführter Gegenstände in ihr Ursprungsland einsetzen, sofern der Nachweis unrechtmäßiger Ausfuhr aus diesem Land erbracht worden ist, die Rückführung innerhalb angemessener Zeit verlangt und im Falle eines rechtmäßigen Erwerbs eine angemessene Entschädigung gewährt wird. 4. Der deutsche Kunsthandel befürwortet die Ziele der Artenschutzgesetze. Er wird sich auch künftig nicht am Handel mit Gegenständen aus artgeschützten Materialien beteiligen, die nach Verabschiedung des Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) hergestellt sind. Er wird seiner Deklarationspflicht nach den geltenden Artenschutz-Bestimmungen gewissenhaft nachkommen. 5. Der deutsche Kunsthandel wird auch sonst nichts unternehmen, was geeignet ist, den illegalen Handel oder Export von Kunstgegenständen zu fördern, vielmehr an dessen Hinderung nach Kräften mitwirken. 6. Verstöße gegen diesen Verhaltenskodex werden von den unterzeichneten Verbänden mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, ohne Ansehen der Person, verfolgt. 7. Dieser Verhaltenskodex betrifft alle Gegenstände, die üblicherweise Gegenstand des Kunst- und Antiquitätenhandels sind. Die unterzeichneten Verbände werden ihre Mitglieder auf die Einhaltung dieses Kodex verpflichten.
376
Auch der Deutsche Kunsthandelsverband e.V. 694 unterstützt in seinen Verhaltensrichtlinien vom 14. September 2001 die CINOA-Codes of Ethics. Ebenso wie dort
377
693
694
Quelle: http://www.kunst-antiquitaeten-hessen.de/de/nodes/info. Vgl. hierzu auch Streinz, Handbuch des Museumsrechts – Band 4: Internationaler Schutz von Museumsgut; auch mitgeteilt von Frau Specht von der Geschäftsstelle des BDKA. „In den 50er Jahren hatten sich in der Bundesrepublik sieben Regionalverbände zu einem Dachverband, dem Bundesverband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels (BDKA) zusammengeschlossen. Vor wenigen Jahren haben sich unter dem Dach des BDKA die Regionalverbände Bayern und Baden-Württemberg zum regionalen Verband Süddeutscher Kunsthändler vereinigt. Seit Jahren hatte es im BDKA Bestrebungen gegeben, den Dachverband in einen Zentralverband umzustrukturieren, in welchem nicht mehr Regionalverbände, sondern einzelne Kunst- und Antiquitätenhändler Mitglieder sein sollten. Die
558
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
wird der Beruf des Kunsthandels im Speziellen und das Sammeln von Kunst im Generellen als Ausdruck von Individualismus charakterisiert, der nicht durch Überregulierung und übermäßige Verbote bedroht werden darf. Stattdessen empfehlen die Verhaltensrichtlinien, dass jeder Kunsthändler eine Selbstregulierung auf supranationaler Ebene befolgt und die Anwendung der nationalen Gesetze fördert. Der Deutsche Kunsthandelsverband e.V. verpflichtet alle Mitglieder, sich an die Prinzipien des fairen und ehrenhaften kaufmännischen Handels zu halten und halt folgende Richtlinien hierfür erlassen: 378
Verhaltensrichtlinien des Deutschen Kunsthandelsverbandes e.V. vom 14. September 2001 695: Der Deutsche Kunsthandelsverband unterstützt die Verhaltensrichtlinien der CINOA (Confédération Internationale des Negociants en Œvres d’Art). Diese Prinzipien sind in den folgenden Richtlinien der Internationalen Vereinigung von Kunst- und Antiquitätenhändlern (CINOA) festgelegt: 1. Der Rechtstitel: Die Mitglieder der in der CINOA zusammengeschlossenen Verbände (Mitglieder) werden alles in ihrer Möglichkeit befindliche daran setzen, nicht mit Kunstwerken zu handeln, bei denen hinreichender Grund zur Annahme besteht, dass a. der Verkäufer nicht zur Verfügung über den Gegenstand berechtigt ist, oder dass b. das Objekt unrechtmässig von einem Ausgrabungsort entwendet und unter Verletzung der Gesetze im Herkunftsland erworben wurde. 2. Datenbasen gestohlener Kunstgegenstände: Mitglieder sollten Kenntnisse über die Datenbasen der verschiedenen Institutionen haben, die beim Auffinden von gestohlenen Kunstwerken weiterhelfen können. Diese Informationen sollten bei Bedarf konsultiert werden.
695
Befürworter wollten damit eine direkte Mitwirkung des einzelnen Mitgliedes an den Entscheidungen des berufsständischen Verbandes erreichen. Als die Umstrukturierung des Dachverbandes in einen Zentralverband scheiterte, verließ der Verband Süddeutscher Kunsthändler zum 30. Juni 2000 den BDKA, um seinerseits einen überregionalen Zentralverband zu gründen. Dieser konstituierte sich am 4. Oktober 2000 in Frankfurt am Main unter dem Namen „Deutscher Kunsthandelsverband (DK) e.V.“ Es gelang dem DK in kurzer Zeit, eine Reihe prominenter Kunsthändler, die den Regionalverbänden des BDKA den Rücken gekehrt hatten, erneut für eine Mitgliedschaft in einem berufsständischen Verband zu gewinnen. Zum Ende des Jahres 2000 trat auch der Verband des Hessischen Antiquitätenund Kunsthandels aus dem BDKA aus. Der überwiegende Teil seiner Mitglieder ist inzwischen ebenfalls in den neuen Berufsverband eingetreten. Mitgliedschaft im DK: Alle Mitglieder des DK müssen eine jahrelange, untadelige Tätigkeit in Kunsthandel nachweisen und sind verpflichtet, sich einem strengen Verhaltenskodex zu unterwerfen. Die Ziele des DK: Der DK vertritt und fördert den Kunsthandel in Deutschland. Der DK ist ein Forum des deutschen Kunsthandels, in dem der einzelne Kunsthändler unmittelbar an den Entscheidungen seines Berufsverbandes mitwirken kann. Der DK informiert und unterstützt seine Mitglieder in allen beruflichen Belangen. Gemeinsam mit den Kollegen in den Verbänden des deutschen und europäischen Kunsthandels streitet der DK für die Verbesserung der Rahmenbedingungen auf dem deutschen und dem europäischen Kunstmarkt, insbesondere auch für die Aufhebung von Wettbewerbsnachteilen des Binnenmarktes gegenüber globalen Mitbewerbern. Der DK vertritt die Interessen seiner Mitglieder in den Medien durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Der DK ist Mitglied im Weltverband C.I.N.O.A. (Confédération Internationale des Négociants en Œuvres d’Art). Der DK strebt eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit allen deutschen und internationalen Kunsthandelsverbänden und Institutionen an.“ Quelle: http://www.deutscherkunsthandel.com/frame.html. Quelle: http://www.deutscherkunsthandel.com/frame.html.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
559
3. Import und Export: a. Mitglieder sollen sich beim Import und Export von Kunstwerken an die im Lande gültigen Gesetze halten. b. Sollte ein Mitglied in den Besitz eines Objektes kommen, bei dem wider jeden berechtigten Zweifel nachgewiesen werden kann, dass dieses unrechtmässig aus seinem Herkunftsland exportiert wurde, wird das Mitglied, bei einem innerhalb eines angemessenen Zeitraumes durch das Herkunftsland gestellten Rückgabeverlangen, bei der Rückgabe dieses Gegenstandes an das Herkunftsland mitwirken, sofern das geltende Recht ihn dazu verpflichtet, dabei soll zwischen den Beteiligten eine ausreichende Entschädigung vereinbart werden. 4. Artenschutz: Die Mitglieder unterstützen die Ziele der Gesetze zum Schutz bedrohter Arten. Die Mitglieder bekräftigen, dass sie nicht mit Kunstgegenständen aus Materialien handeln, die gegen das Abkommen zum Handel mit bedrohten Arten nach geltendem nationalem Gesetz geschützt sind. 5. Vorkehrungen gegen Geldwäscherei: Die Mitglieder sollen nicht an Transaktionen teilnehmen, bei denen hinreichender Verdacht besteht, dass sie der Geldwäscherei dienen. 6. Echtheit: Die Mitglieder sollen sich ihrer beruflichen Verpflichtung bewusst sein und sicherstellen, dass die von ihnen verkauften Gegenstände möglichst genau und im Einklang mit den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen von Experten beschrieben werden. Im Bedarfsfall sollen die Expertenmeinungen durch einschlägige technologische Prüfungen unterstützt werden. Diese Richtlinien sollen auf alle Objekte Anwendung finden, die üblicherweise Gegenstand des Handels mit Kunst und Antiquitäten sind.
4.
Verhaltensstandards der Auktionshäuser
Auch seitens der Auktionshäuser bestehen spezielle Verhaltensanweisungen, um unrechtmäßig entzogene Kulturgüter nicht in das Versteigerungsgeschäft aufzunehmen. Regelmäßig folgen die einzelnen Auktionshäuser dabei internen Verhaltensrichtlinien, um die Gefahren der Versteigerung ‚belasteter‘ Kulturgüter ohne vollständige Provenienz zu vermeiden. Bei deren Nichtbeachtung drohen neben einer negativen Berichterstattung in der Öffentlichkeit, die regelmäßig einen enormen Imageschaden für das Auktionshaus zur Folge hat, regelmäßig auch die Rückabwicklung der Veräußerung und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Auktionshaus. In der Regel bestehen jedoch keine formellen Verhaltenskodizes, die nach außen veröffentlicht werden. Gewisse Schutzvorkehrungen nehmen die Versteigerer jedoch regelmäßig bereits in ihren Standard Agreements und Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf, um nur solche Kulturgüter zur Versteigerung zuzulassen, deren Provenienz sicher scheint und deren Eigentumsposition bei dem Einlieferer liegt. Bspw. bestimmen die Consignment Agreements von Sotheby’s in Art. 8 hinsichtlich „Representations and Warranties, Indemnity“ 696 und von Christie’s in Art. 5 hinsichtlich „Consignor’s Representations and Warranties, Covenants and Indemnification“ 697 der beiden Häuser in New York wie folgt: 696
697
Vgl. Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 401. Vgl. Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 410–411.
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560
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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Consignment Agreement von Sotheby’s: 8. Representations and Warranties; Indemnity. You represent and warrant to us and each purchaser that you have the right to consign the Property for sale; that it is now, and through and including its sale will be kept, free of all liens, claims and encumbrances of others including, but not limited to, claims of governments or governmental agencies; that good title and right to possession will pass to the purchaser free of all liens, claims and encumbrances; that you have provided us with any information you have concerning the provenance of the Property; that you have no reason to believe that any lot of Property is not authentic or is counterfeit; that where the Property has been imported into the United States, the Property has been lawfully imported into the United States and has been lawfully and permanently exported as required by the laws of any country (including any laws or regulations applicable in the European Union) in which it was located; that required declarations upon the export and import of the Property have been properly made and any duties and taxes on the export and import of the Property have been paid; that you have paid or will pay any and all taxes and/or duties that may be due on the net sale proceeds of the Property and you have notified us in writing of any and all taxes and/or duties that are payable by us on your behalf in any country other than the United States; and that there are no restrictions on our right to reproduce photographs of it. We retain the exclusive copyright to all catalogue and other illustrations and descriptions of the Property created by us. You agree to indemnify and hold us and each purchaser harmless from and against any and all claims, actions, damages, losses, liabilities and expenses (including reasonable attorneys’ fees) relating to the breach or alleged breach of any of your agreements, representations or warranties in this Agreement. Your representations, warranties and indemnity will survive completion of the transactions contemplated by this Agreement.
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Consignment Agreement von Christie’s: 5. Consignor’s Representations and Warranties, Covenants and Indemnification: (a) Consignor represents and warrants to Christie’s that: (i) Consignor has the right and title to consign the Property for sale; (ii) the Property is, and until the completion of sale by Christie’s will be, free and clear of all liens, claims and encumbrances of others or restrictions on Christie’s right to offer and sell the Property; (iii) upon sale, good and marketable title and right to possession will pass to the buyer free of any such liens, claims, encumbrances or restrictions; (iv) Consignor has no reason to believe that any lot of Property is not authentic or is counterfeit; (v) the Property is not “confiscated Property” within the meaning of any United States federal or state laws; (vi) Consignor’s consignment to and authorization of Christie’s to sell the Property is in full compliance with all United States federal and state laws; (vii) the exportation, if any, of the Property from any foreign country has been in full conformity with the laws of such country and the importation of the Property into the United States has been or will be in full conformity with the laws of the United States; and (viii) there are not, and until the completion of sale by Christie’s there will not be, any restrictions on Christie’s right to photograph, reproduce photographs of or exhibit the Property. (b) Consignor agrees that such representations and warranties are for the benefit of Christie’s and buyers of the Property and that such representations and warranties shall survive the completion of the transactions contemplated hereby. Consignor agrees to notify Christie’s promptly in writing of any events or circumstances that may cause the foregoing representations and warranties to be inaccurate or breached in any way. (c) If Consignor is acting as an agent for a principal, Consignor and principal, jointly and severally, assume all of Consignor’s obligations set forth in this Agreement. (d) Consignor grants to Christie’s the right to illustrate and photograph the Property and to use such photographs, illustrations or images at any time before or after the sale and for such purposes as Christie’s deems appropriate. Consignor agrees that all catalogue and other photographs, illustrations and descriptions of the Property created by or for
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
561
Christie’s are not “works made for hire” on behalf of Consignor under copyright law, and that Christie’s shall own the exclusive copyright and all other rights relating to all such photographs, illustrations and descriptions. (e) Consignor shall defend, indemnify and hold harmless Christie’s from and against any and all losses, damages, liabilities and claims, and all fees, costs and expenses of any kind related thereto (including, without limitation, reasonable attorney’s fees), arising out of, based upon or resulting from (i) any act by or omission of Consignor or Consignor’s agents (other than Christie’s) or representatives relating to or affecting the Property or (ii) any inaccuracy or alleged inaccuracy, asserted by Christie’s or any third party in a court action, of any representation or warranty made by Consignor pursuant to this Agreement.
In beiden Consignment Agreements müssen die Einlieferer zunächst dafür einstehen, dass die zu versteigernden Objekte nicht unrechtmäßig entzogen wurden, d.h., dass ihnen das Recht zur Eigentumsübertragung zusteht. „Um zu gewährleisten, dass die von Sotheby’s zum Verkauf angebotenen Kunstwerke mit einem gültigen Eigentumsrecht ausgestattet sind, wird von allen Verkäufern verlangt, eine schriftliche Bestätigung ihres legitimen Eigentumsrechts vorzulegen. Sotheby’s verlangt von den Verkäufern eine Bestätigung, dass sie einen gültigen Rechtstitel besitzen und dass sowohl der Titel als auch das Besitzrecht auf den Käufer übergehen werden. Des weiteren stimmen die Verkäufer zu, den Käufer für den Bruch dieser Bestätigung schadlos zu halten, sofern eine dritte Seite Ansprüche auf die Sache geltend machen sollte, und Sotheby’s alle Informationen zur Verfügung zu stellen, welche die Herkunft der Sache betreffen. Die Verkäufer werden insbesondere gebeten, alle Informationen zur Verfügung zu stellen, welche sie bezüglich der Eigentumsgeschichte jedes Kunstwerks für den Zeitraum von 1933 bis 1948 haben könnten.“ 698 Darüber hinaus müssen die Einlieferer dafür einstehen, dass die Kulturgüter rechtmäßig aus dem kulturellen Ursprungsstaat exportiert, d.h. nicht entgegen den nationalen Kulturgüterschutzgesetzen ausgeführt, und legal in das Territorium der Vereinigten Staaten eingeführt wurden. Dass auch Auktionshäuser aufgrund des öffentlichen Drucks zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels interne Maßnahmen ergreifen mussten, zeigt bspw. bei Sotheby’s die Einführung eines speziellen Maßnahmekatalogs. Heute ist es Bestandteil einer langjährigen Geschäftspolitik von Sotheby’s, kein Kunstwerk zu verkaufen, von dem bekannt ist, dass es gestohlen wurde oder bei dem es glaubwürdige Beweise gibt, dass es während des Zweiten Weltkrieges oder in jüngster Zeit gestohlen worden sein könnte.699 Die Sicht des Auktionshauses Sotheby’s 698
699
Vgl. Simmons, Verkehrsübliche Sorgfalt bei Untersuchungen der Herkunft: Die Sichtweise eines Auktionshauses, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 162–175, S. 171–173. Vgl. Simmons, Verkehrsübliche Sorgfalt bei Untersuchungen der Herkunft: Die Sichtweise eines Auktionshauses, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
zur Beute- und Raubkunst und zu dem sog. kulturellen Fluchtgut und dessen Beziehung zu speziellen kommerziellen Überlegungen macht Simmons in seinen Untersuchungen verkehrsüblicher Sorgfalt in seinem Versteigerungshaus deutlich: 383
„Der internationale Kunstmarkt hat sich in seiner Haltung zur Herkunft aus dem Zweiten Weltkrieg in den letzten Jahren wesentlich verändert. Für potentielle Käufer auf Auktionen, sowohl Einrichtungen als auch Einzelpersonen, ist es zunehmend üblich geworden, uns zu sagen, dass sie nur für Werke bieten werden, die ordnungsgemäß von Sotheby’s geprüft worden sind. Insbesondere viele Museen sind verpflichtet, alle geeigneten Schritte zu unternehmen, um den Herkunftsstatus von Sachen zu klären, die aus der Nazi-Ära stammen, bevor sie sie für ihre Sammlungen erwerben. Als Beispiel möchte ich § 1 der Richtlinien der American Association of Museums betreffs der illegitimen Beschlagnahme von Sachen in der Nazi-Zeit (von der AAM im November 1999 herausgegeben und im April 2001 ergänzt) erwähnen. Diese schaffen zusätzlich zu den von mir bereits erwähnten ethischen und rechtlichen Überlegungen dem Kunstmarkt die wirtschaftliche Grundlage dafür, dass Kunstwerke ordentlich geprüft werden, bevor sie zum Verkauf angeboten werden. Die internationale Aufmerksamkeit, die einem Kunstwerk, das auf einer öffentlichen Auktion durch Sotheby’s angebotenen wird, zuteil wird, und die weite Verbreitung der Sotheby’s-Kataloge geben potentiellen Klägern und Forschungseinrichtungen eine gute Möglichkeit, Werke zu identifizieren, von denen man glaubt, dass sie geraubt worden sind. Sotheby’s schätzt jedoch ein, dass das allein nicht ausreichend sein könnte, um die Erben der Opfer in die Lage zu versetzen, das verlorene Eigentum ihrer Familien zu identifizieren. Um die internationale Aufmerksamkeit zu ergänzen, welche durch die weltweite Verbreitung unserer Kataloge gefördert wird, hat Sotheby’s ein Programm für die verkehrsübliche Sorgfalt aufgelegt, um den versehentlichen Verkauf nicht zurückgegebener Beutekunstwerke durch Sotheby’s zu verhindern.“ 700
384
Zur Erreichung dieser Ziele folgt Sotheby’s dem Leitprinzip, dass für jedes Kunstwerk möglichst umfassende Informationen zur Herkunft für die Zeit von 1933 bis 1948 veröffentlicht werden. Dazu wurde eine sog. Sotheby’s Task Force gegründet, die in New York und London stationiert sind und von hauseigenen Anwälten und einem Team unabhängiger Spezialforscher unterstützt werden, die ihren Sitz in Europa, Nord- und Südamerika haben.701 In Reaktion auf Anfragen von Sachverständigen wurden von Sotheby’s schriftliche Forschungsstandards entwickelt, die unter den entsprechenden Sachverständigen zirkulieren. Bevor die Versteigerungskataloge gedruckt werden, erfolgt ein umfangrei-
700
701
und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 162–175, S. 169. Vgl. Simmons, Verkehrsübliche Sorgfalt bei Untersuchungen der Herkunft: Die Sichtweise eines Auktionshauses, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 162–175, S. 171–173. Vgl. Simmons, Verkehrsübliche Sorgfalt bei Untersuchungen der Herkunft: Die Sichtweise eines Auktionshauses, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 162–175, S. 171–173.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
563
ches Rechercheprogramm: „Sotheby’s hat eine Datenbank mit red flag-Namen aufgebaut. Diese Datenbank enthält gegenwärtig Details zu über 4.500 Opfern (jüdische, adlige und politische) sowie zu Kollaborateuren und Nazis. Das Erscheinen eines solchen Namens in einer Herkunftsbeschreibung gibt Anlass zu weiteren Nachforschungen, die befriedigend abgeschlossen sein müssen, bevor das betreffende Kunstwerk in eine Verkaufsliste aufgenommen werden darf. Häufig schließen diese weiteren Nachforschungen Arbeiten in Archiven in Europa und den Vereinigten Staaten sowie Anfragen an Regierungen, Ursprungsfeststellungsgremien und hauptberufliche Rechercheure ein. Diese Datenbank ist allen Sachverständigen von Sotheby’s zugänglich.“ 702 Darüber hinaus überprüfen „Sotheby’s Sachverständige jedes Angebot in den wichtigsten öffentlichen Listen und Publikationen auf Kunstwerke, die aus Museen und bei Einzelpersonen in Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Polen und selbstverständlich in Russland geraubt wurden, um zu gewährleisten, dass es sich bei dem Kunstwerk nicht um eine bekannte Verlustposition handelt. Register verloren gegangener Kunstwerke und Gratiskataloge. Nach der Veröffentlichung übersenden wir unsere Kataloge an das Register verloren gegangener Kunstwerke zur Überprüfung. Außerdem senden wir kostenlose Kataloge an Sachverständige und Forschungsgremien vor Ort, damit auch sie sicherstellen können, dass es in unseren Katalogen keine Kunstwerke gibt, die woanders als vermisst gelten.“ 703 Stellt sich dabei heraus, dass eine Sache eventuell rechtswidrig während der Nazizeit beschlagnahmt worden oder anderweitig unrechtmäßig entzogen sein könnte, wird geprüft, ob eine Versteigerung des Objektes vorgenommen wird. Das Ziel dieses Programms einer besonderen verkehrsüblichen Sorgfalt besteht darin, das Risiko zu minimieren, dass Beutekunstwerke in einem Sotheby’sKatalog erscheinen.704 Für die deutschen Versteigerungshäuser besteht in dem sog. Verhaltenskodex für den Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer e.V. ein häuserübergreifendes
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Vgl. Simmons, Verkehrsübliche Sorgfalt bei Untersuchungen der Herkunft: Die Sichtweise eines Auktionshauses, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 162–175, S. 171–173. Vgl. Simmons, Verkehrsübliche Sorgfalt bei Untersuchungen der Herkunft: Die Sichtweise eines Auktionshauses, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 162–175, S. 171–173. Vgl. Simmons, Verkehrsübliche Sorgfalt bei Untersuchungen der Herkunft: Die Sichtweise eines Auktionshauses, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 162–175, S. 171–173.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Rechtsinstrument, in dem sich die Auktionshäuser dazu verpflichten, „keine Objekte anzubieten, bei denen Anlass zu der Annahme besteht, dass sie mittels Diebstahls, Unterschlagung oder auf sonstige Weise unrechtmäßig erworben oder wegen Verletzung der Ausfuhrbestimmungen eines Landes illegal importiert worden sind“ (Nr. 8).705 Angesichts der weltweiten Besorgnis über den Handelsverkehr mit gestohlenen Antiquitäten und Kunstwerken, der illegalen Ausfuhr solcher Objekte sowie angesichts des Verbots des Handels mit Objekten aus artengeschützten Materialien unterwirft sich der Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer e.V. ebenso wie der deutsche Kunsthandel zusätzlich folgendem Verhaltenskodex für den internationalen Handel mit Kunstwerken: 386
Verhaltenskodex für den internationalen Handel mit Kunstwerken des Bundesverbandes Deutscher Kunstversteigerer e.V. 706: Der deutsche Kunsthandel wird sich nicht am Import, Export oder Handel solcher Gegenstände beteiligen, bei denen hinreichender Grund zur Annahme besteht, dass a. der Verkäufer nach geltendem deutschen Recht nicht zur Verfügung über den Gegenstand berechtigt ist, insbesondere der Gegenstand mittels Diebstahls oder in anderer Weise unrechtmäßig erworben wurde. b. ein importierter Gegenstand in seinem Herkunftsland unter Verstoß gegen das geltende Recht erworben oder exportiert wurde, c. ein importierter Gegenstand ohne die erforderliche Erlaubnis ausgegraben oder aus Ausgrabungsstätten erworben wurde. Im Rahmen der gegebenen rechtlichen Möglichkeiten wird sich der deutsche Kunsthandel ferner für die Rückführung gestohlener oder illegal ausgeführter Gegenstände in
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Verhaltenskodex für den Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer e.V.: Die im Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer e.V. (BDK) zusammengeschlossenen Firmen verpflichten sich: 1. Als Mittler zwischen Auftraggebern und Erwerbern unter Beachtung der für Versteigerer geltenden Rechtsvorschriften die Interessen beider Partner ausgewogen wahrzunehmen. 2. Soweit sie die eigene Haftung für Mängel versteigerter Sachen beschränken, durch Vertragsgestaltung eine Haftungsbrücke zwischen Erwerber und Einlieferer herzustellen. 3. Eigenware als solche zu kennzeichnen und die zwischen den Organisationen der Kunstversteigerer und des Kunsthandels vereinbarten Grenzen der Versteigerung von Eigenware zu beachten. 4. Im Wettbewerbsverhalten die Regeln der Lauterkeit und Fairness einzuhalten und in der Werbung keine irreführenden Aussagen zu machen, insbesondere keine Schätzpreise zu nennen, die unterhalb vereinbarter Mindestpreise liegen. 5. Schriftliche Gebote nur in dem Umfang auszuschöpfen, der erforderlich ist, um anderweitige Gebote zu überbieten. 6. Die Abrechung mit den Einlieferern innerhalb angemessener Frist durchzuführen. 7. In ihren Ergebnislisten nur solche Ergebnisse aufzuführen, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Liste tatsächlich erzielt worden sind, und dabei klarzustellen, wie sich die als Ergebnisse genannten Preise zusammensetzen. 8. Keine Objekte anzubieten, bei denen Anlass zu der Annahme besteht, dass sie mittels Diebstahls, Unterschlagung oder auf sonstige Weise unrechtmäßig erworben oder wegen Verletzung der Ausfuhrbestimmungen eines Landes illegal importiert worden sind. 9. Keine Objekte anzubieten, deren Materialien unter dem Schutz bedrohter Arten stehen und nicht von den Bestimmungen des Artenschutzes freigestellt sind. 10. Nicht an Transaktionen mitzuwirken, bei denen der Verdacht besteht, dass sie der Geldwäsche dienen. Die Mitglieder des BDK erkennen diese Verhaltensgrundsätze als verbindlich an. Nachgewiesene schwere Verletzungen einzelner Bestimmungen gelten als Verstöße gegen einen Verbandsbeschluss i.S.v. § 2 Ziff. 7 der Satzung und können den Ausschluss aus dem Verband nach sich ziehen. Quelle: http://service.kunstversteigerer.de/de/t/kodex. Quelle: http://service.kunstversteigerer.de/de/t/kodex.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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ihr Ursprungsland einsetzen, sofern der Nachweis unrechtmäßiger Ausfuhr aus diesem Land erbracht worden ist, die Rückführung innerhalb angemessener Zeit verlangt wird und im Falle eins rechtmäßigen Erwerbs eine angemessene Entschädigung gewährt wird. Der deutsche Kunsthandel befürwortet die Ziele der Artenschutzgesetze. Er wird sich auch zukünftig nicht am Handel mit Gegenständen aus artengeschützten Materialien beteiligen, die nach Verabschiedung des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) hergestellt sind. Er wird seiner Deklarationspflicht nach den geltenden Artenschutzbestimmungen gewissenhaft nachkommen. Der deutsche Kunsthandel wird auch sonst nichts unternehmen, was geeignet ist, den illegalen Handel oder Export von Kunstgegenständen zu fördern, vielmehr an dessen Verhinderung nach Kräften mitwirken. Dieser Verhaltenskodex betrifft alle Gegenstände, die üblicherweise Gegenstand des Kunst- und Antiquitätenhandels sind. Die unterzeichneten Verbände werden ihre Mitglieder auf die Einhaltung dieses Kodex verpflichten. Der Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer erklärt den „Verhaltenskodex für den internationalen Handel mit Kunstwerken“ als verbindlich für seine Mitglieder. Schwere und nachhaltige Verletzungen der Bestimmungen des Kodex sind als Verstöße gegen einen Verbandsbeschluss im Sinne § 2 Ziff. 7 der Verbandssatzung zu bewerten und können zum Ausschluss aus dem Verband führen.
5.
Positive Effekte sog. Codes of Ethics im (inter-)nationalen Kunsthandel
Auch wenn selbstauferlegte Verhaltensstandards keine rechtlich bindende Wirkung zeitigen und die inkorporierten Erwerbspraktiken ethischen Standards allein der Selbstregulierung dienen – so wird noch zu sehen sein –, wirken Codes of Ethics innerhalb des internationalen Kunsthandels (un-)rechtsbewusstseinsbildend und sind allein aus diesem Grund auch in der Zukunft für die Schaffung ethischer Grundüberzeugungen innerhalb des Kunst- und Antikenhandels unverzichtbar. Während die Einen Selbstverpflichtungserklärungen insoweit begrüßen, als sie das ethische Handeln des Kunstmarktes fördern,707 sind Anderen zufolge spezielle Verhaltensstandards und insbesondere qualifizierte Erwerbspraktiken der professionell im Kunstmarkt Beteiligten dazu geeignet, dem illegalen Handel mit Kulturgütern schon im Vorfeld präventiv entgegenzuwirken.708 Man scheint sich einig, dass einheitliche Mindestverhaltensstandards dazu fähig sind, Museen, Kunsthändlern, Galeristen und Auktionshäusern einen Spiegel vorzuhalten, in dem ethisch richtiges Verhalten dem eigenen Handeln gegenüber gestellt wird und dadurch positiver Einfluss auf das Geschäftsverhalten jedes Einzelnen ausgeübt wird. 707
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Vgl. Carducci, Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16 (22) 049, Antworten zum Fragenkatalog zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien am 27. September 2006. Vgl. Schauerte, Stellvertretender Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin – SPK, Schriftlicher Beitrag zum Fragenkatalog betreffend den Gesetzesentwurf zum UNESCOÜbereinkommen vom 14. November 1970 (im Folgenden UNESCO-Konvention), Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16 (22) 051.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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Darüber hinaus können ethische Mindestverhaltensstandards beim Erwerb zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter dazu anhalten, entgegen der Sammelleidenschaft und dem Drang zur Inkorporation kulturell wie materiell bedeutsamer Objekte trotz makelhafter Provenienz für die eigene Sammlung bzw. Ausstellung nicht zu erwerben oder nicht in die Versteigerung aufzunehmen. Auch wenn bei Verhaltenskodizes keine von außen einklagbare Verpflichtung vorliegt, so soll zumindest die interne Bindung der für den Erwerb von Kulturgütern zuständigen Personen dafür sorgen, dass diese nicht der Versuchung des Erwerbs illegal transferierter Kulturgüter erlegen sind und sich zumindest einer internen Pflichtverletzung gegenüber dem Museum, der Kunsthandlung, der Galerie oder dem Auktionshaus schuldig machen.709 Durch den Verzicht des Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wird der Markt für gestohlene und illegal exportierte Kulturgüter empfindlich eingeengt.710 Die eingeschränkte Marktgängigkeit illegal transferierter Objekte führt in der Konsequenz dazu, dass ihr Marktwert sinkt oder sogar ganz verloren geht. Die Minimierung des kulturellen Absatzmarktes seitens der professionell am Kunstmarkt beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser hat wiederum zur Folge, dass der Anreiz für einen Diebstahl, eine illegale Ausgrabung archäologischer Artefakte und anschließende unrechtmäßige Ausfuhr kultureller Wertgegenstände oder für eine Veräußerung von Beutekunst, Raubkunst, entarteter Kunst und kulturellem Fluchtgut verringert wird.711 Eine Attraktivitätsminderung des Erwerbs illegal transferierter Kulturgüter ohne adäquate Provenienz und ohne rechtmäßige Ausfuhrlizenzen wird dadurch mittelbar auch für individuelle Privatsammler und Investoren erreicht, da mit dem Makel der Illegalität behaftete Kunstwerke weder von Museen unentgeltlich aus steuerrechtlichen Aspekten noch von Kunsthändlern und Versteigerungshäusern entgeltlich zur Weiterveräußerung entgegengenommen werden. Scheiden jedoch bspw. mit dem Makel der Illegalität behaftete kulturelle Sachspenden aufgrund der Verweigerung der Annahme seitens der Museen aus, wird die Hemmschwelle zum Erwerb illegal transferierter Kulturgüter vergrößert.712
389
Neben diesen marktpolitischen Auswirkungen solcher Erwerbspraktiken zeitigten die unterschiedlichen Verhaltenskodizes trotz ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit aber auch konkrete rechtliche Auswirkungen. Zunächst ist eine Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards in einzelnen Gerichtsurteilen ersichtlich.
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O’Keefe, Museum Acquisition Policies and the 1970 UNESCO Convention, Museum International (UNESCO), No. 197 (Vol. 50 No. 1 1998), S. 20–24, S. 22–23. Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 212. Vgl. O’Keefe, Museum Acquisition Policies and the 1970 UNESCO Convention, Museum International (UNESCO), No. 197 (Vol. 50 No. 1 1998), S. 20–24, S. 22–23. Vgl. O’Keefe, Museum Acquisition Policies and the 1970 UNESCO Convention, Museum International (UNESCO), No. 197 (Vol. 50 No. 1 1998), S. 20 –24, S. 22–23.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
567
Innerhalb der Rechtssache Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd.713 aus dem Jahre 1986 hat sich der Richter Sir Browne-Wilkinson eingehend mit der rechtlichen Relevanz solcher Regeln zur Selbstregulation des internationalen Kunsthandels auseinandergesetzt und zitierte Art. 1, 2 und 4 des Code of Practice of UK Fine Art and Antiques Trade Members innerhalb des Urteils wörtlich.714 Christie’s hatte sich diesen ethischen Mindestverhaltensstandards ausdrücklich unterworfen und sich darin dazu verpflichtet, sich nicht wissentlich am Handel mit illegal exportiertem Kulturgut zu beteiligen. Spanien suchte vor Gericht somit nur die Feststellung, dass das hier in Streit stehende Goya-Werk illegal aus dem Territorium Spaniens ausgeführt worden war, weil dann eine öffentliche Inpflichtnahme Christie’s aufgrund der selbstauferlegten Verhaltensstandards möglich schien. In Art. 2 b. des Code of Practice of UK Fine Art and Antiques Trade Members ist geregelt, dass “Members of the UK fine art and antiques trade undertake, to the best of their ability, not to import, export or transfer the ownership of such objects where they have reasonable cause to believe … [t]hat an imported object has been acquired in or exported from its country of export in violation of that country’s laws … .” 715 Christie’s berief sich hingegen darauf, dass Art. 2 b. des Code of Practice keine Anwendung finden könne, wenn der Käufer ein Bild ‚unschuldig‘ bzw. ohne eigene Verwicklung in den illegalen Export erworben habe. In solch einem Fall sei stattdessen Art. 4 des Code of Practice anzuwenden:
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Art. 4 des Code of Practice of UK Fine Art and Antiques Trade Members: Where a member of the UK fine art and antiques trade comes into possession of an object that can be demonstrated beyond reasonable doubt to have been illegally exported from its country of export and the country of export seeks its return within a reasonable period, that member, if legally free to do so, will take responsible steps to cooperate in the return of that objet to the country of export. Where the code has been breathed unintentionally, satisfactory reimbursement should be agreed between the parties.
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Schließlich konnte eine Entscheidung dahinstehen, da Richter Sir Browne-Wilkinson zu dem Ergebnis kam, dass Spanien ,,not a party to the code“ war und sich dementsprechend auch nicht ausdrücklich hierauf berufen dürfe.716 Nichtsdestotrotz wurden in der Entscheidung die positiven Auswirkungen der gerichtlichen Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards ansatzweise deutlich: „Offenbar sind sich sowohl die Parteien als auch das Gericht darüber im klaren gewesen, daß eine so renommierte und prestigebewußte Firma wie das Londoner Auktionshaus Christie’s es sich nicht leisten kann, offen gegen die selbstauferleg-
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Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd., (1986) 1 W.L.R. 1120 (Ch.D.). Vgl. auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, 215–219. Vgl. die Zitierung in Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd., (1986) 1 W.L.R. 1120 (Ch.D.). Vgl. auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, 215–219.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
ten Standards des Kunsthandels zu verstoßen. Daran wird deutlich, daß allein die Existenz solcher geschriebener Standards – unabhängig von der fehlenden Möglichkeit ihrer unmittelbaren gerichtlichen Durchsetzung – eine Zwangswirkung erzeugt, der sich ein seriöses Mitglied des Kunsthandels, das auf seinen guten Ruf bedacht ist, kaum entziehen kann. Unter diesen Umständen läßt sich leicht nachvollziehen, warum die spanische Regierung ein Interesse daran hatte, den illegalen Export des Goya-Gemäldes gerichtlich und damit verbindlich feststellen zu lassen.“717 Im Ergebnis erreichte Spanien vor der Chancery Division die Feststellung der unrechtmäßigen Ausfuhr des Gemäldes und Christie’s nahm in der Folge das Gemälde aus der Versteigerung heraus. Durch Zahlung einer Entschädigungssumme in Höhe etwa der Hälfte des Marktwertes 718 gelangte das Gemälde schließlich wieder zurück nach Spanien. Da sich die britische Chancery Division in der Sache Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd. „by way of background“ 719 intensiv mit dem Inhalt des englischen Dealers Code of Practice trotz dessen Unanwendbarkeit auseinandersetzte, dienen die internationalen Standards und allgemein herrschenden Grundüberzeugungen im internationalen Kulturgüterverkehr als rechtlicher Orientierungsmaßstab ‚richtigen‘ Verhaltens. 393
In zahlreichen weiteren Gerichtsentscheidungen wurde seitens der zur Entscheidung berufenen Richter Bezug auf die selbstauferlegten Verhaltensstandards genommen. Innerhalb der Rechtssache Jeanneret v. Vichy aus dem Jahre 1982 720 wurde bspw. die Feststellung der Unveräußerlichkeit von mit dem Makel des illegalen Exports behafteten Kulturgütern unter anderem mit den selbstauferlegten Verhaltens- und Erwerbspraktiken der professionell im Kunsthandel Beteiligten begründet. Dir Richter qualifizierten die Ausfuhr von Kulturgütern entgegen den nationalen Kulturgüterschutzgesetzen mit „a cloud on the title“ 721 und begründeten die Schadensersatzpflicht bei der Veräußerung solcher Werke mit ‚belasteter‘ Provenienz unter anderem mit der Festigung der selbstauferlegten Erwerbsregeln der Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser im Kulturgüterverkehr.722 Auch innerhalb des sog. Falls der gestohlenen Engel der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.723 zeitigten bspw. individuelle Erwerbsregeln und selbstauferlegte Verhaltensstandards eines Museums rechtliche Auswirkungen. In der
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Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, 215–219. Greenfield, The Return of Cultural Treasures, 2. Aufl. 1996, S. 246. Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd., (1986) 1 W.L.R. 1120 (Ch.D.). Jeanneret v. Vichy, 541 F.Supp. 80 (S.D.N.Y. 1982), 693 F.2d 259 (2d Cir. 1982). Jeanneret v. Vichy, 541 F.Supp. 80 (S.D.N.Y. 1982), 693 F.2d 259 (2d Cir. 1982). Vgl. auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, 215–219. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, auf S. 1393 ff.; 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990) auf S. 286 ff.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
569
Entscheidung setzte das J. Paul Getty Museum entsprechend Sec. 2 der Antiquities Acquisition Policy bei Andienung unrechtmäßig entzogener Mosaiken aus der Republik Zypern zum Erwerb durch Mrs. Goldberg die Regierung des kulturellen Ursprungsstaates über den Verbleib der in der Gerichtsentscheidung betroffenen Mosaiken in Kenntnis und initiierte so eine der bedeutendsten Entscheidungen im Kunstrecht überhaupt: Sec. 2 der Antiquities Acquisition Policy: Notification of foreign government. Before acquiring an important object, the Museum will send photographs of it to the appropriate government agency of the possible countries of origin in order to determine if there are any specific objections or possible claims that may be made concerning the object. In addition, photographs will be sent to the International Foundation for Art Research in New York to be checked against its current list of objects reported stolen or missing.724
394
Hätte hier das J. Paul Getty Museum nicht bei Andienung der Mosaiken zum Erwerb durch Mrs. Goldberg die Regierung Zyperns über den Verbleib der betroffenen Mosaiken in Kenntnis gesetzt, sondern die zuvor illegal und ohne Ausfuhrgenehmigung aus Zypern exportierten Mosaiken stillschweigend zur Bereicherung der eigenen Sammlung erworben, dann hätte nach Sec. 5 der Antiquities Acquisition Policy zumindest eine interne Verpflichtung zur Restitution der Mosaiken an Zypern bestanden:725
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Sec. 5 der Antiquities Acquisition Policy: Claims. In the case of acquisition made after adoption of this Policy: (a) If the Museum becomes aware, more than 48 months after acquisition and delivery of an object, of a patrimony claim by a foreign government which claim would be valid but for the bar of the statute of limitations or the three year exemption period in Section 312 of the 1970 UNESCO Convention, the Museum normally will offer to return the object to the aggrieved country upon payment of just compensation. (b) If the Museum becomes aware of a patrimony claim by a foreign government before the expiration of the 48 month period, at the Museum’s option, the vendor will be required by warranty to defend the claim at the vendor’s expense. Should the vendor be unable or unwilling to do so, the Museum will consider the validity of the claim and will determine accordingly whether to contest the claim or surrender the object. (c) If the vendor defends such a claim which ultimately is adjudged valid, the vendor will be required by the sales agreement to be responsible for all damages, costs and expenses imposed by judgment upon the Museum; if the object is ordered to be returned to the aggrieved country by the judgment, the vendor in addition shall refund to the Museum the purchase price thereof, interest thereon and all expenses borne by the Museum in connection with the transaction.
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Auch zitiert bei Siehr, International Art Trade and the Law, Académie de Droit International de la Haye/Hague Academy of International Law – Recueil des Cours, Collected Courses, Volume 243 (1993-VI), S. 180. Zitiert bei Siehr, International Art Trade and the Law, Académie de Droit International de la Haye / Hague Academy of International Law – Recueil des Cours, Collected Courses, Volume 243 (1993-VI), S. 182.
570 397
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Ethische Mindestverhaltensstandards und selbstauferlegte Erwerbsrichtlinien zeitigen jedoch nicht nur aufgrund der Rezeption in Gerichtsentscheidungen rechtliche Auswirkungen, sondern nehmen auch deutlichen rechtsnormativen Einfluss auf die Ausgestaltung der Gesetzeslage. Die Verhaltenskodizes formulieren aus Sicht der Beteiligten selbst bestimmte selbstverständliche Regeln und Grundwerte, wie sie sowohl für die tägliche Praxis als auch für die übrige internationale Rechtspraxis im Kulturgüterverkehr als richtungweisend festgestellt werden konnten. So stellt bspw. auch Müller-Katzenburg, heute Justitiarin des Arbeitskreises Deutscher Kunsthandelsverbände, zu dem der Bundesverband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels e.V. (BDKA), der Bundesverband Deutscher Galerien und Editionen e.V. (BVDG) und der Verband Deutscher Antiquare e.V. zählen, die allgemeine indizielle und rechtssetzende Funktion kultureller Verhaltensstandards fest und fordert, dass selbstauferlegte Verhaltensstandards und Erwerbsregeln, die sich in einem bestimmten sozialen oder beruflichen Umfeld gebildet und zu einer stabilen Praxis verdichtet haben, von Rechtsprechung und Gesetzgebung übernommen und zu positivem Recht weiterentwickelt werden sollten. Es ist heute nachgewiesen, dass die genannten Programmsätze zur Selbstregulierung der professionell im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr beteiligten Museen, Kunsthändler, Galerien und Versteigerungshäuser neben ihrem Einfluss auf die tatsächliche Erwerbspraxis sowie ihrer Reflexwirkung auf die Rechtsprechung auch auf die Fortentwicklung des internationalen Kulturgüterschutzrechts ausstrahlen. Zu Recht sollte nämlich nicht nur die Rechtsprechung nicht zögern, das Handeln der professionell am Kunsthandel Beteiligten an ihren selbstauferlegten Verhaltensstandards und Erwerbsregeln zu messen, sondern auch ein Gesetzgeber darf bei der rechtlichen Neuregulation des Kulturgüterverkehrs oder der Modifikation bestehender Kulturgüterschutzvorschriften nicht hinter den in der Praxis geltenden (ethischen) Mindestverhaltensstandards zurückbleiben und weniger strenge Erwerbsrichtlinien einführen. Zahlreiche Stimmen in der Literatur geben auch Beispiele dafür, dass ethische Mindestverhaltensstandards und darin inkorporierte Erwerbspraktiken regelmäßig zunächst von den betroffenen Berufsgruppen entwickelt und dann, wenn sich hieraus eine gefestigte Praxis gebildet hat, in Gesetze inkorporiert werden.726 Damit wird außerdem die Hoffnung verbunden, dass insbesondere auch im Kulturgüterschutzrecht besonders notwendige Bestrebungen zur Rechtsvereinheitlichung des Kulturgüterverkehrs von den Verhaltenskodizes der nationalen und internationalen Museums- und Händlerverbände und denen der einzelnen Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser profitieren könnten, da sie auf internationaler Abstimmung beruhen und in Bezug auf gestohlene und illegal exportierte Kulturgüter ebenso weitgehend gleichlautende Regelungen enthalten wie im Bereich der Beutekunst, des kulturellen Fluchguts, der Raub-
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Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, Rdnr. 267.
§ 12 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb illegal exportierter Kulturgüter
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kunst und entarteten Kunst.727 Besonders aktuelle Anforderungen an die professionell im Kunsthandel Beteiligten stellt der Umgang mit diesen im Zweiten Weltkrieg und im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime entzogenen Kulturgütern dar. Auch in diesem Anwendungsfeld geben die Verhaltenskodizes wertvolle Hinweise für die herrschenden Rechtsüberzeugungen der betroffenen Berufsgruppen und deren Handelsgewohnheiten und verlangen einheitlich spezifische Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb. Auch diesbezüglich sind die Erwerbsrichtlinien freilich Ausdruck und Konkretisierung relevanter Verhaltensanforderungen im außerrechtlichen Bereich. Da jede nationale und internationale Rechtsnorm jedoch Ausfluss politischer und rechtsethischer Maßstäbe ist, ist schon jetzt der Einfluss der Erwerbs- und Verhaltensregeln der Hauptbeteiligten im internationalen Kulturgüterverkehr im Umgang mit Beutekunst, kulturellem Fluchgut, Raubkunst und entarteter Kunst auf die normative Entwicklung des internationalen Kulturgüterschutzrechts ersichtlich.728 Deshalb kann heute festgestellt werden, dass auf diese Weise die Bildung von Verhaltensstandards und speziellen Erwerbsanforderungen in der Praxis automatisch auf die Weiterentwicklung des nationalen und international vereinheitlichten Rechts einwirkt.729 Verhaltenskodizes und Erwerbspraktiken spiegeln die aktuellen Entwicklungen im internationalen Kulturgüterverkehr wider und beeinflussen diese im selben Moment. Durch die speziellen Verhaltensanforderungen setzen die Standards Maßstäbe und wirken bewusstseinsbildend zugleich.730
§ 12 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb illegal exportierter Kulturgüter Nachdem eingangs (unter Punkt A.) spezielle subjektive und objektive Kriterien zur Bestimmung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit von Erwerbern hinsichtlich gestohlener Kulturgüter festgestellt werden konnten, können heute auch spezifische Sorgfaltsanforderungen als Voraussetzungen der Gutgläubigkeit hinsichtlich des Erwerbs illegal exportierter Kulturgüter extrahiert werden. Die Rechtsgemeinschaft befindet sich zur Zeit in einer Entwicklungsphase neuer Anforderungen für die im (inter-)nationalen Kunsthandel Beteiligten zum Schutz vor dem Erwerb illegal exportierter Kulturgüter. Sowohl die rechtlich unverbindlichen Richtlinien des britischen Department for Culture, Media and Sport (DCMS) aus dem Jahre 2005 als auch der völlig neu überarbeitete Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 727 728
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Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, 215–219. In Anlehnung an Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, 215–219. Vgl. auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, 215–219. Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 211.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
4. Juni 2008 anerkennen die zeitliche Grenze des Jahres 1970 und den Erlass der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 als den Zeitpunkt gesteigerter Sorgfaltsanforderungen. Hintergrund beider Rechtsinstrumente ist, dass praktisch seit diesem Zeitpunkt international eine Sensibilisierung der Weltgemeinschaft für den Schutz des nationalen Kulturerbes innerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungsstaates erfolgte und die im Kunsthandel Beteiligten darüber Bescheid wissen, dass spezielle Sorgfaltsanforderungen im Kunsthandel notwendig sind, um nicht unrechtmäßig exportierte Kulturgüter zu erwerben und sich dementsprechend redlich zu verhalten. Das Jahr 1970 stellt somit in neueren Rechtsinstrumenten das Schlüsseljahr für eine ethische Annäherung an das Problem des illegalen Kunsthandels und des Erwerbs unrechtmäßig exportierter Kulturgüter für Museen, Kunsthändler und Galeristen, aber auch für Privatsammler dar, die ebenfalls seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Rechtswidrigkeitsverdikt der illegalen Ausfuhr besitzen müssen. Die zeitliche Grenze beider Rechtsinstrumente findet durch den Erlass der UNESCO-Convention vom 14. November 1970, die eine weltweite Transformation der ethischen Verhaltenslandschaft von Museen, Kunsthändlern, Galeristen und Privatsammlern initiierte, durch die Veröffentlichung des 1998 seitens des British Museum erarbeiteten Statement on the Acquisition of Antiquities und die entsprechende Resolution des Council of the British Academy, die beide ebenfalls einen Bezug auf die Zeitgrenze des Jahres 1970 nehmen und den Erwerb von Antiquitäten ohne gesicherte Provenienz seit diesem Zeitpunkt ablehnen, sowie durch den Erlass des Museum Association Code of Ethics aus dem Jahr 2002 Unterstützung. 399
Es scheint, dass sich diese Tendenz zur Zeit am verfestigen ist und für die Zukunft Aussicht auf eine gesetzliche Umsetzung dieser noch rechtlich unverbindlichen Richtlinien besteht. Innerhalb der Frage nach den notwendigen Sorgfaltsanforderungen und der Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabs ist es dem Rechtsanwender deshalb schon heute zu empfehlen, im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe des jeweiligen nationalen Sorgfaltsmaßstabs Rekurs auf diese Entwicklung zu nehmen und somit inzident für eine Umsetzung dieses ethischen Mindestverhaltensstandards in den nationalen Zivilrechtsordnungen zu sorgen. Danach sind die konkreten Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb kultureller Güter seit Erlass der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 nur noch dann erfüllt, wenn der Erwerber Untersuchungen darüber anstellte, dass das zu erwerbende Kulturgut nicht nach der zeitlichen Grenze unrechtmäßig aus dem kulturellen Ursprungsstaat ausgeführt wurde.
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Die neuen Verhaltensstandards tendieren zu folgendem speziellen Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb kultureller Güter zum Schutz vor unrechtmäßiger Ausfuhr: Ein Erwerb fremder kultureller Güter ist danach nur noch dann rechtmäßig, wenn nachweislich feststeht, dass der Gegenstand bereits vor dem Jahr 1970 innerhalb des zur Entscheidung berufenen Forums belegen war und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass zuvor eine illegale Ausfuhr aus dem kulturellen Ursprungs-
§ 12 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb illegal exportierter Kulturgüter
573
staat erfolgt war. Eine zweite Möglichkeit des richtlinienkonformen Erwerbs liegt dann vor, wenn das Kulturgut nachweislich schon vor der Zeitgrenze des Jahres 1970 aus dem kulturellen Ursprungsstaat (aber nicht in das Territorium des Forumstaates) ausgeführt worden war und der Beweis dafür erbracht werden kann, dass der nachfolgende Export in das Territorium des Forumstaates im Einklang mit den Rechtsvorschriften des Exportstaates erfolgte. Schließlich dürfen kulturelle Güter nur noch dann ruhigen Gewissens erworben werden, wenn sich das Kulturgut noch nach der zeitlichen Grenze des Jahres 1970 innerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungsstaates befand, jedoch feststeht, dass der Gegenstand den Voraussetzungen des Kulturgüterschutzgesetzes des kulturellen Ursprungsstaates entsprechend ausgeführt worden war.731 Diese Voraussetzungen haben zur Folge, dass sich Museen, Kunsthändler, Galeristen und Privatsammler vollständig der Rechtslage innerhalb potentieller kultureller Ursprungsstaaten bewusst sein müssen, sowohl vor der zeitlichen Grenze des Jahres 1970 als auch danach. Es wird somit (zumindest für die professionell Tätigen) nach dieser Rechtskonstruktion seitens der im Kunsthandel Beteiligten erwartet, dass diese selbst die Prüfung vornehmen, ob ein Kulturgut nicht unrechtmäßig aus dem Territorium ausgeführt wurde. Kann der Veräußerer keine hinreichenden Provenienzangaben bezüglich des zu erwerbenden Kulturguts treffen, dann haben das potentiell erwerbungsfreudige Museum, der Kunsthändler, die Galerie, unter Umständen auch ein einzelner Privatsammler selbstständig die notwendigen Recherchen vorzunehmen, bevor eine Akquisition in Frage kommt.732 Bestehen am Ende dieser Untersuchungen Zweifel über den ethischen Status des zu erwerbenden Kulturguts, sollte Abstand von einem Erwerb genommen werden. Hierzu gibt bspw. der Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 folgende praktische Verhaltensanweisungen: Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art (revised 2008): II. Guidelines: …These guidelines apply to acquisitions of archaeological materials and ancient art by purchase, gift, bequest, or exchange. 731
732
Vgl. 4. What to do when considering the acquisition or loan of an item, Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005. Vgl. ferner die folgenden Ausführungen an dieser Stelle: “In order to do this, the museum should ask the vendor or donor to provide documentary evidence verifying the presence of the item in the UK prior to 1970, or confirming the legitimate export of the item to the UK after 1970. In the case of an auction sale, if the sale catalogue does not confirm that the item was legally exported or entered the UK before 1970 then the museum should ask for necessary documentary proof of provenance before the sale. The museum needs to be fully aware of the implications of any legislation, in the UK or the country of origin or an intermediate country, that might apply to the period before 1970 and make every reasonable effort to ascertain that its export was not in violation of that legislation.” Vgl. 5. What to do if there are problems establishing the provenance, Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt A. Member museums should thoroughly research the ownership history of archaeological materials or works of ancient art (individually a “work”) prior to their acquisition, including making a rigorous effort to obtain accurate written documentation with respect to their history, including import and export documents. B. When the work is being imported into the U.S. in connection with its acquisition by the member museum, import documentation should be obtained and compliance with the export laws of the country of immediate past export to the U.S. should be confirmed. C. Member museums should require sellers, donors, and their representatives to provide all information of which they have knowledge, and documentation that they possess, related to the work being offered to the museum, as well as appropriate warranties. D. Member museums must comply with all applicable local, state, and federal U.S. laws 733, most notably those governing ownership and title, import, and other issues pertinent to acquisition decisions. E. Member museums normally should not acquire a work unless provenance research substantiates that the work was outside its country of probable modern discovery before 1970 or was legally exported from its probable country of modern discovery after 1970. The museum should promptly publish acquisitions of archaeological materials and ancient art, in print or electronic form, including in these publications an image of the work (or representative images in the case of groups of objects) and its provenance, thus making this information readily available to all interested parties.
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Um jedoch festzustellen, dass diese neue Entwicklung und die Einhaltung der 1970-Grenze praktisch erfolgen, raten die rechtlich unverbindlichen Richtlinien des britischen Department for Culture, Media and Sport (DCMS) aus dem Jahre 2005 zu der Einhaltung folgender Prüfungsschritte zum Ausschluss des Erwerbs unrechtmäßig exportierter Kulturgüter:
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Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material (DCMS-Guidelines 2005) vom Oktober 2005: 6. Due diligence – What it should involve: a) Initial examination of item: Although it is not always possible, it is best practice to examine the item at first hand to determine, as the case may be, whether it: • shows signs of certain types of ingrained dust, dirt or other accretions, or has annotations. If so it may have been displayed, used or stored for some years – so could be from an older collection. • has a distinctive type of mount, mounting or binding that is likely to be from a particular period. • has been mended, partially restored or otherwise interfered with. If so, it may be possible to decide whether the methods used are old or new and estimate when work was done. • carries old labels, inscriptions, or other marks. These could offer clues about presence and/or use in former collections – but they might be forged, or if genuine, transferred from other items. • in the case of archaeological material, still retains patches of fairly fresh-looking soil or encrustations, and may thus be recently excavated and so more likely to be illicit. b) Consider the type of item and likely place of origin: If there is nothing obviously suspicious about the physical appearance of the item, then consider carefully the following factors: 733
The reference to U.S. law means, for AAMD members outside of the U.S., the laws of their country.
§ 12 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb illegal exportierter Kulturgüter
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• there are certain ‘hot’ areas from which items come on to the market illegally, i.e. areas where extensive looting is happening now or in the recent past; at the time of publication examples include Afghanistan, SE Asia and Iraq. • there are some recognised classes of ‘red list’ item (cultural objects defined as ‘at risk’ by ICOM) that are extremely likely to be illicit; eg certain sorts of African, Latin American and Iraqi artefacts. There is no single source of guidance on ‘hot’ areas and types of item but sources of information are suggested in Appendix 1. If there is any suspicion at all that the object under consideration might fall into a ‘red list’ category, then extreme diligence and caution are required. It is important to bear in mind that certain categories of item have almost certainly been illicitly traded and that it is likely that these items cannot be legitimately acquired. c) Take expert advice: In problematic cases, or in areas outside the museum’s field of expertise, it is important to seek assistance and advice from specialists in appropriate national museums or museums with designated collections, or local experts – for example in the British or foreign schools of archaeology and in museums in the country of origin. Advice may be available from cultural attaches in embassies and high commissions or Unesco. Such experts can advise both about geographical areas, particular types of item and possible sources of evidence of provenance. Colleagues might also be able to provide informed opinion about the reputation of the owner of the object. However, expert advisers cannot be held responsible for the purchase itself or any consequences of it, and this responsibility remains with the purchasing institution. d) Determine whether the item was lawfully exported to the United Kingdom: Check whether the export of the item was in line with the regulations of the country of origin, and other cultural property legislation applicable at the time the item was exported. If necessary seek legal advice and advice from the country of origin about whether the export of the item complied with legislation. e) Evaluate the account given by the vendor or donor: In all cases, the account of the provenance (including export) of the item provided by the owner (whether private individual or dealer) is vital, and should be supported by documentation or other acceptable evidence, or failing that, a sworn statement (affidavit). • The museum must decide whether the vendor/donor’s story, supposing he/she claims to know its history, is convincing. The problem is often one of objective history blending with family folklore ‘I think it belonged to my great aunt who was in Italy before the war.’ The vague generic descriptions seen in sales catalogues like ‘Property of a gentleman’ or ‘from a European private collection’ are not acceptable proof of provenance. • It is important to try to ascertain whether the owner’s word can be accepted. If a member of the trade, is he/she a member of an appropriate and recognised trade association with a reliable Code of Practice? If the source or contact is not personally known to the museum, it might be advisable to consult a colleague who has had dealings with them before.
Dass es sich bei diesen Entwicklungen nicht nur um gut gemeinte Lippenbekenntnisse, sondern um aktive Verhaltensstandards in der täglichen musealen Praxis mit einschneidenden Auswirkungen für die betroffenen kulturellen Institutionen und Personen handelt, wird bspw. aus der erst kürzlich getroffenen Vereinbarung des Cleveland Museum of Art mit dem italienischen Kultusministerium vom 19. November 2008 über die Rückführung von 14 illegal erworbenen Antiken aus dem Museumsbestand deutlich. Nach mehrjährigen Debatten um den Verbleib der Objekte vereinbarten die Parteien deren Rückführung, wobei sich Italien zu
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
einer engen kulturellen Zusammenarbeit mit dem Museum und der Leihgabe verschiedener Objekte verpflichtete. Ausdrücklich erklärte Timothy Rub, der Direktor des Cleveland Museum of Art, die moderne Sammelpolitik im Bereich der Antiken: “This transfer demonstrates our commitment to build and maintain a collection of art from around the world and across time that is acquired in good faith using the highest ethical standards and after rigorous provenance research” 734. Als Beispiel eines musealen Umdenkens kann auch die Restitution von 22 im Besitz des Budapester Museums der Bildenden Künste (Szépmu ´´vészeti Múzeum) befindlichen antiken griechischen Gegenständen an Griechenland im September 2008 gesehen werden, die von dem Museum 1992 von einer Privatperson gekauft wurden, die behauptete, dass sie aus dem Besitz seiner Familie seien. Untersuchungen ergaben jedoch, dass einige der Gegenstände aus Ausgrabungsstätten in Griechenland gestohlen worden waren.735 405
Nachdem nun die Besonderheiten des gutgläubigen Erwerbs gestohlener und illegal exportierter Kulturgüter untersucht wurden, ist in der Folge unter Punkt C. eine Begutachtung der Rechtskonstruktion des gutgläubigen Erwerbs von im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern und des dort notwendigen Sorgfaltsmaßstabs vorzunehmen.
C. Verdächtige Erwerbsumstände im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr mit Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entarteter‘ Kunst 406
Auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs mit Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder entarteter Kunst sind (heute) vergleichbar verdächtige Erwerbsumstände wie innerhalb der Situation des kulturellen Diebstahls bekannt und eine Prüfung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit muss zusätzlich die folgenden Anhaltspunkte mit in die Begutachtung einbeziehen. Verdächtige Erwerbsumstände im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr mit Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder entarteter Kunst sind und waren jedoch ungleich schwerer für Erwerber zu erkennen. Bei einem solchen Erwerb können nicht nur die allgemeinen, sondern auch spezielle, in ihrem besonderen Schicksal begründet liegende Verdachtsmomente für die Nichtberechtigung des Veräußerers sprechen.736
407
Kennt der Erwerber den Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- oder entarteten Kunstcharakter des zu erwerbenden Kulturguts positiv, ist ein gutgläubiger Erwerb in allen Rechtsordnungen ausgeschlossen, wenn diesem nicht bewusst ist, dass der Gegenstand posthum gutgläubig trotz der Charakterisie734 735 736
Pressemitteilung vom 19. November 2008, Quelle: www.clemusart.com. Budapester Zeitung, Artikel vom 21.9.2008, http://www.budapester.hu. Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 202.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
577
rung als abhandengekommen erworben wurde. Viel schwieriger ist aber innerhalb der Bestimmung der Gutgläubigkeit des Erwerbers die Determination verdächtiger Erwerbsumstände nationalsozialistisch- bzw. Zweiter Weltkriegbedingter Kulturgutverluste im Fall der ‚grob fahrlässigen Unkenntnis‘ des Erwerbers von dem Nichteigentum des Veräußerers. Ein solches Kennenmüssen des Erwerbers liegt in der Regel jedoch nur dann vor, „wenn der Erwerber zwar die fehlende Eigentümerstellung des Veräußerers nicht erkennt, er aber das fehlende Eigentum des Veräußerers hätte erkennen müssen.“ 737 Es ist jedoch fraglich, welche verdächtigen Erwerbsumstände einen Fahrlässigkeitsvorwurf als vorwerfbar unsorgfältiges Urteil des Erwerbers über die Eigentumslage des Veräußerers738 an den vor dem Zweiten Weltkrieg und währenddessen unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern erlauben. Für die Annahme der Bösgläubigkeit des Erwerbers der im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter muss(te) dieser wissen oder grob fahrlässig nicht wissen (Kennenmüssen) …
… um die Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers vor der unrechtmäßigen Entziehung
… um den tatsächlichen Entziehungsakt
… und davon, dass der Entziehungsakt keinen Eigentumsverlust des ursprünglichen Eigentümers und damit keinen Eigentumserwerb des Veräußerers zur Folge hatte
Schema 10 – Voraussetzungen der Bösgläubigkeit des Erwerbers der im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter
Für die Annahme der Bösgläubigkeit des Erwerbers nationalsozialistisch- bzw. Zweiter Weltkrieg-bedingter Kulturgutverluste musste und muss dieser wissen oder grob fahrlässig nicht wissen (Kennenmüssen), erstens um die Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers vor der unrechtmäßigen Entziehung, zweitens um den tatsächlichen Entziehungsakt und drittens darüber Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis besitzen, dass der Entziehungsakt keinen Eigentumsverlust des ursprünglichen Eigentümers und damit keinen Eigentumserwerb des Veräußerers zur Folge hatte. Bei dem Wissen um die Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers vor der unrechtmäßigen Entziehung 737
738
So Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 932, Rdnr. 21–26. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 26–31.
408
578
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt – der kriegsbedingten Beutenahme durch die nationalsozialistischen Plünderungsbehörden in den von Deutschland besetzten Territorien, der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerung jüdischer Kulturgüter innerhalb Deutschlands aufgrund Drohungs-, Zwangs- bzw. Gewaltsituation zur Ermöglichung der Emigration aus Furcht vor Deportation und Ermordung (sog. kulturelles Fluchtgut oder auch sog. Raubkunst der ersten Phase) sowie der Verstaatlichung kultureller Güter durch die nationalsozialistischen Behörden innerhalb des deutschen Territoriums aus dem Bestand verfolgter Personengruppen (sog. Raubkunst der zweiten Phase), und der Verstaatlichung der entarteten Kunst –
handelt es sich um rein tatsächliche Faktenkenntnis auf Seiten des Erwerbers, während es sich bei dem Wissen bzw. Wissenmüssen über die Tatsache, dass der Entziehungsakt keinen Eigentumsverlust des ursprünglichen Eigentümers und damit keinen Eigentumserwerb des Veräußerers zur Folge hatte, um die Nachzeichnung einer rechtlichen Wertung und damit um die Kenntnis bestimmter Rechtsfolgen handelt. Nur wenn der Erwerber sämtliche genannten Umstände und Rechtsfolgen positiv weiß oder hätte wissen können (bei grober Fahrlässigkeit), ist die Annahme der Bösgläubigkeit gerechtfertigt und von einem Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs auszugehen. Bei der praktischen Bestimmung der Gut- oder Bösgläubigkeit des Erwerbers von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder entarteter Kunst sind unterschiedliche Maßstäbe einerseits aufgrund der subjektiven Stellung des Erwerbers und andererseits aufgrund spezieller temporaler Kriterien in Abhängigkeit von dem Erwerbszeitpunkt anzuwenden. Wirkung und Bedeutung spezieller Kriterien bei der Bestimmung der Gut- oder Bösgläubigkeit des Erwerbers der im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter
Subjektive Anforderungen in der Bestimmung der Gut- oder Bösgläubigkeit des Erwerbers: von professionell im (inter-) nationalen Kunsthandel beteiligte Museen, Galeristen, Kunsthändler und Auktionshäuser werden größere Sorgfaltsanforderungen erwartet als von privaten Sammlern
Professionell am Kunsthandel beteiligte Museen, Galeristen, Kunsthändler und Auktionshäuser
Temporale Kriterien in der Bestimmung der Gut- oder Bösgläubigkeit in Abhängigkeit von dem Zeitpunkt und der Epoche des Erwerbs der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter
Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit
Zwischenzeit: Periode zwischen einerseits der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit und andererseits seit Beginn der Provenienzrecherchen im internationalen Kunsthandel mit Beginn der 1990er Jahre
Zeit seit Beginn der Provenienzrecherchen im internationalen Kunsthandel mit Beginn der 1990er Jahre und in der Zukunft
Private Kunstsammler
Schema 11 – Divergierende subjektive Anforderungen und temporale Kriterien in der Bestimmung der Gut- oder Bösgläubigkeit beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder entarteter Kunst
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
579
Bei den subjektiven Kriterien handelt es sich um die bereits aus der Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs der Erwerber individuell gestohlener Kulturgüter bekannten divergierenden due diligence-Anforderungen einerseits an professionell im (inter-)nationalen Kunsthandel beteiligte Museen, Galeristen, Kunsthändler und Auktionshäuser und andererseits an private Kunstsammler. Hier wie dort ist seitens des Kunstgewerbes ein größeres Wissen sowohl um die ursprüngliche Eigentumsposition als auch um den unrechtmäßigen (hier: nationalsozialistischen) Entziehungsakt und davon auszugehen, dass der Entziehungsakt keinen Eigentumsverlust des ursprünglichen Eigentümers und damit auch keinen Eigentumserwerb des Veräußerers zur Folge hatte. Auch bei der Bestimmung des Kennenmüssens von der Nichteigentums- bzw. Nichtberechtigtenposition des Veräußerers sind von den professionell am Kunsthandel Beteiligten erhöhte Kenntnisse zu verlangen, da diese einen weitaus größeren Informationspool besitzen und grundsätzlich um ihren Rechts- und Geschäftskreis informiert sein müssen. Privaten Sammlern hingegen, besonders solchen, die nur gelegentlich ein Kunstwerk erwerben, kann ein profundes Wissen um die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf dem Kunstmarkt nicht abverlangt werden.
409
Diese Unterscheidung wurde bspw. auch innerhalb der Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts zu dem Bundesratsbeschluss betreffend die Klagen auf Rückgabe in kriegsbesetzten Gebieten weggenommener Vermögenswerte (sog. Raubgutbeschluss) vom 10. Dezember 1945 getroffen. Hatten die Besitzer von Raubgut nach Art. 1 bis 3 des Raubgutbeschlusses vom 10. Dezember 1945 eine unbedingte Rückgabeverpflichtung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter an die rückgabeberechtigten Alteigentümer, war in einem zweiten Schritt zu fragen, ob sie einen Entschädigungsanspruch gegen ihre Verkäufer oder gegen die Eidgenossenschaft geltend machen konnten.739 Erst an dieser Stelle – die Rückgabeverpflichtung entstand aufgrund der alleinigen Fokussierung auf den Anspruchsberechtigten und den Entziehungstatbestand selbst unabhängig von der Redlichkeit rückgabeverpflichteter Personen – stützte sich der Schweizer Raubgutbeschluss auf das Kriterium des gutgläubigen Erwerbs: War der (rückgabeverpflichtete) Erwerber des Raubguts gutgläubig, so hatte er nach Art. 4 des Bundesratsbeschlusses vom 10. Dezember 1945 einen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises gegen den Verkäufer, der selbst bei entsprechender Gutgläubigkeit wiederum Rückgriff auf seinen Verkäufer nehmen konnte.740 Diese ‚Regresskette‘ endete bei demjenigen Veräußerer, der das Kunstobjekt bösgläubig erworben hatte. War der bösgläubige Veräußerer zahlungsunfähig oder konnte er in der Schweiz nicht belangt werden, so konnte der Richter dem gut-
410
739
740
Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 374–376.
580
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
gläubigen Erwerber für den Ausfall auf Kosten der Eidgenossenschaft eine „billige Entschädigung“ zusprechen. Diese Regressprozesse standen somit in einem engen Zusammenhang mit der Frage des bösen bzw. guten Glaubens, die bei den Restitutionsprozessen selbst ausgeklammert worden war.741 411
Als Musterprozess dieser Zweitverfahren mit dem Ziel der Entschädigung gutgläubiger, restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gilt derjenige zwischen dem Waffenindustriellen Emil Bührle und Theodor Fischer.742 Nachdem Theodor Fischer und die Galerie Fischer dem Erwerber Emil Bührle Gutgläubigkeit bei dessen Erwerb der rückgeführten Kulturgüter attestierten und sich zur Rückerstattung des Kaufpreises bereit erklärten, beanspruchte Fischer später für sich selbst, bei den Kunstgeschäften gutgläubig gewesen zu sein und verlangte somit in einem dritten Prozess von der Eidgenossenschaft die in Art. 4 Abs. 3 des Raubgutbeschlusses vom 10. Dezember 1945 vorgesehene „billige Entschädigung“.743 Im Hinblick auf die Gutgläubigkeit stellte sich die Frage, ob Bührle, der während Andauer des Zweiten Weltkrieges in den Jahren 1941 und 1942 zahlreiche Gemälde über die Schweizer Galerie Fischer bezog, beim Erwerb über den Raubgutcharakter der angebotenen Ware informiert war. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er keine Regressforderung gegen seinen Veräußerer Fischer lancieren können.744 Zum Nachweis der Bösgläubigkeit Bührles beim Erwerb der Gemälde wandte die Schweizer Finanzkommission als Beteiligte ein, dass Bührle wegen des von der französischen Regierung verhängten Exportverbotes Zweifel hätten aufkommen müssen, weil die Bilder trotz des Verbots über Deutschland in die Schweiz gelangten. Die zur Entscheidung berufene Raubgutkammer des Bundesgerichts widersprach einer solchen Behauptung jedoch mit dem Argument, dass Emil Bührle lediglich ein Kunstsammler,
741
742
743
744
Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 339; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Entscheid der Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen vom 5. Juli 1951 i.S. Emil Bührle gegen Theodor Fischer, Kommanditgesellschaft Galerie Fischer und Schweizerische Eidgenossenschaft (R 3/III, 5/A, 10/B, 16bis). Vgl. zu diesem Entscheid; Kreis, Die Schweiz und der Kunsthandel 1939–1945, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen, Hintergründe, 1998, S. 129 ff.; Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 136 ff.; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 203 ff.; Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 401 ff. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Vgl. auch Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
581
jedoch kein Kunsthändler sei und nicht unmittelbar die Gemälde von einem Deutschen, sondern direkt bei einer Galerie in der Schweiz erworben habe. Die Raubgutkammer attestierte Bührle zwar, dass er sicherlich als erfahrener Sammler und Kunstkenner zu qualifizieren sei, er jedoch nicht professionell mit Gemälden handle und darum als „amateur éclairé“ einzustufen sei. Aufgrund seiner nur privat verfolgten Sammeltätigkeit sei er trotz seiner kunstgeschichtlichen Ausbildung nicht dazu verpflichtet gewesen, Nachforschungen anzustellen, auf welche Weise der in der Kunstwelt als renommiert, seriös und ehrlich geltende Theodor Fischer in den Besitz der besagten Gemälde gekommen sei.745
I.
Besondere temporale Kriterien in der Bestimmung der Gut- oder Bösgläubigkeit in Abhängigkeit von dem Zeitpunkt und der Epoche des Kulturguterwerbs
Über die Beachtung subjektiven Wissens hinaus ist in die Bestimmung der Gutbzw. Bösgläubigkeit der unterschiedliche Kenntnisstand der Gesellschaft insgesamt und im Einzelnen auch der Erwerber über Umfang und Quantität von im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern in Abhängigkeit von dem jeweiligen Erwerbszeitpunkt einzustellen (divergierende Anforderungen an das Wissen und Wissenmüssen gutgläubiger Erwerber nationalsozialistisch bedingter Kulturgutentziehungen in Abhängigkeit vom Erwerbszeitpunkt). Allgemein führt Grell in diese Problematik dadurch ein, dass …
412
„… an Vermögenswerten, die in Deutschland oder Frankreich aufgrund rassendiskriminierender Erlasse weggenommen wurden, … durch den Weiterverkauf des NS-Staates oder eines in Kommission handelnden Kunsthändlers ein Erwerber kein Eigentum begründen [konnte]. Für die Beurteilung der Weiterveräusserungen an spätere Erwerber sind wegen der ganz anderen Umstände auch andere Anforderungen und Kriterien maßgebend. Waren bei einem Ersterwerb für die Gutgläubigkeit noch das Erkennen des Unrechtscharakters und für die Einschätzung der Rechtmässigkeit die Sittenwidrigkeit des direkten Rechtsgeschäfts zentral, verlagert sich für einen späteren Zweiterwerb das Gewicht auf das Wissen historischer und rechtlicher Erkenntnisse. Dabei werden entgegen der sonst heilenden Wirkung der Zeit besonders durch die wieder neu entfachte Aktualität und Sensibilität an einen Erwerber zunehmend strengere Anforderungen an die Kenntnis der Nichtberechtigung des Veräusserers gestellt.“746
413
Daran anknüpfend macht Rudolph darauf aufmerksam, dass bei der Beantwortung der Frage, ob besonders verdächtige Umstände dem Erwerber ohne besondere Aufmerksamkeit erkennbar gewesen sind, zu berücksichtigen sei, „dass die-
414
745
746
Vgl. die Kommentierung der Entscheidung bei Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159.
582
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
ser in bestimmten Umständen nur dann einen Anhaltspunkt für die jüdische Provenienz des Kunstwerks sowie seine Entziehung und deren Nichtigkeit sehen konnte, wenn er über ein bestimmtes Wissen über die nationalsozialistische Judenverfolgung im Allgemeinen und die Entziehung jüdischen Vermögens einschließlich Kunstbesitzes im Besonderen verfügt hat.“ 747 Unsorgfältig ist die Beurteilung im Allgemeinen dann, wenn die Fehleinschätzung des Erwerbers über die nichtvorhandene Eigentumsposition des Veräußerers an dem im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgut vermeidbar war. In dieser Entscheidung verlangt im Kunsthandel – im Gegensatz zu dem Absatz von Konsumgütern, die nach der Quantität bestimmt werden – eine einzelfallbezogene Betrachtung bei der Bestimmung des individuellen Sorgfaltsmaßstabs verstärkt eine Subjektivierung der Beurteilung, sodass der grundsätzlich objektiv zu bestimmende Maßstab durch die einzubeziehenden individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Erwerbers verschärft wird. Da sich das Wissen seit der nationalsozialistisch bedingten Entziehungstatbestände stets verändert hat, sind bei der Untersuchung der Gutgläubigkeit divergierende Kriterien in unterschiedlichen Zeitabschnitten zu berücksichtigen: Jeder einzelne Kulturguttransfer mit Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst ist nach dem Wissens- und Erkenntnisstand der jeweiligen Zeit und des jeweiligen Erwerbers bei Vornahme des Rechtsgeschäfts zu untersuchen.748 Die Unterscheidung nach dem Erwerbszeitpunkt und der Person des Erwerbers steht im Einklang mit der Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs. Für die Beurteilung der Gutgläubigkeit des Erwerbers sind die Umstände zur Zeit des Erwerbs maßgebend.749 747
748
749
Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 202. Rudolph unterteilt in ihren Untersuchungen zur Gutgläubigkeit der kulturellen Erwerber die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen um verdächtige Erwerbsumstände im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr von im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern bspw. in drei Zeitabschnitte: „Erstens die Zeit während des Nationalsozialismus bis Ende der 1960er Jahre, in der als Erwerber Personen aufgetreten sind, welche die Zeit des Nationalsozialismus bewusst erlebt und somit über eigene Kenntnisse verfügt haben. Zweitens die Zeit von Anfang der 1970er Jahre bis 1998, in der die Erwerber zumeist der Nachkriegsgeneration angehört haben, die mangels eigener Kenntnis auf fremde Erkenntnisquellen angewiesen war, die in dieser Zeit jedoch nur in sehr beschränktem Maße vorhanden bzw. zugänglich gewesen sind. Freilich ist es denkbar, dass auch in dieser Zeit noch Kunsthändler, Museumsmitarbeiter und Privatsammler aktiv waren, die sich bereits in der Zeit während des Nationalsozialismus bis Ende der 1960er Jahre am Kunsthandel beteiligt haben. Beim Erwerb entzogener Kunstwerke durch sie gilt dann natürlich uneingeschränkt das für diesen früheren Zeitraum maßgebliche Anforderungsprofil. Und drittens die Zeit nach 1998, in der den Erwerbern mit der nunmehr veröffentlichten Literatur auch und gerade zum Thema Entziehung jüdischen Kunstbesitzes einschlägige und aktuelle Informationsquellen zur Verfügung stehen.“ Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 202. Vgl. auch Reutter/Wieser, Der Handel mit der Gutgläubigkeit, Schweizer Monatshefte, Nr. 3/4 (2005), S. 29–34, S. 30.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
1.
583
Gutgläubiger Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst nach der unmittelbaren Nachkriegszeit und vor Beginn der Provenienzrecherchen der 1990er Jahre
Richtig an der Unterscheidung nach dem Erwerbszeitpunkt ist, dass in der Periode zwischen einerseits der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit und andererseits seit Beginn der Provenienzrecherchen im internationalen Kunsthandel mit Beginn der 1990er Jahre (so zu bezeichnende Zwischenzeit) weltweit überhaupt kein Bewusstsein für die im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig seitens des nationalsozialistischen Unrechtsstaates entzogenen Kulturgüter bestand. Sowohl die unrechtmäßigen Entziehungen kultureller Wertgegenstände als auch deren Restitution an die berechtigten Alteigentümer wurden nach zeitlichem Ablauf der nationalen Wiedergutmachungsgesetze in zahlreichen Staaten nach Ende des Zweiten Weltkrieges sowohl seitens der (ursprünglichen) Eigentümer als auch seitens des Kunsthandels insgesamt vollständig missachtet. Eine Sensibilisierung erfolgte nur noch hinsichtlich gestohlener und unrechtmäßig exportierter Kulturgüter.
415
„Die Frage der Gutgläubigkeit erhält bei Berücksichtigung der zeitlichen Komponente zwei weitere Aspekte, die zueinander in einem Spannungsverhältnis stehen. Zum einen ist davon auszugehen, dass, je später der Erwerb des Kunstwerkes stattgefunden hat, desto eher die Tatsache, dass das zu erwerbende Objekt … [unrechtmäßig entzogen] wurde, nicht bekannt ist. So kann sich eine Person, welche ein solches Kunstwerk nicht unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges, sondern beispielsweise in den 70er Jahren erworben hat, eher auf die Unkenntnis der unrechtmässigen Wegnahme berufen als jemand, welcher die Sache in den 40er oder 50er Jahren erworben hat.“750
416
Diese tatsächliche Sachlage hat innerhalb der Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber und der Erkenntnis von Hinweisen der Nichtberechtigung bzw. des Nichteigentums des Veräußerers für den Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst zur Folge, dass während dieser Zeitspanne (auch für professionell am Kunsthandel beteiligte Erwerber wie Museen, Galerien, Kunsthändler und Auktionshäuser) außergewöhnlich deutliche Hinweise vorliegen mussten, damit der Erwerber den Beutekunst-, Fluchtkunst-, Raubkunst- oder ‚entarteten‘ Kunstcharakter des zu erwerbenden Kulturguts hätte erkennen müssen und ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen war. Während dieser Zeit ist regelmäßig weder professionell am Kunsthandel beteiligten Galeristen, Kunsthändlern, Auktionshäusern und Museen noch privaten Sammlern Kenntnis bzw. Kennenmüssen hinsichtlich der Rechtsposition des ursprünglichen Berechtigten, hinsichtlich des tatsächlichen Entziehungsaktes oder hinsichtlich der zivilrechtlichen Nichtigkeit der unrechtmäßigen Kulturgutentziehung nachzuweisen.
417
750
Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256.
584
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
2. 418
Gutgläubiger Erwerb seit Beginn der Provenienzrecherchen mit Beginn der 1990er Jahre
Ganz anders fällt die Beurteilung jedoch für die heutige Zeit und der Kenntnis zeitgenössischer Erwerber um den Beutekunst-, Fluchtkunst-, Raubkunst- oder entarteten Kunstcharakter der Erwerbsgegenstände aus. Zu dieser Problematik im Zusammenhang mit Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg ist in den vergangenen Jahrzehnten, insbesondere aber in den 1990er Jahren, eine große Anzahl von Publikationen erschienen. Es handelt sich hierbei sowohl um Sachbücher, die dem Informationsbedarf einer interessierten breiten Öffentlichkeit entgegenkommen, als auch um historische, kunst- und kulturwissenschaftliche und juristische Fachliteratur, die sowohl eine allgemeine Orientierung aber auch ganz spezielle Informationen bspw. zu den Verlusten einzelner Künstler oder Kunstrichtungen, besonderen Orten sowie Städten, einzelnen Sammlern, Galerien, Kunsthändlern sowie Museen, die einer außergewöhnlichen Plünderung anheimfielen, bereithalten. Eine ausführliche Auswahl der zu diesen Themen erschienenen und bekannten Literatur hat bspw. die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste 751 auf ihrer Internetseite zusammengestellt und dabei nach Neuerscheinungen, allgemeiner Literatur, Bibliographien und Periodika, nationalsozialistischem Kunstraub, kriegsbedingter Verlagerung von Kulturgütern, Verlustdokumentation, Provenienzforschung und Sammlungsgeschichte, Restitution von Kulturgütern, dem Kunsthandel und juristischen Aspekten unterschieden.752 Besonders zu nennen ist aus juristischer Sicht hierzu etwa auch die Bibliographie zum Recht des Internationalen Kulturgüterschutzes von Fiedler und Turner aus dem Jahre 2003, die unter anderem auch Nachweise zu Kulturgütern und Staatensukzession, Kulturgüterschutz im Krieg und zum Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen bereithält und diese Informationen mittels eines Personenund Sachregisters vermittelt. So sind bspw. die (ausländische im Fall der Beutekunst und die jüdische im Fall der Raubkunst) Provenienz, der Entziehungstatbestand sowie die Nichtigkeit der unrechtmäßigen Entziehung eines zu erwerbenden Kunstwerks heute in vielen Einzelsituationen bekannt, in zahlreichen Veröffentlichungen sowohl für die professionell am Kunsthandel beteiligten Händler, Galeristen, Auktionshäuser und Museen innerhalb der Fachliteratur als auch für private Kunstsammler in den allgemeinen Feuilleton-Teilen der Tages- und Wochenpressen wohl dokumentiert.
751
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Die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste hat grundsätzlich die Aufgabe, Such- und Fundmeldungen zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen und kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern entgegenzunehmen und zu dokumentieren. Die Veröffentlichung im Internet ermöglicht eine weltweite Recherche nach diesen Objekten und ihren Verlustumständen. Das Auffinden und die Identifizierung gesuchter Stücke sollen damit unterstützt und Rückgaben angebahnt werden. Vgl. http://www.lostart.de/publikationen.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
585
„Im Vordergrund steht beim späteren Erwerb … [von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst] die Beschäftigung mit der deutschen Geschichte, woraus sich allenfalls Konsequenzen für die Berechtigung des momentanen Veräusserers ergeben können. Bei dieser geschichtlichen Betrachtung muss sich der Erwerber über die Geschehnisse und die damals involvierten Personen vor Kriegsausbruch, während des Krieges und über die rechtliche und tatsächliche Beurteilung der Vorkommnisse nach dem Krieg informieren. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass vor gut fünfzig Jahren, als noch der Grossteil der Involvierten lebten und das Vergangene noch in unmittelbarer Nähe stand, gewisse Personennamen oder andere Umstände, Tatsachen oder auch nur Gerüchte, die zur Vorsicht mahnten, noch sehr wohl bekannt waren, welche sich heute erst nach langwierigen Nachforschungen ergeben. Dieser unmittelbare historische Bezug zum Geschehenen und den involvierten Personen verliert sich zwar mit dem Ablauf der Jahre immer mehr, wird aber durch die neu hinzu gewonnenen Erkenntnisse und technischen Möglichkeiten kompensiert. Zu denken ist zum Beispiel an das Internet, die weltweit verschickten Auktionskataloge der führenden Häuser im Vorfeld einer Versteigerung und die zahlreichen Kunstmagazine und Feuilleton-Beilagen in Zeitungen und Zeitschriften. Diese Hilfsmittel geben dem Erwerber bei einem Bildkauf eine gute Möglichkeit, die zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den verschärften Anforderungen an die Sorgfalt der Käufer bei Kunstwerken aus der kritischen Zeit zwischen 1933 und 1945 zu entsprechen. Solche Erkundigungen drängen sich meistens bereits auf, weil es sich oft um sehr grosse Geldbeträge handelt und es wegen der Reputation der Beteiligten im Interesse aller liegt, keine rechtlichen Umtriebe nach einer Veräusserung zu haben. Aus dem Gesagten folgt, dass an die Nachforschungspflichten des späteren Erwerbers oder an Erben zum Teil nicht die gleich hohen oder andere genauso strenge Anforderungen zu stellen sind. Solche Nachforschungen haben aber nur insofern Sinn, als ihnen eine rechtliche Bedeutung zukommt. Das heisst, dass durch mehrfache Veräusserungen besonders in Zeiten, in denen die Anforderungen an die Nachforschungspflicht nicht so hoch waren wie heute und sich zudem die Gutgläubigkeit immer nur auf die Verfügungsberechtigung des jeweiligen Veräusserers bezieht, die Möglichkeit gutgläubig Eigentum zu begründen, relativ gross war und der ursprünglich Betroffene dadurch definitiv sein Eigentum verloren hatte. Dieser Schluss kann besonders in der heutigen Zeit, in der versucht wird, die Geschichte neu schreiben, ungerecht erscheinen, findet sich aber in allen behandelten Rechtsordnungen bestätigt, wonach ein nachträgliches Wissen um die fehlende Verfügungsfähigkeit dem guten Glauben keinen Abbruch tut.“753
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Dies hat zur Folge, dass heute von einer allgemeinen Sensibilisierung des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs hinsichtlich des Beutekunst-, Fluchtkunst-, Raubkunst- oder ‚entarteten‘ Kunstcharakters auszugehen ist. So fordert auch Grell, dass aufgrund der allgemeinen Stimmung auf dem (inter-)nationalen Kunstmarkt und in der Tagespolitik sich ein Erwerber veranlasst sehen sollte, zunehmend an der Verfügungsfähigkeit des Veräußerers bezüglich der aus der Epoche der nationalsozialistisch beschlagnahmten Kunstwerke „zumindest eine gesunde Skepsis walten zu lassen und sich genauer über die Provenienz der Bilder zu erkundigen. War es bis vor kurzem … durchaus möglich, seine Gutgläubigkeit wegen geringerer Sorgfaltspflichten zu belegen, wird der Erwerber zusehends in die Defensive gedrängt. Diese Tendenz wird weiter durch die zunehmende Zahl
420
753
Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159.
586
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
von Gerichtsentscheiden und die daraufhin verstärkt einsetzenden rechtlichen und kunsthistorischen Publikationen gefördert werden.“ 754 Deshalb haben zeitgenössische Erwerber von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst unabhängig von ihrer Qualifikation als professionell am Kunsthandel Beteiligte oder private Sammler kultureller Wertgegenstände bei der Akquisition generell und grundsätzlich der Frage besondere Aufmerksamkeit zu schenken, ob verdächtige Erwerbsumstände auf einen Zusammenhang mit der unrechtmäßigen Entziehung aufgrund des nationalsozialistischen Unrechtsregimes vor oder während des Zweiten Weltkriegs hindeuten.755 Heute ist in den genannten Kategorien davon auszugehen, dass ein privater ebenso wie ein professioneller Erwerber Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers, von dem tatsächlichen Entziehungsakt und davon haben kann, dass die nationalsozialistisch bedingte Kulturgutentziehung keinen Rechtsverlust des ursprünglichen Eigentümers und damit keinen Eigentumserwerb des Veräußerers zur Folge hatte, wenn die sogleich ausführlich diskutierten speziellen Indizien auf eine ‚verdächtige‘ Erwerbssituation hindeuten und keine weiteren Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Eigentums- bzw. Berechtigtenposition des Veräußerers vorgenommen wurden.
3.
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Gutgläubiger Erwerb kultureller Güter während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit
Wesentlich schwieriger stellt sich jedoch während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Frage nach der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis von der Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers, von dem tatsächlichen Entziehungsakt und davon dar, dass die nationalsozialistisch bedingte Plünderung und Beschlagnahme kei-
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Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. „Dem steht jedoch die Tatsache entgegen, dass seit den 90er Jahren eine vertiefte Auseinandersetzung mit den damaligen Ereignissen begonnen hat. Dies hat zur Folge, dass demjenigen, der in den letzten 10 Jahren einen Kunstgegenstand von einem zuvor bösgläubigen Besitzer erworben hat, trotz des zeitlich weit zurückliegenden unfreiwilligen Abhandenkommens seitens des Berechtigten eher anzulasten ist, dass er die Herkunft des Bildes hätte in Frage stellen müssen. Hinzuweisen ist ferner auf die ebenfalls erst seit wenigen Jahren bestehenden technischen Möglichkeiten, die Herkunft eines Bildes mittels einer Nachfrage bei einem der zahlreichen Register zu klären, sodass die Voraussetzungen an die Gutgläubigkeit des Erwerbers in der heutigen Zeit trotz der vergangenen Zeit strenger zu beurteilen sind als bei einem Erwerb, der zwar nicht während oder unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges, jedoch zu einer Zeit, in welcher die Unrechtmässigkeit der Herkunft des Bildes nicht in solchem Masse bekannt sein musste, stattgefunden hat.“ Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
587
nen Rechtsverlust des ursprünglichen Eigentümers und damit keinen Eigentumserwerb des Veräußerers zur Folge hatten. Der Frage, ob gutgläubiger Erwerb an solchen Kulturgütern möglich ist, die unter Gewalt oder Zwang aus den besetzten Gebieten oder aufgrund der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft innerhalb des deutschen Territoriums unrechtmäßig entfernt wurden, wurde in der deutschen Nachkriegsliteratur und Rechtsprechung kaum Beachtung geschenkt, da die alliierte Restitution als Selbstverständlichkeit betrachtet wurde, unabhängig von den Erwerbsumständen des letzten Besitzers.756 Umstritten und praktisch relevant, weil vor deutschen Gerichten verhandelbar, war vielmehr allein die Frage, ob der gutgläubige Erwerber für den Fall, dass die erworbene Sache von den Besatzungsbehörden restituiert wurde, Ansprüche gegen den Veräußerer aufgrund eines Rechtsmangels hatte.757 Die deutsche Rechtsordnung beschäftigte sich somit – übrigens ebenso wie bspw. die Schweizer Rechtsordnung nach den Raubgutbeschlüssen und andere zentraleuropäische Rechtsordnungen – allein mit der Frage der Rückgriffsansprüche gegen den Vorbesitzer.758 Exemplarische Bedeutung auch für zahlreiche andere Staaten kommt in dieser Frage der Schweizer Rechtsordnung zu, da die große Anzahl nationalsozialistisch bedingter Kulturgutentziehungen sowohl innerhalb Deutschlands als auch innerhalb der besetzten Territorien wie bspw. in Frankreich dazu führte, dass die Werke auf dem Schweizer Kunstmarkt zu dieser Zeit Absatz fanden. Der (inter-)nationale Handel mit Kulturgütern, die aufgrund der Behörden des nationalsozialistischen Unrechtsregimes und im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen wurden, war für die Schweiz prinzipiell „ein wesentlicher und weitgehend als unproblematisch empfundener Teil des ‚normalen‘ Kunsthandels. In gewisser Weise ‚gehörte er einfach dazu‘, wie er nach den traditionellen Normen des Schutzes von Privateigentum zwar ‚dazu gehörte‘, nach den im Laufe des Krieges mehr und mehr Fuß fassenden neueren menschenrechtlichen Normen aber eben nicht ‚einfach‘ hätte dazugehören sollen.“759 So schienen dem Kunsthandel die Kriegsjahre „als durchaus normale Geschäfts-
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Vgl. Fiedler, Die Alliierte (Londoner) Erklärung vom 5.1.1943: Inhalt, Auslegung und Rechtsnatur in der Diskussion der Nachkriegsjahre, in: Basedow/Meier/Schnyder/Einhorn/ Girsberger, Private Law in the International Arena. From National Conflict Rules Towards Harmonization and Unification, Liber Amicorum Kurt Siehr, 2000, S. 197–218. Vgl. OLG Hamburg, SJZ 1948, Sp. 320 ff.; Hierzu: Arndt, Anmerkung zum Urteil des OLG Hamburg v. 3.2.48 – 2 U 324/47, SJZ 1948, Sp. 323 ff., Sp. 324; Schmoller/Maier/Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts – Institut für Besatzungsfragen, 1957, S. 22–23. Vgl. Fiedler, Die Alliierte (Londoner) Erklärung vom 5.1.1943: Inhalt, Auslegung und Rechtsnatur in der Diskussion der Nachkriegsjahre, in: Basedow/Meier/Schnyder/Einhorn/ Girsberger, Private Law in the International Arena. From National Conflict Rules Towards Harmonization and Unification, Liber Amicorum Kurt Siehr, 2000, S. 197–218. Vgl. hierzu aus Sicht des Schweizer Kunsthandels Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 27.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
jahre“ 760 und außerordentliche Maßnahmen der Restitution von illegal erworbenen Kulturgütern wurden als ungerechtfertigt bezeichnet. Der Verband Schweizer Kunsthändler erachtete es „als nicht gerechtfertigt, wegen ‚Raubkunst‘ im Wert von einer halben Million Schweizer Franken bewährtes Privatrecht zu opfern. Die Kostenfrage scheint hier ein weiteres vorgeschobenes Argument darzustellen. In Wirklichkeit versuchte der Verband, der Schädigung des guten Rufes des schweizerischen Kunsthandelsplatzes entgegenzutreten.“ 761 Die Gegenansicht betonte jedoch ausdrücklich, dass Erwerber von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst „in der Berufung auf ihren guten Glauben keinen Schutz finden können, wenn sie in derart ausserordentlichen Zeiten bei der Anschaffung von qualifizierten Vermögenswerten, wie es Kunstgegenstände sind, es an der durch die Umstände gebotenen Vorsicht haben fehlen lassen“ 762. Diese Feststellung gelte vornehmlich gegenüber den professionell im Kunstgewerbe beteiligten Berufskreisen, „denen die zwangsweise Wegnahme von Kunstgütern im Verlauf des Krieges nicht unbekannt sein konnte.“ 763 Der Verband Schweizer Kunsthändler ging jedoch davon aus, dass die fraglichen Kulturgüter in der überwiegenden Zahl der Fälle gutgläubig erworben seien: 423
„Wir erklären Ihnen, und wir legen auf diese Erklärung alles Gewicht, dass wir keinen Kampf führen würden in dieser Sache, wenn wir nicht vom Gegenteil restlos überzeugt wären. Wir möchten noch ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass uns nur zwei Fälle von direktem Import fraglichen Kunstgutes aus dem Auslande bekannt sind. Alle übrigen Mitglieder unseres Verbandes und alle privaten Sammler haben die fraglichen Kunstwerke im freien schweizerischen Markt erworben. Und wir können uns einfach nicht vorstellen, dass diesem Erwerb auf dem freien schweizerischen Markt irgend ein Makel anhaften sollte. Wir sind aber, nach unserer Prüfung der Sache, darüber hinaus auch davon überzeugt, dass auch die Importe gutgläubig erfolgt sind. Wir glauben, dass man nur dann zu einem andern Resultat hinsichtlich dieser Importe kommen könnte, wenn man das Wissen des Jahres 1945 zurückprojiziert. Wir glauben Ihnen diese unsere Ueberzeugung noch einmal darlegen zu dürfen; dies nicht nur darum, weil nach der vorgesehenen Regelung, deren Rechtmässigkeit wir nach wie vor nicht anerkennen, der schweizerische Kunsthandel mit ganz erheblichen finanziellen Opfern belastet wird, sondern vielmehr noch darum, weil wir die Diffamierung unserer Mitglieder und der Sammler, die in der nun vorgesehenen Regelung stillschweigend enthalten ist, nicht hinnehmen können.“ 764
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Zu Beginn der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft und des Zweiten Weltkrieges konnte sicherlich noch nicht davon ausgegangen werden, dass in der 760
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Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 362–363. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 362–363. Zitierung bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 362–363. Zitierung bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 362–363. Zitierung bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 362–363.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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deutschen oder bspw. schweizerischen Bevölkerung ein Wissen um die Plünderungsmethoden in den besetzten Staaten oder die Quantität und Qualität der Kulturgutentziehungen innerhalb Deutschlands bestand. Andererseits steht fest, dass sich im Laufe der Kriegsjahre ein solches Verständnis sowohl innerhalb der deutschen als auch der ausländischen Bevölkerung herausbildete. Fraglich ist jedoch, zu welchem genauen Zeitpunkt für Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter die Verdachtsmomente nationalsozialistisch bedingter Vermögensentziehungen so deutlich erkennbar waren, dass ein Erwerber von im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern nicht mehr als gutgläubig bezeichnet werden konnte. In der Folge ist somit sowohl in der Bestimmung des Wissens bzw. Wissenmüssens um spezielle Indizien, die auf eine ‚verdächtige‘ Akquisition von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst und die (oftmals jüdische) Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers hindeuten, als auch bei der Determination der Kenntnis bzw. des Kennenmüssens um den nationalsozialistisch bedingten Entziehungsakt ebenso wie bei dem Wissen bzw. Wissenmüssen um die fortbestehende Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers und den fehlenden Eigentumserwerb des Veräußerers aufgrund der zivilrechtlichen Nichtigkeit des Entziehungsaktes genauestens zu untersuchen, zu welchem Zeitpunkt die Veräußerung erfolgte. Dies ist in jedem Einzelfall zu prüfen.
a)
Zeitliche Zäsur im Jahre 1943 in der Beurteilung ‚verdächtiger Umstände‘ beim Erwerb von Beutekunst
Während ein Erwerber zu Beginn des Zweiten Weltkrieges durchaus für sich in Anspruch nehmen konnte, nichts von der Unrechtmäßigkeit der kulturellen Plünderungen gewusst zu haben, änderte sich die Lage im Laufe der Zeit. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wiesen die alliierten Mächte vermehrt auf die Möglichkeit hin, dass Beschlagnahmungen widerrechtlich erfolgt waren.765 Bei rechtsvergleichender Durchsicht der (inter-)nationalen Rechtsdogmatik und Judikatur lässt sich für den Bereich der Beutekunst eindeutig erkennen, dass grundsätzlich für das Jahr 1943 eine zeitliche Zäsur vorzunehmen ist. Grund ist der Erlass der sog. Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943.
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Declaration by United Nations on Forced Dispossession of Property in Enemy-Controlled Territory (London, 5 January 1943): The Union of South Africa, the United States of America, Australia, Belgium, Canada, China, the Czechoslovak Republic, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, Greece, India, Luxemburg, the Netherlands, New Zealand, Norway, Poland, the Union of Soviet Socialist Republics, Yugoslavia and the French National Committee:
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Vgl. Reutter/Wieser, Der Handel mit der Gutgläubigkeit, Schweizer Monatshefte, Nr. 3/4 (2005), S. 29–34, S. 30.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt HEREBY ISSUE a formal warning to all concerned, and in particular to persons in neutral countries, that they intend to do their utmost to defeat the methods of dispossession practised by the Governments with which they are at war against the countries and peoples who have been so wantonly assaulted and despoiled. ACCORDINGLY the Governments making this Declaration and the French National Committee reserve all their rights to declare invalid any transfers of, or dealings with, property, rights and interests of any description whatsoever which are, or have been, situated in the territories which have come under the occupation or control, direct or indirect, of the Governments with which they are at war or which belong or have belonged, to persons, including juridical persons, resident in such territories. This warning applies whether such transfers or dealings have taken the form of open looting or plunder, or of transactions apparently legal in form, even when they purport to be voluntarily effected. The Governments making this Declaration and the French National Committee solemnly record their solidarity in this matter.
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Ein Zweck des in der Deklaration erklärten Vorbehalts, jede Übertragung von Eigentum und sonstigen Rechtspositionen für nichtig zu erklären, die in den besetzten Gebieten vorgenommen wurde, könnte der Ausschluss des Einwands der Gutgläubigkeit auf Seiten eines Erwerbers der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter gewesen sein. In den Verhandlungen, die der Londoner Erklärung vorausgingen, war dies unmissverständlich so ausgesprochen worden und die Vertreter der damals von Deutschland besetzten Staaten forderten einmündig die Rückgabe aller aus ihren Territorien verbrachten Güter, selbst wenn der Besitzer diese durch Zahlung einer Gegenleistung erworben hatte.766
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Ausschluss des redlichen Erwerbs von Beutekunst nach Erlass der Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943
Bei der Prüfung der Voraussetzungen eines bona fides-Erwerbs kriegsbedingt entzogener Kulturgüter ist aufgrund der weiten und öffentlichen Proklamation der Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 eine Zerstörung der Gutgläubigkeit individueller Einzelerwerber zu erkennen.767 Ziel der Deklaration war somit unter anderem, dass potentielle Erwerber von im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig ent766 767
Weber, Die völkerrechtlichen Restitutionen, 1949, S. 40. Nach Resolution 7 der Londoner International Law Conference konnte sinngemäß an Sachen, welche von Angehörigen einer Besatzungsmacht nach dem Recht des besetzten Staates unrechtmäßig erworben wurden, nicht gutgläubig Eigentum erworben werden. Vgl. den Originaltext, wiedergegeben bei E. Langen/E. Sauer, Die Restitution im internationalen Recht, 1949, S. 20. Damit diente auch diese Regelung den Grundsätzen materieller Gerechtigkeit, d.h. dem anerkennenswerten Schutzbedürfnis der vielzähligen Opfer von Zwangsgeschäften. Vgl. Fiedler, Die Alliierte (Londoner) Erklärung vom 5.1.1943: Inhalt, Auslegung und Rechtsnatur in der Diskussion der Nachkriegsjahre, in: Basedow/Meier/Schnyder/ Einhorn/Girsberger, Private Law in the International Arena. From National Conflict Rules Towards Harmonization and Unification, Liber Amicorum Kurt Siehr, 2000, S. 197–218.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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zogenen Kulturgütern aufgrund der Kundgabe der Londoner Erklärung sich nicht mehr leichtfertig und ungeprüft auf einen gutgläubigen Erwerb berufen konnten, ohne sich irgendwelche Gedanken über die Herkunft der Werke gemacht zu haben.768 Da mit der Deklaration in grundsätzlicher Weise auf den Umstand hingewiesen wurde, dass die alliierten Mächte sich das Recht vorbehalten, Verfügungen des nationalsozialistischen Staates selbst bei Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage als ungültig zu qualifizieren und diesen die Anerkennung zu versagen, konnte bereits zum damaligen Zeitpunkt geschlossen werden, dass die den Beschlagnahmungen zugrundeliegenden Gesetze allenfalls nicht rechtmäßig erlassen worden sind, beziehungsweise deren Rechtswirkungen nicht anerkannt werden.769 Dies wird explizit so auch von Rudolph bewertet: „Der Umstand, dass die Entziehung des zu erwerbenden Kunstwerks nichtig war und somit keinen Eigentumsübergang auf den Entzieher und späteren Veräußerer bewirken konnte, ist gleichfalls allein schon an der Tatsache der Verfolgung der Juden im besetzten Frankreich erkennbar. Erneut ist wie folgt zu differenzieren: In dem ersten Zeitabschnitt [gemeint ist die Andauer des Zweiten Weltkriegs] war die Nichtigkeit der Entziehung Kunsthändlern, Museen und Privatsammlern gleichermaßen erkennbar, und zwar bereits während der Besetzung und erst recht nach ihrer Beendigung und dem Zusammenbruch des Dritten Reichs. Von ihnen konnte zwar nicht verlangt werden, dass sie das Völkerrecht, namentlich das Recht der kriegerischen Besetzung, kennen. Wie bereits dargelegt, konnte von ihnen jedoch auch schon während der Herrschaft der Nationalsozialisten gefordert werden, dass sie sich nicht an deren rechtlichen und moralischen Ansichten, sondern an dem übergesetzlichen Recht und den überkommenen moralischen Anschauungen orientieren. Ihnen war damit erkennbar, dass es dem Deutschen Reich ebenso wie ihm angehörigen Privatpersonen verboten war Kunstwerke im Eigentum von Juden als einer wegen ihrer Rasse besonderen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzten Gruppe von Einwohnern eines während des Krieges besetzten Gebietes zu beschlagnahmen bzw. zu erwerben. Ihnen war zudem erkennbar, dass solche verbotswidrigen Beschlagnahmen und unter Zwang getätigten Erwerbungen nichtig sind. Nach dem 8. Mai 1945 war die Nichtigkeit der Beschlagnahmen und unter Zwang getätigten Erwerbungen von Kunstwerken aus jüdischem Besitz noch deutlicher erkennbar, da hierfür nunmehr außerdem die von den Alliierten sowie der deutschen Rechtsprechung und Literatur in dieser Frage vertretene Auffassung sprach. Die Ansicht der Alliierten kam bereits in ihrer Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 zum Ausdruck. In dieser haben sie sich nämlich das Recht vorbehalten, die in den von Deutschland besetzten Gebieten erfolgten Enteignungen, wozu auch unter Zwang getätigte Erwerbungen gehören, „für nichtig zu erklären“. Unter dem Gesichtspunkt ihrer Tauglichkeit als Rechtsgrundlage für die von den Alliierten durchgeführte äußere Restitution ist die mittlerweile selbst in Deutschland veröffentlichte Londoner Erklärung auch von der deutschen Rechtsprechung und Literatur besprochen worden, die ebenfalls zu der Ansicht gelangt sind, dass die Beschlagnahmen und die unter Zwang getätigten Erwerbungen in den besetzten Gebieten nichtig seien und die auf diese Weise daraus entfernten Gegenstände an ihre Herkunftsstaaten zurückgegeben werden müssten. Da ein erheblicher Teil der deutschen Bevölkerung insofern von der äußeren Restitution betroffen war, als er restitutionspflichtige Gegenstände besaß, fand 768
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Vgl. auch Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt dieses Thema überdies Eingang in die öffentliche Diskussion. Deshalb mussten gerade Kunsthändler, Museen und Privatsammler als potentielle Erwerber von in den besetzten Gebieten, vor allem im besetzten Frankreich, entzogenen Kunstwerken, über den Inhalt der Londoner Erklärung und die von der Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung informiert sein.“770
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Diese mittelbaren Rechtswirkungen der Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 wurden explizit auch seitens der Schweizer Rechtsprechung aufgegriffen und das Zivilgericht des Kantons Baselstadt urteilte am 25.7.1953, dass es schon damals „ein Gebot der Moral und nach den eindringlichen Warnungen der Alliierten … auch ein Gebot der Vorsicht [gewesen sei], von solchem Gut die Hand zu lassen. Auf Grund dieses Gebots war dem Erwerber von Fahrnis zuzumuten, allfällige Anzeichen für das Vorliegen unrechtmässiger Beute Beachtung zu schenken.“771 Danach konnte sich derjenige nicht auf den guten Glauben berufen, der von im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern zwar weder wusste noch ahnte, davon aber bei der ihm zuzumutenden Aufmerksamkeit mindestens als Möglichkeit hätte ausgehen müssen.772 „Beim Erwerb ausländischer Ware während des Krieges war man daher verpflichtet zu überprüfen, ob es sich nicht um konfiszierte Ware handelte.“ 773 Das Bekanntwerden der Unrechtsmäßigkeit der nationalsozialistisch bedingten Kulturgutverluste aufgrund der Veröffentlichung der Londoner Erklärung führte aber nicht dazu, dass jeder Erwerber zwingend als bösgläubig zu qualifizieren ist. „Vielmehr haben diese neuen Erkenntnisse zunächst lediglich Auswirkungen auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers, da dieser sich zwar auf die Vermutung seiner Gutgläubigkeit berufen kann, jedoch aufgrund des zu erhebenden Einwandes, wonach die Nichtberechtigung des nationalsozialistischen Staates oder der mit dem Verkauf betrauten Kunsthändler bekannt gewesen sei und sich somit Zweifel an der Berechtigung des Veräußerers
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Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 227–229. Urteil des Zivilgerichts des Kantons Baselstadt vom 25.7.1953. Vgl. Blocher, Zivilgericht des Kantons Baselstadt: ZGB Art. 936. Zumutbare Aufmerksamkeit beim Erwerb eines Bildes, das sich später als „Raubgut“ herausstellt, S. 55 ff., auch zitiert bei Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. „Nach der hier vertretenen Auffassung ergibt sich daher, dass ein Erwerber ab dem Jahre 1943 von der Unrechtmässigkeit der Beschlagnahmungen eher Kenntnis haben konnte, beziehungsweise die Berechtigung zur Veräusserung zumindest in Zweifel ziehen musste … . Gestützt auf diese Auffassung ist beispielsweise der Erwerb eines Kunstwerkes im Jahre 1951 insofern einer strengeren Beurteilung ausgesetzt, als dass der Erwerber mehr Informationen über die zweifelhafte Herkunft des Gegenstandes haben konnte, beziehungsweise haben musste, als ein Erwerber desselben Objektes im Jahre 1938.“ Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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ergeben hätten, die Beachtung der erforderlichen Sorgfalt und damit zusammenhängend der Einholung von Erkundigungen nachzuweisen hat.“ 774 Noch während Andauer des Zweiten Weltkrieges wurde nicht nur in den besetzten Staaten, sondern auch innerhalb Deutschlands und bspw. innerhalb der Schweiz als neutraler Staat der Öffentlichkeit das Vorgehen der nationalsozialistischen Regierung bekannt 775 und allgemein entsprechend dem Gehalt der Londoner Erklärung von der Unrechtmäßigkeit der Kulturgutverluste ausgegangen.776 So erschien schon während des Zweiten Weltkrieges bspw. in der Neuen Zürcher Zeitung eine Serie von Artikeln mit Hinweisen auf die Herkunft von solchen im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern, die seit Beginn der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft im Jahre 1933 in die Schweiz verbracht wurden. Es wird bspw. in einem Artikel von Fritz Nathan, einem aus Furcht vor dem nationalsozialistischen Unrechtsregime in die Schweiz emigrierten jüdischen Kunsthändler, vom 4. März 1944 expressis verbis dargelegt, dass die Besitzer von in der Schweiz veräußerten Kunstwerken zur Herausgabe gezwungen oder aber zuvor enteignet wurden.777 Etwas später wurde der Schweizer Bevölkerung die Unrechtmäßigkeit der kulturellen Beutenahme der nationalsozialistischen Plünderungsbehörden durch Erlass des Bundesratsbeschlusses betreffend die Klagen auf Rückgabe in kriegsbesetzten Gebieten weggenommener Vermögenswerte (sog. Raubgutbeschluss) vom 10. Dezember 1945 aufgezeigt, der eine zeitlich befristete Restitution entzogener (kultureller) Güter unabhängig von der Gutgläubigkeit anordnete und damit die Vermögensentziehungen öffentlich mit dem Verdikt der Widerrechtlichkeit belegte. „Mittels dieses Beschlusses und der gestützt darauf erlassenen Urteile wie auch in der Londoner Erklärung wurde die Unrechtmässigkeit der Beschlagnahmungen durch die nationalsozialistische Regierung festgestellt und musste diese Kenntnis dazu führen, dass auch die Rechtmässigkeit der vor Beginn des Zweiten Weltkrieges erfolgten Beschlag774
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Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Vgl. die Sensibilisierung der schweizerischen Bundesbehörden ab 1943 anhand der bei: Schweizerisches Bundesarchiv, Fluchtgelder, Raubgut und nachrichtenlose Vermögen – Wissensstand und Forschungsperspektiven; Publikation zur Tagung im Schweizerischen Bundesarchiv Bern, 25. Februar 1997, S. 14 ff. angeführten Briefwechsel, der Radio- und Pressemeldungen auf S. 22–23, sowie des Briefs des Verbandes schweizerischer Antiquare und Kunsthändler vom 10.9.1945 an das Eidgenössische Departement für Innere Angelegenheiten auf S. 72. Vgl. hierzu Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Vgl. dazu Frehner, „Das wird toll und immer toller“ – Der größte Kunstraub der Geschichte, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen, Hintergründe, 1998, S. 79. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
nahmungen zumindest in Zweifel gezogen wurde. Hinzu kommt, dass gestützt auf diesen Beschluss zahlreiche Verfahren vor der Raubgutkammer des Bundesgerichts stattgefunden haben, von denen die Öffentlichkeit, und vor allem eine im Kunsthandel tätige Person Kenntnis hatte.“ 778
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Applikation der zeitlichen Zäsur in den Schweizer Raubgutbeschlüssen
Die Frage nach dem Stand des Wissens über die Vorgänge in den besetzten Gebieten und insbesondere über die Beschlagnahme von jüdischen Kunstsammlungen und anderen Kulturgütern wurde vom Schweizer Bundesgericht eng mit derjenigen nach dem bösen bzw. guten Glauben gekoppelt und war Mittelpunkt der Regressprozesse der Nachkriegszeit.779 Hatten die Besitzer von Raubgut nach Art. 1 bis 3 des Raubgutbeschlusses vom 10. Dezember 1945 eine unbedingte Rückgabeverpflichtung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter an die rückgabeberechtigten Alteigentümer, war in einem zweiten Schritt zu fragen, ob sie einen Entschädigungsanspruch gegen ihre Verkäufer oder gegen die Eidgenossenschaft geltend machen konnten.780 Erst an dieser Stelle – die Rückgabeverpflichtung entstand aufgrund der alleinigen Fokussierung auf den Anspruchsberechtigten und den Entziehungstatbestand unabhängig von der Redlichkeit rückgabeverpflichteter Personen – stützte sich der Schweizer Raubgutbeschluss auf das Kriterium des gutgläubigen Erwerbs. Der gutgläubige rückgabeverpflichtete Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter hatte nach Art. 4 des Bundesratsbeschlusses vom 10. Dezember 1945 einen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises gegen den Verkäufer, der selbst bei entsprechender Gutgläubigkeit wiederum Rückgriff auf seinen Verkäufer bzw. die Eidgenossenschaft nehmen konnte.781 In diesen Raubgutprozessen wurde seitens der Schweizer Raubgutkammer die zeitliche Zäsur zu Beginn des Jahres 1943 übernommen und bspw. im Entscheid Bührle gegen Fischer 782 ausdrücklich bestimmt, dass die 778
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Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 409–410. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 374–376. Entscheid der Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen vom 5. Juli 1951 i.S. Emil Bührle gegen Theodor Fischer, Kommanditgesellschaft Galerie Fischer und Schweizerische Eidgenossenschaft (R 3/III, 5/A, 10/B, 16bis). Vgl. zu diesem Entscheid Kreis, Die Schweiz und der Kunsthandel 1939–1945, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen, Hintergründe, 1998, S. 129 ff.; Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 136 ff.; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 203 ff.; Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001,
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Unrechtmäßigkeit der nationalsozialistischen Beschlagnahmungen bis Ende des Jahres 1942 selbst in Frankreich nicht allgemein bekannt war und infolgedessen der Erwerber gutgläubig von der Berechtigung des Veräußerers habe ausgehen dürfen.783 Für diese Annahme sprachen auch die beiden vernommenen fachkundigen Franzosen Jean Mazard und Michel Martin, die während des Zweiten Weltkrieges in Paris wohnten und sich berufsbedingt in der französischen Kunstszene auskannten. In ihren Aussagen wurde deutlich, dass erst Ende des Jahres 1942 oder erst zu Beginn des Jahres 1943 Quantität und Qualität der Entziehungstatbestände gegenüber der jüdischen Bevölkerung der Pariser Öffentlichkeit bekannt wurden und sogar die offiziellen französischen Stellen erst im Laufe des Jahres 1942 über die tatsächlichen Vorkommnisse orientiert worden waren.784 „Mazard und Martin erklären übereinstimmend, dass man noch 1941/42 von Beschlagnahmungen und Verkäufen jüdischen Kunstbesitzes durch Deutsche in der Pariser Öffentlichkeit nichts gewusst, sondern diese Praktiken erst gegen Ende 1942 oder zu Anfang 1943 mit Gewissheit erkannt habe; dass bezügliche Anordnungen erst im Laufe des Jahres 1942 ergangen und notifiziert worden seien, und dass selbst die französischen Dienststellen zuvor weder offiziell noch offiziös davon gehört hätten.“ 785
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Diese Einschätzungen wurden seitens der Raubgutkammer als Bestätigung der Annahme betrachtet, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass ein in Zürich wohnhafter Privatsammler zur Zeit der Vertragsverhandlungen und der Vertragsabschlüsse Ende des Jahres 1941 und im Jahr 1942 über die wirklichen Umstände nicht genauer Bescheid wusste oder hätte wissen müssen als die erwähnten französischen Stellen.786 Der Vorwurf, Bührle habe die französische Herkunft und die Wegnahmen jüdischer Kunstwerke ignoriert, wurde seitens des Gerichtes als entkräftet angesehen. Hinzu käme, dass es nicht erwiesen sei, dass der sich auf seine Gutgläubigkeit berufende Erwerber Bührle um den Raubgutcharakter
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S. 401 ff. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256 Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 52–55; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Entscheid der Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen vom 5. Juli 1951 i.S. Emil Bührle gegen Theodor Fischer, Kommanditgesellschaft Galerie Fischer und Schweizerische Eidgenossenschaft (R 3/III, 5/A, 10/B, 16bis). Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
der Werke gewusst hatte oder hätte wissen müssen, wie es Art. 3 Abs. 2 des Schweizer ZGB für die Annahme der Bösgläubigkeit verlangt.787 Bührle wurde bei dem Erwerb der restituierten Gemälde weder vom Verkäufer noch von anderen Personen über die jüdische Herkunft und den Raubgutcharakter informiert, „noch hätten die Umstände der Käufe bei einem im In- und Ausland bekannten und geschätzten Kunsthändler nahegelegt, die Normalität und Legalität in Frage zu stellen.“ 788 Selbst Museen hätten sich zu dieser Zeit an solvente und ehrbare Verkäufer gewandt, ohne nähere Abklärungen über die Legalität deren Inbesitznahme zu treffen. „Zudem seien die Werke auf dem Weg der (öffentlichen) Versteigerung in den Besitz von Bührle gelangt, was die Hypothese einer zweifelhaften Herkunft ausschliesse. Weiter seien die von Bührle bezahlten Kaufpreise so hoch gewesen, dass diese ihn ebenfalls nicht vor der illegalen Herkunft hätten warnen müssen.“789 Dieses aber zu Beginn des Jahres 1943 in der Öffentlichkeit gebildete Bewusstsein über die Risiken eines Erwerbes von Kunstwerken irregulärer Herkunft wurde wohl auch stark durch die von den Alliierten innerhalb der Schweiz und anderer Staaten verbreitete Meldung gefördert, dass große Verschiebungen gestohlener Kunstwerke aus Deutschland in die Schweiz festgestellt werden könnten und dabei die Schweizer Galerie Fischer und der deutsche Kunsthändler Hans Wendland maßgeblich beteiligt seien.790 435
„Gesamthaft genommen ergibt sich, dass individuelles Wissensollen oder Wissenkönnen in bezug auf den Raubgutcharakter der bei Fischer gekauften Bilder dem Kläger nicht nachgewiesen ist, und dass ein Zeitpunkt, in welchem die Beschlagnahmung und Verschiebung jüdischen Kunstbesitzes durch deutsche Stellen allgemein bekannt wurde, sich mindestens vor Erlass der Londoner Deklaration vom Januar 1943 auch nicht mit annähernder Sicherheit festlegen lässt. Kein bestimmter Anhalt erlaubt die Annahme, dass die Plünderungen sofort nach der Besetzung fremder Länder durch die Deutschen in grossem Stile begannen, und noch viel weniger dass sie alsbald publik wurden.“ 791
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„Ein weiteres Argument für die Gutgläubigkeit von Bührle sieht die Raubgutkammer in der Eigenschaft des betroffenen Rosenberg als Kunsthändler. Danach könne auch durch eine Konsultation von Katalogen und Kunstzeitschriften nicht mit Gewissheit ein zwischenzeitlicher (rechtmässiger) Besitzwechsel der Kunstwerke ausgeschlossen werden. Dieser Schluss lege auch der nach der Rückgabe erneute Verkauf des Bildes von Corot „Femme au corsage rouge“ nahe.“ Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Diese Erkenntnis stand auch den schweizerischen Bundesbehörden zur Verfügung, vgl. die Aktennotiz (C.2.10094/ He) vom 3.2.1945, abgedruckt bei Schweizerisches Bundesarchiv, Fluchtgelder, Raubgut und nachrichtenlose Vermögen – Wissensstand und Forschungsperspektiven; Publikation zur Tagung im Schweizerischen Bundesarchiv Bern, 25. Februar 1997, 1997, S. 32 und S. 34, zitiert bei Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Archiv Bundesgericht, R 3, Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen, Sitzung vom 5.7.1951, Emil Bührle gg. Theodor Fischer und Kommanditgesellschaft Galerie Fischer und
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
Auch wenn dieses Urteil nach heutigen Erkenntnissen wohl hinsichtlich der Gutgläubigkeit Fischers als verfehlt zu bezeichnen ist – es konnte inzwischen eindeutig nachgewiesen werden, dass Fischer ausdrücklich über die jüdische Provenienz der Gemälde und die nationalsozialistischen Entziehungsmethoden informiert worden war –, gelten die Grundsätze jedoch im Allgemeinen und nur wenn ausdrückliche Kenntnis nachgewiesen werden kann, sollte von der Annahme der Bösgläubigkeit schon vor Beginn des Jahres 1943 ausgegangen werden. Auch in der Raubgutsache Neupert gegen die Eidgenossenschaft ging es um die Regresszahlung an den restitutionspflichtigen gutgläubigen Erwerber. Hier betonte die Raubgutkammer explizit, dass ein Geschäft mit einem deutschen Partner nicht von vornherein anfechtbar sein müsse und es auf die konkreten Umstände ankomme. Unmittelbar folgend betonte jedoch das Bundesgericht die Einschränkung, dass sich aus der Londoner Deklaration genügender Grund zur Zurückhaltung ergäbe und im eigenen Interesse des Erwerbers daher entweder der Verzicht auf den Handel oder eine Untersuchung der Verhältnisse geboten wäre.792 Nach der festgestellten Praxis in den Raubgutprozessen des Bundesgerichtes konnten Schweizer Händler und Käufer jedoch grundsätzlich mit Recht behaupten, bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Londoner Deklaration nichts von den deutschen Plünderungen in Frankreich gewusst zu haben. Erst ab Januar 1943 musste eine erhöhte Sorgfaltspflicht angewendet werden.793
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Bestätigung der zeitlichen Zäsur des Jahres 1943 vor ordentlichen Gerichten
Die Möglichkeit, vor der Raubgutkammer eine Klage zu erheben, bestand bis zum 31. Dezember 1947. Auch wenn später eingereichte Restitutionsbegehren wieder vor den ordentlichen schweizerischen Gerichten im ‚normalen‘ zivilrechtlichen Verfahren und aufgrund des allgemein geltenden Privatrechts behandelt wurden, hat die Praxis der Raubgutkammer, welche den guten Glauben aller Beklagten anerkannt hatte, aller Wahrscheinlichkeit nach den Verlauf der späteren zivilrechtlichen Prozesse vorgezeichnet,794 da in den folgenden Restitutionsprozessen keinem Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ein böser Glaube beim Erwerb nachgewiesen werden konnte und die notwendige Voraussetzung
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Schweizerische Eidgenossenschaft, S. 28, zitiert bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 409–410. Vgl. Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 135–139. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 409–410. So auch Siehr, Rechtsfragen zum Handel mit geraubten Kulturgütern in den Jahren 1933– 1950, in: Thürer/Haldemann, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und das Recht: Band II: Privatrecht, Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, 2001, S. 125–203, S. 181.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
für eine Restitution nach den allgemeinen Schweizer Zivilrechtsregeln somit nicht gegeben war.795 In einer ganzen Reihe von Restitutionsprozessen wurde den Erwerbern Gutgläubigkeit bei der Akquisition bescheinigt. 438
In der in den Jahren 1951 und 1952 verhandelten Rechtssache Galerie Wildenstein gegen Kunstmuseum Bern ging es um die Restitution des Gemäldes ‚Le réveil‘ oder auch genannt ‚Das Erwachen‘ von Gustave Courbet, das ursprünglich aus der Galerie Wildenstein stammte, deren ‚arischer‘ Geschäftsführer Roger Dequoy es dem nationalsozialistischen Kunsthändler und Hitlerlieferanten Karl Haberstock zum Verkauf an die Galerie Fischer übergeben hatte.796 Der genaue Hintergrund war folgender: „Die Galerie Wildenstein war wie zahlreiche andere Galerien geplündert und «arisiert» worden. Es war der Familie jedoch gelungen, sechs Kisten Bilder und andere Kulturgüter nach Bordeaux zu verbringen. Als sie dort vom deutschen Zugriff bedroht waren, gelang es dank der Vermittlung von Haberstock, drei Kisten nach Paris zurückzubringen, wo Dequoy sie für Wildenstein in Sicherheit brachte. Haberstock forderte für diesen «Handel» drei Bilder, deren Preis er selber bestimmte. … Es handelte sich folglich um eine Art Lösegeld zur Rettung von Kulturgütern. Der Zwang zur Herausgabe von drei bestimmten Bildern, darunter einem Courbet, der sich in der Schweiz gut verkaufen liess, ist das Kernelement des Falles. Wildenstein und Dequoy befanden sich in einer Notlage, die Haberstock ausnutzte.“ 797 Im Dezember 1941 erwarb das Kunstmuseum Bern von dem Schweizer Kunsthändler Willi Raeber aus Basel das Gemälde für 38.000 Franken, der es seinerseits kurz zuvor von der Galerie Fischer für 21.000 Franken erworben hatte (damit hatte das Gemälde innerhalb weniger Tage eine Preissteigerung von 80 % erfahren). Wildenstein begründete seine am 3. April 1951 vor dem Berner Amtsgericht eingereichte Klage gegen das Kunstmuseum Bern damit, dass das Gemälde nicht freiwillig verkauft worden sei und dass deshalb „das Bild nicht auf rechtmässige Weise in den Handel gelangte, was dem Beklagten bei sorgfältiger Prüfung hätte bekannt sein müssen“. Dies müsse vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass sowohl der Kaufpreis deutlich unter dem dama-
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So auch die Einschätzung bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 415–416. Vgl. ausführlich hierzu Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 416–418; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159; Kreis, Die Schweiz und der Kunsthandel 1939–1945, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen, Hintergründe, 1998, S. 132–133; Siehr, Rechtsfragen zum Handel mit geraubten Kulturgütern in den Jahren 1933–1950, in: Thürer/Haldemann, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und das Recht: Band II: Privatrecht, Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, 2001, S. 125–203, S. 181. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 416–418.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
ligen Marktwert des Gemäldes gelegen habe und Haberstock zudem nicht als privater Kunsthändler in Paris aufgetreten sei. „Da im Jahre 1941 die deutsche Rassengesetzgebung und ihre Auswirkungen auf das jüdische Privateigentum in Deutschland und in den besetzten Ländern allgemein bekannt gewesen seien, habe die Beklagte mit einer Spoliation rechnen müssen und könne daher nicht den Schutz des gutgläubigen Besitzers beanspruchen.“ 798 Das auf Restitution beklagte Kunstmuseum Bern hielt nicht nur den Preis für angemessen, sondern nahm auch auf den „international bekannten und sehr angesehenen deutschen Kunsthändler Haberstock“ Bezug, der bereits seit längerer Zeit in geschäftlichem Kontakt mit Wildenstein und Fischer gestanden habe. „Im übrigen habe man im Jahre 1941 noch keine Ahnung davon gehabt, dass die Deutschen französische Kunstschätze raubten; erst 1943 sei dies bekannt geworden.“799 Am 29. April entschied der Appellationshof des Kantons Bern, dass das Kunstmuseum Bern den Courbet gutgläubig erworben habe. Weil Wildensteins Galerie im Rufe stand, von sich aus selbst mit Okkupanten gehandelt zu haben, und auf der anderen Seite Gutgläubigkeit nachgewiesen werden konnte, beurteilte das Berner Appellationsgericht 1952 den Kauf für rechtens. Glaubwürdigkeit wurde zugebilligt, sofern der Handel nicht später als im Jahr 1941 abgewickelt worden war. Zudem sei es im Kunsthandel unüblich, dem Erwerber die Herkunft bzw. den früheren Besitzer zu nennen. Im Ergebnis musste somit das Gemälde nicht herausgegeben werden und befindet sich noch heute im Kunstmuseum Bern.800 „Das Gericht hielt zwar fest, dass nicht nach den Grundsätzen der Raub gutgesetzgebung geurteilt werden sollte, und versuchte somit, die Bundesgerichtsurteile nicht als Präzedenzfälle geltend zu machen. Dies misslang jedoch, da trotzdem auf das Urteil des Bundesgerichts vom 5. Juli 1951 zugunsten Bührles verwiesen wurde. Wenn Fischer, der Ersterwerber in der Schweiz, als gutgläubig galt, konnte das Kunstmuseum nicht zur Herausgabe des Bildes verurteilt werden. Im folgenden wurde darauf verzichtet, die vorangehenden Erwerber, also Raeber, Fischer und Haberstock, einer eingehenden Analyse zu unterziehen, womit der Präzedenzcharakter des Regressurteils in Sachen Gutgläubigkeit Fischers offensichtlich wird.“ 801 798
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Eingabe der Klägerseite, zitiert bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 416–418. Eingabe der Beklagtenseite, zitiert bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 416–418. Vgl. ausführlich hierzu Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 416–418; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159; Kreis, Die Schweiz und der Kunsthandel 1939–1945, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen, Hintergründe, 1998, S. 132–133. So Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 418–420.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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Auch die beiden weiteren bei Francini, Heuss und Kreis beschriebenen Restitutionsprozesse unrechtmäßig entzogener Kulturgüter außerhalb des Anwendungsbereichs des Raubgutbeschlusses vom 10. Dezember 1945 bestätigten die Gutgläubigkeit Schweizer Erwerber und eine zeitliche Zäsur bei der Frage des Wissenmüssens von im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern. Auch innerhalb der Rechtssache Raoul Meyer gegen Christoph Bernoulli des Jahres 1953 war die Gutgläubigkeit entscheidend für die Restitution des Gemäldes ‚Frau auf dem Weg zur Arbeit‘ von Pissarro, das aus dem Bestand der französischen Raoul Meyers Sammlung bereits vor dem 11. Februar 1941 vom deutschen Devisenschutzkommando auf französischem Territorium beschlagnahmt, dem nationalsozialistischen Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) übergeben und damit unrechtmäßig entzogen wurde.802 Zur Verteidigung berief sich der Beklagte darauf, dass der Kläger den Beweis des bösen Glaubens erbringen musste und der Erwerber keine besondere Vorsicht habe walten lassen müssen. Das Zivilgericht Basel-Stadt erkundigte sich vor Erlass des Urteils bei der Schweizerischen Verrechnungsstelle (SVSt), ob Bernoulli sich in den Jahren 1945 und 1946 nach der Provenienz des Pissarros erkundigt habe und ob das Gemälde damals überhaupt auf einer Raubgutliste aufgeführt gewesen sei. „Die SVSt antwortete postwendend: Im März 1947 habe das Eidgenössische Politische Departement (EPD) zwar eine Liste der noch nicht restituierten Werke erhalten, auf welcher auch der Pissarro abgebildet gewesen sei. Doch habe man nicht feststellen können, ob sich Bernoulli bei der SVSt erkundigt hatte. Die SVSt fügte jedoch hinzu, dass auch sie 1945 oder 1946 nicht gewusst habe, dass das Bild auf einer Raubgutliste figurierte.“ 803 Im Ergebnis wurde auch hier die Klage abgewiesen, weil zum Zeitpunkt der Akquisition der Erwerber noch nicht von dem Beutegutcharakter des Gemäldes wissen konnte bzw. musste.
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Auch innerhalb der Rechtssache Galerie Bernheim-Jeune gegen das Kunstmuseum Basel aus dem Jahre 1957 hinsichtlich der Restitution des Gemäldes ‚Nature
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„Raoul Meyers Sammlung wurde vom Devisenschutzkommando zu einem unbekannten Zeitpunkt, jedoch vor dem 11. Februar 1941, beschlagnahmt. 13 Objekte wurden dem ERR iibergeben. Elf davon waren zum Verkauf oder Tausch vorgesehen. Ein Gemälde von Pissarro, ‚Frau auf dem Weg zur Arbeit‘, wurde am 23. Februar 1942 Gustav Rochlitz übergeben, dem es angeblich auf dem Weg von Paris nach Baden-Baden abhanden gekommen war. Vermutlich hatte Rochlitz einen Diebstahl vorgetäuscht, um das Bild selber in der Schweiz absetzen zu können. Dieses Bild kam für eine kurze Zeit in den Besitz von Christoph Bernoulli in Basel, der es über die Vermittlerin Frau Bondanini dem Genfer André Maus übergab. Dort wurde es eingeklagt, weshalb Maus auf Bondanini zurückgriff, diese wiederum auf Bernoulli.“ Vgl. hierzu und zum folgenden Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 418–420. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 418–420.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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morte au bouquet de fleurs‘ (oder ‚La Vénus de Cyrène‘) von Pierre Bonnard wurde die Gutgläubigkeit des Erwerbers bei der Akquisition des aus dem Privatbestand der Galerie nationalsozialistisch bedingt entzogenen Gemäldes vor dem Schweizer Zivilgericht bejaht und eine Restitution aus diesem Grund ausgeschlossen.804 Das Kunstmuseum Basel hatte das Gemälde als Legat der EstherMengold-Stiftung erhalten, die das Kunstwerk im Jahre 1955 in der Galerie Ernst Beyeler erworben hatte. Beyeler wiederum erklärte, er habe das Gemälde im Jahre 1955 von einem Privatmann in der Schweiz erworben, „welcher dieses seinerzeit von einem Pariser Sammler ordnungsgemäss gekauft hatte“. „Mehr“, so Beyeler weiter, wisse „der Vorbesitzer darüber auch nicht, als dass ihm der französische Besitzer seinerzeit mitgeteilt hat, dass das Bild während des Krieges von Bernheim verkauft worden sei. Es ist bekannt, dass die Galerie während des Krieges verschiedene Bilder an befreundete Galerien und Sammler verkauft hatte.“ 805 Das Eidgenössische Politische Departement (EPD) fügte dem hinzu, dass das Vorgehen der Galerie Bernheim fragwürdig erscheine, weil diese „während des Krieges mehrere bekannte Bilder, die heute ebenfalls in andern Händen sind, gerade um einer Wegnahme zuvorzukommen, an ihr bekannte Erwerber verkauft“ habe und „versuche es nun heute – wohl weil der Wert jener Bilder weiter gestiegen ist – zurückzugewinnen. In andern derartigen Fällen sei sie aber bereits vor den Gerichten unterlegen.“ 806 Im Ergebnis wurde auch hier von der Gutgläubigkeit des Erwerbers ausgegangen und eine Restitution verwehrt. Eine weitergehende Recherche zu den Ereignissen auf dem Kunstmarkt Paris sowie zu den Hintergründen der Erwerbungen wurde seitens der Zivilgerichte nicht angestellt. In jüngster Zeit sind jedoch zu damaliger Zeit erworbene Kunstwerke aufgetaucht, die während der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft aus verschiedenen Gründen abhandengekommen waren und in der Folge Gegenstand von Rückgabeansprüchen außerhalb der Gerichte wurden. So befand sich im Rektorat der Universität Zürich bspw. das Gemälde ‚Waldinneres bei Reichenbach‘ von Ferdinand Hodler, das im Jahre 1945 in Berlin in einem Bankdepot der Familie Newman abhandengekommen war und 1955 vom Kanton Zürich gutgläubig erworben wurde. Der Kanton Zürich beruft sich gegenüber der Rückgabeforderung jedoch auf seinen gutgläubigen Erwerb und lehnt eine Restitution ab. Dagegen hatte in einem etwas anders gelagerten Fall das Bündner
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Vgl. ausführlich zu den Sachverhaltsangaben Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 421–423. Zitierung wiedergegeben bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 421–423. Zitierung wiedergegeben bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 421–423.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Kunstmuseum das Gemälde ‚Nähschule im Waisenhaus‘ von Max Liebermann den Erben der Familie Silberberg restituiert. Die Familie Silberberg musste das Gemälde im Jahre 1936 zwangsweise verkaufen. Später wurde es von einem Kunsthändler in St. Gallen an eine Züricher Familie veräußert, die es 1992 dem Bündner Kunstmuseum vermachte.
b)
Kenntnis bzw. Kennenmüssen um den kulturellen Fluchtgutcharakter
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Unter die Terminologie der Raubkunst der sog. ersten Phase fallen bekanntlich die formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen der verfolgten, meist jüdischen Personengruppen unter dem individuellen oder kollektiven Zwang indirekter diskriminierender Einflussnahme des nationalsozialistischen Staates zur Sicherung ihrer Existenz und Lebensgrundlage sowie zur Vorbereitung und Ermöglichung einer Emigration. Wie bereits ausführlich festgestellt, stellt das Verdikt der Ungerechtigkeit in dieser ersten Entziehungsphase jüdischer Kunstsammlungen die nur scheinbar ‚freiwillig‘ durchgeführten Veräußerungen kultureller Güter dar, während es ohne die diskriminierende Gesamtlebenssituation verfolgter, meist jüdischer Bevölkerungsteile während des Dritten Reiches regelmäßig nicht zu einer Verwertung kultureller Sammlungsbestände gekommen wäre. Auch wenn – im Gegensatz zu den direkten Zwangsmaßnahmen der Verstaatlichung kultureller Güter aus dem Eigentum und Besitz verfolgter Personengruppen in der sog. zweiten Phase der Raubkunst (dem sog. kulturellen Fluchtgut) – hier nur eine indirekte und mittelbare Zwangslage durch das nationalsozialistische Regime geschaffen wurde, war der jüdische Teil der Bevölkerung tatsächlich auch bei den in der ersten Phase erfolgten Veräußerungen zumindest aus finanziellen und psychischen Gründen ‚unfrei‘ (nur scheinbar ‚freiwillig‘ durchgeführte Veräußerungen kultureller Güter). Es wurde nachgewiesen, dass auch bei der Veräußerung kulturellen Fluchtguts regelmäßig von einer unfreiwilligen Veräußerung ausgegangen werden musste, da aufgrund der diskriminierenden Behandlung des jüdischen Teils der Bevölkerung sämtliche Sicherungen der Lebensgrundlage weggefallen waren und die jüdischen Kunstwerke auf sog. Judenauktionen veräußert wurden, um entweder eine notdürftige Versorgung der verfolgten Familien zum Überleben zu sichern oder eine Emigration aus Deutschland vorzubereiten, um dem drohenden Tod und der ‚physischen Vernichtung‘ in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern zu entgehen.
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Innerhalb dieser sog. Judenauktionen hatten die Versteigerer nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Versteigerergewerbe vom 30. Oktober 1934 807 in ihren Auktionskatalogen die zu veräußernden Gegenstände ihrem Eigentümer zuzuordnen, wobei sie auf Verlangen der Auftraggeber statt deren Namen „ein Deckwort oder einen Buchstaben“
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RGBl. I, S. 1091.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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angeben konnten.808 Durch § 2 der Verordnung gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe vom 22. April 1938 809 wurden die Versteigerer dann dazu angehalten die jüdischen Einlieferer durch einen Asterix (*) oder ein „J“ zu kennzeichnen.810 Bei einem Erwerb solchermaßen unrechtmäßig abhandengekommenen kulturellen Fluchtguts ist somit die jüdische Provenienz des Kunstwerks als auch die Gesamtlebenssituation der jüdischen Bevölkerung, die schließlich zwangsläufig zu der Verwertung auf einer Judenauktion führte, sowohl für den professionell im Kunsthandel beteiligten als auch privaten Ersteigerer zur Zeit des Nationalsozialismus ohne Zweifel erkennbar gewesen. Wurde ein Kulturgut während der nationalsozialistischen Herrschaft in einer Judenauktion versteigert, musste der damalige Erwerber weitere Nachforschungen über die Hintergründe der Versteigerung vornehmen, um dem notwendigen Sorgfaltsmaßstab eines gutgläubigen Erwerbers Genüge zu tun.811 Fraglich ist jedoch, ob den Erwerbern solch kulturellen Fluchtguts die zivilrechtliche Nichtigkeit der Veräußerung auf einer der zahlreichen Judenauktionen während der Zeit des Nationalsozialismus bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Rudolph ist diesbezüglich der Meinung, dass der Umstand, dass die Veräußerung des auf einer Judenauktion zu erwerbenden Kunstwerks nichtig und somit das Eigentum daran nicht auf den Entzieher und späteren Veräußerer übergegangen war, schon allein „an der Tatsache der nationalsozialistischen Judenverfolgung erkennbar“ 812 war:
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„Der Boykott am 1. April 1933 und die wenige Tage später in Kraft getretenen Gesetze zur Ausschaltung der jüdischen Beamten und Rechtsanwälte haben sichtbar gemacht, dass die Nationalsozialisten von Beginn ihrer Herrschaft an das Ziel verfolgt haben, die jüdische von der übrigen Bevölkerung Deutschlands abzusondern und in rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht schlechter zu stellen. Selbst in den Jahren 1933 bis 1945 konnte dies nicht als gegen die Nichtigkeit der Entziehungen sprechend gedeutet werden. Es wäre zu kurz gegriffen gewesen, allein darauf abzustellen, dass die Judenverfolgung offizielle Staatspolitik war und der Erwerb von Kunstwerken aus jüdischen Sammlungen durch Kunsthändler, Museen und Privatsammler ebenso wie deren Verfall an das Deutsche Reich diese Politik unterstützt haben. Berücksichtigt werden mussten vielmehr auch das übergesetzliche Recht und die überkommenen moralischen Anschauungen, die nicht durch diejenigen des nationalsozialistischen Staates ersetzt worden sind. Die eine Schlechterstellung der Juden fordernden Anschauungen des
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Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 208–211. RGBl. I, S. 404. Vgl. ausführlich hierzu Heuss, Die Venichtung jüdischer Sammlungen in Berlin, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen, Hintergründe, 1998, S. 98; Heuss, Die Reichskulturkammer und die Steuerung des Kunsthandels im Dritten Reich, Sediment 1998, Heft 3, S. 49 ff., S. 50. Vgl. auch die ähnlichen Erwägungen bei Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 208–211. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 218–222.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt Staates haben sich nämlich nicht im gesamten deutschen Volk durchsetzen können. Der nicht von der antisemitischen Propaganda verhetzte Teil der deutschen Bevölkerung hat sich vielmehr weiterhin an den hergebrachten moralischen Anschauungen orientiert und die Ansicht vertreten, dass Kunstwerke, die von ihren jüdischen Eigentümern ohne die Notlage, in der sie sich aufgrund der Verfolgungsmaßnahmen befunden haben, nicht veräußert worden wären, nicht erworben werden sollten, wenn damit nicht zugleich in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg die Interessen der Veräußerer wahrgenommen würden. Kunsthändlern, Museen und Privatsammlern war daher erkennbar, dass der Erwerb eines Kunstwerks aus einer jüdischen Sammlung in der Regel gegen die guten Sitten verstößt und somit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist.
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Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs war die Nichtigkeit der Entziehung noch deutlicher erkennbar, da nunmehr nicht nur die Judenverfolgung an sich, sondern auch ihre Bewertung durch die deutsche Rechtsprechung und Literatur sowie die alliierten Gesetzgeber dafür sprachen. Nach der in Rechtsprechung und Literatur der Nachkriegszeit vertretenen Ansicht ist die Entziehung jüdischen Vermögens … durch Rechtsgeschäft … nichtig und konnte somit keinen Übergang des Eigentums an den entzogenen Vermögensgegenständen auf den jeweiligen Erwerber oder das Deutsche Reich bewirken. Die von den westlichen Alliierten in Kraft gesetzten Rückerstattungsgesetze begründen einen Anspruch auf Restitution von entzogenen Vermögensgegenständen und zeigen damit, dass sie die Entziehungen als nichtig und keine rechtlichen Wirkungen entfaltend ansehen. Diese rechtliche Bewertung der Entziehung jüdischen Vermögens war Kunsthändlern, Museen und Privatsammlern erkennbar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob von ihnen verlangt werden konnte, dass sie die einschlägigen Urteile, Aufsätze und Gesetze studieren. Denn diese Bewertung war insbesondere in Gestalt der Regelungen der alliierten Rückerstattungsgesetze lange Zeit Gegenstand der öffentlichen Diskussion und musste daher auch und gerade von Kunsthändlern, Museen und Privatsammlern als möglichen Erwerbern von aus jüdischen Sammlungen entzogenen Kunstwerken wahrgenommen werden.“ 813
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Es ist jedoch kritisch zu hinterfragen, ob bei einem Zweiterwerb auf einer sog. Judenauktion bei einer Veräußerung im eigenen Namen aber in fremder Rechnung durch das Auktionshaus oder einem Dritterwerb bei einer Veräußerung durch eine Person, die das kulturelle Fluchtgut ihrerseits auf einer Judenauktion (direkt von dem jüdischen Veräußerer) erworben hatte, ein Erwerber tatsächlich kein Eigentum erlangen sollte. Es ist tatsächlich davon auszugehen, dass zur Zeit des Nationalsozialismus ein Erwerber von sog. kulturellem Fluchtgut von der jüdischen Eigentumsposition des Kulturguts aufgrund des Versteigerungsvermerks zumindest wissen und auch die judenfeindlichen Umstände seit Beginn des Nationalsozialismus kannte bzw. kennen musste, die schließlich auch zu der Veräußerung führten. Jedoch scheint nur schwer begründbar, dass der Erwerber auch positiv von der Sittenwidrigkeit einer Veräußerung kulturellen Fluchtguts nach § 138 BGB wusste oder zumindest hätte wissen können. Für die Annahme der Bösgläubigkeit ist dem Erwerber bekanntermaßen nicht nur Kenntnis bzw. Kennenmüssen erstens von der Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers vor dem kulturellen Verlust und zweitens von dem tatsächlichen Kulturgutverlust 813
Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 218–222.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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nachzuweisen, sondern der Erwerber muss drittens weitergehend auch Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis darüber besitzen, dass der Kulturgutverlust keinen Eigentumsverlust des ursprünglichen Eigentümers und damit keinen Eigentumserwerb des Veräußerers zur Folge hatte. Somit geht es nicht nur um eine rein tatsächliche Faktenkenntnis auf Seiten des Erwerbers: Dieser hat vielmehr bei dem Wissen bzw. Wissenmüssen über die Tatsache, dass der formal ‚freiwillige‘ Kulturgutverlust bei der Veräußerung kulturellen Fluchtguts keinen Eigentumsverlust des ursprünglichen und damit keinen Eigentumserwerb des Veräußerers zur Folge hatte, eine rechtliche Wertung und Kenntnis bzw. Kennenmüssen bestimmter Rechtsfolgen nachzuzeichnen. Für die genannten Situationen muss in der Regel davon ausgegangen werden, dass bei einer Veräußerung von solch ‚freiwillig‘ eingeliefertem kulturellem Fluchtgut während Andauer der nationalsozialistischen Herrschaft sowohl eine professionell am Kunsthandel beteiligte Person (ein Museum, der Kunsthandel, eine Galerie bzw. ein Auktionshaus) als auch ein Privatmann nur bei Vorliegen besonderer Umstände im Ausnahmefall die rechtliche Wertung hätte nachzeichnen können, dass die Veräußerung mit dem Makel der Sittenwidrigkeit behaftet war und deshalb kein Eigentum übergehen konnte. In der Regel mussten die Erwerber während dieser Zeit darauf vertrauen können, dass die – ohne direkte Zwangseinwirkung – erfolgte Veräußerung kultureller Wertgegenstände auf einer Judenauktion nicht mit dem Makel der Sittenwidrigkeit behaftet und ein Eigentumstransfer erfolgt war. Waren die im Einzelfall vorliegenden Gründe nicht ersichtlich, musste nicht generell davon ausgegangen werden, dass Sittenwidrigkeit vorlag. Da diese Entscheidung jedoch sehr von den konkreten persönlichen und sachlichen Empfindlichkeiten abhängt, ist eine abweichende Beurteilung in Einzelfällen jedoch durchaus möglich: Nur dann, wenn der Erwerber im konkreten Fall darüber Bescheid wusste, dass eine für die Nichtigkeit vorauszusetzende Notlage des verfolgten (jüdischen) Einlieferers vorlag, d.h. die Veräußerung unmittelbar dem Überleben bzw. der Vorbereitung einer Flucht oder Emigration aus Deutschland als Schutz vor Deportation und Ermordung diente und eine Veräußerung des Kulturguts weit unter Marktwert aufgrund der Notlage anzunehmen war, sodass das Anstandsgefühl eines billig und gerecht denkenden Erwerbers verletzt sein musste, kann davon ausgegangen werden, dass der Erwerber auch die rechtliche Wertung nachzeichnen konnte, dass die Veräußerung keinen Eigentumstransfer an dem Kulturgut bedingte. In diesem Fall kann auch von Bösgläubigkeit auf Seiten eines Erwerbers und vom Ausschluss eines gutgläubigen Erwerbs ausgegangen werden.
c)
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Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst als Kategorien unrechtmäßiger nationalsozialistischer Verstaatlichung
Auch bei der Veräußerung von seitens der nationalsozialistischen Behörden des Deutschen Reiches verstaatlichten Kulturgütern stellt sich die Frage nach einer bona fide-Akquisition gutgläubiger Erwerber.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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In der sog. zweiten Phase der Raubkunst schlossen sich bekanntlich die systematische Zwangsverstaatlichung, -enteignung und -nationalisierung kultureller Güter aus dem Besitz und Eigentum verfolgter, zumeist jüdischer Personen durch die nationalsozialistischen Behörden und Organe seit Beginn des Jahres 1938 an die Kulturgutverluste jüdischer Bevölkerungskreise aufgrund der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen seit Beginn der Repressionsmaßnahmen zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft im Jahre 1933 an. Während somit bei der Kategorie des kulturellen Fluchtguts der ersten Phase der Raubkunst eine formal ‚freiwillige‘ Veräußerung der kulturellen Vermögenswerte erfolgte, vollzogen sich innerhalb der zweiten Phase der Raubkunst eine unfreiwillige und erzwungene staatliche Sicherstellung und Beschlagnahme als progressiv gesteigerter Eingriff in die Rechtsposition der jüdischen Bevölkerung Deutschlands zur Zeit des Deutschen Reiches. In der im Jahre 1938 beginnenden zweiten Phase der Raubkunst wurden von den deutschen Behörden und Parteidienststellen die verbliebenen jüdischen Kunstsammlungen systematisch und staatlich erzwungen ‚sichergestellt‘, zu Staatseigentum designiert und anschließend im eigenen finanziellen Interesse verwertet.814 Diese die verfolgten (jüdischen) Bevölkerungsgruppen diskriminierenden nationalsozialistischen Gesetze strebten bereits von Anfang an keine Gerechtigkeit an, es sollte einzig und allein der Herrschaftsanspruch der nationalsozialistischen Regierung auch in kulturpolitischer Hinsicht durchgesetzt werden. Da bei der Verstaatlichung der Raubkunst zu Staatseigentum des Deutschen Reiches das Eigentumsrecht individueller Privatsammler und die universale Achtung der Menschenwürde zu bloßen Programmsätzen degradiert wurden und damit die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht, bei der Setzung positiven Rechts bewusst verleugnet wurde, stellten die Gesetze zur Designation der Raubkunst zu Staatseigentum nicht etwa nur ‚unrichtiges Recht‘ im Sinne der Radbruch-Formel dar, sondern entbehrten nach der Verleugnungstheorie des Rechts ihrer Rechtsnatur überhaupt.815 Im Ergebnis war somit durch die rassendiskriminierenden Gesetze keine Verstaatlichung der Raubkunst erfolgt, die individuellen Privateigentümer waren weiterhin als Eigentümer der eingezogenen Kunstwerke anzusehen und der deutsche Staat handelte bei der Verwertung im In- wie im Ausland als zur Verfügung Nichtberechtigter, sodass ein Rechtserwerb der Käufer nur mittels der Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs möglich war.
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Bei der entarteten Kunst handelt es sich bekanntlich um kulturelle Entziehungstatbestände innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches. Ihnen unterfielen hinsichtlich der Grundintention der nationalsozialistischen Kulturideologie theoretisch nur solche Werke, die in staatlichen Museen und Sammlungen ausgestellt
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Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 45–50. Hoerster, Recht und Moral – Texte zur Rechtsphilosophie, 1998, S. 46–49.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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oder aufbewahrt wurden. In Privateigentum befindliche Werke waren faktisch jedoch dann betroffen, wenn sie sich als Leihgaben in den staatlichen Sammlungen befanden. Wie bereits erläutert, entfällt die Prüfung der Gutgläubigkeit nach einem Teil der Literatur beim Erwerb entarteter Kunstwerke, die sich in öffentlich zugänglichen Museen befanden und bis zur Beschlagnahme meist im Eigentum der Länder oder Gemeinden oder in deutschem privaten Eigentum standen.816 Die Sicherstellung entarteter Exponate staatlicher Museen ist nach dieser Einschätzung unproblematisch, da das Deutsche Reich letztlich selbst Eigentümer der Kunstschätze deutscher öffentlicher Museen war, zumal die einzelnen deutschen Länder im Zuge der Gleichschaltung ihre eigene Staatlichkeit und damit auch eigenständige Eigentumsrechte an Vermögenswerten verloren hatten, sodass das Reich als Eigentümer frei darüber entscheiden konnte, was mit diesen Werken geschehen sollte. Wer vor diesem Hintergrund ein sichergestelltes Werk entarteter Kunst aus öffentlichem Eigentum erwarb, konnte sich ohne Frage als vollumfänglichen Eigentümer gerieren und das Werk auch problemlos weiterveräußern oder vererben.817 Eine andere Beurteilung erfuhren nach umstrittener Ansicht jedoch solche Konstellationen der Sicherstellung entarteter Kunstwerke, die sich zur Zeit der Designation zu Eigentum des Deutschen Reiches durch das Einziehungsgesetz vom 31. Mai 1938 in privaten Sammlungen oder als Leihgaben privater Personen im Besitz von Museums- und Kunstvereinen befanden. Wurde ein Kunstwerk aus Privateigentum sichergestellt und dem Regelungsregime des Einziehungsgesetzes unterworfen, unterlag sein Schicksal einer anderen juristischen Bewertung als ein Werk, das aus einem staatlichen Museum, also als Eigentum der öffentlichen Hand, eingezogen wurde. Nach der hier vertretenen Rechtseinschätzung strebte das Einziehungsgesetz vom 31. Mai 1938 von Anfang an keine Gerechtigkeit an, es sollte einzig und allein den Herrschaftsanspruch der nationalsozialistischen Regierung auch in kulturpolitischer Hinsicht durchsetzen, die bereits geschaffenen Tatsachen im Nachhinein legitimieren und sanktionieren.818 Da bei der Sicherstellung entarteter Kunst und deren Designation zu Staatseigentum des Deutschen Reiches mittels des Einziehungsgesetzes vom 31. Mai 1938 das Eigentumsrecht individueller Privatsammler, der Gedanke der Kunstfreiheit, die Würde und der Wert individueller Kunstsammler und deren Persönlichkeitsrechte und die universale Achtung der Menschenwürde zu bloßen Programmsätzen degradiert wurden und damit die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht, bei der Setzung positiven Rechts bewusst verleugnet wurde, können 816
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Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Vgl. Heuer, Die Eigentumsrechtliche Problematik der « entarteten » Kunst, Informationsbroschüre der Forschungsstelle « Entartete» Kunst, Freie Universität Berlin. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 67–78.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Argumente für eine als vorrangig einzustufende Rechtssicherheit hier kaum verfangen 819, sodass das Einziehungsgesetz nicht etwa nur ‚unrichtiges Recht‘ im Sinne der Radbruch-Formel darstellt, sondern nach der Verleugnungstheorie des Rechts vielmehr der Rechtsnatur überhaupt entbehrt.820 Im Ergebnis war somit nach der hier vertretenen Rechtseinschätzung durch den Erlass des Einziehungsgesetzes vom 31. Mai 1938 keine Verstaatlichung der entarteten Kunst erfolgt, die individuellen Privateigentümer waren somit weiterhin als Eigentümer der eingezogenen Kunstwerke anzusehen und der Deutsche Staat handelte bei der Verwertung im In- wie im Ausland als zur Verfügung Nichtberechtigter, sodass ein Rechtserwerb der Käufer nur mittels der Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs möglich war. 453
Für einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs der sog. Raubkunst der zweiten Phase aufgrund der Bösgläubigkeit des Erwerbers (zur Zeit des Nationalsozialismus) musste dieser wissen oder grob fahrlässig nicht wissen (Kennenmüssen), erstens um die Rechtsposition des jüdischen Eigentümers 821, zweitens um die Enteignung, Nationalisierung und Konfiskation der Raubkunst seitens der nationalsozialistischen Unrechtsbehörden und drittens, dass diese Verstaatlichung keinen Eigentumsverlust des jüdischen Eigentümers und damit keinen Eigentumserwerb des deutschen Reiches als Veräußerer zur Folge hatte. Bei dem Wissen um die Rechtsposition des jüdischen Eigentümers vor der unrechtmäßigen Entziehung und der Verstaatlichung der Raubkunst durch die Enteignung, Nationalisierung und Konfiskation seitens der nationalsozialistischen Behörden handelt es sich um rein tatsächliche Faktenkenntnis auf Seiten des Erwerbers. Im Gegensatz hierzu muss der Erwerber bei dem Wissen bzw. Wissenmüssen, dass die Verstaatlichung keinen Eigentumsverlust des jüdischen Sammlers und damit keinen Eigentumserwerb des Deutschen Reiches zur Folge hatte, eine rechtliche Wertung nachzeichnen und damit bestimmte Rechtsfolgen kennen. Nur wenn der Erwerber sämtliche genannten Umstände und Rechtsfolgen weiß oder hätte wissen können ist die Annahme der Bösgläubigkeit gerechtfertigt und von einem Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs der nationalsozialistisch verstaatlichten Kulturgüter der Raubkunst der zweiten Phase auszugehen. Entsprechendes galt für den gutgläubigen Erwerb der sog. entarteten Kunst. Ein Erwerber ist nur dann bösgläubig, wenn er erstens von der Rechtsposition des ursprünglichen privaten Eigentümers des als entartet qualifizierten Kunstwerks, zweitens von der ‚Sicher-
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Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 67–78. Hoerster, Recht und Moral – Texte zur Rechtsphilosophie, 1998, S. 46–49. „Der Umstand, dass das zu erwerbende Kunstwerk seinem jüdischen Eigentümer während der nationalsozialistischen Herrschaft entzogen worden ist, ist daran erkennbar, dass dieser wegen seiner Rasse verschiedenen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt war.“ Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 215–218.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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stellung‘ seitens der nationalsozialistischen ‚Säuberungsbehörden‘ und drittens darüber Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis besaß, dass die nationalsozialistische ‚Sicherstellung‘ zivilrechtlich als nichtig zu qualifizieren war, keinen Rechtsverlust auf Seiten des ursprünglichen Eigentümers und keinen Eigentumserwerb des Deutschen Reiches zur Folge hatte. Das Wissen bzw. Wissenmüssen um die jüdische Eigentumsposition bei der Verwertung der Raubkunst der zweiten Phase sowie um die ursprüngliche Eigentumsposition eines privaten Sammlers innerhalb der ‚Sicherstellung‘ der entarteten Kunst ist regelmäßig ebenso anzunehmen wie die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen um die Verstaatlichung der zu erwerbenden Raubkunst der zweiten Phase bzw. der entarteten Kunst. Hinsichtlich der Entziehung kultureller Wertgegenstände aus dem Bestand jüdischer Sammler innerhalb des deutschen Reiches machte bspw. Rudolph geltend, dass in der Zeit während des Nationalsozialismus bis Ende der 1960er Jahre die Entziehung des Kunstwerks sowohl Kunsthändlern und Museen als auch Privatsammlern erkennbar war. „Namentlich durch den Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte am 1. April 1933 und die darauf folgenden gesetzlichen Berufsverbote war seinerzeit von Anfang an offenbar, dass jüdische Sammler ihre Kunstwerke, sei es freihändig, sei es in Judenauktionen, zumeist nur deshalb veräußert haben, weil sie den Erlös zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts oder ihrer Emigration benötigten. Wie bereits dargelegt, war später ebenso augenscheinlich, dass es jüdischen Sammlern nun verboten war, ihre Kunstwerke mit ins Ausland zu nehmen, und dass die in Deutschland zurückgebliebenen Objekte dem Deutschen Reich verfielen und zumeist durch Finanzämter oder namentlich das Auktionshaus Hans W. Lange versteigert wurden.“ 822 Den Erwerbern war es somit im Vorfeld der systematischen Verwertungsaktion wegen der Deklarationspflicht bei Versteigerungen in Deutschland bei jüdischen Vermögenswerten meist ersichtlich, woher die angebotenen Werke stammten.823 Überaus strittig ist jedoch die Frage nach dem Wissen bzw. Wissenmüssen um die Nichtigkeit der Enteignung, Nationalisierung und Konfiskation der Raubkunst der zweiten Phase und die Nichtigkeit der ‚Sicherstellung‘ der entarteten Kunst bezüglich privater Kunstobjekte.
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Innerhalb dieses Themenkomplexes ist zu erörtern, ob eine entsprechende Kenntnis Einfluss auf die Gutgläubigkeit eines Erwerbers hatte, weil dieser den Erlass als Unrecht mit Wirkung ex tunc und darum die fehlende Verfügungsfähigkeit des nationalsozialistischen Unrechtsstaates hätte erkennen müssen.824
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Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 215–218. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Vgl. zu dieser Ausgangslage Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Bei der Beurteilung der Gutgläubigkeit des Erwerbers von aus dem Bestand jüdischer Privatsammler beschlagnahmter, konfiszierter, nationalisierter und enteigneter Raubkunst ist die Frage nach der Kenntnis bzw. der grob fahrlässigen Unkenntnis der Nichtberechtigung des Deutschen Staates bei der Veräußerung auf den Judenauktionen oder unmittelbar durch das Finanzamt – teilweise sogar innerhalb der Räumlichkeiten der Sammlung – deshalb so schwierig, weil die zahlreichen nationalsozialistischen Rechtsvorschriften der direkten Entziehung aus Sicht des Erwerbers eine legitimierende Grundlage liefern konnten. Entsprechendes gilt auch für die Verstaatlichung der ‚entarteten‘ Kunst. Die Tatsache der Unterdrückung und Verfolgung stellt für sich genommen noch keinen hinreichenden Anlass dar, an der Eigentümerstellung des Veräußerers eines Werkes ‚entarteter‘ Kunst oder an dessen Verfügungsberechtigung zu zweifeln. „Ein Verdachtsmoment ließe sich hieraus nur herleiten, wenn der Erwerber die Nichtigkeit der Einziehungen kannte oder hätte kennen müssen, und dieser Umstand Zweifel über die Eigentümerstellung des Veräußerers bzw. über die Rechtmäßigkeit der nun bevorstehenden Verfügung begründete.“ 825 Bei der Beurteilung der Gutgläubigkeit des Erwerbers als ‚entartet‘ qualifizierter und seitens der nationalsozialistischen Säuberungsbehörden ‚sichergestellter‘ Kunstwerke ist hier umstritten, inwiefern das Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai 1938 den ‚Sicherstellungen‘ aus Sicht des Erwerbers eine legitimierende Grundlage liefern konnte.826 So machen bspw. auch Reutter und Wieser darauf aufmerksam, dass in dem Fall, „dass den nationalsozialistischen Beschlagnahmungen ein Gesetz (Einziehungsgesetz) zugrunde lag“, vertreten werden könne, „dass ein Erwerber im Jahre 1939 davon ausgehen durfte, dass die mit der Auktion betraute Galerie Fischer zum Verkauf berechtigt war.“ 827
(1)
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Nichtigkeitswirkung der Verstaatlichung von Raub- und ‚entarteter‘ Kunst nach der Radbruchschen Formel schlägt auf die Gutgläubigkeit der Erwerber durch
Einer Ansicht nach schlägt die Nichtigkeitswirkung der nationalsozialistischen Rechtsregeln zur Verstaatlichung der Kunstwerke aufgrund des außergewöhnlich großen materiellen Unrechtsgehalts auch auf die Bösgläubigkeit eines jeden Erwerbers in der Veräußerungskette durch.828 Reich und Fischer warfen bereits im 825
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So Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Reutter/Wieser, Der Handel mit der Gutgläubigkeit, Schweizer Monatshefte, Nr. 3/4 (2005), S. 29–34, S. 30. So Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1420; Hipp, Schutz von Kul-
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Jahre 1993 in ihrer Begutachtung der sachenrechtlichen Zuordnung der als entarteten Kunst verfemten und von den Nationalsozialisten ‚sichergestellten‘ Werke die Frage auf, ob die mit dem Begriff der groben Fahrlässigkeit verbundenen Nachforschungspflichten des Erwerbers überhaupt zum Tragen kommen, wenn der Veräußerer der Staat, hier der Unrechtsstaat der Nationalsozialisten, ist. Dies wurde jedoch vehement bejaht: „Jedwede Erwerberin bzw. jeder Erwerber wird sich bei einer derartigen Konstellation zunächst mit dem Brustton der Überzeugung darauf berufen haben, daß er auf die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns vertrauen durfte. Folgt man allerdings der Radbruchschen Formel von der evidenten Nichtigkeit des „Einziehungsgesetzes“ muß man von der durchgehenden Bösgläubigkeit jedes Erwerbers in der Kette ausgehen. Hier greift dann wieder die Obliegenheitspflicht des Erwerbers … . Wer konnte innerhalb der sogenannten „Kunstkreise“ im Zweifel über die Herkunft der Bilder und ihre widerrechtliche Beschlagnahme durch den NS-Staat und somit seinen „Nichteigentümer-Status“ sein, zumal ein Großteil der Werke der „entarteten Kunst“ 1937 in München zur Schau gestellt wurden?“ 829 Auch Hipp folgt dieser Rechtseinschätzung und erkennt, „daß vieles dafür spricht, daß die Erwerber der als „entartet“ beschlagnahmten Bilder deren Herkunft und die Unrechtmäßigkeit der Einziehungen kannten oder jedenfalls kennen mussten. Das gilt auch für aktuelle Erwerbsvorgänge, und zwar vor allem beim Erwerb durch ein Museum oder einen Kunsthändler.“ 830 Rudolph griff diese Überlegungen nun auch für die Beurteilung der direkten Verstaatlichung der im Bestand jüdischer Sammler befindlichen Kulturgüter der Raubkunst auf und argumentierte entsprechend der Radbruchschen Formel, dass die Nichtigkeitsfolge der nationalsozialistischen Enteignungs-, Nationalisierungs- und Konfiskationsgesetze auf die Gutgläubigkeit der Erwerber durchschlage und dementsprechend generell von Bösgläubigkeit und dem Ausschluss einer bona fide-Akquisition auszugehen sei. Die Folgen des Unrechtscharakters lassen dieser Rechtseinschätzung nach generell den Schluss auf die Bösgläubigkeit des Erwerbers zu (Implikation der generellen Bösgläubigkeit nationalsozialistisch verstaatlichter Kulturgüter).831 „Gleichermaßen war seinerzeit offenbar, dass die Gesetze, welche die Einziehung oder den Verfall jüdischen Kunstbesitzes an das Deutsche Reich regelten, namentlich die 11. VO zum Reichsbürgergesetz, zumeist an die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland anknüpften und damit auf die Lebenssituation der jüdischen Bevölkerung zugeschnitten waren und demzufolge ausschließlich deren Vermögen betrafen. Dass die Gesetze, welche die Juden allein wegen ihrer Rasse anders behandelten als die übrige
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turgütern in Deutschland, 2000, S. 52–53; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 218–222. Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1420. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 52–53. Vgl. die Kommentierung dieser Rechtsansicht bei Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt Bevölkerung, den übergesetzlichen Gleichheitssatz verleugnen und in einem solche Maße ungerecht sind, dass sie als von Anfang an nichtig angesehen werden müssen, war damit jedem Erwerber erkennbar. Ihm war damit auch erkennbar, dass die auf diese Gesetze gestützten Einziehungen und der Verfall von Kunstwerken aus jüdischem Besitz an das Deutsche Reich nichtig ist. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs war die Nichtigkeit der Entziehung noch deutlicher erkennbar, da nunmehr nicht nur die Judenverfolgung an sich, sondern auch ihre Bewertung durch die deutsche Rechtsprechung und Literatur sowie die alliierten Gesetzgeber dafür sprachen. Nach der in Rechtsprechung und Literatur der Nachkriegszeit vertretenen Ansicht ist die Entziehung jüdischen Vermögens … durch staatlichen Hoheitsakt … nichtig und konnte somit keinen Übergang des Eigentums an den entzogenen Vermögensgegenständen auf den jeweiligen Erwerber oder das Deutsche Reich bewirken. Die von den westlichen Alliierten in Kraft gesetzten Rückerstattungsgesetze begründen einen Anspruch auf Restitution von entzogenen Vermögensgegenständen und zeigen damit, dass sie die Entziehungen als nichtig und keine rechtlichen Wirkungen entfaltend ansehen. Diese rechtliche Bewertung der Entziehung jüdischen Vermögens war Kunsthändlern, Museen und Privatsammlern erkennbar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob von ihnen verlangt werden konnte, dass sie die einschlägigen Urteile, Aufsätze und Gesetze studieren. Denn diese Bewertung war insbesondere in Gestalt der Regelungen der alliierten Rückerstattungsgesetze lange Zeit Gegenstand der öffentlichen Diskussion und musste daher auch und gerade von Kunsthändlern, Museen und Privatsammlern als möglichen Erwerbern von aus jüdischen Sammlungen entzogenen Kunstwerken wahrgenommen werden.“ 832
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Nationalsozialistische Entziehungsgesetze als legitimierende Grundlage aus Sicht der Erwerber?
Die Gegenansicht 833 lehnt jedoch die Annahme ab, wonach die Erwerber verstaatlichter Kulturgüter zur Zeit des Nationalsozialismus deswegen bösgläubig gewesen seien, da die Rechtsgrundlagen der Verstaatlichung nach der Radbruchschen Formel nachträglich als nichtig eingeordnet worden seien, diese aber voraussetzen, dass die darin enthaltenen Anordnungen bereits dem damaligen Rechtsempfinden widersprochen haben müssten.834 „Bei Verkäufen durch das Deutsche Reich können die Erwerber regelmäßig darauf vertrauen, dass der gesetzlich angeordnete Vermögensverlust rechtswirksam ist, weil die Veräußerungen durch das deutsche Reich als „Berechtigten“ erfolgten. Seinerzeit musste ein Erwerber nicht wissen, dass staatlich angeordnete Eigentumsverluste, insbesondere gegen jüdische Bürger, später generell als nichtig beurteilt werden und
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Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 218–222. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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das Deutsche Reich als „Nichtberechtigter“ über die Kunstobjekte verfügte.“ 835 Den Ausführungen von Radbruch sei weder direkt noch sinngemäß zu entnehmen, dass der Unrechtscharakter der Enteignungs-, Nationalisierungs- und Konfiskationsgesetze bereits zum Zeitpunkt des Erlasses durch das nationalsozialistische Unrechtsregime hätte erkennbar sein müssen, bzw. die nachträglich festgestellte Nichtigkeit zu dieser Annahme führe.836 „Denn der Unrechtscharakter musste, wie dies Radbruch voraussetzte, jedem Zeitgenossen klar ersichtlich sein, ansonsten die gewichtigen Auswirkungen, die eine Einschätzung als Unrecht mit sich brachte, nicht gerechtfertigt gewesen wären. Dass alle Erwerber bösgläubig waren ist nicht realistisch, weshalb die klare Erkennbarkeit des Unrechtscharakters in dem Sinne abzuschwächen ist, dass man zwar ein gesetzliches Unrecht annimmt, dadurch aber einen gutgläubigen Erwerb nicht von vornherein ausschliesst. Demnach ergibt sich die Gutgläubigkeit des damaligen Erwerbers in die vermeintliche Verfügungsfähigkeit des Staates indirekt aus der Nicht-Erkennbarkeit des Unrechts der entsprechenden Erlasse. Denn wenn sogar heute immer noch nicht allgemein anerkannt ist, welche der in Frage stehenden Erlasse gesetzliches Un-Recht darstellen, kann das unmöglich von einem Käufer in den Jahren 1938 bis 1945 verlangt werden, weshalb seine Gutgläubigkeit grundsätzlich zu bejahen ist.“ 837
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Da sich die Verstaatlichung der Raubkunst ebenso wie die ‚Sicherstellung‘ der entarteten Kunst seitens der Behörden des Deutschen Reiches zur Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft auf rechtsgültig angesehene Gesetze stützten, konnte – bei Fehlen besonderer entgegenstehender Umstände – seitens der Erwerber von der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahmungen ausgegangen werden.838 Tatsächliche Hintergründe dieser Erwägung sind somit die staatliche Autorität des Entziehungsaktes und die nur schwer für einen Laien vorstellbare Nichtigkeit der kulturellen Verstaatlichung durch die Behörden des Deutschen Reiches: „Das Auftreten eines Staates als Veräusserer lässt die Anforderungen an das Misstrauen des Erwerbers in die Verfügungsfähigkeit dieses Veräusserers stark sinken. Der NS-Staat war bei den anderen Staaten als Rechtsstaat anerkannt und genoss darum auch eine weitreichende Glaubwürdigkeit bezüglich der Rechtmässigkeit seiner Handlungen. Die Olympischen Spiele in Berlin von 1936, denen bezeichnenderweise kein Staat aus Protest gegen die Art und Weise der Herrschaftsausübung fernblieb, boten Hitler und seinen Schergen die Möglichkeit, der Weltöffentlichkeit die ganze Kraft, Glaubwürdigkeit und Stärke des
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Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 42–44. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. So Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159; ebenso in diesem Sinn: Urteil des Schweizer Bundesgerichts vom 13.12.1968, BGE 94 II 297. So Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 182.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
neuen Regimes, aber auch dessen vorgespiegelte Toleranz modischer Strömungen gegenüber zu beweisen.“ 839 Grell erinnert im Zusammenhang mit der Verstaatlichung der Raubkunst auch an die Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1955 840, in der dieser zwar die Nichtigkeit der 11. Durchführungsverordnung zum Reichsbürgergesetz annahm, zugleich aber dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat eine unangefochtene (faktische) Eigentümerstellung im Rechts- und Wirtschaftsleben zugestand. 461
Entsprechendes gilt auch für die Verstaatlichung der entarteten Kunst: Derjenige Erwerber, welcher bspw. anlässlich der Versteigerung in der Luzerner Galerie Fischer ein als entartet innerhalb des Deutschen Reiches ‚sichergestelltes‘ Kunstwerk erworben hatte, wusste gewiss regelmäßig, dass es sich dabei um ein aus Deutschland stammendes Kunstwerk handelte. „Da der Beschlagnahmung aber ein im Zeitpunkt des Erwerbs rechtsgültiges Gesetz zugrundelag, durfte der Erwerber gutgläubig davon ausgehen, dass er die Sache vom nationalsozialistischen Staat als dinglich Berechtigten erwirbt; die Gutgläubigkeit des Erwerbers eines „entarteten“ Kunstgegenstandes hat wie im Falle des Erwerbs einer anderen beweglichen Sache lediglich die Verfügungsberechtigung des Veräusserers zum Inhalt.“ 841 Gegen eine generelle Annahme der Bösgläubigkeit bei der Veräußerung von seitens der nationalsozialistischen ‚Säuberungsbehörden‘ ‚sichergestellten‘ Werken der entarteten Kunst spricht sich mit umfassender Begründung Kunze in seinen Untersuchungen der Restitution entarteter Kunstwerke aus:
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„Während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft konnte weder im Inland noch im Ausland ernsthaft an der Rechtswirkung der Einziehungen gezweifelt werden. Das Ermächtigungsgesetz hatte die Regierung zum Erlaß des Einziehungsgesetzes legitimiert. Für Spekulationen auf ein rasches Ende der Gewaltherrschaft und auf die damit verbundene Möglichkeit, daß ungerechte staatliche Zwangsmaßnahmen ungeschehen gemacht würden, war in dieser Zeit kein Raum. Nach der Kapitulation hat weder der Gesetzgeber das Einziehungsgesetz explizit aufgehoben noch die Rechtsprechung die Nichtigkeit der Einziehungen jemals festgestellt … . Zwar hatten sich Zeitzeugen über die Diffamierung einer ganzen Kunstgattung und über den Eingriff in die Eigentumssphäre der Länder empört; die Gesetzgebung der Nachkriegszeit folgte jedoch der Empfehlung des Denkmal- und Museumsrates Nordwestdeutschland vom September 1948 und traf keine Maßnahmen, um das Einziehungsgesetz rückwirkend aufzuheben und den Einziehungen die Rechtswirkung zu nehmen. Die konkludente Aufhebung durch Nichtaufnahme in die Sammlung des Bundesgesetzblattes Teil III wirkte nicht auf die Zeit des Nationalsozialismus zurück und war im übrigen so unauffällig, daß sie niemandem die Aufhebung überhaupt bewußt werden ließ. Die deutsche Rechtsprechung stellte schließlich fest, daß die Maßnahmen aufgrund des Einziehungsgesetzes nicht zum Wiedergutmachungsrecht zu zählen seien und lehnte eine Betrachtung der Enteignungen unter diesem Gesichtspunkt ab. Zwar wurden die Radbruchschen Thesen schon im Jahr 1946
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Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Beschluss des BGH vom 28.2.1955, Az: GSZ 4/54, NJW 1955, S. 905. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
615
bekannt und in den folgenden Jahren immer wieder vom Bundesverfassungsgericht zur Klärung der Beachtlichkeit nicht aufgehobener Gesetze nationalsozialistischer Prägung herangezogen. Nicht jedoch in Bezug auf das Einziehungsgesetz. Darüber hinaus kauften die Museen, also die Betroffenen selbst, die ihnen entwendeten Werke zum Teil zurück, anstatt sich um eine Rückgabe auf gerichtlichem Wege zu bemühen. Auch hieraus läßt sich eher der Schluß ziehen, die Einziehungen seien – wie so manch andere folgenreiche Maßnahme der Nationalsozialisten – hinzunehmen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß die überwiegende Zahl der Werke entsprechend der Anweisung des Reichspropagandaministeriums in das Ausland verbracht wurden [vgl. bspw. die Einlieferungen im Jahre 1939 in das Luzerner Auktionshaus der Galerie Fischer], und es Ausländern wohl nicht zuzumuten ist, sich Gewißheit über die Rechtswirkungen staatlicher Zwangsmaßnahmen zu verschaffen, denen man im Inland nicht entschieden entgegentritt. Ebenso ist der Zeitablauf zu berücksichtigen: Je weiter die Einziehungen zurückliegen, desto wahrscheinlicher ist es, daß die Regelungen, die einen gutgläubigen Rechtserwerb vom Nichtberechtigten zulassen, rechtmäßiges Eigentum begründen konnten. Den Expertisen, die von Kunstfachleuten und nicht von Juristen erstellt werden, sind regelmäßig keine Anhaltspunkte zu entnehmen, ob die Einziehungen der Nationalsozialisten rechtmäßig waren oder nicht. Schließlich vertraten auch die Museen den Standpunkt, daß gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich gewesen wären, um die Rechtswirkungen der Einziehungen aufzuheben.“ 842
Der gute Glaube eines Erwerbers nationalsozialistisch verstaatlichter Kulturgüter ist über den Gedanken hinaus, dass wegen der gesetzlichen Grundlage keine konkreten Verdachtsmomente bestanden hätten, auch deshalb nach dieser Rechtseinschätzung zu bejahen, weil die Tatsache, dass der nationalsozialistische Staat – bzw. die dafür eingesetzten Personen – als Veräußerer aufgetreten sei(en), zu einem geringeren Misstrauen geführt habe, als wenn eine Privatperson die jeweiligen Objekte veräußert hätte.843 Auch die Veräußerung der durch das nationalsozialistische Unrechtsregime verstaatlichten Kulturgüter mittels eines renommierten Kunsthauses – wie bspw. die in der Schweiz mit der Verwertung einiger der als ‚entartet‘ sichergestellten Kunstobjekte betraute Galerie Fischer aus Luzern, die zu dieser Zeit einen sehr guten Ruf genossen habe – müsse aus Sicht der Erwerber ebenfalls gegen eine Unrechtmäßigkeit der Herkunft sprechen.844 Diese Argumentation wurde auch im Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 25. Juli 1953 845 zur Begründung der Gutgläubigkeit aufgegriffen, in welchem die Rückforderung eines in Frankreich von den Nationalsozialisten geraubten Bildes zu beurteilen war: „Nach den Ausführungen der Klage hat der Beklagte das Gemälde bei Rodolphe Dunki gekauft. Dieser war, wie sich aus den bei A. Hausam-
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Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 149; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 25. Juli 1953, abgedr. in SJZ 51 (1955), S. 55.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
mann, Dr. Nathan und Dr. O. Reinhart eingeholten Auskünften einhellig und mit aller Deutlichkeit ergibt, in Händler- und Sammlerkreisen hoch angesehen und als absolut ehrlicher und zuverlässiger Händler bekannt. Unter diesen Umständen habe der Beklagte nicht den geringsten Anlass zur Annahme, Dunki oder sein Vormann könne auf unrechtmässige Weise in den Besitz des Bildes gelangt sein.“ 846 464
Man könnte auch daran denken, dass zweifelnde und mahnende Stimmen der Zeitgenossen Verdachtsmomente begründen konnten, wie bspw. die Äußerungen von Daniel-Henry-Kahnweiler oder Oskar Reinart, die neben moralischen auch rechtliche Bedenken der angehenden Versteigerung der in Deutschland als entartete Kunst sichergestellten Werke bei der Galerie Fischer in Luzern im Jahre 1939. Zweifelnde wie mahnende Stimmen hinsichtlich der zu veräußernden verstaatlichten Objekte bei obiger Versteigerung und im Allgemeinen waren zur Zeit des Nationalsozialismus wohl jedoch „nicht genügend starke Indizien für ein bereits damals vorhandenes Bewusstsein für gesetzliches Unrecht. Bedenken allein können einen guten Glauben nicht zerstören. Zudem ist zu beachten, dass ausländische potentielle Käufer sich nicht in erster Linie wegen der fraglichen rechtlichen Legitimation des NS-Regimes von einem Erwerb abhalten liessen, sondern sich die Skepsis vor allem auf die Verwendung der durch die Auktion erhaltenen Geldmittel für Rüstungszwecke bezog.“ 847 Darüber hinaus wird auch geltend gemacht, dass der Erwerb von Kunstobjekten durch Museen, bspw. auf der Versteigerung der entarteten Kunst durch die Galerie Fischer durch das Kunstmuseum Basel, ebenfalls zur Annahme der Rechtmäßigkeit der Erwerbsvorgänge geführt habe.848 Andererseits gingen aber auch die deutschen Museen unmittelbar nach Ende der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft nicht von einem bösgläubigen Erwerb der durch die ‚Säuberungsbehörden‘ des Deutschen Reiches entzogenen entarteten Kunstwerke aus. Nachdem die Mannheimer Kunsthalle bspw. im August des Jahres 1949 von dem Kunstoffizier der Amerikanischen Militärregierung in Nauheim die Information erhalten hatte, dass ein „nordwestdeutscher Sammler“ das Gemälde ‚Portrait des Schriftstellers Max Herrmann Neisse‘ von George Grosz dem Direktor des Museums für Moderne Kunst in New York zum Kauf angeboten hatte, entschied sich die Kunsthalle dazu, den Rechtsweg nicht zu beschreiten, sondern das im Jahre 1937 in ihren
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Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 25. Juli 1953, abgedr. in SJZ 51 (1955), S. 55. Vgl. hierzu Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Vgl. dazu die Darstellung von Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256, unter Rekurs auf Kreis, „Entartete“ Kunst für Basel: die Herausforderung von 1939, 1990, S. 1 ff.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Räumen als entartete Kunst ‚sichergestellte‘ Gemälde über Vergleichsverhandlungen von dem aktuellen Besitzer zurückzuerwerben.849 Ähnliche Vorgehensweisen sind für die Staatliche Gemäldesammlung Dresden und die Staatlichen Museen Moritzburg in Halle dokumentiert.850 Auch die zum Teil weit unter Marktwert liegenden Preise sowohl der enteigneten, nationalisierten und konfiszierten Raubkunst als auch der ‚sichergestellten‘ Werke der entarteten Kunst waren als Indiz ebenfalls nicht geeignet, um bei einem Erwerber begründete Zweifel an der Eigentumsposition des nationalsozialistischen Unrechtsstaates und der Nichtigkeit der Verstaatlichung aufkommen zu lassen. „Denn die Gutgläubigkeit bezieht sich ja nur auf die Verfügungsfähigkeit des Eigentümers, die der NS-Staat formal-rechtlich auch innehatte. Dieser durfte darum aufgrund der Privatautonomie die Kaufsache auch zu einem überaus günstigen, für ihn auch nachteiligen Preis veräussern, solange er sich in den Schranken des Gesetzes bewegte.“ 851
(3)
Keine generelle Bösgläubigkeit beim Erwerb unrechtmäßig verstaatlichter Raubkunst und entarteter Kunst während der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft
Folgt man dieser Rechtseinschätzung hinsichtlich der Kenntnis bzw. des Kennenmüssens der Nichtigkeit der nationalsozialistischen Verstaatlichung der Raubkunst und der entarteten Kunst, muss man schließlich der Feststellung Grells folgen, dass den „genauen und feinfühligen Kunstbeobachtern … letztlich die Hände gebunden [waren], wie auch die Betroffenen den rechtlich gut abgestützten Handlungen und den nie um eine rechtliche Begründung verlegenen NS-Rechtsgelehrten ausgeliefert waren. Einzige Möglichkeit war, die betroffene Kunst aus dem Aktionsradius des NS-Regimes in Sicherheit zu bringen.“ 852 Der jüdische Eigentümer der zunächst verstaatlichten und in der Folge verwerteten Raubkunst kann sein Eigentum auf einer Judenauktion ebenso verloren haben,
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Buderer/Städtische Kunsthalle Mannheim, Entartete Kunst – Beschlagnahmeaktionen in der Städtischen Kunsthalle Mannheim, 1937 [Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Städtischen Kunsthalle Mannheim, 5. Dezember 1987 – 7. Februar 1988], 2. Aufl. 1988, S. 42; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Schubert, Um die Knieende muß man sich bemühen …, FAZ, Artikel vom 6.12.1993. Siehe auch Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 170–184. Die staatliche Gemäldesammlung Albertinum in Dresden weist neben der Statue der ‚Großen Knieenden‘ von Lehmbruck explizit auf die Rückerwerbung aus New York im Jahr 1992 hin. Vgl. auch die Dokumentation der Büche/Staatliche Galerie Moritzburg Halle, Ernst Ludwig Kirchner, Akte im Strandwald, 1996. So Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
wie auch der private Eigentümer ‚sichergestellter‘ Werke der entarteten Kunst gewöhnlich im Wege der freien Veräußerung (wenn kein Abhandengekommen anzunehmen ist) bzw. auf der Versteigerung in Luzern bei der Galerie Fischer im Jahre 1939. Weitere kulturelle Transfergeschäfte würden dann den Regeln der Veräußerung durch einen Berechtigten unterliegen. Andererseits ist aber auch dann aus heutiger Sicht häufig ein Eigentumsverlust des ursprünglich jüdischen Eigentümers der Raubkunst bzw. des privaten Eigentümers der entarteten Kunst anzunehmen, wenn man der erstgenannten Rechtseinschätzung folgt und zunächst die Bösgläubigkeit seitens der Erwerber aufgrund der Kenntnis bzw. des Kennenmüssens um die Nichtigkeit der Verstaatlichung bejaht und einen gutgläubigen Erwerb ausschließt. Zahlreiche solcherart verstaatlichten Kulturgüter unterlagen in der Zwischenzeit bereits mehrfach einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung. Es ist in der überwiegenden Zahl der Fälle anzunehmen, dass einem Erwerber keine Kenntnis bzw. kein Kennenmüssen über die ursprüngliche Eigentumsposition, den Entziehungsakt in Form der Verstaatlichung und die Nichtigkeitsfolge der nationalsozialistischen Verstaatlichung vorzuwerfen ist. Es ist jedoch immer daran zu erinnern, dass die unrechtmäßige Entziehung der Raubkunst und der entarteten Kunst stets als Abhandenkommen zu qualifizieren ist, sodass die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs nach der deutschen Rechtsordnung sowieso nur im Falle einer öffentlichen Versteigerung i.S.d. §§ 935 Abs. 2 i.V.m. 383 Abs. 3 BGB erfolgen kann.
II.
466
Spezielle Indizien, die auf eine ‚verdächtige‘ Akquisition von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst hindeuten
Wenn keine ausdrückliche positive Kenntnis über eine unrechtmäßige Entziehung von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst auf Seiten des Erwerbers besteht, bereitet die Feststellung der grob fahrlässigen Unkenntnis hinsichtlich der Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers an dem umstrittenen Kulturgut sowie der Hinweis auf einen unrechtmäßigen Entziehungsakt regelmäßig besondere Schwierigkeiten. Ebenso wie beim Erwerb gestohlener Kulturgüter haben sich auch innerhalb des Erwerbs von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst unterschiedliche Kriterien als zielführend erwiesen, um einen Verdacht bezüglich der Rechtsposition des (ursprünglichen) Eigentümers und der nationalsozialistischen Entziehung bzw. der kriegsbedingten Verbringung zu begründen. So sprechen bspw. bei dem Erwerb der kriegsbedingt, seitens der nationalsozialistischen Plünderungsorganisationen außerhalb des deutschen Territoriums unrechtmäßig entzogenen Beutekunst die im Verkauf involvierten (oft deutschen und dem nationalsozialistischen Unrechtsregime nahestehenden) Kunsthändler und die seitens der entziehenden Behörden (etwa durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg oder das Devisen-
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
619
schutzkommando) angebrachten Signaturen für eine fremde Eigentumsposition. Bei der Veräußerung kulturellen Fluchtguts spricht etwa die Versteigerung des Kulturguts auf einer sog. Judenauktion für die ehemalige Eigentümerstellung verfolgter Personengruppen und deren Zwang zur Veräußerung der Güter, zwar formal ‚freiwillig‘, jedoch zur Ermöglichung der Flucht aus Angst vor Deportation und Ermordung. Eine jüdische Namensangabe auf dem Gemälde, die zuvor erfolgte öffentliche Zurschaustellung bzw. die Versteigerung unmittelbar durch ein Finanzamt innerhalb des nationalsozialistischen Deutschlands bzw. durch ein von den Behörden hierzu beauftragtes Auktionshaus sind Indizien für die vormalige Eigentumsposition verfolgter Personengruppen innerhalb der Verwertung der zuvor aus dem Bestand der jüdischen Bevölkerung verstaatlichten Kulturgüter (Kategorie der sog. Raubkunst der zweiten Phase). Namensangaben wie Kürzel oder auch mögliche Beschlagnahmesignaturen durch nationalsozialistische Plünderungsbehörden (wie bspw. die sog. ‚Säuberungsbehörde‘ zur Sicherstellung moderner Kunst in öffentlichen Museen) begründen einen Verdacht auf eine fremde Eigentümerstellung. Dasselbe gilt für die Exposition der entarteten Kunstwerke auf sog. Schandausstellungen, wie bspw. der Münchner Ausstellung ‚Entartete Kunst‘ am 19. Juli 1937.
1.
Jüdische Provenienz des zu erwerbenden Kunstwerks
Erstes Indiz für die im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßige Entziehung kultureller Wertgegenstände ist das Wissen bzw. Wissenmüssen des Erwerbers um die jüdische Provenienz des veräußerten Kunstwerks. Ein solches Verdachtsmoment ergibt sich vornehmlich daraus, dass das zu erwerbende Kulturgut ursprünglich einem (vornehmlich jüdischen) Sammler gehört hat, dem es während Andauer des Zweiten Weltkrieges innerhalb eines der von Deutschland besetzten Territorien oder während der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft der Jahre 1933 bis Mai 1945 innerhalb Deutschlands in rechtswidriger Weise entzogen worden ist. So scheint es nicht ausgeschlossen, dass die deutschen Museen, Galeristen, Händler und Auktionshäuser als professionell am Kunsthandel Beteiligte Kenntnis über die bedeutendsten jüdischen Sammlungen und deren Hauptwerke innerhalb Deutschlands besaßen und somit bei einer Veräußerung deren jüdische Provenienz erkennen mussten. Daher ist aber auch beim Erwerb eines im besetzten Frankreich entzogenen Kunstwerks (Beutekunst) denkbar, „dass es sich um ein berühmtes Werk aus einer namhaften jüdischen Sammlung handelt und seine jüdische Provenienz dem Erwerber deshalb positiv bekannt gewesen ist.“ 853
853
Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 222.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
468
In der Schweizer Rechtssache Miedl gegen Eidgenossenschaft vom 2. November 1948 854 hat sich Miedl darauf berufen, dass ihm in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation die französische Provenienz der entzogenen Beutekunst nicht bekannt war und er dies auch nicht hätte wissen können. Miedl klagte gegen die Eidgenossenschaft auf Bezahlung einer Entschädigung von 443.000 Schweizer Franken für fünf restituierte Gemälde, vier aus der Sammlung Rosenberg und eines aus der Sammlung Alexandrine de Rothschild. In seiner Klagebegründung bestritt Miedl zum Nachweis seiner Gutgläubigkeit, dass er über die genaue Herkunft der Bilder orientiert gewesen war und gewusst hatte, auf welchem Weg die in Frankreich seitens der nationalsozialistischen Plünderungsbehörden völkerrechtswidrig entzogenen Kunstwerke in die Schweiz transportiert worden waren.855 Am 23. November 1949 bekräftige Miedl, dass „[er] während des Krieges in den besetzten Gebieten trotz vieler verlockender Moeglichkeiten nicht ein einziges Bild unrechtmässiger Herkunft erworben hat“ 856. Bei der Hauptverhandlung schlug Miedl jedoch zunächst einen Vergleich in Form einer Entschädigungszahlung i.H.v. 150.000 Franken vor, zwei Monate später zog Miedl seine Regressklage ohne eine weitere Begründung ganz zurück.857 Auch wenn das Gericht hier nicht positiv das Wissen um die Zugehörigkeit der Gemälde zu den bekannten französischen Sammlungen feststellen konnte, spricht die Klagerücknahme eine deutliche Sprache.
469
Da die direkte Provenienz der entzogenen Beutekunst einem Erwerber in der Regel in den wenigsten Sachverhaltskonstellationen bekannt sein wird, kommt der Frage besondere Bedeutung zu, ob die (vornehmlich jüdische) Provenienz des außerhalb des eigenen Territoriums kriegsbedingt entzogenen und zu erwerbenden Kunstwerks dem Erwerber ohne besondere Aufmerksamkeit aufgrund besonderer Indizien erkennbar war. Dementsprechend machte Paul Rosenberg innerhalb der Regressklage Bührle gegen Fischer 858 geltend, dass bestimmte Werke seiner Sammlung großen Bekanntheitsgrad aufwiesen: 854
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Vgl. ausführlich hierzu Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 339–401; Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 135–161. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 339–401. Vgl. die Zitierung bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 339–401. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 339–401; Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 135–161. Entscheid der Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen vom 5. Juli 1951 i.S. Emil Bührle gegen Theodor Fischer, Kommanditgesellschaft Galerie Fischer und Schweizerische Eidgenossenschaft (R 3/III, 5/A, 10/B, 16bis). Vgl. zu diesem Entscheid Kreis, Die Schweiz und der Kunsthandel 1939–1945, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen,
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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„Parmi mes tableaux, il y en avait d’assez connus pour qu’un marchand de tableaux suisse ait pu reconnaître qu’ils faisaient partie de ma collection en 1939. On savait par exemple que j’avais certains van Gogh. Tous mes confrères ne pouvaient connaître tous les tableaux que je possédais, mais pour un certain nombre d’entre eux, ils ne pouvaient ignorer leur provenance. Vu en outre les conditions dans lesquelles mes tableaux ont été échangés, il n’y avait pas de doute qu’ils venaient de chez moi. A ce moment – là, il n’y avait pas de vendeurs sur le marché. Les tableaux ne pouvaient être en mains allemandes que par voie de spoliation. Je note encore qu’il n’y avait derrière les tableaux aucune étiquette de collection allemande. Andreas Hofer a d’ailleurs déclaré dans son interrogatoire qu’il n’avait pas caché l’origine des tableaux à M. Fischer. En outre, un acheteur de tableaux se renseigne sur l’origine de la pièce.“ 859
470
Weiterhin verwies Rosenberg in der Entscheidung Bührle gegen Fischer auf die Usanzen im Kunsthandel, dass bei jedem Kauf nach der Provenienz gefragt werde und es üblich sei, für hochwertige Kunstwerke Stammbäume, sogenannte Pedigrees, zu erstellen. In solch einem Pedigree wäre die Provenienz Rosenberg zweifellos aufgeführt worden.860 Beim gutgläubigen Erwerb von Beutekunst wird eine Namensangabe auf dem Kunstwerk oder die Zurschaustellung in einer Ausstellung jedoch nicht zwingend und unmittelbar einen solchen Hinweis darstellen, da von ausländischen Kunsthändlern und Museen ebenso wenig wie von ausländischen Privatsammlern verlangt werden kann und konnte, dass Kenntnisse über namhafte Privatsammlungen im Ausland bestehen.861
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Die zahlreichen Forschungsergebnisse seit Beginn der 1990er Jahre im Zusammenhang mit der kriegsbedingten Entziehung kultureller Wertgegenstände während des Zweiten Weltkriegs führen heute dazu, dass eine konsolidierte Liste jüdischer Privatsammler und Kunsthändler zusammengetragen werden kann, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und Enteignung innerhalb und außerhalb Deutschlands wurden und deren Eigentümerstellung zwischen März des Jahres 1933 und Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945 aus der Provenienzgeschichte eines Kunstwerks bei dessen Veräußerung ersichtlich wird.
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Hintergründe, 1998, S. 129 ff.; Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 136 ff.; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 203 ff.; Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 401 ff.; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 52–55; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Zitiert bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 378–381. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 378–381. Vgl. auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 222.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Heute ergeben sich deshalb vornehmlich dann Verdachtsmoment auf eine nationalsozialistisch bedingte Entziehung kultureller Wertgegenstände, wenn für den Erwerber erkennbar wird, dass das zu erwerbende Kulturgut ursprünglich einem (vornehmlich jüdischen) Sammler gehört hat, dem es während Andauer des Zweiten Weltkrieges innerhalb eines der von Deutschland besetzten Territorien oder während der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft der Jahre 1933 bis Mai 1945 innerhalb Deutschlands in rechtswidriger Weise entzogen worden ist. Dies ist für die heutige Zeit bereits dann der Fall, wenn einer der folgend genannten jüdischen Eigentümer aus der Vorgeschichte mit dem zu erwerbenden Kunstwerk in Verbindung gebracht werden kann. Sowohl von professionell am Kunsthandel beteiligten Museen, Galeristen, Kunsthändlern und Auktionshäusern als auch von Privatsammlern ist bei dem heutigen Kenntnis- und Wissensstand ein erhöhtes Maß an Sorgfalt zu verlangen. Gutgläubigkeit besteht heute beim Erwerb von im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern nicht mehr nur dann, wenn sich der Erwerber über die vorhandene Literatur über die Entziehung jüdischen Kunstbesitzes informiert und sich die dadurch vermittelten Kenntnisse angeeignet hat, sondern nur noch dann, wenn besondere Nachforschungen unternommen wurden, wenn bekannte Opfer nationalsozialistisch bedingter Kulturgutentziehungen die Werke in den Jahren 1933 bis 1945 in ihrem Bestand hatten.862 473
Eine Auflistung der bekanntesten jüdischen Sammler, die während der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft und des Zweiten Weltkrieges Opfer kultureller Entziehungsakte wurden, findet sich in Anlage II k der Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007.863 Die Liste ist heute auf der 862
863
Vgl. auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 203–206. Anlage II k der Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 68–71. Im Internet abrufbar unter http:/www.lostart.de/stelle/handreichung. Zu Entstehung, Zweck und wesentlichem Inhalt der Handreichung vgl. Beaucamp, Erst klauen, dann maulen. Lang erwartet: „Handreichung“ für die Rückgabe von Beutekunst, FAZ, Artikel vom 8.5.2001, S. 47; Kuhn, Die „Gemeinsame Erklärung“ von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden vom Dezember 1999, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht: Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln/die eigene Geschichte: Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich, Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg, 2002, S. 297–313, S. 304 ff.; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 203–206.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
Internetseite www.lostart.de der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste veröffentlicht und wird dort nach den neuesten Forschungsergebnissen fortlaufend aktualisiert:864 Stellt ein Erwerber kultureller Wertgegenstände somit fest, dass das Kunstwerk zwischen 1933 und 1945 im Bestand einer in der konsolidierten Liste jüdischer Privatsammler und Kunsthändler genannten jüdischen Person stand und dieser während dieser Zeit abhandengekommen ist, muss der Erwerber weitere Nachforschungen betreiben, um den notwendigen Sorgfaltsanforderungen zu genügen und den Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- oder entarteten Kunstcharakter auszuschließen. Unterlässt der Erwerber in diesem Fall jedoch weitere Nachforschungen, muss er entweder Abstand von dem Kulturguterwerb nehmen oder ist als bösgläubig zu bezeichnen, sodass eine bona fide-Akquisition ausscheidet. Abramowicz, Leon / Abramowicz (geb. Prenosyl), Marianne Adelsberger Altmann, Bernhard Amon, Hans / Amon, Helene Anninger, Otto / Anninger (geb. Wolf), Clara Arens, Dr. Gustav (Nachlass) Arnhold, Eduard (Nachlass) / Arnhold, (geb. Arnthal) Johanna Arnhold, Hans Arnhold, Lisa / Arnhold, Heinrich Aronson Askonas, Carl / Askonas, (geb. Fürth), Rosa Auspitz, Stefan / Auspitz (geb. Fasal, verw. Weisz), Josephine Auspitz-Artenegg, Theodor / Auspitz-Artenegg (geb. Leitner), Angela Bachofen-Echt (geb. Lederer), Elisabeth Ball, Hugo Bamberger, Gustav / Ludwig (Bruder), gest. 1943 Bamberger, Ludwig / Olla Barach, Claire Beer-Hofmann, Richard / Beer-Hofmann (geb. Lissy), Paula Bendel, Leo / Bendel, Else Benedikt, Ernst / Benedikt (geb. von Rosen), Irma Bernheim, Léonce / Bernheim, Philippe (Sohn) Bernheimer, Otto / Bernheimer, Charlotte Bernheim-Jeune, Gaston / Bernheim-Jeune (geb. Adler), Suzanne
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Bernheim-Jeune, Josse / Bernheim-Jeune (geb. Adler), Mathilde Bettelheim-Gabillon, Ludwig Bittmann, Rudolf / Bittmann (geb. Katz), Martha Blauhorn, Josef / Blauhorn (geb. Koppel), Auguste Blitz, Hugo / Blitz (geb. Adler), Malvine Blitz, Wilhelm / Blitz (geb. Cappillerie), Gertrude Bloch, Bloch, Dr. Hans Bloch, Felix (Nachlass) Bloch, Sidonie Bloch, Viktor Bloch-Bauer, Ferdinand / Bloch-Bauer, Adele (Nachlass) Blum, Victor G. / Blum (geb. Hatschek), Alice Bondy, Oscar Breuer, Julius / Breuer (geb. Deutsch), Paula Brill, Otto / Brill (geb. Gunst), Lilly Buchstab, Julius / Buchstab (geb. Breuer), Margarethe Budge (geb. Lazarus), Emma / Budge, Henry Cahn-Speyer, Paul / Cahn-Speyer (geb. Krassny von Krassien), Mary Calman-Levy Cassel, Baron van Doorn Cassirer, Bruno Cleef, van Czeczowiczka, Arthur / Czeczowiczka (geb. Adler), Irma
Quelle: http://www.lostart.de/provenienz/index.php3?seite=raubkunst.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt Czeczowiczka, Edwin / Czeczowiczka (geb. Reitlinger), Caroline Darmstaedter, Ludwig (Nachlass) David-Weill, David / David-Weill (geb. Raphael), Flora David-Weill, Pierre Dosquet, Dr. Wilhelm Drey, Siegfried / Drey, Franz Dreyfus, Gaston Dreyfus, Henri Dreyfus, Maurice Egger, Ernst Egger-Möllwald, Lothar / Egger-Möllwald (geb. Benies), Eveline Eisler, Alfred (Nachlass) / Eisler (geb. Zwick), Valerie Eissler, Dr. Hermann / Eissler (geb. Kopp), Hortense / Eissler (geb. Kopp), Hortense Emden, Max James Engel, Hans / Engel (geb. Fuchs), Lucie Ephrussi, Ritter von Viktor / Ephrussi (geb. Freiin Schey von Koromla), Emilie Epstein (geb. Wiedmann), Charlotte / Julius Tobias Epstein Erlanger, Dr. Ernst, Rudolf Federer, Oskar Feist-Wollheim, Hans / Feist-Wollheim (geb. Wollheim), Hermine Feldberg, Dr. Siegbert / Hildegard Feldmann Felsöványi (geb. Loew), Gertrud Fischel (geb. Mandl), Adele Flavian, Salomo Freund, Josef Freund, Julius / Freund, Clara Freund, Wilhelm Friedmann, Hugo / Friedmann (geb. Kubié), Hilde Fuchs, Eduard / Fuchs, Grete Fürst, Leo Fürstenberg, Hans Gall, Hermann (Nachlass) / Gall (geb. Goldmann), Elsa Gallinek, Dr. Ernst / Gabriel, Dr. Hans (Neffe, Breslau) Gentili di Giuseppe, Frederico Gerngross, Ludwig Gerngross, Paul / Gerngross (geb. Lonna), Martha Gerngross, Robert / Gerngross (geb. Beck), Frida Geyer, Emil
Ginzberg Goldmann, David / Goldmann (geb. Nigl), Juliane „Lilly“ Goldschmidt, Dr. Victor Goldschmidt, Jakob Gomperz, Philipp / Gomperz, Cornelia „Nelly“ Goudstikker, Jacques / Goudstikker-von Halban-Kurz, Desiree Grünbaum, Fritz / Grünbaum (geb. Herzl), Lilly Grünwald, Karl / Grünwald (geb. Hohenberg), Stephanie Gutmann, Eugen Gutmann, Friedrich (Fritz) / Gutmann (geb. von Landau), Louise Gutmann, Rudolf von / Gutmann (geb. Ferstel), Marianne / Gutmann (geb. Ferstel), Marianne Haas, Felix / Haas (geb. Arens), Lise Haberfeld, Hugo Hakenbroch, Leon Wilhelm / Hakenbroch (geb. Meyer), Agathe Chaya Halphen, Emile / Halphen, Fernand Halphen, George Hamburger, Hermann Jean / Hamburger, Issak Hartog, Jacob Hauser, Alexander Hecht, Leo / Hecht (geb. Goldberg), Helene Heissfeld (geb. Kulka), Valerie / Heissfeld, Lotte Helbing, Hugo Hellmann, Wilhelm / Hellmann (geb. Steiner), Daisy Herzberg, Franz / Herzberg (geb. Oppenheimer), Marie Louise Herzog, Baron András Herzog, Baron Mor Lipot / Herzog, Baron András (Sohn) Hesse, Raymond Hessel, Josse Hinrichsen, Henri / Hinrichsen, Walter Hirsch, Ernst / Hirsch (geb. Lang), Martha Hirsch, Fritz / Hirsch, Gertrud, geb. 13. Juni 1891 Hirschland, Georg Hochstim, Adolf / Hochstim (geb. Löw), Hilda Honig, (Franz) Josef (Nachlass) / Honig (geb. Hoffmann), Marie Valerie „Vally“ Hupka, Josef Franz / Hupka (geb. Brüll), Hermine
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit Jacobi, B. Jacobson, Maurice-Wolf Jaffé, Dr. Alfons Jellinek, Bruno Jellinek-Mercedes, Dr. Ferdinand Raoul Kallir-Nirenstein, Otto / Kallir-Nirenstein (geb. von Löwenstein), Franziska „Fanny“ Kann, Alphonse Kantor, Siegfried / Kantor (geb. Gelbkopf), Irma Kapferer Karpeles-Schenker, Emil (Nachlass) / Karpeles-Schenker (geb. Stiassny), Helene Katz, Nathan Ketschendorf (geb. Gutmann), Irma Kirstein, Berthold und Bettina Kirstein, Gustav (Nachlass) / Kirstein, Clara/Claire Klapholz, Benedikt / Klapholz (geb. Zelcer), Emilie Klemperer, Gustav v. (Nachlass) / Klemperer (geb. Engelmann), Charlotte v. Klemperer, Herbert-Otto v. / Victor v. Klemperer (Bruder) Klemperer, Viktor (Victor), Edler v. Klemenau / Reichenheim, Sophie (Ehefrau 1887–1976); Klemperer, Herbert v. (Bruder) / Reichenheim, Sophie (Ehefrau 1887–1976) Klinger, Norbert / Klinger (geb. Straus), Serafine Koenigs, Franz Kohn, Isidor (Nachlass) / Kohn (geb. Meissner), Camilla Königstein (geb. Rosenstraus), Natalie „Nettie“ Kornfeld, Felix Kraus, Gottlieb / Kraus (geb. Reif), Mathilde Krausz, Wilhelm Viktor / Krausz (geb. Cohn), Marianne Kronfeld, Arthur Kronig, Joseph Krüger, Hans Kuczynski, Jürgen Kuffner, Moriz / Kuffner (geb. Holitscher), Elsa Kuffner, Wilhelm (Nachlass) / Kuffner (geb. von Kuhner), Camilla Kulka, Adele Kulka (geb. Manes), Valerie „Wally“ Ladner, Oscar L. Lämmle, Siegfried Lanckoronski, Anton
Landowska / Wanda Lanyi, Richard / Lanyi, Anna Lanz, Otto Lasch, Agathe Lasus, Georg (Nachlass) / Lasus (geb. Vogel), Hermine Lazare, Raymond Lederer, August (Nachlass) / Lederer (geb. Pulitzer), Sidonie „Serena“ Lemberger (geb. Bettelheim), Rosa Levalocourt Leven Levi de Benzion, Moïse / Levi de Benzion (geb. Rebrassé), Paule-Juliette Levy, Mme. Roger Levy-Benzion Lewin, Leo Lieben (geb. Freiin Schey von Koromla), Mathilde Lilienfeld, Leon / Lilienfeld (geb. Schulz), Antonie Lindenbaum, Markus / Lindenbaum (geb. Simko), Melanie Lindenbaum (später Lindon), Alfred Lippmann/Rosenthal Lipschütz List, Adolf (Adolph) Littmann, Dr. Ismar Lobkowitz Loebl, Allen Loewell Löffler, Arnold / Löffler (geb. Schweinburg), Margit Löhner, Fritz / Löhner (geb. Jellinek), Helene Lourié, Arthur / Lourié (geb. Weiss), Marianne Löw, Wilhelm / Löw (geb. Bauer), Franziska „Fanny“ Löwenstein, Oscar / Löwenstein (geb. Sametz), Irma Lugt, Frits Magnus, Ernst / Ida geb. Horckheimer / Ida geb. Horckheimer Mahler-Werfel (geb. Schindler), Alma Mandel, Israel Mandl, Fritz Mannheimer, Fritz Mautner, Stephan / Mautner (geb. Eissler), Elsa Mayländer, Karl Mendelsohn, Edmund (Nachlass) / Mendelsohn (geb. Bettelheim), Adele Meyszner (geb. Strauss), Alice
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt Milhaud / Darius Morelli (geb. Havlicsek), Berta Morgenstern, Max / Morgenstern (Israel), Hertha Munk (geb. Pulitzer), Aranka Nathan, Henry Nathan, Hugo / Nathan, Martha Neumann, Oskar / Neumann (geb. Heilitsch), Therese Neumann, Richard / Neumann (geb. Neumann), Alice Nicolas, Etienne Nothmann, Berthold Oliven, Dr. Fritz Oppenheim, Franz / Oppenheim, Margarethe Oppenheimer, Jacob / Oppenheimer, Rosa Oppenheimer (geb. Todesco), Gabriele Perls, Hugo / Perls, Käte Petschek / Julius Piatigorski / Gregor Pick, Ignatz / Pick (geb. Fischer), Gisela Pick, Moric / Pick (geb. Kirschner), Irma Pick, Otto / Pick (geb. Pollack von Parnau), Katharina Polak, Jacob Pollack, Albert Pollack, Ernst / Pollack (geb. Neuman de Végvár), Gisela Pollak, Robert / Pollak (geb. Hirsch), Adele Popper-Podhragy, Ernst / Popper-Podhragy (geb. von Koerner), Ilse Popper-Podhragy, Leopold Prager, Arthur / Prager (geb. Stipsits), Agnes Priester, Julius / Priester (geb. Robicek), Camilla Priester, Leo / Priester (geb. Matathias), Lilly Pringsheim, Alfred / Pringsheim, Hedwig (geb. Dohm) Quittner, Alfred Redlich, Anton / Redlich (geb. Fürth), Marie Redlich, Fritz / Redlich (geb.von Taussig), Emilie Redlich (geb. Zuckerkandl), Amalie / Viktor (Bruder) Regenstreif, Paul / Regenstreif (geb. Wolf), Therese Reichel, Oskar / Reichel (geb. Kann), Malvine Reichenbach, Bernhard Reichmann, Arnim / Reichmann (geb. Mühlendorf), Rosa Reif, Heinrich
Reinach Reisinger, Andreas (Nachlass) / Reisinger (geb. Reiss), Luise Richter, Prof. Dr. Elise / Richter, Dr. hc. Helene Rieger, Heinrich / Rieger (geb. Klug), Berta Roden, Max / Kronburg, Alexandrine „Sascha“ Rosenberg, Paul / Rosenberg, (geb. Loevi), Marguerite Rosenberg-Bernstein Rosenstein, Sarah Rothberger, Heinrich / Rothberger (Burkhardt), Ella Rothberger, Moriz Rothschild, Alphonse / Rothschild (geb. Sebag-Montefiore), Clarice Adelaide Rothschild, Edmond, Baron de Rothschild, Eduard, Baron de Rothschild, Henri de Rothschild, Louis Rothschild, Maurice de Rothschild, Robert, Baron de Rouff, Jules Rüdenberg, Max Ruhmann, Franz Sachs, Carl Schiff-Suvero (geb. Reitzes), Emma Schloss, Adolphe Schoenberg, Gustav / Schoenberg (geb. Peters), Louise Schüller, Ludwig (Nachlass) / Schüller (geb. von Taussig), Gertrude Schwabach, Paul von (Nachlass) / Schwabach, (Ehefrau) Schweinburg, Eduard / Schweinburg (geb. Pollak), Gisela Seligmann, Jacques Seligmann, Jean Albert Seligmann, Jean Andre Silberberg, Max Silberman, Elkan / Silberman, Abraham Simon, Hugo Simon, Josef (Nachlass) / Simon (geb. Deutsch), Louise Simon-Levy, Singer (geb. Schlesinger), Marianne Sonnenfeld, Alfred / Sonnenfeld (geb. Stein), Irmgard Springer (geb. Rothschild), Valentine Steiner (geb. Pulitzer), Eugenie „Jenny“ Steiner, Klara Steinthal, Max
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit Stern, Dr. Max Stern, Jaques Stiasny, Paul / Stiasny (geb. Zuckerkandl), Eleonore „Nora“ Strauß, Ottmar Terramare, Georg / Terrel (geb. Erna Beutel), Erni Thierry Thorsch, Alfons / Thorsch (geb. Spitzer), Marie Tietz, Fritz / Tietz, Eugen Toepfer, Dr. Ludwig Trebitsch, Siegfried / Trebitsch (geb. Keindl), Antonia Trosch Unger, Fritz / Unger (geb. Arens), Anna Wassermann, Dr. Melville Wassermann, Oscar / Käthe Wassermann, geb. Haupt (1925, 2. Eheschließung) / Käthe Wassermann, geb. Haupt (1925, 2. Eheschließung) Weil, Prosper-Emile
Weil-Picard Weinberg, Carl von Weiner, Alexander / Weiner (geb. Freyhan), Irma Weinstein, Leopold Weiss, Luise Wertheim, Georg Wertheimer, Pierre / Wertheimer, Paul Westfeld, Walter Westheim, Paul / Frenk-Westheim, Mariana Wildenstein, Georges Winter (geb. Auspitz), Josefine Wittgenstein, Paul / Wittgenstein, Hermine Wolff-Knize, Friedrich „Fritz“ / WolffKnize (geb. Rothmüller), Annie Wolfsohn Wooster, Frank / Wooster (geb. Springer), Mary Zemlinsky, Alexander / Zemlinsky (geb. Sachsel), Luise Zsolnay, Paul Zuylen, Helene de
Darüber hinaus befindet sich in Anlage II l der Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, eine Auflistung beschlagnahmter Musikalien und Bibliotheken.865 Auch diese Liste ist auf der Internetseite www.lostart.de der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste veröffentlicht und wird dort nach den neuesten Forschungsergebnissen fortlaufend aktualisiert:866 Musikalien/Bibliotheken Beschlagnahmte Musikalien – Musikinstrumenten-Sammlung der jüdischen Musikerin Wanda Landowska – Musicalia-Sammlung des jüdischen Komponisten Darius Milhaud – Musicalia-Sammlung des Cellisten Gregor Piatigorski Beschlagnahmte Bibliotheken – Bibliothek der Alliance Israélite Paris – Privatbibliothek des Direktors der Alliance Israelite Paris, Sylvain Levy – Bibliothek der „Ecole Rabbinique“, Paris
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Anlage II l der Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 72. Quelle: http://www.lostart.de/provenienz/index.php3?seite=raubkunst.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt – – – – – –
475
Finden sich in der Provenienz eines zu erwerbenden Objektes Verweise auf diese Musikalien oder Bibliotheken, ist erhöhte Vorsicht geboten und es sind weitergehendere Provenienzerforschungen zu unternehmen; anderenfalls ist der Erwerber als bösgläubig zu bezeichnen und ein gutgläubiger Erwerb hat auszuscheiden.
2. 476
Bibliothek der Féderation des Société des Juifs de France Turgenjew-Bibliothek, Paris gesamte Korrespondenz von Leon Blum und Delbos, Mme. Talbois Akten und Dokumente der Loge „Groß-Orient de France“ Akten und Dokumente der „Grand Loge de France“. Claire und Ivan Goll (Korrespondenz, Manuskripte und anderes Schriftgut)
Signaturen der Eigentümer oder vergleichbare Kürzel zur Bestimmung der Provenienz
Da in der Mehrzahl der Fälle die jüdische Provenienz des Kunstwerks dem Erwerber nicht direkt positiv bekannt gewesen sein wird, kommt es entscheidend darauf an, ob dem Erwerber die Herkunft des zu erwerbenden Kunstwerks ohne besondere Aufmerksamkeit aufgrund besonderer Indizien erkennbar gewesen ist.867 Ein solches Hinweiszeichen auf den nationalsozialistisch bedingten Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- oder entarteten Kunstcharakter stellen die auf den geplünderten und unrechtmäßig entzogenen Kunstwerken angebrachten Signaturen der Eigentümer oder vergleichbare Kürzel zur Bestimmung der Herkunft dar. So könnte die jüdische Provenienz eines zu erwerbenden Kunstwerks etwa daran erkennbar sein, dass auf der Rückseite der Name des früheren Eigentümers und dabei eine Jahreszahl oder eine andere Angabe, die auf eine Besitzzeit zwischen den Jahren 1933 und 1945 aufmerksam macht, angebracht sind.868 Innerhalb der Handreichung sind auch Hinweise auf Signaturen und Kürzel als Indizien einer jüdischen Provenienz kultureller Wertgegenstände vermerkt.869 Vgl. etwa: – – – – – –
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Sammlung Levy de Benzion (Frankreich) [Signatur: LB] Sammlung Baron Cassel (Frankreich, NS-„Aktion Berta“) [„Berta“] Sammlung van Cleef [Signatur: CLF] Sammlung David David-Weill (Frankreich) [Signatur: D-W] Sammlung Alphonse Kann (Frankreich), [Signatur: KA, ka] Sammlung der Familien Rothschild (Wien und Paris) [z.T. Invent.-Nr: „R …“]
Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 202. Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 203–206. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 68–71.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Vor Gericht erklärte bspw. der Eigentümer der in Frankreich geplünderten Gemälde, Paul Rosenberg, in der Entscheidung Bührle gegen Fischer 870, dass er seine Bilder zwar nicht mit seinen Initialen bezeichnet hatte, sondern mit einer Nummer, die auf das Lager Bezug nahm, und meist auch mit einer zweiten Nummer, die auf die jeweilige photographische Reproduktion verwies, und somit eine Zuordnung an ihn erkennbar gewesen sei (auch wenn dies wohl ausschließlich für professionell am Kunsthandel Beteiligte gilt): „Au dos des tableaux, je n’avais pas coutume de faire des inscriptions et je n’y portais même pas des initiales. Parfois le tableau portait une étiquette avec le numéro du stock et la plupart du temps les lettres ‹Ph› et le numéro de la photographie, parce que la référence à la photographie donne le plus de sûreté.“871
477
Rudolph weist in ihren Untersuchungen zur Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz auf das Beispiel der Sammlung des Berliner Bankiers Max Steinthal hin, der zahlreiche seiner Gemälde auf der Ausstellung Hundert Jahre jüdische Kunst aus Berliner Besitz von Dezember 1937 bis Januar 1938 im Jüdischen Museum zur Schau stellte. Dabei wurden sämtliche Werke mit einem Etikett mit dem Titel „Kunstsammlung der jüdischen Gemeinde Berlin“ versehen. Die Kunstwerke aus dieser Sammlung wurden nach dem Tod von Max Steinthal und seiner Ehefrau Fanny von deren nichtjüdischem Schwiegersohn und Testamentsvollstrecker Richard Vollmann während Andauer des Zweiten Weltkrieges zum Schutz vor Zerstörung infolge der Bombenangriffe auf Berlin in seine Villa in Dresden verlagert. Nach dessen Flucht aus der DDR im Jahr 1950 wurden die Gemälde beschlagnahmt und in den Depots der Dresdner Museen eingelagert.872 „Aufgrund dieses Etiketts konnten die Gouache und mit ihr weitere 59 Gemälde, Zeichnungen und Lithographien aus dem Kunstbesitz von Max Steinthal im Jahr 2002 von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, wo sie sich seit 1953 als „Verwahrgut Konsul Vollmann“ befanden, als „jüdischer Fremdbesitz“ identifiziert und an die Erben von Max Steinthal zurückgegeben werden.“873 Für Rudolph erscheint es nicht ausgeschlossen, dass ein Kunstwerk aus dem Bestand der Max Steinthal Sammlung auch in der heutigen Zeit auf dem Kunstmarkt auftaucht. Handele es sich dabei bspw. um die Gemälde ‚Boulevard‘ und ‚Hafen
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Entscheid der Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen vom 5. Juli 1951 i.S. Emil Bührle gegen Theodor Fischer, Kommanditgesellschaft Galerie Fischer und Schweizerische Eidgenossenschaft (R 3/III, 5/A, 10/B, 16bis). Zitiert bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 378–381. Vgl. Tatzkow/Frost in Jüdisches Museum Berlin, Max Steinthal – Ein Bankier und seine Bilder, 2004, S. 40–41; Rudolph, Die drei Segel der Sammlung Steinthal – Eine Restitutionsgeschichte mit Auktionen bei Sothebys, NZZ, Artikel vom 30./31. Oktober 2004, S. 37; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 203–206. Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 203–206.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
von Dieppe‘ von Camille Pissarro, die ebenfalls in der Ausstellung Hundert Jahre jüdische Kunst aus Berliner Besitz von Dezember 1937 bis Januar 1938 im Jüdischen Museum zur Schau gestellt und vermutlich ebenfalls mit dessen Ausstellungsvermerk versehen wurden, müsste die jüdische Abstammung des früheren Eigentümers einem Erwerber erkennbar sein874 und diesen zu weiteren Nachforschungen motivieren, um einen Raubkunstcharakter auszuschließen und seine Gutgläubigkeit zu wahren. 479
Darüber hinaus könnte die jüdische Provenienz des zur Veräußerung anstehenden Kunstwerks daran erkennbar sein, dass es kurze Zeit vor oder während der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft in den Jahren 1933 bis 1945 öffentlich in einer Ausstellung zur Schau gestellt wurde und der Ausstellungskatalog bspw. den Eigentümer namentlich bezeichnet. Solche Indizien für einen ‚verdächtigen‘ Erwerb sind jedoch wohl nur spezialisierten Museen, Kunsthändlern, Galeristen und Auktionshäusern erkennbar, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit sich besonders mit diesem Künstler, dieser Kunstgattung oder sonstigen außergewöhnlichen Wissensumständen auseinanderzusetzen haben. Hier kommt es – wie eigentlich immer aufgrund der Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs – auf die Umstände des Einzelfalls an. Eine Informationsgewinnung ist heute jedoch wesentlich einfacher möglich, weil zahlreiche Auktionskataloge und Bestandsverzeichnisse dieser Zeit im Zuge der Provenienzrecherche erneute Veröffentlichung oder Kommentierung in der Sekundärliteratur fanden.
3.
480
Hinweise auf nationalsozialistische Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes und deren Signaturen
Neben den Hinweisen auf eine jüdische Provenienz erwecken vornehmlich Anzeichen einer Beteiligung nationalsozialistischer Dienststellen und Verantwortlicher des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes und deren Signaturen den Verdacht, dass es sich bei einem Kunstwerk um Beutekunst, Raubkunst oder entartete Kunst handelt. Eine Übersicht über die bekanntesten Plünderungsorganisationen und – nach der Terminologie des nationalsozialistischen Unrechtsregimes – ‚Dienststellen‘ findet sich in Anlage II c der Handreichung 875 und erfährt im Internet ständige Aktualisierung unter www.lostart.de der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste.
874
875
Vgl. zum Ganzen Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 203–206. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 54.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Dienststellen und auf Kulturgutraub spezialisierte Organisationen der NS-Zeit – Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) – Sonderkommando Künsberg (angegliedert an das Auswärtige Amt) – Abt. VI G des Reichssicherheitshauptamtes – Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (Rosenberg) – SS-Organisation „Das Ahnenerbe“ (Himmler) – Kommission „Sonderauftrag (Führermuseum) Linz“ – Kunstschutz der Wehrmacht (im besetzten Ausland) – Deutsche Botschaft Frankreich – Dienststelle Mühlmann (Niederlande und Belgien) – Devisenschutzkommando (Finanzministerium, Abt. für Belgien/Frankreich und Abt. Holland) – Kunstsammlung Göring (gewisser Organisationsgrad, Käufe zu einem Großteil aus öffentlichen Mitteln finanziert) – Deutsche Reichsbank (gehörte als Zentral- und Staatsbank NS-Deutschlands zu den Hauptakteuren auf dem französischen Kunstmarkt).
481
Darüber hinaus kann für Verkäufe jüdischer Kunst ins Ausland die Genehmigung der sog. Ankaufstelle der Reichskammer der bildenden Künste ein Hinweis auf den Beute- und Raubkunstcharakter eines Kulturguts sein. Der Vermerk „Buchleitstelle“ weist dabei auf die Vermittlung von Objekten über die Abteilung Erfassung und Sichtung des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg (ERR) hin (Weiterführung der Arbeit ab Oktober 1943 in Ratibor).876 Diese Institution nimmt innerhalb der unrechtmäßigen Entziehungstatbestände der Beute- und Raubkunst eine besondere Stellung ein und steht im Zusammenhang mit den Aktivitäten der sog. Hohen Schule.877
482
Eine Auflistung der staatlich Verantwortlichen des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes, teilweise auch mit deren Kürzeln, findet sich in der
483
876
877
Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 54. Die Hohe Schule wurde im Jahre 1938 auf Betreiben Alfred Rosenbergs als Groß-Projekt gegründet. Alle Forschungsinstitute der Hohen Schule waren mehr oder weniger eingebunden in den Kulturraub des ERR. Die Zentralbibliothek der Hohen Schule und deren Leiter, Dr. Grothe, wählten in den Jahren 1940–1941 in Paris Bücher und Dokumente aus den Plünderungen in Frankreich für ihre Zwecke aus. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion erfolgte darüber hinaus die Einrichtung einer Ostbücherei, die Zuweisungen vom ERR erhielt und am meisten von den dortigen Plünderungen profitierte. Das Institut zur Erforschung der Judenfrage ist erste Außenstelle der Hohen Schule in Frankfurt am Main und wurde im Jahre 1939 gegründet. Den Grundstock der Bibliothek stellten die Altbestände an Judaica und Hebraica der Frankfurter Universitätsbibliothek und die in den westlichen Ländern beschlagnahmten Bibliotheken dar. Aus den Beschlagnahmungen des ERR in der Sowjetunion erhielt sie jiddische Literatur, Talmudica etc. Vgl. hierzu Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 59.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Anlage II d der Handreichung. Eine konsolidierte Liste ist auch auf der Internetseite www.lostart.de der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste veröffentlicht und wird dort nach den neuesten Forschungsergebnissen fortlaufend aktualisiert.878 Stellt ein Erwerber kultureller Wertgegenstände somit heute fest, dass zwischen 1933 und 1945 ein Zusammenhang zwischen dem zu erwerbenden Kunstwerk und einer der in der konsolidierten Liste der beteiligten nationalsozialistischen Dienststellen und Verantwortlichen des NS-Kulturgutraubes besteht, muss der Erwerber weitere Nachforschungen betreiben, um den notwendigen Sorgfaltsanforderungen zu genügen und den Beute- und Raubkunstcharakter auszuschließen. Abb, Dr. Gustav (Dir. UB Berlin, Leitung Sonderstab „Bibliotheksschutz“ in den besetzen Ostgebieten, Angliederung an ERR) Abetz, Otto (Paris, (seit 1935 FrankreichReferent in der Dienststelle Ribbentrop, 1938 Hauptreferent West, 1940–44 Botschafter in Paris) Adolph, Wüster Ahnenerbe e.V., Forschungsgemeinschaft Auswärtiges Amt (AA) BDA Bundesdenkmalamt Kurt Freiherr von Behr (Leiter des Einsatzstabes Westen ERR, Leiter des „Sonderstabes Bildende Kunst“, Stellvertreter Utikals, Leiter der „M-Aktion“) Bergmann, Dr. Hans Binder, Dr. (Berliner Kunsthändler und -Spezialist , Berater Görings, Vorgänger Hofers) Bodenschatz, General Karl (Leiter des „Kunstfonds Göring“) Boeck, Dr. von (Leiter der „Feindvermögensstelle“ Holland) Bohrmann, Martin (1900–1945) Braumüller, Dr. Wolff (ERR) Breker, Arno (1900–1991) Bunjes, Dr. Hermann (Berater und Vermittler für Görings Kunstkäufe, seit 1942 Leiter der Kunsthistorischen Forschungsstätte, Verbindungsmann Görings zum ERR) Darquier de Pellepoix, Louis Darré, Richard Walther (1895–1953) Deutsche Golddiskont-Bank (Dego) Devisenschutzkommando Devisenstellen
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Dienststelle Mühlmann Dienststelle Ribbentrop Dworschak, Dr. Fritz (für „Sonderauftrag Linz“, Münzkabinett) Ebert, Georg (Leiter des Aufbaustabs des ERR in Paris bis Anf. 1941, Vorgänger von Gerhard Utikal) Eigruber, August (1907–1947) Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) Feindvermögensverwaltung Frank, Hans (1900–1946) Freiherr von Behr, Kurt Freiherr von Künsberg, Eberhard Frick, Wilhelm (1877–1946) Fuchs, Dr. Hermann (ERR, Bibliotheksschutz) Generalgouvernement Gerigk, Dr. Herbert (Musikhistoriker, seit 1943 Leiter der Hochschule für Musik in Leipzig, Leiter des „Sonderstabes Musik“ des ERR) Giesler, Hermann (1898–?) Goebbels, Joseph (1897–1945) Goepel, Dr. Erhard (agierte in Holland, Chefeinkäufer für Posse im Westen) Göring, Hermann (1893–1946) Graf von Baudissin, Klaus (1891–1961) (Essen) Graf von Metternich, Franz Graf zu Solms-Laubach, Dr. Ernstotto Gritzbach, Dr. (Staatsrat, Berlin, Finanzen der Kunstkäufe Görings) Haberstock, Karl (Berliner Kunsthändler, Mitglied der Verwertungskommission zur Beseitigung „entarteter Kunst“, Berater „Sonderauftrag Linz“)
Quelle: http://www.lostart.de/provenienz/beteiligte.php3?kat=2.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit Hannema, Dirk (Mitglied von Seyß-Inquarts holländischer „Kulturkammer“, seit 1942 Leiter der holländischen Museen) Hehn, Dr. Jürgen von (1939 Leiter der Buchsammelstelle der Universität Posen, bis 1941 in der Publikationsstelle BerlinDahlem, 1941–43 im „Sonderkommando Künsberg“, danach Mitarbeit in der Abteilung VI G des Reichssicherheitshauptamtes) Philipp Prinz von Hessen (u.a. Ankäufer für den Sonderauftrag Linz, bes. Italien) Heydrich, Reinhard (1904–1945) Himmler, Heinrich (1900–1945) Hinkel, Hans (1901–1960) Hofer, Walter Andreas (Kurator und Kunsthändler Görings) Hoffmann, Heinrich (Fotograf, Kunstberater Hitlers für „Sonderauftrag Linz“) Holst, Dr. Niels von (Kunsthistoriker, Mitarbeiter im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und im Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, speziell im Baltikum und Osteuropa tätig) Holzinger, Dr. Ernst Hummel, Dr. Hellmuth von (Sekretär Martin Bormanns, aktiv bei Auswahl des konfiszierten Materials für „Sonderauftrag Linz“) Klihm, Dr. Hans Helmut (Mitarbeiter Hans Posses) Koch, Erich (Reichskommissar für die Ukraine) Krallert, Wilfried (1941–43 im „Sonderkommando Künsberg“, danach Mitarbeit in der Abteilung VI G des Reichssicherheitshauptamtes, Leiter der „Reichsstiftung für Länderkunde“) Kraut, Dr. Alfred (Generaltreuhänder für die Sicherstellung der Kulturgüter, Reichshauptstelle, „Ahnenerbe“) Kümmel, Otto (1874–1952) Eberhard Freiherr von Künsberg (Legationsrat im Auswärtigen Amt, Leiter des „Sonderkommando Künsberg“) Kunstschutz des Oberkommandos des Heeres Lammers, Dr. Hans Heinrich (Chef der Reichskanzlei, Finanzen für „Sonderauftrag Linz“) Limberger, Gisela (seit 1942 Privatsekretärin Görings, inventarisierte u.a. Görings Kunstwerke)
Lohse, Bruno (zweiter Verbindungsmann Görings zum ERR, als Kunsthändler für Göring, „Sonderauftrag Linz“, Speer und Bormann tätig) Manowsky, Prof. Walter Mühlmann, Kajetan (seit 1938 Staatssekretär für Kunst in Wien, für den Reichskommissar für die besetzten niederländischen und polnischen Gebiete tätig, spielte bedeutende Rolle beim Kunstraub in Polen und den Niederlanden; sein Halbbruder Joseph Mühlmann verwaltete das Pariser Büro der Dienststelle) Niedermeyer, Ferdinand (vormals Direktor der Deutschen Bank in Berlin, während der Besetzung seit 1941 „Verwalter des dem Reich verfallenen Vermögens im Bereich des Militärbefehlshabers in Frankreich“, sog. „Arisierungskommissar“) Oehler, Dr. Richard Oertel, Dr. Robert (Mitarbeiter Hans Posses) Palèzieux, William Ernst de (Kurator des Generalgouverneurs Hans Frank, ersetzte Mühlmann) Louis Darquier de Pellepoix („Generalkommissar für Judenfragen“ der VichyRegierung) Plietzsch, Edouard (Kunsthistoriker und -händler aus Berlin, Mitarbeiter der Dienststelle Mühlmann) Poensgen, Dr. Georg (Referent für den militärischen Kunstschutz für Militärverwaltung Osten) Posse, Dr. Hans (Leiter der Dresdner Gemäldegalerie und zugleich Organisator des „Führermuseums Linz“) Reger, Hans (registrierte Kunstwerke für „Sonderauftrag Linz“) Reichsfinanzverwaltung Reimer, Dr. Gottfried (Mitarbeiter Hans Posses) Reinerth, Dr. Hans (Prähistoriker, Leiter des „Sonderstabes Vor- und Frühgeschichte“ des ERR, Kulturgutraub vornehmlich in der Sowjetunion) REM Reichserziehungsministerium Rippentrop, Joachim von (1893–1946) RKbK Reichskammer der Bildenden Künste RKK Reichkulturkammer RKV Reichskommissar für die Behandlung feindlichen Vermögens
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt RMdI Reichsministerium des Inneren RMVP Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda RMWEV Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung RSHA Reichssicherheitshauptamt Ruprecht, Dr. Leopold (für „Sonderauftrag Linz“, Waffensammlung) Rust, Bernhard (1883–1945) Schiedlausky, Gunther (Kunsthistoriker, ERR) Schilde, Dr. Gerhard (Dienststelle ERR Paris, „Kommando Schilde“ für Reval) Scholz, Dr. Robert (Rosenbergs langjähriger Kunstexperte, „Sonderstab Bildende Kunst“) Schubert, Dr. Franz (Mitarbeiter Hans Posses) Schumann, Wilhelm SD Sicherheitsdienst Seyss-Inquart, Arthur (1892–1946) Sievers, Wolfram und Harmjanz, Prof. Heinrich (Generaltreuhänder Ost in den angegliederten polnischen Gebieten, „Ahnenerbe“) Soko K Dr. Ernstotto Graf zu Solms-Laubach (Referent für den militärischen Kunstschutz für Militärverwaltung Osten) Sonderstab Bildende Kunst
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Sonderstab Musik Speer, Albert (1905–1981) Streicher, Julius (1885–1946) Stürmer-Bibliothek Utikal, Gerhard (Reichshauptstellenleiter ERR Frankreich, Leiter der „Zentralstelle zur Erfassung und Bergung von Kulturgütern“ in den besetzten Ostgebieten) Voss, Dr. Hermann (ehem. Leiter der Wiesbadener Gemäldegalerie, Nachfolger von Posse 1943) VUGESTA Verwertungsstelle für jüdisches Umzugsgut der GESTAPO Wolffhardt, Dr. Friedrich (für „Sonderauftrag Linz“, Bibliothek) Wolters, Dr. Alfred Adolph Wüster (Konsul, Kulturattaché der deutschen Botschaft in Paris, Gelegenheitskunsthändler für Ribbentrop) Zeitschel, Carltheo (hochrangiger Botschaftssektretär in Paris, verantwortl. für Beschlagnahmungen jüdischen Besitzes) Ziegler, Adolf (1892–1952) Zipfel, Dr. (ab 1940 „Kommissar für Archivschutz“ im westlichen Operationsgebiet, dann Leiter der „Archivschutzkommision“ bzw. des „Sonderreferats Archivwesen“ im Ostministerium, Zusammenarbeit mit ERR)
Schließlich sprechen auch seitens der nationalsozialistischen Plünderungsbehörden und -organisationen sowie seitens der einzelnen Verantwortlichen angebrachte Signaturen und Kürzel für den Beute- und Raubkunst-, sowie entarteten Kunstcharakter zahlreicher Objekte. Nach der Sicherstellung der als entartet qualifizierten Kunstgegenstände stellte sich bspw. die Frage nach dem weiteren Verbleib dieser Werke. Die beschlagnahmten Kunstobjekte wurden zunächst nach Berlin transportiert und dort zuerst in einem Depot auf der Köpenicker Straße und später im Schloss Niederschönhausen außerhalb Berlins untergebracht.879 Die sichergestellten Kunstwerke wurden mit Inventarnummern versehen, die mit blauem Stift auf den Keilrahmen der Gemälde angebracht oder auf Klebezettel gedruckt wurden und sich bei Arbeiten auf Papier auf der Rückseite oder dem Passepartout befanden. Die höchste Inventarnummer war die Nummer 16558. Entsprechendes gilt für die Raubkunst: Vor Gericht erklärte bspw. in der Ent879
Vgl. Nicholas, Der Raub der Europa – das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich, 1995, S. 35–37; Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn – Kunst und Politik im Dritten Reich, 1999, S. 100; Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2559–2561.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
scheidung Bührle gegen Fischer 880 der Eigentümer von zahlreichen in Frankreich seitens der nationalsozialistischen Besatzungsbehörden und -organisationen geplünderten Gemälden, Paul Rosenberg, dass die nationalsozialistischen Plünderungsbehörden auf die Rückseite der Kunstwerke zur Katalogisierung der entzogenen Gegenstände seinen Namen geschrieben hätten: „Les Allemands ont mis au dos de chaque tableau les mots ‹Paul Rosenberg, Bordeaux›. Toutes les inscriptions sont de la même main, écrites à l’encre indélébile. Or moi-même, je n’ai jamais inscrit mon nom au dos des tableaux, et je n’avais d’ailleurs pas de galerie à Bordeaux.“ 881 Nicht zu Unrecht gehen dementsprechend Francini, Heuss und Kreis in ihrer Untersuchung davon aus, dass zumindest die professionell am Kunsthandel beteiligten Kunsthändler und -experten, Galeristen, Auktionshäuser und Museen nicht nur heute, sondern schon zum Zeitpunkt der Kriegswirren hätten wissen müssen, dass der weltweit bekannte Rosenberg in Bordeaux keine Galerie führte und somit die Bezeichnung und dessen Signatur auf den Gemälden seltsam anmutete und zu Nachforschungen motivieren musste.882 Zumindest seit Beginn der in den 1990er Jahren erfolgten Provenienzrecherchen und Aufarbeitungen des nationalsozialistischen Kunsthandels ist bspw. die jüdische Provenienz eines Kunstwerks unter anderem daran erkennbar, dass auf ihm die Signatur „AR“ und „LR“ oder etwa „LB“, „D-W“ oder „KA“ angebracht ist. Seit Veröffentlichung der sog. Handreichung, deren Inhalt selbstverständlich nicht nur die professionell im Kunsthandel beteiligten Galeristen, Kunsthändler, Auktionshäuser und Museen, sondern auch Privatsammler kennen müssen, besteht darüber Auskunft. Mit den genannten Signaturen hat der ERR Kunstwerke versehen, die er aus jüdischen Sammlungen im besetzten Frankreich beschlagnahmt hat. „Die Signaturen „AR“ und „LR“ erhielten oftmals diejenigen Kunstwerke, die für das Führermuseum Linz bestimmt waren.883 Die Signaturen „LB“, „D-W“ und „KA“ dagegen kennzeichnen Kunstwerke, die aus den Sammlungen Levy de Benion, David-Weill und Alphonse Kann stammen.“ 884 880
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Entscheid der Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen vom 5. Juli 1951 i.S. Emil Bührle gegen Theodor Fischer, Kommanditgesellschaft Galerie Fischer und Schweizerische Eidgenossenschaft (R 3/III, 5/A, 10/B, 16bis). Zitiert bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 378–381. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 378–381. Vgl. die Hinweise in der sog. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NSverfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 12. In dieser Auflistung der jüdischen Sammler, denen während der Herrschaft des Nationalsozialismus Kunstwerke entzogen worden sind, ist bei denjenigen, die in Frankreich gelebt haben, soweit bekannt, hinter dem Namen die Signatur angegeben, mit welcher der ERR die Kunstwerke aus ihren Sammlungen versehen hat. Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 225–226.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Heute darf sich niemand mehr auf Nichtwissen berufen, wenn bspw. auf der Rückseite eines Gemäldes eine entsprechende Signatur angebracht ist, sondern man hat dementsprechend weitere Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers zu unternehmen. Stellt ein Erwerber kultureller Wertgegenstände somit fest, dass Anzeichen einer Beteiligung nationalsozialistischer Dienststellen und Verantwortlicher des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes und deren Signaturen an einem zu erwerbenden Kunstwerk bestehen (und stand das Kunstwerk möglicherweise zusätzlich zu diesen Hinweisen auf eine unrechtmäßige Entziehung zwischen 1933 und 1945 im Bestand einer in der konsolidierten Liste jüdischer Privatsammler und Kunsthändler genannten jüdischen Personen), muss zunächst davon ausgegangen werden, dass das Objekt unrechtmäßig entzogen und dem Eigentümer während dieser Zeit abhandengekommen ist. Ein Erwerb ist nur dann nicht grob fahrlässig und dementsprechend gutgläubig, wenn der Erwerber weitere Nachforschungen betreibt, um den notwendigen Sorgfaltsanforderungen zu genügen und den Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- oder entarteten Kunstcharakter auszuschließen. Unterlässt der Erwerber in diesem Fall jedoch eine weitere Provenienzerforschung, muss er entweder Abstand von dem Kulturguterwerb nehmen oder ist als bösgläubig zu bezeichnen, sodass eine bona fide-Akquisition ausscheidet.
4.
Beteiligung nationalsozialistischer Kunsthändler als Anzeichen einer Veräußerung von Beute-, Raub- und ‚entarteter‘ Kunst
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Besonders heute stellt eine Notiz innerhalb der Provenienz eines Kunstwerks, die auf eine Veräußerung durch einen Kunsthändler schließen lässt, der in den Handel mit in den besetzten Territorien entzogenen Kunstwerken involviert war, ein deutliches Hinweiszeichen auf eine kriegsbedingte Entziehung durch die nationalsozialistischen Plünderungsbehörden und dementsprechend auf den Beutekunstcharakter dar. So hat bspw. Art Newspaper im Januar 1999, als die Debatte um die Restitution NS-bedingter Kulturgutverluste ihren ersten Höhepunkt erreichte, auf ihrer Webseite eine Liste des U.S. Office of Strategic Services aus dem Jahre 1946 von Personen veröffentlicht, die im Kunsthandel mit den Nationalsozialisten involviert waren.885
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Freilich spricht für die Gutgläubigkeit eines Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zunächst das Argument, dass ein Erwerb mittels einer öffentlichen und durch eine renommierte Galerie vorgenommenen Veräußerung an sich keinen Anlass zu weiteren Nachforschungen gibt. Dass die Akquisition eines 885
Vgl. Art Newspaper, The Art Trade under the Nazis: The Not so Secret List, Artikel vom Januar 1999. Vgl. heute hierzu und zu weiteren Hintergrundinformationen zu den Personen auf der Liste die Aufzeichnung der U.S. National Archives and Record Administration (NARA), www.archives.gov/research_room/Holocaust_era_assets/art.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
Kunstwerks im seriösen Handel einen Anhaltspunkt für die Berechtigung zur Veräußerung liefert, wurde auch in der Regressklage Bührle gegen Fischer 886 seitens der Raubgutkammer betont: „Die Person eines seriösen und bekannten Verkäufers allein schon kann dem Käufer eine Garantie für einwandfreie Qualität und Herkunft der Bilder bieten. … Theodor Fischer zählte nun zu den bedeutendsten schweizerischen Kunsthändlern, dessen Name im In- wie im Auslande guten Klang hatte und dem alles Vertrauen entgegengebracht werden durfte.“ 887 Auch die Veräußerung der durch das nationalsozialistische Unrechtsregime verstaatlichten Kulturgüter mittels eines renommierten Kunsthauses – wie bspw. die in der Schweiz mit der Verwertung einiger der als entartet sichergestellten Kunstobjekte betraute Galerie Fischer aus Luzern, die zu dieser Zeit einen sehr guten Ruf genossen habe – müsse aus Sicht der Erwerber ebenfalls gegen eine Unrechtmäßigkeit der Herkunft sprechen.888 Diese Argumentation wurde auch im Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 25. Juli 1953 889 zur Begründung der Gutgläubigkeit aufgegriffen, in welchem die Rückforderung eines in Frankreich von den Nationalsozialisten geraubten Bildes zu beurteilen war: „Nach den Ausführungen der Klage hat der Beklagte das Gemälde bei Rodolphe Dunki gekauft. Dieser war, wie sich aus den bei A. Hausammann, Dr. Nathan und Dr. O. Reinhart eingeholten Auskünften einhellig und mit aller Deutlichkeit ergibt, in Händler- und Sammlerkreisen hoch angesehen und als absolut ehrlicher und zuverlässiger Händler bekannt. Unter diesen Umständen habe der Beklagte nicht den geringsten Anlass zur Annahme, Dunki oder sein Vormann könne auf unrechtmässige Weise in den Besitz des Bildes gelangt sein.“ 890 886
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Entscheid der Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen vom 5. Juli 1951 i.S. Emil Bührle gegen Theodor Fischer, Kommanditgesellschaft Galerie Fischer und Schweizerische Eidgenossenschaft (R 3/III, 5/A, 10/B, 16bis). Vgl. zu diesem Entscheid Kreis, Die Schweiz und der Kunsthandel 1939–1945, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen, Hintergründe, 1998, S. 129 ff.; Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 136 ff.; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 203 ff.; Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 401 ff.; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 52–55; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. auch die Zitierung bei Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256. Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 25. Juli 1953, abgedr. in SJZ 51 (1955), S. 55. Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 25. Juli 1953, abgedr. in SJZ 51 (1955) 55, auch zitiert bei Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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Auch die deutschen Gerichte haben bei dem zurückverlangten Aquarell ‚Zwei schwarze Flecke‘ (1923) von Wassily Kandinsky (s. Abb. 14) den Eigentumsherausgabeanspruch in 1. und 2. Instanz unter Berufung auf die Gutgläubigkeit des Privatsammlers abgelehnt, der das Gemälde im Jahre 1989 beim Kölner Auktionshaus Lempertz ersteigert hatte. Das Gemälde war als private Leihgabe im Jahre 1926 dem Provinzial-Museum Hannover anvertraut worden, dann von den nationalsozialistischen Säuberungsbehörden als entartet qualifiziert und aus dem Bestand des Museums ‚sichergestellt‘ worden, und wurde später im Jahre 1989 von dem Bergisch Gladbacher Sammler Paul Heinz Bendix beim Kölner Auktionshaus Lempertz ersteigert. Dieser stellte das Werk im Jahre 1992 in einer Kandinsky-Schau der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf aus. Dort wurde es von Jen Lissitzky, dem Rechtsnachfolger der ursprünglichen Eigentümerin Sophie Küppers, spätere Ehefrau des russischen Malers, Kunstsammlers und Architekten El Lissitzky, entdeckt und daraufhin als zum Nachlass seiner Eltern gehörend herausverlangt. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen, weil Bendix das Bild gutgläubig erworben habe. Er sei vor dem Kauf nicht verpflichtet gewesen, eine „lückenlose Herkunftsrecherche durchzuführen“ 891. Der Erwerber habe sich darauf verlassen dürfen, dass das renommierte Auktionshaus das Bild befugt anbietet.892
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Trotzdem ist bspw. bei solchen Kunsthändlern, die sich direkt aus den Beständen der etwa innerhalb Frankreichs beschlagnahmten Vermögenswerte im Jeu de Paume oder weiteren kleineren nationalsozialistischen Sammelstellen bedienten, zweifelsohne davon auszugehen, dass sie zum damaligen Zeitpunkt über die wahren Umstände der Beschlagnahme vorwiegend privater jüdischer Vermögenswerte informiert und über die Widerrechtlichkeit der Maßnahmen im Bilde waren. Hinsichtlich der kulturellen Beutenahme in Frankreich ist etwa eine „jüdische Provenienz des zu erwerbenden Kunstwerks … zum einen daran erkennbar, dass es während der Besetzung Frankreichs von einem Kunsthändler veräußert worden ist, der sich seine Ware vom ERR, der sich eines Teils der von ihm beschlagnahmten Kunstwerke durch Verkauf oder Tausch entäußert hat, bzw. unmittelbar oder durch französische Händler von jüdischen Sammlern beschafft hat.“ 893 Es ist jedoch auch weitergehend davon auszugehen, dass entweder direkte Kenntnis der Dritterwerber von den widerrechtlichen Machenschaften der nationalsozialistischen Händler bestand, oder diese zumindest wissen mussten bzw. konnten, dass die Kunstwerke zuvor unrechtmäßig von den nationalsozialistischen Plünderungsbehörden entzogen worden waren. „Auch denjenigen
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art, Heft 3/1993, S. 137. So der Bericht in ART 3/1993,137, auch zitiert bei Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 52–53. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 223–224.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Kunsthändler, die sich mittelbar der Kontakte der direkt Involvierten bedienten und dadurch in den Besitz dieser Raubkunst gelangten, ist Bösgläubigkeit vorzuwerfen.“ 894 Zu den in die Veräußerung von im besetzten Frankreich entzogenen Kunstwerken involvierten Kunsthändlern zählen nach heutigem Erkenntnisstand insbesondere Karl Haberstock, Maria Almas Dietrich, Hans Wendland, Gustav Roch1itz, Walter Bornheim und Hildebrand Gurlitt.895 Zumindest seit Beginn der in den 1990er Jahren erfolgten Provenienzrecherchen und Aufarbeitungen des nationalsozialistischen Kunsthandels sollte „die Beteiligung der eingangs genannten Kunsthändler am Kauf und Verkauf von Kunstwerken aus den Sammlungen französischer Juden … jedem Kunsthändler, Museum und Privatsammler erkennbar [sein]. Von ihnen kann nämlich verlangt werden, dass sie die mittlerweile erschienenen Bücher und Aufsätze über den Kunstraub im besetzten Frankreich lesen und sich die dadurch vermittelten Kenntnisse aneignen. Die nunmehr vorliegende Literatur informiert gerade auch darüber, welche Kunsthändler mit jüdischem Kunstbesitz aus Frankreich gehandelt haben.“ 896 Eine Liste der involvierten Kunsthändler zum Vertrieb der nationalsozialistisch bedingten Entziehungen von Beute-, Raub- und entarteter Kunst findet sich in der Anlage II h der Handreichung 897. Eine konsolidierte Aufzählung ist auch auf der Internetseite www.lostart.de der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste veröffentlicht und wird dort nach den neuesten Forschungsergebnissen fortlaufend aktualisiert.898 Unter „in den Handel mit verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern involvierte Kunsthändler“ werden dort solche Personen und Gruppen verstanden, die unter anderem Geschäfte mit den Vertretern des NS-Regimes betrieben (etwa bestimmte Objekte in deren Auftrag ausfindig machten) bzw. mit 894
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Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159, unter Berufung auf Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 128 ff. Vgl. auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 223–224. Neben den Büchern insbesondere von Haase (Haase, Kunstraub und Kunstschutz – Eine Dokumentation, 1991), Feliciano (Feliciano, Das verlorene Museum – Vom Kunstraub der Nazis, 1998) und Heuss (Heuss, Kunst- und Kulturgutraub – Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion, 2000) ist hier wiederum die Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz zu nennen, der eine Auflistung von in den Handel mit entzogenen Kunstwerken involvierten Kunsthändlern beigefügt ist. Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 223–224. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 62–65. Quelle: http://www.lostart.de/provenienz/beteiligte.php3?kat=2.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern Handel betrieben und davon teilweise beträchtlich profitierten.899 Darunter befanden sich auch renommierte französische Kunsthandlungen und auch jüdische Händler, die später ihrerseits Opfer persönlicher Verfolgung und der Beschlagnahmung ihrer Sammlungen bzw. der ‚Arisierung‘ ihrer Firmen wurden.900 Aus diesem Grunde erscheinen einige der genannten Personen auch unten unter II. C. 4. bei „Betroffene Personen und Sammlungen“. Darüber hinaus können auch Dienststellen und Ämter des nationalsozialistischen Unrechtsstaates als „Lieferanten“ in Frage kommen, bspw. die Gestapo, der Oberbefehlshaber Ost oder die Reichstauschstelle (Berlin), die beschlagnahmte Güter zum Teil weiterleiteten.901 Stellt ein Erwerber kultureller Wertgegenstände somit heute fest, dass ein Zusammenhang zwischen dem zu erwerbenden Kunstwerk und einem der in der konsolidierten Liste aufgezählten, dem nationalsozialistischen Unrechtsregime nahestehenden Kunsthändler zum Vertrieb der Beute-, Raub- und entarteter Kunst zwischen 1933 und 1945 besteht, muss der Erwerber weitere Nachforschungen betreiben, um den notwendigen Sorgfaltsanforderungen zu genügen und den Beute- und Raubkunstcharakter auszuschließen. 491
Involvierte Kunsthändler (Die Aufzählung in alphabetischer Reihenfolge enthält nur die bekanntesten Händler und damit verbundene größere Transaktionen und beansprucht keine Vollständigkeit. Die Schreibweise der Namen kann variieren.) Sepp Angerer (Berlin, Vertrauter und Kunsthändler im Auftrage Görings) Bruno Walter Bachstitz (Kunsthändler in Den Haag) Ètienne Bignou Zacharias Birtschansky (Paris) Boedecker (Frankfurt/M.) Bernhard A. Boehmer Kunsthandlung Pieter de Boer (Amsterdam) Achilles Boitl (Paris)
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Walter Bornheim (Galerie der Alten Kunst München, ehem. A.S. Drey, neben Haberstock größter deutscher Kunsthändler, u.a. Einkäufer Görings) Brimo de la Laroussilhe (Paris) Kunsthaus Brosseron-Marchand (Paris) Karl Buchholz Kunstgalerie A. und Eugen Brüchwiller (München) Emil G. Bührle (Schweizer Waffenproduzent und Kunstsammler, einer der Hauptlieferanten der dt. Wehrmacht) O. W. Bümming (Buchhändler, u.a. im Auftrag Wolffhardts in der Schweiz) Kunsthändler Cailleux (Pseud.: Paul de Cayeux de Sénarpont) Louis Caré (Galerie André Weil)
Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 10–20. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 10–20. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 10–20.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit Galerie Charpentier (Paris, Geschäftsführer: Raymond Nasenta) Charles Collet (Kunsthändler, kaufte Objekte aus ERR-Beschlagnahmungen) Kunsthandlung Etienne Delaunoy (Amsterdam) Roger Dequoy (ehem. Geschäftspartner von Georges Wildenstein, Agent Haberstocks) Georges Deestrem (Agent von Haberstock) Jan Dik jr. (Amsterdam) Auktionshaus Dorotheum (Wien) Galerie Dreyfus (Schweiz) Auktionshaus Hotel Drouot (Paris) Maria Almas Dietrich (München) Dupont (Spekulant, kaufte Objekte aus ERR-Beschlagnahmungen) Galerie Hugo Engel (Paris, Handel mit Haberstock) Kunstgalerie Martin Fabiani (Paris, Kontakt zum ERR) Schweizer Kunsthändler S. [Theodor] Fischer, Luzern Vicomte de la Forest-Divonne (Paris) Myrtel Frank (den Haag) Dr. Alexander von Frey Max Friedländer (Holland) Smit van Gelder (Holland) Mme. Renee Gerard (Paris) Raphael Gérard (belgischer Kunsthändler) Galerie Gerstenberger (Einkäufer für „Sonderauftrag Linz“) Paul Gouvert (Paris) Dr. Hildebrandt Gurlitt (Kommissionär für „Sonderauftrag Linz“) Dr. Wolfgang Gurlitt (Kunsthändler, Berlin, Cousin von H. Gurlitt) Karl Haberstock (Berlin, für „Sonderauftrag Linz“) Dr. Hans Herbst (Wien, offi zieller Einkäufer für „Sonderauftrag Linz“, bes. in Holland und Paris) Theo Hermssen (holländischer Händler in Paris) Walter Hoeckner (Leipzig, für Wolffhardt in Prag) Walter Andreas Hofer (Leiter der Kunstsammlung Görings) Ward Holzapfel (Paris) Hoogendijk (Amsterdam) Fa. Jansen (exklusives Pariser Dekorationshaus)
Nathan Katz (Dieren bei Arnheim, Den Haag) Kornfeld & Klipstein (Bonn) Maurice Lagrand (Brüssel) J.O. Leegenhoek (Paris) Jean-Francois Lefranc (Frankreich, u.a. „provisorischer Verwalter“ der Sammlung Schloss) Comte de Lestang (Antiquitätenhändler, regelmäßiger Zuträger der Deutschen in Paris) Paul Lindpainter (Pariser Agent von Fritz Pössenbacher, für Bormann) Bank Lippmann, Rosenthal & Co., Amsterdam (war von Dienststelle Mühlmann beauftragt, beschlagnahmte Kulturgüter zu verkaufen: Inventar, Schätzung, Verkauf; Verwalter: Herr von Karner, Abt.leiter: Baron Steckow) Allen Loebl (Fa. E. Gerig – jüdischer Pariser Kunsthändler, unter persönlichem Schutz Görings, für Göring und Haberstock) Dr. Bruno Lohse (Görings Mann im ERR) Victor Mandl (Paris) Alice Manteau (Paris) Serge Markowsky (Paris) Alois Miedl (Bankier und Kunsthändler, Finanzberater Hermann Görings) Ferdinand Möller Wilhelm Jakob [„Ernst von“] Mohnen (deutscher Gestapo-Agent in Paris) Charles Montag (Schweizer in Paris) Galerie Neupert (Schweiz) Kunsthändler Walter Paech (Holland) Yves Perdoux (Pariser Antiquitätenhändler, Denunziant) Paul Pétrides (Paris) Fritz Pössenbacher (Münchner Händler, für Bormann) Dr. G. F. Reber (Repräsentant für Göring und Hofer in Italien, Schweiz) Arthur Pfannstiel (von Behrs Vertrauter) Gustav Rochlitz (im Auftrag Görings in Frankreich tätig) Isidor Rosner (Paris) Georg Schilling (Zürich, „Sonderauftrag Linz“, Einkäufer, aktiv bes. in Belgien) Ernst Schmidt (Berlin, Einkäufer für „Sonderauftrag Linz“) Galerie Schmidtlin (Zürich) André Schoeller (Frankreich) Karl Schwarzinger (Österreich)
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt Fa. Jacob Stodel/Übernahme durch Kalb (Amsterdam) Max Stoecklin Jean Souffrice (Galerie Voltaire, Paris) Adolf Weinmüller (Auktionshäuser in München und Wien)
Galerie Friedrich Welz (Kunsthändler für die Salzburger Gauleitung) Hans Wendland (dominierende Rolle bei Göring-Sammlung, vor allem in Frankreich tätig) Mme. Jane Weyll (Paris)
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Die Beteiligung von mehreren in den Handel mit im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern involvierten privaten Kunsthändlern wurde auch vor der Schweizer Raubgutkammer in dem Entscheid Bührle gegen Fischer 902 geltend gemacht. Die Finanzverwaltung der Eidgenossenschaft versuchte eine ausführliche Begründung der Bösgläubigkeit Bührles in diesem Regressprozess aufgrund der Beteiligung mehrerer nationalsozialistischer Kunsthändler:
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„Bührle habe Kunstgeschichte studiert und sei Kunstkenner; er habe enge persönliche Beziehungen mit Dr. Wendland unterhalten und sich durch diesen beim Kauf von Raubgutbildern beraten lassen; Wendland habe Bührle mit Hofer bekannt gemacht und sei im Jahre 1941 mit Bührle in Paris gewesen; dort habe Bührle mit hohen deutschen Funktionären verkehrt, so mit Oberst Rudolf; Bührle habe Impressionisten-Geschäfte in Luzern, Paris und Zürich abgeschlossen; Wendland und Fischer hätten um die Herkunft der Bilder gewusst, da sie sowohl von Hofer wie von Dr. Lohse darüber orientiert worden seien; zudem hätten die Bilder auf der Rückseite Zeichen des Einsatzstabes Rosenberg (ERR) getragen; Fischer habe die Bilder von Hofer erst nach Rücksprache mit Bührle übernommen, und Bührle seinerseits habe wegen allfälliger späterer Rückgabepflicht eigens einen Anwalt konsultiert; … die in Paris geläufigen Machenschaften der Deutschen seien auch in der Schweiz frühzeitig bekannt geworden; schon im Herbst 1940 habe Dr. Schneider in Basel jeden, der ihn um Rat fragte, gewarnt, woran sich z.B. die Basler Kunsthändlerin Frl. Schulthess gehalten habe; zu den über die Herkunft der Bilder unterrichteten Fachkreisen in der Schweiz habe auch Bührle gehört; ausgehend von Art. 3 ZGB … müsse gesagt werden, dass Bührle bei seinen Käufen nicht gutgläubig gewesen sei, zumindest nicht die ihm zumutbare Aufmerksamkeit angewendet habe.“ 903
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Entscheid der Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen vom 5. Juli 1951 i.S. Emil Bührle gegen Theodor Fischer, Kommanditgesellschaft Galerie Fischer und Schweizerische Eidgenossenschaft (R 3/III, 5/A, 10/B, 16bis). Vgl. zu diesem Entscheid Kreis, Die Schweiz und der Kunsthandel 1939–1945, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen, Hintergründe, 1998, S. 129 ff.; Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 136 ff.; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 203 ff.; Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 401 ff.; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 246–256; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 52–55; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Vgl. auch die Wiedergabe bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 401–403.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Trotz dieser Einwände der Eidgenossenschaft verurteilte das Bundesgericht Theodor Fischer zur Bezahlung der geforderten Entschädigungssumme, da „[e]igentliches Wissen um die Herkunft der Bilder und um das Geschehen in den von den Deutschen besetzten Ländern … vom Kläger verneint [wurde].“ Das Gegenteil sei weder erwiesen, noch glaubhaft gemacht.904 Da Fischer zu Entschädigungszahlungen an Bührle verurteilt wurde, nahm er in der Folge Regress gegen die Eidgenossenschaft.
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Nach neueren Forschungsergebnissen ist jedoch wohl von Bösgläubigkeit seitens der Galerie Fischer auszugehen und anzunehmen, dass sich auch die potentiellen Käufer in Luzern bezüglich eines rechtlich einwandfreien Erwerbs keineswegs so sicher waren.905 Die inzwischen innerhalb der Provenienzerfoschung gewonnenen Erkenntnisse legen des Weiteren den Schluss nahe, dass auch Emil Bührle seinerzeit die von ihm in den vierziger Jahren erworbenen Kunstwerke im Wissen um die unlauteren Vorgehensweisen der involvierten Kunsthändler Hans Wendland und Theodor Fischer erworben habe. Hans Wendland war es als deutschem Staatsangehörigen während Andauer des Zweiten Weltkrieges untersagt, in der Schweiz zu handeln. Darum kaufte er im Ausland für die Galerie Fischer ein und beteiligte sich so am Geschäft mit der Beutekunst.906 Wendland wie auch Fischer waren explizit auf der schwarzen Liste der Alliierten aufgeführt.907
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„Als Beispiele solcher Fälle können das Degas Porträt ‚Madame Camus am Klavier‘, 1869 (s. Abb. 15) und die Ölskizze ‚Tänzerinnen im Foyer‘ (s. Abb. 16) angeführt werden, die aus der geplünderten (französischen) Sammlung von Alphonse Kann stammten und sich heute in der Sammlung Bührle in Zürich befinden. Ebenfalls Degas ‚Jockeys‘, Corots ‚Lesendes Mädchen in rotem Trikot‘, Manets ‚Rosen und Tulpen in einer Vase‘ und Pissarros ‚Der Hafen von Rouen nach einem Gewitter‘, die allesamt aus der jüdischen Sammlung Paul Rosenberg unrechtmäßig entzogen wurden und sich heute gleichfalls in der Sammlung von Emil Bührle befinden, haben diesen Schicksalsweg genommen. Bührle liess sich aufgrund von Warnungen seines Beraters Fritz Nathans von seinem Anwalt über die Rechtslage in der Schweiz aufklären und kaufte munter weiter bei Fischer oder direkt bei den Nazi-Kunst-Händlern ein, als ihm mitgeteilt wurde, dass er bei einem gutgläubigen Kauf gestohlener Bilder im
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Entscheid der Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen vom 5. Juli 1951 i.S. Emil Bührle gegen Theodor Fischer, Kommanditgesellschaft Galerie Fischer und Schweizerische Eidgenossenschaft (R 3/III, 5/A, 10/B, 16bis). Vgl. Nicholas, Der Raub der Europa – das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich, 1995, S. 548; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
schlimmsten Fall diese gegen Rückerstattung des Kaufpreises herausgeben müsse. Weitere juristische Konsequenzen seien nicht zu befürchten.“ 908 497
Der innerhalb der Regressprozesse bedeutendste und prominenteste Prozess war derjenige von Fischer gegen die Eidgenossenschaft, der am Ende praktisch aller Regressprozesse stand.909 Darin forderte die Galerie Fischer für die Restitution von zahlreichen innerhalb der besetzten französischen Territorien seitens der nationalsozialistischen Plünderungsbehörden völkerrechtswidrig entzogenen Kunstwerken eine Entschädigung i.H.v. 1.123.768.55 Schweizer Franken. Die Gutgläubigkeit Fischers konnte seitens der Eidgenossenschaft „mit dem besten Willen“910 nicht anerkannt werden. Weiterhin wurde geltend gemacht, dass die Galerie Fischer „im Krieg die schönsten französischen Impressionisten, die von der Besatzungsmacht in Frankreich gestohlen wurden, aus Deutschland bezogen und zum Teil mit aussergewöhnlichem Gewinn in der Schweiz abgesetzt [hat]. Nachdem nun alle diese schönen Sachen wieder ins Ausland zurückgewandert sind, verlangt Herr Fischer von uns eine Entschädigung von etwa anderthalb Millionen Franken, weil er nie eine Ahnung davon gehabt haben will, was die Deutschen in den besetzten Ländern geleistet haben. Wir verfügen heute nach ausgedehnten Suchaktionen im In- und Ausland über Unterlagen, die entschieden gegen diese Gutgläubigkeit sprechen.“911 Vergleichbar äußerte sich der restitutionsberechtigte Rosenberg als Eigentümer zahlreicher nach Frankreich rückgeführter Gemälde. Fischer sei eine enge Verbindung zu dem nationalsozialistischen Unrechtsregime nachzuweisen, die bereits durch die Verwertung der ‚entarteten‘ Kunst auf einer großen Auktion erkennbar geworden sei: Neben den Veräußerungen aus dem Depot der Nationalsozialisten durch die vier Kunsthändler wurden am 30. Juni 1939 125 Gemälde und Plastiken ,,moderner Meister aus deutschen Museen“ auf einer Auktion der Galerie Fischer in Luzern
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Feliciano, The lost Museum: the Nazi conspiracy to steal the world’s greatest works of art, 1997, S. 195–196; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206, unter Rekurs auf Nathan in NZZ, Artikel vom 4.3.1944, Blatt 2. Vgl. ausführlich hierzu Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 135–139; Siehr, Rechtsfragen zum Handel mit geraubten Kulturgütern in den Jahren 1933–1950, in: Thürer/ Haldemann, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und das Recht: Band II: Privatrecht, Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, 2001, S. 125–203, S. 178–180; Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 403–406; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. So die bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 403–406, wiedergegebene Zitierung. Zitiert bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 403–406.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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im Grand Hotel National versteigert, nachdem die Kunstwerke zuvor in Zürich und dann in Luzern ausgestellt worden waren.912 Zudem argumentierte Rosenberg, dass auf sämtlichen ihm entzogenen Gemälden der durch den ERR angebrachte Vermerk „Paul Rosenberg ‹Bordeaux›„ stand, sodass auch deshalb die Gutgläubigkeit Fischers zu verneinen sein müsse.913 Auch der deutsche Museumsdirektor Eberhard Hanfstängl war innerhalb des Regressprozesses gegen die Eidgenossenschaft von der Bösgläubigkeit Fischers überzeugt und führte aus, dass „Herr Fischer … in Deutschland, vor allem seit der im Juni 1939 von ihm veranstalteten Versteigerung Deutschen Museumsgutes, sogenannter ‹Entarteter Kunst›, einen recht zweifelhaften Ruf [geniesst]. Seine Behauptung, er habe bei dem Tausch mit Hofer nicht gewusst, aus wessen Besitz die Gemälde stammen, ist geradezu grotesk zu nennen. Ich brauche hierauf nicht näher einzugehen.“ 914 Auch hier wird die enge Verbindung zu einem nationalsozialistischen Kunsthändler als Indiz für die Bösgläubigkeit Fischers angeführt. Diese Wissenskomponente wird auch von Seiten Walter Andreas Hofers, dem Kurator und Kunsthändler Görings, innerhalb der Regressklage bestätigt: „Fischer und Göring sind niemals zusammengekommen, soweit ich weiss. Dagegen war Fischer 1941 in Berlin, um die Auswahl der Tauschobjekte zu treffen. Es handelte sich um die Auswahl jener Objekte, die er dann übernahm. Ich hatte den Auftrag von Göring, Fischer wie auch Wendland zu verständigen, dass die Bilder aus beschlagnahmten Sammlungen aus Frankreich kamen. Ich habe dem Herrn Fischer und dem Herrn Wendland dies in aller Deutlichkeit mitgeteilt. Im Übrigen war Wendland auch während dem Krieg in Paris. Er kannte die Tätigkeit des Einsatzstabes Rosenberg und des Dr. Lohse in Paris. Im übrigen ist es doch selbstverständlich, dass sich im Kunsthandel Fischer und Wendland sowie jeder, der derartige Wertobjekte kauft, nach der Herkunft erkundigt. Im Übrigen stand auf einer grossen Anzahl der Bilder noch die Herkunftsbezeichnung ‹Rosenberg›. Ferner waren die Bilder in der Literatur absolut bekannt. Als ich die Bilder in Luzern übergab, erklärte er, dass er die Bilder durchaus kenne, weil er sie 1935 in Kommission oder zur Ausstellung von Rosenberg angeboten erhielt. Ferner schlug Fischer und sein Sohn in meiner Gegenwart nach in der Literatur, ob die betr. Bilder zu finden wären, und er hat sie in meiner Gegenwart gefunden.“ 915 912
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Vgl. Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2559–2561; Kreis, „Entartete“ Kunst für Basel: die Herausforderung von 1939, 1990; Kreis, Die Schweiz und der Kunsthandel 1939–1945, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen, Hintergründe, 1998, S. 125–126; Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 37–39; Nicholas, Der Raub der Europa – das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich, 1995, S. 39; Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 208. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 403–406. Zitiert bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 403–406. Zitiert bei Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 403–406.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Am 25. Juni 1952 bestätigte jedoch die Raubgutkammer des Schweizer Bundesgerichts entgegen den vorgebrachten Erwägungen die Gutgläubigkeit Fischers.916 Mangels Kenntnis des wahren Sachverhalts wurde Fischer beim Erwerb der inzwischen restituierten Gemälde ebenso wie bereits zuvor Bührle guter Glaube attestiert und ihm eine billige Entschädigung nach Art. 4 Abs. 3 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Klagen auf Rückgabe in kriegsbesetzten Gebieten weggenommener Vermögenswerte (sog. Raubgutbeschluss) vom 10. Dezember 1945 zugesprochen.917 Obwohl Fischer zusätzlich zu der Beteiligung der nationalsozialistischen Kunsthändler in den Beutekunstgeschäften die Herkunft der Gemälde allem Anschein nach positiv bekannt war 918, einigen Werken durch den ERR sogar der Name Rosenbergs auf dem Rahmen eingraviert worden war und Fischer verschiedene der gelieferten Werke sogar kannte und aufgrund der eigenen Berufserfahrung Rosenberg zuordnen konnte (wie er später gegenüber der Schweizer Untersuchungsbehörde zugab) 919, bestätigte die Raubgutkammer dessen Gutgläubigkeit und gewährte einen Regressanspruch gegen die Eidgenossenschaft. Hintergrund der Entscheidung war nicht nur das zuvor ergangene Regressurteil in der Rechtssache Bührle gegen Fischer, sondern auch der Freispruch von Hans Wendland vor einem französischen Militärgericht.920 Die von Fischer geforderte Entschädigungssumme i.H.v. 1.123.768.55 Schweizer Franken wurde allerdings auf 200.000 reduziert, da in dem Prozessverlauf vor der Raubgutkammer die Gutgläubigkeit Fischers zwar nicht hätte widerlegt werden können, der Kunsthändler aber dennoch aufgrund der Umstände vorsichtiger hätte handeln müssen. Fischer wurden also vom Bundesgericht gleichzeitig ein Mangel an Sorgfalt und ein gutgläubiger Erwerb bescheinigt.921 Die Raubgutkammer begründete 916
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Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206 Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 403–406, S. 414; Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 135–139; Siehr, Rechtsfragen zum Handel mit geraubten Kulturgütern in den Jahren 1933–1950, in: Thürer/Haldemann, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und das Recht: Band II: Privatrecht, Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, 2001, S. 125–203, S. 178–180. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Vgl. die vorsichtigen Ausführungen von Daeniker anlässlich der 57. Session der Vollmachtenkommission des Ständerates vom 4.2.1946, abgedruckt bei: Schweizerisches Bundesarchiv, Fluchtgelder, Raubgut und nachrichtenlose Vermögen – Wissensstand und Forschungsperspektiven; Publikation zur Tagung im Schweizerischen Bundesarchiv Bern, 25. Februar 1997, 1997, S. 148–149. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 403–406. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 403–406.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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ihre Entscheidung damit, dass sich die Minderung der geforderten Entschädigungssumme aus der mangelnden Sorgfalt in Anbetracht der großen Kaufsumme rechtfertige, die Fischer zu einer erhöhten Wachsamkeit hätte ermuntern müssen und nun in der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt werden konnte.922 Dabei hinterlässt das Urteil in der heutigen Einschätzung einen zwiespältigen Eindruck, da der Gutgläubige zwar entschädigt werde, aber nur sehr viel weniger als verlangt, weil man ihn eigentlich für bösgläubig hielt.923 Siehr ist in Gänze zu folgen: „Statt allgemeine Erwägungen (Geldknappheit, Sozialbindung von Eigentum, Kriegslasten) heranzuziehen, erweckt das Gericht den zwiespältigen Eindruck, es werde an Gutgläubige gezahlt, aber nur sehr viel weniger als verlangt, weil sie bösgläubig waren. Zwiespältig deswegen, weil es keine bösgläubige Gutgläubigkeit oder gutgläubige Bösgläubigkeit gibt. Man ist entweder insgesamt gut- oder bösgläubig. Auch hiermit mag sich ein schlechtes Gewissen widerspiegeln, dass mit dem Raubgutbeschluss gewisse Grundsätze des schweizerischen Zivilrechts rückwirkend ausser Kraft gesetzt wurden.“ 924 Auch bei der Verwertung der entarteten Kunst stellt die Veräußerung durch speziell benannte Kunsthändler einen ‚verdächtigen‘ Umstand dar: Die Verwertung der sichergestellten entarteten Kunst hatte die organisierte und umfassende Erwirtschaftung ausländischer Devisen mittels der Kommission zur Verwertung der beschlagnahmten Werke entarteter Kunst zum Ziel und erfolgte durch eine Versteigerung in der Luzerner Galerie Fischer im Juni 1939 und eine grenzüberschreitende Veräußerung mit Hilfe von vier deutschen Kunsthändlern.925 Die Verwertungskommission legte dabei die Mindestpreise für die Kunstobjekte fest und schloss Verträge mit den vier größten Kunsthändlern des Landes ab.926 Die Kommission zur Verwertung der beschlagnahmten Werke entarteter Kunst akkreditierte vier Händler und Galeristen als Kommissionäre zur Verwertung der entarteten Kunst mit Verkaufslizenzen und stattete diese mit entsprechenden Bilderbeständen aus. Karl Buchholz, Ferdinand Möller, Bernhard Boehmer und Hildebrand Gurlitt waren Händler, die seit Jahren mit moderner Kunst handelten und persönliche Beziehungen zu den Künstlern der Moderne pflegten.927 Über 922
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Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 197–206. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 403–406. Siehr, Rechtsfragen zum Handel mit geraubten Kulturgütern in den Jahren 1933–1950, in: Thürer/Haldemann, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und das Recht: Band II: Privatrecht, Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, 2001, S. 125–203, S. 178–180. Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg, 2001, S. 374–376. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung «entarteter» Kunstgegenstände, 2004, S. 214–221. Vgl. Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2559–2561; Rothers, Galerie Ferdinand Möller, Ein Beitrag zur
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
diese Händler sind bedeutende Werke in amerikanische Museen und ausländische Privatsammlungen gelangt.928 501
Heute darf sich niemand mehr auf Nichtwissen berufen, wenn aus der Provenienz eines Gemäldes ersichtlich wird, dass einer der in der Liste der involvierten Kunsthändler zum Vertrieb der nationalsozialistisch bedingten Entziehungen von Beute-, Raub- und entarteter Kunst als Verkäufer oder Vermittler während der Herrschaft des nationalsozialistischen Unrechtsregimes und des Zweiten Weltkrieges in Erscheinung getreten ist. Die Effektivität einer Beteiligung nationalsozialistischer Kunsthändler zur indiziellen Feststellung des Unrechtscharakters eines Kulturgutverlustes kann am Beispiel des Max Liebermann-Gemäldes ‚Kornfeld am Wannseegarten nach Westen‘ aus dem Jahr 1917 (s. Abb. 17) aufgezeigt werden.929
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Das Gemälde stammt aus der Sammlung des jüdischen Bankiers Victor von Klemperer, der im Jahre 1938 aus Furcht vor den Folgen der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft aus Deutschland emigrierte und dabei seine Kunstsammlung zurücklassen musste. Im November desselben Jahres erfolgte die Beschlagnahme der Sammlung durch die nationalsozialistischen Behörden. Während einige Werke in das Dresdner Museum gelangten, ging die überwiegende Zahl der Gemälde in den Besitz von Klemperers Generalbevollmächtigten und fand in einer Spedition Verwahrung. Von dort sollte auch das Gemälde ‚Kornfeld am Wannseegarten nach Westen‘ von Liebermann an eine in der Schweiz lebende Tochter der Klemperers geschickt werden. Das Gemälde kam aber, wie auch zahlreiche andere Gemälde aus der Familiensammlung, nie in der Schweiz an und galt seitdem als verschollen.
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Im Jahr 2007 entdeckte die Rechtsnachfolgerin und Enkelin Victor von Klemperers ein Foto des Gemäldes per Zufall im Internet wieder, während das Gemälde selbst nach einer Veräußerung vom 25. November 2005 im Berliner Auktionshaus Grisebach für 323.500 Euro verkauft worden und seitdem verschwunden war. Hier könnte es möglicherweise von Interesse sein, ob der Erwerber bei der Veräußerung gutgläubig handelte oder um die jüdische Herkunft des Werkes und die Rechtswidrigkeit des Kulturgutverlustes hätte wissen müssen und dementsprechend nicht als gutgläubig zu bezeichnen ist. Die wirkliche Provenienz des
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Geschichte der Kunst und der Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert, 1984; Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn – Kunst und Politik im Dritten Reich, 1999, S. 102; Nicholas, Der Raub der Europa – das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich, 1995, S. 35–37. Vgl. hierzu Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2559–2561; Rothers, Galerie Ferdinand Möller, Ein Beitrag zur Geschichte der Kunst und der Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert, 1984. Vgl. zum Folgenden die tatsächlichen Angaben bei Maak, Kunst und Recht – Dies Erbe geht nicht nur uns an, FAZ, Artikel vom 7. August 2008.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
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Gemäldes wurde in dem Auktionskatalog des Auktionshauses Grisebach ebenso wenig mitgeteilt, wie innerhalb des Auktionskataloges von Sotheby’s, die das Gemälde schon einmal im Jahre 1988 veräußert hatten. Auch innerhalb der bekannten Datenbanken zur Registrierung von Raub- und Beutekunst besteht kein Vermerk einer unrechtmäßigen Entziehung vom Eigentümer. Ebenso wenig fand sich eine Notiz auf den Vorbesitz Victor von Klemperers innerhalb des Liebermann-Werkverzeichnisses von Matthias Eberle und zum Zeitpunkt der Auktion gab es keine Suchmeldung der Klemperers. Trotzdem liegen hier ein nationalsozialistisch bedingter Entziehungsakt und dessen Rechtswidrigkeit zum Greifen nahe: Zunächst einmal ist festzustellen, dass im Pedigree des Gemäldes ‚Kornfeld am Wannseegarten nach Westen‘ von Liebermann deutliche Dokumentationslücken während der Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft bestehen. Die Provenienzangaben listen zunächst den Kunsthändler Ernst Cassirer als Ersteigentümer auf, der das Gemälde seinerseits an Oscar Schmitz veräußerte. Nach dessen Tod im Jahre 1933 wurde dessen Sammlung aufgelöst und es findet sich erst wieder ein Vermerk im Jahre 1945, nach dem Albert Daberkow als Eigentümer aufgeführt wird. Heute ist bekannt, dass Daberkow im Jahre 1945 zahlreiche Kunstwerke aus dem Nachlass des nationalsozialistisch involvierten Kunsthändlers Bernhard Böhmer erlangte – einer der wenigen Kunsthändler, die von Joseph Goebbels zum Handel mit entarteter Kunst autorisiert waren. Ferner weiß man, dass Böhmer mit zahlreichen Werken sichergestellter entarteter Kunst Handel trieb und so zu einem der wichtigsten Kunsthändler im Dritten Reich avancierte. Als die sowjetischen Truppen im Mai 1945 anrückten, nahm er sich das Leben.930 Es ist also zu vermuten, dass der Liebermann als entartete Kunst qualifiziert und dementsprechend zur Verwertung an Böhmer übergeben worden war. Wird aus der Provenienz und dem Pedigree eines Gemäldes eine so enge Verbindung zu nationalsozialistisch beauftragten Kunsthändlern aus der genannten Liste ersichtlich, sind weitere Provenienzforschungen zu unternehmen, um einen rechtswidrigen Entziehungsakt auszuschließen.
504
Stellt heute ein Erwerber kultureller Wertgegenstände somit fest, dass Anzeichen einer Beteiligung eines der in der genannten Liste aufgeführten Kunsthändler beim Vertrieb der Beute-, Raub- und entarteten Kunst während der Herrschaft des nationalsozialistischen Unrechtsregimes und im Zweiten Weltkrieg bestehen (und stand das Kunstwerk möglicherweise zusätzlich zu diesen Hinweisen auf eine unrechtmäßige Entziehung zwischen 1933 und 1945 im Bestand einer der in der konsolidierten Liste jüdischer Privatsammler und Kunsthändler genannten Personen), muss zunächst davon ausgegangen werden, dass das Objekt unrecht-
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Vgl. zu sämtlichen Sachverhaltsangaben Maak, Kunst und Recht – Dies Erbe geht nicht nur uns an, FAZ, Artikel vom 7. August 2008.
650
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
mäßig entzogen und dem Eigentümer während dieser Zeit abhandengekommen ist. Ein Erwerb ist nach den heutigen Erkenntnissen deshalb nur dann nicht grob fahrlässig und dementsprechend gutgläubig, wenn der Erwerber weitere Nachforschungen betreibt, um den notwendigen Sorgfaltsanforderungen zu genügen und den Beutekunst-, Raubkunst- oder entarteten Kunstcharakter auszuschließen. Unterlässt der Erwerber in diesem Fall jedoch eine weitere Provenienzerforschung, muss er entweder Abstand von dem Kulturguterwerb nehmen oder ist als bösgläubig zu bezeichnen, sodass eine bona fide-Akquisition ausscheidet, sollte sich der unrechtmäßige Entzugscharakter später bestätigen.
5.
Versteigerung in einer sog. Judenauktion als Hinweiszeichen auf den kulturellen Fluchtgutcharakter (Raubkunst der sog. ersten Phase)
506
Unter die Terminologie des kulturellen Fluchtguts fallen bekanntlich die formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen der verfolgten, meist jüdischen Personengruppen unter dem individuellen und kollektiven Zwang indirekter diskriminierender Einflussnahme des nationalsozialistischen Staates zur Sicherung ihrer Existenz und Lebensgrundlage sowie zur Vorbereitung und Ermöglichung einer Emigration aus Angst vor Deportation und Ermordung in einem Konzentrationslager. Es wurde nachgewiesen, dass in der auch sog. ersten Phase der Raubkunst in der überwiegenden Zahl der Konstellationen von einer unfreiwilligen Veräußerung ausgegangen werden muss, da aufgrund der diskriminierenden Behandlung des jüdischen Teils der Bevölkerung sämtliche Sicherungen der Lebensgrundlage weggefallen waren und die jüdischen Kunstwerke auf sog. Judenauktionen veräußert wurden, um entweder eine notdürftige Versorgung der verfolgten Familien zum Überleben zu sichern oder eine Emigration aus Deutschland vorzubereiten, um dem drohenden Tod und der ‚physischen Vernichtung‘ in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern zu entgehen.
507
Dabei entstand grundsätzlich ein sog. Verschleuderungsschaden, da zahlreiche NS-verfolgungsbedingte Veräußerungen von bspw. Hausrat und kulturellen Wertgegenständen zur Finanzierung der Ausreise bzw. Flucht vornehmlich jüdischer Bevölkerungsteile überstürzt vorgenommen wurden (nach Erlass der Nürnberger Rassengesetze vom September 1935 kam es vermehrt zu den damals so bezeichneten Judenauktionen) und viele Erwerber diese Gelegenheiten nutzten, um nur verschwindend geringe Preise zu zahlen. Als in den 1930er Jahren viele deutsche Juden ihre Sammlungen auf den genannten Judenauktionen zwangsliquidieren mussten, deckte sich bspw. auch die bekannte Schweizer Galerie Fischer bei solchen Auktionen mit Kunstwerken ein. So gelangte die Schweizer Galerie bspw. im Jahre 1937, als die Sammlung von Emma Budge aus Hamburg als eine der wertvollsten und größten jüdischen Kollektionen in Deutschland überhaupt versteigert wurde, an sieben Objekte, deren Erlös eigentlich den Nachkommen der 1937
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
651
verstorbenen Emma Budge für ihre Auswanderung zugute kommen sollte, der Ertrag der Versteigerung jedoch auf ein Sperrkonto einzubezahlen war, der nach Auskunft der Erben jedoch nie an sie weitergeleitet wurde.931 Innerhalb dieser sog. Judenauktionen hatten die Versteigerer nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Versteigerergewerbe vom 30. Oktober 1934 932 in ihren Auktionskatalogen die zu veräußernden Gegenstände ihrem Eigentümer zuzuordnen, wobei sie auf Verlangen der Auftraggeber statt ihrer Namen „ein Deckwort oder einen Buchstaben“ angeben konnten.933 Durch § 2 der Verordnung gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe vom 22. April 1938 934 wurden die Versteigerer dann dazu angehalten, die jüdischen Einlieferer durch einen Asterix (*) oder ein „J“ zu kennzeichnen: Nach § 2 der Tarnverordnung wurde derjenige unter Gefängnisund Geldstrafe gestellt, der „für einen Juden ein Rechtsgeschäft schließt und dabei unter Irreführung des anderen Teils die Tatsache, dass er für einen Juden tätig ist, verschweigt“.935 Bei einem Erwerb kulturellen Fluchtguts ist die jüdische Provenienz des Kunstwerks sowohl für den professionell im Kunsthandel beteiligten als auch privaten Ersteigerer zur Zeit des Nationalsozialismus ohne Zweifel erkennbar gewesen. Wurde ein Kulturgut während der nationalsozialistischen Herrschaft in einer Judenauktion versteigert, musste der damalige Erwerber weitere Nachforschungen über die Hintergründe der Versteigerung vornehmen, um dem notwendigen Sorgfaltsmaßstab eines gutgläubigen Erwerbers Genüge zu tun.936 Aber auch noch heute ist bei einem Erwerb eines Kulturguts, aus dessen Provenienz die vormalige Versteigerung auf einer sog. Judenauktion während der Zeit des Nationalsozialismus ersichtlich wird, auf Seiten sowohl professionell im Kunsthandel beteiligter Kunsthändler, Galeristen, Auktionshäuser und Museen als auch privater Sammler erhöhte Vorsicht geboten, da es sich um kulturelles Fluchtgut handeln könnte und die damalige Versteigerung möglicherweise keinen Eigentumsübergang zur Folge gehabt hatte.
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Dies gilt für einen zeitgenössischen Erwerb um so mehr, da eine konsolidierte Auflistung der Kunst- und Kulturgutauktionen der Jahre 1933 bis 1945 heute auf der Internetseite www.lostart.de der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste veröffentlicht ist und dort nach den neuesten Forschungsergebnissen fortlaufend
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Buomberger, Raubkunst – Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, 1998, S. 51. RGBl. I, S. 1091. Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 208–211. RGBl. I, S. 404. Vgl. ausführlich hierzu Heuss, Die Vernichtung jüdischer Sammlungen in Berlin, in: Frehner, Das Geschäft mit der Raubkunst: Fakten, Thesen, Hintergründe, 1998, S. 98. Vgl. auch die ähnlichen Erwägungen bei Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 208–211.
652
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
aktualisiert wird.937 „In Auswertung von Quellen, die Auskunft über den Verlauf und die Ergebnisse von öffentlichen Versteigerungen von Kunst- und Kulturgut in Deutschland während der nationalsozialistischen Herrschaft geben, wird diese Datenbank aufgebaut. Sie enthält Angaben zu den jeweiligen Versteigerungen und Auktionshäusern, zu den Einlieferern und Erwerbern und zu den versteigerten Objekten sowie die entsprechenden Schätz- und Verkaufswerte und Angaben zum Limit, soweit diese in den Quellen überliefert sind. Eine kritische Überprüfung dieser Quellen kann von der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste nicht geleistet werden. Alle in der Datenbank enthaltenen Informationen können deshalb nur als Indizien und nicht als Nachweise bei der Ermittlung von Provenienzen und der Rekonstruktion von Verlustumständen angesehen werden. Auch ist ein Zusammenhang mit nationalsozialistischen Verfolgungs- und Enteignungsmaßnahmen allein mit dem Erscheinen einer Person als Einlieferer bei einer dieser Auktionen nicht in jedem Fall gegeben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bilden die Informationen, die in Auswertung des Bestandes A Rep. 243-04 (Reichskammer der bildenden Künste – Landesleitung Berlin) im Landesarchiv Berlin gewonnen werden konnten, den Schwerpunkt der Datenbank. Es handelt sich hier vorrangig um Anmeldungen zu Versteigerungen oder Auktionsberichte. Die Reichskammer übte eine Kontroll- und Aufsichtsfunktion aus, um u.a. durchzusetzen, dass keine Werke jüdischer Künstler versteigert werden konnten. Das Findbuch zu diesem Bestand ist online zugänglich. Weitere Fragen zum Bestand können an das Landesarchiv Berlin gerichtet werden.“ 938 Allgemein gilt, dass ein Vermerk auf eine Versteigerung eines Gemäldes in einem der folgenden Auktionshäuser zur Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft und bezüglich der Provenienz und des Pedigrees eines Objektes darauf hindeuten kann, dass das Kunstwerk als kulturelles Fluchtgut zu qualifizieren ist und dementsprechend kein Eigentumsübergang auf den Erwerber aufgrund Sittenwidrigkeit erfolgte. Adolf Herold Alfred Berkhan C. Aug. Hilbrich’s Auktionshaus, Inh. Hermann Hilb Dr. Walther Achenbach Dr. Walther Achenbach & Phil. Wüst Edgar Lach Gerhard Harms Harms (Rudolf oder Gerhard?) Helene Scheduikat Hollstein & Puppel H.W. Lange Berlin Karl Franck
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Leo Spik Max Perl Münchener Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller Paul Graupe Paul Graupe, Nachf. Hans W. Lange Reinhold Puppel, vorm. Hollstein & Puppel Richard Altendorf Rudolf Harms Rudolf Harms (übertragen an Leo Spik) Rudolf Harms und Martin Cohn Rudolf Lepke Union (Inh. Leo Spik)
Quelle: http://www.lostart.de/provenienz/auktionen.php3. So die Information der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste auf der Internetseite http://www.lostart.de/provenienz/auktionen.php3.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
Stellt ein Erwerber kultureller Wertgegenstände somit heute fest, dass zwischen 1933 und 1945 ein Zusammenhang zwischen dem zu erwerbenden Kunstwerk und einem der genannten, in der konsolidierten Liste aufgeführten Auktionshäuser besteht, muss der Erwerber weitere Nachforschungen betreiben, um den notwendigen Sorgfaltsanforderungen zu genügen und den kulturellen Fluchtgutcharakter auszuschließen.939 Unterlässt der Erwerber in diesem Fall jedoch eine weitere Provenienzerforschung, muss er entweder Abstand von dem Kulturguterwerb nehmen oder ist als bösgläubig zu bezeichnen, sodass eine bona fideAkquisition ausscheidet, sollte sich der unrechtmäßige Entzugscharakter später bestätigen.
6.
653 510
Versteigerung unmittelbar durch die nationalsozialistischen Behörden als Hinweiszeichen auf den Raubkunstcharakter
Schließlich stellt auch eine Versteigerung der seitens der nationalsozialistischen Unrechtsbehörden innerhalb Deutschlands verstaatlichten Kulturgüter (die sog. Raubkunst der zweiten Phase) unmittelbar durch die nationalsozialistischen Behörden bzw. durch ein beauftragtes privates Auktionshaus ein signifikantes Hinweiszeichen auf den Raubkunstcharakter eines zur Veräußerung anstehenden Kulturguts dar. Die sichergestellte Raubkunst galt aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen dem Deutschen Reich zu Eigentum verfallen und wurde mittels sog. Judenauktionen entweder direkt von den Finanzbehörden oder mittelbar durch beauftragte private Auktionshäuser meist auf öffentlichen Versteigerungen, zum Teil sogar im Hause des Sammlers selbst, verwertet. Für die Veräußerung der Raubkunst wird sogar berichtet, dass die sichergestellten Kunstobjekte im jeweiligen Auktionskatalog häufig als „nichtarisch“ gekennzeichnet waren.940
511
Der Begriff der Judenauktionen wurde im Laufe der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft allgemein als abfälliger Begriff für den Verkauf jüdischen Vermögens während der Zeit des Nationalsozialismus bekannt.941 Für die indizielle Wirkung verdächtiger Situationen unrechtmäßiger Kulturgutentziehungen gilt somit, dass sich besonders nach Beginn des Jahres 1938 die jüdische Herkunft eines Gemäldes darin zeigen konnte, dass die seitens der nationalsozialistischen Behörden enteigneten, verstaatlichten und nationalisierten Kunstwerke aus einer Kollektion direkt vom zuständigen Finanzamt oder einem von diesem beauftragten Auktionshaus versteigert worden sind.942
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Vgl. auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 208–211. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 43–45. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 43–45. So auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 203–206.
654
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
513
In der Entscheidung Koerfer v. Goldschmidt des Schweizerischen Bundesgerichts vom 13. Dezember 1968 943 fand die Terminologie Judenauktion Eingang in die kulturgüterrechtliche (Schweizer) Rechtsprechung. Der jüdische Sammler Goldschmidt war bereits im Jahre 1931 in wirtschaftliche Bedrängnis geraten und musste zahlreiche Gemälde, die später nach Ende des Zweiten Weltkrieges Gegenstand seiner Restitutionsforderungen wurden, einer Bank sicherungsübereignen. Nachdem im Januar 1941 seine deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt und sein Vermögen als dem Deutschen Reich verfallen erklärt worden war, versteigerte das Finanzamt Moabit – gegen heftigen Protest der sicherungsnehmenden Bank – die Bilder durch das Auktionshaus Hans W. Lange, da die Behörde die Werke lediglich als verpfändet und nicht als sicherungsübereignet ansah. Auf dieser Versteigerung erwarb Jakob Koerfer die umstrittenen Gemälde ‚Le premier tricot‘ und ‚Dans la loge‘ von Toulouse-Lautrec und verbrachte sie in der Folge in die Schweiz. Da die Gerichte annahmen, dass die Versteigerung nichtig und folglich nicht geeignet war, Jakob Koerfer zum Eigentümer der streitigen Bilder zu machen, hatten sie zu klären, ob die Beklagten das Eigentum an den Bildern gutgläubig durch Ersitzung gemäß Art. 728 ZGB erworben haben.944
514
Die Vorinstanz hatte diesbezüglich festgestellt (was durch das Bundesgericht bestätigt wurde), dass der Kläger den von Gesetzes wegen zu vermutenden guten Glauben Jakob Koerfers zur Zeit der Inbesitznahme der Bilder nicht zu widerlegen vermochte. Zwar habe Koerfer als Kunstfreund gewusst, dass sich „hinter den Initialen J.G.“, mit denen der Auktionskatalog die Herkunft des größten Teils der am 25. September 1941 versteigerten Kunstwerke bezeichnete, „der emigrierte Jude und berühmte Kunstsammler Jakob Goldschmidt verbarg“, er habe jedoch damals in guten Treuen annehmen können, die Versteigerung der „ehemaligen Sammlung J.G.“ hänge mit der damals allgemein bekannten Überschuldung Goldschmidts zusammen.945 Hier wurde die Gutgläubigkeit des Erwerbers somit nur aufgrund der besonderen Umstände bejaht.
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Allgemein kann man aus der Rechtsbeurteilung des Bundesgerichts jedoch erkennen, dass einem Erwerber auf einer Judenauktion die jüdische Provenienz zur Zeit
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Koerfer v. Goldschmidt, Bundesgericht vom 13. Dezember 1968; Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts aus dem Jahe 1968, Amtliche Sammlung, 94. Band, II. Teil: Zivilrecht, (BGE) 94 II, S. 297–312, S. 305 [Tribunal fédéral, 2ème Cour civile – 13 décembre 1968 – Koerfer contre Goldschmidt – ATF 94 II 297, Journal des Tribunaux 1970 I 176.]. Vgl. zudem Schmidt, Ein Fall bewusster Irreführung der Rückerstattungsjustiz, RzW 1978, S. 81 ff., S. 85–86; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 211–215. Koerfer v. Goldschmidt, II. Zivilabteilung des Schweizerischen Bundesgerichts, Urteil vom 13. Dezember 1968; Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts aus dem Jahre 1968, Amtliche Sammlung, 94., Band, II. Teil: Zivilrecht, (BGE) 94 II, S. 297 ff. [Tribunal fédéral, 2ème Cour civile – 13 décembre 1968 – Koerfer contre Goldschmidt – ATF 94 II 297, Journal des Tribunaux 1970 I 176].
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
des Nationalsozialismus durchaus hätte bewusst sein müssen. Auch wenn der zur Versteigerung der Kunstwerke aus der Sammlung Jakob Goldschmidt gehörende Auktionskatalog zwar den Titel „Gemälde und Kunstgewerbe aus der ehemaligen Sammlung J. G./Berlin – Verschiedener Kunstbesitz“ trug, wurde als Auftraggeber nicht Jakob Goldschmidt oder die Bank, der er die zu versteigernden Kunstwerke sicherungsübereignet hat, sondern „F. Berlin“ benannt. Dass es sich dabei um das Finanzamt Berlin Moabit-West handelte, war damals jedermann bekannt.946 So herrschte bspw. auch allgemeine Kenntnis darüber, dass sich etwa das Auktionshaus Hans W. Lange praktisch ausschließlich auf die Durchführung solcher Judenauktionen spezialisiert hatte (auf die Versteigerung anfangs von kulturellem Fluchtgut und später Raubkunst). So berichtet bspw. auch Rudolph, dass selbst in dem Fall, dass es keinen direkten Hinweis auf eine Judenauktion gab, jedem Erwerber erkennbar war, „dass das Auktionshaus Hans W. Lange die meisten seiner Versteigerungen in den Jahren 1939 bis 1945 im Auftrag von Finanzbehörden durchgeführt hat. Dies war seinerzeit ebenso offenkundig wie seine Spezialisierung auf Judenauktionen in den Jahren zuvor. … In der Zeit während des Nationalsozialismus bis Ende der 1960er Jahre war es, das entspricht der Erfahrung aufgrund vielfältiger Vorgänge aus dieser Zeit, allgemein bekannt, dass für die Verwertung des dem Deutschen Reich verfallenen jüdischen Kunstbesitzes die Finanzämter, in vielen Fällen das Finanzamt Berlin Moabit-West, zuständig waren. Das bedeutet, dass die jüdische Provenienz der versteigerten Kunstwerke aus der Sammlung Jakob Goldschmidt jedem Erwerber daran erkennbar war, dass sie im Auftrag des Finanzamtes Berlin Moabit-West durch das Auktionshaus Hans W. Lange versteigert worden sind.“ 947 Ebenso wie bei einem Erwerb zur Zeit des Nationalsozialismus ist auch für eine Akquisition eines Kunstwerks nach Veröffentlichung der Ergebnisse der Provenienzrecherche Ende der 1990er Jahre 948 davon auszugehen, dass ein Erwerber kultureller Wertgegenstände bei einem Zusammenhang zwischen dem zu erwerbenden Kunstwerk und einer Veräußerung durch eine nationalsozialistische Behörde oder durch ein beauftragtes, in der konsolidierten Liste benanntes Auktionshaus weitere Nachforschungen betreiben muss, um den notwendigen Sorgfalts-
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948
So nachgewiesen durch Zeugenaussage bei Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 211–215. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 211–215. Vgl. bspw. zur Darstellung der Zusammenarbeit zwischen dem Auktionshaus Hans W. Lange und den Finanzbehörden die Ausführungen bei Heuss, Die Reichskulturkammer und die Steuerung des Kunsthandels im Dritten Reich, Sediment 1998, Heft 3, S. 49 ff., S. 52; König, Erste Ergebnisse der Provenienzrecherche zu dem in Bundesbesitz befindlichen Restbestand CCP – Das Ölgemälde „Die Milchfrau“ von Daniel Chodowiecki, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Beiträge öffentlicher Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland zum Umgang mit Kulturgütern aus ehemaligem jüdischen Besitz, 2001, S. 16–25, S. 19 ff.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
anforderungen zu genügen und den Raubkunstcharakter auszuschließen.949 Unterlässt der Erwerber in diesem Fall jedoch eine weitere Provenienzerforschung, muss er entweder Abstand von dem Kulturguterwerb nehmen oder ist als bösgläubig zu bezeichnen, sodass eine bona fide-Akquisition ausscheidet, sollte sich der unrechtmäßige Entzugscharakter später bestätigen.
7.
Beteiligung von Spezialsachverständigen, Transportunternehmen und Hinweise auf eine Verwahrung in bekannten NS-Aufbewahrungs- und Verbringungsorten
516
Innerhalb der Handreichung wird in Anlage II f eine Aufzählung sog. Spezialsachverständiger der NS-Zeit 950, in Anlage II j eine Nennung spezieller Transportfirmen und -organisationen, die unter anderem mit Transporten von Beutekunst in das Deutsche Reich befasst waren (insgesamt überquerten schätzungsweise 120 Eisenbahnwaggons und 4.170 Kisten mit Kulturgütern die Grenzen nach Deutschland),951 und in Anlage II g eine Liste der bekanntesten Aufbewahrungs- und Verbringungsorte unrechtmäßig entzogener Beute- und Raubkunst genannt.952
517
Anlage II f: Spezialsachverständige der NS-Zeit – Als Sachverständiger des Reichserziehungs- und Innenministeriums Hans Carl Krüger (Berlin, Brandenburg, Meseritz, Schwerin) – Als Sachverständiger des Reichserziehungs- und Innenministeriums Wilhelm Ettle (Kunsthändler) (Hessen, Wiesbaden, Rheinpfalz, Saarland u.a.) nach dessen Verhaftung durch die Gestapo wegen persönlicher Bereicherung Fortsetzung seiner Tätigkeit seit 1941 durch Julius Hahn (ebenfalls Kunsthändler) – Spezialsachverständige in Kunstfragen für Frankfurt a.M. Dr. Alfred Wolters (Direktor der Städtischen Galerie Frankfurt a.M.), Prof. Walter Manowsky (Direktor des Kunstgewerbemuseums Frankfurt a.M.), Dr. Ernst Holzinger (Direktor des Städelschen Kunstinstitutes, Dr. Richard Oehler (Direktor der Universitätsbibliothek Frankfurt a.M.) als Sachverständige der „Anlaufstelle für jüdisches Kulturgut“, Dr. Hans Bergmann (Universitätsbuchhandlung Blazek & Bergmann Frankfurt a.M.) – Wilhelm Schumann (Kunsthändler) als Fachreferent beim Landeskulturverwalter des NSDAP-Gaus Hessen-Nassau 949
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Vgl. auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 208–211. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 60. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 67. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 61.
2. Abschnitt: Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit
657
Anlage II j: Transportfirmen/-organisationen (u.a. mit Transporten von geraubtem Kulturgut in das Deutsche Reich befasst) – J. B. Bratenburg, Den Haag, de-Kuyper-Straat – Brauner, Schweiz – Brenzlau, Berlin, Apostel-Paul-Straße – Bronner, Basel – Gondrand, Florenz, Piazza Stazione 1 – de Gruyter, Amsterdam, Frans-van-Mieres-Straat – Martelli, Florenz, Via Vignea Nuova 12 – Pottler, Paris, Rue Gaillon 14 – Rosoni, Rom, Piazza di Spagna 33 – Fa. Schenker (Büro Paris – große deutsche Firma, spezialisiert auf Kunsttransporte) – Schumacher, Berlin, Obertrautstraße – Wacker-Bondy, Paris
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Anlage II g: Liste der bekanntesten Aufbewahrungs- und Verbringungsorte geraubter Kulturgüter – Sammlung Führermuseum Linz: Salzmine Alt-Aussee und Steinberg (Österreich), Hohenfurth, Stift Kremsmünster, Schloss Thürntal (bei Kremsmünster), Schloss Steiersberg (bei Wien-Neustadt), Schloß Kogl (St. Georgen, Attergau), Grundlsee (Villa Castiglione), St. Agatha (bei Alt-Aussee), Schloss Weesenstein (bei Dresden), Gemäldegalerie Dresden – Einsatzstab Rosenberg: Schlösser Neuschwanstein (Füssen), Kogl, Herrenchiemsee, Seisenegg, Nikolsburg und Kloster Buxheim bei Memmingen, – Sammlung Göring: Carinhall, Berchtesgaden, Veldenstein – „Ostbücherei“: Ratibor (Polen) – Hungen bei Gießen (jüdische Literatur und Kultgegenstände aus der Sowjetunion)
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Lässt sich nach dem heutigen Erkenntnisstand feststellen, dass zwischen 1933 und 1945 ein Zusammenhang zwischen dem zu erwerbenden Kunstwerk und einem der genannten Spezialsachverständigen der NS-Zeit oder einer der genannten Transportfirmen bzw. -organisationen besteht oder eine Verbindung zu einem der in der Liste benannten Aufbewahrungs- und Verbringungsorte unrechtmäßig entzogener Beute- und Raubkunst gezogen werden kann, muss ein Erwerber eines Kulturguts weitere Nachforschungen betreiben, um den notwendigen Sorgfaltsanforderungen zu genügen und den Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- und entarteten Kunstcharakter auszuschließen.953 Unterlässt der Erwerber in diesem Fall jedoch eine weitere Provenienzerforschung, muss er entweder Abstand von dem Kulturguterwerb nehmen oder ist als bösgläubig zu bezeichnen, sodass eine bona fide-Akquisition ausscheidet, sollte sich der unrechtmäßige Entzugscharakter später bestätigen.
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Vgl. auch Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 208–211.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
§ 13 Ergebnis: Checkliste zum gutgläubigen Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst 521
Nachdem eingangs (unter Punkt A.) spezielle subjektive und objektive Kriterien zur Bestimmung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit von Erwerbern hinsichtlich gestohlener Kulturgüter festgestellt werden konnten und unter Punkt B. spezifische Sorgfaltsanforderungen als Voraussetzungen der Gutgläubigkeit hinsichtlich des Erwerbs illegal exportierter Kulturgüter extrahiert wurden, fanden in den vorstehenden Untersuchungen unter Punkt C. spezielle ‚Gutglaubensfragen‘ und ein konkreter Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst rechtliches Gehör. Es wurde erkannt, dass für die Annahme der Bösgläubigkeit der Erwerber wissen oder grob fahrlässig nicht wissen (Kennenmüssen) musste bzw. muss, (erstens) um die Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers vor der unrechtmäßigen Entziehung, (zweitens) um den tatsächlichen Entziehungsakt und drittens darüber Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis besitzt, dass der Entziehungsakt keinen Eigentumsverlust des ursprünglichen Eigentümers zur Folge hatte. Als zweites Untersuchungsergebnis der vorstehenden Studien ist festzuhalten, dass sich das Wissen um die Entzugstatbestände während des inzwischen fast 75-jährigen Zeitablaufs mehrmals verändert hat. Das hat unmittelbar zur Folge, dass heute jeder einzelne Kulturguttransfer mit Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst nach dem konkreten Wissens- und Erkenntnisstand der jeweiligen Zeit und des jeweiligen Erwerbers bei Vornahme des Rechtsgeschäfts zu untersuchen ist.
522
Leicht feststellbar war, dass zwischen einerseits der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit und andererseits seit Beginn der Provenienzrecherchen im internationalen Kunsthandel mit Beginn der 1990er Jahre (in der sog. Zwischenzeit) weltweit kein Bewusstsein für die im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft widerrechtlich entzogenen Kulturgüter bestand, sodass weder professionell am Kunsthandel beteiligte Erwerber noch Privatsammler um den Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- oder entarteten Kunstcharakter hätten wissen müssen. Ganz im Gegensatz hierzu konnte ebenso sicher geklärt werden, dass von einer allgemeinen Sensibilisierung des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs auszugehen ist, sodass zeitgenössische professionell wie laienhaft im Kunsthandel tätige Erwerber grundsätzlich eine besondere Prüfung hinsichtlich eines möglichen Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunstoder entarteten Kunstcharakters der Erwerbsgegenstände und generell diesbezügliche Provenienzbestimmungen vornehmen müssen.
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Als wesentlich schwieriger hat sich jedoch die Frage nach der Bösgläubigkeit kultureller Erwerber in der Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft
§ 13 Ergebnis: Checkliste: Beute-, Flucht-, Raub- und entartete Kunst
659
und der unmittelbaren Nachkriegszeit herausgestellt.954 Innerhalb der Schweizer Rechtsordnung wurde bspw. vor Beginn und am Anfang des Zweiten Weltkrieges der Handel mit kulturellem Fluchtgut, Beute-, Raub- und ‚entarteter‘ Kunst regelmäßig als „ein wesentlicher und weitgehend als unproblematisch empfundener Teil des ‚normalen‘ Kunsthandels“ 955 empfunden. In gewisser Weise ‚gehörte er einfach dazu‘, wie er nach den traditionellen Normen des Schutzes von Privateigentum zwar ‚dazu gehörte‘, nach den im Laufe des Krieges mehr und mehr Fuß fassenden neueren menschenrechtlichen Normen und tatsächlichen Erkenntnissen aber eben nicht ‚einfach‘ hätte dazugehören sollen. Zu Beginn der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft und des Zweiten Weltkrieges konnte jedoch sicherlich noch nicht davon ausgegangen werden, dass in der deutschen oder bspw. schweizerischen Bevölkerung ein Wissen um die Plünderungsmethoden in den besetzten Staaten oder die Quantität und Qualität der Kulturgutentziehungen innerhalb Deutschlands und der besetzten Territorien bestand. Für den Bereich der Beutekunst steht mit großer Sicherheit fest, dass mit Erlass und der breiten Veröffentlichung der sog. Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 eine zeitliche Zäsur vorzunehmen ist, in der sich die Alliierten die Nichtigerklärung nationalsozialistischer Entziehungsakte vorbehielten. Ziel der Deklaration war unter anderem auch, dass potentielle Erwerber von im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern aufgrund der Kundgabe der Londoner
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Der Frage, ob gutgläubiger Erwerb an solchen Kulturgütern möglich ist, die unter Gewalt oder Zwang aus den besetzten Gebieten oder aufgrund der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft innerhalb des deutschen Territoriums unrechtmäßig entfernt wurden, wurde in der deutschen Nachkriegsliteratur und Rechtsprechung kaum Beachtung geschenkt, da die alliierte Restitution als Selbstverständlichkeit betrachtet wurde, unabhängig von den Erwerbsumständen des letzten Besitzers. Vgl. Fiedler, Die Alliierte (Londoner) Erklärung vom 5.1.1943: Inhalt, Auslegung und Rechtsnatur in der Diskussion der Nachkriegsjahre, in: Basedow/Meier/Schnyder/Einhorn/Girsberger, Private Law in the International Arena. From National Conflict Rules Towards Harmonization and Unification, Liber Amicorum Kurt Siehr, 2000, S. 197–218. Umstritten und praktisch relevant, weil vor deutschen Gerichten verhandelbar, war vielmehr allein die Frage, ob der gutgläubige Erwerber für den Fall, dass die erworbene Sache von den Besatzungsbehörden restituiert wurde, Ansprüche gegen den Veräußerer aufgrund eines Rechtsmangels hatte. Vgl. OLG Hamburg, SJZ 1948, Sp. 320 ff.; Arndt, Anmerkung zum Urteil des OLG Hamburg v. 3.2.48 – 2 U 324/47, SJZ 1948, Sp. 323 ff., Sp. 324; Schmoller/Maier/Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts – Institut für Besatzungsfragen, 1957, S. 22–23 m.w.N. Die deutsche Rechtsordnung beschäftigte sich somit allein mit der Frage der Rückgriffsansprüche gegen den Vorbesitzer. Vgl. Fiedler, Die Alliierte (Londoner) Erklärung vom 5.1.1943: Inhalt, Auslegung und Rechtsnatur in der Diskussion der Nachkriegsjahre, in: Basedow/Meier/Schnyder/Einhorn/Girsberger, Private Law in the International Arena. From National Conflict Rules Towards Harmonization and Unification, Liber Amicorum Kurt Siehr, 2000, S. 197–218. Vgl. hierzu aus Sicht des Schweizer Kunsthandels Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 27.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Erklärung sich nicht mehr leichtfertig und ungeprüft auf einen gutgläubigen Erwerb berufen konnten, ohne sich irgendwelche Gedanken über die Herkunft der Werke gemacht zu haben. 525
Innerhalb der Kategorie des kulturellen Fluchtguts wird wohl über das Ziel hinausgeschossen, ohne besondere Umstände den Erwerbern auf einer der zahlreichen Judenauktionen während der Zeit des Nationalsozialismus Kenntnis bzw. Kennenmüssen von der zivilrechtlichen Nichtigkeit der Veräußerung aufgrund Sittenwidrigkeit zu unterstellen.956 Bei einer Versteigerung formal ‚freiwillig‘ eingelieferten kulturellen Fluchtguts konnten in der Regel weder professionell am Kunsthandel Beteiligte noch Privatpersonen die rechtliche Wertung der Sittenwidrigkeit und der Nichtigkeit des Eigentumstransfers nachzeichnen. Üblicherweise mussten die Erwerber während dieser Zeit darauf vertrauen können, dass die – nur durch mittelbare Zwangseinwirkung – erfolgte Veräußerung kultureller Wertgegenstände auf einer Judenauktion nicht mit dem Makel der Sittenwidrigkeit behaftet und ein Eigentumstransfer erfolgt war.
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Besonders kontrovers zeigte sich auch die Beurteilung der Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst.957 Da sich die Verstaatlichung seitens der Behörden des Deutschen Reiches zur Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft auf formal rechtsgültige Gesetze stützte, kann einerseits davon ausgegangen werden, dass – bei Fehlen besonderer entgegenstehender Umstände – Erwerber grundsätzlich die staatliche Autorität des Entziehungsaktes anerkannten und von der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahmungen ausgehen durften. Anderer Ansicht nach schlägt die Nichtigkeitswirkung der nationalsozialistischen Rechtsregeln zur Verstaatlichung der Kunstwerke aufgrund des außergewöhnlich großen materiellen Unrechtsgehalts nach der RadbruchThese auch auf die Bösgläubigkeit eines Erwerbers durch, wenn dieser Kenntnis von der vorherigen Eigentums- und Entziehungslage hatte. Hier befindet man sich sicherlich an einer Glaubensfrage: Wohl überzeugender ist die Lösung, wonach bei Kenntnis des Erwerbers um die ursprüngliche Eigentumsposition und die judenfeindlichen Gesetze zur Verstaatlichung ihrer Kulturgüter nicht
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Rudolph ist diesbezüglich jedoch der Meinung, dass der Umstand, dass die Veräußerung des auf einer Judenauktion zu erwerbenden Kunstwerks nichtig und somit das Eigentum daran nicht auf den Entzieher und späteren Veräußerer übergegangen war, schon allein „an der Tatsache der nationalsozialistischen Judenverfolgung erkennbar“ war. Vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 218–222. Voraussetzung war hier, dass der Erwerber Kenntnis davon hatte oder haben musste, dass eine diskriminierende und menschenrechtsverachtende Verstaatlichung kultureller Güter aus dem Bestand jüdischer Sammlungen und die Designation der entarteten Kunst aus Privateigentum nach den nationalsozialistischen ‚Säuberungsaktionen‘ als nichtig zu qualifizieren waren und keinen Eigentumsverlust der Eigentümer und damit keinen Eigentumserwerb des deutschen Reiches zur Folge hatten.
§ 13 Ergebnis: Checkliste: Beute-, Flucht-, Raub- und entartete Kunst
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beide Augen unter dem Deckmantel staatlichen Handelns hätten verschlossen bleiben dürfen, sodass – Ausnahmen sind hier immer begründbar – grundsätzlich von der Notwendigkeit spezifischer Nachforschungsanforderungen und von Bösgläubigkeit auszugehen ist. Damit stehen in sämtlichen Veräußerungen von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst die rechtlichen Wertungskriterien zur Bestimmung des konkret notwendigen Sorgfaltsmaßstabes fest und es sind bei einer zivilrechtlichen Restitutionsklage unrechtmäßig zur Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft und des Zweiten Weltkrieges entzogener Kulturgüter sämtliche Erwerbsakte einer mehrgliedrigen Veräußerungskette nach dem genauen Zeitpunkt des Kulturguttransfers und nach dem jeweils gültigen Kenntnisstand hinsichtlich der Gutgläubigkeit des Erwerbers zu untersuchen.
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Abschließend wurden in Punkt C. spezielle Indizien herausgearbeitet, die auf eine ‚verdächtige‘ Akquisition von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst hindeuten. In der Regel sind eindeutige Hinweise auf eine zweifelhafte Herkunft der zu veräußernden Beutekunst, des kulturellen Fluchtguts, der Raubkunst oder entarteten Kunst auf der Grundlage eindeutiger und detaillierter Angaben in den Erwerbsunterlagen oder an den Objekten selbst die Ausnahme und die allgemeinen Hinweise zur Bestimmung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit eines Erwerbers gestohlener Kulturgüter (oben unter Punkt A.) sind zu unspezifisch. So formulierte sich für den vorliegenden Diskurs der Untersuchungsauftrag von selbst und es wurden praktisch handhabbare Kriterien aufgestellt, die bei der Provenienzrecherche Anhaltspunkte für die Vermutung eines verfolgungsbedingten Entzugs geben und zur indiziellen Bestimmung der Gutbzw. Bösgläubigkeit dienlich sind. Es ist explizit darauf hinzuweisen, dass sich die Prüfung des folgenden Fragenkatalogs auch immer auf den Zeitraum vor dem letzten Erwerb bspw. des Veräußerers beziehen muss. Deshalb sind alle Eigentumserwerbsvorgänge sowie alle Akquisitionstatbestände unklarer Herkunft zwischen 1933 und 1945 ebenso zu untersuchen wie ein Wechsel in der Besitzposition in dieser Zeit. Das hat somit noch beim heutigen Kulturguterwerb zur Folge, dass auch bei allen Erwerbungen nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft im Jahre 1945 die Provenienzen zwischen 1933 und 1945 in jedem Falle geklärt werden müssen, um nicht von Beginn an als bösgläubig zu gelten. Zu den zu untersuchenden Erwerbsvorgängen zählen sämtliche Erwerbsarten, sodass bspw. nicht nur der Eigentumserwerb aufgrund Kaufes, Tausches oder Schenkung zu analysieren ist, sondern auch beim Erwerb größerer geschlossener Einheiten, bei Ankäufen unter Marktpreis und größeren Auktions- oder Antiquariatszugängen durch Vermächtnis und amtliche Zuweisung Vorsicht geboten ist. Letztere Erwerbsart ist besonders wichtig, da aus dem Pedigree eines Kulturguts häufig auch die direkte Zuweisung eines beschlagnahmten Objektes durch amtliche NS-Stellen an Museen (‚Geschenke‘) ersichtlich wird. Bei einer Gesamtschau der oben untersuchten
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Hinweiszeichen und der seitens der Bundesregierung Deutschland veröffentlichten Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NSverfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, sind folgende Fragestellungen als Indikatoren der Bestimmung des Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- oder entarteten Kunstcharakters dienlich.958 Für alle Fragestellungen gilt, dass sich sämtliche Hinweiszeichen und Indizien auf eine unrechtmäßige Entziehung auf die Zeitspanne zwischen der nationalsozialistischen Machtergreifung im Jahre 1933 und dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945 beziehen: 1. Bestehen Dokumentationslücken bzw. ungeklärte Provenienzzeiträume innerhalb des Pedigrees des zu veräußernden Kulturguts? Deuten plötzlich fehlende oder kryptische Herkunftsvermerke bzw. vom gewöhnlichen Verzeichnungsusus abweichende Registrierungen oder auffällige Provenienzvermerke (Stempel, Widmungen, Eigentumsvermerke) auf eine unrechtmäßige Entziehung hin? 2. Bestehen Auffälligkeiten innerhalb der Provenienzbeschreibung und des Pedigrees des zu veräußernden Kulturguts hinsichtlich der Art und Weise der Verzeichnung der Sammlungsobjekte durch die Vorerwerber? Anders gefragt: Werden Hinweiszeichen innerhalb der Provenienz ersichtlich, wonach das Kulturgut von dem Veräußerer nicht regelkonform akzessioniert bzw. das Objekt ohne die sonst üblichen detaillierten Angaben veräußert wurde (vgl. bspw. den Hinweis in der Provenienzbestimmung „erworben 1942“ ohne weitere Informationen als Hinweis auf ‚arisierte‘, also gestohlene, abgepresste oder unter Wert verkaufte Objekte als Beutekunst, Raubkunst oder entartete Kunst)? 3. Lässt sich eine jüdische Provenienz des zu veräußernden Kulturguts innerhalb des Territoriums des Dritten Reiches oder eine ursprüngliche Eigentumsposition verfolgter Bevölkerungsgruppen in von den deutschen Truppen besetzten östlichen und westlichen Territorien nachweisen und hat ein Wechsel der Eigentümer- bzw. Besitzerposition zwischen 1933–1945 stattgefunden? 4. Ist der ursprüngliche Eigentümer in der Liste jüdischer Privatsammler und Kunsthändler eingetragen, die inzwischen als Opfer der nationalsozialistischen Plünderungstaten identifiziert wurden und Teile ihrer Bestände und kulturellen Sammlungen zur Zeit des NS-Unrechtsstaates bzw. während des Zweiten Weltkrieges verloren haben? Wurde ein Kulturgut in den Jahren 1933 bis 1945 öffentlich in einer Ausstellung zur Schau gestellt und bezeichnete der Ausstellungskatalog bspw. den jüdischen Eigentümer namentlich? 5. Lassen thematische Indikatoren (wie bspw. Objekte oder Literatur mit direktem Bezug auf jüdische oder religiös bzw. weltanschaulich missliebige Themen) oder der Verfassername bzw. Name des Künstlers (wie bspw. Autoren oder bildende Künstler, die verfolgt bzw. jüdischer Herkunft waren) in Kombination mit ‚verdächtigen‘ Erwerbungsvorgängen den Schluss auf eine unrechtmäßige Entziehung als Beutekunst, kulturelles Fluchtgut, Raubkunst oder entartete Kunst zu? 958
Vgl. hierzu auch den diesbezüglichen Untersuchungsauftrag der Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 10–20, aus der einzelne Gedanken in der folgenden Fragenliste inkorporiert wurden.
§ 13 Ergebnis: Checkliste: Beute-, Flucht-, Raub- und entartete Kunst 6. Bestehen Hinweise auf die Zugehörigkeit des zu veräußernden Kulturguts zu großen und wertvollen privaten Sammlungen und Bibliotheken der Vorkriegszeit vornehmlich in Deutschland, aber auch insbesondere in Frankreich, Polen und der damaligen Tschechoslowakei, auf die die NS-Führung und lokale NS-Vertreter ein besonderes Augenmerk gerichtet hatten (die Zugehörigkeit zu einer dieser Sammlungen ist oftmals ein wichtiges Indiz für eine NS-verfolgungsbedingte Entziehung)? 7. Sind auf einem Kulturgut (bspw. auf der Rückseite eines Gemäldes) Namen, Signaturen oder Kürzel der ursprünglichen Eigentümer bzw. vergleichbare Indizien zur Bestimmung der jüdischen Herkunft und Provenienz notiert? Sind möglicherweise (zusätzlich) eine Jahreszahl oder eine andere Angabe als Hinweiszeichen auf eine frühere jüdische Eigentümerstellung, Sammlung oder auf einen jüdischen Kunsthändler angebracht? 8. Bestehen Anzeichen einer Beteiligung nationalsozialistischer Dienststellen (vgl. die Liste der wichtigsten involvierten NS-Dienststellen) und einzelner NS-Verantwortlicher (vgl. die Liste der wichtigsten am Kunstraub involvierten NS-Beteiligten) an dem Kulturgutraub? Nähren Signaturen und Kürzel nationalsozialistischer Dienststellen und Plünderungsbehörden den Verdacht, dass es sich bei dem zu veräußern-den Kunstwerk um Beutekunst, Raubkunst oder entartete Kunst handelt? 9. Werden Hinweiszeichen auf staatliche Auftraggeber des NS-Kulturgutraubes ersichtlich? Bestehen Indizien für eine staatliche Inbesitznahme nach Raub, Beschlagnahmung, Enteignung und Zwangsverkauf durch die Dienststellen und auf Kulturgutraub spezialisierte Organisationen des Deutschen Reiches wie bspw. durch die Gestapo, die Militärverwaltung in besetzen Gebieten, die Reichsministerien, Reichskanzlei und die jeweiligen Oberfinanzdirektionen? 10. Werden staatliche Museen, Bibliotheken oder Archive des Deutschen Reiches oder individuelle NS-Sammler wie bspw. Hitler, Bormann, Himmler, Göring, Ribbentrop oder Rosenberg als Empfänger von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder entarteter Kunst ersichtlich? Weisen kulturelle Ankäufe in von den Truppen des Deutschen Reiches besetzen Staaten auf einen nur formal ‚freiwilligen‘ Verkauf unter Zwang hin oder indizieren ‚Geschenke‘ bzw. Zuweisungen staatlicher NS-Stellen aus besetzten Territorien den Beutekunstcharakter? 11. Sind Anzeichen dafür ersichtlich, dass eine Veräußerung von Beutekunst, Raubkunst oder entarteter Kunst durch involvierte NS-Kunsthändler zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft bzw. zur Zeit des Zweiten Weltkrieges erfolgte (vgl. die Liste der bedeutendsten involvierten NS-Kunsthändler)? 12. Wird ein Ankauf eines Kulturguts aus Städtischen Pfandleihanstalten ersichtlich, nachdem Juden nach der Dritten Anordnung auf Grund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens der Juden vom 21. Februar 1939 gezwungen waren, Schmuck, Edelmetallgegenstände und kulturelle Wertobjekte an die Städtischen Pfandleihanstalten abzuliefern (die Berliner Pfandleihanstalt fungierte als Zentralstelle, in der alle höherwertigen Objekte der Zwangsablieferungsaktionen aus ganz Deutschland zusammenflossen)? 13. Wurde das Kulturgut auf einer sog. Judenauktion versteigert (vgl. die Liste der bedeutendsten involvierten NS-Auktions- und Versteigerungshäuser und vgl. die konsolidierte Auflistung der Kunst- und Kulturgutauktionen der Jahre 1933 bis 1945 auf der Internetseite www.lostart.de der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste)? 14. Wurde kulturelles Fluchtgut mit einem Hinweis auf die jüdische Provenienz versehen, weil statt des jüdischen Namens „ein Deckwort oder ein Buchstabe“ in den Auktionskatalogen angegeben wurde oder die Versteigerer dazu angehalten wurden, die jüdischen Einlieferer durch einen Asterix (*) oder ein „J“ zu kennzeichnen?
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt 15. Wurde das Kulturgut entweder direkt von den NS-Finanzbehörden (vgl. die Liste der häufig in die Verwertung involvierten NS-Behörden) oder mittelbar durch beauftragte private Auktionshäuser meist auf öffentlichen Versteigerungen, zum Teil sogar im Hause des Sammlers selbst, staatlich verwertet? Waren solche Kulturgüter innerhalb der Versteigerungskataloge möglicherweise ausdrücklich als „nichtarisch“, mit besonderen Kürzeln oder Signaturen gekennzeichnet? 16. Lässt sich zwischen 1933 und 1945 ein Zusammenhang zwischen dem zu erwerbenden Kunstwerk und (erstens) einem der NS-Spezialsachverständigen kultureller Wertgegenstände (vgl. die Liste der bedeutendsten NS-Spezialsachverständigen) oder (zweitens) einer der involvierten Transportfirmen bzw. -organisationen (vgl. die Liste der bedeutendsten NS-Transportfirmen bzw. -organisationen) feststellen oder kann (drittens) eine Verbindung zu einem der insgesamt über 2.000 NS-Aufbewahrungs- und Verbringungsorte unrechtmäßig entzogener Beute- und Raubkunst (vgl. die Liste der bedeutendsten NS-Verwahrungsorte kultureller Wertgegenstände) gezogen werden?
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Die Effektivität der Checkliste kann am Beispiel der Restitutionsforderung der Fritz Gutmann-Erben gegen Daniel C. Searle und das Art Institute of Chicago hinsichtlich des Edgar Degas-Gemäldes ‚Landscape with Smokestacks‘ (s. Abb. 18) aufgezeigt werden.959
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Friedrich (Fritz) Gutmann (ein Nachfolger des Begründers der Dresdner Bank) lebte zu Beginn des Zweiten Weltkrieges in den Niederlanden. Aus Angst vor einem Einmarsch deutscher Truppen verbrachte Gutmann zahlreiche Gemälde seiner umfangreichen Sammlung nach Paris, die dort von der Kunsthandelsfirma Paul Graupe bei einer Spedition eingelagert wurden. Nach der Besetzung Paris wurde während der Jahre 1942 und 1943 der Bestand der Galerie seitens der Plünderungsbehörden des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg beschlagnahmt und im Jeu de Paume im Louvre als Sammelstelle verwahrt. Der mit dem NS-Regime kollaborierende deutsche Kunsthändler Hans Wendland erwarb das Gemälde von dort im Jahre 1943 und veräußerte es gegen Ende des Zweiten Weltkrieges an seinen Schwager, den Kunstsammler und Textilkaufmann Hans Fritz Fankhauser aus Basel. Fritz Gutmann und seine Ehefrau Luise wurden bei der Emigration im Frühjahr 1943 von Holland nach Italien während der Zugfahrt über Deutschland verhaftet. Fritz Gutmann wurde im Frühjahr 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet, offensichtlich weil er sich weigerte, seinen gesamten Kunstbesitz unentgeltlich an das Deutsche Reich zu übertragen. Luise Gutmann wurde Mitte 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
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Die überlebenden Kinder Bernard und Lilly Gutmann suchten nach Ende des Zweiten Weltkrieges vergeblich auch nach dem Degas-Gemälde und erst die
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Vgl. ausführlich zu den tatsächlichen Sachverhaltsangaben Bazyler, Holocaust Justice – The Battle for Restitution in America’s Courts, 2003, S. 202–269, S. 215–221; Trienens, Landscape with Smokestacks – The Case of the Allegedly Plundered Degas, 2000; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 399–400; Feliciano, Das verlorene Museum – Vom Kunstraub der Nazis, 1998, S. 113 ff. und 184 ff.
§ 13 Ergebnis: Checkliste: Beute-, Flucht-, Raub- und entartete Kunst
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Enkel von Fritz und Luise Gutmann, die Kinder des verstorbenen Bernard Gutmann, erlangten im Jahre 1985 zufällig Kenntnis von dem Aufenthaltsort des Kunstwerks. Die genaue Provenienz des Gemäldes kann heute nicht mehr sicher nachgezeichnet werden. Es wird angenommen, dass der Baseler Kaufmann Fankhauser das Kunstwerk 1951 an den New Yorker Sammler Emile Wolf veräußert hatte, der das Landschaftsbild lediglich kurz auf zwei Ausstellungen 1965 im New Yorker Finch College Museum of Art und 1968 im Fogg Art Museum der Harvard Universität der Öffentlichkeit präsentierte. Nach 36-jährigem Besitz veräußerte Wolf seinerseits das Gemälde unter Vermittlung des New Yorker Kunstmaklers Margo Pollins Schab im Jahre 1987 für US-$ 850.000 an den bekannten amerikanischen Privatsammler Daniel Searle, der Mitglied des Beirates des Art Instituts of Chicago ist. Die Rechtsnachfolger von Fritz und Luise Gutmann entdeckten ‚Landscape with Smokestacks‘ anlässlich einer Ausstellung des Metropolitan Museum of Arts in New York, in das das Gemälde ausgeliehen worden war. Nachdem Daniel Searle nach Offenlegung der Provenienz des Gemäldes eine Rückführung an die Erben verweigerte, reichten diese im Jahre 1987 Restitutionsklage vor dem New Yorker Zivilgericht ein. Würde das Gemälde heute im (inter-)nationalen Kunstmarkt erscheinen, würden zahlreiche Indizien auf eine ‚belastete‘ Provenienz hindeuten: Zunächst ist ersichtlich, dass Provenienzlücken und ungeklärte Provenienzzeiträume bestehen. Heute ist nicht mehr sicher feststellbar und es bleibt der Spekulation überlassen, welchen Weg das Gemälde während des Krieges genommen hatte: Nachdem das Gemälde von dem niederländischen Kunstagenten Helmut Lutjens in den 1920er Jahren für die Berliner Galerie Paul Cassirer erworben worden war, stand das Kunstwerk bis 1939 in Eigentum und Besitz der Gutmann-Familie in Holland. Nächste gesicherte Provenienz ist jedoch erst wieder die Veräußerung des Gemäldes von dem Baseler Kaufmann Fankhauser an den New Yorker Sammler Emile Wolf im Jahre1951. Eine solche Provenienzlücke ist immer verdächtig! Darüber hinaus würde auch die ursprünglich jüdische Provenienz offen zu Tage liegen. Die Familie Gutmann ist in der Liste der jüdischen Privatsammler eingetragen, die inzwischen als Opfer der nationalsozialistischen Plünderungstaten identifiziert wurden. Darüber hinaus könnte für einen Erwerber die Zugehörigkeit des zu veräußernden Kulturguts zu der bekannten Gutmann-Sammlung als verdächtig erscheinen, auf die die NS-Führung ein besonderes Augenmerk gerichtet hatte. Auch könnte ersichtlich werden, dass die Gemälde aus den Beständen der verfolgten Paul Cassirer-Galerie in Paris beschlagnahmt wurden. Die Beteiligung des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg als Plünderungsbehörde und die Verwahrung im Jeu de Paume während der deutschen Besetzung von Paris könnten bei Nachforschungen ersichtlich werden und somit ebenfalls verdachtserregend wirken. Schließlich liegt der Beutekunstcharakter des DegasGemäldes deshalb offen zu Tage, weil in den Provenienzangaben die Veräußerung an den mit dem NS-Regime kollaborierenden deutschen Kunsthändler
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Hans Wendland im Jahre 1943 ersichtlich wird. Wendland ist in der Liste der bedeutendsten involvierten NS-Kunsthändler eingetragen und es wird dementsprechend auch die Veräußerung gegen Ende des Zweiten Weltkrieges an seinen Schwager, den Kunstsammler und Textilkaufmann Hans Fritz Fankhauser aus Basel, verdächtig. Käme das Gemälde heute auf den Markt, würde die ‚belastete‘ Provenienz dementsprechend bei Prüfung der Checkliste offensichtlich. Auch vor diesem Hintergrund endete das Verfahren zehn Jahre nach Erhebung der Klage im Jahre 1997 mit einem außergerichtlichen Vergleich. Aufgrund zweier unabhängiger Gutachten wurde der Verkehrswert ermittelt und die Hälfte des Betrages vom Museum an die Erben gezahlt. Durch die Einigung der Beteiligten blieb das Kunstwerk im Besitz des Sammlers Searle, der es später schenkweise den Art Instituts of Chicago übereignete, wo es sich heute befindet. 533
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass heute auch die selbstauferlegten Verhaltensstandards spezielle acquisition policies beim Erwerb NS-bedingter Kulturgutverluste ausdrücken. Die innerhalb des AAM-Code of Ethics for Museums aus dem Jahr 2000 nur grundlegend formulierten Verhaltensregeln der Mitglieder der American Association of Museums beinhalten so bspw. spezifische Richtlinien zum Erwerb von Beute- und Raubkunst. Die AAM-Guidelines Concerning the Unlawful Appropriation of Objects During the Nazi Era aus dem Jahr 1999 (in der Fassung April 2001) 960 wurden erlassen, um amerikanischen Museen Richtlinien zum Umgang mit dem Problem der Beutekunst, des kulturellen Fluchtguts, der Raubkunst und entarteten Kunst an die Hand zu geben (“AAM recognizes that the atrocities of the Nazi era demand that it specifically address this topic in an effort to guide American museums as they strive to achieve excellence in ethical museum practice.”). Unter anderem wurden spezielle Verhaltensvorgaben für amerikanische Museen beim Erwerb kultureller Wertgegenstände getroffen, um nicht der Gefahr der Einordnung NS-‚belasteter‘ Kulturgüter in deren Sammlungen zu begegnen.
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AAM-Guidelines Concerning the Unlawful Appropriation of Objects During the Nazi Era aus dem Jahr 1999 (in der Fassung April 2001): 1. Acquisitions: It is the position of AAM that museums should take all reasonable steps to resolve the Nazi-era provenance status of objects before acquiring them for their collections – whether by purchase, gift, bequest, or exchange. a) Standard research on objects being considered for acquisition should include a request that the sellers, donors, or estate executors offering an object provide as much provenance information as they have available, with particular regard to the Nazi-era. b) Where the Nazi-era provenance is incomplete or uncertain for a proposed acquisition, the museum should consider what additional research would be prudent or necessary to resolve the Nazi-era provenance status of the object before acquiring it. Such research may involve consulting appropriate sources of information, including available records and outside databases that track information concerning unlawfully appropriated objects. 960
Vgl. ausführlich hierzu Wechsler/Coate-Saal/Lukavic, Museum Policy and Procedures für Nazi-Era Issues, 2001.
§ 13 Ergebnis: Checkliste: Beute-, Flucht-, Raub- und entartete Kunst
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c) In the absence of evidence of unlawful appropriation without subsequent restitution, the museum may proceed with the acquisition. Currently available object and provenance information about any covered object should be made public as soon as practicable after the acquisition. d) If credible evidence of unlawful appropriation without subsequent restitution is discovered, the museum should notify the donor, seller, or estate executor of the nature of the evidence and should not proceed with acquisition of the object until taking further action to resolve these issues. Depending on the circumstances of the particular case, prudent or necessary actions may include consulting with qualified legal counsel and notifying other interested parties of the museum’s findings. e) AAM acknowledges that under certain circumstances acquisition of objects with uncertain provenance may re-veal further information about the object and may facilitate the possible resolution of its status. In such circumstances, the museum may choose to proceed with the acquisition after determining that it would be lawful, appropriate, and prudent and provided that currently available object and provenance information is made public as soon as practicable after the acquisition. f) Museums should document their research into the Nazi-era provenance of acquisitions. g) Consistent with current practice in the museum field, museums should publish, display, or otherwise make accessible recent gifts, bequests, and purchases, thereby making all acquisitions available for further research, examination, and public review and accountability. …
Besondere internationale Beachtung finden auch die Erwerbsregeln und ethischen Mindestverhaltensstandards der Association of Art Museum Directors 961 961
“The purpose of the Association of Art Museum Directors is to support its members in increasing the contribution of art museums to society. The AAMD accomplishes this mission by establishing and maintaining the highest standards of professional practice; serving as forum for the exchange of information and ideas; acting as an advocate for its member art museums; and being a leader in shaping public discourse about the arts community and the role of art in society. Members: Membership consists of persons who serve as directors of art museums in the United States, Canada, and Mexico which, by purpose, size, and standards of operation meet the eligibility requirements established by the Trustees of the Association. Membership in the Association is based on the qualifications of both the individual director and the specific art museum and no museum may be represented by more than one individual. The Association currently has 190 Active Members, 40 emeritus, and 20 honorary members. The Association maintains a ceiling of 200 active members. About Membership: Membership is open to persons who serve as directors of art museums in the United States, Canada, and Mexico which by purpose, size, and standards of operation meet the eligibility requirements established by the Trustees of the Association. The term ‘director’ is here used to designate that officer who has ultimate responsibility for the works of art owned by or lent to the museum, including jurisdiction over their acquisition, exhibition, preservation, study, and interpretation. Eligible individuals will be professionally qualified for their positions by a sufficient combination of art historical training, museum experience, demonstrated ability and adherence to the Code of Ethics of the Association. The term ‘art museum’ is here used to designate non-profit institutions primarily concerned with the exhibition of works of art, a professional staff and an annual operating budget equivalent to or exceeding $2 million for two consecutive years. Membership in the Association is based on the qualifications of both the individual director and the specific art museum and no museum may be represented by more than one individual.” Quelle: http://www.aamd.org/about.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
des amerikanischen Museumraums, zu der heute mehr als 190 Direktoren von Museen in den USA, Kanada und Mexiko zählen. Hinsichtlich des Erwerbs nationalsozialistisch- und kriegsbedingt entzogener Kulturgüter hat die Association of Art Museum Directors neben dem Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era (1933–1945) vom 4. Juni 1998 zusammen mit dem Addendum to the Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era (1933–1945) vom 30. April 2001 im Mai 2007 das Position paper Art Museums and the Identification and Restitution of Work Stolen by the Nazis veröffentlicht. Der Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era (1933–1945) vom 4. Juni 1998 beinhaltet unter anderem auch Guidelines für die Einordnung neuer Kulturgüter in die eigenen Sammlungen und spezielle Verhaltensanforderungen beim Erwerb:962 536
Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era (1933–1945) vom 4. Juni 1998: … B. Future Gifts, Bequests, and Purchases: 1. As part of the standard research on each work of art: (a) member museums should ask donors of works of art (or executors in the case of bequests) to provide as much provenance information as possible with regard to the Nazi/World War II era and (b) member museums should ask sellers of works of art to provide as much provenance information as possible with regard to the Nazi/World War II era. 2. Where the Nazi/World-War-II-era provenance is incomplete for a gift, bequest, or purchase, the museum should search available records and consult appropriate databases of unlawfully confiscated art … . (a) In the absence of evidence of unlawful confiscation, the work is presumed not to have been confiscated and the acquisition may proceed. (b) If there is evidence of unlawful confiscation, and there is no evidence of restitution, the museum should not proceed to acquire the object and should take appropriate further action. 3. Consistent with current museum practice, member museums should publish, display or otherwise make accessible all recent gifts, bequests, and purchases thereby making them available for further research, examination and study. 4. When purchasing works of art, museums should seek representations and warranties from the seller that the seller has valid title and that the work of art is free from any claims.
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Durch die Einhaltung spezieller Provenienzbestimmungen erhofft sich die AAMD Task Force (zu Recht) eine Eindämmung des illegalen Handels mit Beutekunst, kulturellem Fluchtgut und Raubgut. Um weiterhin eine Rückführung nationalsozialistisch- und kriegsbedingt entzogener Kulturgüter zu erreichen und keine weiteren ‚belasteten‘ Objekte zu erwerben, wurde im Mai 2007 das Position paper mit dem Titel Art Museums and the Identification and Restitution of Work Stolen by the Nazis (AAMD) veröffentlicht. Darin wird verlangt, dass sich jedes Museum vor dem Erwerb kultureller Güter ohne vollständige Provenienz und Eigentumsnachweis die Frage stellt, ob „the museum [has] undertaken additional research to determine its Nazi-era provenance status?“963 962 963
Quelle: http://www.aamd.org/papers/guideln.php. Quelle: http://www.aamd.org/papers/documents/Nazi-lootedart_clean_06_2007.pdf.
3. Abschnitt Dokumentationsquellen innerhalb der Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber Schrifttum: Albrink/Babendreier/Reifenberg, Leitfaden für die Ermittlung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Bibliotheken, 2005; Altena, www.originsunknown.org – The Dutch database and website on art and the Second world war, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 28–33; Baresel-Brand, Datenbanken bei der Provenienzforschung, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Verantwortung wahrnehmen. NS-Raubkunst – Eine Herausforderung an Museen, Bibliothek und Archive (Symposium am 11. und 12. Dezember 2008), 2009, S. 387–411; Bradsher, Looted Art Research at the National Archives, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 16–18; Brinkman, Reflexions on the Causes of Illicit Traffic in Cultural Property and Some Potential Cures, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 64–67, S. 66; Briseno, Kunstdieben mobil auf der Spur, Fraunhofer Magazin 3-2007, Information und Kommunikation, S. 22–23; Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., Fn. 53, S. 28 und S. 36; Crewdson, An international register of stolen valuables, in: Council of Europe/Conseil de l’Europe, Proceddings of the Thirteenth Colloquy on European Law, Delphi, 20–22 September 1983: International Legal Protection of Cultural Property, 1984, S. 112–113; Dehnel, The database of the Koordinierungsstelle – a synthesis of documentation of lost and found cultural assets, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 23–28; DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, insb. S. 458–463; Franz, Beutekunst und www.lostart.de – Praktische Aspekte der Arbeit der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, S. 47–58; Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 79–84; Franz, Beutekunst und www.lostart.de – Praktische Aspekte der Arbeit der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg/Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, S. 47–58; Genieva, Web Site „Removed Cultural Valuables“ – New project of the Library for Foreign Literature, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 37–41; Hamon, Property looted during the Second World War – The French Ministry of Foreign Affairs Database, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 33–37; Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 223; Harms, Documentation of cultural assets and the Internet, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 14–19; Hartmann, Provenienzforschung in Deutschland, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Verantwortung wahrnehmen. NS-Raubkunst – Eine Herausforderung an Museen, Bibliothek und Archive (Symposium am 11. und 12. Dezember 2008), 2009, S. 271–307; Hartmann, Provenienzforschung. Anmerkungen zu aktuellen Anforderungen an einen historischen Gegenstandsbereich, in: Deutscher Museumsbund, Provenienzforschung und Restitution, Band 73, 1/08, S. 7–23; Hartmann, – Lost art – Ziele und Möglichkeiten eines Internetportals, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, S. 59–78; Hartung, Internet Databases and the usucapio of WW II-looted art in international law: A new chance for restitution?, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 63–70; Hawkins/Rothman/ Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 54 und S. 87–88; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200–201; Hughes/Wright, International Efforts to Secure the Return of Stolen or Illegally Exported
670
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt Cultural Objects: Has Unidroit Found a Global Solution?, The Canadian Yearbook of International Law, Volume XXXII (1994), S. 219–241, S. 227; Jackson, Provenance Research – Looking for Looted Art, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 19–22; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 159; Jenschke, Failing to report a lost cultural asset at data banks – abandonment of property, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 61–62; Jirasek, Restitution-art.cz – data bank and website, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 41–47; Kline/Kurth, Provenienzforschung heute – Der juristische Rahmen: Das Rechtssystem in Europa und den USA im Hinblick auf die Restitution von gestohlenem Eigentum, in: Jungblut, Ausgeraubt! Aktuelle Fragen zum nationalsozialistischen Kulturgutraub in Europa, 2007, S. 104–105; Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, S. 162–167; Kurtz, Provenance Research in Archives: The Challenges in using Primary Sources, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Verantwortung wahrnehmen. NS-Raubkunst – Eine Herausforderung an Museen, Bibliothek und Archive (Symposium am 11. und 12. Dezember 2008), 2009, S. 333–350; Lowenthal, The Role of IFAR and the Art Loss Register in the Repatriation of Cultural Property Displaced in World War II, Spoils of War N2. 1 vom 18.2.00, S. 13–16; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 329–330; Deutscher Museumsbund, Provenienzforschung und Restitution, Band 73, 1/08; O’Keefe, Trade in Antiquities – Reducing Destruction and Theft, 1997, insb. S. 56–60; O’Keefe, The Use of Databases to Combat Theft of Cultural Heritage Material, Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 19–35, S. 357–366; Parkhouse, The Illicit Trade in Cultural Objects: Recent Developments in the United Kingdom, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 182–183; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51; Radcliff, The Work of the International Art and Antiques Loss Register, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 189–200; Reist, Provenance Research Tools, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 23–31; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 203–206; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 150–152 und 205; Schröder, Looted Art Databases: Is there a legal dimension, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 59–61; Seegers, The Art Loss Register und die internationale Kunstkriminalität, KUR (1999), S. 289–294; Seegers, The Art Loss Register – a private database for the detection of stolen and looted art and antiques, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 52–54; Seegers, Überprüfung von Kunstwerken und Kulturgütern: Status und Provenienz, in: Holzweißig, Sorgfaltspflichten im Kunsthandel – Qualifizierungsworkshop November 2002, S. 8; Simmons, Provenance Research: An art market perspective, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 19–23; Steinberg, Provenance Research in Museums: Between History and Methodology, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Verantwortung wahrnehmen. NS-Raubkunst – Eine Herausforderung an Museen, Bibliothek und Archive (Symposium am 11. und 12. Dezember 2008), 2009, S. 307–332; Webber, The establishment of the Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945 – www.lootedart.com, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 56–59; Werner, Geraubte Bücher – Sonderfall Provenienzforschung in Bibliotheken, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Verantwortung wahrnehmen. NS-Raubkunst – Eine Herausforderung an Museen, Bibliothek und Archive (Symposium am 11. und 12. Dezember 2008), 2009, S. 351–386.
538
Nachdem nun feststeht, bei welchen Anzeichen und Hinweisen beim Erwerb kultureller Wertgegenstände ein Beutekunst-, kultureller Fluchtgut-, Raubkunst-
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
671
oder entarteter Kunstcharakter nicht ausgeschlossen ist und dementsprechend die deutsche Sachenrechtsordnung zum Ausschluss grober Fahrlässigkeit beim gutgläubigen Erwerb weitergehendere Provenienzerforschung verlangt, damit nicht von Bösgläubigkeit des Erwerbers auszugehen ist, stellt sich die Frage, auf welche Informationsquellen zur Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts und zur Verifizierung der Berechtigtenstellung des Veräußerers zurückgegriffen werden kann. Dokumentationsquellen innerhalb der Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
Fachzeitschriften, spezielle Veröffentlichungen, unabhängige Wissenschaftler, Kunsthistoriker und Archäologen
Werkverzeichnisse der Künstler als Dokumentationsquelle
Werkkataloge und Verlustverzeichnisse von Museen, Galerien und privaten Kunstsammlern
Interpol und entsprechende staatliche Polizei- und Informationsstellen als Möglichkeit der Provenienzerforschung
ICOM Red List als Informationsquellen illegal transferierter Kulturgüter
Öffentlich zugängliche Datenbanken als standardisierte Informationsquellen innerhalb der kulturellen Provenienzrecherche
Bundes-, Landes- und Kommunal- sowie museale und sonstige Archivbestände als Mittel der Provenienzrecherche
Frage nach der Einführung eines sog. ‚KunstobjektBriefs’
Art Loss Register als weltweit größte Datenbank illegal transferierter Kulturgüter
Lost Art Internet Database der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste
Staatliche Datenbanken zur Provenienzerforschung und der Suche nach unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern
Private Organisationen mit Datenbanken zur Provenienzerforschung und der Suche nach unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern
Schema 12 – Dokumentationsquellen innerhalb der Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
Ein kursorischer Überblick diese Informationsquellen zur Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts und zur Verifizierung der Berechtigtenstellung des Veräußerers stellt ein Bedürfnis der Praxis der im internationalen Kunsthandel Beteiligten dar und ist somit im folgenden 3. Abschnitt zu skizzieren.
539
672
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
A. Fachzeitschriften, spezielle Veröffentlichungen, unabhängige Wissenschaftler, Kunsthistoriker und Archäologen 540
Zahlreiche Fachzeitschriften im Bereich der Kunsthistorik berichten regelmäßig aus tatsächlicher Hinsicht über Diebstähle von Kunstwerken, spezielle Gefahren des Erwerbs von archäologischen Gegenständen aus Raubgrabungen, nennen besonders gefährliche Regionen und Objekte und vermitteln so den professionell im Kunsthandel beteiligten Personenkreisen das notwendige Fachwissen. Ebenso wie sich Mediziner über die neuesten Forschungsergebnisse und Juristen über die aktuelle Rechtsprechung von Berufs wegen in Kenntnis setzen müssen, ist auch seitens der Auktionshäuser, Galeristen und Kunst- wie Antiquitätenhändler zu erwarten, sich auf diesem Wege zu einer Mindestinformation über den eigenen Geschäftsbereich veranlasst zu sehen. In fachspezifischen Veröffentlichungen werden Kunstdiebstähle regelmäßig bspw. in Stolen Art Alert oder IFAR Report der International Foundation for Art Research, in der von der UNESCO veröffentlichten Zeitschrift Museum, Antique Trade Gazette, Antique Collector, Annuaire international des œuvres et objets d’art volés, in der deutschen Zeitschrift Art oder der Weltkunst, der französischen La Gazetta de l’hotel Drouot, dem International Guide of Missing Treasures oder Trace sowie in zahlreichen weiteren Veröffentlichungen publiziert.964
541
Exemplarisch und stellvertretend für zahlreiche vergleichbaren Veröffentlichungen kann hier auf die Schriftenreihe ‚One Hundred Missing Objects‘ des International Council of Museums (ICOM) hingewiesen werden, in der in vier Bänden zahlreiche Einzelfälle des Diebstahls und der illegalen Ausgrabung kultureller Wertgegenstände beschrieben werden. “This series presents a selection of objects that have been stolen from public collections or looted from archaeological sites. Excerpts from the laws of the countries concerned are also given to remind readers of the illicit nature of any export of these objects. The publications also serve to make known the institutions which, alongside ICOM take action and implement ways of fighting the illicit traffic in cultural property. This richly illustrated of the book helps raise awareness and inform the public, as well as its role of enabling verifications of objects.” 965 Durch diese mit Fotos ausgestatteten Handbücher konnten erfreulicherweise mehrere in afrikanischen, asiatischen, südamerikanischen und europäischen Museen und Ausgrabungsstätten gestohlene oder bei Raubgrabungen entwendete Kunstwerke aufgespürt und den betreffenden kulturellen Ursprungsstaaten zurückgegeben werden.966 Es wurde er964 965 966
Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 79–80. Quelle: http://icom.museum. Vgl. Brinkman, Reflexions on the Causes of Illicit Traffic in Cultural Property and Some Potential Cures, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 64–67, S. 66.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
673
kannt, dass offenbar ein Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Forschung und nachfolgendem Kunstraub bzw. Plünderung von archäologischen Fundstätten in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa besteht, indem die illegalen Aktivitäten gerade dann einsetzen, wenn Ausgrabungserfolge durch Publikationen bekannt geworden sind. Die Verbreitung von Abbildungen in Fachzeitschriften spielt hier offensichtlich ebenso eine Rolle wie die Berichterstattung in Presse und Fernsehen. Deshalb mahnen in diesem zeitlichen Rahmen die Vertreter von Interpol auch die rechtzeitige und umfassende Information über geraubtes Museumsgut an, wobei die Mitwirkung von Fachwissenschaftlern für die Identifikation geraubter Exponate schon durch die Veröffentlichung der Objekte im Vorfeld unerlässlich sei. Vor diesem Hintergrund stellen die Schriftenreihe ‚One Hundred Missing Objects‘ des International Council of Museums (ICOM) und die zahlreichen vergleichbaren Quellen besonders individualisierte Informationsmöglichkeiten dar, da bspw. ein Antiquitätenhändler, der sich auf den Verkauf asiatischer Artefakte spezialisierte, sich auf diesem Wege über seinen Fachbereich informieren kann. Alle Bände der Serie ‚One Hundred Missing Objects‘ wurden an die relevanten nationalen Polizeidienststellen und Zollbehörden, Museen, Kunsthändler und Auktionshäuser sowie an sonstige Personen verteilt, die professionell mit dem Handel unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu tun haben. Im Ergebnis konnten allein aufgrund dieser Veröffentlichungen zahlreiche unrechtmäßig transferierte Kulturgüter wieder an ihren ursprünglichen Herkunftsstaat restituiert werden.967 Darüber hinaus dienen heute neben den allgemeinen Tageszeitungen, die unregelmäßig über ausgewählte Beispielsfälle des Kunstdiebstahls und der sonstigen Formen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Güter berichten, auch zahlreiche kulturgüterspezifische Online-Magazine der Information über den Transfer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter.968 So berichtet bspw. Art Newspaper 969 regelmäßig zur Problematik des illegalen Kulturgütertransfers. Eine ständige Rubrik bietet Zusammenstellungen und weitere Links. Auch Artsjournal 970 sammelt Artikel zu diesem Thema und aktualisiert die entsprechende Passage der Homepage ständig. Der Dienst Nachrichten Kunst 971 berichtet in Abständen über „Raub- und Beutekunst“ und bietet zahlreiche Links an. Auch das artnet Magazin 972, als führende internationale Kunsthandelsplattform, veröffentlicht neben Artikeln zum aktuellen Kunstmarktgeschehen auch Dossiers zum Thema
967
968
969 970 971 972
Vgl. ausführlich zu Erfolgsfällen und Berichten der Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, http://icom.museum. Vgl. zum Folgenden auch die Auflistung bei http://www.lostart.de/links/index.php3?lang= german. Quelle: http://www.theartnewspaper.com. Quelle: http://www.artsjournal.com. Quelle: http://www.nachrichtenkunst.de. Quelle: http://www.artnet.de.
542
674
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
„Raubkunst und Restitution“. Im Internet ist auch die von Bruhn erstellte Bibliografie Beutekunst als internationale Bibliographie des neueren Schrifttums über das Schicksal des im Zweiten Weltkrieg von der Roten Armee in Deutschland erbeuteten Kulturguts wahlweise in deutscher und russischer Sprache abrufbar und enhält Informationen über Museums-, Archiv- und Bibliotheksbestände. Die genannten Möglichkeiten beschreibt bspw. auch Rudolph für den Bereich der Raub- und Beutekunst: „Damit wird selbst das von Privatsammlern wegen der besonderen Gefahren beim Erwerb von Kunstwerken zu fordernde erhöhte Maß an Sorgfalt nicht überschritten. Das Thema Entziehung jüdischen Kunstbesitzes war und ist seit der Washingtoner Konferenz im Dezember 1998 nicht nur Gegenstand von Büchern und Aufsätzen, sondern verstärkt auch von Artikeln in Tageszeitungen. Diese mussten insbesondere Privatsammler als potenzielle Erwerber von entzogenen Kunstwerken für dieses Thema sensibilisieren und dazu veranlassen, sich über weiterführende Literatur zu informieren und die bisher gewonnenen Kenntnisse durch deren Lektüre zu vertiefen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Literaturrecherche heutzutage, da hierfür das Internet nutzbar ist, keinen großen Aufwand erfordert. Ein Verzeichnis der einschlägigen Literatur ist zum Beispiel auf den Internetseiten der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste zu finden.973 Viele der dort aufgeführten Bücher können in Bibliotheken ausgeliehen und somit ohne finanziellen Aufwand beschafft werden.“ 974 543
Schließlich sollte auch die Möglichkeit der Informationsbeschaffung bei unabhängigen Wissenschaftlern, Kunsthistorikern und Archäologen in Betracht gezogen werden, die aufgrund ihres speziellen Fachwissen häufig schnell in der Lage sein werden, eine genauere Provenienzbestimmung vorzunehmen, als dies Laien möglich ist. So stellt bspw. das Testat eines ausgewiesenen Experten afghanischer archäologischer Gegenstände, dass das Objekt nicht aus einem Museum gestohlen und auch nicht illegal ausgegraben wurde, einen erstes Anscheinsbeweis zur Erfüllung der notwendigen Sorgfaltsanforderungen innerhalb der Bestimmung der Gutgläubigkeit des Erwerbers dar.
B. 544
Werkverzeichnisse der Künstler als Dokumentationsquelle
Als Werkverzeichnisse werden allgemein solche Kataloge, Register und Konkordanzen der Werke eines Künstlers, vorwiegend von Komponisten, Schriftstellern und Malern bezeichnet, die teilweise bereits zu Lebzeiten des Künstlers angelegt, andere aber auch erst nach dessen Tod erstellt wurden und sämtliche Schöpfungen des Künstlers beinhalten. Innerhalb der Kunst wird oft von sog. ‚catalogues raisonnés‘ gesprochen, die in monographischer Form ein umfassendes Verzeich973 974
Im Internet abrufbar auf http://www.lostart.de/publikationen/index. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz – Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, 2007, S. 203–206.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
675
nis der geschaffenen Kunstwerke eines Künstlers beinhalten. Grundsätzlich enthält ein solcher ‚catalogue raisonné‘ ein Foto bzw. eine Abbildung, eine möglichst umfassende und detaillierte Provenienz, ein Literaturverzeichnis, die Ausmaße und eine Zustandsbeschreibung eines jeden Kunstwerkes, geordnet nach dem aktuellen Aufenthaltsort oder dem letzten Eigentümer. Ein solcher ‚catalogue raisonné‘ beinhaltet nahezu sämtliche Informationen, die Kunsthistoriker hinsichtlich eines Kunstwerks im Allgemeinen benötigen und im Jahre der Erstellung zusammengetragen werden konnten. Werkverzeichnisse sind keine statische Angelegenheit, sondern werden oftmals aktualisiert, wenn sich herausstellt, dass bspw. ein Gemälde nicht vom vermuteten Künstler stammt, oder ein Kunstwerk weiterveräußert wurde. Dementsprechend wird ein ‚catalogue raisonné‘ als primäre Informationsquelle innerhalb der kunsthistorischen Forschung angesehen. Nicht nur Kunsthistoriker, sondern auch Kuratoren, Händler, Galerien und Kunstauktionshäuser sind mit den (ehemals) weitverbreiteten ‚catalogues raisonnés‘ wohl vertraut, da diese eine detaillierte Auflistung der bekannten Kunstwerke und auch Informationen über den letztbekannten Eigentümer des Werkes enthalten.975 Diese Kataloge dienen auch heute zur Bestimmung der Provenienz eines Kunstwerks. Aufgrund der mühsamen und schwer zugänglichen Recherchemöglichkeit und des – dem wechsellebigen Kunsthandel tendenziell immer hinterherhinkenden – schriftlichen Eintragungssystems verloren diese Werkverzeichnisse jedoch für die Provenienzbestimmung etwas an Bedeutung, da in der Regel weitere Nachforschungen betrieben werden mussten. Es wurde im Laufe der Zeit ersichtlich, dass es einer dem internationalen Parkett des grenzüberschreitenden Kulturgüterverkehrs entsprechenden Lösung zur Bestimmung der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers bedurfte, die zügige Recherchemöglichkeiten ebenso erlaubt wie eine prompte Eintragung von einem Eigentumswechsel. Dies wurde in Form der Online-Datenbanken erreicht.
C. Werkkataloge und Verlustverzeichnisse von Museen, Galerien und privaten Kunstsammlern Solche Werkkataloge und Verlustverzeichnisse von Museen, Galerien und privaten Kunstsammlern dienen vor allem der Wiederentdeckung der im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft zu dieser Zeit entzogenen Kulturgüter (Beutekunst, des kulturellen Fluchtguts, der Raubkunst und entarteten Kunst). Sowohl unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges als auch speziell in den letzten Jahren haben sich die Verantwortlichen in zahlreichen Museen, öffentlichen Sammlungen, Galerien und in privaten Kunstsammlungen des In- und Auslands verstärkt darum be975
Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., S. 28.
545
676
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
müht, die im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg erlittenen Verluste zu katalogisieren und für die Öffentlichkeit in Online-Datenbanken und Katalogen aufzubereiten. Dementsprechend gibt es heute in vielen betroffenen Staaten staatliche Einrichtungen, nichtstaatliche Organisationen, Vereine und Stiftungen, die sich mit der Suche, Dokumentation und Restitution von verlorenen Kulturgütern beschäftigen und auch Recherchemöglichkeiten zur Bestimmung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bieten. So umfasst bspw. die Dokumentation des Polnischen Schutzzentrums der öffentlichen Sammlungen 976 neben nach dem Jahre 1945 gestohlenen Kulturgütern auch solche Werke der sog. Beutekunst, welche infolge der Kriegsereignisse verloren gingen. Die Verluste an Werken der Malerei sind zudem in einem Online-Katalog 977 nachgewiesen und die bisher in gedruckter Form erschienenen polnischen Verlustkataloge wurden auch auf der Website der polnischen Botschaft 978 in den USA veröffentlicht.979 Ein vergleichbares Projekt instituierte auch die Russische Föderation für die in Russland während des Zweiten Weltkrieges verlorenen Kulturgüter. Vergleichbare Seiten bestehen auch in zahlreichen weiteren durch die deutschen Truppen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs besetzten Staaten. So haben bspw. das tschechische Kulturministerium in Zusammenarbeit mit den Museen des Landes die Datenbank Restitution Art 980 und die ungarische Direktion für Kulturerbe das Hungarian Art Restitution Project mit einer Liste vermisster Kunstwerke aus ungarischen Sammlungen 981 aufgebaut.982 Bei dem Erwerb von Kulturgütern, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs im Bestand eines staatlichen Museums oder einer privaten Sammlung im Territorium eines besetzten Staates standen, kann der Erwerber zum Nachweis seiner Gutgläubigkeit auch die Befragung solcher Werkkataloge und Verlustverzeichnisse von Museen, Galerien und privaten Kunstsammlern vornehmen und negative Anfrageergebnisse als Testat seiner Verifizierungsbemühungen nennen.
D. Interpol und entsprechende staatliche Polizeiund Informationsstellen als Möglichkeit der Provenienzerforschung 546
Auch die nationalen Polizei- und Kriminalbehörden sowie im grenzüberschreitenden Kulturgüterverkehr Interpol stellen besonders bei dem Verdacht des Erwerbs gestohlener Kulturgüter möglicherweise zielführende Informations976 977 978 979 980 981 982
Quelle: www.icons.pl. Quelle: www.polamcon.org. Quelle: http://www.polandembassy.org. Vgl. auch http://www.polamcon.org/lostart/index.html. Quelle: www. restitution-art-cz. Quelle: http://www.koi.hu/restitucio/index.html. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Seiten nicht immer aufrufbar sind.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
677
stellen von Erwerbern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zum Nachweis ihrer Gutgläubigkeit dar, auch wenn die internen Datenbanken nicht unmittelbar für die Öffentlichkeit zugänglich sind. In der überwiegenden Zahl der Fälle erfolgt jedoch eine öffentliche, mit einem Bild und einem erläuternden Begleittext versehene Dokumentation der gestohlenen Kulturgüter im Internet und kann so zu einer Identifikation der gestohlenen Objekte führen, wenn diese auf dem (inter-)nationalen Kunstmarkt angeboten werden. Auch die (professionellen) Erwerber kultureller Wertgegenstände können diesen Weg der Informationsübermittlung im Rahmen der notwendigen Verifizierungsbemühungen der Eigentümer- und Berechtigtenstellung der Veräußerer nutzen, um einen Diebstahl auszuschließen und ihre Nacherforschungsbemühungen zum Nachweis der Gutgläubigkeit darzulegen. Deuten bestimmte Umstände etwa darauf hin, dass eine Statue bspw. aus einer Kirche in Guatemala gestohlen wurde, sollte ein gutgläubiger Erwerber bei Bestehen einer Nachforschungsobliegenheit die auf der Homepage des Ministerio de Relaciones Exterios der República de Guatemala eingestellte Sachfahndung kultureller Wertgegenstände in Augenschein nehmen.983 Besondere Bedeutung nehmen dabei auch die Webseiten von Interpol ein, die im Kampf gegen den illegalen Kulturgütertransfer die Information der zuständigen Behörden und der Öffentlichkeit über die gestohlenen Kunstwerke als ihr primäres Ziel betrachten.984 “Given this dramatic situation, Interpol is convinced that if the fight against the illicit traffic in works of art is to be effective, information must be circulated as widely as possible. The international stolen works of art notices published by Interpol met these needs, but their circulation was limited and it is now essential to make a wider public aware of the problem.” 985 Unter Rekurs auf die Provenienzerforschungspflichten der Erwerber kultureller Wertgegenstände nach Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 begann Interpol mit der Veröffentlichung erst einer CD-Rom und nun seit dem Jahre 2006 einer DVD on Stolen Works of Art. Die DVD, die in den Sprachen englisch, französisch und spanisch aufbereitet wird, enthält sämtliche Informationen, die die Mitgliedstaaten dem General Secretariat von Interpol im Bereich des Kunstdiebstahls übermitteln, wird alle zwei Monate aktualisiert und soll den nationalen Polizeiund Zollbehörden, Museen, Auktionshäusern, Antiquitätenhändlern, Kunstsammlern und sonstigen am Kunsthandel interessierten Personen zur Verfügung stehen. Die DVD enthält ca. 31.500 Kunstwerke und sonstige Kulturgüter, die aufgrund verschiedener Suchkriterien (Titel des Kunstwerks, Name des Künstlers, Beschreibung, Ausmaß und verwendete Technik des Kulturguts) indivi-
983
984 985
Quelle: http://www.minex.gob.gt/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id= 62&Itemid=68. Quelle: http://www.interpol.int/Public/WorkOfArt/Default.asp. Vgl. http://www.interpol.int/Public/WorkOfArt/Default.asp.
547
678
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
dualisiert werden können. Interpol selbst weist darauf hin, dass die DVD unter keinen Umständen als abschließend und schließlich umfassend zu qualifizieren ist, dass das Verzeichnis nur eine von zahlreichen weiteren Möglichkeiten in den Verifizierungsbemühungen gutgläubiger Erwerber darstellen kann und dass eine negative Suchanfrage keineswegs den Schluss erlaube, das Kulturgut sei nicht gestohlen.986 Die Funktion dieser Datenbank wird ausdrücklich wie folgt festgelegt: “By promoting its role in the field, Interpol wishes to assist in the fight against traffic in stolen works of art. For this purpose, the CD-ROM allows access to selected police information to those who are involved with the works of art market (antique dealers, museums, auction rooms, collectors, etc.). It is therefore a tool which can be used to identify the works of art and to detect illegal possession. By using our database, subscribers are, in effect, contributing to Interpol’s aim of the prevention and suppression of illicit traffic in works of art and cultural property that form our countries’ wealth.” 987 Eine DVD mit zweimonatiger Aktualisierung des Datenbestandes kostet jährlich 480 Euro, während die jährlich neu erscheinende DVD ohne Aktualisierung mit 100 Euro zu Buche schlägt. Darüber hinaus sind aktuelle Diebstahlsmeldungen kultureller Wertgegenstände auf der Internet-Seite abrufbar. 548
Eine bedeutende Position im Kampf gegen den illegalen Kulturgüterverkehr nehmen auch die nationalen Polizeibehörden, an erster Stelle das amerikanische FBI ein, das den Schaden des cultural property crime auf jährlich US-$ 6 Milliarden beziffert. Zentrales Dokumentationsmedium des FBI ist dabei die sog. National Stolen Art File, eine computerbasierte Datei gemeldeter Kunstdiebstähle, die zur Benutzung durch die Polizei- und Strafverfolgungsbehörden weltweit offensteht.988 Neben dem sog. Art Crime Team, das sich aus 12 Special Agents und drei Special Trial Attorneys for prosecutions zusammensetzt,989 dient hauptsächlich die National Stolen Art File (NSAF) der Identifikation und Lokalisierung illegal transferierter Kulturgüter. Die NSAF stellt ein computerbasiertes Register gestohlener Kulturgüter dar, die seitens der zuständigen amerikanischen und ausländischen Behörden dem FBI gemeldet werden. Bedauerlicherweise können Anfragen nur seitens staatlicher Stellen durchgeführt werden, sodass Individual-
986 987 988 989
Vgl. http://www.interpol.int/Public/WorkOfArt/Default.asp. Vgl. http://www.interpol.int/Public/WorkOfArt/Default.asp. Vgl. http://www.fbi.gov/hq/cid/arttheft/arttheft.htm. “The FBI established a rapid deployment Art Crime Team in 2004. The team is composed of twelve Special Agents, each responsible for addressing art and cultural property crime cases in an assigned geographic region. The Art Crime Team is coordinated through the FBI’s Art Theft Program, located at FBI Headquarters in Washington, D.C. Art Crime Team agents receive specialized training in art and cultural property investigations and assist in art related investigations worldwide in cooperation with foreign law enforcement officials and FBI Legal Attaché offices. The U.S. Department of Justice has assigned three Special Trial Attorneys to the Art Crime Team for prosecutive support.” Vgl. http://www.fbi.gov/hq/cid/ arttheft/arttheft.htm.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
679
personen nur mittels der lokal zuständigen Behörden eine Anfrage bei einem konkreten Verdacht des kulturellen Diebstahls lancieren können: “The NSAF is a computerized index of stolen art and cultural property as reported to the FBI by law enforcement agencies throughout the United States and the world. The NSAF consists of images and physical descriptions of stolen and recovered objects, in addition to investigative case information. The primary goal of the NSAF is to serve as a tool to assist investigators in art and cultural artifact theft cases and to function as an analytical database providing law enforcement officials with information concerning art theft. The criteria for an object to be eligible for entry into the NSAF are as follows: The object must be uniquely identifiable and have historical or artistic significance. This includes fine arts, decorative arts, antiquities, Asian art, Islamic art, Native American art, ethnographic objects, archaeological material, textiles, books and manuscripts, clocks and watches, coins, stamps, musical instruments, and scientific instruments. The object must be valued at least $2,000; or less if associated with a major crime, and The request must come through a law enforcement agency accompanied by a physical description of the object, a photograph of the object if available, and a copy of any police reports or other information relevant to the investigation. All requests for searches of the National Stolen Art File must be made through a law enforcement agency in support of a criminal investigation. Individuals or organizations in the United States wanting to access the NSAF should contact their local FBI office. Foreign organizations should contact an FBI Legal Attaché office.” 990
549
Entsprechende polizeiliche, ministerielle oder sonstige offizielle Informationsportale nationaler Ursprungsstaaten illegal transferierter Kulturgüter bestehen in zahlreichen kulturgutex- wie -importierenden Staaten (wie bspw. Frankreich, s.u.). Ergeben sich beim Erwerb eines Kulturguts konkrete Anhaltspunkte für einen Diebstahl, die auf einen bestimmten Staat als kulturellen Ursprungsstaat hindeuten, und hat der Erwerber zum Nachweis seiner Gutgläubigkeit spezielle
550
990
Vgl. http://www.fbi.gov/hq/cid/arttheft/noticerecov.htm: “Since its inception, the Art Crime Team has recovered over 850 items of cultural property with a value exceeding $65 million. These include: Approximately 700 pre-Colombian artifacts. The objects recovered in Miami were the result of a sting operation in coordination with the Ecuadorian authorities. Three paintings by the German painter Heinrich Buerkel (1802–1869), stolen at the conclusion of World War II and consigned for sale at an auction house near Philadelphia in 2005. Rembrandt’s Self Portrait (1630) in a sting operation in Copenhagen carried out in cooperation with ICE and law enforcement agencies in Sweden and Denmark. The FBI had previously recovered Renoir’s The Young Parisian. Both paintings had been stolen from the Swedish National Museum in Stockholm in 2000. Approximately 100 paintings that had been stolen from a Florida family’s art collection in a fine art storage facility. This collection included works by Picasso, Rothko, Matisse, and others that were recovered from Chicago, New York, and Tokyo. An extremely rare, experimental Springfield ‘Trapdoor’ rifle to the Armory Museum in Springfield, Massachusetts. It had been stolen from the Armory Museum in the 1970s. Native American ceremonial material and eagle feathers belonging to the Taos Pueblo. The items included a war bonnet and a ‘Butterfly Bustle’. With the assistance of the Bureau of Indian Affairs, the items were returned to the Taos Pueblo. Four rare books stolen from Transylvania University in Lexington, Kentucky. Among the items recovered were rare pencil sketches by John James Audubon and a first edition of Charles Darwin’s On the Origin of the Species. Eight cylinder seals taken from archaeological sites in Iraq.”.
680
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Sorgfaltsanforderungen bei der Verifizierung der Eigentums- bzw. Berechtigtenposition des Veräußerers vorzunehmen, so dient eine Anfrage bei den entsprechenden staatlichen Stellen unter anderem der Entkräftung der vorliegenden Indizien und somit auch dem Gutglaubensnachweis des Erwerbers. 551
Schon innerhalb der entsprechenden Internetauftritte findet sich über die relevanten Kontaktadressen hinaus häufig auch unmittelbar eine Auflistung der abhandengekommenen Kulturgüter. Selbstredend wird von einem Erwerber bei bestehender Provenienzerforschungsobliegenheit nicht erwartet, dass er sämtliche Internetseiten durchforscht. Notwendig zum Nachweis der Gutgläubigkeit könnte es in einem Einzelfall jedoch sein, einzelne mögliche kulturelle Ursprungsstaaten und deren Informationen über illegal transferierte Kulturgüter im Internet abzurufen. Wird bspw. der Erwerb eines Kulturguts aus der Maya-Tradition erwogen und bestehen dabei Indizien, dass der Gegenstand zuvor gestohlen oder illegal exportiert wurde, könnte der Erwerber die relevanten Internetseiten derjenigen Staaten – Süd- und Südost-Mexiko (Yucatán), sowie Teile von Guatemala, Honduras und Belize – und die dortigen Sachfahndungen kultureller Wertgegenstände in Augenschein nehmen. Ohne großen zeitlichen Aufwand konnten bspw. die entsprechenden Informationsportale der Staaten Argentinien991, Chile 992, Deutschland 993, Frankreich 994, Großbritannien 995, Israel 996, Italien 997, Kanada 998, Niederlande 999, Österreich 1000, Peru 1001, Portugal 1002, Rumänien1003, Russland1004, Serbien 1005, Ukraine 1006, Spanien 1007, Schweiz 1008 und der Türkei 1009 aufgefunden werden. 991 992 993
994 995 996 997 998 999 1000 1001 1002 1003 1004 1005 1006
http://www.interpol.gov.ar/patrimonio/patrimonio_menu.asp. http://www.investigaciones.cl/paginas/arterb/arterb_dspl.htm. Bundeskriminalamt: http://www.bka.de/fahndung/sachen/navsachen.html (Eine Einstellung der Fahndungsplakate von Kunstgegenständen erfolgt seit dem Jahr 2002 aus fachlichen Gründen nicht mehr. Nachfolgend finden Sie die Archive von 1997 bis 2001), vgl. auch die Internetpräsenz der jeweiligen Polizeidienststellen der Bundesstaaten: Stichwort Sachfahndung, bspw. bei der Polizei Baden-Württemberg: http://www.polizei-bw.de/fahndung/, Polizei Bayern: http://www.polizei.bayern.de/fahndung/sachen/diebesgut/index.html, Polizei Berlin: http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/sachfahndung.html; Polizei Bremen: http://www.polizei.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen09.c.2280.de; Polizei Düssedorf: http:// www1.polizei-nrw.de/duesseldorf/Fahndungen/Sachfahndungen/ … . http://www.gendarmerie.defense.gouv.fr/judiciaire. http://www.met.police.uk/artandantiques. http://www.antiquities.org.il/Article_list_eng.asp?sub_menu=2§ion_id=50. http://www.carabinieri.it/Internet. http://www.suretequebec.gouv.qc.ca/lutte/objets_perdus.html. http://users.pandora.be/fedpol.far.oudenaarde/duits/page3.htm. http://www.bmi.gv.at/fahndung. http://inc.perucultural.org.pe/index1.htm. http://www.geira.pt/inpcc. http://www.politiaromana.ro/obiecte/obiecte.aspx. http://www.rsoc.ru. http://www.mup.sr.gov.yu. http://www.policija.si/si/kriminal/ukradene_slike/slk_prikaz.php.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
E.
ICOM Red List als Informationsquellen illegal transferierter Kulturgüter
Neben einem Archiv gestohlener Kulturgüter der Art Dealers Association of America 1010 und zahlreichen sonstigen nationalen und internationalen, staatlichen und privaten Organisationen, Behörden, Vereinigungen und Stellen, die mit der Registrierung illegal transferierter Kulturgüter beschäftigt sind, erlangte vor allem die ICOM Red List als Informationsquelle innerhalb des illegalen Transfers archäologischer Kulturgüter Bedeutung.1011 Der Internationale Museumsrat ICOM fertigt für die Krisen- und Konfliktregionen, die von Plünderungen und illegalem Handel mit Kulturgütern betroffen sind, sog. Rote Listen des gefährdeten kulturellen Erbes an und stellt diese Museen, Sammlern, Händlern, Auktionshäusern, Behörden und Interpol zur Verfügung mit dem Ziel, den Export oder Verkauf zu verhindern. In einem Pressegespräch anlässlich der Herausgabe der Roten Liste Afghanistan im Mai 2007 in Berlin betonte die Botschafterin Afghanistans, Prof. Dr. Maliha Zulfacar, in ihrer Rede die Bedeutung dieser Anstrengungen für die kulturellen Ursprungsstaaten: „Die Liste gefährdeter afghanischer Kulturgüter ist von großer Bedeutung, um den illegalen internationalen Handel zu bekämpfen. Der Schutz des überaus reichen Kulturerbes ist nicht nur für die kulturelle Identität Afghanistans von großer Bedeutung, sondern auch für das kulturelle Gedächtnis der Menschheit. Afghanistan zählt zu den Weltregionen mit der größten Dichte antiker Hochkulturen. Das Land verbindet seit vielen Jahrtausenden die Zivilisationen und Kulturen zwischen Europa, Süd- und Zentralasien.“ 1012 Steht somit der Erwerb eines afrikanischen, lateinamerikanischen, irakischen oder afghanischen archäologischen Objektes bevor und besteht für den Erwerb eine Provenienzerforschungsobliegenheit, so wird dem Erwerber in diesem Fall der Nachweis seiner Gutgläubigkeit wohl nur dann gelingen, wenn er sich vergewisserte, dass das betreffende Objekt nicht in der Roten Liste aufgeführt ist. Das Selbstverständnis und die Funktion der Listen beschreibt ICOM selbst wie folgt: “The Red Lists are representative lists of general types or categories of objects, generally protected by national legislation and international agreements, which are subjected to illicit international trafficking. They are drawn up by teams of international experts in the archaeology and ethnology of the countries or regions of origin. The objects illustrated are not, to the best of the experts’ knowledge, stolen or illicitly acquired. The Red Lists are intended to protect cultural heritage at risk by helping customs officials, 1007 1008 1009 1010 1011 1012
681
http://www.guardiacivil.org/patrimonio/default.jsp. http://www.swisspolice.ch/e/4_sachfdg/aktuell_kg1.htm. http://www.kultur.gov.tr. http://www.artdealers.org. Quelle: http://icom.museum/redlist/. http://www.icom-deutschland.de/schwerpunkte-kulturgueterschutz.php.
552
682
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
police officers, art dealers, museums, and collectors recognize objects of possible illicit provenance. Potential buyers are advised not to purchase them unless they are accompanied by verifiable ownership and provenance documentation, and authorities are urged to take appropriate action when there is presumption of illicit provenance, pending further enquiries.” 1013 553
Die Plünderung afrikanischer archäologischer Objekte und die oftmals damit einhergehende Zerstörung der archäologischen Stätten in Afrika fügen der afrikanischen Geschichte einen nicht wieder gut zu machenden Schaden zu, der hier ausführliche Darstellung erfährt.1014 Als Antwort auf diese Notsituation wurde auf einem Workshop on the Protection of the African Cultural Heritage vom 22. bis 24. Oktober 1997 in Amsterdam durch afrikanische, europäische und nordamerikanische Spezialisten eine Liste von Kategorien afrikanischer archäologischer Objekte erstellt, die besonderer Gefahr der Plünderung unterliegen.1015 Auch innerhalb Lateinamerikas verursachen die Plünderung archäologischer Stätten und der Diebstahl kultureller Wertgegenstände aus Museen und Kirchen einen beträchtlichen Schaden an dem nationalen Kulturerbe. Um den illegalen Handel mit diesen Gütern einzudämmen, wurde eine Rote Liste mit 25 Beispielen präkolumbianischer und kolonialer Kategorien kultureller Güter geschaffen, die systematischer Plünderung innerhalb sämtlicher Staaten Lateinamerikas und besonders starker Nachfrage auf dem illegalen Kunstmarkt unterfallen.1016 Sämtliche Objekte dieser Kategorien stehen unter dem besonderen Schutz der nationalen öffentlich-rechtlichen Regularien zur Bewahrung des nationalen Kulturpatrimoniums und dürfen nicht aus ihren Ursprungsstaaten ausgeführt werden. Die Rote Liste wurde nicht nur als Hilfe für ausländische Polizei- und Zollbehörden zur Identifikation solcher geschützter Gegenstände geschaffen, sondern vornehmlich auch als Appell für Museen, Auktionshäuser, Kunsthändler und Sammler erstellt, die sich beim Erwerb solcher Kulturgüter somit nicht auf ihre Gutgläubigkeit berufen können.1017 Auch das Kulturerbe Iraks hat aufgrund der besonderen Kriegssituation einen großen Schaden erlitten. Zahlreiche Kulturgüter wurden während Andauer der Kriegswirren geplündert und aus den Museen und archäologischen Stätten gestohlen, sodass ein Wiedereintritt in den illegalen Kunstmarkt sehr wahrscheinlich ist (Emergency Red List of Iraqi Antiquities at Risk).1018 Die im Mai 2003 von zahlreichen Experten erstellte Emergency Red List of Iraqi Antiquities at Risk stellt eine nichtabschließende Aufzählung solcher Arten irakischer Kulturobjekte dar, die einer besonderen
1013 1014 1015 1016 1017 1018
Vgl. http://icom.museum/redlist/afghanistan/en/index.html. Vgl. http://icom.museum/redlist/afrique/redlistafrica.html. Vgl. http://icom.museum/redlist/afrique/redlistafrica.html. Vgl. http://icom.museum/redlist/LatinAmerica/english/intro.html. Vgl. http://icom.museum/redlist/LatinAmerica/english/intro.html. Vgl. http://icom.museum/redlist/irak/en/index.html.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
683
Plünderungs- und Gefahrensituation unterfallen, wobei jedoch aktuell alle am Kunsthandel beteiligten Personenkreise beim Erwerb irakischer Kulturgüter besondere Sorgfalt walten lassen müssen.1019 ICOM veröffentlichte auch eine Rote Liste afghanischer Kulturgüter (Afghanistan Antiquities at Risk).1020 Auch diese Liste beinhaltet bestimmte Kategorien afghanischer Kulturgüter hauptsächlich aus der präislamischen Periode, die einer besonderen Gefahrensituation im illegalen Kulturgütertransfer unterliegen.1021 Da in den westlichen Staaten eine starke Nachfrage nach solchen afghanischen Kulturgütern besteht, versucht diese Liste eine größtmögliche Informationsquelle zu bieten, um potentielle Käufer über die große Wahrscheinlichkeit des Erwerbs von aus Museen gestohlenen Kulturgütern als auch von illegal ausgegrabenen archäologischen Gegenständen in Kenntnis zu setzen. “This document has been designed as a tool for museums, art dealers and collectors, customs officials and police officers to help them to recognize objects that could originate illegally from Afghanistan. This Red List describes under various categories, the general types of artefacts most likely to appear illicitly on the antiquities market so that these may be identified. Such objects are protected by Afghan legislation, which bans their export and sale. An appeal is being made to museums, auction houses, art dealers and collectors not to acquire such objects without clear title and established provenance.” 1022
F.
Öffentlich zugängliche Datenbanken als standardisierte Informationsquellen innerhalb der kulturellen Provenienzrecherche
Auch wenn Kunsthistoriker, Kuratoren, Händler, Galeristen und Kunstauktionshäuser bereits traditionell mit den ehemals weitverbreiteten ‚catalogues raisonnés‘ vertraut sind, die eine detaillierte Auflistung der bekannten Kunstwerke und auch Informationen über den letztbekannten Eigentümer des Werkes enthalten,1023 bedurfte es aufgrund der allgemein mühsamen und schwer zugänglichen Recherchemöglichkeit und eines – dem wechsellebigen Kunsthandel tendenziell immer hinterherhinkenden – schriftlichen Eintragungssystems einer dem internationalen Parkett des grenzüberschreitenden Kulturgüterverkehrs entsprechenden Lösung, die zügige Recherchemöglichkeiten ebenso erlaubt wie
1019 1020 1021 1022 1023
554
Vgl. http://icom.museum/redlist/irak/en/index.html. Vgl. http://icom.museum/redlist/afghanistan/en/index.html. Vgl. http://icom.museum/redlist/afghanistan/en/index.html. Vgl. http://icom.museum/redlist/afghanistan/en/index.html. Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., S. 28.
555
684
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
eine prompte Eintragung eines Eigentümerwechsels.1024 So hat bspw. Justice Pollock des Supreme Court of New Jersey bereits in seiner Entscheidung O’Keefe v. Snyder vom 19. Februar 19801025 das Bedürfnis einer einheitlichen Datenbank unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ausdrücklich benannt: 556
“The limited record before us provides a brief glimpse into the arcane world of sales of art, where paintings worth vast sums of money sometimes are bought without inquiry about their provenance. There does not appear to be a reasonably available method for an owner of art to record the ownership or theft of paintings. Similarly, there are no reasonable means readily available to a purchaser to ascertain the provenance of a painting. It may be time for the art world to establish a means by which a good faith purchaser may reasonably obtain the provenance of a painting. An efficient registry of original works of art might better serve the interests of artists, owners of art, and bona fide purchasers than the law of adverse possession with all of its uncertainties. … Although we cannot mandate the initiation of a registration system, we can develop a rule for the commencement and running of the statute of limitations that is more responsive to the needs of the art world than the doctrine of adverse possession.” 1026
557
Im Zuge der weltweiten Digitalisierung archivarischer Bestände etablierten sich in der jüngeren Vergangenheit auch zahlreiche Informationsquellen, die – jeweils nach unterschiedlichen tatsächlichen Aspekten des illegalen Kulturgütertransfers – einen riesigen Informationspool zu Auskunftszwecken innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs vorhalten.
558
Besondere Bedeutung erlangen die neuen Informationspools sicherlich im Kampf gegen den Diebstahl kultureller Wertgegenstände, aufgrund der gesteigerten Unikatfunktion und leichten Individualisierbarkeit insbesondere von Gemälden und illegal ausgegrabenen archäologischen Artefakten. Eine schnelle Registrierung erschwert den Absatz der so entzogenen Kulturgüter enorm, da grenzüberschreitend ad hoc die notwendigen Informationen über den Diebstahl an die relevanten Zoll- wie Polizeibehörden als auch an die potentiellen Käuferschichten übertragen werden können. Vertritt man die Auffassung einer variablen Provenienzerforschungsobliegenheit (zumindest der im Kunsthandel professionell Beteiligten) findet sich eine beachtliche Schmälerung der Zahl von Erwerbsinteressenten der kulturellen Hehlerware, was die unrechtmäßige Entziehung von Kunstwerken weniger profitabel macht. Bei der Bestimmung der Redlichkeit des Erwerbers bspw. nach Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 ist zu berücksichtigen, ob dieser in einem zweckdienlicherweise zugänglichen Verzeichnis gestohlener Kulturgüter nachgeschlagen hat, sowie sonstige diesbezügliche Auskünfte und Unterlagen, die er vernünftigerweise hätte erlangen können, angefordert hat, ob er Organisationen zu Rate gezogen hat, zu denen er Zugang
1024 1025 1026
Vgl. auch Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 81. O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980).
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
685
haben konnte, und ob er jeden anderen Schritt unternommen hat, den eine vernünftige Person unter denselben Umständen unternommen hätte. Hierzu zählt ohne Zweifel die Suche in solchen öffentlich zugänglichen Verzeichnissen. Ähnlich wie der öffentliche Glaube des Grundbuchs könnte eine Eintragung des Kulturguts in ein internationales Verzeichnis gestohlener Kulturgüter die Redlichkeit des Erwerbers in Frage stellen.1027 Dieser Ansatz findet auch innerhalb der Entscheidung Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. judikative Applikation, wonach „those who wish to purchase art work on the international market, undoubtedly a ticklish business, are not without means to protect themselves. Especially when circumstances are as suspicious as those that faced Peg Goldberg, prospective purchasers would do best to do more than make a few last-minute phone calls … dealers can (and probably should) take steps such as a formal IFAR search.“ 1028 Schon heute erfolgen eine aktive Nutzung und Suche von im Zusammenhang mit den Wirren des Zweiten Weltkriegs und dem nationalsozialistischen Unrechtsregime unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern mittels solcher öffentlich zugänglicher und ständig aktualisierter Datenbanken nationaler, staatlicher wie privater sowie internationaler Anbieter und Organisationen. So stellen bspw. zahlreiche der von den deutschen Truppen im Osten besetzten Staaten ihre kulturellen Verluste im Internet aus und versuchen so aktiv deren Verbleib durch größtmögliche Information der Öffentlichkeit ausfindig zu machen, um schließlich eine Lokalisierung der nun vor mehr als 60 Jahren entzogenen Kulturgüter zu erreichen.
559
Bei entsprechender Ausgestaltung könnten datenbankgestützte Informationsportale (in der Zukunft) auch in der Bewahrung des nationalen Kulturpatrimoniums kultureller Herkunftsstaaten im Kampf gegen den illegalen Export national bedeutsamer Kulturgüter eingesetzt werden, wenn auch grenzüberschreitend ein einheitliches Schutzprogramm Billigung bei den nationalen Einfuhrstaaten findet und bspw. in eine Datenbank als internationales Verzeichnis eingetragene, dem öffentlichen Schutzprogramm und einem solchen Ausfuhrverbot unterfallende Gegenstände des kulturellen Ursprungsstaates die Redlichkeit des Erwerbers in Frage stellen. Kohls macht diesbezüglich geltend, dass eine Eintragung bewirken
560
1027
1028
Verschärfung des Sorgfaltsmaßstabs beim gutgläubigen Erwerb: Ansicht, dass durch eine Erkundigungspflicht des Erwerbers der gutgläubige Erwerb eingeschränkt wird: Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 150, 152 und 205; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 159; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 329–330; Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 165. Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F.Supp. 1374 /1989); affirmed 917 F.2d 278 (1990), S. 294.
686
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
müsse, dass sich niemand darauf berufen könne, nicht die Qualifizierung als national wichtiges Kulturerbe eines Staates zu kennen. Diese Eintragung könne auch gutgläubigen Dritten gegenüber wirken, so dass ein redlicher Erwerb bei Weiterveräußerung mangels guten Glaubens ausgeschlossen sei.1029 Für eine derartige Registerlösung plädiert auch Hanisch.1030 De lege lata muss jedoch (noch) dringend auf die Unterscheidung zwischen gestohlenen und illegal exportierten Kulturgütern und die Statuierung einer besonderen Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Nutzung besonderer Register illegal transferierter Kulturgüter aufmerksam gemacht werden,1031 da der gutgläubige Erwerb beim Weiterverkauf vom Ersterwerber eines illegal exportierten Kulturgutes durch das Bestehen eines Registers nicht betroffen ist. „Denn für den potentiellen Erwerber muß sich die Gutgläubigkeit nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen von kulturgüterschützenden Vorschriften beziehen, sondern auf die Eigentümerstellung des Veräußerers. Insoweit besteht ein Unterschied zwischen der durch ein Register erworbenen Kenntnis, ob es sich bei einem Kulturgut um ein gestohlenes oder ein illegal exportiertes Kulturgut handelt. Bei der Weiterveräußerung von gestohlenem Kulturgut kann allein aufgrund der gesetzlichen Vorschriften nicht der Eigentümer handeln. Ist dem Erwerber daher aufgrund eines Registers bekannt, daß es sich bei dem Kulturgut um gestohlene Ware handelt, ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen. Erkennt der Erwerber aus einem Register aber, daß es sich bei dem Kulturgut um illegal ausgeführtem Kulturgut handelt, sagt dies für ihn direkt nur etwas über die Genehmigungsfähigkeit einer Ausfuhr dieser Kulturgüter aus, nicht jedoch über die Eigentümerstellung des Veräußerers. Denn ob der Zweitveräußerer das Kulturgut selbst wirksam erworben hat oder der Erwerb wegen Verstoßes gegen das Ausfuhrverbot nichtig war, ergibt sich nicht allein aus der Tatsache, daß es sich um ein geschütztes Kulturgut handelt.“ 1032 Aus diesem Grund ist insbesondere hinsichtlich der Festlegung spezieller Sorgfaltsanforderungen auch für illegal exportierte Kulturgüter eine explizite Statuierung weitergehender Erkundigungspflichten notwendig, um zu dem Ausschluss der Redlichkeit in solchen Fällen illegalen Transfers kultureller Güter zu gelangen. Einer Überlastung der national zuständigen Behörden1033 kann zumin1029
1030
1031
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1033
Vgl. Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 163. Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/ Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 223. Vgl. auch Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 165. Kohls, Kulturgüterschutz: Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter – Eine vergleichende Untersuchung mit den Rechten Dänemarks, Norwegens und Schwedens, 2001, S. 165. So Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 151– 152.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
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dest für solche Staaten widersprochen werden, die – wie dies innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bestimmt ist – dem sog. Listenprinzip folgen und eine Eintragung national wichtiger Kulturgüter in das entsprechende Register bereits vorgenommen haben (sämtliche national wichtigen Kulturgüter in öffentlicher Sachherrschaft müssten jedoch in das deutsche Register noch aufgenommen werden). Diejenigen Staaten, die praktisch alle Kulturgüter generell dem nationalen Schutzsystem unterwerfen, müssten dementsprechend die notwenige Beschränkung auf nur diejenigen Werke vornehmen, die zum Kulturerbe und Patrimonium des Ursprungsstaates zählen und die anderen Werke für den internationalen Kulturgüterverkehr öffnen.
I.
Art Loss Register als weltweit größte Datenbank illegal transferierter Kulturgüter
An erster Stelle der Informationsbeschaffung mittels elektronischer Datenbanken ist ohne Zweifel das sog. Art Loss Register (ALR) 1034 zu nennen.1035 Es stellt die weltweit größte Datenbank1036 unrechtmäßig entzogener Kulturgüter dar, wobei hauptsächlich der kulturelle Diebstahl erfasst wird und Eintragungen sich auf die Beute- und Raubkunst beziehen. „Sein Dienstleistungsumfang schließt die Registrierung von Gegenständen, Such- und Auffinddienste für Sammler, den Kunsthandel, Versicherungen und weltweite Strafverfolgungsbehörden ein. Diese Dienste werden effizient durchgeführt, indem modernste IT-Technologien und ein Team von speziell ausgebildeten professionellen Kunsthistorikern genutzt werden. Das weltweite Team wurde bewusst so gestaltet, dass ein großer Umfang von Sprachfähigkeiten ebenso angeboten werden kann wie Spezialisierungen (moderne Kunst, alte Meister, Antiquitäten).“ 1037 Die Vormachtstellung des ALR im Bereich von gestohlener Kunst ermöglichte dem Unternehmen, eine
1034 1035
1036
1037
http://www.artloss.com. Vgl. auch Radcliff, The Work of the International Art and Antiques Loss Register, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 189–200; Seegers, The Art Loss Register – eine private Datenbank zwischen Kunstkriminalität, Beute- und NS-Raubkunst, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht (Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln)/die eigene Geschichte (Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich/Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg), 2002, S. 203–210; Seegers, Überprüfung von Kunstwerken und Kulturgütern: Status und Provenienz, in: Holzweißig, Sorgfaltspflichten im Kunsthandel – Qualifizierungsworkshop November 2002, 2002, S. 8; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 329–330. Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 83–94; Houpt, Museum of the Missing – A History of Art Theft, 2006, S. 104–131. So die Selbstangabe bei http://www.artloss.com/content/die-geschichte-und-politik-unseresunternehmens. Vgl. http://www.artloss.com/content/die-geschichte-und-politik-unseres-unternehmens.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
zentrale Rolle in der Auffindung von gestohlenen Gegenständen im Wert von bisher insgesamt über 230.000.000 Euro zu spielen.1038 562
Der Ursprung des ALR war die International Foundation for Art Research (IFAR), eine gemeinnützige Organisation mit Hauptsitz in New York. Das ALR wurde im Jahre 1991 in Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Auktionshäusern (darunter die weltweit bedeutendsten Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s), internationalen Verbänden des Kunsthandels, Vertretern der privaten Versicherungswirtschaft und der Stiftung International Foundation for Art Research, die von New York aus bereits seit dem Jahre 1976 Informationen zu Kunstdiebstählen zusammengetragen hatte, gegründet, um den internationalen Kunstdiebstahl einzudämmen und unterhält heute Büros in London (Zentrale), New York, Köln und Sankt Petersburg (im Aufbau). Da vor allem auch die Versicherungswirtschaft und das Auktionswesen von den Erfolgen von IFAR bei der Aufklärung von Kunstdiebstählen profitierten, lag hier eine Zusammenarbeit nahe.1039 Während IFAR sehr erfolgreich bei der Aufzeichnung von Verlustdetails war, zeigte es sich, dass ein Auffinden nur möglich wäre, wenn diese Aufzeichnungen computerisiert würden, die Datenbank weltweiten Strafverfolgungsbehörden zugänglich gemacht und bei Auktionen und öffentlichen Ausstellungen gründlich durchsucht würde.1040
563
Seit seiner Gründung im Jahre 1991 konnten etwa 5.500 Kunstobjekte durch das ALR identifiziert, lokalisiert und dem rechtmäßigen Eigentümer wiederbeschafft werden.1041 Ein Highlight war neben der Entdeckung des von Pablo Picasso gezeichneten Gemäldes ‚Femme en blanc‘ (1922), bekannt aus der Rechtssache Bennigson v. Alsdorf und neben dem Gemälde ‚Stillleben mit Pfirsichen‘ von Edouard Manet (gestohlen 1977, wiederaufgefunden 1997) in erster Linie das Gemälde ‚Still Life With Water Jug‘ von Paul Cézanne.1042 Die Datenbank hat im Jahre 2007 über 180.000 Einträge aufgewiesen1043, die weitaus meisten beziehen sich auf Verluste im Dritten Reich durch die Enteignung jüdischer und anderer Sammler sowie im und nach dem Zweiten Weltkrieg durch gezielte Plünderungsmaßnahmen der Besatzungsmächte und direkte Kriegsschäden.1044 Ein weiterer
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Vgl. http://www.artloss.com/content/die-geschichte-und-politik-unseres-unternehmens. Vgl. Seegers, The Art Loss Register und die internationale Kunstkriminalität, KUR (1999), S. 289–294, S. 289. Vgl. http://www.artloss.com/content/die-geschichte-und-politik-unseres-unternehmens. Vgl. Briseno, Kunstdieben mobil auf der Spur, Fraunhofer Magazin 3-2007, Information und Kommunikation, S. 22–23. Vgl. die eigenen Angaben bei http://www.artloss.com/content/die-geschichte-und-politikunseres-unternehmens. Im Jahre 1997 waren erst ca. 80.000 geraubte Kunstwerke registriert, vgl. Capital, Heft 8/ 1997, 173. Vgl. Briseno, Kunstdieben mobil auf der Spur, Fraunhofer Magazin 3-2007, Information und Kommunikation, S. 22–23.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
689
Schwerpunkt liegt auf Diebstählen aus Museen im Irak während der Besetzung durch amerikanische Truppen im Irak-Krieg des Jahres 2001. Aufgrund des großen Volumens kultureller Diebstähle in Friedenszeiten – nach einer diesbezüglichen Schätzung aus dem Jahre 2005 werden jährlich Kunstwerke im Wert von 8 Milliarden US-Dollar gestohlen – bezieht sich der überwiegende Rest der Eintragungen auf die individuell entzogenen Kulturgüter.1045 Der Schwerpunkt der Arbeit des ALR liegt in der diskreten Zusammenarbeit mit Kunsthandel und spezialisierten Ermittlungsgruppen der Polizei in verschiedenen, besonders engagierten Staaten, darunter bspw. das Art Crime Team des FBI und eine 40-köpfige Arbeitsgruppe der italienischen Carabinieri. Aber auch die Öffentlichkeit wird in Kooperation mit weltweiten Kunstzeitungen und -zeitschriften in die Suche und Fahndung eingeschaltet und über Hintergründe des Handels mit illegalen Kunstwerken informiert. Erste Funktion des ALR ist somit in der Abschreckung gegen Kunstdiebstahl zu sehen, indem es sowohl zur Registrierung aller Wertgegenstände in der Datenbank als auch zur Ausweitung der Überprüfungen ermutigt. Dadurch soll schließlich auch auf das Bewusstsein potentieller Diebe kultureller Wertgegenstände eingewirkt werden und die Risiken aufgeführt werden, denen sie sich bei dem Versuch aussetzen, gestohlene Kunst zu verkaufen. Neben dieser präventiven Zielsetzung dient das ALR in seiner zweiten Funktion der Wiederentdeckung und der Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. „Ein … Weg der Wiederbeschaffung führt über die systematische Überprüfung aktueller Handelsware. Dabei werden u.a. die Kataloge internationaler Auktionshäuser mit dem Datenbankbestand abgeglichen – Los für Los. Diese akribische Arbeit, die durch Visualisierungsfunktionen unterstützt wird, mündet durchschnittlich bei jedem 4.500sten Los in eine Überführung gestohlener Kunst. Erfahrungsgemäß birgt diese Suchleistung mit Abstand die beste Möglichkeit der Identifizierung: 51 % aller Wiederauffindungen resultieren aus der regelmäßigen Durchsicht der Auktionshauskataloge.“1046 Das ALR bietet zudem einen sog. Due-Diligence-Dienst für Kunstverkäufer und Erwerber an und fungiert insgesamt als Anlaufstelle für jeden Verdacht auf unrechtmäßige Eigentümerschaft kultureller Wertgegenstände.1047
564
Zur Erfüllung dieser Aufgaben kann auf der Internetseite des ALR zunächst ein verlorenes oder gestohlenes Kulturgut (gestohlene, vermisste, beschädigte oder zerstörte Gegenstände als auch jene, die Gegenstand eines Streitfalls sind), das einen Wert von 1.500 Euro hat oder eindeutig identifizierbar ist, registriert werden (Registrierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter). Öffentliche Beamte
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Vgl. Briseno, Kunstdieben mobil auf der Spur, Fraunhofer Magazin 3-2007, Information und Kommunikation, S. 22–23. Seegers, The Art Loss Register und die internationale Kunstkriminalität, KUR (1999), S. 289–294, S. 289–290. Vgl. http://www.artloss.com/content/die-geschichte-und-politik-unseres-unternehmens.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
einer nationalen Strafverfolgungsbehörde oder Mitglieder einer Versicherungsgesellschaft können ein kostenloses Gastkonto hierfür einrichten. Für die Registrierung eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts sind polizeiliche Vermerke bzw. Versicherungsangaben erforderlich, ansonsten wird das ALR den Registrierenden ersuchen, einen Beweis seiner Eigentümerschaft zu erbringen. Um die größtmöglichen Chancen für eine Wiederbeschaffung sicherzustellen, wird dem Registrierenden angeraten, so viele Informationen wie möglich für jeden Gegenstand anzugeben (hierzu zählen bspw. Bilder, Name des Verfertigers/Marke, Inschriften, Signaturen, Restaurierungsarbeiten usw.). Um bei der Wiederbeschaffung von Gegenständen zu helfen, kann das ALR die unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter auch durch The International Foundation for Art Research öffentlich machen bzw. die Verlustinformationen in seiner Monatszeitschrift The Art Loss Review bekannt geben.1048 Manche Gegenstände kommen dabei durch den Versuch eines öffentlichen Verkaufs oder einen Polizeizugriff schnell wieder auf dem Markt zum Vorschein. Andere Gegenstände brauchen hingegen viele Jahre, um wieder im internationalen Kunstmarkt gehandelt zu werden. Zum Beispiel sind viele Gegenstände, die während des Zweiten Weltkrieges erbeutet wurden, erst kürzlich wieder auf dem internationalen Markt zum Vorschein gekommen, ungefähr 60 Jahre nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten.1049 566
Präventiv steht Eigentümern kultureller Wertgegenstände die Möglichkeit offen, ein eindeutig identifizierbares Kunstwerk zu registrieren, um eine erhöhte Sicherheit für die registrierten Objekte zu erhalten. Die Datenbank umfasst gegenwärtig 170.000 Objekte und jedes Jahr kommen ca. 10.000 Registrierungen hinzu. „Gegenstände, die vor Verlust oder Diebstahl registriert werden, werden in der ALR-Positivdatenbank gespeichert. Die Positivdatenbank hat besonderen Anreiz für Sammlungen, bei denen das Inventar nicht regelmäßig überprüft oder aktualisiert wird und die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Die Positivdatenbank ist sowohl für öffentliche als auch private Sammlungen von großer Wichtigkeit. Als ein wichtiges Abschreckungsmittel gegen Diebstahl sollte es so weit verbreitet wie möglich bekannt sein, dass alle Gegenstände beim ALR registriert worden sind. Die größte Sicherheit bietet die Datenbank, wenn die Gegenstände vollständig im Detail beschrieben und von Fotos begleitet werden, auf denen die Gegenstände deutlich erkennbar sind. Die Bandbreite der Gegenstände, die in der Datenbank registriert werden können, ist riesig. Sie umfasst Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Uhren, Keramiken, Möbel, Kunstgegenstände, Silberwaren, Gartenbildhauerkunst, Teppiche, Gobelins, Juwelen, Uhren, Waffen und Rüstungen. Registrierung nach einem Verlust oder Diebstahl bedeutet, dass Sie von den ausführlichen weltweiten Überprüfungen von Wertgegenstandsverkäufen des ALR profitieren werden. Die weit verbreitete Verwendung der ALR1048 1049
Vgl. zum Ganzen Prozedere https://www.artloss.com/register/prepare?type=loss. Vgl. http://www.artloss.com/content/haufig-gestellte-fragen.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
691
Datenbank durch ALR-Prüfer und Strafverfolgungsbehörden auf der ganzen Welt maximiert die Möglichkeit, dass ein Versuch, Ihren Gegenstand zu verkaufen, entdeckt werden wird. Etwa 300.000 Gegenstände pro Jahr werden untersucht, die öffentliche Auktionen passieren. Für den Fall, dass ALR entdeckt, dass … [ein] Gegenstand zum Verkauf angeboten wird, wird Kontakt … [zu dem Eigentümer] aufgenommen, um die Rechtmäßigkeit des Verkaufs festzustellen. In Zusammenarbeit mit der betreffenden Strafverfolgungsbehörde wird das ALR jeden unautorisierten Verkauf überprüfen und dabei helfen, den Gegenstand an … den rechtmäßigen Besitzer, zurückzugeben.“ 1050 Daneben bietet das ALR für Erwerber kultureller Wertgegenstände besondere Dienste. Zunächst kann eine Suche in der Art Loss Register-Datenbank angefordert werden, um festzustellen, ob ein Kunstwerk als verloren oder gestohlen gemeldet wurde (Prüfung, ob ein Gegenstand verloren oder gestohlen wurde).1051 Jeder, der sich mit überprüfbaren persönlichen Informationen anmeldet und die entsprechende Gebühr entrichtet, kann das ALR damit beauftragen, eine Recherche durchzuführen. Für jede einzeln durchgeführte Überprüfung werden £ 25, $ 50, € 35, berechnet. Das ALR bietet jedoch die Möglichkeit eines Jahresabonnements mit 30 Recherchen für £ 300, $ 615, € 435, gegebenenfalls zuzüglich Mehrwertsteuer.1052 Die Komplexität der Herkunft von Kunstwerken erfordert, dass alle Suchanfragen professionell überprüft werden. In dem Fall, dass der Gegenstand als gestohlen erkannt wird, werden die Details derer, die die Überprüfung veranlasst haben, den Strafverfolgungsbehörden zugänglich gemacht.1053 „Auktionshäusern, Händlern, Museen, Polizei und interessierten Sammlern bietet das Register auf diese Weise die Möglichkeit, ihre Bestände, Angebote oder Verdachtsmomente auf die Unbedenklichkeit der Provenienz bestimmter Gegenstände hin überprüfen zu lassen. Dazu ist eine schriftliche Anfrage an ALR zu richten, die Details über Künstler, Medium etc. enthält, um den Filter über den registrierten Objekten scharf zu stellen und die in Frage kommenden Gegenstände peu á peu einzugrenzen, bis dass die Anfrage möglicherweise mit einem Diebstahlsdelikt in Verbindung gebracht oder ausgeschlossen werden kann. Durch diese Ad-hoc-Anfragen lässt sich eine überdurchschnittliche Trefferquote erzielen: Jede 10. Suche ermöglicht auf diese Weise die Identifizierung von Diebes1050
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Quelle: https://www.artloss.com/content/registrierung. „Erst im Falle eines gelungenen Auffindens unterliegen die positiv registrierten Gegenstände einer Gebühr, die basierend auf dem aktuellen Wert des Gegenstands zum Zeitpunkt des Auffindens berechnet wird. Für Gegenstände mit einem Wert von € 75.000 beträgt sie 20 Prozent (plus Mehrwertsteuer). Bei einem Wert von £50.000, $100.000, € 72.500 und darüber werden 20 Prozent von £50.000, $100.000, € 72.500 plus 15 Prozent des £50.000, $100.000, € 75.000 übersteigenden Betrages als Wiederauffindungsgebühr fällig.“ Quelle: https://www.artloss.com/content/ registrierung. Quelle: https://www.artloss.com/search. Vgl. http://www.artloss.com/content/haufig-gestellte-fragen. Vgl. http://www.artloss.com/content/haufig-gestellte-fragen.
567
692
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
gut.“1054 Als Beispiel hierfür kann der Diebstahl des kleinen Gemäldes ‚Christus als Schmerzensmann‘ (1450) von Petrus Christus (1410–1473) im Jahre 1993 aus der Birmingham City Art Gallery herangezogen werden. Bereits nach vier Monaten wurde das Gemälde mit einem Schätzwert von ca. einer halben Million Euro von der Schweizer Polizei sichergestellt und durch die Anfrage eines Kunsthändlers an das Art Loss Register eindeutig als gestohlen identifiziert. Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich heraus, dass es zur Finanzierung von Drogengeschäften in Südamerika bestimmt war.1055 568
Spezielle Tätigkeiten für Sammler, Auktionshäuser, Kunsthändler, Kunstmessen und Museen des ALR stellen auch die Durchführung detaillierter Due DiligenceDienste (Sorgfaltspflichten) und die Provenienzforschung für Kunstwerke und andere Wertgegenstände durch Experten sowie Verifizierungsbemühungen gutgläubiger Erwerber innerhalb der geforderten Nachforschungsbemühungen bezüglich der Verluste im Zweiten Weltkrieg dar.1056 Durch die Tätigkeit des ALR konnten inzwischen mehr als 900 Diebstähle von Kunst und Antiquitäten mit einem Versicherungswert von über 75 Millionen US-Dollar direkt aufgeklärt werden und weitere 1.500 Identifizierungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb des (inter-)nationalen Kunstmarktes stehen in mittelbarem Zusammenhang mit ALR. „Gemälde bilden mit 51 % die mit Abstand größte Kategorie der Wiederauffindungen. Der hohe Prozentsatz an wiederaufgefundenen Gemälden spiegelt auf der einen Seite die große Anzahl der Registrierungen dieser Gattung. So finden sich gegenwärtig mehr als 300 Picassos, 234 Chagalls, 271 Miros, 124 Dürer, 75 Renoirs, 19 Turner und 16 Gainsboroughs auf der Datenbank, die sich jährlich um insgesamt fast 12.000 Neueinträge vergrößert.“ 1057
II.
569
Lost Art Internet Database der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste zur Erfassung nationalsozialistisch und Zweiter Weltkrieg bedingter Kulturgutverluste
Lost Art Internet Database ist ein gemeinsames Projekt der Bundesrepublik Deutschland und der einzelnen Länder zur Erfassung solcher Kulturgüter, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verbracht, verlagert oder – insbesondere jüdischen Eigentümern –
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Vgl. Seegers, The Art Loss Register und die internationale Kunstkriminalität, KUR (1999), S. 289–294, S. 289–290. Vgl. Seegers, The Art Loss Register und die internationale Kunstkriminalität, KUR (1999), S. 289–294, S. 290–291. Quelle: https://www.artloss.com/content/dienste. Seegers, The Art Loss Register und die internationale Kunstkriminalität, KUR (1999), S. 289–294, S. 291.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
verfolgungsbedingt entzogen wurden und wird durch die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste betrieben.1058 Die Lost Art Internet-Datenbank enthält Angaben zu Kulturgütern, die infolge des Nationalsozialismus bzw. des Zweiten Weltkrieges verbracht, verlagert oder insbesondere jüdischen Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden oder für die auf Grund von Provenienzlücken eine solche Verlustgeschichte nicht ausgeschlossen werden kann.1059 Ähnlich der Ausgestaltung des Art Loss Register untergliedert sich auch die Lost Art Internet Database in zwei Bereiche: Innerhalb des Sektors Suchmeldungen werden solche Kulturgüter verzeichnet, die öffentlichen Einrichtungen oder privaten Personen und Institutionen infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Zweiten Weltkrieges verloren gingen und über die Lost Art Internet-Datenbank zur weltweiten Suche ausgeschrieben wurden. Besitzer oder Verwalter von Kul-
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Die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste ist eine von allen Ländern und dem Bund finanzierte Einrichtung beim Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt in Magdeburg. Der Koordinierungsstelle stehen ein Kuratorium und ein Vorstand vor. Das Kuratorium setzt sich aus den Abteilungsleiterinnen und -leitern für Kultur in den jeweils zuständigen Ministerien bzw. Senatsbehörden und -verwaltungen der Bundesländer sowie zwei Vertretern des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) zusammen. Der Vorstand setzt sich aus einem Verteter des BKM sowie je einem Vetreter des Kultusministeriums Sachsen-Anhalt und des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst zusammen. „Die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste hat die Aufgabe, Such- und Fundmeldungen zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen und kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern entgegenzunehmen und zu dokumentieren. Die Veröffentlichung im Internet ermöglicht eine weltweite Recherche nach diesen Objekten und ihren Verlustumständen. Das Auffinden und die Identifizierung gesuchter Stücke sollen damit unterstützt und Rückgaben angebahnt werden. Dokumentiert werden Informationen zu Kulturgütern, die auf Grund von Verfolgungen während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ihren Eigentümern entzogen wurden, wegen drohender Repressionen veräußert werden mussten oder bei Flucht und Emigration nicht mitgeführt werden konnten. Das betrifft auch heute vorhandene Kulturgüter, die eine Provenienzlücke aufweisen, so dass ein unrechtmäßiger Entzug zwischen 1933 und 1945 nicht ausgeschlossen werden kann. Weiterhin werden Kulturgüter erfasst, welche im Zusammenhang mit Ereignissen und unmittelbaren Folgen des Zweiten Weltkriegs (zum Beispiel durch Beschlagnahmung, Plünderung, Auslagerung oder Vertreibung) verloren gingen. Die Bearbeitung und Veröffentlichung dieser Meldungen erfolgt in Abstimmung mit den meldenden Personen und Institutionen. Im Falle einer Übereinstimmung von Identifizierungsmerkmalen ist die Koordinierungsstelle bemüht, den Kontakt zwischen den verlustmeldenden Personen bzw. Institutionen und jenen, die den Fund eines solchen Objektes gemeldet haben, herzustellen. Die Koordinierungsstelle nimmt zudem die Aufgaben der Geschäftsstelle für die „Beratende Kommission für die im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz (Beratende Kommission) wahr.“ Quelle: http://www.lostart.de. Für den praktischen Nutzen: Hartmann, – Lost art – Ziele und Möglichkeiten eines Internetportals, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, S. 59–78 (sehr nützlich!). Für einen Gesamtüberblick: Franz, Beutekunst und www.lostart.de – Praktische Aspekte der Arbeit der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, S. 47–58.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
turgütern mit unsicherer oder lückenhafter Provenienz können hier recherchieren, ob diese anderenorts gesucht werden.1060 Innerhalb des Bereichs Fundmeldungen werden hingegen solche Kulturgüter bezeichnet, von denen bekannt ist, dass sie unrechtmäßig entzogen bzw. kriegsbedingt verlagert wurden. Im Bereich dieses Sektors werden auch solche Meldungen zu Kulturgütern veröffentlicht, bei denen eine unsichere bzw. lückenhafte Provenienz auf einen möglicherweise unrechtmäßigen Entzug oder eine kriegsbedingte Verlagerung verweist. Personen und Institutionen, welche Verluste dieser Art erlitten haben, können hier recherchieren, ob sich die von ihnen gesuchten Kulturgüter in der Liste der Fundmeldungen wiederfinden.1061
III. Staatliche Datenbanken zur Provenienzerforschung und Suche nach unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern 570
Eine weitere staatliche Organisation in der Provenienzerforschung stellt bspw. das Register for Stolen Art and Artefacts (ROSA) dar, das von dem Canadian Heritage Information Network of Heritage Canada und einer Interpol Sektion gemeinsam entwickelt wurde. Das Register enthält in französischer und englischer Sprache Informationen über innerstaatliche und internationale Diebstähle, Beschlagnahmungen und Fälschungen kultureller Güter und archäologischer Artefakte, und beinhaltet eine Möglichkeit der Bildwiedergabe. Zur Zeit bestehen etwa 19.000 Eintragungen, von denen etwa 15.000 mit einer Abbildung belegt sind. Pro Jahr werden im Durchschnitt etwa 2.000 Neueinträge seitens der kanadischen Polizeibehörden und der Interpol-Büros weltweit durchgeführt.1062
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Darüber hinaus ist das in Großbritannien betriebene Register find stolen art zu nennen, das neben der Hilfestellung von britischen Polizeibehörden in der Bergung und Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und archäologischer Gegenstände auch die Provenienzbestimmung von Kunstwerken durch Auktionshäuser, Kunstsammler, Händler und Galeristen zur Erfüllung sämtlicher due diligence-Anforderungen beim Erwerb kultureller Wertgegenstände zum Ziel hat.1063 Die Seite beinhaltet die notwendigen Details zur Bestimmung des Objektes und gibt zur Identifizierung einzelne Bilder wieder; die Datenbestände werden regelmäßig seitens der Polizeibehörden überwacht und aktualisiert. Der Zugang ist frei und von jedermann über das Internet erreichbar. “With so much emphasis being placed on due diligence these days, nobody in the trade
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Vgl. ausdrücklich so die Wiedergabe unter http://www.lostart.de. Vgl. ausdrücklich so die Wiedergabe unter http://www.lostart.de. Vgl. Hughes/Wright, International Efforts to Secure the Return of Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: Has Unidroit Found a Global Solution?, The Canadian Yearbook of International Law, Volume XXXII (1994), S. 219–241, S. 227. Vgl. www.findstolenart.com.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
695
can afford to ignore the risks of inadvertently handling stolen property. It won’t take long to check items against this site, and it could prevent a lot of trouble.” 1064 Die Thesaurus Group ist eine Organisation, die seit nunmehr 10 Jahren Informationen über Antiquitäten und sonstige Sammelobjekte zusammenträgt. Die Gruppe bietet den sog. Auction Search Service, das Active Crime Tracking System und das Trace Magazine als Dienste an, und entwickelt zur Zeit als neue Dienstleistung eine Online-Datenbank zur Lokalisierung und Individualisierung gestohlener Kunstgegenstände (sog. Stolen Art Network).1065 Mittels der Untersuchung von mehr als 90 Auktionskatalogen pro Tag kreiert Thesaurus Informationen für Sammler ganz spezieller Ausrichtung und verhilft damit Kunstsammlern zu speziellen Losen aus einem Sammelsurium von Auktionen. Die Thesaurus Group realisierte, dass diese Informationsbestände wertvolle Angaben zur Wiederentdeckung gestohlener Kulturgüter beinhalteten und entwickelte dementsprechend das Active Crime Tracking System, um einen Vergleich der Auktionslisten mit den Verzeichnissen gestohlener Kunstwerke zu erreichen. Mittels der Objektbeschreibungen gestohlener Kulturgüter erreicht das Active Crime Tracking System eine hohe Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung (50–80 %) und erlangt damit pro Tag im Durchschnitt 4 bis 5 Übereinstimmungen mit gestohlenen Kunstwerken in Auktionskatalogen. Zahlreiche dieser Treffer werden in dem Trace Magazine veröffentlicht, das monatlich die gestohlenen Kulturgüter in der Hoffnung veröffentlicht, dass jemand diese erkennt.
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“The obvious application for this tool would be searching for stolen/looted antiquities and it would be very interesting to match dealers stock lists as well as auction catalogues to see if more matches were possible. This would be good for dealers because they would be provably diligent in providing honest stock for their customers and also limit the appeal for thieves to sell on the open market. The potential for this tool is enormous and should be a basis for a national police database of stolen items. I understand that the group is working with image matching, rather like a photo-fit, to make it easier for less knowledgeable people to build up an image of the stolen item. With their current success rate, nearly 2,000 art and antique items could be recovered every year. This would not only assist the police, who have many other crimes to deal with, but hopefully help injured parties to recover their losses quickly. However, the database service is not especially cheap and this limits its appeal, but Trace is inexpensive and makes Thesaurus approachable on all levels.” 1066
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Antiques Magazine, Beitrag vom 15.7.2000. “The Trace online, real-time registry of valuables is the global standard for identifying the ownership and authenticity of valuable goods. The Trace database is used by auction houses, dealers, owners of valuables, police and security organsations, retailers, luxury brands and insurance companies. Owned and operated by MyThings (www.MyThings.com) and Created by retail, insurance and hitech executives, Trace has the commitment, talent and resources to create the world’s online standard for verifying the validity and authenticity of used valuables in real time. MyThings is a global business with offices in Palo Alto, California; London, England; and Tel Aviv, Israel.” Quelle: http://www.trace.com. So http://www.trace.com.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
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Speziell für den Bereich des illegalen Kulturgüterverkehrs entwickelte die Thesaurus Group den Sektor Trace Looted Art,1067 um die Effizienz der OnlineDatenbanken auch zum Nutzen von Museen, Auktionshäusern, Kunsthändlern, Galeristen und nationalen Strafverfolgungsbehörden zu machen und zur Unterstützung in der Identifizierung von im Zweiten Weltkrieg geplünderten Kulturgütern beizutragen. Dazu ist Trace Looted Art im Besitz einer möglichst umfassenden Datenbank mit zur Zeit des Zweiten Weltkrieges unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern, die mit den Verkaufskatalogen von Kunstgaleristen und Versteigerungshäusern abgeglichen werden. Dabei wird dauerhaft versucht, die Datenbank geplünderter Kulturgüter zu erweitern und zu präzisieren. Trace Looted Art bietet einerseits für die Eigentümer die Möglichkeit der Registrierung ihrer unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter, um diese möglicherweise bei Wiederauftauchen innerhalb des Kunstmarktes zu identifizieren, andererseits für Erwerber kultureller Wertgegenstände eine Möglichkeit der Verifizierung der Eigentümer- und Berechtigtenposition der Veräußerer:
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“Before accepting suspect items, dealers, pawnbrokers, auctioneers, collectors and more search the Trace Looted Art database of lost and stolen valuables to know in seconds if the valuables offered for sale have been reported as looted or stolen. Should a potential buyer search an item you reported as looted, Trace Looted Art alerts the potential buyer and may notify the appropriate authorities. Estimates state that 20 % of Western art was looted by the Nazis and there are over 100,000 items that have not been returned to their rightful owners. The events that took place 60 years ago affect the art market today. Holocaust survivors and their heirs are still searching for objects that were taken from them. Dealers, auction houses and museums are more careful about checking the provenance (ownership history) of objects that come up for sale in case they are looted. They can also check the Trace Looted Art database to see whether the items have been reported looted or stolen.” 1068
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Regierungen können innerhalb des Systems Trace Looted Art entweder solche Kulturgüter melden, die sich in ihren Beständen befinden und zuvor unrechtmäßig entzogen worden waren (ohne dass jedoch der rechtmäßige Eigentümer bestimmt werden könnte), oder solche Objekte registrieren, die aus ihren Beständen unrechtmäßig entzogen worden waren. Werden in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verlorene Kunstgegenstände in die Datenbank eingetragen, besteht die Möglichkeit, aufgrund der detaillierten Beschreibung des Kulturguts dieses bei einem Verkauf oder einer Versteigerung zu identifizieren.
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“If there are objects that are missing from your collection due to Nazi looting: Posting this information on our database will be extremely helpful in identifying a listed object if it comes up for sale. You will be able to enter and search provenance information. You can post documents that will help to recover items, such as inventory records or insurance documents. (The documents will not help to recover items but will help to prove the ownership of items once they have been identified.) If there are objects in your collection that were looted by the Nazis, but you have been unable to find the owners:
1067 1068
www.TraceLootedArt.com. www.TraceLootedArt.com.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
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Posting your information on our database will be extremely helpful to individuals or organisations searching for looted valuables. Will give your organisation a more active role in helping to find the displaced owners since original owners will be regularly searching against objects on the database.” 1069
Auch Museen steht neben der Registrierung von aus ihren Beständen unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern die Möglichkeit der Eintragung kultureller Güter mit zweifelhafter Provenienz aus ihrem eigenen Bestand offen.
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“If there are objects that are missing from your collection due to Nazi looting: Posting this information on our database will be extremely helpful in identifying a listed object if it comes up for sale. You will be able to enter and search provenance information. You can post documents that will help to recover items, such as inventory records or insurance documents. If there are objects in your collection that were looted by the Nazis, but you have been unable to find the owners: Posting your information on our database will be extremely helpful to individuals or organisations searching for looted valuables. Will give your organisation a more active role in helping to find the displaced owners since original owners will be regularly searching against objects on the database.” 1070
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Schließlich haben auch sonstige Antragsteller die Möglichkeit der Registrierung der aus ihrem Bestand unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter, um diese innerhalb des (inter-)nationalen Kunstmarktes wiederaufzufinden. Da die professionell im Kunsthandel beteiligten Personenkreise regelmäßig eine detaillierte Provenienzrecherche ihrer zur Veräußerung anstehenden Kulturgüter vornehmen, wird bei einer Veräußerung oder Versteigerung von unrechtmäßig entzogenen und registrierten Kulturgütern eine Identifizierung und Lokalisierung dieser Werke möglich sein.1071
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Die private Gesellschaft Trans-Art International und die dazugehörende Historic Art Theft Database erstellen ein Register von aufgrund eines Krieges oder paramilitärischen Konfliktes und Bürgerkrieges unrechtmäßig entzogenen und verlorenen Kulturgütern. Seit Januar 1999 beinhaltet die Datenbank detaillierte Informationen von mehr als 40.000 aufgrund der Wirren des Zweiten Weltkriegs als verloren gemeldeten Kunstgegenständen aus über 12 Staaten. Dabei ist eine Registrierung verlorener Kulturgüter kostenfrei und nur die Suche von potentiellen Erwerbern kultureller Wertgegenstände kostet einen bestimmten Betrag gegen Ausstellung eines entsprechenden Zertifikates. Die Gesellschaft hat sich neben der Auffindung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch der Hilfe potentieller Erwerber von Kunstgegenständen in Bezug auf Wahrung ihrer Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb kultureller Wertobjekte verschrieben und stellt ihren Kunden ein Zertifikat aus, in dem ihnen bescheinigt wird, welche Sorgfaltsanforderungen die Firma für sie vor dem Erwerb eines Kulturguts zur Bestimmung der Provenienz des Kaufobjekts vorgenommen hat, um dem Vor-
581
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www.TraceLootedArt.com. www.TraceLootedArt.com. Vgl. www.TraceLootedArt.com.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
wurf zu entgehen, nicht von der fehlenden Eigentums- bzw. Berechtigtenposition des Veräußerers Kenntnis gehabt zu haben oder haben zu müssen (sog. Extensive and Informed „Due Diligence“ Investigation for Works of Art: Description of Ownership Due Diligence Certificate and how it Protects Legal Title to Valuable Art Objects). 582
“Accompanying the Certificate are three detailed memoranda discussing: – the prevalence of international art theft, and the lax commercial conventions of the art market that enable stolen materials to fall readily into the hands of well-intentioned and unsuspecting collectors; – the questions the Certificate addresses and the legal authorities that recommend each inquiry; and, most importantly, – how by making the prescribed inquiries, the Certificate tilts the balance of competing equities in favor of the recipient under the governing U.S. judicial criterion, and how the Certificate enables the recipient to establish the equitable defense of ‘laches’ to later judicial actions that might be brought seeking to recover the item.” 1072
583
Dieses Zertifikat mit Anhang testiert, dass Trans-Art “investigated the artwork in question in a comprehensive and legally informed manner to determine whether it either has been reasonably reported – or reasonably can be determined or indicated – to have been stolen. This investigation inquires to a wide range of available stolen art databases, as well as other art world authorities and resources, to make this determination.” Nach eigenen Auskünften erfüllt jede Nachforschung die in internationaler Rechtsprechung und Literatur geforderten Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber und führt so zu „a demonstrable benefit in identifying and locating stolen art objects prospectively“ 1073. Die ausgeführten Anforderungen zur Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabes sind:
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“1. Publicly available databases of stolen art objects; 2. Trans-Art’s “Historic Art Theft Database”; 3. An analysis of the entry for the work in question in the applicable catalogue raisonné (if available); 4. A representative sampling of international museums with prominent collections of the particular artist or type of work; 5. One or more international experts on the artist or type of art; 6. A sampling of international auction houses; 7. For works of art created prior to 1945 the leading organizations responsible for identifying, listing, and making known art objects looted during World War II; 8. Relevant collectors’ groups concerning the relevant artist or type of work, if available; 9. The United States Embassy or Ministry of Culture of any government with a special identity with the individual artist or type of work; 10. An extensive network of dealers, appraisers, attorneys, insurance representatives, restorers and conservators, and journalists located within the United States; 11. An extensive network of dealers, appraisers, attorneys, insurance representatives, restorers and conservators, and journalists located outside the United States;
1072 1073
So http://www.bentoni.com/ta/index.html. So http://www.bentoni.com/ta/index.html.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
699
12. Mr. Philip Saunders of Lloyd & Saunders Art Consultants in Great Britain. Mr. Saunders is an international consultant on stolen art issues both to private collectors as well as to law enforcement authorities. He is the former Executive Publisher of Trace Publications, a principal resource for listing stolen art objects.” 1074
Darüber hinaus verfolgt Trans-Art die Aktivitäten und Initiativen Einzelner und spezieller Organisationen, die Opfern unrechtmäßiger Entziehungen kultureller Wertgegenstände helfen, ihre abhandengekommenen Kulturgüter zu identifizieren, lokalisieren und auf dem Rechtsweg rückzuführen, und arbeitet gegebenenfalls mit diesen zusammen.
585
Eine weitere private Organisation als Hilfe innerhalb der Provenienzbestimmung von Erwerbern kultureller Güter stellt das International Archive of Stolen Artefacts dar 1075, das als unabhängige Informationsquelle aufgrund einer maximalen Publizität das Suchen und Auffinden unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in einem elektronischen Register ermöglicht. Das Archiv beinhaltet mehr als 20.000 Kategorien aufgelisteter Objekte, sodass eine starke Individualisierung bei der kostenfreien Suche unter größtmöglicher Einfachheit innerhalb der Recherche möglich ist. Jede Aufzeichnung entspricht dem in den musealen Datenbanken verwendeten Standard und wird mit mindestens drei Fotos versehen. Die besondere Bedeutung einer Suche innerhalb der Datenbank zum Nachweis der notwendigen due diligence-Anforderungen von Erwerbern kultureller Wertgegenstände wird auf der Homepage des Betreibers formuliert: “We would encourage all dealers, trade specialists, recovery agents and Authorities to use this free searching facility to identify stolen art and artefacts. Close-up photographs and background data on the site will enable clear identification and aid quick recovery. Due diligence searches by the trade are now easy and free. With the next generation of phones that can access the internet and display images, anyone at auction or car-boot sale will be able to use this site to identify stolen goods.” 1076 Das International Archive of Stolen Artefacts arbeitet mit dem sog. Antiques & Valuables Logbook system – DIVA zusammen, das kulturelle Wertgegenstände dokumentiert, katalogisiert und fotografiert und damit ein Portfolio eines jeden Kunstwerks anlegt, das am internationalen Standard der Archivierung von Museen angelehnt ist.1077
586
Die Provenienz eines Kulturguts lässt sich mittelbar auch durch eine andere Art von elektronischen Datenbanken über das Internet recherchieren, die eine möglichst umfassende und integrierte Analyse der Versteigerungskataloge der Auktionshäuser und der Verkaufsofferten der Kunsthändler vornehmen. Die größte und umfassendste Datenbank stellt in diesem Bereich Invaluable dar, das die kul-
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1074 1075 1076 1077
So http://www.bentoni.com/ta/index.html. http://www.iasa-online.com. http://www.iasa-online.com. http://www.diva-id.com/1024/index.htm.
700
3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
turellen Transferleistungen von über 2.000 Auktionshäusern und Kunsthändlern und einem Volumen von £ 250 Million pro Woche wiedergibt.1078 “Art and antiques professionals, scholars, collectors of all types, libraries, museums, and historical associations use our Auction Catalogue and Price Database to research the original unabridged auction catalogue descriptions, provenance, price results and original price estimates, and available images of all types of objects sold at auction. The database contains over 100.000 full catalogues with over 20 million price results worth over £ 40 billion.” 1079 Die Ergebnisse der Versteigerungen von über 500 Auktionshäusern weltweit hält auch Artnet (früher Centrox) bereit.1080 “Artnet’s illustrated Fine Art Auction Database contains 2.6 million auction records from over 500 auction houses worldwide, compiled since 1985. Today, Artnet is an online hub for a network comprising 1300 galleries, 36,000 works of art and 13,000 artists from around the globe.” 588
Artnet stellt damit eine Online-Plattform dar, mit deren Hilfe man Kunst kaufen, verkaufen und recherchieren kann. Das Gallery Network ist das größte seiner Art und mehr als 2.000 Galerien in über 250 Städten präsentieren online über 100.000 Arbeiten von mehr als 25.000 auf der ganzen Welt ansässigen Künstlern. Das Netzwerk wurde für Händler und Kunstkäufer gleichermaßen gestaltet, gibt einen Überblick über den Markt und die aktuellen Preistrends und bietet die Möglichkeit zur sofortigen, kostengünstigen und globalen Kontaktaufnahme. Zu den anderen wesentlichen Dienstleistungen gehören das artnet Magazin, die Zeitschrift der Kunstmarktspezialisten mit täglich aktuellen Nachrichten, Besprechungen und Artikeln von bekannten Autoren der Kunstwelt, und die Price Database, die das umfassendste bebilderte Archiv internationaler Auktionsverzeichnisse wiedergibt und die Ergebnislisten von mehr als 500 internationalen Auktionshäusern seit 1985 enthält. Von den Alten Meistern bis zur Gegenwartskunst beinhaltet die Price Database mehr als 3.6 Millionen Kunstwerke von über 180.000 Künstlern.1081 Aufgrund dieses großen Datenbestandes kommt die Datenbank auch zur Provenienzrecherche und Bestimmung der Eigentums- und Berechtigtenperson wenn auch nicht direkt, so doch zumindest mittelbar in Betracht.1082
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Eine ähnliche Dienstleistungspalette stellt die Organisation artprice (früher ADEC On-Line) dar 1083, die nach eigenen Angaben die bedeutendste Datenbank der Welt über Bewertungen von Kunstwerken (Malerei, Stiche, Zeichnungen,
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1083
http://www.invaluable.com. Quelle: http://www.invaluable.com/artfact/about.cfm. www.artnet.com. www.artnet.com. Vgl. hierzu auch O’Keefe, The Use of Databases to Combat Theft of Cultural Heritage Material, Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 19–35, S. 357–366. http://web.artprice.com/corporate/DE.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
701
Miniaturen, Skulptur, Plakate, Fotografie, Wandbehang) mit 4 Millionen Einträgen seit 1700 besitzt und betreibt. Aufgrund der Website www.artprice.com und 900 weiterer Websites befindet sich Artprice in einer weltweit führenden Position, was durch einen industriellen Prozess verstärkt wird, der das Zusammentragen, die umfassende Überprüfung, die Bearbeitung und Anreicherung der quasi Integralität aller Kunstauktionen von 2.900 Auktionshäusern aus mehr als 40 Ländern umfasst. Ein einzigartiger Editorialfonds, zusammengesetzt aus 290.000 Kunstauktionskatalogen von Verkäufen des XVII., XVIII. und XIX. Jahrhunderts sowie der Dictionnaire des ventes (Fachwörterbuch der Auktionen) in 7 Bänden von H. Mireur, ergänzt das Archiv.1084 Ein Tool der Informationsbeschaffung stellt die Datenbank der Auktionsergebnisse dar, in der eine Sammlung, Erfassung, Bearbeitung und Anreicherung der Kunstverkäufe, zusammengetragen aus 2.900 Auktionshäusern der ganzen Welt mit ungefähr 450.000 Einträgen erfolgte. Diese Abteilung besitzt einen weltweit einzigartigen Bestand von 270.000 annotierten Auktionskatalogen der bildenden Kunst von 1700 bis heute.1085 Darüber hinaus besteht eine sog. Künstler Biographie Datenbank, in der Biographien älterer, moderner und zeitgenössischer Künstler umfassend dargestellt werden. In diesen beiden Bereichen stehen erhebliche Informationen auch zur Provenienzbestimmung zur Verfügung.1086
G. Bundes-, Landes- und Kommunal- sowie museale und sonstige Archivbestände als Mittel der Provenienzrecherche Schließlich kommen als Mittel der Provenienzrecherche zur Bestimmung des Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- oder ‚entarteten‘ Kunstcharakters auch die Bundes-, Landes- und Kommunal- sowie museale und sonstige Archivbestände in Frage. Vorab ist diesbezüglich jedoch zu verdeutlichen, dass diese Informationsquellen für eine Provenienzbestimmung vor Erwerb eines Kulturguts auf einer ad hoc-Basis regelmäßig zu schwerfällig und nur von geübten Personen und unter großem zeitlichen Aufwand handhabbar sind, sodass eine Recherche in solchen Archivbeständen somit nur selten praktisch verlangt werden können. Trotzdem hat sich gezeigt, dass eine Provenienzbestimmung und Verifizierung der Eigentumsposition kulturell Berechtigter in vielen Fällen der repressiven Bestimmung der richtigen sachlichen Zuordnung kultureller Wertgegenstände sicher erst nach der Einsichtnahme in die Archivbestände, Kataloge
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Vgl. http://web.artprice.com/corporate/DE. Vgl. http://web.artprice.com/corporate/DE. Vgl. hierzu auch O’Keefe, The Use of Databases to Combat Theft of Cultural Heritage Material, Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 19–35, S. 357–366.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
und Aufzeichnungen des Staates bzw. einzelner Museen, Auktionshäuser und Kunsthändler zu gewinnen waren. 591
In Bundes-, Landes- und Kommunalarchiven 1087 werden bspw. Unterlagen zur Verbringung ehemals jüdischen Eigentums aufbewahrt, die den anfragenden Kultureinrichtungen, Behörden, Kunsthändlern, Galeristen, Auktionshäusern und privaten Personen mit ihrem üblichen Serviceangebot, insbesondere recherchespezifischer Beratungstätigkeit im Rahmen ihres laufenden Dienstbetriebes zur Verfügung stehen. Die spezifischen Recherchen sind von der jeweiligen Einrichtung und deren Personal zu realisieren, wobei Archive, soweit es sich nicht um eigenes Kulturgut handelt, jedoch nur die Rechercheinfrastruktur zur Verfügung stellen, sodass bei konkreter Veranlassung regelmäßig noch vor Ort detaillierte Nachforschungen notwendig werden.1088 Derartige Unterlagen können sich auch in den einschlägigen Beständen der Landes- und Kommunalarchive befinden. Besteht die Vermutung, dass es sich um ein NS-verfolgungsbedingt entzogenes Objekt handelt und sind die ursprünglich berechtigten Voreigentümer bekannt, kann zudem in den aus NS-Überlieferungen stammenden Entziehungsakten (bspw. den Unterlagen der Vermögensverwertungsstellen bei den Oberfinanzpräsidenten der Länder), den Aktenbeständen der Rückerstattungs- und Entschädigungsverfahren (in den Oberfinanzdirektionen und im Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) – vormals Oberfinanzdirektion Berlin), dem Archivbestand Bundesarchiv Koblenz (bspw. B-323: Schriftverkehr Kunsthändler mit Machthabern des NS-Regimes)1089 sowie den Beständen zur Reichskammer der Bildenden Künste (RdbK) des Landesarchivs Berlin „LAB A Rep.243-04“ gesucht werden.1090 1087
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Anlage III der Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 73: Zur Archivlage: Bund: Bundesarchiv – www.bundesarchiv.de; Auswärtiges Amt – www.auswaertiges-amt.de; Stiftung Preußischer Kulturbesitz: www.hv.spk-berlin.de; Länder: Alle Länderarchive unter http://www. staatsarchive.de/bestaende.html; Kommunen: Nähere Informationen unter http://www. bundeskonferenz-kommunalarchive.de/index.; Koordinierungsstelle: www.lostart.de. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 21. Eine solche Recherchemöglichkeit stellt bspw. das Bundesarchiv dar. Dieses hat zu dem genannten Archivbestand „B 323 Treuhandverwaltung von Kulturgut bei der Oberfinanzdirektion München“ gesonderte Kurzinformationen für Archivbenutzer herausgegeben. Diese enthalten allgemeine Angaben zur Bestandsgeschichte, zum Inhalt und zur Benutzung und weiterführende Hinweise. Diese sind im vollständigen Wortlaut über http://www. bundesarchiv.de abrufbar. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 13–14.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
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Wichtige archivarische Bestände in der Provenienzbestimmung stellen aber auch die Rückerstattungsakten dar, d.h. die Akten nach den Verfahren aus dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG), in denen früher vielfach die Entziehung von Kunstwerken dokumentiert worden ist. „Insofern gab es korrespondierende Aktenbestände bei den kommunalen Wiedergutmachungsämtern sowie bei den Oberfinanzdirektionen, welche als Vertreter des Bundes in Nachfolge des Deutschen Reiches zwecks Entschädigung beteiligt wurden. Die örtliche Zuständigkeit der Ämter richtete sich nach der aktuellen Belegenheit bei rückgabefähigen Vermögensgegenständen, ansonsten nach der Belegenheit im Zeitpunkt der Entziehung. Dementsprechend sind die Archivbestände der Rückerstattungsbehörden über eine Vielzahl von Standorten verstreut. Schätzungsweise 80 % aller Rückerstattungsakten befinden sich allerdings in Berlin, allein das BADV (vormals: Oberfinanzdirektion Berlin) verfügt über ca. eine Million Rückerstattungsakten. Es wird daher empfohlen, sich mit Anfragen zunächst an das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) zu wenden.1091 Bei der Beantwortung werden ggf. Hinweise auf andere Standorte von Rückerstattungsakten gegeben. Da das Rückerstattungsarchiv des BADV mit einer zentralen Geschädigtenkartei erschlossen ist, sollten Anfragen den Namen und Vornamen des Geschädigten sowie möglichst Geburtsdatum/Geburtsort oder sonstige Hinweise zur Identifizierung enthalten. Ferner sollten, falls bekannt, Namen und Geburtsdaten von Verwandten des Geschädigten genannt werden, da diese möglicherweise als Antragsteller im Rückerstattungsverfahren auftraten und ihre Namen daher gespeichert sind. Ferner erfasst das BADV die aus seinem Rückerstattungsarchiv ersichtlichen Kunstwerke in einer Kunstobjektdatei, so dass auch rein objektbezogene Anfragen möglich sind. Auskünfte hieraus können allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.“1092
592
Die Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, weist darauf hin, dass für die Feststellung der Provenienz im Einzelfall einschlägige gedruckte Verzeichnisse, Fachliteratur und archivarische Quellen wie bspw. das „Handbuch der deutschsprachigen Emigration, Angaben im Bestand der Treuhandverwaltung für Kulturgut (Bestand 323 im Bundesarchiv oder auch Unterlagen im Münchener Institut für Zeitgeschichte), “Biographical Index of Individuals in
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Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV), DGZ-Ring 12, Referat C2, 13086 Berlin, Tel. + 49-(0)30 91608 -1533 bzw. -1543, Fax + 49-(0)30 91608 -1140, Email: [email protected] oder [email protected]. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 22–23.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Art Looting” des amerikanischen Office of Strategic Services, Auswertung der zugänglichen Auktionsüberlieferungen (Auktionskataloge, Fachpresse 1933– 1945 etc.), Firmenarchive, ggf., sofern es sich um bedeutende Gemälde handelt, Werkverzeichnisse, Ausstellungskataloge und Künstlerlexika (z.B. ThiemeBecker), Internetportal www.lostart.de, dort insbesondere das Modul „Provenienzrecherche“, AAM Guide to Provenance Research“ genutzt werden können.1093 594
Als Quellen zur Provenienzrecherche ebenso wie zur eigenen Bestandsprüfung kultureller Sammlungen sind aber auch die Erwerbungs- und Verzeichnungsunterlagen, also bspw. die Zugangsbücher (Akzessionsjournale) der Bibliotheken, Inventare und Erwerbslisten der Museen und die Findhilfsmittel der Archive für den genannten Zeitraum und dementsprechende Korrespondenzakten heranzuziehen. Die Inventarisierungsangaben sind allerdings oft nicht ausreichend und Inventarisierungs- und Erwerbungsdaten liegen unter Umständen weit auseinander, sodass besonders in musealen Archivbeständen die Informationsquellen nach Eigentümerwechsel (u.a. Übergang in Reichsvermögen) im Erwerbungszeitraum 1933–1945, nach Erwerbs- bzw. Zugangsumständen sowie nach der Bedeutung der konkret Beteiligten zu untersuchen sind.1094
H. Frage nach der Einführung eines sog. ‚Kunstobjekt-Briefs‘ Schrifttum: Becker, Der Kampf um die Rückgabe von abhandengekommenem Archivgut: Von den Schwachstellen der Zivilrechtsordnung, Archivmitteilungen 43 (1994), S. 47–49, insb. S. 48; Brinkman, Reflexions on the Causes of Illicit Traffic in Cultural Property and Some Potential Cures, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 64–67, S. 66; Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts – Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht sowie Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung, 1991, S. 109–110 (hinsichtlich archäologischer Kulturgüter); Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146 –159; Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 223–224; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200–201 und S. 406; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 331; Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51; Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 556.
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So Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 13. Vgl. Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999 vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, S. 12.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
Ein Teil der kulturgüterspezifischen Literatur fordert zur Bekämpfung des illegalen Kulturgüterverkehrs die Einführung eines sog. ‚Kunstobjekt-Briefs‘, der die ursprüngliche Herkunft und alle weiteren Erwerbsvorgänge authentisch bezeugt.1095 „Wer sich beim Erwerb diesen »Brief« nicht vorlegen und übergeben läßt, ist als grob fahrlässig im Sinne des Gutglaubensschutzes zu erachten.“1096 Dabei wird regelmäßig der Vergleich zu dem Erwerb von Kraftfahrzeugen gezogen: „Immerhin ist im deutschen Recht schon beim Erwerb eines gebrauchten Kraftwagens grob fahrlässig, wer sich nicht den Kraftfahrzeugbrief vorlegen läßt.“1097 Entsprechendes solle danach auch für den Kunsthandel gelten, der aufgrund der traditionell meist anonym und ohne schriftliche Fixierung vorgenommenen Veräußerungsgeschäfte allgemein als ebenso ‚anfällig‘ für den Verkehr mit unrechtmäßig entzogenen Gegenständen qualifiziert wird. Rechtsfolge des Erwerbs eines Kulturguts ohne Einsichtnahme in einen solchen ‚Kunstobjekt-Brief‘ müsse dann der Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs und der gutgläubigen Ersitzung des Kulturguts sein.1098 Speziell bei Archiven sollen die gleichen Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung von Archivstempeln und -signaturen eintreten.1099 Hanisch erläutert hinsichtlich der praktischen Anwendbarkeit, dass die Kompetenz für die Ausstellung eines derartigen ‚Kunstobjekt-Briefs‘ den anerkannten Verbänden des privaten Kunsthandels überlassen werden könnte, wenn Fälschungssicherheit technisch für das Dokument gewährleistet wäre. In Deutschland könnten somit bspw. der Bundesverband des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels, bei Museumsbesitz die entsprechenden Vereinigungen der Museen, die Ausstellung des ‚Kunstobjekt-Briefs‘ übernehmen.1100 Besser wäre jedoch aufgrund des weltweiten Handels kultureller Wertgegenstände eine Internationalisierung solcher Regelungen, sodass bspw. solche berufsständischen Vereinbarungen etwa im Rahmen der Confédération Internationale des Négociants en Œuvres d’Art (C.I.N.O.A.) bzw. des International Council of Museums herbeigeführt werden könnten.1101 Auch die UNESCO käme bspw. aufgrund ihrer Anerkennung und nationalen Vertretungen hierfür in Frage. Wer dann als
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So ausdrücklich und m.w.N. Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 223; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/ Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 223–224. Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/ Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 223–224. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200–201 und S. 406. Vgl. Becker, Der Kampf um die Rückgabe von abhandengekommenem Archivgut: Von den Schwachstellen der Zivilrechtsordnung, Archivmitteilungen 43 (1994), S. 47–49, S. 48. Vgl. Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/ Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 223–224. Vgl. Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/ Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 223–224.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Sammler die Anonymität seines Kunstbesitzes wahren will, muss bei einer Veräußerung für den Nachweis seiner Berechtigung selbst Sorge tragen. Dem Erwerber steht es dann frei, diesen Nachweis zu verlangen, um seinen guten Glauben zu gewährleisten.1102 596
Ein erster Schritt in die Richtung eines derartigen ‚Kunstobjekt-Briefs‘ ist in der Etablierung des sog. Object Identification (Object ID) Systems zu sehen.1103 Object ID ist ein internationaler Standard für eine einheitliche Beschreibung kultureller Wertgegenstände, der in Zusammenarbeit mit der internationalen Museumsgemeinschaft, den nationalen Polizei- und Zollbehörden, dem Kunsthandel und der Versicherungsindustrie entwickelt wurde. “The police have long recognised the importance of good documentation in the fight against art thieves. Documentation is indeed crucial to the protection of art and antiques, for police officers can rarely recover and return objects that have not been photographed and adequately described. Police forces have custody of large numbers of objects that have been recovered in the course of operations, but which cannot be returned to their rightful owners because there is no documentation that makes it possible to identify the victims.” 1104 Ursprünglich wurde das Projekt durch den J. Paul Getty Trust im Jahre 1993 ins Leben gerufen, eine standardisierte Beschreibungsmethode kultureller Wertgegenstände im Jahre 1997 veröffentlicht und wird heute von zahlreichen Strafverfolgungsbehörden wie bspw. FBI, Scotland Yard und Interpol ebenso verwendet wie von den professionell im Kunsthandel beteiligten Museen, internationalen Organisationen innerhalb des Kulturgüterschutzes, Kunsthändlern wie Galeristen, Kunstsammlern und Versicherungsgesellschaften.1105 Im Jahre 2004 wurde die Lizenz von Object
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So Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/ Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 223–224. www.object-id.com. www.object-id.com. “In 1999, the Object ID project found a new home at the Council for the Prevention of Art Theft (CoPAT). CoPAT was established in 1992 and is now a registered charity in the UK. Its mission is to promote crime prevention in the fields of art, antiques, antiquities and architecture. Its members are drawn from law enforcement, the crime prevention field, heritage organisations, historic house owners, the insurance industry and the art trade. CoPAT has participated in the project since its early stages and has played a significant role in the development of the standard. … The transfer of the project to CoPAT has been made possible by financial assistance from the Getty Grant Program. Welcoming the announcement, CoPAT chairman Mark Dalrymple said: ‘CoPAT is delighted the Getty believes our organisation to the best home for Object ID. It fits very well with our current program and we will actively promote the use of the standard at both national and international levels.’ Getty Grant Program Director Deborah Marrow said: ‘The Object ID standard its on just one small piece of paper but it represents something important — the establishment of common ground between organisations around the world. It can help lay the foundations for effective collaboration to protect our cultural heritage.’ ” Quelle: www.object-id.com.
3. Abschnitt: Dokumentationsquellen zur Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber
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ID an ICOM übertragen „in recognition of its commitment to the international promotion of this invaluable documentation tool“ 1106. Bei der Erstellung des einheitlichen Standards wurden über 1.000 im Kunsthandel beteiligte Personen und Organisationen aus 84 Staaten per Fragebogen um die Angabe gebeten der „information needed to describe objects for purposes of identification“1107. Object ID findet in zahlreichen Anwendungen heute Unterstützung: “Around the world there is growing, broad-based support for the new standard. The Object ID checklist has already been translated into Arabic, Chinese, Czech, Dutch, French, German, Hungarian, Italian, Korean, Persian, Russian, and Spanish. The tenth meeting of UNESCO’s Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property (Paris 25–28 January 1999) endorsed Object ID ‘as the international standard for recording minimal data on movable cultural property’ and invited the Director General ‘to bring this recommendation on Object-ID to the attention of the General Conference and to recommend that all UNESCO Member States adopt Object-ID and use it, to the fullest extent possible, for identification of stolen or illegally exported cultural property and international exchange of information on such property’ (Resolution 5). Object ID was duly endorsed by the UNESCO General Conference in November 1999. The Council of Europe has collaborated with the Getty Information Institute on a publication: Documenting the Cultural Heritage. This book, which is available in English and French, brings together the Council of Europe’s core data standard for historic buildings, the Council of Europe/ICOM core data standard for archaeological sites, and Object ID. Law-enforcement agencies around the world assisted in the development of Object ID and a number of agencies are already using the standard. At the international level, Interpol has included the Object ID checklist – together with an explanatory text – on its CD-ROM of stolen art. In the USA, the Federal Bureau of Investigation has adopted Object ID for its art theft database – the National Stolen Art File. In the UK, the Metropolitan Police Service is now using the Object ID checklist to compile descriptions of stolen art and, along with a number of regional forces, is using it in crime prevention initiatives. It has been established that the Object ID checklist is compatible with the majority of art theft databases, including those of Interpol, the Italian Carabinieri, the Czech Republic, Trace, and the International Art Loss Register. Customs agencies also assisted in the development of the standard, and special thanks are due to the World Customs Organization for undertaking the questionnaire survey of agencies in member countries. The United States Information Agency (USIA) – one of the original partners in the project – has adopted Object ID for its web site database of types of illicitly traded objects.” 1108
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Darüber hinaus wenden auch viele nationale Museen und vor allem auch Versicherungsgesellschaften in Europa und Nordamerika den so entwickelten Standard an. Auch innerhalb der Kunsthandelsverbände findet Object ID Unterstützung.1109 Vor dem Hintergrund eines so weit verbreiteten Standards
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Vgl. Brinkman, Reflexions on the Causes of Illicit Traffic in Cultural Property and Some Potential Cures, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 64–67, S. 66. www.object-id.com. www.object-id.com. Vgl. hierzu auch Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51; Brinkman, Reflexions on the
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
einer Minimalbeschreibung kultureller Wertgegenstände und der alltäglichen praktischen Applikation der professionell am Kunsthandel beteiligten Personenkreise liegt der Gedanke der Einführung eines papierbasierten, besser jedoch elektronischen ‚Kunstobjekt-Briefs‘ nicht so weit entfernt. Im internationalen Verkehr mit kulturellen Wertgegenständen würde dies sicherlich zu einer Eindämmung des illegalen Handels mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern führen. Gutgläubigkeit eines Erwerbers wäre dementsprechend nur noch dann anzunehmen, wenn der Veräußerer als Eigentümer oder zur Veräußerung Berechtigter innerhalb des ‚Kunstobjekt-Briefs‘ eingetragen wäre. Würde der Erwerber eine Einsichtnahme in diese Dokumentation unterlassen, würde er seiner Provenienzerforschungsobliegenheit nicht gerecht werden, eine Qualifizierung als gutgläubig müsse ausscheiden und der Eigentümer würde seine Rechtsposition an dem Kulturgut nicht im Wege des derivativen oder originären gutgläubigen Erwerbs verlieren. Damit wäre die Sicherheit des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs ohne Zweifel gesteigert. Der tatsächliche Aufwand zur Errichtung einer einheitlichen, konsolidierten Datenbank und die Einführung eines elektronischen ‚Kunstobjekt-Briefs‘ würden sich vor dem Hintergrund der jährlichen finanziellen Verluste aufgrund des illegalen Kunsthandels rechnen.1110
§ 14 Ergebnis: Recherchemöglichkeiten zur Provenienzbestimmung und die Forderung nach einem sog. ‚Kunstobjekt-Brief‘ 599
Während noch vor einigen Jahren geeignete Provenienzerforschungsbemühungen von zum Kauf anstehenden Kunstwerken allein durch spezialisierte Kunsthistoriker durchgeführt werden konnten, stehen heute zahlreiche Informationspools auch für nicht professionell in der Kunst beschäftigte Laien zur Verfügung, die ohne großen finanziellen, sachlichen oder zeitlichen Aufwand eine Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Eigentümer- oder Berechtigtenposition von Veräußerern kultureller Güter ermöglichen. Ebenso wie sich Mediziner über die neuesten Forschungsergebnisse und Juristen über die aktuelle Rechtsprechung und neueste Gesetzesänderungen von Berufs wegen in Kenntnis setzen müssen, ist auch seitens der Museen, Auktionshäuser, Galeristen und Kunst- wie Antiquitätenhändler sowie aller Personen zu erwarten, die als Erwerber im Kunsthandel mehr oder weniger professionell auftreten, sich auf diesem Wege zu einer Mindestinformation über den eigenen Geschäftsbereich veranlasst zu sehen.
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Praktisch standen vor Einführung der großen Datenbanken unrechtmäßig entzogener und illegal transferierter Kulturgüter nur papiergebundene Lösungen zur Ver-
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Causes of Illicit Traffic in Cultural Property and Some Potential Cures, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 64–67, S. 66. Der damit verbundene Aufwand ist nach Ansicht von Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 331, entbehrlich, wenn man die Nachforschungsobliegenheit streng handhabt.
§ 14 Ergebnis: Recherchemöglichkeiten zur Provenienzbestimmung/Kunstobjektbrief
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fügung, die dem inzwischen gewachsenen internationalen Kunstmarkt weder im Transfervolumen noch in der -geschwindigkeit mithalten konnten. Kunstwerke wurden nun nicht mehr dauerhaft in Sammlungen integriert, sondern als Investitionsanlage erkannt und oft über zahlreiche Zwischenhändler veräußert. Fachbeiträge und traditionelle Veröffentlichungen in Spezialzeitschriften können nur noch eingeschränkt Informationen hinsichtlich der Provenienz und Eigentumslage vermitteln, sind jedoch auch heute im Zeitalter der Digitalisierung besonders für die professionell im Kunsthandel tätigen Personen als wichtige Informationsquelle anzusehen. Besonders in sämtlichen Formen des illegalen Transfers zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erfolgen Veräußerung und Erwerb in aller Regel außerhalb des Blickes der Öffentlichkeit unter Ausnutzung der Möglichkeit, dass Kulturgüter aufgrund ihrer Dimensionen leicht transportiert und damit in anderen Staaten und Rechtsordnungen veräußert werden können. Auch die Werkverzeichnisse der Künstler, in denen in der Regel der Versuch unternommen wird, die Provenienz jedes Objektes des Künstlers vom Zeitpunkt der Schaffung an zu dokumentieren, konnten dem schnelllebigen Kunstmarkt und gutgläubigen Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als Eigentumsnachweis des Veräußerers nur noch eingeschränkt dienen, da aufgrund der papiergebundenen Darstellungsform nur unzureichend die notwendige Aktualität gewahrt werden konnte. Professionell im Kunsthandel tätige Personen wie Kunsthistoriker, Kuratoren, Händler, Galerien und Kunstauktionshäuser sind jedoch traditionell mit den ehemals weitverbreiteten ‚catalogues raisonnés‘ verbunden und vertrauen auch heute – zu Recht – auf die detaillierte Auflistung der bekannten Kunstwerke eines Künstlers, die auch Informationen über den letztbekannten Eigentümer des Werkes enthalten. Sie gelten daher auch heute uneingeschränkt als Ansatz in der Informationsbeschaffung, können jedoch – je nach gegebener Sachlage – möglicherweise weitere Verifizierungsbemühungen notwendig machen, wenn der nichteingetragene Veräußerer nicht plausibel seine Berechtigung nachweisen kann. Auch Interpol und die entsprechenden staatlichen Polizeibehörden profitierten durch den Einsatz der modernen Datenbanken enorm, können doch seitdem die relevanten Datensätze ohne tatsächliche Schwierigkeiten zeitnah, kostengünstig und aktuell eingesehen und modifiziert werden. Schließlich ist auf die zeitintensiven Recherchemöglichkeiten in Bundes-, Landes- und Kommunal- sowie musealen und sonstigen Archivbeständen als Mittel der Provenienzrecherche zur Bestimmung des Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- oder ‚entarteten‘ Kunstcharakters hinzuweisen. Die Provenienzerforschungsmöglichkeiten und der öffentliche Zugang zu einer Dokumentation des kulturellen Bestandes sind jedoch nur vor dem Hintergrund zweier genereller Einschränkungen innerhalb der Verifizierungsbemühungen seitens der Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu sehen. Trotz einer tatsächlich möglichen digitalen Registrierung ist zunächst auffallend, dass zahlreiche Kunstdiebstähle gar nicht erst in der polizeilichen oder datenbanklichen
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
Erfassung gestohlener Kulturgüter erscheinen. Dies hat zumeist in der bewussten Nichtplatzierung gestohlener Kunstwerke seitens der ursprünglichen Eigentümer seinen Grund, die aus Angst, das gestohlene Gut würde bei einer Meldung noch weiter in den Untergrund geraten und dass damit die Möglichkeit einer Rückführung an den ursprünglichen Eigentümer vollends ausgeschlossen wäre, keine öffentliche Diebstahlsmeldung lancieren. In diesem Sinne verweigerte bspw. die Restitutionsklägerin Georgia O’Keeffe in der Fallkonstellation O’Keeffe v. Snyder 1111 eine Registrierung ebenso wie die Guggenheim Foundation hinsichtlich des gestohlenen Chagall-Gemäldes in der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell 1112 aus Angst, eine öffentliche Suche würde zu einem endgültigen Verlust der Gemälde aufgrund einer noch intensiveren Verheimlichung des Objektes seitens des Diebes führen. 602
Zweite Einschränkung einer öffentlich zugänglichen Dokumentation illegal transferierter Kulturgüter ist die Tatsache, dass bis heute keine einheitliche, umfassende und konsolidierte Datenbank und Aufzeichnung sämtlicher Kategorien und Einzelfälle unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bestehen (“Although computerized registers exist, there is not at present one consolidated data base.” 1113). “Once the theft is reported, no single source exists for reporting the loss to the international market place. While there are several registries of stolen art, non is authorative across national borders.” 1114 So hat bspw. in der Fallkonstellation O’Keeffe v. Snyder 1115 der New Jersey Supreme Court den Mangel einer „reasonably available method for an owner of art to record the ownership or theft of paintings“ beklagt. Das Gericht erkannte in seiner im Jahre 1980 getroffenen Entscheidung, dass „an efficient registry“ unrechtmäßig entzogener Kulturgüter „might better serve the art community than arcane legal doctrines“ 1116. Unbeachtet vom Gericht oder in dessen Unkenntnis blieb die Tatsache, dass die nichtwirtschaftlich handelnde International Foundation for Art Research, Inc. (IFAR) bereits im Jahre 1976 eine manuelle Registrierung gestohlener Kulturgüter betrieb. In der Zwischenzeit etablierten sich auch zahlreiche weitere Informationsquellen, die –
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O’Keeffe v. Snyder, 416 A.2d 862, 865 (N J. 1980). Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 153 A.D. 2d 143; 550 N.Y.S. 2d 618 (App.Div. 1st Dept. 1990), leave to appeal granted 554 N.Y.S. 2d 992; affirmed 77 N.Y. 2d 311; 567 N.Y.S. 2d 623; 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Vgl. ausführlich hierzu die Datenbank der International Foundation for Art Research, Inc. (IFAR). Prott, Commentary on the UNIDROIT Convention on Stolen and Illegally Exported Cultural Objects 1995, 1997, S. 41–51. Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., S. 36. O’Keeffe v. Snyder, 416 A.2d 862, 865 (N J. 1980). Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 87–88.
§ 14 Ergebnis: Recherchemöglichkeiten zur Provenienzbestimmung/Kunstobjektbrief
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jeweils nach unterschiedlichen tatsächlichen Aspekten des illegalen Kulturgütertransfers – einen riesigen Informationspool zu Auskunftszwecken vorhalten. “An international registry of stolen art, however, could reduce the disparity among countries’ treatment of private international law disputes. While a registry would not unify the two systems, it could provide harmony by establishing an authoritative source of dates of ownership, sales, or thefts. A uniform system reporting stolen art would bring a relative degree of certainty to the status of a prospective purchase. In conjunction with an international database, countries would need to impose uniform recordkeeping standards on dealers. A stringent, uniform system of records would result in less secrecy among the dealers and auction houses. Because information relating to provenance and title would be available through an art information network, dealers and auction houses would have to be more forthcoming regarding the provenance of art works. Buyers also would be freed from dealers’ and auction houses’ monopoly on information regarding provenance. A network would be an independent authority, similar to open record statutes and sunshine laws. An international source on provenance would lead to a better informed public and reduce opportunities for theft and duplicity. This would inevitably reduce the purchases of stolen works. This proposed registry system would ensure that stolen art would be easier to trace and that the shroud of secrecy would be lifted. Both goals ensure a greater number of legitimate exchanges.” 1117
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In der Tat würde die Errichtung einer umfassenden Datenbank illegal transferierter Kulturgüter einem potentiellen Erwerber kultureller Güter eine mehr und mehr vollständige und vertrauenswürdige Informationsquelle darüber bieten, ob das zum Kauf beabsichtigte Werk etwa unrechtmäßig kriegsbedingt oder entgegen den grundlegendsten Anschauungen von Recht und Ordnung staatlich entzogen, illegal aus einem Ursprungsstaat exportiert oder etwa individuell gestohlen wurde. Zentrale Erwägung hinter der Errichtung einer zentralen Dokumentationsstelle wäre sicherlich der Wunsch der deutlichen Minderung des illegalen Transfers kultureller Güter aufgrund der komplizierteren Absatzmöglichkeit kultureller Werte und des damit einhergehenden Wertverlustes. Dementsprechend ist zu Recht das Plädoyer für ein umfassendes konsolidiertes Registrierungssystem kultureller Güter, nicht nur archäologischer Artefakte, sondern aller Kategorien unrechtmäßiger Kulturgutentziehungen vorbehaltlos zu unterstützen.
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Darüber hinaus sollte in besonders hohem Maß auf die Einführung eines sog. ‚Kunstobjekt-Briefs‘ gedrängt werden, der die ursprüngliche Herkunft und alle weiteren Erwerbsvorgänge authentisch bezeugt. Gutgläubigkeit eines Erwerbers wäre dementsprechend nur noch dann anzunehmen, wenn der Veräußerer als Eigentümer oder zur Veräußerung Berechtigter innerhalb des ‚KunstobjektBriefs‘ eingetragen wäre. Würde der Erwerber eine Einsichtnahme in diese Dokumentation unterlassen, würde er seiner Provenienzerforschungsobliegenheit nicht gerecht werden, wäre als grob fahrlässig im Sinne des Gutglaubens-
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1117
Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 505–506.
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3. Teil: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber im Kunstmarkt
schutzes zu erachten, eine Qualifizierung als gutgläubig müsste ausscheiden und der Eigentümer würde seine Rechtsposition an dem Kulturgut nicht im Wege des derivativen oder originären gutgläubigen Erwerbs verlieren. Im internationalen Verkehr mit kulturellen Wertgegenständen würde dies sicherlich zu einer Eindämmung des illegalen Handels mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern und zur Steigerung der Rechtssicherheit im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr führen. Der Kunsthandel wird aufgrund der traditionell meist anonym und ohne schriftliche Fixierung vorgenommenen Veräußerungsgeschäfte allgemein als ebenso ‚anfällig‘ für den Verkehr mit unrechtmäßig entzogenen Gegenständen qualifiziert wie der Handel mit Gebrauchtwagen. Dort aber ist das Bedürfnis nach einem Kraftfahrzeugschein bei der Veräußerung diskussionslos anerkannt und ein Käufer wird beim Erwerb eines gebrauchten Kraftwagens schon dann als grob fahrlässig qualifiziert, wenn er sich nicht den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt. Der tatsächliche Aufwand zur Errichtung einer einheitlichen, konsolidierten Datenbank und die Einführung eines elektronischen ‚Kunstobjekt-Briefs‘ würden sich vor dem Hintergrund der jährlichen finanziellen Verluste aufgrund des illegalen Kunsthandels rechnen und sind dementsprechend zu befürworten.1118 Ein erster, richtiger Schritt in die Richtung eines derartigen ‚Kunstobjekt-Briefs‘ ist in der Etablierung des sog. Object Identification (Object ID) Systems zu sehen.1119
1118
1119
Vgl. auch Jackson, Provenance Research – Looking for Looted Art, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 19. www.object-id.com.
4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Schrifttum: Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 937 ff.; Baldus, Internationaler Kulturgüterschutz: Renaissance der Ersitzung?, in: Grupp/Hufeld, Recht – Kultur – Finanzen, Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70. Geburtstag am 26. Oktober 2005, 2005, S. 525 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 53; Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 937 ff.; Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 387; Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 37–54; Büdenbender, Die Verjährung zivilrechtlicher Ansprüch, JuS 1997, S. 481–490, S. 482; Doyal, Implementing the UNIDROIT Convention on Cultural Property into Domestic Law: The Case of Italy, Columbia Journal of Transnational Law 39 (2001), S. 657–700, S. 677–678; Ebbing in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 937 ff.; Ebenroth/Frank, Die Übertragung des Besitzes vom Erblasser auf den Erben, JuS 1996, S. 794–802, S. 794; Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101; Epstein, The Lachses Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44–48; Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2., insb. S. 19–85, und S. 273 ff.; Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das Bernsteinzimmer-Mosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962; Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 95–115; Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, 1984, S. 183–184; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 122–123; Knütel, Bösgläubiger Erblasser – gutgläubiger Erbe, in: Medicus/Mertens/Nörr/Zöllner, Fschrift für Hermann Lange zum 70. Geburtstag, 1992, S. 903–937; Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581; Müller-Katzenburg, Gutgläubiger Erwerb, Ersitzung, verjährung …?, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht (Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln)/die eigene Geschichte (Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich/Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg), 2002, S. 211–237; Oetker, Die Verjährung: Strukturen eines allgemeinen Rechtsinstituts, 1994, S. 34; Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006; Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, S. 416–428; Redmond-Cooper, Time limits in actions to recover stolen art, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 145–162; Redmond-Cooper, Time Limits in Art and Antique Claims: Part I, Art, Antiquity and Law 4 (1999), S. 323–346; Redmond-Cooper, Limitation of Actions in Art and Antique Claims: Part II, Art, Antiquity and Law 5 (2000), S. 185–208; Rodota, The civil law aspects of the international protection of cultural property, Council of Europe/Conseil de l’Europe, Proceddings of the Thirteenth Colloquy on European Law, Delphi, 20–22 September 1983: International Legal Protection of Cultural Property, 1984, S. 99–111; Schack, Kunst und Recht – Bildende Kunst, Architektur, Design und Fotografie im deutschen und internationalen Recht, 2004, S. 203–206; Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1429–1433; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 46–48; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den inter-
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84; Siehr, Verlust von Ansprüchen auf Herausgabe von Mobilien – Rechtsvergleichendes zum Gutglaubenserwerb, in: Fischer-Czermak/Kletecka/Schauer/Zankl, Festschrift Rudolf Welser zum 65. Geburtstag, 2004, S. 997–1014; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 67–69; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 71–72; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff.; Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 2; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13, S. 36; Westermann/Gursky/Pinger, Sachenrecht – Grundlagen und Recht der beweglichen Sachen, 6. Aufl. 1990, § 51 II 3a; Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937 ff.; Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter » Kunstgegenstände, 2004, S. 204–205.
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Neben der rechtsgeschäftlichen bona fide-Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, die zu einem Rechtserwerb auf Seiten des gutgläubigen Erwerbers und dem Eigentumsverlust des ursprünglichen Rechteinhabers führt, schränken aus rechtsvergleichender Sicht vornehmlich temporale Präklusionsvorschriften die zivilrechtlichen Restitutionsmöglichkeiten abhandengekommener Kulturgüter ein. Die Eigentumsersitzung wirkt damit ebenso wie die Verjährung und Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche auf die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ein! Hat der Eigentümer seine Rechtsposition an einem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut weder durch den rechtswidrigen Entziehungsakt (vgl. die unterschiedlichen Kategorien rechtswidriger Entziehungsakte innerhalb des Bandes 1) noch mittels eines rechtsgeschäftlichen gutgläubigen Erwerbs (vgl. die unterschiedlichen Ausgestaltungsweisen des gutgläubigen Erwerbs innerhalb des 2. Teils und der konkret notwendige Sorgfaltsmaßstab innerhalb des 3. Teils) verloren, könnte das Eigentum jedoch im Wege der Ersitzung auf den aktuellen Besitzer oder einen Rechtsvorgänger übergegangen oder die kulturellen Restitutionsansprüche könnten nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne aufgrund Verjährung und Verwirkung ausgeschlossen sein.
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Solche die Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter limitierenden Auswirkungen des Faktors Zeit innerhalb der privatrechtlichen Restitutionsbemühungen ursprünglicher Eigentümer liegen besonders in solchen Konstellationen nahe, in denen Kulturgüter bspw. während der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft in den Jahren 1933 bis 1945 als sog. kulturelles Fluchtgut formal ‚freiwillig‘ seitens des jüdischen Bevölkerungsanteils Deutschlands auf sog. Judenauktionen versteigert werden mussten. Entsprechendes gilt für die direkten Kulturgutbeschlagnahmungen nationalsozialistischer Behörden innerhalb Deutschlands gegenüber verfolgten Personen (sog. Raubkunst) als auch deutscher Plünderungsorganisationen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in den von Deutschland besetzten Territorien (sog. Beutekunst). In diesen Sachverhaltskonstellationen können die ursprünglichen Berechtigten bzw. deren Rechtsnachfolger nunmehr
4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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erst nach 60 Jahren nach Ende der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft und des Zweiten Weltkriegs die damals unrechtmäßig entzogenen und abhandengekommenen Kunstwerke lokalisieren und die aktuellen Besitzer identifizieren, sodass sich die Frage nach den rechtlichen Auswirkungen der langen Zeitspanne zwischen Entziehung und Restitutionsbegehr besonders deutlich darstellt. Aber auch in den Konstellationen des kulturellen Diebstahls und den sonstigen Fällen der unrechtmäßigen Verstaatlichung kultureller Wertgegenstände können die Kunstwerke erst nach Ablauf einer langen Zeitspanne wieder im Kunstmarkt erscheinen, da bspw. kulturelle Diebe aufgrund der häufig großen Publizität der abhandengekommenen Objekte nicht den Versuch einer Veräußerung wagen und dementsprechend Gemälde erst durch die (oftmals gutgläubigen) Rechtsnachfolger der Diebe aufgefunden und finanziell verwertet werden – so geschehen bspw. im Fall des Diebstahls des Quedlinburger Domschatzes. Sind einige Jahre zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt und dem Rückforderungsbegehr des ehemals Berechtigten vergangen, müssen die nationalen Zivilrechtsordnungen – außerhalb des Anwendungsbereichs der gutgläubigen Erwerbsregeln und damit allein aufgrund besonderer Zeitumstände und Erwägungen von Treu und Glauben – entscheiden, wem das unrechtmäßig entzogene Kulturgut sachenrechtlich nähersteht und eher zuzuordnen ist, dem aktuellen Besitzer oder dem ursprünglich Berechtigten zum Zeitpunkt des Entziehungsaktes. Selbst diejenigen Rechtsordnungen, wie bspw. innerhalb des Common LawRechtskreises, die den gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gänzlich ablehnen bzw. nur unter sehr engen Voraussetzungen zulassen, gewähren einem kulturellen Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter keinen absoluten Schutz gegen den Verlust seiner Rechtsposition. Ganz im Gegenteil: Der Widerstreit zwischen den Bestandswahrungsinteressen der (ursprünglichen) Eigentümer in der Erhaltung und Bewahrung ‚ihrer‘ Kulturgüter einerseits und den Akquisitionsinteressen gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der Rechtssicherheit andererseits, der innerhalb der Civil Law-Staaten primär mittels des Rechtsinstituts des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen oder originären Erwerbs entschieden wird, wird innerhalb des Common Law-Rechtskreises bezüglich der Fragen der Verjährung und Verwirkung diskutiert. Von enormer praktischer Relevanz zeigt sich dementsprechend eine Untersuchung der zeitlichen Limitationen zivilrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter immer dann, wenn – wie bspw. innerhalb des Common Law-Rechtskreises – der aktuelle Besitzer oder einer seiner Rechtsvorgänger bislang kein Eigentum aufgrund eines gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs erlangen konnte und somit der ursprüngliche Eigentümer weiterhin Inhaber der Rechtsposition geblieben ist. In diesen Konstellationen wird sich ein potenziell restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter regelmäßig darauf berufen, dass auf-
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
grund des langen Zeitablaufs zwischen Entziehungsakt und Restitutionsforderung bzw. aufgrund des Ablaufs einer bestimmten Zeitspanne des gutgläubigen Eigenbesitzes des potenziell Restitutionsverpflichteten keine Rückführung an den ursprünglichen Eigentümer in Frage kommen dürfe. Während sich der Eigentümer in vollster Überzeugung seiner fortbestehenden Rechtsposition darauf berufen wird, dass allein der Ablauf einer gewissen Zeitspanne (drei, fünf, zehn, 20 bzw. 30 Jahre) doch keine Auswirkungen auf ‚seine‘ fortbestehende Berechtigung an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern zeitigen könne, wird sich der gutgläubige, potenziell restitutionsverpflichtete Besitzer ebenso sicher im Recht wiegen und betonen, dass inzwischen doch sicherlich der aktuelle status quo überwiegen müsse und er als der sachlich Berechtigte an den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern anzusehen sei. 4
Es geht also um die Frage nach der temporalen Präklusion kultureller Restitutionsforderungen innerhalb des Zivilrechts. Dabei bewegt man sich im innerstaatlichen Recht im Feld der allgemeinen Rechtsinstitute Ersitzung, Verjährung und Verwirkung als Ausprägungen eines zugrunde liegenden universal anerkannten estoppel-Prinzips. Vor allem nationale Zivilrechtssysteme müssen sich heute im Bereich kultureller Restitutionsansprüche intensiver denn jemals zuvor mit den Auswirkungen des Faktors Zeit innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beschäftigen. Dabei stellt sich die Frage, wie temporale Ausschließlichkeitsvorschriften in den jeweiligen Rechtsordnungen zu behandeln sind und welche divergierenden Rechtsfolgen dabei für unrechtmäßig entzogene Kulturgüter entwickelt wurden. Nachdem im folgenden 1. Abschnitt eine rechtskonstruktive Auseinandersetzung mit den Rechtsinstituten der Ersitzung, Verjährung und Verwirkung innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs aus rechtsvergleichender Sicht erfolgt, setzt sich der 2. Abschnitt intensiv mit der Möglichkeit der originären Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter (praescriptio acquisitiva) auseinander. Ein weiterer Schwerpunkt wird in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsinstitut der Verjährung (praescriptio extinctiva) und dessen Auswirkungen auf die sachrechtliche Zuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im 5. Teil liegen, bevor schließlich im 6. Teil die Möglichkeit der Verwirkung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Gehör findet und die Frage beantwortet wird, ob nicht nur auf Seiten gutgläubiger Erwerber, sondern auch auf Seiten der Eigentümer und Restitutionsgläubiger besondere Mindestverhaltensanforderungen innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung bestehen.
1. Abschnitt Rechtsdogmatische Abgrenzung von Ersitzung, Verjährung und Verwirkung Allgemein kann ein Zeitlimit hinsichtlich eines zivilrechtlichen Restitutionsanspruches unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in dem wohl universal und grundsätzlich anerkannten Rechtsinstitut der präskriptiven und akquisitiven Verjährung gesehen werden. Unter der international applizierten Terminologie Verjährung (prescription in französischer und englischer Sprache) wird aus rechtsvergleichender Sicht der Grundsatz verstanden, dass der Ablauf einer bestimmten Zeit Rechte schaffen oder zum Erlöschen bringen kann. Ein tatsächlicher Zustand, der zu der rechtlichen Lage ursprünglich in Widerspruch stand, wird durch Zeitablauf auch rechtlich anerkannt. Unzweifelhaft ist das Institut der Verjährung allen wesentlichen nationalen Zivilrechtssystemen bekannt. Allerdings sind die Konsequenzen eines bestimmten Zeitablaufs und die speziellen Regelungen des Rechtsinstituts der Verjährung in den einzelnen Ländern inhaltlich divergierend ausgestaltet, namentlich was die konkreten Rechtsfolgen, die Länge der Fristen, den Beginn des Fristenlaufs und die materielle oder prozessuale Wirkung anbelangt. Schon in diesem Zusammenhang wird bei grenzüberschreitenden Veräußerungen kultureller Güter deutlich, dass im Rechtsbereich des internationalen Kulturgüterverkehrs aufgrund zahlreicher Alternativen der nationalen Ausgestaltung temporaler Ausschließlichkeitsvorschriften komplexe Fragen des internationalen Privatrechts gelöst werden müssen.
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Das Rechtsinstitut der Verjährung tritt aus rechtsvergleichender Sicht in zwei Erscheinungsformen auf. Zu unterscheiden sind erwerbende (akquisitive) Verjährung (sog. Ersitzung, usucapio, acquisitive prescription) und erlöschende (extinktive) Verjährung (sog. extinctive prescription), je nachdem, ob durch den Ablauf einer gewissen Zeitspanne ein neuer Erwerbstitel begründet oder ein grundsätzlich bestehendes Recht hinfällig bzw. undurchsetzbar wird. Auch wenn sich, wirtschaftlich betrachtet, beide Formen der Rechtsänderung als zwei Seiten ein und derselben Medaille erweisen,
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– ob der Besitzer nun das Eigentum an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut aufgrund der Ersitzung erwirbt oder der (ursprüngliche) Eigentümer abhandengekommener Kulturgüter sein Eigentumsrecht mittels eines Eigentumsherausgabeanspruchs aufgrund der Verjährung nicht mehr gegenüber dem Besitzer ausüben kann, in beiden Fällen geht der Restitutionsanspruch nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt aufgrund des Zeitablaufs ins Leere –
bestehen jedoch rechtlich erhebliche Unterschiede, je nachdem, welche Rechtskonstruktion aufgrund des Zeitablaufs nach der jeweiligen lex rei sitae Anwendung findet. Der Ablauf einer gewissen Zeitspanne kann damit sowohl den Rechtserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auf Seiten des kulturellen
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Besitzers (sog. Ersitzung) als auch den Ausschluss der Geltendmachung einer bestehenden Rechtsposition auf Seiten des (ursprünglichen) kulturellen Eigentümers gegenüber dem aktuellen Besitzer bewirken (innerhalb des deutschen Rechtskreises sog. Anspruchsverjährung). Das Rechtsinstitut der akquisitiven Ersitzung fokussiert somit auf den Rechtserwerb des kulturellen Besitzers und die besonderen Umstände auf Seiten des Ersitzenden, während das Rechtsinstitut der extinktiven Verjährung auf den Ausschluss der Geltendmachung einer grundsätzlich bestehenden Rechtsposition des Eigentümers der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter abstellt. Der erste Fall wird in der romanischen Welt bis heute üblicherweise als praescriptio acquisitiva bezeichnet, der zweite als praescriptio extinctiva.1 Unterholzner bezeichnete die beiden zu unterscheidenden Rechtswirkungen eines gewissen Zeitablaufs für die deutsche Rechtsterminologie dementsprechend als „Acquisitivverjährung“ und „Extinctivverjährung“.2 Im Gegensatz zu der Ersitzung hat das Rechtsinstitut der Verwirkung (sog. laches innerhalb des amerikanischen Rechtskreises) keinen Rechtserwerb auf Seiten des aktuellen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zur Folge, sondern schließt – ebenso wie die extinktive Verjährung – einen grundsätzlich bestehenden Restitutionsanspruch des Eigentümers der abhandengekommenen Kulturgüter gegenüber dem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft aus. 7
Eine Unterscheidung zwischen Ersitzung, Verjährung und Verwirkung kann auch hinsichtlich der notwendigen Voraussetzungen und des konkreten Anwendungsbereichs der Rechtsinstitute getroffen werden. Gemeinsame Voraussetzung aller dreier temporaler Präklusionsvorschriften ist aus rechtsvergleichender Sicht immer der Ablauf einer gewissen Zeitspanne zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt kultureller Wertgegenstände und der Geltendmachung des Eigentumsherausgabeanspruchs. Das Zeitmoment ist dabei rechtsvergleichend nicht durch die gesetzliche Bestimmung einer festen Frist quantifiziert, weil die tatbestandliche Typisierung in jeder Rechtsordnung nach Abwägung der widerstreitenden Interessen anders ausfallen kann. Bei der Ersitzung müssen für den Rechtserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zusätzlich zu dem Zeitmoment noch weitere Umstandsmomente auf Seiten des Erwerbers vorliegen, um den Eigentumserwerb auf Seiten des Ersitzenden zu rechtfertigen. Demgegenüber müssen bei der Verwirkung noch zusätzliche Umstandsmomente auf Seiten des Eigentümers vorliegen, um eine Präklusion seines Eigentumsherausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und damit eine Einschränkung seiner Eigentumsrechte rechtfertigen zu können.
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Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 305. Vgl. Unterholzner, Unterholzner’s Ausführliche Entwicklung der gesammten Verjährungslehre aus den gemeinen in Deutschland geltenden Rechten, 1858, § 2 (Band 1, S. 6).
1. Abschnitt: Rechtsdogmatische Abgrenzung von Ersitzung, Verjährung u. Verwirkung
Zusammenfassend bleibt Folgendes festzuhalten: Während die Verjährung innerhalb der divergierenden Rechtsinstitute, die zu einer Rechtsänderung durch Zeitablauf führen, grundsätzlich lediglich auf den Ablauf einer bestimmten Zeitspanne abstellt und sonstige Umstände allein zur Bestimmung des Fristenlaufs, d.h. für den Anfang, die Hemmung und den möglichen Neubeginn der Frist bedeutend sind, verlangt die Ersitzung neben dem Zeitmoment noch zwei Umstandsmomente in der Person des Rechtserwerbers: Eigenbesitz (der Besitzer muss das Kulturgut als ihm gehörend besitzen) und Gutgläubigkeit des Ersitzenden hinsichtlich seiner Eigentümerstellung an dem zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgut. Auch der Tatbestand des Rechtsinstituts der Verwirkung eines Eigentumsherausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter setzt zunächst einen nennenswerten Zeitablauf voraus, der auf der Wertungsebene maßgeblich und damit typusbildend ist.3 Nach allgemeinem Sprachgebrauch handelt es sich bei dem Rechtsinstitut der Verwirkung jedoch um eine sog. „illoyale Verspätung“ 4 des Eigentümers der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter in der Geltendmachung seiner Eigentumsposition gegenüber dem aktuellen Besitzer. Deshalb muss dem Eigentümer ein solches Verhalten vorzuwerfen sein, dass sich der eigentlich restitutionspflichtige Besitzer berechtigterweise darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass der kulturelle Eigentümer seine auch nach der unrechtmäßigen Entziehung weiterhin bestehende Eigentumsposition an dem Kulturgut auch in der Zukunft nicht geltend machen werde. Die Verwirkung wird vor diesem Hintergrund als einen typischen Anwendungsfall des Rechtsinstituts der unzulässigen Rechtsausübung qualifiziert, wobei die vorwerfbare und dementsprechend illoyale Restitutionsforderung des Eigentümers gegenüber dem Besitzer der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter als einen Verstoß gegen Treu und Glauben bewertet wird, der zusätzlich zu der Ersitzung und der Verjährung eine zeitliche Grenze für die Rechtsausübung darstellt.5
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A. Abgrenzung zwischen Verjährung und Ersitzung Als besonders problematisch stellt sich innerhalb der grenzüberschreitenden Analyse temporaler Ausschließlichkeitsgründe kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter die Sache dar, dass die innerhalb des deutschen Rechtskreises entwickelte trennscharfe Unterscheidung der Ersitzung, Verjährung und Verwirkung in zahlreichen anderen Rechtsordnungen nicht getroffen 3
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Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 22–24. Vgl. die Bezeichnung in BGH, Entscheidung des 5. Zivilsenats vom 25.03.1965, Az: V BLw 25/64, BGHZ 43, 292; BGH, Entscheidung des 4b. Zivilsenats vom 16.06.1982, Az: IVb ZR 709/80, BGHZ 84, 281; BGH, Entscheidung des 7. Zivilsenats vom 20.10.1988, Az: VII ZR 302/87, BGHZ 105, 298. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl. 2008, § 242, Rn 87.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
wurde. Es ist nicht selten eine Gemengelage dieser Institute zu konstatieren oder nur eines dieser Rechtsinstitute verfolgt den Zweck, nach einer bestimmten Zeitspanne (kulturelle) Restitutionsansprüche auszuschließen. 10
Bereits innerhalb des römischen Rechts wurde die praescriptio acquisitiva von der extinctiva unterschieden, wobei diese beiden Rechtsregeln eines Zeitablaufs schon in der Beurteilung der Glossatoren verschiedene Wirkungsweisen ein und desselben Rechtsinstituts darstellten.6 Der französische Code civil betont im Gegensatz bspw. zu der deutschen Rechtsordnung gerade die Einheitlichkeit des Rechtsinstituts und stellt innerhalb des romanischen Rechtskreises einen Prototyp der Verbindung von praescriptio acquisitiva und praescriptio extinctiva zu einem einheitlichen Regelungsgefüge dar, dem zahlreiche weitere Staaten in der Folge bei der Ausgestaltung der nationalen Zivilrechtsordnungen gefolgt sind. Diese uniforme Bewertung von Ersitzung und Verjährung ist innerhalb der französischen Einheitslehre des Art. 2219 Code civil festgeschrieben, wonach „[l]a prescription est un moyen d’acquérir ou de se libérer par un certain laps de temps, et sous les conditions déterminées par la loi.“ Im Livre III – Des différentes manières dont on acquiert la propriété findet sich innerhalb der Dispositions générales in Art. 712 Code civil die Statuierung der prescription, wonach „[l]a propriété s’acquiert aussi par accession ou incorporation, et par prescription.“ Unter Titre XX – De la prescription et de la possession desselben Buches finden sich in Art. 2228–2235 Code civil (Chapitre II – De la possession) sowohl Bestimmungen hinsichtlich der prescription als auch der possession. Sowohl die rumänische Zivilrechtsordnung7 als auch die Rechtsregeln des ehemaligen italienischen Codice civile aus dem Jahre 1865 beruhen auf dieser französischen Ausgestaltungsvariante. Auch innerhalb des ABGB Österreichs vom 1.6.1811 findet sich noch keine deutliche Unterscheidung der genannten Institute:
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§ 1451 ABGB: Verjährung: Die Verjährung ist der Verlust eines Rechtes, welches während der von dem Gesetze bestimmten Zeit nicht ausgeübt worden ist. § 1452 ABGB: Ersitzung: Wird das verjährte Recht vermöge des gesetzlichen Besitzes zugleich auf jemand andern übertragen; so heißt es ein ersessenes Recht, und die Erwerbungsart Ersitzung.
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Die Verjährung wurde dementsprechend in Österreich nur als „Verlust eines Rechts“ begriffen, „welches während der von dem Gesetze bestimmten Zeit nicht ausgeübt worden ist.“ Die Ersitzung stellt sich rechtskonstruktiv als Unterfall der Verjährung dar, wenn „das verjährte Recht vermöge des gesetzlichen Besitzes zugleich auf jemand andern übertragen“ wird.8
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Vgl. etwa Savigny, System des heutigen römischen Rechts, § 178 (Band 4, S. 315). Art. 1837 des rumänischen Zivilgesetzbuches: Prescriptia este un mijloc de a dobândi proietatea sau de a se libera de o obligatie, sau conditiile determinate prin aceastã lege. Vgl. auch Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 138–143.
1. Abschnitt: Rechtsdogmatische Abgrenzung von Ersitzung, Verjährung u. Verwirkung
Erst die neueren Gesamtkodifikationen Deutschlands und der Schweiz unterschieden deutlich zwischen einer praescriptio acquisitiva und extinctiva. Erst danach haben auch die anderen neueren romanischen Kodifikationen diese Abstraktion zweier nach den Rechtsfolgen zu unterscheidender Rechtsinstitute vorgenommen. So hat bspw. der Codice civile Italiens die prescrizione in den Art. 2934 bis 2963 geregelt, wonach zwar jedes Recht erlischt, wenn es nicht innerhalb der gesetzlich bestimmten Zeit ausgeübt wird, das Eigentum durch bloßen Nichtgebrauch jedoch nicht erlöschen kann.9 Im Gegensatz hierzu findet sich die Statuierung der sog. usucapione für Immobilien und Mobilien in Art. 1158–1167 des Codice civile, sodass die Ersitzung kultureller Wertgegenstände sich nach den Regeln der Usucapione dei beni mobili des Art. 1161 richtet.10 Auch die Kodifikation Portugals hat eine eigenständige Normierung der prescrição in den Art. 300 bis 327 des Código Civil português und der usucapião für Immobilien und Mobilien in den Art. 1287 bis 1301 vorgenommen, somit ausdrücklich eine Trennung von praescriptio acquisitiva und extinctiva vollzogen und dabei terminologisch die praescriptio neben die usucapio gestellt, die nunmehr allein den Rechtserwerb durch Zeitablauf bezeichnet.11 Trotz terminologischer Unsicherheiten innerhalb des niederländischen Burgerlijk Wetboek wird grundsätzlich zwischen dem Rechtserwerb mittels der verkrijgende verjaring und der Verjährung unterschieden: Auch wenn sich innerhalb des Dritten Buches des neuen Burgerlijk Wetboek in Titel 11 über Ansprüche (rechtsvorderingen) Regelungen für die Anspruchsverjährung finden (Art. 3:306–3:326 ndl. BW) und in Titel 4 die Verjährung nach wie vor als Mittel zum Erwerb und Verlust von Rechten bezeichnet wird (Art. 3:99–3:106 ndl. BW), behandelt dieser Abschnitt fast ausschließlich die Ersitzung (verkrijgende verjaring) und ordnet nur ganz zum Schluss den Verlust eines dinglichen Rechts infolge der Anspruchsverjährung an (Art. 3:106 ndl. BW 12).13 Der enge Zusammenhang zwischen der praescriptio acquisitiva und extinctiva kommt innerhalb der einzelnen nationalen Zivilrechtsordnungen jedoch noch in den zahlreichen Verweisungen der Regeln des Ersitzungsrechts auf
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Art. 2934 Codice civile: Estinzione dei diritti: Ogni diritto si estingue per prescrizione, quando il titolare non lo esercita per il tempo determinato dalla legge. Art. 1161 Codice civile: (1) In mancanza di titolo idoneo (922), la proprietà dei beni mobili e gli altri diritti reali di godimento sui beni medesimi si acquistano in virtù del possesso continuato per dieci anni, qualora il possesso sia stato acquistato in buona fede. (2) Se il possessore è di mala fede, l’usucapione si compie con il decorso di venti anni. Zum Vorangehenden vgl. ausführlich die dogmengeschichtliche Entwicklung vor dem römisch-rechtlichen Hintergrund bei Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 138–143. Artikel 306, BW3, Boek 3, Titel 11: Indien de wet niet anders bepaalt, verjaart een rechtsvordering door verloop van twintig jaren. So ausdrücklich bei Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 138–143.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
das Verjährungsrecht für die Hemmung und Unterbrechung der Ersitzung zum Ausdruck.14 14
Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass die rechtstheoretische Unterscheidung zwischen akquisitiver Ersitzung und extinktiver Verjährung nicht in sämtlichen Rechtsordnungen nachgezeichnet wird, und die Terminologie ‚temporale Präklusion‘ als Oberbegriff stellvertretend für die genannten Rechtswirkungen steht. In diesem Sinne wird bspw. der im französischen Recht instrumentalisierte Begriff „imprescriptible“ bzw. die im italienischen Recht verwandte Terminologie „imprescrittibile“ von Stoll für den deutschen Rechtskreis mit „unersitzbar“ übersetzt.15 Ausgeschlossen wird durch diese Qualifizierung der Sache innerhalb der französischen und italienischen Rechtsordnungen allerdings nicht nur die Möglichkeit der akquisitiven Ersitzung, sondern es ist auch die extinktive Verjährung des Vindikationsanspruchs präkludiert. Dies beruht darauf, dass zahlreiche Rechtsordnungen erst gar nicht von Grund auf zwischen akquisitiver Ersitzung und extinktiver Verjährung unterscheiden. So handelt es sich bspw. bei der Ersitzung im Common Law, der sog. adverse possession, um einen Eigentumserwerb durch Verjährung. Normativ zeigt sich dies bspw. auch in Art. 2219 des französischen Code civil, wonach „[l]a prescription est un moyen d’acquérir ou de se libérer par un certain laps de temps, et sous les conditions déterminées par la loi“, bzw. in Art. 1930 des spanischen Zivilgesetzbuches Código civil.16 Die Unverjährbarkeit einer Sache kann aber auch Einfluss darauf 14
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Vgl. §§ 939, 941 BGB; Art. 663, 728 Abs. 3 Schweizer ZGB; Art. 1165 Codice civile; Art. 1292 Código Civil português; Art. 3:104 Abs. 1 ndl. Burgerlijk Wetboek. „Durch die Trennung von praescriptio acquisitiva und extinctiva ist dabei zum einen der Rechtserwerb durch Zeitablauf ausgeschlossen und das Rechtsinstitut zum anderen auf Ansprüche beschränkt worden (§ 194 Abs. 1 BGB). Dementsprechend wird die Verjährung von der Ersitzung nach den Wirkungen des Zeitablaufs … abgegrenzt. … aber auch der innere Zusammenhang von Verjährung und Ersitzung, der im romanischen Rechtskreis zum Teil bis heute in der Formulierung der maßgeblichen Normen zum Ausdruck kommt (vgl. Art. 2219 fr, cc.; Art. 1837 rum. Cc.; Art. 1939 Abs. 1 spanischer c.c.; Art. 2212 Abs. 1 malt. cc.) ist auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach wie vor von der Parallelität der Regelungen über die Hemmung und Unterbrechung zu erkennen. Zu Österreich vgl. 1493–1496 ABGB; zur Schweiz, vgl. die Verweisung in Art. 728 Abs. 3 schw. ZGB auf Art. 132, 134, 135 schw. OR. In Deutschland finden sich sowohl zahlreiche Verweisungsvorschriften (§§ 939, 941 S. 2 BGB; §§ 939 Abs. 1, 2, 941 S. 2 BGB) als auch Parallelregelungen (§§ 209 Abs. 1, 217 S. 1, 942 BGB). Soweit dies durch die Parallelität der Interessenlage gerechtfertigt ist, spricht daher prinzipiell nichts dagegen, die Verjährung und die Ersitzung als parallele Erscheinungen ein- und desselben Rechtsinstituts zu begreifen. Dies gilt zum einen auch deshalb, weil der Übergang von der Verjährung zur Ersitzung bei actiones in rem fließend sein kann, wie sich bei der Präskription des Vindikationsanspruchs gezeigt hat.“ Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 357–358. Stoll in Staudinger, Internationales Sachenrecht, 13. Bearbeitung 1996, Rn. 178. Art. 1930 Codigo civil: (1) Por la prescripción se adquieren, dela manera y con las condiciones determinadas en la ley, el dominio y demás derechos reales. (2) También se extinguen del propio modo por la prescripción los derechos y las acciones, de cualquier clase que sean.
1. Abschnitt: Rechtsdogmatische Abgrenzung von Ersitzung, Verjährung u. Verwirkung
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haben, ob diese überhaupt vom Nichtberechtigten erworben werden kann, weil in manchen Rechtsordnungen – wie bspw. in Art. 2279 des französischen Code civil 17 und Art. 464 und 1955 des spanischen Código civil 18 – der gutgläubige Erwerb als eine Form der Ersitzung ausgeformt ist. Aus diesem Grund spricht Weidner in ihren Untersuchungen der Extrakommerzialität kultureller Güter regelmäßig allein von der „Unverjährbarkeit“19: Unverjährbarkeit bedeute, dass die Sache weder ersessen werden kann noch dass der dingliche Herausgabeanspruch verjährt.20 Rechtskonstruktiv und -systematisch ist jedoch stets zwischen den unterschiedlichen Konsequenzen des Zeitablaufs zu unterscheiden und bei jeder Rechtsvorschrift sind die konkreten Rechtsfolgen der gewohnheitsrechtlichen und normativen Anordnung variierender temporaler Präklusion zu untersuchen.
B.
Unterscheidung von Verjährung und Verwirkung
Ebenso wie Verjährung und Ersitzung in den meisten Rechtsordnungen als unterschiedliche Rechtsinstitute zu qualifizieren sind, sind hinsichtlich der rechtskonstruktiven Ausgestaltung und der inhaltlichen Ausformung auch Verjährung und Verwirkung zu unterscheiden. Die Wurzeln der Verwirkung als Sanktion widersprüchlichen Verhaltens sind bereits innerhalb des römischen Rechts in der exceptio doli generalis und dem Verbot des venire contra factum proprium zu
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Art. 2279 Code civil: (1) En fait de meubles, la possession vaut titre. (2) Néanmoins, celui qui a perdu ou auquel il a été volé une chose peut la revendiquer pendant trois ans à compter du jour de la perte ou du vol, contre celui dans les mains duquel il la trouve; sauf à celui-ci son recours contre celui duquel il la tient. Codigo Civil: Art. 464: (1) La posesión de los bienes muebles, adquirida de buena fe, equivale al título. Sin embargo, el que hubiese perdido una cosa mueble o hubiese sido privado de ella ilegalmente, podrá reivindicarla de quien la posea. (2) Si el poseedor de la cosa mueble perdida o sustraída la hubiese adquirido de buena fe en venta pública, no podrá el propietario obtener la restitución sin reembolsar el precio dado por ella. (3) Tampoco podrá el dueño de cosas empeñadas en los Montes de Piedad establecidos con autorización del Gobierno obtener la restitución, cualquiera que sea la persona que la hubiese empeñado, sin reintegrar antes al Establecimiento la cantidad del empeño y los intereses vencidos. (4) En cuanto a las adquiridas en Bolsa, feria o mercado, o de un comerciante legalmente establecido y dedicado habitualmente al tráfico de objetos análogos, se estará a lo que dispone el Código de Comercio. Art. 1955: (1) El dominio de los bienes muebles se prescribe por la posesión no interrumpida de tres años con buena fe. (2) También se prescribe el dominio de las cosas muebles por la posesión no interrumpida de seis años, sin necesidad de ninguna otra condición. (3) En cuanto al derecho del dueño para reivindicar la cosa mueble perdida o de que hubiese sido privado ilegalmente, así como respecto a las adquiridas en venta pública, en Bolsa, feria o mercado, o de comerciante legalmente establecido y dedicado habitualmente al tráfico de objetos análogos, se estará a lo dispuesto en el artículo 464 de este Código. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8– 13. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 36.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
suchen.21 Die Verwirkung hat sich vornehmlich in solchen Rechtsordnungen durchgesetzt, die entweder insgesamt richterrechtlich ausgestaltet sind oder aber von einem Normenmangel bei der Berücksichtigung des Zeitablaufs geprägt waren. Vor diesem Hintergrund hat sich die Verwirkung zu einem allgemeinen Rechtsinstitut entwickelt, das auf allen Rechtsgebieten Applikation findet und dementsprechend auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs und der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zur Anwendung gelangt.22 Während innerhalb der deutschen Rechtsordnung unzweifelhaft von einer Koexistenz von (gesetzlicher) Verjährung und (richterrechtlicher) Verwirkung ausgegangen werden kann, liegt diese Unterscheidung in anderen Rechtsordnungen nicht so offen zu Tage. 16
Innerhalb des Anwendungsbereichs des deutschen BGB setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Rechtsinstitut der Verwirkung als Sonderfall des Grundsatzes der unzulässigen Rechtsausübung nicht nur ein Zeitsondern auch ein Umstandsmoment voraus23, auf dem der „Schwerpunkt des Verwirkungsbegriffs“ liegt.24 Daher soll entscheidend sein, „ob bei objektiver Beurteilung der Verpflichtete aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, daß dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle“25.26 So ist für den Ausschluss eines Restitutionsanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach der vom deutschen Bundesgerichtshof geäußerten Voraussetzung eines Umstandsmoments des grundsätzlich Restitutionsverpflichteten erforderlich, dass sich der Besitzer der abhandengekommenen Kulturgüter „mit Rücksicht auf das Verhalten des Berechtigten auch darauf eingerichtet hat, daß dieser das ihm zustehende Recht nicht mehr geltend machen werde, und daß es gerade deshalb mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist, daß der Berechtigte später doch noch mit der Geltendmachung des ihm zustehenden Rechts hervortritt.“27 Die Unkenntnis des restitutionsberechtigten Eigentümers
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Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 155. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 195. Vgl. m.w.N. BGH, Entscheidung vom 27.3.2001, Az: VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535, S. 2537 m.w.N. Vgl. m.w.N. BAG, Entscheidung vom 9.7.1958, Az: 2 AZR 438/56, BAGE 6, 165, S. 167. Vgl. BGH, Entscheidung vom 27.6.1957, Az: II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, S. 52. So ausdrücklich Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 197– 198. Vgl. BGH, Entscheidung vom 27.6.1957, Az: II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, S. 52. Vgl. die Zusammenfassung dieser beiden Umstandsmomente in BGH, Entscheidung vom 19.12.2000, Az: X ZR 150/98, BGHZ 146, 217, S. 220. Vgl. auch Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 197–198.
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unrechtmäßig entzogener Kulturgüter von seiner eigenen Rechtsposition an dem Kunstwerk kann dementsprechend nur dann von Bedeutung sein, „wenn dem Berechtigten gerade wegen eines unredlichen und heimlichen Verhaltens des Verpflichteten der ihm zustehende Schadensersatzanspruch unbekannt geblieben ist.“28 Eine solche institutionelle Trennung zwischen Verwirkungs- und Verjährungsgedanken wird nach dem Teil der amerikanischen Rechtsprechung nicht vorgenommen, der bei der Frage nach einer möglichen prescription kultureller Restitutionsansprüche innerhalb der Bestimmung des Verjährungsbeginns und des Laufs der Verjährungsperiode das Verhalten des Eigentümers hinsichtlich der Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und der Identifizierung des aktuellen Besitzers miteinbezieht. Nach den Grundsätzen der constructive discovery rule beginnen zivilrechtliche Restitutionsansprüche nur dann zu laufen, wenn der Eigentümer bei Annahme sorgfältiger Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen den Aufenthaltsort und den aktuellen Besitzer der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter hätte ausfindig machen müssen, sodass ein vorwerfbares Verhalten auf Seiten des Eigentümers beim aktuellen Besitzer berechtigte Hoffnungen auf das Behaltendürfen der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter weckte und dieser schützenswert sei. Die judikative Gegenansicht hat bei Applikation der demand and refusal rule jedoch diesbezüglich die Gemengelage verjährungs- und verwirkungsrechtlicher Gedanken erkannt und die Frage des Beginns der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche von einem möglichen Ausschluss eines Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (sog. laches-Grundsatz als Ausprägung eines allgemeinen estoppel-Prinzips auch innerhalb des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs) unterschieden. Allgemein sollte innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs eine stringente Trennung verjährungsund verwirkungsrechtlicher Fragestellungen beibehalten werden. Nur bei der Verwirkung sollten neben das Zeitmoment solche Umstandsmomente in der Person des Berechtigten als auch des Verpflichteten treten, „die es rechtfertigen, die spätere Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen.“29 So muss, um aus dem Verhalten des Restitutionsberechtigten zu entnehmen, dass dieser sein Recht auf Eigentumsherausgabe der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter nicht mehr gel-
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Vgl. BGH, Entscheidung vom 27.6.1957, Az: II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, S. 53. Dagegen hat sich OLG München, Entscheidung vom 16.12.2004, FamRZ 2005, 1120, S. 1123, rechtskräftig durch BGH, Beschl. v. 18.1.2006, Az: IV ZR 310/04 gegen die Verwirkung ausgesprochen, wenn der Berechtigte die Unkenntnis von seinem Recht nicht zu vertreten hat. Vgl. zum Ganzen auch Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 197– 198. Vgl. BAG, Entscheidung vom 2.4.2001, Az: 5 AZR 497/99, BAGE 97, 326, S. 329.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
tend machen will, ein besonderer Anlass zu dieser Annahme bestehen, wofür es der Kenntnis des Restitutionsverpflichteten von dem gegen ihn gerichteten Recht oder jedenfalls von der entsprechenden Rechtsbehauptung des (potenziell) Restitutionsberechtigten bedarf.30
C. Divergierende Interessengegensätze bei der temporalen Präklusion zivilrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 18
Die Interessen des Restitutionsberechtigten zielen auf eine möglichst lange und uneingeschränkte Möglichkeit der Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und widerstreben damit temporalen und auf den Grundsätzen von Treu und Glauben basierenden Präklusionsvorschriften im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr. In zahlreichen Fallkonstellationen des kulturellen Diebstahls erfolgt aufgrund der faktischen Unverkäuflichkeit der Objekte zunächst ein teilweise jahrzehntelanges ‚Abtauchen‘ der Kunstwerke, bevor der Versuch unternommen wird, diese unter größter Heimlichkeit auf dem kulturellen Schwarzmarkt abzusetzen. Besonders negativ wirken sich temporale Ausschließlichkeitsgrundsätze wie die Ersitzung, Verjährung und Verwirkung in den Restitutionsbemühungen des zur Zeit des Nationalsozialismus in den Jahren 1933 bis 1945 entzogenen kulturellen Fluchguts und der abhandengekommenen Raubkunst sowie der während des Zweiten Weltkriegs auf fremdem Territorium geplünderten Beutekunst aus. Für die große Masse kultureller Wertgegenstände, die unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht direkt durch die Alliierten Streitkräfte und mittels der Rückerstattungsgesetze an die wirklichen Berechtigten restituiert werden konnten, setzten Lokalisierungs- und Identifikationsbemühungen erst mit Beginn der Provenienzerforschung Mitte bzw. Ende der 1990er Jahre ein. Erst im Zuge dieser Aufklärungsarbeiten wurden große Bestände zweifelhafter Provenienz in den öffentlichen Sammlungen seitens der (ursprünglichen) Eigentümer wiederentdeckt, lokalisiert und die Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft identifiziert, sodass zahlreiche Restitutionsforderungen erst nach Ablauf von mehr als einer halben Dekade von den eigentlich Restitutionsberechtigten an die gegenwärtigen Besitzer lanciert werden konnten. Nach den Statuten zahlreicher nationaler Rechtsordnungen wird jedoch regelmäßig eine absolute temporale Präklusion kultureller Restitutionsforderungen oder ein Ausschluss der Rückforderung auf den Grundsätzen von Treu und Glauben unabhängig davon eingetreten sein, ob der Restitutionsberechtigte subjektiv die
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Vgl. allgemein bei Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 367.
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Möglichkeit hatte, seine Anliegen vor Gericht geltend zu machen. Aus der Perspektive des Restitutionsgläubigers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bestehen in solchen Fällen somit berechtigte Zweifel, dass jedes Zeitregime diesen ihr gutes Recht auf Restitution nehmen kann und damit odio petentis wirkt.31 Diese rechtspolitischen Erwägungen entspringen dem allgemeinen Rechtsverständnis, dass der Ablauf einer bestimmten Zeitspanne sowie andere entweder auf Seiten der klagenden Partei liegende Umstände oder auf Seiten des Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bestehende berechtigte Erwartungen eine Rechtsverfolgung derart mühsam machen, dass die Aufrechterhaltung der materiell-rechtlichen Anspruchslage als unfair gegenüber dem Beklagten erkannt wird. Erwägungen temporaler und auf den Grundsätzen von Treu und Glauben basierender Präklusionsvorschriften dienen innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs damit in erster Linie dem Schutz des aktuellen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen.32 Der Zweck solcher Ausschließlichkeitsvorschriften liegt somit gleichermaßen im Schutz eines Putativschuldners und in der Wahrung der Interessen des wirklichen Restitutionsschuldners unrechtmäßig entzogener Kulturgüter.33 Je länger die unrechtmäßige Entziehung eines Kulturguts aus dem Bestand des (vermeintlichen) Eigentümers und damit die Entstehung eines angeblichen oder tatsächlichen Restitutionsanspruchs zurückliegt, desto eher kann aus Sicht des Restitutionsverpflichteten davon ausgegangen werden, dass der (eigentliche oder vermeintliche) Eigentümer seine Restitutionsforderung mittlerweile selbst für unbegründet hält oder jedenfalls nicht mehr auf einer Rückführung eines (unrechtmäßig) entzogenen Kulturguts besteht. Vor allem derjenige, der ein unrechtmäßig entzogenes Kulturgut erworben hat und davon ausgehen durfte, dass er beim Erwerb Eigentum erlangte, und den Gegenstand in der Folge eine bestimmte Zeitspanne in gutgläubigem Eigenbesitz hielt (als Voraussetzungen der Ersitzung), hat ebenso gute Gründe für ein dauerhaftes Behaltendürfen des Kulturguts wie der Eigentümer, dem dieses zuvor abhandengekommen ist und der seine Eigentums-
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Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 337. Vgl. die Begr. RegE, BT Drucks. 14/6040 S. 96, 100; ferner Mot. I S. 291. Zur judikativen Betonung des Schutzes des Anspruchsgegners vgl. etwa BGH, Urteil des 9. Zivilsenats vom 18.11.1982, Az: IX ZR 91/81, NJW 1983, 388, S. 390; BGH, Urteil des 10. Zivilsenats vom 20.04.1993, Az: X ZR 67/92, BGHZ 122, 241, S. 244, NJW 1993, 2054, S. 2055; BGH, Urteil des 11. Zivilsenats vom 28.01.2003, Az: XI ZR 243/02, BGH ZIP 2003, 524, S. 526. Vgl. auch Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7 m.w.N.; Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 326 ff. m.w.N. Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7.
19
728
4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
position aufgrund der Vorschrift des § 935 BGB nicht rechtsgeschäftlich verloren hatte. Die unterschiedlichen nationalen Ausformungen der römisch-rechtlichen Rechtsinstitute der usucapio und der longi temporis praescriptio haben im Sinne des Schutzes des gutgläubigen Besitzers gezeigt, dass das Zeitregime häufig favore bonae fidei possidentis wirkt, da der gutgläubige Besitzer nach der alten nemo potest-Regel ansonsten überhaupt kein Eigentum an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern erwerben kann.34 20
Gleichzeitig wird es für einen potenziell restitutionspflichtigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit fortschreitendem Zeitablauf immer schwieriger, zuverlässige Feststellungen über den Entziehungsakt des Kulturguts, eine mögliche Weiterveräußerung oder gar über eine Veräußerungskette weiterer kultureller Transferleistungen zu treffen. Besondere Schwierigkeiten bestehen auch darin, Informationen über die jeweilige Besitzzeit einzelner Erwerber sowie deren Gutgläubigkeit innerhalb der Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts zu erlangen. Dementsprechend liegt nach den Motiven des BGB der Schwerpunkt der Anspruchsverjährung darin, „daß dem Verpflichteten ein Schutzmittel gegeben wird, gegen voraussichtlich unberechtigte Ansprüche ohne Eingehen auf die Sache sich zu vertheidigen.“35 Eine präzise Informationsbeschaffung über einen möglichen gutgläubigen rechtsgeschäftlichen oder originären Erwerb mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung ist jedoch für die aktuelle Eigentümerstellung an dem Kulturgut maßgebend. Der Zeitablauf ist in zahlreichen Rechtsordnungen häufig beweisrechtlich von Bedeutung und insbesondere der dauerhafte Besitz begründet regelmäßig eine widerlegbare Vermutung für das Eigentum an der Sache.36 Während sich der (ursprüngliche) Eigentümer und Restitutionsgläubiger unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegen derartige Beweisnöte durch rechtzeitige Geltendmachung des Restitutionsanspruchs oder entsprechend zeitige Beweissicherung schützen kann, muss der (vermeintliche) Restitutionsschuldner unrechtmäßig entzogener Kulturgüter regelmäßig zuwarten, bis der (ehemalige) Eigentümer tätig wird, um teilweise überhaupt erst von der Anfechtung seiner Rechtsposition an einem manchmal schon viele Jahre zuvor gutgläubig erworbenen Kulturgut zu erfahren.37 Die Verjährung, die auf den Besitzer fokussierende Ersitzung und die auf dem Prinzip von Treu und Glauben ruhende Verwirkung zielen auf die Vermeidung derartig unfairer Rechtslagen gegenüber dem Beklagten „by relieving her [or him] of the burden of
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Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 326. Vgl. Motive I, 291. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 327. Vgl. zu den entsprechenden allgemeinen und kulturgüterunspezifischen Erwägungen vor allem die Ausführungen bei Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7.
1. Abschnitt: Rechtsdogmatische Abgrenzung von Ersitzung, Verjährung u. Verwirkung
729
defending lawsuits after she [or he] has enjoyed a substantial period of repose and during which time evidence may have been lost, destroyed or manufactured, memories may have faded, and important witnesses may have died or disappeared“38. Ein Ausschluss des Klagerechts aufgrund der besonderen Umstandsmomente, die zu dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne hinzutreten, ist dementsprechend nach der herrschenden Meinung aus Gründen der Fairness und Gerechtigkeit gegenüber der beklagten Partei angemessen.39 Da im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr der potenzielle Restitutionsschuldner für anspruchshemmende und -vernichtende Tatsachen das Risiko zeitablaufbedingter Unaufklärbarkeit naturgemäß in höherem Maße als der Gläubiger für anspruchsbegründende Tatsachen trägt 40, wird durch die Möglichkeit, die Restitutionsforderung des vermeintlichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne pauschal abzuwehren, diesem imparitätischen Kräfteverhältnis im Interesse des wirklichen Restitutionsschuldners ebenso wie dem nur putativ zur Restitution verpflichteten kulturellen Besitzer entgegengewirkt.41 Eine temporale Präklusion zivilrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter entfaltet hiernach entsprechend den allgemeinen, kulturgüterunspezifischen Erwägungen einen Individualschutz doppelter Art: Verjährung, Ersitzung und Verwirkung konkretisieren die Maximen von Treu und Glauben in Gestalt der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht 42, sie sind Ausformung des allgemeinen Verbots widersprüchlichen Verhaltens 43, weisen
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Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1072. Kritisch wertet Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 328, diese Folgerungen. „Daraus ergibt sich aber nicht zwingend, dass der Zeitablauf mit dem völligen Verlust des alternden Rechts sanktioniert werden muss. Vielmehr haben die empirischen Untersuchungen gezeigt, daß diesem Interesse zum Teil nur auf der Ebene des Beweisrechts Rechnung getragen worden ist. Dementsprechend könnte, wie bereits angedeutet, den Interessen des Verpflichteten mit einer angemessenen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sowie gesetzlichen Vermutungen für rechtshindernde oder -vernichtende Einwendungen Rechnung getragen werden. Wenn gleichwohl auch (möglicherweise) begründete Rechte ausgeschlossen werden, müssen dafür noch weitere Interessen von Bedeutung sein als die Beweisprobleme des Verpflichteten.“. So die Einschätzung bei Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7, unter Rekurs auf BGH, Urteil des 10. Zivilsenats vom 20.04.1993, Az: X ZR 67/92, BB 1993, 1395, S. 1396. Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7, unter Rekurs auf BGH, Urteil des 10. Zivilsenats vom 20.04.1993, Az: X ZR 67/92, BB 1993, 1395, S. 1396. Vgl. Mot. I S. 291 und S. 296. Vgl. Büdenbender, Die Verjährung zivilrechtlicher Ansprüch, JuS 1997, S. 481–490, S. 482.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
damit insgesamt verwirkungsähnliche Züge auf und ersparen zugleich Beweiserhebungen.44 22
Nicht nur der Restitutionsschuldner, sondern auch öffentliche Interessen profitieren von einer temporalen Präklusion zivilrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter.45 Auch die Perspektive der Allgemeinheit spricht für die Anwendung temporaler Präklusionsvorschriften in Form von Verjährung, Ersitzung und Verwirkung. Rechtsfrieden und Rechtssicherheit sichern dem (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr die notwendigen klaren Verhältnisse und bewahren den Kunstmarkt damit insgesamt vor einer Verdunkelung der Rechtslage,46 wie sie bei späterer Geltendmachung von Rechtsansprüchen aufgrund längst vergangener Tatsachen zu befürchten wäre.47 Bewertet man dieses Interesse höher als die Individualinteressen der Parteien, sind der Verfolgung aller intersubjektiven Rechte und damit auch den kulturellen Restitutionsansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter äußere zeitliche Grenzen zu setzen.48 Tatsächliche Sachzuordnungen kultureller Wertgegenstände, die längere Zeit hindurch unangefochten bestanden haben, werden aus diesem Grund auch rechtlich als bestehend anerkannt. Aus kultur- und rechtspolitischen Gründen werden die am (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr Beteiligten durch die Rechtsinstitute der Verjährung, Ersitzung und Verwirkung mittelbar dazu angehalten, ihre Rechtspositionen in absehbarer Zeit geltend zu machen. Bereits in den Motiven zur Erstellung des deutschen BGB wird die Rechtfertigung des Zeitregimes aber auch auf die empirische Behauptung gestützt, Rechte, die erst nach sehr langer Zeit geltend gemacht werden, seien ent-
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Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7; Zimmermann, Die Verjährung, JuS 1984, S. 409–422, S. 410. Vgl. zu den folgenden Ausführungen auch die kulturgüterunspezifischen Überlegungen bei Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7. Vgl. Begr. RegE, BT Drucks. 14/6040 S. 100; Mot. I S. 289; RGZ 120, 355, S. 358; BGH, Urteil des 1. Zivilsenats vom 16.06.1972, Az: I ZR 154/70, BGHZ 59, 72, S. 74; BGH, Urteil des 9. Zivilsenats vom 18.11.1982, Az: IX ZR 91/81, NJW 1983, 388, S. 390; BGH, Urteil des 10. Zivilsenats vom 08.12.1992, Az: X ZR 123/90, NJW-RR 1993, 1059, S. 1060; Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 317–318; Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7. Vgl. bereits RGZ 145, 239, S. 244; BGH, Urteil des 8. Zivilsenats vom 08.01.1986, Az: VIII ZR 313/84, NJW 1986, 1608, S. 1609. Vgl. auch Oetker, Die Verjährung: Strukturen eines allgemeinen Rechtsinstituts, 1994, S. 34; Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 305.
§ 15 Ergebnis: Auswirkungen des Zeitablaufs innerhalb der Sachzuordnung
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weder nie entstanden oder jedenfalls in der Zwischenzeit erloschen.49 Durch den Zeitablauf und zusätzliche Umstandsmomente auf Seiten des Besitzers oder auf Seiten des Eigentümers soll nicht nur Rechtsfrieden, ut sit finis litium, sondern zugleich auch ein gerechter Frieden zwischen den Beteiligten innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs erreicht werden.
§ 15 Ergebnis: Auswirkungen des Zeitablaufs innerhalb der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Nach den bisherigen Untersuchungen zu der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter steht folgendes Zwischenergebnis fest: In einem ersten Schritt wurde erkannt, dass die unterschiedlichen Konstellationen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände keinen Einfluss auf die Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers haben. Der kulturelle Diebstahl, der illegale Export kultureller Güter in Staatseigentum, die Beutekunstnahme, die Veräußerung kulturellen Fluchtguts, die Beschlagnahmung der Raubkunst, die Sicherstellung der entarteten Kunst, die Designation der Trophäenkunst zu Staatseigentum der Russischen Föderation im Jahre 1998 sowie die Enteignung kultureller und antiquarischer Gegenstände innerhalb der ehemaligen DDR waren rechtswidrig und führten unter den genannten Voraussetzungen zu keinem Verlust der Eigentumsposition der ursprünglich Berechtigten (vgl. die unterschiedlichen Kategorien rechtswidriger Entziehungsakte innerhalb der Untersuchungen des 1. Bandes). In einem zweiten Schritt ist in zivilrechtlichen Restitutionsklagen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter immer zu prüfen, ob durch die Einführung des Objekts in den internationalen Kunstmarkt zulasten der ursprünglichen Eigentümer daran gutgläubig Eigentum erworben werden konnte (vgl. die unterschiedlichen Ausgestaltungsweisen des gutgläubigen Erwerbs innerhalb des 2.Teils und den hierfür konkret notwendigen Sorgfaltsmaßstab innerhalb des 3.Teils). Dabei wurde festgestellt, dass in der Regel keine bona fide-Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erfolgt. Ist dennoch ein gutgläubiger Erwerb auch an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern rechtlich möglich, werden dem Kulturguterwerb als besonders gefahranfälligem Geschäftsbereich strenge Maßstäbe gesetzt und vom Erwerber Nachforschungsobliegenheiten hinsichtlich der Provenienz des Objektes und Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Berechtigtenposition des Veräußerers verlangt, sodass auch hier regelmäßig kein gutgläubiger Erwerb erfolgt und der Eigentümer weiterhin Inhaber seiner ursprünglichen Rechtsposition bleibt.
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Neben der rechtsgeschäftlichen bona fide-Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, die zu einem Rechtserwerb auf Seiten des gutgläubigen Erwerbers
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Vgl. Motive I, 291.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
und dem Eigentumsverlust des ursprünglichen Rechteinhabers führt, schränken aus rechtsvergleichender Sicht vornehmlich temporale Präklusionsvorschriften die zivilrechtlichen Restitutionsmöglichkeiten abhandengekommener Kulturgüter ein. Die Eigentumsersitzung wirkt damit ebenso wie die Verjährung und Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche auf die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ein. Hat der Eigentümer seine Rechtsposition an einem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut weder durch den rechtswidrigen Entziehungsakt noch mittels eines rechtsgeschäftlichen gutgläubigen Erwerbs verloren, ist folglich immer in einem dritten Schritt zu prüfen, ob das Eigentum im Wege der Ersitzung auf den aktuellen Besitzer oder einen Rechtsvorgänger übergegangen ist oder die kulturellen Restitutionsansprüche nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne aufgrund Verjährung und Verwirkung ausgeschlossen sind. Innerhalb der Teil 4 bis 6 ist somit zu untersuchen, welche Auswirkungen die Rechtsinstitute der Ersitzung, Verjährung und Verwirkung auf die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zeitigen. 25
Eine Unterscheidung der Institute wurde zunächst nach den unterschiedlichen Rechtsfolgen vorgenommen: Während die Ersitzung durch den Ablauf einer gewissen Zeitspanne einen neuen Erwerbstitel begründet und auf den Eigentumserwerb des kulturellen Besitzers sowie die besonderen Umstände auf Seiten des Ersitzenden fokussiert, schließen die Verjährung und die Verwirkung die Geltendmachung einer grundsätzlich bestehenden Rechtsposition des Eigentümers aufgrund langen Zeitablaufs aus, sodass ein grundsätzlich bestehendes Recht hinfällig bzw. undurchsetzbar wird. Darüber hinaus wurde eine Unterscheidung nach den einzelnen Voraussetzungen der Ersitzung, Verjährung und Verwirkung vorgenommen: Gemeinsam ist allen der Ablauf einer gewissen Zeitspanne zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt kultureller Wertgegenstände und der Geltendmachung des Eigentumsherausgabeanspruchs. Bei der Ersitzung müssen für den Rechtserwerb jedoch zusätzlich noch weitere Umstandsmomente auf Seiten des Erwerbers vorliegen, um den Eigentumserwerb auf Seiten des Ersitzenden zu rechtfertigen. Demgegenüber müssen bei der Verwirkung noch zusätzliche Umstandsmomente auf Seiten des Eigentümers vorliegen, um eine Präklusion seines Eigentumsherausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und damit eine Einschränkung seiner Eigentumsrechte rechtfertigen zu können.
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Ebenso wie beim rechtsgeschäftlichen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter besteht auch innerhalb der temporalen Präklusion ein Interessenwiderstreit zwischen ursprünglichem Eigentümer und gutgläubigem Besitzer: Während sich der Eigentümer in vollster Überzeugung darauf berufen wird, dass allein der Ablauf einer gewissen Zeitspanne (drei, fünf, zehn, 20 bzw. 30 Jahre) doch keine Auswirkungen auf ‚seine‘ fortbestehende Berechtigung an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern zeitigen könne, wird sich der gutgläubige,
§ 15 Ergebnis: Auswirkungen des Zeitablaufs innerhalb der Sachzuordnung
733
potenziell restitutionsverpflichtete Besitzer ebenso sicher im Recht wiegen und betonen, dass inzwischen doch sicherlich der aktuelle status quo überwiegen müsse und er als der sachlich Berechtigte an den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern anzusehen sei. Die Interessen des Restitutionsberechtigten zielen somit auf eine möglichst lange und uneingeschränkte Möglichkeit der Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und widerstreben damit temporalen und auf den Grundsätzen von Treu und Glauben basierenden Präklusionsvorschriften im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr. Andererseits wurde im Laufe der Rechtsentwicklung allgemein erkannt, dass der Ablauf einer bestimmten Zeitspanne und berechtigte Erwartungen gutgläubiger Besitzer und (potenzieller) Restitutionsschuldner eine Rechtsverfolgung derart mühsam machen, dass die Aufrechterhaltung der materiell-rechtlichen Anspruchslage unfair gegenüber dem Beklagten wird. Ersitzung, Verjährung und Verwirkung dienen auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs in erster Linie dem Schutz des aktuellen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen (Ausschluss des Klagerechts aus Gründen der Fairness und Gerechtigkeit gegenüber der beklagten Partei). Darüber hinaus spricht auch die Perspektive der Allgemeinheit für die Anwendung temporaler Präklusionsvorschriften. Rechtsfrieden und Rechtssicherheit gewähren dem (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr die notwendigen klaren Verhältnisse und bewahren den Kunstmarkt damit insgesamt vor einer Verdunkelung der Rechtslage. Es ist im Laufe des folgenden Diskurses der Frage nachzugehen, ob kulturgüterspezifische Erwägungen eine Derogation von den allgemeinen Regeln aus Gründen des Kulturgüterschutzes verlangen. Damit ist der weitere Prüfungsauftrag des 4. Teils der vorliegenden Studie definiert: Im folgenden 2. Abschnitt wird zunächst die Möglichkeit der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter untersucht, dann im 5. Teil eine vertiefte Analyse der Verjährungsproblematik innerhalb des Kulturgüterrechts vorgenommen, bevor im 6. Teil abschließend Fragen der Verwirkung und spezieller Verhaltensanforderungen an die Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter analysiert werden. Das Ziel ist dabei immer die Vermittlung eines abstrakten Verständnisses der einzelnen Rechtsinstitute und ihrer theoretisch möglichen Ausgestaltungsformen. Es wird nicht als Aufgabe angesehen, für jede regelmäßig im illegalen Kunsthandel involvierte Rechtsordnung abschließend zu erklären, welchem Prinzip dort gefolgt wird. Vielmehr wird Wert darauf gelegt, dass beispielhaft ein Verständnis dafür geschaffen wird, welche Ausgestaltungsvarianten denkbar und realistisch sind. Zur Verdeutlichung der abstrakt-theoretisch möglichen Ausgestaltungsvarianten wird anhand zahlreicher Beispiele auf nationale Präklusionsvorschriften, einzelgerichtliche Wertentscheidungen und internationale Rechtsinstrumente zurückgegriffen. Damit wird für den Leser die Möglichkeit geschaffen, sich schnell in jede nationale Ausgestaltungsvariante einzudenken und somit selbst-
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
ständig die Prüfung der Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sowie der Verjährung und Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche auch in solchen Rechtsordnungen vorzunehmen, die keine exemplarische Nennung in der vorliegenden Studie erfahren.
2. Abschnitt Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Wie bereits innerhalb des derivativen und originären gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erfahren, unterscheiden sich die nationalen Zivilrechtssysteme deutlich innerhalb der privatrechtlichen und dabei insbesondere der sachenrechtlichen Zuordnung unrechtmäßig entzogener Kunstwerke im internationalen Kulturgüterverkehr. Nachdem in einem ersten Schritt der unrechtmäßige Entziehungsakt eines Kulturguts mit einem privatrechtlichen Unrechtsverdikt belegt wurde und der tatsächliche Akt der Entziehung rechtlich zu keinem Eigentumsverlust geführt hat, stellt sich nach der Prüfung eines gutgläubigen derivativen Erwerbs bei kulturellen Restitutionsstreitigkeiten regelmäßig die Frage, ob der (ursprüngliche) Eigentümer seine zunächst allein durch den tatsächlichen Entziehungsakt unbeeinträchtigte Rechtsposition an dem entzogenen Kulturgut auch noch nach Ablauf einer langen Zeitspanne weiterhin geltend machen kann.
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Neben dem gutgläubigen derivativen Erwerb kann auch der originäre Eigentumserwerb des gutgläubigen Eigenbesitzers mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung zu einem Rechtsverlust des ursprünglichen Eigentümers zuvor unrechtmäßig entzogener und in der Folge illegal transferierter Kulturgüter führen.50 Dabei nimmt die Ersitzung eine Mittelstellung zwischen dem derivativen und originären Eigentumserwerb ein, da zumeist eine rechtsgeschäftliche Veräußerung als Voraussetzung ein Element abgeleiteten Erwerbs verkörpert, der Eigentumserwerb selbst jedoch nicht durch die Übertragung herbeigeführt wird, sondern ex iure erfolgt und somit originär ist.51 Während der derivative Eigentumserwerb primär spezielle Verhaltens- und Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber hinsichtlich der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis des Veräußerers betont, stellt die Ersitzung die das Kulturgut aktuell besitzende Partei hinsichtlich der Form des Besitzes und der Spanne der gutgläubigen Besitzzeit ins Zentrum des Interesses rechtlicher Betrachtung.52 Die Wirkung dieses Rechtsinstituts besteht darin, dass der gutgläubige Besitzer eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts, der die faktische Stellung eines Eigentümers hat, ohne dies in Wahrheit zu sein, nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne auch rechtlich zum Eigentümer wird. „Wer
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Vgl. ausführlich hierzu für den Kulturgüterverkehr Baldus, Internationaler Kulturgüterschutz: Renaissance der Ersitzung?, in: Grupp/Hufeld, Recht – Kultur – Finanzen, Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70. Geburtstag am 26. Oktober 2005, 2005, S. 525 ff.; Franz, Zivilrechtliche Probleme des Kulturgüteraustausches, 1996, S. 95–115. Vgl. Honsell, Römisches Recht, 6. Aufl. 2006, S. 53–55. Vgl. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 67–69.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
eine Sache auf eine unbedenkliche Weise erworben hat, aber trotzdem nicht ihr Eigentümer geworden ist, der braucht sie, wenn er sie schon lange im Besitz hat, dem Eigentümer nicht mehr herauszugeben. Der Eigentümer, der sich um seine Sache nicht gekümmert hat, hat durch seine Passivität … sein Recht an ihr verwirkt und erscheint weniger schutzbedürftig als der redliche Besitzer, dem vielleicht mit der Zeit die Beweise für die Umstände seines Erwerbs verlorengegangen sind. Im entwickelten Recht läßt man darum den Besitzer nun selbst durch Zeitablauf Eigentümer werden und den bisherigen Eigentümer sein Recht verlieren.“53 Somit suchen die Regeln der Ersitzung einen Ausgleich zwischen scheinbarer und wirklicher Rechtslage vor dem Hintergrund, dass der Ablauf einer bestimmten, national unterschiedlichen Zeitspanne eine heilende Wirkung entfaltet.54 30
Innerhalb des Common Law-Rechtskreises ist ein mit dem Rechtsinstitut der Ersitzung vergleichbares Rechtsinstrument weitgehend unbekannt und eine Präklusion zivilrechtlicher Restitutionsansprüche erfolgt hauptsächlich über die sog. statutes of limitations als extinktive Verjährungsregeln (wobei jedoch teilweise mit Verjährung auch das Recht des Klägers wie bspw. innerhalb der britischen Rechtsordnung erlischt bzw. der gutgläubige Eigenbesitzer bspw. bei Annahme der adverse possession-Theorie das Eigentumsrecht an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut innerhalb der Rechtsordnung Amerikas erwirbt). Dementsprechend ist das Rechtsinstitut der Ersitzung praktisch nur innerhalb des Civil Law-Rechtskreises anerkannt. Dort ging der originäre Eigentumserwerb des gutgläubigen Besitzers aus dem römisch-rechtlichen Institut der usucapio hervor.
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Die erste Form der Rechtsänderung durch Zeitablauf stellte im römischen Recht das Rechtsinstitut der usucapio dar, das als Frühform der Ersitzung dem Eigentumsrecht zuzuordnen ist.55 Die Ersitzung ist im römischen Recht schon seit frühester Zeit bekannt. Bereits die sog. Zwölftafelgesetze – eine um 450 v. Chr. in Rom entstandene Gesetzessammlung, die in zwölf hölzernen Tafeln auf dem Forum Romanum ausgestellt war – bestimmten, dass Grundstücke nach zweijährigem, Mobilien nach einjährigem ununterbrochenen Eigenbesitz (sog. usus) allein aufgrund des Besitztatbestandes dem Besitzer gehören sollten.56 Obwohl nach dem römisch-rechtlichen Grundprinzip nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst hat, konnte mittels des Rechtsinstituts der usucapio ziviles Eigentum beim Erwerb vom Nichtberechtigten begründet werden, sodass eine Einschränkung des nemo
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Kaser, Römisches Privatrecht, 14. Aufl. 1986, S. 116–119. Vgl. Honsell, Römisches Recht, 6. Aufl. 2006, S. 53–55. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 30. Vgl. Honsell, Römisches Recht, 6. Aufl. 2006, S. 53–55; Kaser, Römisches Privatrecht, 14. Aufl. 1986, S. 116–119.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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dat-Prinzips durch die Ersitzungsregelung erfolgte. Res furtivae, d.h. gestohlene Gegenstände, waren jedoch von der Ersitzung ausgenommen. Anders als in den modernen europäischen Zivilrechtsordnungen kannte das römische Recht noch keinen sofortigen gutgläubigen Erwerb vom Nichteigentümer, sodass stets die Ersitzung während einer bestimmten Frist, welche jedoch mit einem Jahr bzw. zwei Jahren wesentlich kürzer bemessen war als heute, notwendig war. Der innere Grund der Ersitzung war auch hier der Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs, der es rechtfertigte, das Eigentum des wahren Berechtigten zugunsten des gutgläubigen Erwerbers erlöschen zu lassen57: „quod ideo receptum videtur, ne rerum dominia diutius in incerto essent, cum sufficeret domino ad inquirendam rem suam anni aut biennii spatium, quod tempus ad usucapionem possessori tributum est.“58 Als ersitzungsfähige Mobilien (sog. res habilis) des römischen Rechts galten weder gestohlene Sachen noch solche beweglichen Gegenstände, die als res extra commercium außerhalb des Rechtsverkehrs standen. Neben einem anerkannten Erwerbsgrund (sog. iusta causa bzw. iustus titulus usucapionis) bedurfte es des Weiteren eines fehlerfreien Eigenbesitzes. Bei Gutgläubigkeit des Erwerbers (d.h. bei redlicher Überzeugung von der Verfügungsbefugnis seines Vormannes) konnte dieser nach Ablauf der Ersitzungszeit (sog. tempus) bereits nach einem Jahr Eigentum an dem Gegenstand erwerben (entsprechend dem Grundsatz mala fides superveniens non nocet schadete spätere Bösgläubigkeit nicht).59 Daneben entwickelte sich das Rechtsinstitut der sog. longi temporis praescriptio im Sachenrecht: Die sog. Einrede des langen Besitzes galt für diejenigen Besitzgüter, die einen gerechten Grund hatten und „ohne irgendeinen Streit in ihrem Besitz geblieben waren“, nachdem beim Aufenthalt in einer anderen Stadt zwanzig Jahre und in derselben Stadt zehn Jahre vergangen sein mussten.60 Ebenso wie die usucapio bereits innerhalb des römischen Rechts zentrales Mittel des Eigentumserwerbs nach gescheiterter rechtsgeschäftlicher Übereignung war, stellt der Beweis einer Ersitzung durch den Eigentumsprätendenten oder einen Rechtsvorgänger – insbesondere innerhalb des romanischen Rechtskreises – bis heute „die sicherste Grundlage für Eigentumsansprüche dar“61. Aus rechtsvergleichender Sicht ist vorweg bereits darauf aufmerksam zu machen, dass Rechtserwerb und Anspruchsverlust aufgrund Zeitablaufs erst seit der Profilierung des materiellen und des prozessualen Anspruchs Mitte des 19. Jahrhunderts präzise unterschieden werden, sodass eine diesbezügliche Differenzierung in zahlreichen
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60
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Honsell, Römisches Recht, 6. Aufl. 2006, S. 53–55. Gai. 2, 44. Vgl. zu den Voraussetzungen Honsell, Römisches Recht, 6. Aufl. 2006, S. 53–55; Kaser, Römisches Privatrecht, 14. Aufl. 1986, S. 116–119. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 51. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854– 1296, 4. Aufl. 2004, § 937. Rdnr. 1–5.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
europäischen Zivilrechtsordnungen bei Ausgestaltung ihres Zivilgesetzbuches noch keinen Niederschlag finden konnte.62 Während innerhalb der südeuropäischen Rechtsordnungen zumindest aus terminologischer Sicht die beiden Rechtsinstitute Ersitzung und Verjährung oftmals nicht strikt getrennt sind – vgl. etwa die Ausführungen zur akquisitiven prescription unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der französischen Rechtsordnung –, wird nach der rechtskonstruktiven Ausgestaltung der Ersitzung innerhalb des deutschen BGB vielmehr die materielle Rechtslage erheblich geändert und bei Vorliegen der Voraussetzungen der Verjährung lediglich eine Einrede begründet.63 Aufgrund dieser großen Unterschiede sowohl innerhalb der materiellen Konstruktion als auch der inhaltlichen Ausgestaltung hinsichtlich Dauer des Eigenbesitzes und Gutgläubigkeit der Ersitzungsregelungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, ist eine kulturgüterspezifische Untersuchung der bedeutenderen Rechtsordnungen vonnöten.64
A. Originärer Eigentumserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der deutschen Rechtsordnung 33
Neben dem Rechtsverlust des Eigentümers nach einem gutgläubigen Erwerb eines unrechtmäßig entzogenen und abhandengekommenen Kulturguts im Wege der öffentlichen Versteigerung nach §§ 932, 935 Abs. 2 i.V.m. § 383 BGB kann ein Verlust der Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers innerhalb der deutschen Rechtsordnung auch aufgrund des Rechtsinstituts der Ersitzung der §§ 937–945 BGB erfolgen.65
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§ 937 BGB: Voraussetzungen, Ausschluss bei Kenntnis: (1) Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, erwirbt das Eigentum (Ersitzung). (2) Die Ersitzung ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei dem Erwerb des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder wenn er später erfährt, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.
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Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 937, Rdnr. 1–5. Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 937, Rdnr. 1–5. Über die hier ausführlich hinsichtlich des (inter-)nationalen Kulturgütertransfers untersuchten Rechtsordnungen sei noch zusätzlich auf die sog. prescriptión adquisitiva nach Art. 1955 des spanischen Zivilgesetzbuches und die sog. verkrijging door verjaring in Art. 3:99 des niederländischen Zivilgesetzbuches hingewiesen. Vgl. einleitend hierzu Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1429–1433.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
739
Mit Ablauf der zehnjährigen Ersitzungsfrist erwirbt danach der gutgläubige Besitzer Eigentum an der Sache.66 Allgemein wird der Zweck des Rechtsinstituts damit beschrieben, dass die Ersitzung die aufgrund eines Mangels im Erwerb der Sache bewirkte Diskrepanz zwischen Besitz- und Eigentumslage beseitigt und damit den Verkehrsschutz ergänzt. Schließlich steht auch hinter der deutschen Ausgestaltung der Ersitzungsregelungen die für sämtliche temporalen Präklusionsvorschriften geltende allgemeine Erwägung, dass eine Beweiserleichterung für den ‚wirklichen Eigentümer‘ notwendig sei, der, statt den gutgläubigen Erwerbsakt nachzuweisen, sich auf eine erfolgte Ersitzung berufen kann.67
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Die Ersitzung ist innerhalb der deutschen Rechtsordnung das entscheidende Mittel des Eigentumserwerbs nach gescheiterter rechtsgeschäftlicher Übereignung: Da die verschiedenen Kategorien der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände 68 grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Eigentumssituation zeitigen und als Abhandenkommen zu qualifizieren sind, sind innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs zahlreiche Fallkonstellationen ersichtlich, in denen ein gutgläubiger Erwerb scheitert oder nicht in Betracht kommt, weil der kulturelle Wertgegenstand gestohlen, verloren oder sonst abhandengekommen ist. Aus diesem Grund erlangen der originäre Eigentumserwerb und die Rechtsvorschriften der Ersitzung beweglicher Gegenstände gerade für den (inter-)nationalen Kunsthandel „erhebliche praktische Bedeutung“ 69. Damit wird die Ersitzung zu einem Notbehelf für die Fälle eines fehlgeschlagenen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, in denen rechtsgeschäftlicher Erwerb auch des im intendierten Erwerbszeitpunkt Gutgläubigen nicht möglich ist.70 So erläutert bspw. Baldus im Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, dass der praktisch wichtigste Anwendungsbereich die Ersitzung abhandengekommener Sachen sei, wobei „wirtschaftliche Relevanz … am ehesten das Abhandenkommen von Kunstwerken“ aufweist.71
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Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 16. Vgl. m.w.N. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, Vorbemerkungen zu §§ 937–945, Rdnr. 1–4. Aufgrund individuellen Diebstahls (sog. kultureller Diebstahl), aufgrund kriegsbedingter Entziehung durch den Staat außerhalb des eigenen Staatsgebietes (sog. kulturelle Beutenahme), aufgrund formal ‚freiwilliger‘ rechtsgeschäftlicher Veräußerung kultureller Güter durch den jüdischen Eigentümer nach Drohung, Zwang und Gewalt vor und während des Zweiten Weltkriegs innerhalb des nationalsozialistischen Deutschlands (sog. Fälle der ersten Phase der Raubkunst oder sog. kulturelles Fluchtgut) sowie in den näher konkretisierten Situationen der Konfiskation, Nationalisierung und Enteignung kultureller Güter innerhalb des eigenen Staatsgebietes (die unterschiedlichen Situationen der sog. kulturellen Verstaatlichung). So ausdrücklich Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, Vorbemerkungen zu §§ 937–945, Rdnr. 1–4. Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 937, Rdnr. 1–5. Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 937, Rdnr. 1–5.
740
4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
I. 37
Unrechtmäßig entzogene Kulturgüter als taugliche Ersitzungsobjekte
Im Gegensatz zum römischen Recht, in dem gestohlene Gegenstände als res furtivae keine tauglichen Ersitzungsobjekte darstellten, kennt das BGB keine von der Ersitzung ausgenommenen Sachen mehr. Somit stellen unrechtmäßig entzogene und dementsprechend abhandengekommene Kulturgüter nicht nur taugliche Ersitzungsobjekte, sondern gerade den Hauptanwendungsfall des Rechtsinstituts dar. Speziell zur Ersitzungsfähigkeit kultureller Wertgegenstände aus öffentlichen Beständen wie staatlichen Museen und kulturellen Institutionen führt Wiegand aus: „Auch die öffentlichen Sachen und die sog. res sacrae und sanctae unterliegen der Ersitzung, da sie nach hL und Rspr regelmäßig den privatrechtlichen Regeln über das Eigentum unterliegen, sofern sich keine Beschränkung aus öffentlichen oder landesrechtlichen Vorschriften ergibt. Eine Ersitzung derartiger Gegenstände dürfte aber in der Regel scheitern, weil die Gutgläubigkeit bei Kenntnis der Herkunft der Sache (z.B. Museumsstück) fehlen wird“72. Selbst wenn das Eigentum ersessen werden kann, kann nach der Auffassung, die auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung von einer Extrakommerzialität öffentlicher Kulturgüter ausgeht, die Durchsetzung des Widmungszweckes dem entgegenstehen.73 Die überwiegende Rechtsansicht wendet im Einklang mit der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs in der Konstellation des Hamburger Stadtsiegel-Falles jedoch § 945 BGB 74 (analog) an und geht auch bei öffentlichen Museumsgütern von der Tauglichkeit als Ersitzungsobjekt aus.75
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Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 12–13. So insbesondere bei Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 937, Rdnr. 16–17 mit Hinweis auf die Rechtsprechung zum Hamburger Stadtsiegel-Fall: BGH, Urteil des 9. Zivilsenats vom 05.10.1989, Az: IX ZR 265/88, NJW 1990, S. 899–901 und VG Köln, Urteil der 8. Kammer vom 20.03.1991, Az: 8 K 4501/89, NJW 1991, S. 2584–2586 sowie Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil des 20. Senats vom 25.02.1993, Az: 20 A 1289/91, NJW 1993, S. 2635– 2637. § 945 BGB: Erlöschen von Rechten Dritter: Mit dem Erwerb des Eigentums durch Ersitzung erlöschen die an der Sache vor dem Erwerb des Eigenbesitzes begründeten Rechte Dritter, es sei denn, dass der Eigenbesitzer bei dem Erwerb des Eigenbesitzes in Ansehung dieser Rechte nicht in gutem Glauben ist oder ihr Bestehen später erfährt. Die Ersitzungsfrist muss auch in Ansehung des Rechts des Dritten verstrichen sein; die Vorschriften der §§ 939 bis 944 finden entsprechende Anwendung. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 12–13.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
II.
Zehnjähriger Eigenbesitz und Gutgläubigkeit als Voraussetzungen der Ersitzung
Mit Ablauf der zehnjährigen Ersitzungsfrist des § 937 Abs. 1 BGB erwirbt der nach Abs. 2 gutgläubige Besitzer Eigentum an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern.76 Im Gegensatz zum gutgläubigen Rechtserwerb nach den §§ 932–935 BGB bedarf es keines den Besitzerwerb rechtfertigenden Grundes.77 Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, erwirbt das Eigentum, wenn er bei Eigentumserwerb im guten Glauben war (keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der fehlenden Eigentümerstellung des Veräußerers) und auch während der zehnjährigen Besitzzeit keine positive Kenntnis erhalten hat, dass ihm das Eigentum nicht zusteht. Voraussetzung ist somit, dass der Eigentümer glaubt, er habe von dem Verkäufer wirksam das Eigentum erworben, und besitze das Kulturgut als sein ‚eigenes‘, d.h. mit Eigentümer- und Eigenbesitzerwillen.78
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Zehnjähriger fortgesetzter Eigenbesitz
Grundlage der Ersitzung bildet zunächst der zehnjährige79 (§§ 938, 943, 944 BGB) fortgesetzte Eigenbesitz i.S.d. § 872 BGB an dem Kulturgut.80 Nach § 872 BGB setzt dies voraus, dass der Besitzer das Kulturgut als ihm gehörend besitzt. Notwendig ist hierfür, dass der Ersitzende beweisen kann, dass er das Kunstwerk mit
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Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 16. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 1–2. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 46–48. „Die Umgestaltung der Verjährungsfristen im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung hat Verjährungs- und Ersitzungsfrist nunmehr … angeglichen und damit die Bedeutung der Ersitzung geringfügig gesteigert. Verjährten zuvor insbesondere vertragliche und bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche erst nach 30 Jahren ab der Entstehung des Anspruchs (§§ 195, 198 a.F.), läuft nunmehr für diese Ansprüche eine Verjährungsfrist von drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstand und der Berechtigte Kenntnis beziehungsweise grobfahrlässige Unkenntnis der Entstehung besaß (§§ 195, 199 Abs. 1). Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass nach § 199 Abs. 4 unabhängig von einer Kenntnis oder grobfahrlässigen Unkenntnis des Herausgabeanspruchs dieser jedenfalls zehn Jahre nach seiner Entstehung verjährt. Ein vertraglicher oder bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch, der über die eingetretene Ersitzung hinaus fortbesteht, ist daher anders als nach bisheriger Rechtslage nicht mehr vorstellbar. Die Ersitzung erlangt folglich umfassende Wirkung. Zugleich wird sie durch die neuen Verjährungsregelungen keineswegs entbehrlich, da für die dinglichen Herausgabeansprüche aus dem Eigentum nach wie vor eine dreißigjährige Verjährungsfrist besteht (§ 197 Abs. 1 Nr. 1).“ Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 937, Rdnr. 4–5. „Der Eigenbesitz muss (als unmittelbarer oder mittelbarer) während zehn Jahren seit Erwerb ununterbrochen bestanden haben (§§ 938, 939, 940–944; vgl auch § 292 ZPO). Die Frist berechnet sich nach § 187 Abs 1 und § 188 Abs 2. Eine Fristverlängerung ist in jedem Falle ausgeschlossen.“ Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 6.
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742
4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
dem Willen, es als ihm gehörend zu besitzen, erworben hat.81 Dieser Wille kann nur aus den Umständen des Besitzerwerbs, d.h. insbesondere aus der kulturellen Veräußerung, die dem Besitzerwerb regelmäßig zugrunde liegt, entnommen werden.82 Für die Zeit nach Besitzerwerb ist in § 938 BGB die Vermutung ausgesprochen, dass der Eigenbesitz auch in der Zwischenzeit bestanden hat, wenn jemand ein unrechtmäßig entzogenes Kulturgut am Anfang und am Ende eines Zeitraums im Eigenbesitz hatte (Vermutung des Eigenbesitzes). 40
§ 939 BGB: Hemmung der Ersitzung: (1) Die Ersitzung ist gehemmt, wenn der Herausgabeanspruch gegen den Eigenbesitzer oder im Falle eines mittelbaren Eigenbesitzes gegen den Besitzer, der sein Recht zum Besitz von dem Eigenbesitzer ableitet, in einer nach den §§ 203 und 204 zur Hemmung der Verjährung geeigneten Weise geltend gemacht wird. Die Hemmung tritt jedoch nur zugunsten desjenigen ein, welcher sie herbeiführt. (2) Die Ersitzung ist ferner gehemmt, solange die Verjährung des Herausgabeanspruchs nach den §§ 205 bis 207 oder ihr Ablauf nach den §§ 210 und 211 gehemmt ist. § 940 BGB: Unterbrechung durch Besitzverlust: (1) Die Ersitzung wird durch den Verlust des Eigenbesitzes unterbrochen. (2) Die Unterbrechung gilt als nicht erfolgt, wenn der Eigenbesitzer den Eigenbesitz ohne seinen Willen verloren und ihn binnen Jahresfrist oder mittels einer innerhalb dieser Frist erhobenen Klage wiedererlangt hat. § 941 BGB: Unterbrechung durch Vollstreckungshandlung: Die Ersitzung wird durch Vornahme oder Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung unterbrochen. § 212 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend. § 942 BGB: Wirkung der Unterbrechung: Wird die Ersitzung unterbrochen, so kommt die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht; eine neue Ersitzung kann erst nach der Beendigung der Unterbrechung beginnen. § 943 BGB: Ersitzung bei Rechtsnachfolge: Gelangt die Sache durch Rechtsnachfolge in den Eigenbesitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Ersitzungszeit dem Dritten zugute. § 944 BGB: Erbschaftsbesitzer: Die Ersitzungszeit, die zugunsten eines Erbschaftsbesitzers verstrichen ist, kommt dem Erben zustatten.
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Eine Hemmung der Ersitzungsfrist tritt danach ein, wenn der Alteigentümer seinen Herausgabeanspruch nicht geltend machen kann, weil er objektiv an der Rechtsverfolgung gehindert war. Innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs dürfte dies bspw. zugunsten von (jüdischen) Verfolgten des NS-Regimes anzunehmen sein, sodass bei dieser Personengruppe frühestens nach Ende des Zweiten Weltkrieges ab 8.5.1945 die Ersitzungsfrist zugunsten des Eigenbesitzers begann, weil bis dahin die Durchsetzbarkeit der Eigentumsherausgabe für den Alteigentümer ausgeschlossen war.83 Auf eine subjektive Kenntnis des Eigentümers über den Lauf einer Ersitzungsfrist oder vergleichbare persönliche Wissens81 82 83
Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 1–2. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 1–2. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 46– 48.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
743
umstände auf Seiten des Erwerbers kommt es bei der Bestimmung der Ersitzungszeit jedoch nicht an. Die zehnjährige Ersitzungsfrist wird unterbrochen, wenn der Besitzer seinen Eigenbesitz verliert. Dies gilt jedoch nicht, wenn von dem Besitzer der Eigenbesitz binnen Jahresfrist wiedererlangt oder innerhalb dieser Frist eine Klage auf Wiedererlangung des Eigenbesitzes erhoben wird.84
2.
Guter Glaube des Eigenbesitzers
Die Ersitzung ist nach § 937 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Eigenbesitzer bösgläubig ist. Anders als beim gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Rahmen einer Eigentumsübertragung nach § 932 BGB bezieht sich der gute Glaube nicht auf die Eigentümerstellung des Rechtsvorgängers an dem Kulturgut (des Veräußerers).85 Geschützt wird hier der Glaube an das eigene Recht86 an dem erworbenen Kunstwerk, sodass sich der gute Glaube auf die eigene Eigentümerstellung beziehen muss.87 Erforderlich ist die Vorstellung des Besitzers, selbst Eigentümer des Kulturguts zu sein, sodass Überlegungen zur Rechtsstellung eines etwaigen Veräußerers hier – im Gegensatz zu den Anforderungen der Gutgläubigkeit des § 932 BGB – als solche unerheblich sind.88 Der Ersitzende muss während der zehnjährigen Ersitzungszeit davon überzeugt sein, er selbst sei Eigentümer des Kunstwerks, das sich in seinem Besitz befindet (Glaube an das eigene Recht).89
42
Dieser Bezugsmaßstab gilt für die ganze Ersitzungszeit, wobei ausweislich des Gesetzeswortlauts zu Beginn der Ersitzung an den guten Glauben strengere Anforderungen gestellt werden als während der laufenden Ersitzungszeit.90 So darf nämlich im Zeitpunkt des Besitzerwerbs dem Ersitzenden weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sein, dass er das Eigentum nicht erwirbt.91 Negativ formuliert ist derjenige bösgläubig, der bei Besitzerwerb das Fehlen der eigenen Rechtsstellung als Eigentumserwerber oder Eigentümer kennt oder grob fahrlässig nicht kennt.92 Bei positiver Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen im Rahmen des § 937 Abs. 2 BGB darf der Ersitzende zum
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Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 46– 48. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 937, Rdnr. 8–9.1. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 7–11. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 937, Rdnr. 8–9.1. Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 937, Rdnr. 24–25. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 7–11. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 7–11. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 7–11. Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 937, Rdnr. 24–25.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Zeitpunkt des Besitzerwerbs weder Kenntnis noch grobfahrlässige Unkenntnis von seiner fehlenden Eigentümerstellung haben.93 Nach Beginn der Ersitzung entfällt der gute Glaube an die eigene Eigentumsposition an dem Kulturgut nur bei positiver Kenntnis des Nichtrechts (sog. mala fides superveniens).94 Erfährt der Ersitzende unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu einem späteren Zeitpunkt von seiner Nichtberechtigung, entfällt der gute Glaube. Der Kenntniserlangung kann es gleichstehen, wenn die eigene Nichtberechtigung sich geradezu aufdrängt oder der Besitzer sich bewusst der Kenntnisnahme verschließt. Dem ‚Kenntniserlangen‘ muss somit das Verhalten des Ersitzenden gleichgestellt werden, wenn dieser die Kenntnisnahme bewusst vermeidet.95 Entsprechend dem ausdrücklichen Wortlaut des § 937 Abs. 2 BGB zerstört allerdings nur die positive Kenntnis der mangelnden Eigentümerstellung den guten Glauben, nicht hingegen die lediglich fahrlässige oder grob fahrlässige Unkenntnis.96 Nicht ausreichend ist somit allein die Kenntnis solcher Tatsachen, aus denen sich die Nichtberechtigung ableiten lässt. „Erst und allein der Umstand, dass dem Ersitzenden seine mangelnde Berechtigung bewusst wird, schließt den Eigentumserwerb aus. Ein derartiges Bewusstwerden muss man allerdings annehmen, wenn die Rechtslage dem Besitzer so dargelegt wurde, dass er sich bei Anlegung eines durchschnittlichen Maßstabes der Erkenntnis seiner mangelnden Berechtigung nicht verschließen konnte.“ 97 Entsprechend den Ausführungen bei Baldus kann die grobe Fahrlässigkeit auch in einem Rechtsirrtum bei der Bewertung richtig erkannter Tatsachen liegen. Dies bezieht dieser ausdrücklich auf den Erwerb wertvoller Kunstwerke oder Antiquitäten. „Was im Zusammenhang mit politischen Umwälzungen oder aufsehenerregenden Straftaten aus dem Besitz des Berechtigten gekommen ist, wird jedenfalls ein erfahrener Teilnehmer des vergleichsweise überschaubaren Kunst- oder Antiquitätenmarktes kaum arglos erwerben können.“ 98 Der gute Glaube des Eigenbesitzers wird vermutet; dem Ersitzungsgegner obliegt es, den bösen Glauben nachzuweisen. Nachträglich eingetretene Gutgläubigkeit muss der Erwerber beweisen.99
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Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 937, Rdnr. 8–9.1. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 7–11. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 7–11. Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 937, Rdnr. 8–9.1. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 7–11; so auch Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 937, Rdnr. 24–25. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854– 1296, 4. Aufl. 2004, § 937. Rdnr. 24–25. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 7–11. „Beruft sich der Besitzer auf Eigentumserwerb durch Ersitzung, muss er beweisen, dass er bei Besitzerwerb und während des zehnjährigen Ersitzungszeitraumes gutgläubig war. Hat der Eigenbesitzer eine Sache am Anfang des Erwerbes und im Zeitpunkt, in dem vom Alteigentümer
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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Innerhalb der Bestimmung der Gutgläubigkeit des Ersitzenden hinsichtlich der eigenen Eigentümerstellung nach § 937 Abs. 2 stellt sich ebenso wie innerhalb des Sorgfaltsmaßstabs des derivativen Erwerbs nach §§ 932 Abs. 2 BGB die Frage, ob dem Ersitzenden unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Nachforschungs- und Verifizierungsbemühungen hinsichtlich seiner Rechtsstellung zuzumuten sind. Allgemein wird hinsichtlich der Ersitzung beweglicher Gegenstände davon ausgegangen, dass bei der Annahme einer Nachforschungsobliegenheit grundsätzlich Zurückhaltung geboten sei und eine solche Obliegenheit nicht angenommen werden könne, da ein Rechtsirrtum des Ersitzenden die Ersitzung nur dann hindert, wenn er auf grober Fahrlässigkeit beruht.100 Ein grob fahrlässiger Rechtsirrtum über die Eigentumsposition des Berechtigten wird jedoch bspw. von Wiegand innerhalb der Staudinger-Kommentierung zu § 937 Abs. 2 BGB ausdrücklich für den Erwerb wertvoller Kunstgegenstände angenommen.101 Eine spezielle Nachforschungsobliegenheit innerhalb des Kulturgüterverkehrs für professionell am Kunsthandel beteiligte Kunsthändler, Galeristen, Auktionshäuser und Museen ebenso wie für solche Personen, deren Rechtsgeschäfte im Kunsthandel mit denen der genannten professionell Beteiligten vergleichbar sind, hat das Oberlandesgericht Celle in einer Entscheidung vom 19. Juni 2003 angenommen.102
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Danach sei eine Nachforschungsobliegenheit anzunehmen, wenn der Erwerber in einer einem Händler vergleichbaren Weise am Rechtsverkehr teilnimmt. Im zugrunde liegenden Fall – für den eine Revision nicht zugelassen wurde – geht es um die Ersitzung historischer Bücher, die aus der Bibliothek einer Abtei abhandengekommen waren. Die Klägerin hat behauptet, die Bücher seien aus ihrer Bibliothek gestohlen, und nicht aus der Bibliothek ausgesondert worden. Die Abtei hat gemeint, der Beklagte habe nicht das Eigentum an den Büchern erworben. Der Erwerber hat über mehrere Jahre hinweg regelmäßig antiquarische Bücher erworben und später weiterveräußert. Der Beklagte bezeichnet sich selbst als Sammler und Liebhaber alter Bücher und hat die in Rede stehenden Exemplare seinerseits im Jahr 1997 einem Auktionshaus zum Zwecke der Versteigerung übergeben. Noch vor der Versteigerung beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft am 10. Oktober 1997 die Objekte. Der Beklagte hat eingewendet, die streitgegenständlichen Bücher schon vor mehr als 15 Jahren erworben zu haben.
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Rückgabeansprüche geltend gemacht werden, in Eigenbesitz gehabt, so wird gesetzlich vermutet, dass sein Eigenbesitz ununterbrochen in der Zwischenzeit bestand. Dann muss der Alteigentümer beweisen, dass der Ersitzungszeitraum unterbrochen war.“ Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 46–48. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 7–11; Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 937. Rdnr. 24–25. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 937, Rdnr. 7–11. OLG Celle, Urteil des 11. Zivilsenats vom 19.06.2003, Az: 11 U 297/02, vorgehend LG Hannover, 16. September 2002, Az: 20 O 6186/00, nachgehend BGH, Az: II ZR 245/03, OLGR Celle 2004, 70–74, Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946 (KirchE) 43, 317–322 (2003).
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Er hat überwiegend ohne Differenzierung nach einzelnen Bänden behauptet, die Bücher in deutschen und tschechischen Antiquariaten erworben zu haben. Der Beklagte führte weiter aus, die Bücher teilweise bereits im Jahre 1988 seiner Ehefrau gezeigt zu haben. Bei Erwerb der Bücher sei er gutgläubig gewesen. Es sei nicht üblich, dass aus Bibliotheken ausgesonderte Bücher entsprechend gekennzeichnet seien. Erwerbsbelege für die abhandengekommenen Werke konnte der Kläger nicht vorlegen. Zudem wiesen die Bücher Bibliotheksstempel beziehungsweise Spuren auf, die auf eine Entfernung oder Manipulation derartiger Zeichen schließen ließen. Aussonderungsstempel der Bibliothek waren in den Büchern nicht enthalten.103 Nachdem ein rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb am Abhandenkommen der Bücher i.S.d. § 935 BGB scheitern musste, war darüber zu entscheiden, ob einem originären Eigentumserwerb im Wege der Ersitzung über § 937 BGB die Bösgläubigkeit des Erwerbers entgegenstand. 46
Das Landgericht Hannover hat in einer Entscheidung vom 16. September 2002 den Beklagten verurteilt, der Herausgabe der in der Anlage zum Urteil genannten Bücher an die Klägerin zuzustimmen und die Widerklage des Beklagten abgewiesen. Es hat der Klägerin einen Anspruch auf Einwilligung des Beklagten in die Herausgabe der streitgegenständlichen Bücher an sie aus §§ 812, 372, 985 BGB zugesprochen, da die Klägerin ihr ursprüngliches Eigentum nicht verloren habe. Der Beklagte könne sich nicht auf die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen, da die Klägerin nachgewiesen habe, dass die streitgegenständlichen Bücher ihr gestohlen wurden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen seien. Es gebe keine Anhaltspunkte für einen Eigentumserwerb an den Büchern durch den Beklagten. Ein Eigentumserwerb in deutschen Antiquariaten scheide wegen § 935 Abs. 1 BGB aus. Auch eine Ersitzung der Bücher sei zu verneinen, denn der Beklagte habe weder einen zehnjährigen ununterbrochenen Eigenbesitz dargelegt, noch sei er im Sinne des § 937 Abs. 2 BGB bei Besitzerwerb in gutem Glauben gewesen.
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Im Rechtsmittelverfahren machte der Beklagte geltend, dass er nicht bösgläubig gewesen sei. Dass die Bücher Merkmale trügen, die auf die Bibliothek der Abtei hinwiesen, sei für sich genommen kein Grund, davon auszugehen, dass die Bücher dem Berechtigten durch eine Straftat entwendet worden seien. Als Sammler träfen den Beklagten keine Nachforschungspflichten hinsichtlich der Herkunft der Bücher und der Beklagte habe seinen guten Glauben nicht durch die Beschlagnahme der Bücher verloren. Das Oberlandesgericht Celle hat den Erwerber im Umgang mit antiquarischen Büchern jedoch einem Händler gleichgestellt, sodass diesen – ebenso wie einen Händler – eine Nachfrage- und Provenienzerforschungsobliegenheit bezüglich der erworbenen Bücher treffe. Der Erwerber habe sich nicht darauf verlassen können, als bloßer Liebhaber alter Bücher, ohne 103
Vgl. zu den tatsächlichen Angaben auch Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 937, Rdnr. 8–9.1.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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Nachfrage über die Herkunft derselben oder eine Aufbewahrung seiner Erwerbsbelege, auf seinen Erwerb zu vertrauen.104 „Die historischen Bücher weisen Bibliotheksstempel und Signaturen auf, die – wie der Sachverständige ausgeführt hat und teils auch für den Laien erkennbar ist – Ausschabungs- und Radierungsspuren bzw. Übermalungsspuren zeigen. Diese Umstände deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass die Bücher der ursprünglich besitzenden Bibliothek abhanden gekommen sein konnten. Hiermit musste der Beklagte beim Erwerb rechnen, zumal gegenüber den ausradierten bzw. abgeschwächten Besitzerstempeln Aussonderungsstempel, die auf eine legale Aussonderung schließen lassen könnten, nicht vorhanden waren. Diese Indizien wertet der Senat im Zusammenwirken damit, dass der Beklagte, obwohl es sich bei den Büchern jeweils nicht um Werke dieses Jahrhunderts, sondern um uralte Stücke handelte, für keines der Bücher Erwerbsbelege einer legalen Erwerbsquelle vorlegen kann, obwohl auch Antiquariate regelmäßig Quittungen über die bei ihnen erworbenen Stücke auszustellen pflegen. Der Senat teilt insoweit auch nicht die Selbsteinschätzung des Beklagten, der meint, dass es ihm als Sammler und bloßem Liebhaber alter Bücher freigestanden hätte, derartige Bücher ohne Nachfrage und Aufbewahrung irgendeiner Erwerbsunterlage zu erstehen. Vielmehr würdigt der Senat die tatsächlichen Umstände des Streitfalles dahin, dass die Rolle des Beklagten jedenfalls derjenigen eines Händlers so nahe steht, dass für ihn eine Nachfrageobliegenheit bezüglich der Herkunft der streitgegenständlichen Bücher ebenso bestanden hätte wie eine Aufbewahrungspflicht bezüglich der Erwerbsunterlagen. Diese Wertung des Senats ergibt sich aus den teils unstreitigen, teils vom Beklagten selbst vorgetragenen Umständen. So hat der Zeuge …, Inhaber des Auktionshauses …, bei seiner Vernehmung 1997 bekundet, … von dem Beklagten nicht nur einmal, sondern über etwa 10 Jahre hin immer wieder Bücher zur Veräußerung erhalten zu haben. Ferner hat der Beklagte selbst vorgetragen, schon 1984 … eine Vielzahl von Büchern zum Verkauf gegeben zu haben. Eine derartige Vielzahl von Verkaufsaufträgen nicht nur bezüglich einzelner Bände deckt sich nicht mit bloßer laienmäßiger privater Sammelei. Das Verschließen der Augen durch den Beklagten gegenüber diesen Merkmalen wertet der Senat als grobe Fahrlässigkeit bzw. bedingten Vorsatz. … Soweit der Beklagte meint, seine Gutgläubigkeit daraus folgern zu können, dass auch der Inhaber des Aktionshauses …, ausweislich seiner Aussage im Strafverfahren nicht erkannt habe, dass die streitgegenständlichen Bücher aus der Bibliothek der Klägerin stammen, ist dem keine durchgreifende Bedeutung zuzumessen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass – hätte der Zeuge etwas anderes bekundet – mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gegen ihn ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wäre. Ein entsprechender Verdacht der Staatsanwaltschaft ergibt sich schon aus den vom Beklagten selbst in Bezug genommenen Verfügungen (vgl. Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft … vom 12. Oktober 1998, GA 308 f.). Die Bekundungen des Zeugen … im Strafverfahren entlasten den Beklagten, der über seine eigenen Erwerbsvorgänge nichts Detailliertes vorträgt, mithin nicht. Aus der Tatsache, dass das Auktionshaus … zur Versteigerung bereit war, kann nicht die Gutgläubigkeit des Beklagten zum Erwerbszeitpunkt hergeleitet werden, denn das Auktionshaus hat die Bücher erst Jahre, nachdem der Beklagte sie erworben haben will, angenommen.“105
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Vgl. Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 937, Rdnr. 8–9.1. OLG Celle, Urteil des 11. Zivilsenats vom 19.06.2003, Az: 11 U 297/02, vorgehend LG Hannover, 16. September 2002, Az: 20 O 6186/00, nachgehend BGH, Az: II ZR 245/03, OLGR Celle 2004, 70–74, Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946 (KirchE) 43, 317–322 (2003).
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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Zu Recht weist Beckmann darauf hin, dass in der Entscheidung des OLG Celle offen bleibe, ob ein Erwerb im Wege der Ersitzung im vorliegenden Fall auch für einen Erwerber ausscheiden würde, der hinsichtlich seiner Erfahrung im Ankauf von Büchern nicht einem Händler gleichgestellt werden könne. Er ist der Meinung, dass sich „für den Erwerb gebrauchter Sachen allenfalls dann eine Nachforschungs- oder Auskunftspflicht annehmen [ließe], wenn der Erwerber konkrete Hinweise auf ein Abhandenkommen besitzt oder kraft seiner Sachkunde bei pflichtgemäßer Prüfung der Sache hätte erkennen können. Spuren, die bei gebraucht erworbenen Sachen auf ein Abhandenkommen hindeuten, sind nur dann von Bedeutung, wenn der Erwerber die erforderliche Sachkunde besitzt, um die vorliegenden Indizien zu erkennen und aus ihnen die zutreffenden Schlüsse zu ziehen. Unabhängig von einer Tätigkeit als Händler ist dies bereits dann anzunehmen, wenn Liebhaber oder Sammler regelmäßig entsprechende Stücke erwerben und deshalb die erforderliche Sachkunde besitzen.“106
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Richtigerweise sollte aber – ebenso wie innerhalb des konkreten Sorgfaltsmaßstabs im Rahmen des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – grundsätzlich und allgemein auch hier vom Bestehen einer Provenienzerforschungsobliegenheit ausgegangen werden, die sich nach einem variablen Sorgfaltsmaßstab entsprechend dem subjektiven Begriff der groben Fahrlässigkeit der deutschen Rechtsordnung bestimmt: Generell sollte innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs von variablen Sorgfaltsanforderungen ausgegangen werden, die nicht nur eine situationsbedingte, sondern auch subjektivierte und an den konkret beteiligten Personen ausgerichtete Determination des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb von Kunstwerken im Einzelfall vornehmen. Dabei sind nicht nur sämtliche tatsächlichen Kriterien, die innerhalb der deutschen Rechtsordnung eine Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen begründen bzw. signifikant auf das Nichteigentum des Veräußerers hinweisen mit in die richtige Taxierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs des Erwerbers, sondern auch die subjektiven, speziell in der Person des Erwerbers liegenden Fähigkeiten miteinzubeziehen, sodass sich für jeden Einzelfall die Frage nach der Einhaltung des jeweiligen Sorgfaltsmaßstabs stellt. Das bedeutet praktisch: Beim Erwerb kulturell unbedeutender und materiell nicht sonderlich wertvoller Kunstwerke durch eine im Kunsthandel unbedarfte Privatperson genügt in aller Regel der Rechtsschein des Besitzes zur Begründung der Gutgläubigkeit. Im Gegensatz hierzu wird bei der Akquisition desselben kulturell eher weniger bedeutsamen und nicht so wertvollen Kulturguts durch eine professionell im Kunsthandel tätige Person der notwendige Sorgfaltsmaßstab nur bei Vorliegen einer Plausibilitätskontrolle innerhalb der Datenbanken unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gewahrt sein. Schließlich ist aber auch von einem im
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Beckmann in Juris Praxis Kommentar BGB – Band 3 Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 937, Rdnr. 8–9.1.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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Kunsthandel unbedarften Laien eine solche Plausibilitätskontrolle als Mindestvoraussetzung zu verlangen, wenn das Kaufobjekt kulturell besonders bedeutsam bzw. wertvoll ist. Für professionell im Kunsthandel tätige Personen genügt bei dem Erwerb solcher kulturell bedeutsamen bzw. wertvollen Objekte die alleinige Prüfung der im Internet zugänglichen Datenbanken zur Begründung der Gutgläubigkeit dementsprechend ohne Zweifel nicht mehr und es sind weitergehende Provenienzerforschungen des Pedigrees des Kulturguts sowie Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Berechtigtenposition des Rechtsvorgängers vorzunehmen.
3.
Sonderproblem: Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers am Beispiel des Bernsteinzimmermosaik-Falles
Die Vorschrift des § 943 BGB gestattet dem Rechtsnachfolger die Besitzzeit des Vorgängers an einem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut auf die eigene Ersitzungszeit anzurechnen (sog. accessio possessionis) und differenziert dabei – im Gegensatz zu der noch im Gemeinschaftsrecht anzutreffenden Unterscheidung – nicht mehr zwischen Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge.107 Es erfolgt somit eine generelle Anrechnung der Besitzzeit des gutgläubigen Rechtsvorgängers an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern.108 Sinn und Zweck der Anrechnung von Vorbesitzzeiten ist der Ausgleich der Situation, dass ohne die Vorschrift des § 943 BGB bei abgeleiteter Rechtsnachfolge im Eigenbesitz jeweils eine neue Ersitzungszeit für den Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beginnen und dabei die mit der Ersitzung beabsichtigte Befriedungswirkung nur unvollkommen erreicht würde. Aus rechtspolitischen Gründen würde es für den Rechtsverkehr (mit Kulturgütern) und den (inter-)nationalen Kunstmarkt insgesamt als ungünstig bewertet, wenn der Fristenlauf sich durch solche Besitzwechsel verlängern würde, da sowohl für den wahren Rechtsinhaber (den ursprünglichen Eigentümer der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter) wie auch für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr weitere Besitzwechsel zufällig sind.109
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Besondere Bedeutung erlangte die Vorschrift des § 943 BGB in der Konstellation des sog. Bernsteinzimmermosaik-Falles.110 Am 13. Mai 1997 beschlagnahmte die
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Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 943, Rdnr. 15. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 943 BGB, Rdnr. 1. Vgl. zum Normzweck des § 943 BGB Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 943, Rdnr. 1–6. Vgl. ausführlich hierzu Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581; Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das Bernsteinzimmer-Mosaik, NJW 1998 (Heft 14),
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Polizei bei fingierten Verkaufsverhandlungen bei einem Notar und Rechtsanwalt in Bremen ein Kunstwerk, das eines von vier florentinischen Marmor-Mosaiken (s. Abb. 19) aus dem berühmten Bernsteinzimmer aus Zarskoje Selo ist und einen Wert von mehreren Millionen US-Dollar hat. Der Verkäufer wollte das Mosaik mit Hilfe des Notars auf dem grauen Kunstmarkt verkaufen. Bei der im Jahre 1941 erfolgten völkerrechtswidrigen Verlagerung des Bernsteinzimmers durch die nationalsozialistischen Plünderungsbehörden, welches Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1717 dem russischen Zaren Peter dem Großen geschenkt hatte, habe der Vater des Verkäufers als einer der mit dem Transport betrauten Soldaten das Mosaik als persönliche Kriegsbeute an sich genommen.111 Der Verkäufer selbst berichtete, dass er das sog. Bernsteinzimmermosaik von Giuseppe Zocchi mit dem Titel ‚Florentinisches Mosaik mit Allegorie des Tast- und Geruchssinns‘ aus dem Jahre 1751 nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1978 auf dem elterlichen Dachboden gefunden hatte und erst nach Ablauf von zehn Jahren über die Herkunft des Kunstwerks informiert worden sei: Erst kurze Zeit vor dem Verkaufsversuch habe er durch eine Fernsehsendung Kenntnis von der Herkunft und dem Wert des Kunstwerks erhalten und somit das Mosaik durch Ersitzung nach § 937 BGB zu Eigentum erworben.112 53
Fraglich war, ob der Verkäufer des Bernsteinzimmermosaiks als gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Besitzers entsprechend den geschilderten Sachverhaltsangaben nach §§ 937 i.V.m. 943 BGB das Eigentum ersitzen konnte. Diese Frage stellt sich nicht nur innerhalb der deutschen Rechtsordnung, sondern allgemein seit Beginn der Provenienzrecherchen hinsichtlich der aufgrund des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter: Es sind zahlreiche Sachverhaltskonstellationen denkbar, in denen kulturelle Wertgegenstände in der genannten Zeit durch den Erblasser unrechtmäßig entzogen bzw. erworben wurden, jedoch weder bei dem Kulturguttransfer noch bei dem späteren Besitzer aufgrund der Bösgläubigkeit ein derivativer Eigentumserwerb nach § 932 BGB oder ein originärer Rechtserwerb aufgrund der Ersitzung nach § 937 BGB eintreten konnte. Da diese Kunstwerke nach dem Tod der Entzieher im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in den Eigenbesitz der über die tatsächlichen Umstände in vielen Fällen unwissenden Erben gelangen und diese die Gegenstände ihrerseits oftmals mehr als zehn Jahre in Eigenbesitz halten, stellt sich nicht nur im Beispiel des Bernsteinzimmermosaik-Falles die Frage nach der
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S. 960–962; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 122–123. Vgl. auch die Berichte der Tagespresse bspw. in der FAZ vom 15., 16., 17., 24., 26. und 30.5.1997; SZ v. 16.5.1997, S. 3; Der Spiegel v. 19.5.1997, S. 3, 34 ff., v. 26.5.1997, S. 198 ff. Vgl. den Bericht der SZ v. 16.5.1997, S. 3. Vgl. zum Sachverhalt: Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das Bernsteinzimmer-Mosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962, S. 960; Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581, S. 2580.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
751
Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers gemäß § 943 BGB. „Rechtsnachfolge“ im Sinne der Vorschrift des § 943 BGB meint grundsätzlich Besitzübergang und liegt vor, wenn der neue Besitzer seinen Besitz von dem früheren ableiten kann.113 Das ist dann der Fall, wenn der neue Besitzer kraft Erbenstellung nach § 857 BGB oder aufgrund einer Einigung nach § 854 Abs. 2 BGB mit dem bisherigen Besitzer den Besitz erhält.114 Die Vorschrift gilt damit für Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge, wobei allerdings nach wohl herrschender Meinung hinsichtlich des guten Glaubens unterschiedliche Anforderungen in beiden Kategorien gestellt werden.115 Das Tatbestandsmerkmal der „Nachfolge“ will die accessio temporis eingrenzen: Die Rechtslage soll innerhalb von zehn Jahren geklärt sein, sofern eventuelle Besitzwechsel auf (tatsächlicher) Übereinkunft des alten und des neuen Besitzers beruhen.116 Ein wirksames Veräußerungsgeschäft oder eine dinglich wirksame Verfügung sind nicht erforderlich, jedoch genügen keine Vorgänge rein wirtschaftlicher Art.117 Nicht nur die erste Übertragung ist erfasst, auch mehrere Rechtsnachfolgen erfüllen nach dem Sinn der Norm jeweils den Tatbestand.118 Die Rechtsnachfolgen müssen sich darüber hinaus im sog. Eigenbesitz i.S.d. § 872 BGB vollziehen, also vom vermeintlichen Eigentümer auf den neuen vermeintlichen Eigentümer (Fremdbesitz belässt die Ersitzungsmöglichkeit zunächst beim früheren Eigenbesitzer).119 Diese beiden Voraussetzungen sind in dem Bernsteinzimmermosaik-Fall ohne Zweifel gegeben: Der Veräußerer des Mosaiks hatte das Kunstwerk im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB von seinem Vater als vermeintlich neuer Eigentümer übernommen.
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Umstritten ist jedoch, ob eine Anwendung des § 943 BGB überhaupt möglich ist, wenn der Erblasser wie in der vorliegenden Situation selbst bösgläubig war, selbst wenn der Erbe und vermeintliche Veräußerer des Bernsteinzimmermosaiks in persona gutgläubig war.
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Vgl. Westermann/Gursky/Pinger, Sachenrecht – Grundlagen und Recht der beweglichen Sachen, 6. Aufl. 1990, § 51 II 3a. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 943 BGB, Rdnr. 2–6. Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 943, Rdnr. 1–6. Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 943, Rdnr. 1–6. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 943 BGB, Rdnr. 2–6. OLG Frankfurt, Urteil des 18. Zivilsenats vom 19.12.1974, Az: 18 U 56/73, MDR 76, 223: Frist für Ersitzung durch Rechtsnachfolger: Sonstiger Orientierungssatz: 1. Auf die zur Ersitzung führende Frist wird nicht nur die Besitzzeit des unmittelbaren Rechtsvorgängers angerechnet, sondern auch die Besitzzeit der entfernteren Rechtsvorgänger des Ersitzenden. Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 943, Rdnr. 1–6.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
a)
E.A.: Keine Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beim gutgläubigen Erben eines bösgläubigen Erblassers
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Hier ist Krämer120 unter Berufung auf die Ausführungen bei Knütel 121 der Rechtsansicht, dass der gutgläubige Erbe des bösgläubigen Erblassers grundsätzlich nicht ersitzen könne, weshalb auch eine Ersitzung des Mosaiks in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation ausscheiden müsse.122 Krämer nimmt in seiner Begründung der Ablehnung der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers zunächst Rekurs auf das römische Recht, das den Erben in dieselbe Erblasserstellung einrücken ließ, die der Erblasser innehatte, und somit bei Bösgläubigkeit des Erblassers auch dem Erben keine Ersitzung erlaubte.
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Die römische usucapio stellte tatsächlich ausschließlich auf den Zeitpunkt des Besitzerwerbs und die in diesem Zeitpunkt vorhandene Gut- oder Bösgläubigkeit des Besitzers ab. Ebenso wenig wie eine spätere Bösgläubigkeit nicht schadete (mala fides superveniens non nocet, welche erst im kanonischen Recht beachtlich wurde) half umgekehrt dem bösgläubigen Besitzer aber auch eine spätere bona fides nicht. Dies hatte zur Folge, dass auch im Moment des Erbfalls keine neue Ersitzungslage des Erben angenommen werden konnte und dieser entweder unbeschadet eigener Bösgläubigkeit die bereits begonnene Ersitzung durch den Erblasser oder aber bei Bösgläubigkeit des Erblassers selbst bei eigener Gutgläubigkeit keinen Eigentumserwerb mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung vollenden konnte. Auch das Beispiel des Bernsteinzimmermosaik-Falles ist als Kategorie einer solchen sog. successio in possessionem zu qualifizieren, sodass vor diesem Hintergrund eine Ersitzung ausgeschlossen sein musste.123 Krämer stützt seine Auffassung auf die erst mit den Beschlüssen der zweiten Kommission zur Erarbeitung des BGB eingeführte Vorschrift des § 857 BGB und
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Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581. Knütel, Bösgläubiger Erblasser – gutgläubiger Erbe, in: Medicus/Mertens/Nörr/Zöllner, Festschrift für Hermann Lange zum 70. Geburtstag, 1992, S. 903–937, S. 903. So auch Schnabel und Tatzkow: „Gelangt die Sache durch ein Erwerbsgeschäft unter Lebenden (Schenkung, Verkauf) in den Eigenbesitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Ersitzungszeit dem Dritten zugute. Die Anrechnung der Ersitzungszeit des Rechtsvorgängers setzt allerdings voraus, dass dieser den Eigenbesitz gutgläubig erworben hatte. Tritt die Rechtsnachfolge gesetzlich oder aufgrund testamentarischer Anordnung ein, wird also der Erwerber Erbe oder ist Vermächtnisnehmer des Verstorbenen, liegt kein Erwerbsgeschäft vor. Der Begünstigte muss sich die Bösgläubigkeit des Verstorbenen anrechnen lassen. Ihm nutzt es nicht, dass er selbst mehr als zehn Jahre die Sache gutgläubig besessen hat. Die Bösgläubigkeit des Verstorbenen wird also dem Erwerber hier angerechnet. Bei Gutgläubigkeit des Verstorbenen kann auch der Erbe sich dessen Besitzzeiten anrechnen lassen.“ Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 46–48. Kaser, Das röm. Privatrecht I, 2. Aufl. 1971, § 101 I 5.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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den Grundsatz „le mort saisit le vif“ („Der Verstorbene bemächtigt sich des Lebenden“), wonach der Besitz unmittelbar mit dem Erbfall so auf den Erben übergeht, wie er beim Erblasser bestand, ohne dass eine tatsächliche Besitzergreifung durch den Erben vonnöten wäre.124 Der historische Wille des Gesetzgebers ergäbe sich daraus, dass die zweite Kommission den die Gesamtrechtsnachfolge betreffenden Absatz der Vorläufervorschriften des § 943 BGB (§§ 857, 858 E2) wegen § 857 BGB als überflüssig gestrichen habe.125 Hinzu käme, dass nach § 858 Abs. 2 S. 2 BGB 126 der Erbe – anders als der Einzelrechtsnachfolger – die Fehlerhaftigkeit im Besitz seines Rechtsvorgängers unabhängig davon gegen sich gelten lassen müsse, ob er sie selbst kannte oder nicht. Dies bedeute, dass nicht nur der Besitz mit dem Erbfall ipso iure auf den Erben übergehe, sondern auch der damit verbundene Kenntnisstand des Erblassers.127 Rechtsdogmatisch lässt sich dementsprechend der Erbe insofern als Repräsentant des Erblassers qualifizieren.128 Mit § 858 Abs. 2 S. 2 BGB existiere eine Norm, die ebenso positivistisch wie § 166 Abs. 1 BGB die Zurechnung des Wissens von einer Person auf eine andere anordne. Die Vorstellung einer Wissenszurechnung sollte im Erbrecht nicht generell schwerer fallen als im Stellvertretungsrecht, sodass eine solche Wissenszurechnung dann aber auch bei § 937 BGB Platz greifen müsse.129 Auch könne die rechtliche Beurteilung hinsichtlich der Gut- oder Bösgläubigkeit nicht neu vorgenommen werden, wenn der Erbe das unrechtmäßig entzogene Kulturgut tatsächlich ergreife, da entsprechend dem römisch-rechtlichen Grundsatz niemand den Grund seines Besitzes eigenmächtig verändern könne, um daraus günstigere Rechtsfolgen für sich herzuleiten: „Quod vulgo respondetur ipsum sibi causam possessionis mutare non posse“.130 „Die Sachergreifung durch den 124 125
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Vgl. Prot. V, S. 650–653, Mugdan V, S. 422. Vgl. Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581, unter Verweis auf Prot. V, S. 654, Mugdan V, S. 423. § 858 Abs. 2 S. 2 BGB: Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muss der Nachfolger im Besitz gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerb kennt. Vgl. Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581. Vgl. Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581, unter Rekurs auf Dernburg, Pandekten III, 7. Aufl. 1903, § 55 I. Vgl. Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581. Vgl. Julian D. 41, 3, 33, 1, zitiert bei Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581. Ebenso BGH, Urteil des 7. Zivilsenats vom 29.10.1959, Az: VII ZR 197/58, BGHZ, 31, 129, WM 1960, 21–25: verschärfte Haftung gem. § 990 Abs. 1 BGB als Folge der Besitzänderung: Schadensersatzanspruch des Eigentümers gegen den Besitzer nach Umwandlung berechtigten Fremdbesitzes in unberechtigten Eigenbesitz: Leitsatz: 1. Der berechtigte Fremdbesitzer, der unberechtigten Eigenbesitz an der Sache ergreift, ist nicht in gutem Glauben im Sinne des BGB
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Erben, der bereits gem. § 857 BGB Besitzer geworden war, ist keine Neubegründung, sondern Ausübung bereits erlangten Besitzes; für die Frage der Gutgläubigkeit gem. § 937 II BGB kann es deshalb nicht auf diesen Zeitpunkt ankommen. Das heißt nicht, daß eine nachträgliche Gutgläubigkeit völlig ausgeschlossen wäre, nur müssen dafür neue Indizien vorliegen. Ebenso wenig wie der bösgläubige Besitzer, der die Sache verlegt hatte und sie Jahre später wiederfindet, dadurch, daß er sie nun, weil er vergessen hat, daß sie ihm nicht gehört, arglos in Eigenbesitz nimmt, eine gutgläubige Ersitzung beginnen kann, kann dies sein Erbe: Weil er in die Rechtsposition des Erblassers einrückt (§§ 1922, 857, 858 II 2 BGB), kann auch seine Sachergreifung die ihm zugerechnete Kenntnis um die Fremdheit der Sache nicht beseitigen. Damit wird nicht durch die Hintertür das – vom BGB nicht aufgestellte – Erfordernis eines Erwerbstitels für die Ersitzung eingeführt, sondern es wird lediglich klargestellt, daß das bloße Fassen eines neuen (arglosen) Eigenbesitzwillens nicht als nachträgliche Gutgläubigkeit honoriert werden kann.“131 59
Für die Konstellation des Bernsteinzimmermosaik-Falles hätte diese Rechtseinschätzung zur Folge, dass der Bremer Verkäufer des florentinischen Mosaiks als gutgläubiger Erbe das Bild nicht ersitzen konnte, „wenn er auf nichts weiter vertraut hatte, als daß der Gegenstand, der sich faktisch im Nachlaß seines Vaters befunden hatte, auch dessen Eigentum gewesen war. Nur wenn sich neue Indizien ergeben würden, die auch seinem Vater zur nachträglichen Gutgläubigkeit verholfen hätten, wäre dies möglich. Dafür liegen aber bisher keine Anhaltspunkte vor und es sind wohl auch keine zu erwarten.“132 Dies hat folgende praktische Konsequenz in der Entscheidung des Falles: Während dem Verkäufer nach der rechtmäßigen Beschlagnahme des Bildes durch die Polizeibehörden dieser Rechtsansicht entsprechend kein Rechtsanspruch auf Herausgabe zusteht, hätte der Besitzer, wäre er selbst an die Öffentlichkeit getreten, die gegen ihn geltend gemachten Ansprüche mit der Einrede der Verjährung abwehren können (wobei die Zeit seit Erlangung des Besitzes durch seinen Vater für ihn gestritten hätte).133
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§ 990 Abs 1 S. 1, wenn er infolge grober Fahrlässigkeit nicht weiß, daß er dem Eigentümer gegenüber zur Umwandlung des Fremdbesitzes in Eigenbesitz nicht befugt ist. Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581. Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581. Vgl. Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers?, NJW 1997, S. 2580–2581.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
b)
A.A.: Ersitzung des gutgläubigen Erben auch bei bösgläubigem Erblasser unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Die überwiegend vertretene Gegenansicht votiert in Konstellationen der vorliegenden Art jedoch vehement für die Möglichkeit der Ersitzung des gutgläubigen Erben auch bei bösgläubigem Erblasser. Schon die 1. BGB-Kommission sprach sich ausdrücklich gegen das bereits im römischen Recht befolgte Prinzip aus, dass auch der bösgläubige Erbe des gutgläubigen Erblassers ersitzen konnte, während der gutgläubige Erbe des bösgläubigen Erblassers nicht ersitzen konnte, und „anerkannte nur eine Anrechnung der bereits zu Lebzeiten des Erblassers verstrichenen Ersitzungszeit (nicht: Besitzzeit) sowie der bis zur Begründung des Eigenbesitzes durch den Erben verstrichenen Zeit, sog. accessio temporis oder possessionis.“134 Die richtige Entscheidung rankt sich um die präzise Bestimmung des Verhältnisses zwischen §§ 943 und 857 BGB und der Bedeutung des Rechtsinstituts des Erbenbesitzes. § 857 BGB setzt ausdrücklich fest, dass der Besitz vererblich ist und im Erbfall in der Gestalt auf den Erben übergeht, in der er beim Erblasser bestand, d.h. als (un-)mittelbarer Fremd- oder Eigenbesitz.135 Diese (gesetzlich fingierte) Besitzerlangung des Erben nach § 857 BGB darf nicht mit der Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Erben i.S. einer Besitzergreifung verwechselt werden und stellt lediglich eine Fiktion mit dem Zweck dar, dem Erben auch schon vor der Besitzergreifung die possessorischen Besitzschutzansprüche sowie den Schutz aus § 935 BGB zu gewähren.136 Deshalb folgert Finkenauer überzeugend, dass weder dem Wortlaut des § 857 BGB noch dessen Entstehungsgeschichte aus den Protokollen der 2. Kommission Anhaltspunkte dafür zu entnehmen seien, dass nach dem entsprechenden gesetzgeberischen Willen die Gut- bzw. Bösgläubigkeit des Erblassers ebenfalls ‚vererbt‘ würde: 137
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Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das Bernsteinzimmer-Mosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962, S. 960, unter Berufung auf Mot. bei Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB III, SachenR, ND 1979, S. 97: „ … so bildet die eingetretene mala fides des Erblassers kein Hinderniß [sc. für die Ersitzung] für den in den Besitz der Sache gelangenden Erben, wie solches im gemeinen Recht … angenommen wird“. Zum Ganzen auch Knütel, Bösgläubiger Erblasser – gutgläubiger Erbe, in: Medicus/Mertens/ Nörr/Zöllner, Festschrift für Hermann Lange zum 70. Geburtstag, 1992, S. 903–937, S. 910– 912. Vgl. Ebenroth/Frank, Die Übertragung des Besitzes vom Erblasser auf den Erben, JuS 1996, S. 794–802, S. 794; Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das Bernsteinzimmer-Mosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962, S. 961–962. Vgl. Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das BernsteinzimmerMosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962, S. 961–962. Zuvor so bereits schon Baron, Das Erbrecht in dem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das deutsche Reich, Archiv für die civilistische Praxis (AcP), 75 (1889), S. 177–280, S. 265. Vgl. Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das BernsteinzimmerMosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962, S. 961–962.
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756
4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
61
„Ein Zusammenhang von Vererblichkeit des Besitzes und successio ist auch historisch nicht zu begründen: Das römische Recht kannte, zumindest bei den sog. heredes extranei, eine Vererblichkeit des Besitzes nicht, gleichwohl aber die successio. Es ist daher auch nicht dem Regelungszusammenhang zu entnehmen, daß mit Aufstellung des Prinzips der Vererblichkeit des Besitzes per se die successio anerkannt worden wäre. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die Ansicht Krämers und Knütels einer sicheren Grundlage im Wortlaut oder in den Materialien zu § 857 BGB entbehrt, die Norm daher keine über ihren Wortlaut hinausreichende Bedeutung hat.“138
62
Entscheidend spricht jedoch für die Möglichkeit der Ersitzung des gutgläubigen Erben auch bei bösgläubigem Erblasser, dass der gutgläubige Erbe nicht schlechter als jeder gutgläubige Rechtsnachfolger innerhalb des § 943 BGB stehen darf. Da kein qualitativer Unterschied zwischen einerseits der umstrittenen Sachverhaltskonstellation, dass der gutgläubige Erbe das Mosaik nach dem Erbfall auf dem Dachboden des Vaters findet, und andererseits derjenigen Situation ersichtlich ist, dass ihm der Vater das Mosaik (möglicherweise unmittelbar vor seinem Tod) rechtsgeschäftlich übereignet und der Besitzer sodann – ohne jegliche rechtliche Zweifel – nach Ablauf von zehn Jahren gutgläubig das Eigentum an dem Mosaik ersitzt, müssen beide Fallkonstellationen aus Wertungsgründen gleich behandelt werden und eine Ersitzung des gutgläubigen Erben muss auch bei bösgläubigem Erblasser anerkannt werden. Darüber hinaus stützt Finkenauer seine zutreffende Rechtseinschätzung innerhalb der Konstellation des Bernsteinzimmermosaiks auf zwei weitere Argumente: Zum einen gebiete die ratio legis des § 937 BGB auch in Fällen eines gutgläubigen Erben eines bösgläubigen Erblassers, dass der Rechtsverkehr ein Interesse an Rechtsklarheit hat, „nämlich daran, daß der redliche Besitzer nach zehn Jahren Eigentümer wird.“139 Zum anderen bestünde die Notwendigkeit, ein nutzloses nudum ius, das sich wegen der Verjährung des Herausgabeanspruchs nach Ablauf der 30-jährigen Zeitspanne schließlich ergeben würde, durch eine Applikation des Rechtsinstituts der Ersitzung zu vermeiden.140
c) 63
Ergebnis der unterschiedlichen Rechtseinschätzungen
Über das sog. Bernsteinzimmermosaik von Giuseppe Zocchi aus dem berühmten Bernsteinzimmer hinaus wurde zum nahezu gleichen Zeitpunkt eine Kommode (s. Abb. 20), die sich vor der nationalsozialistischen Verlagerung des Bernsteinzimmers als Möbelstück in dem Gesamtkunstwerk befand, von einem Leipziger Restaurator identifiziert, der sich nach der Veröffentlichung von Fotos erinnerte, sie in den siebziger Jahren restauriert zu haben. Die Kommode sei dann über die 138
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Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das Bernsteinzimmer-Mosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962, S. 961–962. So Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das BernsteinzimmerMosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962, S. 961–962. Vgl. Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das BernsteinzimmerMosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962, S. 961–962.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
757
Abteilung für Devisenbeschaffung der ehemaligen DDR an eine Westberlinerin verkauft worden, die die Kommode bis 1997 in gutgläubigem Eigenbesitz hatte. Im Gegensatz zu dem Steinmosaik bestehen im Falle der Kommode keine Zweifel daran, dass die Berlinerin rechtmäßige Eigentümerin aufgrund des Ersitzungstatbestandes des § 937 BGB geworden ist.141 Nachdem die russische Regierung von der Bundesrepublik Deutschland die Rückgabe des Steinmosaiks und der Kommode gefordert hatte, hat Deutschland am 29.4.2000 im Rahmen einer Russlandreise des Kulturstaatsministers Naumann das Steinmosaik und die Kommode trotz Ersitzung an Russland zurückgegeben und im Gegenzug 101 Bremer Zeichnungen und Druckgrafiken zurückerhalten.
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Zusammenfassend lässt sich für die Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers und die Anrechnung der Besitzzeit Folgendes feststellen: Eine Unterscheidung ist zwischen der Einzelrechtsnachfolge unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der Gesamtrechtsnachfolge vorzunehmen. Einzelrechtsnachfolge erfordert qualifizierten guten Glauben beim Erwerber, sodass solche Zweifel, die sich erst aus der Person des Veräußerers ergeben, zu seinen Lasten gehen. Der Dritte muss – ebenso wie innerhalb des rechtsgeschäftlichen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – das Eigentum des Veräußerers prüfen, wobei Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit des Übertragungsgeschäfts grobe Fahrlässigkeit des Erwerbers begründen und damit die Anrechnung der Besitzzeit ausschließen können.142 Anderes gilt für die Gesamtrechtsnachfolge. Voraussetzung für eine Anrechnung der Besitzzeit des Rechtsvorgängers nach § 943 BGB ist, dass sowohl der Erblasser als auch der Erbe gutgläubige Eigenbesitzer sind.143 War der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls im Hinblick auf seine Berechtigung an der Sache nicht gutgläubig i.S.d. § 937 Abs. 2 BGB, kommt die verstrichene Ersitzungszeit dem Erben nicht zugute. Die Voraussetzungen des § 937 – insbesondere der gute Glaube – müssen bereits in der Person des Besitzvorgängers gegeben sein. Der Rechtsvorgänger muss Eigenbesitz an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut gehabt und an sein Eigentum an der Sache geglaubt haben. Der Erbe kann aber – nach umstrittener Rechtsansicht, vgl. den Bernsteinzimmermosaik-Fall – eine neue Ersitzung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter beginnen, sofern er bei Inbesitznahme des Nachlasses gutgläubig i.S.d. § 937 Abs. 2 BGB gewesen ist.144
65
141 142
143 144
Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 122–123. Vgl. Baldus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 943, Rdnr. 8–14. Vgl. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 943 BGB, Rdnr. 2–6. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 53 Rz 89; Ebbing in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 943 BGB, Rdnr. 4; Finkenauer, Gutgläubi-
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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Darüber hinaus muss aber auch der Rechtsnachfolger gutgläubig sein, damit eine Anrechnung der Besitzzeit des Erblassers erfolgen kann. Gutgläubig ist der Erbe nur dann, wenn er an die Berechtigung des Erblassers und an seine eigene Berechtigung an der Sache glaubt.145 Grob fahrlässige Unkenntnis des Erben von der Nichtberechtigung des Erblassers oder seiner eigenen Nichtberechtigung an der Sache führt zur Bösgläubigkeit i.S.d. § 937 BGB und im Ergebnis dazu, dass dem Erben die zugunsten des Erblassers verstrichene Ersitzungszeit nicht zugute kommt.146 Für die Gutgläubigkeit des Erben i.S.d. § 937 Abs. 2 BGB beim Erwerb von Todes wegen gelten die allgemeinen Ausführungen auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs. Es ist zwischen dem Erwerb des Eigenbesitzes nach § 857 und dem Erwerb der tatsächlichen Sachherrschaft nach § 854 BGB zu unterscheiden:
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„Besonderheiten bestehen für den Erwerb des Eigenbesitzes von Todes wegen. Der Erbe tritt gem § 857 BGB kraft Gesetzes in den Besitz des Erblassers ein, ohne daß er hierfür tatsächliche Sachherrschaft erlangen muß. Die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft i.S.d. § 854 folgt in der Regel erst später nach, wenn der Erbe den Nachlaß in Besitz nimmt. Diese Konstruktion hat Einfluß auf den Zeitpunkt, zu dem der Erbe hinsichtlich seiner Berechtigung gutgläubig sein muß. Zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs kraft Gesetzes gem § 857 hat der Erbe i.d.R. noch keine Möglichkeit, sich eine Vorstellung von seiner Berechtigung an der Sache zu machen; häufig wird er nicht einmal um seine Erbschaft oder die Existenz der Sache als Teil des Nachlasses wissen. Die zugunsten des Erblassers begonnene Ersitzungsfrist läuft daher zu seinen Gunsten weiter, sofern er nicht ausnahmsweise um die Zugehörigkeit der Sache zum Nachlaß weiß und bösgläubig ist. Nimmt der Erbe den Nachlaß nachfolgend in Besitz, muß er aber auch zu diesem Zeitpunkt noch gutgläubig sein. Nur unter dieser weiteren Voraussetzung kommt ihm die verstrichene Ersitzungszeit zugute; – ist der Erbe bösgläubig, wird die Ersitzung mit Inbesitznahme der Erbschaft unterbrochen. Sollte die Ersitzungsfrist zum Zeitpunkt der Inbesitznahme des Nachlasses bereits abgelaufen sein, vermag eine dann bestehende Bösgläubigkeit des Erben den Eigentumserwerb durch Ersitzung allerdings nicht mehr zu verhindern. Der Erbe kann also in Unkenntnis seines Erbrechts und ohne eigene tatsächliche Sachherrschaft die Ersitzung vollenden.“147
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ger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das Bernsteinzimmer-Mosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962, S. 960. Krämer, Bernsteinzimmer-Mosaik: Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers, NJW 1997, S. 2580–2581, S. 2580; Knütel, Bösgläubiger Erblasser – gutgläubiger Erbe, in: Medicus/Mertens/Nörr/Zöllner, Festschrift für Hermann Lange zum 70. Geburtstag, 1992, S. 903–937, S. 903. Vgl. Ebbing in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 943 BGB, Rdnr. 4. Vgl. Ebbing in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 943 BGB, Rdnr. 4. Ebbing in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 943 BGB, Rdnr. 4.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
4.
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Beweislastverteilung bei der Bestimmung der Gutgläubigkeit
Zusammenfassend gilt: Dass ein von gutem Glauben getragener Eigenbesitz auch beim Rechtsnachfolger vorliegen muss, bedeutet für die Erbschaft unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als wichtigsten Anwendungsfall der Rechtsnachfolge im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr Folgendes: War bereits der Erblasser zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bösgläubig, scheidet eine Anrechnung der Zeit des Erblasserbesitzes generell aus. Die Bösgläubigkeit des Erblassers erstreckt sich vor tatsächlicher Inbesitznahme des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts i.S.d. § 854 nach § 857 BGB auf den Eigenbesitz.148 Zugleich schadet dem Erben auch seine eigene Bösgläubigkeit während dieser Zeit, selbst wenn der Erblasser zuvor gutgläubig war. Erlangt der Erbe in der Folge selbst die tatsächliche Sachherrschaft über das unrechtmäßig entzogene Kulturgut i.S.d. § 854 BGB, wird seine Gutgläubigkeit von diesem Zeitpunkt an bestimmt und es beginnt bei Gutgläubigkeit der Lauf der Ersitzungszeit.149 In dem Fall, dass der Erblasser der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter selbst als gutgläubig i.S.d. § 937 Abs. 2 BGB zu qualifizieren ist, läuft die bereits begonnene Ersitzungszeit des Erblassers zugunsten des Erben der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter weiter und Bösgläubigkeit ist nur bei positiver Kenntnis des Erben hinsichtlich seiner Nichtberechtigung an dem zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgut anzunehmen.
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Dementsprechend konnte das im Jahre 1941 von dem Erblasser unrechtmäßig entzogene Bernsteinzimmermosaik von dem Erben als gutgläubigem Eigenbesitzer nach dem Ablauf einer zehnjährigen Zeitspanne nach § 937 BGB zu Eigentum ersessen werden, wenn dieser gutgläubig war. Entgegen der Rechtseinschätzung Finkenauers
69
– dieser ging davon aus, dass ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei dem Mosaik aus dem Bernsteinzimmer um ein kulturhistorisch wertvolles Objekt handelt, der gute Glaube nach dem ausdrücklichen Wortlaut § 937 Abs. 2 BGB vermutet wird150 –
besteht aufgrund der Annahme einer Provenienzerforschungsobliegenheit gegenüber kulturellen Wertgegenständen und der Notwendigkeit von Verifizierungsanstrengungen hinsichtlich der eigenen Eigentümerstellung jedoch keine Vermutung der Gutgläubigkeit und der Eigenbesitzer muss seine Gutgläubigkeit hinsichtlich der eigenen Rechtsposition somit nachweisen. Wenn innerhalb des Ersitzungstatbestandes kultureller Wertgegenstände nach § 937 BGB keine speziellen Nachforschungsbemühungen des Eigenbesitzers hinsichtlich der eigenen Eigentümerposition unternommen werden, kann entsprechend dem richtig ver148
149 150
Vgl. die kulturgüterunspezifischen Ausführungen bei Ebbing in Erman – Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 11. Aufl. 2004, § 943 BGB, Rdnr. 2 m.w.N. Bassenge in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl. 2008, § 943 Rdnr. 2. Vgl. Finkenauer, Gutgläubiger Erbe des bösgläubigen Erblassers – Das BernsteinzimmerMosaik, NJW 1998 (Heft 14), S. 960–962, S. 961–962.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
standenen Sorgfaltsmaßstab der gute Glaube nicht vermutet und der Eigenbesitzer nicht als gutgläubig bezeichnet werden. Hofft der Eigenbesitzer lediglich, dass er auch der Rechtsinhaber geworden ist und die Eigentümerstellung innehat, ist grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der eigenen Rechtsstellung anzunehmen und ein originärer Erwerb ausgeschlossen. Somit steht auch hier der Eigenbesitzer kultureller Wertgegenstände zunächst unter dem Generalverdacht der Bösgläubigkeit und hat aufgrund der Provenienzerforschungsobliegenheit hinsichtlich des Kulturguts und der Notwendigkeit von Verifizierungsanstrengungen hinsichtlich der eigenen Eigentümerstellung seine Gutgläubigkeit nachzuweisen. Es gelten die Ausführungen und Begründungen zur Beweislastverteilung bei der Bestimmung der Gutgläubigkeit beim rechtsgeschäftlichen Erwerb mutatis mutandis.
B.
70
Ersitzung innerhalb der Schweizer Rechtsordnung und die Besonderheiten nach dem Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003
Auch innerhalb der Schweizer Rechtsordnung bietet das Rechtsinstitut der Ersitzung im (inter-)nationalen Kunsthandel die Möglichkeit, einen aufgrund einer unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände fehlgeschlagenen derivativen gutgläubigen Eigentumserwerb zu ersitzen, indem das Auseinanderfallen von tatsächlicher und rechtlicher Herrschaft nach einer bestimmten Zeit behoben wird und der Ersitzende originär das Eigentum an den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern erwirbt. Die Ersitzung gelangt innerhalb der Schweizer Rechtsordnung im Bereich des Kulturgüterverkehrs zunächst in solchen Fällen zur Anwendung, in denen eine kulturelle Transferleistung ohne Rechtsgrund erfolgte, d.h. wenn die kulturelle Transferleistung nicht zustande gekommen, nichtig oder mit Erfolg angefochten worden ist. Besondere Bedeutung erlangen jedoch vornehmlich solche Konstellationen, in denen der Besitz an zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern aufgrund einer Universalsukzession oder eines anderen besonderen Rechtsverhältnisses erworben wurde, ohne dass der Rechtsvorgänger einen Rechtstitel innehatte. Hierzu zählen bspw. die im Kunstrecht bekannten Sachverhalte, dass der Dieb ein gestohlenes Kulturgut bis zu seinem Tod verwahrte und nun dieses Kunstwerk in den Besitz seines gutgläubigen Erben gelangt. Eher unbedeutend für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr ist die dritte Variante der Applikation des Rechtsinstituts der Ersitzung, wonach sich der Ersitzer ohne Rechtsgeschäft irrtümlich als Besitzer einer fremden oder vermeintlich herrenlosen Sache ausgibt.151 Das Rechtsinstitut der Ersitzung ist 151
Vgl. ohne konkreten Bezug zum Kulturgüterverkehr auch Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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innerhalb des Schweizer Zivilgesetzbuches in Art. 728 geregelt. Für die Rechtslage vor der kulturgüterspezifischen Änderung des Art. 728 im Speziellen und das Schweizer Zivilrecht im Generellen wies Borodkin ausdrücklich darauf hin, dass in der Schweiz an illegal transferierten Kulturgütern, die für fünf Jahre in einem Bankfach deponiert wurden, der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft über die Güter auch das Eigentum erlangte, vorausgesetzt, dass dieser nicht selbst der Dieb war. Aus diesem Grund wurde die Schweiz nicht selten als favorisiertes Transitland innerhalb der Kette des illegalen Kunsthandels beschrieben.152 Seit Erlass des Art. 32 Ziff. 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003, in Kraft seit 1. Juni 2005, gelten für Kulturgüter jedoch spezielle Regeln, die diese besondere Klasse beweglicher Gegenstände aufgrund der außergewöhnlichen sozio-kulturellen Bedeutung aus den allgemein für Mobilien geltenden Rechtsregeln herausheben und denen für die Fortentwicklung des Rechts des internationalen Kulturgüterschutzes besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Art. 728 ZGB: VII. Ersitzung: (1) Hat jemand eine fremde bewegliche Sache ununterbrochen und unangefochten während fünf Jahren in gutem Glauben als Eigentum in seinem Besitze, so wird er durch Ersitzung Eigentümer. … (1ter) Unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen beträgt die Ersitzungsfrist für Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 30 Jahre.153 (2) Unfreiwilliger Verlust des Besitzes unterbricht die Ersitzung nicht, wenn der Besitzer binnen Jahresfrist oder mittels einer während dieser Frist erhobenen Klage die Sache wieder erlangt. (3) Für die Berechnung der Fristen, die Unterbrechung und den Stillstand der Ersitzung finden die Vorschriften über die Verjährung von Forderungen entsprechende Anwendung.
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Innerhalb der Schweizer Rechtsdogmatik liegt das Verhältnis des originären gutgläubigen Eigentumserwerbs über Art. 728 zu dem derivativen gutgläubigen Eigentumserwerb nach Art. 934 ZGB nicht offen zu Tage. Beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter könnte aufgrund der übereinstimmenden Fristen von Art. 934 Abs. 1 und Art. 728 Abs. 1 ZGB (beide fünf Jahre) einerseits gefolgert werden, dass der gutgläubige Fahrniserwerb erst durch Ersitzung nach Art. 728 Abs. 1 ZGB eintritt. Andererseits wird der Standpunkt vertreten, dass gestohlene oder unfreiwillig abhandengekommene Kulturgüter nicht nach Art. 728 ZGB ersessen werden könnten, sondern unter Art. 934 ZGB fallen würden. Zudem sei
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So bspw. Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 387. Art. 2 Abs. 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 (Eingefügt durch Art. 32 Ziff. 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003, in Kraft seit 1. Juni 2005, SR 444.1): Als Kulturgut gilt ein aus religiösen oder weltlichen Gründen für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft bedeutungsvolles Gut, das einer der Kategorien nach Artikel 1 der UNESCO-Konvention 1970 angehört.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Art. 934 ZGB als lex specialis zu Art. 728 ZGB zu sehen.154 Die gutgläubige Ersitzung und der gutgläubige Erwerb unrechtmäßig entzogener und damit abhandengekommener Kulturgüter nach Ablauf der fünfjährigen Verwirkungsfrist unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten und stehen damit nebeneinander (sodass derjenige, der bereits nach Art. 934 ZGB erworben hat, sich nicht mehr auf das Rechtsinstitut der Ersitzung und einen originären Eigentumserwerb zu berufen braucht):155 73
Rechtskonstruktiv ist im Gegensatz zu der derivativen bona fide-Akquisition nach Art. 934 ZGB für die Ersitzung ein gültiges Verpflichtungsgeschäft nicht erforderlich, und die fehlende causa bildet gerade einen typischen Anwendungsfall dieser Erwerbsart.156 Ein wesentlicher Unterschied zwischen Art. 934 ZGB und Art. 728 ZGB besteht darüber hinaus in dem Zeitpunkt, an dem die Fristen zu laufen beginnen. Während im Falle des derivativen gutgläubigen Erwerbs i.S.d. Art. 934 ZGB der Fristenlauf beim Besitzverlust durch die unrechtmäßige Kulturgutentziehung beginnt, startet innerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 728 ZGB der Fristenlauf beim Besitzerwerb durch den gutgläubigen Ersitzenden.157 Daher ist für den gutgläubigen derivativen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach Art. 934 Abs. 1 ZGB ohne Bedeutung, wie lange der Erwerber die Sache selbst besessen hat, sofern er zum Zeitpunkt des Fristablaufs gutgläubig ist. „Würde der Eigentumserwerb an einer abhanden gekommenen Sache nur über die Ersitzung derselben zugelassen, würde dies oftmals dazu führen, dass zwar die Besitzrechtsklage nicht mehr zulässig ist, da die fünfjährige Verwirkungsfrist bereits abgelaufen ist, der Besitzer aber noch keinen fünfjährigen gutgläubigen Eigenbesitz hat, beziehungsweise sich den Besitz eines vorhergehenden Besitzers nicht anrechnen lassen kann. Dieser Auffassung folgend müsste die Vindikation auch nach Ablauf der fünfjährigen Verwirkungsfrist zugelassen werden, da der Besitzer mangels Ersitzung noch nicht den Erwerb des Eigentums geltend machen kann.“158 Vor diesem Hintergrund kann der Erwerb des Eigentums an unrechtmäßig entzogenen und abhandengekommenen Kultur-
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Vgl. die Darstellung dieser Meinung bei Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84 m.w.N. Vgl. ausführlich hierzu Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter » Kunstgegenstände, 2004, S. 204–205; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter » Kunstgegenstände, 2004, S. 204–205. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79– 84. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter » Kunstgegenstände, 2004, S. 204–205.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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gütern nach Ablauf der Verwirkungsfrist des Art. 934 ZGB nicht mit dem originären Eigentumserwerb mittels Ersitzung nach Art. 728 ZGB gleichgesetzt werden. Im Ergebnis erfolgt somit eine deutliche Einschränkung des Anwendungsbereichs des Rechtsinstituts der Ersitzung durch die Möglichkeit des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, da der Erwerber im Falle des Erwerbs eines anvertrauten Kulturguts bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen unmittelbar und im Falle des Erwerbs eines abhandengekommenen Kulturguts nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt des Abhandenkommens und somit regelmäßig vor Ablauf der Ersitzungsfrist Eigentümer des illegal transferierten Kulturguts wird.159 Es bleibt somit festzuhalten, dass der Eigentumserwerb an unrechtmäßig entzogenen und damit abhandengekommenen Kulturgütern regelmäßig vor oder gleichzeitig mit jenem der Ersitzung stattfindet, da die fünfjährige, nicht der Unterbrechung unterliegende Verwirkungsfrist des Art. 934 Abs. 1 ZGB ab dem Zeitpunkt des Abhandenkommens zu laufen beginnt und nicht ein fünfjähriger Eigenbesitz nach Art. 728 BGB erforderlich ist.160 Sind die Voraussetzungen für eine Ersitzung erfüllt, erwirbt der Ersitzende originär das Eigentum an der Sache, womit dasjenige des vormals Berechtigten ipso iure untergeht.161 An den gegenständlichen Anwendungsbereich der Ersitzung werden besondere Anforderungen gestellt, da nicht sämtliche beweglichen Objekte verkehrsfähig und damit auch nicht ersitzungsfähig sind. Nach Art. 3 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003 sind die im Bundesverzeichnis aufgeführten Kulturgüter unersitzbar (Extrakommerzialität Schweizer Kulturgüter). Keinen Schutz genießen jedoch die Kunstwerke, die in einem kantonalen Verzeichnis vermerkt sind und mit der Datenbank des Bundes i.S.d. Art. 4 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20.Juni 2003 verbunden worden sind.162 „Die Hilfestellung von Art. 4 KGTG bezieht sich nur auf die besseren Kontrollmöglichkeiten der betreffenden kantonalen Kulturgüter an den schweizerischen Grenzen. Die Unersitzbarkeit muss folglich für registrierte kantonale Objekte aufgrund der kantonalen Kulturgüterhoheit gemäss Art. 69 Abs. 1 BV ausdrücklich in einem kantonalen Erlass geregelt werden.“163
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Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter » Kunstgegenstände, 2004, S. 204–205. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter » Kunstgegenstände, 2004, S. 204–205. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter » Kunstgegenstände, 2004, S. 204–205. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79– 84. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Weiterhin muss der Ersitzende das unrechtmäßig entzogene Kulturgut „als Eigentum in seinem Besitze“ halten (sog. Ersitzungsbesitz). Der Eigenbesitzwille i.S.d. Art. 930 ZGB164 – der sog. animus domini – wird als objektives Tatbestandsmerkmal der Ersitzung vermutet. Zentrale Voraussetzung eines originären Eigentumserwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ist auch innerhalb der Schweizer Rechtsordnung die temporale Komponente: Um eine bewegliche Sache ersitzen zu können, ist ein fünfjähriger ununterbrochener und unangefochtener gutgläubiger Eigenbesitz erforderlich, wobei der gute Glaube nicht nur zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs, sondern während der ganzen Ersitzungsdauer vorliegen muss.165 Nur im Falle des ebenfalls zur Ersitzung berechtigenden Besitzes des gutgläubigen Rechtsvorgängers kann die von diesem bereits erfüllte Besitzzeit angerechnet werden. Für die Berechnung der Ersitzungsfrist, deren Unterbrechung und Stillstand finden die Bestimmungen über die Verjährung von Forderungen entsprechende Anwendung.166 Darüber hinaus muss der Ersitzende während der Ersitzungszeit gutgläubig sein und keine Kenntnis hinsichtlich der Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Natur besitzen, die den Eigentumserwerb verhindern können. Nach Art. 3 ZGB wird der gute Glaube grundsätzlich vermutet,167 sodass die Beweislast für das allfällige Nichtvorhandensein dieser Voraussetzung beim Prozessgegner liegt.168 Sowohl grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf die Unkenntnis als auch Kenntnis von der fehlenden eigenen Berechtigung schließen einen originären Eigentumserwerb unrechtmäßig entzogener
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Art. 930 ZGB: II. Rechtsschutz: 1. Vermutung des Eigentums: (1) Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei. (2) Für jeden früheren Besitzer besteht die Vermutung, dass er in der Zeit seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen ist. „Gemäss Art. 728 Abs. 1 ZGB beträgt die Ersitzungsfrist fünf Jahre. Nach Art. 920 Abs. 2 ZGB braucht jedoch der Ersitzungsbesitzer den Besitz nicht unbedingt unmittelbar auszuüben. Bedeutend ist, dass die Dauer nicht unterbrochen wird, was nach Art. 728 Abs. 2 ZGB auch bei unfreiwilligem Verlust und Wiedererlangung der Sache oder Klageerhebung innert Jahresfrist angenommen wird. Massgebend sind die Normen des Obligationenrechts (Art. 127 ff., Art. 132 Abs. 2 i.V.m. Art. 77 f. OR sowie Art. 586 Abs. 2 ZGB) für die Berechnung, Unterbrechung und des Stillstandes der Ersitzung (Art. 728 Abs. 3 ZGB). Während der Ersitzungsdauer darf der Ersitzungsbesitz nicht angefochten werden. Eine gültige Anfechtung besteht ab dem Moment, in dem auf dem Rechtsweg ein besseres Recht an der Sache mit Erfolg geltend gemacht werden kann. Blosser Widerspruch eines Besserberechtigten unterbricht die Ersitzung nicht, kann aber zur Folge haben, dass der gute Glaube widerlegt wird und eine Ersitzung nicht stattfindet.“ Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84. Vgl. Wieser, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage – Unter besonderer Berücksichtigung der Rückforderung « entarteter » Kunstgegenstände, 2004, S. 204–205. Art. 3 ZGB: II. Guter Glaube: (1) Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten. (2) Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79– 84.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
765
Kulturgüter aus. „Liegt Bösgläubigkeit vor, kann der Erwerber die Sache nicht ersitzen. Er hat die Sache dem ursprünglichen Eigentümer jederzeit herauszugeben (Art. 940 ZGB). Dies ist auch der Fall, wenn zu Beginn der gute Glaube fehlt, jedoch später durch ein anderes vermeintliches Rechtsverhältnis sich einstellt.“169 Im Gegensatz zu den Rechtsordnungen Frankreichs, Italiens und Österreichs, in denen der Grundsatz mala fide superveniens non nocet gilt, erfolgt innerhalb des Anwendungsbereichs des Schweizer ZGB keine Ersitzung, wenn der Erwerber beim Abschluss des Rechtsgeschäfts gutgläubig war, jedoch vor Zeitablauf seinen guten Glauben verloren hat.170 Innerhalb der Schweizer Zivilrechtsordnung bestehen jedoch in Art. 728 Abs. 1 ter ZGB kulturgüterspezifische Besonderheiten bei dem originären Eigentumserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Besondere Regeln bestehen nach Art. 728 Abs. 1 ter ZGB für die nicht eingetragenen Kulturgüter des Bundes, alle Kulturgüter der Kantone, alle Kulturgüter in privater Hand inländischer oder im Inland wohnhafter Eigentümer und, nach dem in Art. 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987 (Stand am 1. Januar 2008)171 normierten Grundsatz der lex rei sitae, für die ausländischen Kulturgüter, die im Inland gelegen sind und deren Ersitzung nach inländischem Recht erfolgt.172 Für solche Kulturgüter (im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003), die aus religiösen oder weltlichen Gründen für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft als bedeutungsvolle Gegenstände zu qualifizieren sind und einer der Kategorien nach Art. 1 der UNESCO-Konvention aus dem Jahre 1970 angehören, beträgt nach Art. 728 Abs. 1 ter ZGB unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen die Ersitzungsfrist entgegen der allgemeinen Regelung nicht fünf, sondern 30 Jahre.173
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Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79– 84. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79– 84. Art. 100 Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987 (Stand am 1. Januar 2008): 2. Bewegliche Sachen: a. Grundsatz: (1) Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an beweglichen Sachen unterstehen dem Recht des Staates, in dem die Sache im Zeitpunkt des Vorgangs, aus dem der Erwerb oder der Verlust hergeleitet wird, liegt. (2) Inhalt und Ausübung dinglicher Rechte an beweglichen Sachen unterstehen dem Recht am Ort der gelegenen Sache. So Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84. Art. 1 UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970: For the purposes of this Convention, the term ‘cultural property’ means property which, on religious or secular grounds, is specifically designated by each State as being of importance for
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Abweichend von den allgemeinen Regelungen für bewegliche Gegenstände im Generellen erfolgte somit zum Schutz der besonderen Klasse kultureller Wertgegenstände eine Erhöhung der Ersitzungsfrist auf 30 Jahre, die nur durch eine gesetzliche Ausnahmeregelung durchbrochen werden kann. „Im Vergleich mit dem Ausland und in der Praxis hat sich erwiesen, dass die ursprünglich vorgeschriebene fünfjährige Ersitzungsfrist zu kurz ist. Es bedarf einer Anpassung an die internationalen Standards. Somit kann während 30 Jahren ein im In- oder Ausland gestohlenes, oder sonst wie gegen den Willen des Eigentümers abhanden gekommenes Kulturgut von einem gutgläubigen Erwerber jederzeit zurückverlangt werden. Auch archäologische oder paläontologische Objekte im Staatseigentum fallen unter diese Regelung. Die Fristerhöhung scheint gerechtfertigt im Vergleich zu ausländischen Vorschriften sowie im Zusammenhang mit der globalen Bekämpfung des organisierten Verbrechens.“174 Die 30-jährige Ersitzungsfrist besteht jedoch nur unter dem Vorbehalt sonstiger gesetzlicher Bestimmungen. Hierfür sind zwei Beispiele innerhalb des Kulturgüterverkehrs bekannt, wonach aus kulturpolitischen Gründen eine Präklusion des Herausgabeanspruchs generell abgelehnt wird: Zu dem gesetzlichen Vorbehalt gehören etwa Art. 20 des Bundesgesetzes über die Archivierung vom 26. Juni 1998 sowie Art. 3 Abs. 2 lit. a des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003, welche keine temporale Präklusion der Berechtigtenstellung vorsehen. Die im Schweizer Bundesverzeichnis eingetragenen Kulturgüter des Bundes, die als res extra commercium zu qualifizieren sind und somit aufgrund ihrer fehlenden Verkehrsfähigkeit außerhalb des gegenständlichen Anwendungsbereichs des Ersitzungstatbestan-
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archaeology, prehistory, history, literature, art or science and which belongs to the following categories: (a) Rare collections and specimens of fauna, flora, minerals and anatomy, and objects of palaeontological interest; (b) property relating to history, including the history of science and technology and military and social history, to the life of national leaders, thinkers, scientists and artist and to events of national importance; (c) products of archaeological excavations (including regular and clandestine) or of archaeological discoveries; (d) elements of artistic or historical monuments or archaeological sites which have been dismembered; (e) antiquities more than one hundred years old, such as inscriptions, coins and engraved seals; (f) objects of ethnological interest; (g) property of artistic interest, such as: (i) pictures, paintings and drawings produced entirely by hand on any support and in any material (excluding industrial designs and manu-factured articles decorated by hand); (ii) original works of statuary art and sculpture in any material; (iii) original engravings, prints and lithographs; (iv) original artistic assemblages and montages in any material; (h) rare manuscripts and incunabula, old books, documents and publications of special interest (historical, artistic, scientific, literary, etc.) singly or in collections; (i) postage, revenue and similar stamps, singly or in collections; (j) archives, including sound, photographic and cinematographic archives; (k) articles of furniture more than one hundred years old and old musical instruments. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84, der in diesem Zusammenhang unter Rekurs auf BGE 123 II 134 E. 1 als Beispiel den Missbrauch des Kunsthandels zur Geldwäscherei erwähnt.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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des und der Schweizer Zivilrechtsordnung insgesamt stehen, erfahren einen noch weitergehenderen Schutz: Sie sind von dieser kulturgüterspezifischen Zusatzregelung des allgemeinen Ersitzungstatbestandes nicht betroffen und können weder ersessen werden noch verjährt bei diesen Kulturgütern nach Art. 3 Abs. 2 lit. b der Herausgabeanspruch des Berechtigten.175
C. Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der österreichischen Zivilrechtsordnung Ebenso wie innerhalb der Schweizer Rechtsordnung sind auch in Österreich bestimmte Kulturgüter generell aus dem sachlichen Anwendungsbereich des Rechtsinstituts der Ersitzung ausgenommen und nicht ersitzungsfähig. Hierzu zählen nach § 1455 ABGB176 solche Sachen, die nicht verkehrsfähig sind. Hierzu zählen innerhalb des Bereichs des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs solche unter den Geltungsbereich des österreichischen Bundesgesetzes Nr. 170 betreffend den Schutz von Denkmalen wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung (Denkmalschutzgesetz – DMSG) vom 19.8.1999 fallenden unbeweglichen und beweglichen Gegenstände (einschließlich der Überreste und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung (sog. Kulturdenkmale), wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist.177 Da es für eine freiwillige Veräußerung dieser Kulturdenkmale nach § 6 des Denkmalschutzgesetzes vom 19.8.1999 einer schriftlichen Bewilligung durch das Bundesdenkmalamt bedarf, ist eine kulturelle Transferleistung ohne Bewilligung verboten und nach § 879 ABGB wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbotsgesetz nichtig.178 Den zu veräußernden Gegenständen entfällt mit dem Fehlen der Bewilligung des Bundesdenkmalamtes die Grundlage der Verkehrsfähigkeit mit der Folge, dass die Kulturgüter nach § 1455 ABGB nicht ersessen werden können.179
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Vgl. zum ganzen Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84. § 1455 ABGB: Was sich erwerben läßt, kann auch ersessen werden. Sachen hingegen, welche man vermöge ihrer wesentlichen Beschaffenheit, oder vermöge der Gesetze nicht besitzen kann; ferner Sachen und Rechte, welche schlechterdings unveräußerlich sind, sind kein Gegenstand der Ersitzung. Vgl. § 1 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (DMSG) vom 19.8.1999. § 879 Abs. 1 ABGB: Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Vgl. zur Ersitzungsfähigkeit österreichischer Kulturdernkmäler auch Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 104–107.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
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Besondere gesetzliche Anforderungen bestehen auch gegenüber der Art des Besitzes, dem sog. Ersitzungsbesitz. Der Ersitzungsbesitz muss „wirklicher Besitz“ i.S. einer tatsächlichen Innehabung der Sache mit Besitzwille, nach § 1463 ABGB redlich, echt i.S.d. § 1464 ABGB und – für die ordentliche Ersitzung – rechtmäßig i.S.d. §§ 1461–1462 ABGB sein. Für die uneigentliche Ersitzung nach § 1477 S. 1 ABGB ist die Rechtmäßigkeit des Besitzes nicht erforderlich, jedoch tritt der originäre Rechtserwerb erst nach 30 bzw. 40 Jahren ein.180
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ABGB: 1. Besitz; § 1460. Zur Ersitzung wird nebst der Fähigkeit der Person und des Gegenstandes erfordert: daß jemand die Sache oder das Recht, die auf diese Art erworben werden sollen, wirklich besitze; daß sein Besitz rechtmäßig, redlich und echt sei, und durch die ganze von dem Gesetze bestimmte Zeit fortgesetzt werde (§§ 309, 316, 326 und 345). und zwar a) ein rechtmäßiger; § 1461. Jeder Besitz, der sich auf einen solchen Titel gründet, welcher zur Übernahme des Eigentumes, wenn solches dem Übergeber gebührt hätte, hinlänglich gewesen wäre, ist rechtmäßig und zur Ersitzung hinreichend. Dergleichen sind, z.B. das Vermächtnis, die Schenkung, das Darlehen, der Kauf und Verkauf, der Tausch, die Zahlung, usw. § 1462. Verpfändete, geliehene, in Verwahrung, oder zur Fruchtnießung gegebene Sachen können von Gläubigern, Entlehnern und Verwahrern oder Fruchtnießern, aus Mangel eines rechtmäßigen Titels, niemals ersessen werden. Ihre Erben stellen die Erblasser vor, und haben nicht mehr Titel als dieselben. Nur dem dritten rechtmäßigen Besitzer kann die Ersitzungszeit zustatten kommen. b) redlicher; § 1463. Der Besitz muß redlich sein. Die Unredlichkeit des vorigen Besitzers hindert aber einen redlichen Nachfolger oder Erben nicht, die Ersitzung von dem Tage seines Besitzes anzufangen (§ 1493). c) echter § 1464. Der Besitz muß auch echt sein. Wenn jemand sich einer Sache mit Gewalt oder List bemächtigt, oder in den Besitz heimlich einschleicht, oder eine Sache nur bittweise besitzt; so kann weder er selbst, noch können seine Erben dieselbe verjähren.
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Für die Ersitzung unrechtmäßig entzogenen Kulturguts wird somit zunächst nach § 1460 ABGB die tatsächliche Sachherrschaft (d.h. der wirkliche Besitz) vorausgesetzt. Allein die Innehabung des Besitzes an einem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut genügt jedoch noch nicht, sondern „Besitzeswille muss sich im äusseren Verhalten widerspiegeln, wobei ein inneres Vorhaben, das mit dem Besitzwille nicht im Einklang steht, nicht in Betracht fällt. Zur Ersitzung von Eigentum ist Sachbesitz, d.h. Alleinbesitz erforderlich. Wichtig ist die Besitzesausübung während der gesamten Ersitzungszeit, d.h. gefordert wird eine ununterbrochene, kontinuierliche Ausübung des Besitzes. Wird der Besitz nur zu Beginn faktisch ausgeübt, und später nach aussen nicht mehr praktiziert, so führt dies nicht zwangsläufig zum Besitzesverlust, reicht aber für die Ersitzung 180
Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 71–72.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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nicht aus. Der Ersitzungsbesitzer muss das Vorliegen der Voraussetzungen beweisen. Er muss neben der Besitzesausübung auch die Ersitzungszeit nachweisen. Im Gegensatz hat der Ersitzungsgegner den Besitzesverlust oder eine Unterbrechung in der Ersitzungszeit nachzuweisen, oder dass der Besitz nicht redlich und oder nicht echt war.“181 Eine Besonderheit, die auch innerhalb des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs besondere Bedeutung erlangt, ist in § 1464 ABGB festgeschrieben: Wurde das Kulturgut von dem Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger aufgrund einer Gewaltanwendung oder nach einer List angeeignet, oder wurde es heimlich erschlichen, so kann es weder durch den Besitzer selbst, noch durch dessen Erben ersessen werden. Dies hätte bspw. für die Konstellation des Bernsteinzimmermosaik-Falles zur Folge gehabt, dass die Ersitzung des gutgläubigen Erben des bösgläubigen Erblassers – im Gegensatz zu der überwiegend vertretenen Rechtsansicht innerhalb der deutschen Rechtsordnung – per Gesetz ausgeschlossen ist. Wesentlicher Bestandteil eines originären Eigentumserwerbs mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung ist auch innerhalb der österreichischen Rechtsordnung der Ablauf einer bestimmten Ersitzungszeit. Dies wird explizit in § 1465 ABGB bestimmt, wonach zur Ersitzung auch der in dem Gesetze vorgeschriebene Verlauf der Zeit notwendig ist. Außer dem durch die Gesetze für einige besondere Fälle festgesetzten Zeitraum wird hier das in allen übrigen Fällen zur Ersitzung nötige Zeitmaß bestimmt, wobei es allgemein sowohl auf die Verschiedenheit der Rechte und Sachen als auch der beteiligten Personen ankommt.
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Bereits einleitend wurde auf die unterschiedlichen temporalen Anforderungen innerhalb der ordentlichen Ersitzung nach §§ 1466 bis 1471 ABGB und des außerordentlichen Rechtserwerbs der §§ 1472 bis 1476 ABGB hingewiesen. Das ABGB unterscheidet zwischen ordentlicher und außerordentlicher Ersitzung, abhängig davon, einerseits gegen wen sich die Ersitzung richtet (Staat oder Privatperson) und andererseits ob der Ersitzung ein gültiges Titelgeschäft zugrunde liegt oder nicht.
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§ 1466 ABGB: Das Eigentumsrecht, dessen Gegenstand eine bewegliche Sache ist, wird durch einen dreijährigen rechtlichen Besitz ersessen.
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§ 1472 ABGB: Gegen den Fiskus, das ist, gegen die Verwalter der Staatsgüter und des Staatsvermögens, insoweit die Verjährung Platz greift (§§ 287, [289] und 1456–1457), ferner gegen die Verwalter der Güter der Kirchen, Gemeinden und anderer erlaubten Körper, reicht die gemeine ordentliche Ersitzungszeit nicht zu. Der Besitz beweglicher Sachen, [sowie auch der Besitz der unbeweglichen, oder der darauf ausgeübten Dienstbarkeiten und anderer Rechte, wenn sie auf den Namen des Besitzers den öffentlichen Büchern einverleibt sind,] muß durch sechs Jahre fortgesetzt werden. Rechte solcher Art, die auf den Namen des Besitzers in die öffentlichen Bücher nicht einverleibt sind,
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Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 104–107.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und alle übrige Rechte lassen sich gegen den Fiskus und die hier angeführten begünstigten Personen nur durch den Besitz von vierzig Jahren erwerben. § 1477 ABGB: Wer die Ersitzung auf einen Zeitraum von dreißig oder vierzig Jahren stützt, bedarf keiner Angabe des rechtmäßigen Titels. Die gegen ihn erwiesene Unredlichkeit des Besitzes schließt aber auch in diesem längeren Zeitraume die Ersitzung aus.
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Grundsätzlich beträgt die Frist der ordentlichen Ersitzungszeit beweglicher Gegenstände im Allgemeinen und unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Besonderen nach § 1466 ABGB drei Jahre. § 1472 ABGB regelt die außerordentliche Ersitzungsfrist mit Bezug auf die Verwalter der Staatsgüter und des Staatsvermögens, sofern diese Norm zur Anwendung kommt i.S.v. §§ 287, 289 und 1456–1457 ABGB. Werden die Voraussetzungen erfüllt, beträgt die Frist zur eigentlichen Ersitzung des Eigentums oder anderer dinglicher Rechte an beweglichen Sachen sechs Jahre. Die uneigentliche Ersitzung von Rechten an beweglichen Sachen und die eigentliche oder uneigentliche ‚außerbücherliche‘ Ersitzung von Rechten an unbeweglichen Sachen haben eine Frist von 40 Jahren.182
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Besonderheiten bestehen, wenn der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter kein Titelgeschäft zugrunde liegt. Ebenso wie innerhalb der deutschen Rechtsordnung überträgt der bloße Kaufvertrag über ein Kulturgut, also der perfekte, aber noch nicht erfüllte Kauf i.S.d. ABGB kein Eigentum. Der Kaufvertrag ist aber als unabdingbare Voraussetzung des Eigentumserwerbs durch den Käufer Titel, Rechtsgrund und tauglicher rechtlicher Erwerbsgrund für die Eigentumsübertragung, sodass das Titelgeschäft, etwa ein Kauf, den Rechtsgrund, aus dem heraus Eigentum übertragen werden soll, benennt. Während in dem Fall, dass ein sofortiger gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist, jedoch gleichzeitig ein rechtswirksames Titelgeschäft besteht, der redliche Besitzer nach § 1466 ABGB nach drei Jahren qualifizierten Besitzes Eigentum erwirbt (sog. eigentliche Ersitzung), beträgt die Ersitzungsfrist nach §§ 1477, 1472 ABGB 30 bzw. – gegenüber juristischen Personen – 40 Jahre, wenn ein gültiges Titelgeschäft fehlt, die übrigen Ersitzungsvoraussetzungen jedoch gegeben sind (sog. uneigentliche Ersitzung).183
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Schließlich ist sowohl für die eigentliche als auch für die uneigentliche Ersitzung Redlichkeit des Ersitzenden notwendig, die bis zum Ablauf der Ersitzungsfrist andauern muss (mala fides superveniens nocet). Während nur eine Mindermeinung davon ausgeht, dass erst später erworbene positive Kenntnis von der Unredlichkeit des Besitzes den Verlust der Redlichkeit bewirkt, geht die herrschende Meinung im Einklang mit der Rechtsprechung davon aus, dass neben 182
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Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 104– 107. Vgl. zu den Unterscheidung auch Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 71–72.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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der positiven Kenntnis auch die Kenntnis von Umständen, die Anlass dazu geben, an der Rechtmäßigkeit des Besitzes zu zweifeln, schadet.184 Schließlich erlangt noch § 1476 ABGB auch eine für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr rechtsrelevante Bedeutung. Danach muss derjenige, welcher eine bewegliche Sache unmittelbar von einem unechten, oder von einem unredlichen Besitzer an sich gebracht hat, oder seinen Vormann anzugeben nicht vermag, für den originären Eigentumserwerb mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung den Verlauf der sonst ordentlichen Ersitzungszeit doppelt abwarten. Falls der Vorbesitzer des Ersitzenden unredlicher oder unechter Besitzer des zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturguts war (d.h. der Vorbesitzer hat das Kulturgut selbst unrechtmäßig entzogen oder wusste um den Charakter des illegalen Kulturgütertransfers) oder der Ersitzungsbesitzer die Kette der Vorbesitzer nicht lückenlos nachweisen kann, verdoppelt sich die Dauer der Frist.185
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D. Rechtsinstitut der usucapione innerhalb der italienischen Rechtsordnung Der italienische Codice civile statuierte das Rechtsinstitut der usucaptio in den Art. 1158 bis 1167 und trifft darin eine generelle Unterscheidung zwischen der Ersitzung beweglicher (kultureller) Gegenstände in Art. 1160 bis 1162 und von Immobilien nach Art. 1158 bis 1159 Codice civile. Für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr und die Frage des Eigentums an unrechtmäßig entzogenen und in der Folge transferierten Kulturgütern sind dementsprechend besonders die Rechtsregeln hinsichtlich der Mobiliarersitzung von Bedeutung.186
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Für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr ist ebenso wie in zahlreichen weiteren Rechtsordnungen insbesondere die Frage nach der sachlichen Tauglichkeit kultureller Wertgegenstände Italiens als Ersitzungsobjekte zu stellen. Nach Art. 1145 Abs. 1 Codice civile entfaltet der Besitz keine Wirkung an Sachen, an denen kein Eigentum erworben werden kann.
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Art. 1145 Abs. 1 Codice civile: Possesso di cose fuori commercio: Il possesso delle cose di cui non si può acquistare la proprietà è senza effetto.
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 71–72, m.w.N., unter Berufung auf OGH SZ 27/284; SZ 50/53; SZ 50/91; SZ 55/46. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 71–72. Vgl. Doyal, Implementing the UNIDROIT Convention on Cultural Property into Domestic Law: The Case of Italy, Columbia Journal of Transnational Law 39 (2001), S. 657–700, S. 677–678.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Die italienische Rechtsordnung erlangte aus rechtsvergleichender Sicht innerhalb des Kulturgüterrechts aufgrund eines überaus restriktiv ausgestalteten öffentlich-rechtlichen Schutzsystems italienischer Kulturgüter einen gewissen Bekanntheitsgrad, sodass es keine Überraschung darstellt, dass solche Kulturgüter im Eigentum des Staates, die zum Bestandteil des öffentlichen Gutes gehören (demanio pubblico), als res extra commercium zu qualifizieren sind und deshalb unter keinen Umständen zu Eigentum ersessen werden können. Art. 822 des italienischen Codice civile bestimmt bekanntlich diejenigen Güter, die zum demanio pubblico gehören. Dabei nennt Art. 822 Abs. 1 diejenigen Güter, die demanio necessario bzw. per natura sind (darunter fallen solche Güter, die notwendigerweise öffentliches Eigentum sein müssen, Kulturgüter sind jedoch nicht erfasst) und Art. 822 Abs. 2 diejenigen Sachen, die zum demanio accidentale oder eventuale gehören (d.h. solche Güter, die nicht zwingend im Eigentum der öffentlichen Hand stehen müssen, jedoch wenn dies der Fall ist, zum demanio pubblico zählen). In letztgenannter Vorschrift finden sich auch spezielle Rechtsregeln für solche Immobilien, an denen ein historisches, archäologisches oder künstlerisches Interesse besteht, sowie für Sammlungen von Museen, Pinakotheken, Archiven und Bibliotheken. Neben Immobilien und Sachgesamtheiten unterstehen dem demanio pubblico seit der Entscheidung der Corte di Cassazione im Jahre 1998187 auch die einzelnen Kulturgüter der Sachgesamtheiten, wie bspw. einzelne Gemälde aus staatlichen Museen, die ebenfalls als beni demaniali zu qualifizieren sind und ihre Zugehörigkeit zum demanio pubblico auch dann nicht verlieren, wenn sie aus der Sammlung entnommen werden. Charakteristischste Eigenschaft der beni demaniali ist nach Art. 823 Codice civile ihre absolute Verkehrsunfähigkeit.188 Auch wenn Art. 823 allein die Unveräußerlichkeit explizit anordnet, steht es außer Zweifel, dass die beni demaniali auch unverjährbar und unersitzbar sind, sodass im Ergebnis ein gutgläubiger Dritter weder einen derivativen Gutglaubenserwerb noch einen originären Eigentumserwerb aufgrund temporaler Präklusion erreichen kann oder etwa der Eigentumsherausgabeanspruch aufgrund Verjährung ausgeschlossen ist. Somit sind die als beni demaniali qualifizierten Kulturgüter aufgrund ihrer absoluten originären und derivativen Unveräußerlichkeit, Unersitzbarkeit und Unverjährbarkeit dem privaten Rechtsverkehr vollständig entzogen (Verkehrsunfähigkeit) und stellen ein Parade-
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Entscheidung der Corte di Cassazione vom 28.8.1998, n. 8589, Foro it. 1998, S. 3167 ff., S. 3169. Art. 823 Codice civile: Condizione giuridica del demanio pubblico: (1) I beni che fanno parte del demanio pubblico sono inalienabili e non possono formare oggetto di diritti a favore di terzi, se non nei modi e nei limiti stabiliti dalle leggi che li riguardano (Cod. Nav. 30 e seguenti, 694 e seguenti). (2) Spetta all’autorità amministrativa la tutela dei beni che fanno parte del demanio pubblico. Essa ha facoltà sia di procedere in via amministrativa, sia di valersi dei mezzi ordinari a difesa della proprietà (948 e seguenti) e del possesso (1168 e seguenti) regolati dal presente codice.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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beispiel einer res extra commercium-Stellung staatlicher Kulturgüter dar (Extrakommerzialität im engeren Sinne). Darüber hinaus sind nach Art. 1163 Codice civile auch solche Gegenstände nicht als taugliche Ersitzungsobjekte Italiens zu qualifizieren, deren Besitz mit Gewalt oder heimlich erlangt wurde.189 Als Beispiel wird hier etwa der Diebstahl kultureller Güter erwähnt.190
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Art. 1161 setzt als weitere Voraussetzung der Ersitzung beweglicher (kultureller) Güter einen Eigenbesitz des Ersitzenden i.S.d. Art. 1140 Codice civile191 voraus, der die Elemente des körperlichen Besitzes (corpus possessionis) sowie des willentlichen Besitzes (animus possedendi) beschreibt.192 Die gewöhnliche Ersitzungsfrist beträgt nach Art. 1158 Codice civile 20 Jahre. Art. 1161 Abs. 1 Codice civile und die dort geregelte ‚usucapione‘ verschaffen dem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft bestimmter ‚bene mobile‘ nach dem Ablauf einer abgekürzten Zeitspanne von zehn Jahren den Eigentumstitel an den beweglichen Gütern unter der Voraussetzung, dass der Besitzer den Gegenstand redlich erworben hat.193 Die Redlichkeit eines Ersitzungserwerbers wird sowohl innerhalb des derivativen als auch originären gutgläubigen Erwerbs in Italien nach Art. 1147 Abs. 3 Codice civile194 vermutet, sodass es rechtlich ausreichend ist, dass der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft allein zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs gutgläubig handelte. Bei der Ersitzung von Mobilien genügt nach Art. 1161 i.V.m. Art. 1147 Abs. 3 Codice civile das Vorhandensein des guten Glaubens im Moment des Erwerbs. Lässt sich die Unwissenheit auf grobe Fahrlässigkeit
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Art. 1163 Codice civile: Vizi del possesso: Il possesso acquistato in modo violento o clandestino non giova per l’usucapione se non dal momento in cui la violenza o la clandestinità e cessata. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 99– 102. Art. 1140 Codice civile: Possesso: (1) Il possesso e il potere sulla cosa che si manifesta in un’attività corrispondente all’esercizio della proprietà o di altro diritto reale. (2) Si può possedere direttamente o per mezzo di altra persona, che ha la detenzione della cosa. Art. 1158 Codice civile: Usucapione dei beni immobili e dei diritti reali immobiliari: La proprietà dei beni immobili e gli altri diritti reali di godimento sui beni medesimi si acquistano in virtù del possesso continuato per venti anni. Art. 1161 Codice civile: Usucapione dei beni mobili: (1) In mancanza di titolo idoneo (922), la proprietà dei beni mobili e gli altri diritti reali di godimento sui beni medesimi si acquistano in virtù del possesso continuato per dieci anni, qualora il possesso sia stato acquistato in buona fede. (2) Se il possessore è di mala fede, l’usucapione si compie con il decorso di venti anni. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 63. Art. 1147 Codice civile: Possesso di buona fede: (1) E’ possessore di buona fede chi possiede ignorando di ledere l’altrui diritto (535). (2) La buona fede non giova se l’ignoranza dipende da colpa grave. (3) La buona fede e presunta e basta che vi sia stata al tempo dell’acquisto.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
zurückführen, kann der gute Glaube nach Art. 1147 Abs. 2 Codice civile nicht aufrechterhalten werden.195 95
Eine Besonderheit für den Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter besteht innerhalb der Rechtsordnung Italiens darin, dass selbst in einer Fallkonstellation, in der der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft an einem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut bösgläubig (mala fide) erworben hat, nach Art. 1161 Abs. 2 Codice civile ein originärer Eigentumserwerb nach dem Ablauf einer Zeitspanne von zwanzig Jahren stattfindet, sodass sogar dem Dieb selbst nach Ablauf der genannten Frist das Eigentum an dem von ihm gestohlenen beweglichen Gegenstand zufällt.196 Für die Berechnung der Frist sind nach Art. 1165 Codice civile197 die Vorschriften über die Verjährung zu beachten, wonach eine Hemmung der Frist durch die Rechtsbeziehungen zwischen den Personen nach Art. 2941 oder infolge der Lage des Berechtigten nach Art. 2942 Codice civile eintreten kann. Darüber hinaus darf der Ersitzende nach Art 1167 Codice civile den Besitz nicht für länger als ein Jahr verlieren, außer es wurde eine Klage auf Wiedererlangung erhoben und der Gegenstand wiedererlangt.198
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Akquisitive prescription innerhalb der französischen Rechtsordnung
Da innerhalb der französischen Rechtsordnung nach Art. 2279 Abs. 1 Code civil ein direkter gutgläubiger Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten möglich ist, wenn der Erwerber Besitz an der Sache erlangt hat und dabei gutgläubig war, und nach Art. 2279 Abs.2 ein zeitlich gestreckter Eigentumserwerb an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern aus dem Bestand des Eigentümers nach Ablauf einer Zeitspanne von drei Jahren nach dem Moment des Abhandenkommens erlaubt ist, erfüllt das Rechtsinstitut der Ersitzung innerhalb der französischen 195
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Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 99– 102. Doyal, Implementing the UNIDROIT Convention on Cultural Property into Domestic Law: The Case of Italy, Columbia Journal of Transnational Law 39 (2001), S. 657–700, S. 677– 678; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 63; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 99–102. Art. 1165 Codice civile: Applicazione di norme sulla prescrizione: Le disposizioni generali sulla prescrizione (2934 e seguenti), quelle relative alle cause di sospensione e d’interruzione (2941 e seguenti) e al computo dei termini (2962 e seguenti) si osservano, in quanto applicabili, rispetto all’usucapione. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 99– 102.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
775
Rechtsordnung nur eine untergeordnete Aufgabe. Neben dem rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb nach Art. 712 Code civil 199 kann auch nach französischem Recht eine Sache vor dem Hintergrund des Art. 711200 von dem Besitzer originär zu Eigentum ersessen werden. Ebenso wie die extinktive Verjährung als Erlöschensgrund eines Restitutionsanspruchs anerkannt ist, ist auch die akquisitive Ersitzung innerhalb der französischen Rechtsordnung nach Art. 2223 Code civil 201 einredeweise vor Gericht geltend zu machen, sodass der Besitzer nach Ablauf der Frist nicht automatisch Eigentümer wird, sondern erst, wenn er sich auf sein Recht beruft.202 Verzichtet der Besitzer jedoch nicht auf die Ersitzungseinrede, tritt der Eigentumserwerb rückwirkend zu dem Tag der Besitzergreifung ein (Rückwirkung des originären Eigentumserwerbs), sodass einerseits Rechte zugunsten Dritter des Ersitzungsbesitzers während der Ersitzungsfrist rückwirkend wirksam sind und andererseits die vom Vorbesitzer in dieser Zeit bestellten Rechte rückwirkend entfallen.203 Für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr ist ebenso wie in zahlreichen weiteren Rechtsordnungen auch innerhalb des französischen Kulturgüterschutzsystems insbesondere die Frage nach der sachlichen Tauglichkeit kultureller Wertgegenstände Frankreichs als Ersitzungsobjekte zu stellen. Nach Art. 2226 Code civil können solche Gegenstände nicht ersessen werden, die dem Handel entzogen sind: „On ne peut prescrire le domaine des choses qui ne sont point dans le commerce.“ Die französische Rechtsordnung ist ebenso wie die italienische ein charakteristisches Beispiel für eine gesetzliche, durch verwaltungs- und zivilgerichtliche Praxis gefestigte extra commercium-Stellung kultureller Wertgegenstände, sog. domanialer Kulturgüter 204.
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Bereits die französische zivil- und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bestimmte, dass Gegenstände, die mit einer öffentlich-rechtlichen Bindung belastet sind, nicht ersessen werden können (Extrakommerzialität im engeren
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Art. 712 Code civil: La propriété s’acquiert aussi par accession ou incorporation, et par prescription. Art. 711 Code civil: La propriété des biens s’acquiert et se transmet par succession, par donation entre vifs ou testamentaire, et par l’effet des obligations. Art. 2223 Code civil: Les juges ne peuvent pas suppléer d’office le moyen résultant de la prescription. Vgl. auch Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 95–98. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 95– 98, unter Rekurs auf Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht – Band 2/2: Schuldrecht: Die einzelnen Schuldverhältnisse, Sachenrecht, 2. Aufl. 1986, 3 C 339. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 2.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Sinne).205 Dazu zählten auch die besonderen kulturellen Rechtsobjekte, die nach französischem öffentlichen Recht zu ‚öffentlichen Gütern‘ (‚domaine public‘) gehören. Der französische Code civil findet auf solche Kulturgüter keine Anwendung, da an ihnen kein Privateigentum begründet werden kann und sie somit gänzlich dem Privatrechtsverkehr entzogen sind. Diese res extra commercium haben somit besondere Bedeutung auch innerhalb der Frage der sachlichen Tauglichkeit kultureller Güter als Ersitzungsobjekt.206 Rechtsursache der Extrakommerzialität solcher Kulturgüter ist ihre Designation zu sog. ‚öffentlichen Kulturgütern‘. Bekanntermaßen gehören zum französischen ‚domaine public‘207 sämtliche beweglichen und unbeweglichen Gegenstände, die unmittelbar dem Staat zugehören, sog. nationale Gegenstände, wie auch solche regionaler, provinzialer oder lokaler Gebietskörperschaften wie die den französischen Départements und den einzelnen Gemeinden sowie kulturellen Anstalten in öffentlichrechtlicher Trägerschaft zugehörigen Sachen, die einer bestimmten Sondernutzung (sog. ‚aménagement spécial‘) unterfallen. So genießen besonders qualifizierte Kulturgüter außerhalb des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 (entsprechend der früheren Loi sur les monuments historique vom 31.12.1913) eine spezielle Unterschutzstellung mittels der gewohnheits- und richterrechtlich anerkannten Designation zum ‚domaine public‘ (das Institut des ‚domaine public‘ ist in dem französischen Code civil nicht normiert). 99
Daneben erfolgt ein Ausschluss der Ersitzung aufgrund der Qualifikation als res extra commercium im weiteren Sinne: In der französischen Rechtsordnung unterliegen bereits seit Erlass der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913208 bewegliche Sachen, an deren Bewahrung ein geschichtliches, künstlerisches, wissenschaftliches oder technisches Interesse besteht, nach Art. 14 den besonderen Kulturgüterschutzbestimmungen, wenn diese Objekte aufgrund ministerieller Verfügung entsprechend dem in den Art. 15 ff. beschriebenen Verwaltungsver-
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Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen sind: Cons.d’État 7.12.1854 (de Matha), Rec.Cons.d’État 1854, 951; Cons.d’État 18.7.1866 (Dora), Rec.Cons.d’État 1866, 854; Cons.d’État 27.5.1959 (Secrétaire d’État aux transports c. Baylaucq), Rec.Cons.d’État 323; Cons.d’État 13.10.1967 (Gazeux) Rev.dr.publ. 1968, 887, note Waline; Trib.conflits, req., 24.2.1992 (Couach), JCP 1993, II, 21984, 22 note Lavialle. Zivilgerichtliche Entscheidungen sind: Cour royal de Paris 3.1.1846 (Bibliothèque royale c. Charron), D. 1846, II, 212; S. 1846, II, 77; Cour d’appel d’Agen 23.I.I860 (Fabrique de Barbaste c. Crabit-Anex), S. 1860, II, 317; Cour de cassation, req., 4.6.1866 (Flamenq c. Ville de Toulon), S. 1866, I, 446; Cour de cassation, req., 15.1 1.1869 (Viard c. Commune de Clinchamp) S. 1870, I, 20. Weber, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 2. Gourdon, Excerpt from the Memoire “Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Oeuvres d’Art”, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198. Niec, Legislative Models of Protection of Cultural Property, The Hastings Law Journal 27 (1976), S. 1089–1122, S. 1093–1096.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
fahren als „monuments historiques“ klassifiziert worden sind. Innerhalb des aktuellen Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 wurde die bereits seit Erlass der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 für bewegliche Sachen bestimmte Deklaration als res extra commercium im weiteren Sinne (d.h. nach expliziter gesetzlicher Bestimmung) beibehalten.209 Sämtliche Kulturgüter, die als ‚monuments historiques‘ klassifiziert wurden, sind – unabhängig davon, ob sie sich im Eigentum individueller Privatpersonen oder des Staates bzw. sonstiger öffentlicher Träger befinden – nach L. 622-13 des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 unverjähr- und unersitzbar. Die spezielle Qualifikation der Extrakommerzialität erlangen jedoch ebenso wie unter Geltung der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 allein diejenigen als ‚monuments historiques‘ klassifizierten Kulturgüter, die sich in Staatseigentum befinden. Damit erfahren zwar auch ‚monuments historiques‘ in Privateigentum aufgrund des Ausschlusses einer temporalen Präklusionswirkung eine Sonderstellung (die akquisitive Ersitzung abhandengekommener klassifizierter Kulturgüter sowie die extinktive Verjährung des Vindikationsanspruchs sind ausgeschlossen) und sind damit zivilrechtlich nur begrenzt veräußerbar. Eine Verkehrsunfähigkeit i.S. einer res extra commercium-Stellung erlangen jedoch ebenso wie nach alter Rechtslage allein die als ‚monuments historiques‘ klassifizierten Kulturgüter in Staatseigentum. Über den sachlichen Rahmen der Extrakommerzialitätserklärung der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.1913 hinaus wurde innerhalb des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 auch die zivilrechtliche Verkehrsunfähigkeit solcher Kulturgüter angeordnet, die zu dem Bestand der sog. ‚Musées de France‘ zählen. In Titel IV des vierten Buches des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004210 findet sich die gesetzliche Inhaltsbestimmung der ‚Musées de France‘. Zu diesen gehören solche Museen, die sich in staatlicher Trägerschaft entweder in Form einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts befinden, solange letztgenannte nichtwirtschaftliche Ziele verfolgt.211 Danach sind zwar sämtliche Kulturgüter in den Beständen der sog. ‚Musées de France‘ unverjähr- und unersitzbar, jedoch allein diejenigen Kunstbestände in Museen öffentlicher Trägerschaft (d.h. in Staatseigentum) unterfallen auch dem Merkmal der Unveräußerlichkeit. Somit sind die in öffentlichem Eigentum befindlichen Kulturwerte in den sog. ‚Musées de France‘ extrakom-
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Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 50– 54. Die Ziele und die inhaltlichen Voraussetzungen der Qualifikation als ‚Musée de France‘ sind in Livre IV, Titre IV, Chapitre 1er: Définition et missions und Chapitre 2: Appellation « musée de France » enthalten. Art. L. 441-1 Code du patrimoine vom 20. Februar 2004: L’appellation « musée de France » peut être accordée aux musées appartenant à l’Etat, à une autre personne morale de droit public ou à une personne morale de droit privé à but non lucratif.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
merzial und von den üblichen zivilrechtlichen Vorschriften der Übertragung beweglicher Gegenstände ausgenommen. 100
Ist ein Kulturgut trotz der genannten weitreichenden Einschränkung französischer Objekte als tauglicher Ersitzungsgegenstand zu betrachten, verlangt der Code civil für einen originären Eigentumserwerb nach Art. 2228 zusätzlich sog. Eigenbesitz der Ersitzenden 212, im Gegensatz zur sog. Besitzanmaßung (sog. „détention précaire“).213 Ein solcher Eigenbesitz des Ersitzenden ist nur dann anzunehmen, wenn der Ersitzende nach Art. 2229 Code civil ohne Mängel, d.h. dauernd, ununterbrochen, friedlich und unwidersprochen den Besitz in offenbarer Herrschaftsgewalt als Berechtigter (animus domini) ausübt („Pour pouvoir prescrire, il faut une possession continue et non interrompue, paisible, publique, non équivoque, et à titre de propriétaire.“). Während nach dem Rechtsgehalt der Art. 2230214 und 2234 Code civil 215 der Eigenbesitz vermutet wird,216 bleibt eine einmal begründete „détention précaire“ nach Art. 2231 Code civil 217 als solche bis zum Beweis des Gegenteils bestehen.218
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Hinsichtlich der Ersitzungsdauer trifft die französische Zivilrechtsordnung eine Unterscheidung zwischen der sog. gewöhnlichen 30-jährigen Ersitzung nach Art. 2262 bis 2264 und der abgekürzten Ersitzung von zehn bzw. zwanzig Jahren nach Art. 2265 bis 2270 des Code civil für Immobilien, die dementsprechend innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs grundsätzlich keine Anwendung finden wird.219
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Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht – Band 2/2: Schuldrecht: Die einzelnen Schuldverhältnisse, Sachenrecht, 2. Aufl. 1986, 3 C 326. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 95– 98; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht – Band 2/2: Schuldrecht: Die einzelnen Schuldverhältnisse, Sachenrecht, 3 A 117. Art. 2230 Code civil: Quand on a commencé à posséder pour autrui, on est toujours présumé posséder au même titre, s’il n’y a preuve du contraire. Art. 2234 Code civil: Le possesseur actuel qui prouve avoir possédé anciennement est présumé avoir possédé dans le temps intermédiaire, sauf la preuve contraire. Vgl. Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht – Band 2/2: Schuldrecht: Die einzelnen Schuldverhältnisse, Sachenrecht, 2. Aufl. 1986, 3 C 326. Art. 2231 Code civil: Quand on a commencé à posséder pour autrui, on est toujours présumé posséder au même titre, s’il n’y a preuve du contraire. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 95– 98. „Im Gegensatz zum BGB gibt es im Code civil keine objektiven Suspendierungsgründe, die die Hemmung der Frist auslösen könnten. Die in Art. 2252 ff. Ccf aufgeführten Gründe sind gemäss Art. 2251 Ccf abschliessend. Lehre und Rechtsprechung beziehen dies jedoch nur auf die persönlichen Hemmgründe, um dennoch – und entgegen des Gesetzestextes gewisse Anpassungen vornehmen zu können. Aus diesem Grund gilt auch in dieser Rechtsordnung die höhere Gewalt als effektiver Hemmgrund der Ersitzung. Die Ersitzung kann durch den Besitzerverlust („interruption naturelle“) (Art. 2243 Ccf) sowie aus Rechtsgründen (Klage-
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen Art. 2262 Code civil: Toutes les actions, tant réelles que personnelles, sont prescrites par trente ans, sans que celui qui allègue cette prescription soit obligé d’en rapporter un titre ou qu’on puisse lui opposer l’exception déduite de la mauvaise foi.
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Article 2263 Code civil: Après vingt-huit ans de la date du dernier titre, le débiteur d’une rente peut être contraint à fournir à ses frais un titre nouveau à son créancier ou à ses ayants cause. Article 2264 Code civil: Les règles de la prescription sur d’autres objets que ceux mentionnés dans le présent titre sont expliquées dans les titres qui leur sont propres.
Schließlich verlangt das Rechtsinstitut der Ersitzung in der französischen Ausgestaltungsvariante auch Gutgläubigkeit des Ersitzenden hinsichtlich der Verfügungsfähigkeit des Veräußerers, sodass der Besitzer davon überzeugt sein muss, das zuvor unrechtmäßig entzogene Kulturgut vom berechtigten Eigentümer erworben zu haben.220 „Ein dem guten Glauben zugrunde liegender Irrtum über den Rechtstitel oder Tatsachen, die dem Voreigentum entgegenstehen, haben keine Auswirkungen auf die Ersitzung. Ebenfalls ohne Bedeutung ist, ob fahrlässiger Irrtum vorliegt oder nicht. Der gute Glaube kann jedoch bei grober Fahrlässigkeit in Frage gestellt werden. Treten anstelle eines Irrtums aber Zweifel über die Eigentumsberechtigung des Vorgängers auf, handelt der Eigenbesitzer nicht im guten Glauben.“221 Allgemein wird innerhalb der französischen Rechtsordnung nach Art. 2268 Code civil der gute Glaube jedoch so lange vermutet, bis das Gegenteil bewiesen wird.222 Eine Applikation der französischen Ersitzungsregelungen erfolgte in der amerikanischen Gerichtsentscheidung The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc. des United States District Court for the Southern District of New York vom 30. August 1999.223
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erhebung) nach Art. 2244 Ccf („interruption civile“) unterbrochen werden. In beiden Fällen und wie auch beim BGB wird die Ersitzung gestoppt. Die bereits verstrichene Zeit wird nicht angerechnet.“ Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 95–98. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 95– 98. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 95–98. Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht – Band 2/2: Schuldrecht: Die einzelnen Schuldverhältnisse, Sachenrecht, 2. Aufl. 1986, 3 C 333; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 95–98. The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc., No. 98 Civ. 7664 (KMW), 1999 WL 673347 (S.D.N.Y. vom 30. August 1999). Vgl. Epstein, The Lachses Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44–48; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 172– 173.
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Das aus dem 10. Jahrhundert stammende Manuskript mit der Bezeichnung ‚Archimedes Palimpsest‘ (s. Abb. 21) – ein Palimpsest ist ein Manuskript, von dem die originale Schrift gänzlich oder teilweise gelöscht und entfernt wurde und durch einen neuen Text überschrieben wurde224 –, das angeblich aus dem Kloster des klagenden Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem Anfang des letzten Jahrhunderts gestohlen wurde, und nun bei Christie’s in New York zur Versteigerung anstand, wurde von dem Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem vor dem Southern District of New York herausverlangt. Im 10. Jahrhundert enthielt das Manuskript zwei der bedeutendsten Schriften des griechischen Wissenschaftlers und Philosophen Archimedes. Im 12. und 13. Jahrhundert wurde der Text des Archimedes gelöscht und ein griechischer liturgischer Text darüber geschrieben. Im Verlauf der folgenden Jahrhunderte wurde das Palimpsest in einem Kloster in Jerusalem des Ordens Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem aufbewahrt. Anfang des letzten Jahrhunderts wurde laut Einlassung der Beklagtenseite das Manuskript – entgegen den Ausführungen des Klosters – von dem französischen Geschäftsmann Guersan erworben, der es im Lauf der Jahre an seine Rechtsnachfolger vererbte. Im Jahre 1998 wurde das Palimpsest bei Christie’s in New York zum Verkauf angeboten. Der Patriarchate machte vor dem Southern District of New York geltend, dass das Manuskript keinesfalls veräußert, sondern aus dem Kloster gestohlen worden sei, ohne jedoch Beweise für den kulturellen Diebstahl darlegen zu können. Ebenso wenig konnten jedoch auch die Rechtsnachfolger Guersans einen rechtmäßigen Erwerb des Manuskripts mittels eines Kaufbelegs oder auf andere Art nachweisen.225
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Der Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem beantragte vor Gericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung, um die bei Christie’s geplante Versteigerung zu verhindern. Nachdem der District Court for the Southern District of New York die umstrittene Frage der Rechtswahl bestimmt und für eine mögliche Ersitzung des Palimpsests die Regeln der französischen Rechtsordnung zur Streitentscheidung berufen hatte, musste entschieden werden, ob in der vorliegenden Konstellation die Voraussetzungen eines originären Eigentumserwerbs vorlagen. Der District Court erkannte, dass Art. 2262 des französischen Code civil eine 30-jährige Ersitzungsfrist bestimmt, während derer der Besitz „continue et non interrompue, paisible, publique, non équivoque, et à titre de propriétaire“ sein muss. Somit musste der Erwerber Guersan bzw. dessen Rechtsnachfolger 30 Jahre den Besitz an dem Palimpsest „andauernd und ununterbrochen, unangefochten, öffentlich, eindeutig und als Eigentümer“ ausgeübt haben. Der District Court for the Southern District of New York stellte in seiner Entscheidung fest, dass keine
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Epstein, The Lachses Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44–48, S. 46. Zum Sachverhalt auch Epstein, The Lachses Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44–48, S. 46.
2. Abschnitt: Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen
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Anhaltspunkte dafür vorgetragen und für das Gericht ersichtlich wurden, dass die beklagte Familie Guersan das Palimpsest versteckt oder geheim hielt oder ein Motiv hierfür in den frühen 1960er und 1970er Jahren hatte. Das Gericht stellte weiterhin fest, dass der Patriarchate of Jerusalem „has simply cast aspersions on the validity of the [French family’s] title during the period of the late 1960s to early 1970s“ und entschied, dass der Patriarchate keine hinreichenden Anhaltspunkte vortragen konnte, um ein Urteil im beschleunigten Verfahren gegen die Veräußerung bei Christie’s zu rechtfertigen. “It is clear that the Guersan family’s possession of the Palimpsest was public by the early 1970s. When the Guersan family first considered selling the Palimpsest in the early 1970s, it printed at least two hundred copies of a brochure, one hundred in English and one hundred in French. Following distribution of these brochures, the Guersan family received inquiries from a variety of academic institutions. Even before the distribution of the brochures, the family showed the Palimpsest to Professor Wasserstein, in 1970. Professor Wasserstein wrote to the Guersans in 1970 describing the provenance of the manuscript, and shortly thereafter a colleague of his wrote to the Guersans to solicit a donation of the Palimpsest, which was declined. The Patriarchate appears to admit that the Guersan family satisfied the elements of prescriptive possession since the early 1970s. Assuming the family to have printed the brochures sometime in the early 1970s, there is still the issue of whether the Guersan family possessed the Palimpsest in a public manner since at least 1968, thirty years before this action was commenced. The Patriarchate suggests that, “[i]t may be argued that the possessor hid the Palimpsest because of its dubious origin and out of fear that disclosing its identity would bring forth a claim from the real owner.” The Patriarchate points to no evidence supporting this inference. According to Mme. Guersan, the family showed the Palimpsest to Prof. Bollack in 1960. The Patriarchate contends that Professor Bollack’s recollection that he viewed the manuscript in 1960, a date which Professor Bollack admits is “reconstructed”, is “unconvincing.”. Yet it is unlikely that even a “reconstructed” recollection would be inaccurate by a decade, which is what the Patriarchate must argue to place Prof. Bollack’s viewing of the Palimpsest after 1968. To the contrary, the Patriarchate’s argument that Prof. Bollack’s recollection is unworthy of belief actually supports the inference that Prof. Bollack viewed the Palimpsest in 1960. The Patriarchate suggests that the Bollack letter is unconvincing because he characterizes the manuscript as “carefully preserved.” Yet, the Patriarchate argues, Mme. Guersan allegedly became concerned about the state of the Palimpsest sometime before 1970. The suggestion that Bollack’s recollection of a “carefully preserved” manuscript is at odds with the Guersans’ concerns about preservation is easily resolved by assuming the truth of both the Bollack letter and Mme. Guersan’s affidavit, which taken together suggest that the manuscript was in fine condition in 1960 but, ten years later, showed some signs of deterioration. More generally, Mme. Guersan states in her affidavit that, I am unaware of any complaint or claim made by any person, institution, or government concerning the ownership of the Palimpsest, prior to the claim which is the subject of this litigation. Moreover, experts who evaluated the Palimpsest over the past decades have confirmed my family’s belief that other acquirers of manuscripts from the Metochion have never had their rightful ownership contested. This statement is consistent with the fact that the Patriarchate has never taken any steps to recover those manuscripts that once belonged to the Metochion and are presently possessed by the Bibliothèque Nationale de France, the University of Chicago, and the Cleveland Museum of Art. There is nothing in the record, in short, that suggests that the Guersans either kept the Palimpsest hidden, or had any motive to do so. The Court does not mean to suggest that the Guersan family has provided overwhelming evidence of public possession of the Palimpsest beginning in the
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter late 1960s (although there is abundant evidence of public possession in the early 1970s). The Court concludes, however, that the Patriarchate has failed to point to any genuine issues of material fact that could be resolved at trial; instead, it has simply cast aspersions on the validity of the Guersans’ title during the period of the late 1960s to early 1970s. Because the Patriarchate “must do more than simply show that there is some metaphysical doubt as to the material facts.” Matsushita, 475 U.S. at 586, summary judgment should enter in defendants’ favor.” 226
§ 16 Ergebnis: Synkritische Bewertung der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch das Rechtsinstitut der Ersitzung innerhalb des BGB 107
Im 4. Teil des Diskurses über den guten Glauben und die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wurde die Möglichkeit der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter untersucht. An den Anfang der Untersuchung wurde unter Punkt A. die deutsche Rechtsordnung gestellt und erkannt, dass dieses Rechtsinstitut das entscheidende Mittel des Eigentumserwerbs nach gescheiterter rechtsgeschäftlicher Übereignung darstellt. Da innerhalb der deutschen Rechtsordnung aufgrund der Qualifizierung des unrechtmäßigen Entziehungsaktes als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB ein gutgläubiger Erwerb grundsätzlich ausgeschlossen und nur im Wege einer öffentlichen Versteigerung i.S.d. § 935 Abs. 2 i.V.m. § 383 Abs. 3 BGB möglich ist, beseitigt das Rechtsinstitut der Ersitzung in erster Linie die aufgrund eines Mangels im Erwerb der Sache bewirkte Diskrepanz zwischen Besitz- und Eigentumslage und ergänzt damit die Rechtssicherheit zugunsten der Umlauffähigkeit der Objekte im internationalen Kulturgüterverkehr. Ebenso wie die anderen dargestellten Sachenrechtssysteme verlangt auch die deutsche Zivilrechtsordnung als Voraussetzung eines originären Rechtserwerbs einen (hier: zehnjährigen) fortgesetzten Eigenbesitz und die Gutgläubigkeit des ersitzenden Eigenbesitzers. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung finden die allgemeinen, für sämtliche Mobilien geltenden Regeln selbstredend auch für den Erwerb kultureller Wertgegenstände Anwendung, ohne dass hierfür Spezialvorschriften bestehen. Mit Ablauf der zehnjährigen Ersitzungsfrist des § 937 Abs. 1 BGB erwirbt somit der nach Abs. 2 gutgläubige Besitzer Eigentum auch an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern. Einleitend wurde die Frage gestellt, ob die kulturgüterunspezifischen Erkenntnisse des temporalen Interessenausgleichs innerhalb der allgemeinen Zivilrechtsregeln auch eine unbedingte Übertragung auf die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erlauben oder ob hier nicht kulturgüterspezifische Erwägungen nach einer Derogation der allgemeinen Regeln aus Gründen des Kulturgüterschutzes verlangen.
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The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc., No. 98 Civ. 7664 (KMW), 1999 WL 673347 (S.D.N.Y. vom 30. August 1999).
§ 16 Ergebnis: Synkritische Bewertung der Sachzuordnung durch Ersitzung im BGB
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Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass die zehnjährige Ersitzungsfrist aus rechtsvergleichender Sicht relativ kurz ist. Diese Erkenntnis wurde im Jahre 2003 auch seitens der Schweizer Rechtsordnung nachgezeichnet: Seit Erlass des Art. 32 Ziff. 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003, in Kraft seit 1. Juni 2005, gelten für Kulturgüter nämlich spezielle Regeln: Für solche Kulturgüter (im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003), die aus religiösen oder weltlichen Gründen für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft als bedeutungsvolle Gegenstände zu qualifizieren sind und einer der Kategorien nach Art. 1 der UNESCO-Konvention aus dem Jahre 1970 angehören, beträgt nach Art. 728 Abs. 1 ter ZGB unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen die Ersitzungsfrist entgegen der allgemeinen Regelung nicht fünf, sondern 30 Jahre. In Abweichung von den allgemeinen Regelungen für bewegliche Gegenstände im Generellen erfolgte somit innerhalb der Schweizer Zivilrechtsordnung zum Schutz der besonderen Klasse kultureller Wertgegenstände eine Erhöhung der Ersitzungsfrist auf 30 Jahre. Dies wurde bspw. auch von Siehr innerhalb der Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien hinsichtlich der Umsetzung der UNESCO Convention aus dem Jahre 1970 für die Bundesrepublik Deutschland am 27. September 2006 in Berlin gefordert: „Bei der Ersitzung sollte man in der Tat auch die 30-jährige Frist für die Ersitzung von wertvollen Kulturgütern einführen, und nicht zehn Jahre. Denn wir haben Fälle erlebt, in denen Leute wertvolles Kulturgut während der zehn Jahre ersitzen können und dann ein eigenes Museum aufmachen.“227 Diesem Ansinnen ist aufgrund der Unikatfunktion kultureller Güter und der diesbezüglichen res sui generis-Stellung zuzustimmen und es sollte bei bei den deutschen Gesetzgebungsorganen weiterhin der Forderung nach einer Prolongation der Ersitzungsfrist speziell für Kulturgüter Gehör verschafft werden.
108
Nach der Entscheidung des deutschen Gesetzgebers und dem Erlass des Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 18.5.2007 besteht jedoch keine berechtigte Hoffnung auf Umsetzung dieser Forderung, da das Anliegen innerhalb der Beratungen vermehrt geäußert, jedoch nicht in Gesetz gegossen wurde. Jedoch ist dies – ebenso wie die vergebliche Forderung nach Abschaffung des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – nicht so dramatisch: Die deutschen Sachenrechtsregeln und allgemeinen Rechtsgrundsätze lassen bereits de lege lata ausreichend Raum zum Schutz des ursprünglichen Eigentümers aufgrund der hohen Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab! Ebenso wie innerhalb des rechtsgeschäftlichen Erwerbs kultureller Wertgegen-
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227
Siehr, Wortprotokoll, Ausschuss für Kultur und Medien, 18. Sitzung, Protokoll Nr. 16/18, Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Berlin, 27.09.2006.
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4. Teil: Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
stände besteht auch innerhalb des originären Eigentumserwerbs nach den Rechtsvorschriften der Ersitzung aufgrund der Annahme einer Provenienzerforschungsobliegenheit gegenüber kulturellen Wertgegenständen und der Notwendigkeit von Verifizierungsanstrengungen hinsichtlich der eigenen Eigentümerstellung entgegen der grundsätzlichen Regel des § 937 Abs. 2 BGB keine Vermutung der Gutgläubigkeit und der Eigenbesitzer muss seine Gutgläubigkeit hinsichtlich der eigenen Rechtsposition nachweisen. Entsprechend dem gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter stellt die Vermutung der Bösgläubigkeit des Eigenbesitzers auch innerhalb der Ersitzung das Mittel einer notwendigen Korrektur dar. Wenn innerhalb des Ersitzungstatbestandes kultureller Wertgegenstände nach § 937 BGB keine speziellen Nachforschungsbemühungen des Eigenbesitzers hinsichtlich der eigenen Eigentümerposition unternommen werden, kann nach dem richtig verstandenen Sorgfaltsmaßstab der gute Glaube nicht vermutet werden und der Eigenbesitzer ist nicht als gutgläubig zu bezeichnen. Hofft der Eigenbesitzer lediglich, dass er auch der Rechtsinhaber geworden ist und die Eigentümerstellung innehat, ist grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der eigenen Rechtsstellung anzunehmen und ein originärer Erwerb ausgeschlossen. Somit steht auch hier der Eigenbesitzer kultureller Wertgegenstände zunächst unter dem Generalverdacht der Bösgläubigkeit und aufgrund der Provenienzerforschungsobliegenheit hinsichtlich des Kulturguts und der Notwendigkeit von Verifizierungsanstrengungen hinsichtlich der eigenen Eigentümerstellung hat der Eigenbesitzer seine Gutgläubigkeit nachzuweisen. Es gelten die Ausführungen und Begründungen zur Beweislastverteilung bei der Bestimmung der Gutgläubigkeit beim rechtsgeschäftlichen Erwerb entsprechend. 110
Eine weitere Auffälligkeit der deutschen Ausgestaltung im Vergleich zu den angeführten Rechtsordnungen der europäischen Nachbarländer ist, dass heute die Schweiz und Österreich den Beispielen Frankreichs und Italiens folgen und ihre eigenen Kulturgüter als ‚öffentliche Kulturgüter‘ einem besonderen Schutz unterstellen und aufgrund der Extrakommerzialität als unersitzbar qualifizieren. Dies ist – seit der Entscheidung des Hamburger Stadtsiegel-Falles – für die deutsche Rechtsordnung so lange ausgeschlossen, bis der formelle Gesetzgeber dies ausdrücklich bestimmt. Zwar wurde bereits erkannt, dass die Designation kultureller Güter als res extra commercium keine ‚Allzweckwaffe‘ im Kampf gegen den illegalen Kunsthandel darstellt, da nach einer Veräußerung der Objekte außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates (sog. qualifizierter Statutenwechsel) ein gutgläubiger Erwerb nach der lex rei sitae ohne Beachtung des Kulturgüterschutzgesetzes des Herkunftsstaates möglich ist. Jedoch wurde die Chance eines zumindest nationalen und nach einem schlichten Statutenwechsel wirksamen Schutzes eigener Kulturbestände öffentlicher Museen mit Erlass des Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und
§ 16 Ergebnis: Synkritische Bewertung der Sachzuordnung durch Ersitzung im BGB
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Übereignung von Kulturgut vom 18.5.2007 vertan, sodass die deutsche Zivilrechtsordnung (leider) weiterhin ein „aus einem [deutschen] Museum gestohlene[s] Meisterwerk mit dem in der Eisenbahn vergessenen Regenschirm über ein und denselben Leisten“228 schlägt. Somit kann die einleitend aufgeworfene Frage, ob der kulturgüterunspezifische Interessenausgleich des Rechtsinstituts der Ersitzung innerhalb der Rechtsordnung Deutschlands auch innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu empfehlen ist, unter Einschränkung mit „Ja“ beantwortet werden. Nur bei Anwendung eines strengen Sorgfaltsmaßstabs, bei Nachweis einer hinreichenden Provenienzbestimmung des Kulturguts und einer Verifizierungsbemühung der eigenen Eigentümerstellung des Eigenbesitzers werden die Auswirkungen einer kurzen Ersitzungsfrist meist kuriert. Hierzu bedarf es keiner Gesetzesänderung und der zur Entscheidung berufene Richter kann bei richtig verstandener Anwendung der geltenden Gesetzeslage eine faire Entscheidung treffen.
111
Dieselbe Fragestellung ist im folgenden 5. Teil auch für das Rechtsinstitut der Verjährung zu untersuchen und es ist festzustellen, ob an dem kulturgüterunspezifischen Interessenausgleich zwischen den Bedürfnissen der ursprünglichen Eigentümer und der potenziell restitutionspflichtigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch das Rechtsinstitut der Verjährung auch innerhalb der Rechtsordnung Deutschlands festzuhalten ist oder Modifikationen erfolgen müssen.
112
228
Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 26.
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Schrifttum: Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3586; Beck, Die Rückgabe gestohlener und rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter nach dem UNIDROIT-Übereinkommen 1995 und das deutsche Internationale Privatrecht, 2007, S. 37–54; Berg, Auffinden und Wiederbeschaffung von Raubkunst: Tatsächliche und rechtliche Aspekte, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28.Mai 2002, 2002, S. 125–146, S. 132–133; Carl, Beutekunst vor den Zivilgerichten: Auswirkungen des Londoner Urteils über das Bild von Joachim Wtewael aus Gotha, in: Genieva/ Michaletz/Werner, Gesten des guten Willens und Gesetzgebung – Dokumentation der internationalen Konferenz zur Problematik kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter; Moskau, 24. und 25. April 2001, 2001, S. 249–265, S. 251–256; Carney, Stolen Artworks and Limitation Periods, 3 stone buildings, newsletter, June 2008, Quelle: www.3sb.law.co.uk/admin/newsletters/ newsletter.2008-07-03.8213448060/DownloadPDF; Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., S. 25; Cuba, Stop the Clock: The Case to Suspend the Statute of Limitations On Claims for Nazi-Looted Art, Cardozo Arts & Entertainment Law Journal 17 (1999); DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443– 464, S. 455–458; Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945; Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101; Enneccerus/Nipperdey, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts – Entstehung, Untergang und Veränderung der Rechte; Ansprüche und Einreden, Ausübung und Sicherung der Rechte, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 15. Aufl. 1960, § 231 1, S. 1402–1403; Feldman, New York’s Statute of Limitations With Respect to Stolen Art and Holocaust Claims, IFAR Journal 1 (1997) S. 16-1; Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2., insb. S. 19–85, und S. 273 ff.; Finkenauer, Zum Begriff der Rechtsnachfolge in § 221 BGB, JZ 2000, S. 241–247; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 237–246; Franz, Beutekunst-Musterprozess entschieden: Wtewael-Gemälde zurück in Deutschland, S. 298 ff.; Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, 1984, S. 180–181; Furtak, Abschluß im New Yorker Verfahren DeWeert v. Baldinger um den gutgläubigen Erwerb eines Monet, IPRax 1995 (Heft 2), S. 128–129, S. 128; Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 422–424; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 59–66; Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2563–2564; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 160–161, S. 165–169, S. 355–365; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 170–
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche 172; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 112; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28; Kaye, Cultural property Disputes in Foreign Courts, in: Schneider/Schneider, Cultural Property Protection (Istanbul Conference, Summer 2004), 1995, S. 43–76, S. 60–63; Kegel, Von wilden Tieren, zerstreuten Leuten und versunkenen Schiffen. Zum Verhältnis von Besitz und Eigentum beweglicher Sachen, in: Ficker, Festschrift fuer Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, 1978, S. 149–178; Kenety, Who Owns the Past? The Need for Legal Reform and Reciprocity in the International Art Trade, Cornell International Law Journal, Volume 23 (1990), S. 1–46, S. 15–19; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 393–415; Killellea, Property Law: International Stolen Art – Kunstsammlungen zu Weimar vs. Elicofon, Harvard International Law Journal 23 (1982), S. 466 ff.; Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 234–237; Looschelders, Der zivilrechtliche Herausgabeanspruch des Eigentümers auf Rückgabe von abhanden gekommenen Kulturgütern nach deutschem Recht, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, S. 103–128, S. 107; McCord, The Strategic Targeting of Diligence: A New Perspective on Stemming the Illicit Trade in Art, Indiana Law Journal, Band 70 (1995), S. 985– 1008; McKenna, Problematic Provenance: Toward a Coherent United States Policy on the International Trade in Cultural Property, Journal of International Business Law 12 (1991), S. 83– 124, S. 103–104; Merryman, Due Diligence?, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, Volume 3, Numbers 3 & 4 (2000), S. 42–43; Messerschmidt, Die Rückgabe von Kulturgütern an NS-Verfolgte, VIZ 6/2001 (11. Jahrgang), S. 289–293, S. 292; Miller/Carey/Meyers/Cowe, Restitution of Art and Cultural Objects: A Re-Assessment of the Role of Limitation, Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 1–17; Müller-Katzenburg, Gutgläubiger Erwerb, Ersitzung, Verjährung …?, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Museen im Zwielicht (Ankaufspolitik 1933–1945, Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln) / die eigene Geschichte (Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich / Tagung vom 20. bis 22. Februar 2002 in Hamburg), 2002, S. 211–237; Müller-Katzenburg, Auswirkungen der Neuregelung des Verjährungsrechts für NS-verfolgungsbedingt und kriegsbedingt entzogenes Kulturgut, KUR 2001, S. 124–129; Müller-Katzenburg, Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf den Kunstmarkt – Konsequenzen für den Kunsthandel: Reklamation, Garantien, Verjährung, in: Holzweißig, Sorgfaltspflichten im Kunsthandel – Qualifizierungsworkshop November 2002, 2002, S. 3; Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2552; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 175–176, S. 335–336; Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Deutsche Richterakademie, Kunst und Recht, 1985, S. 15–43, insb. 20; Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff., S. 21; Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211; Oetker, Die Verjährung: Strukturen eines allgemeinen Rechtsinstituts, 1994; Peters, Die Ansprüche aus dem Eigentum, AcP 153 (1954), S. 454–465, S. 465; Petrovich, The Recovery of Stolen Art: of Paintings, Statues and Statutes of Limitation, University of California Los Angeles Law Review 27 (1980), S. 1122–1158; O’Keefe, The Use of Databases to Combat Theft of Cultural Heritage Material, Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 19–35, S. 364–366; Peters/Zimmermann, Verjährungsfristen, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts – Band I, Bundesminister der Justiz Bundesrepublik Deutschland, S. 77–373, 1981; Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006;
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
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Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, 1997; Raue, Summum ius suma iniuria: Stolen Jewish Cultural Assets under Legal Examination, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 185–190, S. 187; Redmond-Cooper, Time limits in actions to recover stolen art, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 145–162; Redmond-Cooper, Time Limits in Art and Antique Claims: Part I, Art, Antiquity and Law 4 (1999), S. 323–346; Redmond-Cooper, Limitation of Actions in Art and Antique Claims: Part II, Art, Antiquity and Law 5 (2000), S. 185–208; Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1417; Remien, Vindikationsverjährung und Eigentumsschutz – Oder: Welche Rechts bestehen an vor langer Zeit abhanden gekommenen Sachen, insbesondere Kunstwerken?, AcP, Band 201 (2001), S. 730–756; Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424; Rodota, The civil law aspects of the international protection of cultural property, in: Council of Europe/Conseil de l’Europe, Proceedings of the Thirteenth Colloquy on European Law, Delphi, 20–22 September 1983: International Legal Protection of Cultural Property, 1984, S. 99–111; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 48–51; Schoen, Der rechtliche Status von Beutekunst – Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkriegs nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter, 2004, S. 17, S. 194–200; Schönenberger, Restitution von Kulturgut, 2009, S. 125–157; Schorlemer, Stolen Art, German Yearbook for International Law 41 (1998), S. 317–343, S. 333; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 64–66; Siehr, Verlust von Ansprüchen auf Herausgabe von Mobilien – Rechtsvergleichendes zum Gutglaubenserwerb, in: Fischer-Czermak/Kletecka/ Schauer/Zankl, Festschrift Rudolf Welser zum 65. Geburtstag, 2004, S. 997–1014; Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75; Siehr, Restitution of Stolen Cultural Objects an Statute of Limitations, in: Spoils of War, No. 2 vom 15.7.1996, S. 9–11; Siehr, Verjährung der Vindikationsklage?, ZRP 34. Jahrgang (2001), Heft 8, S. 346–347; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 71–72; Spiro, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Band II, 1975, S. 1362–1363; von Plehwe, Verjährung des dinglichen Herausgabeanspruchs und Ersitzung in Fällen abhanden gekommener Kulturgüter – Zur Notwendigkeit einer Reform, KUR 2001, S. 49–61; Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8–13; Werner, Die sachenrechtliche Zuordnung von Raub- und Beutekunst, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern, 2002, S. 261–276, S. 264–265, S. 269–270; Zimmermann/Leenen/Mansel/Ernst, Finis Litium? Zum Verjährungsrecht nach dem Regierungsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, JZ 2001, S. 684–699, S. 693.
Hat ein potenziell restitutionspflichtiger Besitzer eines abhandengekommenen Kunstwerkes bei Anwendung der deutschen Rechtsordnung weder durch eine öffentliche Versteigerung i.S.d. § 935 Abs. 2 i.V.m. § 383 Abs. 3 BGB noch durch eine Ersitzung nach § 937 BGB Eigentum erlangt, kann er gleichwohl den Anspruch des Alteigentümers auf Herausgabe unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zurückweisen, wenn er sich auf die Verjährung des kulturellen Herausgabeanspruchs des Eigentümers berufen kann. Ebenso wie sonstige privatrechtliche Ansprüche unterfallen auch zivilrechtliche Restitutionsforderungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter den allgemeinen temporalen Ausschließlichkeits-
1
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
grundsätzen der Verjährung. Im Gegensatz zu der sog. erwerbenden (akquisitiven) Ersitzung, die durch den Ablauf einer gewissen Zeitspanne einen neuen Erwerbstitel begründet, wird durch die Regelungen der sog. erlöschenden (extinktiven) Verjährung ein grundsätzlich bestehendes Recht hinfällig bzw. undurchsetzbar. Der Ablauf einer bestimmten Zeit, nach der eine Person ihre zwar grundsätzlich bestehenden Rechte alleine aufgrund Zeitablaufs nicht mehr geltend machen darf, wird somit im Gegensatz zur Ersitzung (als international sog. erwerbende Verjährung) in der Rechtsvergleichung als sog. erlöschende Verjährung bezeichnet. Bei einer rechtsvergleichenden Analyse lassen sich im Grundsatz drei unterschiedliche rechtstheoretische Ausgestaltungsvarianten erkennen: Theoretische Verjährungformen kultureller Restitutionsansprüche
Keine Verjährung zivilrechtlicher Herausgabeansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Interesse der ursprünglichen Eigentümer und Restitutionsgläubiger
Keine temporale Präklusion kultureller Restitutionsansprüche nach der UNESC O-Convention vom 14. November 1970
Genereller Ausschluss der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnungen Österreichs, Italiens und der Schweiz
Extrakommerzialität kultureller Güter als Verjährungsausschluss
Gesetzliche Ausgleichsmodelle der divergierenden Interessen: Auslgeich einerseits der Bestandswahrungsinteressen der potenziell restitutionsverpflichteten Besitzer und andererseits der Rückführungsinteressen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter seitens der Eigentümer
UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 und EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 unterscheiden zwischen dem Lauf einer sog. relativen Verjährungsfrist in Abhängigkeit von der unterscheiden die subjektiven Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und einer sog. absoluten Höchsverjährungsfrist unabhängig subjektiver Merkmale
Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche gegenüber dem Dieb und bösgläubigem Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens
Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche im Interesse der Restitutionsschuldner und des allgemeinen Rechtsfriedens
Verjährung kultureller Restitutionsansprüche auch gegenüber bösgläubigen Besitzern nach Ablauf von 20 Jahren innerhalb der niederländischen Zivilrechtsordnung
Verjährung kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach 30 Jahren innerhalb der deutschen Rechtsordnung
Schema 13 – Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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Ob der Restitutionsanspruch auf Herausgabe des Eigentums an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern verjähren kann, hängt davon ab, welche Rechtsordnung zur Streitentscheidung berufen ist. Ebenso wie innerhalb der speziellen Sorgfaltsanforderungen Gutgläubiger im (inter-)nationalen Kunsthandel und der Frage nach dem gebotenen Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erlangen die kulturgüterspezifischen internationalen Rechts-
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
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instrumente für den grenzüberschreitenden Kulturgüterverkehr auch innerhalb der Bestimmung der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche rechtsprägende Bedeutung. Während die UNESCO-Convention vom 14. November 1970 hinsichtlich einer temporalen Präklusion bewusst schweigt, bestimmt die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 eine relative Verjährungsfrist von drei Jahren und einen absoluten Ausschluss bei Geltendmachung von Rückführungsansprüchen nach 50 Jahren. Auch die EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 normiert in Art. 7 der Richtlinie zwei unterschiedliche temporale Limitationen eines kulturellen Restitutionsanspruchs unrechtmäßig exportierter Kulturgüter. Eine relative zeitliche Begrenzung erfolgt nach Ablauf eines Jahres, nachdem der ersuchende Mitgliedstaat von dem Ort der Belegenheit des Kulturguts und der Identität seines Eigentümers oder Besitzers Kenntnis erhalten hat. Ebenso besteht in der Regel – es gibt jedoch Ausnahmesituationen, in denen ein Restitutionsanspruch unrechtmäßig exportierter Kulturgüter ohne zeitliche Präklusion restituiert werden muss – eine absolute zeitliche Begrenzung nach Ablauf von 30 bzw. 75 Jahren für Kulturgüter in öffentlichen Sammlungen und für kirchliche und religiöse Kulturgüter (sog. Kultobjekte). Kulturgüterspezifische Modellgesetze mit kurzer relativer und langer absoluter Verjährungsregelung können auf Ausgleichsmodelle der divergierenden Interessen innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs hinweisen. Im Gegensatz zu den kulturgüterspezifischen Bestimmungen der internationalen Rechtsinstrumente zur Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs bestimmt sich in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen die Frage der temporalen Präklusion zivilrechtlicher Restitutionsansprüche meist nach den kulturgüterunspezifischen Regelungen der Verjährung beweglicher Gegenstände. Während manche Rechtsordnungen wie bspw. der Staaten Italien, Österreich und der Schweiz generell davon ausgehen, dass eine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ausgeschlossen ist und die Rechtsordnung Großbritanniens zumindest keine Verjährung zivilrechtlicher Herausgabeansprüche gegenüber dem Dieb bzw. demjenigen präkludiert, der um den Diebstahl weiß, legen sich andere Rechtsordnungen wie bspw. Frankreich1 überhaupt nicht fest.2 Hat der Besitzer eines abhandengekom1
Innerhalb der französischen Rechtsordnung ist fraglich, welche Rechtswirkungen dem Ablauf der in Art. 2262 Code civil normierten Frist von 30 Jahren zukommen. Art. 2262 Code civil: Toutes les actions, tant réelles que personnelles, sons prescrites par trente ans, sans que celui qui allègue cette prescription soit obligé d’en rapporter un titre, ou qu’on puisse lui opposer l’exception déduite de la mauvaise foi. Während die Rechtsprechungen (Cass. 2.6.1993, D. 1994, 582, 593, Rep. Defrénois 1994, 414, Rev.trim.dr.civ. 1994, 389, Gaz.Pal. 1993, Panor. 269 (Goldfinger c. Sebastien): „La propriété ne s’éteignant pas par le non-usage, l’action en revendication n’est pas susceptible de prescription extinctive.“) und Teile der Literatur (Bouloc Revendication, in: Répertoire de droit civil, Bd. VIII (Paris 1997) No. 5: Terré/Simler Droit civil, les biens (5. Aufl. Paris 1998) 362) generell eine Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe jeder Sache mit erlöschender Wirkung verneinen, machen Ferid und Sonnenberger darauf
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
menen Kulturguts weder derivativ durch gutgläubigen Erwerb (bspw. im Wege einer Ersteigerung) noch originär durch Ersitzung Eigentum erlangt, so schlägt eine Vindikation unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der deutschen Rechtsordnung regelmäßig trotzdem fehl, wenn sich der kulturelle Besitzer auf das Rechtsinstitut der erlöschenden Verjährung berufen kann. Die Verjährung zielt innerhalb des Anwendungsbereichs des BGB – im Gegensatz zu dem Rechtsinstitut der Ersitzung, das auf den Ablauf der Zeit beim gutgläubigen Eigenbesitzer fokussiert – auf diejenige Zeit, die der berechtigte Eigentümer benötigt, um seinen Rechtsanspruch auf Herausgabe der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter gegenüber dem aktuellen Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft geltend zu machen.3 Auch in der Rechtsordnung der Niederlande wird generell eine temporale Präklusion zivilrechtlicher Herausgabeansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach 20 Jahren angenommen. 4
Die Verjährung stellt grundsätzlich allein auf das Zeitmoment ab, sodass es auf sonstige Umstände nur innerhalb der Bestimmung des Fristenlaufs ankommt (d.h. auf den Beginn der Verjährungszeit, eine mögliche Hemmung oder Unterbrechung).4 Der Lauf der Verjährungsfrist kann dabei entweder an objektive Umstandsmomente wie die unrechtmäßige Entziehung des Kulturguts bspw. als die Begehung der schädigenden Handlung oder an subjektive Umstandsmomente wie die Kenntnis von der Durchsetzungsfähigkeit der Restitutionsforderung nach Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und Identifizierung des tatsächlichen Besitzers geknüpft werden. Rechtskonstruktiv können dementsprechend zwei divergierende Verjährungsfristen unterschieden werden. Die sog. relative Verjährungsfrist ist dabei eine variabel gestaltete Frist, die zu einem bestimmten, näher zu qualifizierenden Zeitpunkt zu laufen beginnt, an dem der berechtigte Eigentümer seinen Restitutionsanspruch geltend machen kann. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Restitutionsgläubiger das
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aufmerksam, dass diese Auffassung nicht unumstritten ist, vgl. Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht – Band 2/2: Schuldrecht: Die einzelnen Schuldverhältnisse, Sachenrecht, 2. Aufl. 1986, Bd. 1 (1994), 1 C 199, Bd. 2 (1986) 3 A 213. Sicher jedoch ist, dass Kunstwerke, die der sog. domaine public unterfallen, nicht veräußert und ersessen werden können und dass die Ansprüche auf Herausgabe dieser Gegenstände nicht verjähren. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 71–73. Vgl. auch Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 71–73. Vgl. Armbrüster, Privatrechtliche Ansprüche auf Rückführung von Kulturgütern ins Ausland, NJW 2001, S. 3581 ff., S. 3586. Vgl. die kulturgüterunspezifischen Ausführungen bei Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 22–23.
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unrechtmäßig entzogene Kulturgut lokalisieren konnte und gleichzeitig auch Kenntnis über die Identität des aktuellen Besitzers hat. Im Gegensatz hierzu stellt die sog. absolute Verjährungsfrist eine starre Frist dar, die unabhängig von der relativen Verjährungsfrist und deren subjektiven Merkmalen zu laufen beginnt, innerhalb derer der berechtigte Eigentümer zu klagen verpflichtet ist, um nicht seine Rechte zu verlieren. Da der Frage nach dem Beginn der Verjährungsfrist erhebliche Bedeutung innerhalb der Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zukommt, ist diesem Problemkreis besondere Beachtung zu schenken. Vornehmlich innerhalb der Zivilrechtsordnungen der einzelnen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika wurde diese Frage vor unterschiedlichen Gerichten kontrovers diskutiert. Man muss wissen, dass die amerikanischen Zivilrechtsordnungen der einzelnen Bundesstaaten die privatrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter praktisch allein den Rechtsinstituten der Verjährung und Verwirkung überlassen. Während der Widerstreit zwischen den Bestandswahrungsinteressen der (ursprünglichen) Eigentümer in der Erhaltung und Bewahrung ‚ihrer‘ Kulturgüter einerseits und den Akquisitionsinteressen gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der Rechtssicherheit andererseits innerhalb der Civil Law-Staaten vornehmlich über das Rechtsinstitut des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs und nur sekundär über die Grundsätze der Verjährung und Verwirkung gelöst wird, erfolgt innerhalb des amerikanischen Rechtskreises diese Entscheidung praktisch allein über das Rechtsinstitut der Verjährung, teilweise mit Einbeziehung der Verwirkungsgrundsätze. Da die Rechtsordnung der Vereinigten Staaten eine besondere Vorreiterrolle in der Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs einnimmt, sind die dort gefestigten Wertentscheidungen somit auch von allgemeinem Interesse.
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Entscheidungsrelevant ist dort immer, wann der Lauf der Verjährungsfrist beginnt: Dabei nimmt der Teil der amerikanischen Rechtsprechung keine institutionelle Trennung zwischen Verwirkungs- und Verjährungsgedanken vor, der bei der Frage nach einer möglichen prescription kultureller Restitutionsansprüche innerhalb der Bestimmung des Verjährungsbeginns und des Laufes der statutes of limitations das Verhalten des Eigentümers hinsichtlich der Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und der Identifizierung des aktuellen Besitzers miteinbezieht. Nach den Grundsätzen der constructive discovery rule beginnen zivilrechtliche Restitutionsansprüche nur dann zu laufen, wenn der Eigentümer bei Annahme sorgfältiger Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen den Aufenthaltsort und den aktuellen Besitzer der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter hätte ausfindig machen müssen. Weckt ein vorwerfbares Verhalten auf Seiten des Eigentümers beim aktuellen Besitzer berechtigte Hoffnungen auf das Behaltendürfen der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter, ist der letztgenannte schützenswert. Die judikative Gegenansicht hat bei Applikation der demand and refusal rule jedoch diesbezüglich die Gemengelage verjäh-
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rungs- und verwirkungsrechtlicher Gedanken erkannt und die Frage des Beginns der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche von einem möglichen Ausschluss eines Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund eines Verstoßes gegen das Rechtsinstitut der Verwirkung (sog. lachesGrundsatz als Ausprägung eines allgemeinen estoppel-Prinzips auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs) unterschieden. 7
Aus systematischen Gründen folgt die vorliegende Untersuchung jedoch einer – entsprechend dem deutschen Begriffsverständnis – stringenten institutionellen Trennung verjährungs- und verwirkungsrechtlicher Fragestellungen. Das hat zur Folge, dass nur bei der Verwirkung solche Umstandsmomente in der Person des Berechtigten als auch des Verpflichteten neben das Zeitmoment treten, „die es rechtfertigen, die spätere Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen.“5 Ebenso wie schon in den voranstehenden Untersuchungen steht auch innerhalb der Darstellung der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche die Vermittlung eines abstrakten Rechtsverständnisses im Vordergrund. Es soll ein Verständnis für die theoretisch möglichen Ausgestaltungsformen der Verjährungsgrundsätze erzeugt werden, ohne dem Anspruch zu folgen, für jede regelmäßig im illegalen Kunsthandel involvierte Rechtsordnung abschließend zu erklären, welches Prinzip dort Anwendung findet. Vielmehr wird Wert darauf gelegt, dass beispielhaft ein Verständnis dafür geschaffen wird, welche Ausgestaltungsvarianten der Verjährungsgrundsätze kultureller Restitutionsansprüche denkbar und realistisch sind. Zur Verdeutlichung wird anhand zahlreicher Beispiele auf nationale Verjährungsvorschriften, einzelgerichtliche Wertentscheidungen und internationale Rechtsinstrumente zurückgegriffen. Damit wird dem Leser die Möglichkeit eröffnet, sich schnell in jede nationale Ausgestaltungsvariante einzudenken, um somit selbstständig die Prüfung der Verjährung eines kulturellen Restitutionsanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch in solchen Rechtsordnungen vornehmen zu können, die keine exemplarische Nennung in der vorliegenden Studie erfahren.
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Vgl. BAG, Urteil des 5. Senats vom 25.04.2001, Az: 5 AZR 497/99, BAGE 97, 326, S. 329: Verwirkung: Leitsatz: 1. Der Tatbestand der Verwirkung setzt voraus, daß neben das Zeitmoment das Umstandsmoment tritt. Es müssen besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. 2. Wer keine Kenntnis von einem möglichen Anspruch eines Dritten hat, kann auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen.
1. Abschnitt Keine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche im Interesse der ursprünglichen Eigentümer Kulturpolitische Erwägungen veranlassen Teile der Rechtsdogmatik zu der Forderung de lege ferenda, dass Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter generell unverjährbar sein müssten.6 So wird es als ungerecht empfunden, dass Kulturgüter über Jahrzehnte hinweg versteckt und nach Ablauf der Verjährungsfrist verkauft oder ausgestellt werden.7 Dabei werde die Erwartung potenziell restitutionspflichtiger Herausgabeschuldner, dass der (eigentliche oder vermeintliche) Eigentümer seine Restitutionsforderung mittlerweile selbst für unbegründet hält oder jedenfalls nicht mehr auf Rückführung eines (unrechtmäßig) entzogenen Kulturguts besteht, geringer gewichtet, als die Interessen des Restitutionsberechtigten, die auf eine fortwährende und zeitlich uneingeschränkte Möglichkeit der Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zielen und damit temporalen Präklusionsvorschriften im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr widerstreben. Ebenso wie der Gläubiger für anspruchsbegründende Tatsachen das Risiko zeitablaufbedingter Unaufklärbarkeit zu tragen
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So fordert bspw. Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2563–2564, dass derjenige, der beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bösgläubig war, sich nicht auf Verjährung berufen können soll; dies solle auch für Bösgläubigkeit des Vorbesitzers gelten. Nach Meinung von Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, und diesem folgend Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 355–365, sollte die Vindikation im Speziellen kultureller Güter öffentlicher Sammlungen de lege ferenda von der Verjährung ausgenommen werden. Die Unverjährbarkeit nur des Herausgabeanspruchs öffentlicher Kulturgütersammlungen fordern auch Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 112; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 335–336; Finkenauer, Zum Begriff der Rechtsnachfolge in § 221 BGB, JZ 2000, S. 241–247, S. 247. Die Ausnahme der Vindikation kultureller Güter im generellen von temporalen Präklusionsvorschriften de lege ferenda fordert Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 64–66: “Talking about time limitations with respect to almost eternal pieces of art seems to be a contradiction. The time passing since their creation has proved that these works of art are more than just an expression of some fleeting idea.”. Vgl. von Plehwe, Verjährung des dinglichen Herausgabeanspruchs und Ersitzung in Fällen abhanden gekommener Kulturgüter – Zur Notwendigkeit einer Reform, KUR 2001, S. 49–61; Müller-Katzenburg, Auswirkungen der Neuregelung des Verjährungsrechts für NS-verfolgungsbedingt und kriegsbedingt entzogenes Kulturgut, KUR 2001, S. 124–129; Siehr, Verjährung der Vindikationsklage?, ZRP 34. Jahrgang (2001), Heft 8, S. 346–347; Jayme, Recht contra Moral?, FAZ, Artikel vom 16.1.2002; Schoen, Der rechtliche Status von Beutekunst – Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkriegs nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter, 2004, S. 194–200.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
habe, müsse auch der eigentliche oder vermeintliche Restitutionsschuldner für anspruchshemmende und anspruchsvernichtende Tatsachen die Beweislast tragen. Dementsprechend könne weder von einem imparitätischen Kräfteverhältnis der beteiligten Parteien gesprochen werden, noch dürfe diese Balance im Interesse des wirklichen Restitutionsschuldners oder des nur putativ zur Restitution verpflichteten kulturellen Besitzers aus dem Gleichgewicht gebracht werden.8 9
Darüber hinaus sei die Möglichkeit, eine Restitutionsforderung des vermeintlichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne mittels temporaler Präklusionsvorschriften pauschal abzuwehren, interessenwidrig. So erfolge in den Fallkonstellationen des kulturellen Diebstahls aufgrund der faktischen Unveräußerlichkeit gestohlener oder illegal ausgegrabener archäologischer Objekte in zahlreichen Rechtsordnungen zunächst ein teilweise jahrzehntelanges ‚Abtauchen‘ der Kunstwerke, bevor Diebe, Raubgräber oder mit diesen verbundene Hehler versuchen, die Objekte unter größter Heimlichkeit auf dem kulturellen Schwarzmarkt abzusetzen. Besonders negativ wirke sich eine Verjährung des kulturellen Restitutionsanspruchs in den Rückführungsbemühungen des in den Jahren 1933 bis 1945 entzogenen kulturellen Fluchtguts und der abhandengekommenen Raubkunst sowie der während Andauer des Zweiten Weltkriegs auf fremdem Territorium geplünderten Beutekunst aus. Für die große Masse kultureller Wertgegenstände, die unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht direkt durch die Alliierten Streitkräfte und mittels der Wiedergutmachungs- und (deutschen) Rückerstattungsgesetze an die wirklichen Berechtigten restituiert werden konnten, setzten Lokalisierungs- und Identifikationsbemühungen erst mit Beginn der Provenienzerforschung Mitte der 1990er Jahre ein. Erst im Zuge dieser kulturhistorischen Forschungsprojekte wurden große Bestände zweifelhafter Provenienz in den öffentlichen wie privaten Kunstsammlungen seitens der (ursprünglichen) Eigentümer lokalisiert und die Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft identifiziert, sodass zahlreiche Restitutionsforderungen erst seit wenigen Jahren und damit mehr als 50 Jahre nach den unrechtmäßigen Entziehungsakten lanciert werden konnten.
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Dagegen wandte sich jedoch in einem vielbeachteten Artikel vom 5.4.2009 der Brite Sir Norman Rosenthal, langjähriger Kurator der Royal Academy in London, der selbst aus einer jüdischen Emigrantenfamilie stammte und dessen Mutter aus Nazi-Deutschland flüchtete, da man damit „nichts wiedergutmachen“ könne.9 Er betont, dass Vergangenheitsbewältigung nicht zu Lasten der Kunst
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So aber Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7, unter Rekurs auf BGH, Urteil des 10. Zivilsenats vom 20.04.1993, Az: X ZR 67/92, BB 1993, S. 1395–1396. Vgl. hierzu und zum Folgenden: NS-Verbrechen – Experte fordert Ende der RaubkunstDebatte, Spiegel, Artikel vom 5.4.2009.
1. Abschnitt: Keine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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geschehen dürfe: Dies wäre in zahlreichen Kunstrestitutionsstreitigkeiten jedoch der Fall, „wenn Werke plötzlich aus der Öffentlichkeit, aus der Sichtbarkeit verschwinden“.10 Die Begehrlichkeiten des Kunstmarktes führten zu negativen Folgen und oft genug werde ein Gemälde sofort nach der Restitution veräußert, „und so mancher Anwalt erhält 50 Prozent des Erlöses“.11 Ausdrücklich fordert er, dass in den nächsten Jahren Schluss sein müsse, „spätestens, wenn es keine Überlebenden mehr gibt“.12 Das bayerische und Thüringer Kunstministerium nahmen daraufhin jedoch öffentlich die Gegenposition ein und teilten mit, es gebe „nicht die mindeste Absicht oder Veranlassung“, von der Restitutionspraxis abzurücken. Man sehe in dieser Angelegenheit „keinerlei Diskussionsbedarf“. Die während des Nationalsozialismus unrechtmäßig erworbenen Gemälde und Kunstgegenstände würden den ursprünglichen Eigentümern oder deren Erben zurückgegeben.13 Nach den Statuten zahlreicher nationaler Rechtsordnungen wird eine temporale Präklusion kultureller Restitutionsforderungen jedoch unabhängig davon eingetreten sein, ob der Restitutionsberechtigte subjektiv überhaupt die Möglichkeit hatte, seine Anliegen vor Gericht geltend zu machen. Aus der Perspektive der Restitutionsgläubiger unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zwischen den Jahren 1933 bis 1945, die in den meisten Fallkonstellationen zu dem jüdischen Kreis verfolgter Personengruppen während der Zeit des Nationalsozialismus zählen, bestehen vor diesem tatsächlichen Hintergrund berechtigte Zweifel, dass allein der Ablauf einer Zeitspanne kulturellen Restitutionsgläubigern ihr gutes Recht auf Rückführung ihrer Kunstwerke nehmen kann und damit odio petentis wirkt.14 Dementsprechend macht auch Kowalski in seinen Ausführungen deutlich, dass „[t]he war prize acquired during an unjust war cannot be legalised even after a long period of time, as the right of prescription does not apply in the case of things that have been looted or taken by force. Even those who obtained property in good faith from a winner of an unjust war cannot become the owner of it by acquisitive prescription.“15 Diese Forderung der Rechtswissenschaft steht im Einklang mit den Grundsätzen der Resolution 1205 of the Council of Europe –
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Zitiert in: NS-Verbrechen – Experte fordert Ende der Raubkunst-Debatte, Spiegel, Artikel vom 5.4.2009. Zitiert in: NS-Verbrechen – Experte fordert Ende der Raubkunst-Debatte, Spiegel, Artikel vom 5.4.2009. Zitiert in: NS-Verbrechen – Experte fordert Ende der Raubkunst-Debatte, Spiegel, Artikel vom 5.4.2009. Spiegel online, Artikel vom 9.4.2009, http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518, 617959,00.html. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 337. Kowalski, Art Treasures and War: A Study on the Restitution of Looted Cultural Property Pursuant to Public International Law, 1998, S. 6.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Looted Jewish cultural property vom 5. November 199916, in der generell gegen die Anwendung von zeitlichen Präklusionsvorschriften innerhalb der Restitutionsverfahren von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst plädiert wird. 12
Resolution 1205 of the Council of Europe – Looted Jewish cultural property vom 5. November 1999: … 10. The Assembly invites the parliaments of all member states to give immediate consideration to ways in which they may be able to facilitate the return of looted Jewish cultural property. 11. Attention should be paid to the removal of all impediments to identification such as laws, regulations or policies which prevent access to relevant information in government or public archives, and to records of sales and purchases, customs and other import and export records. Russia in particular should keep open its files on Jewish heritage 12. Bodies in receipt of government funds which find themselves holding looted Jewish cultural property should return it. Where such works have been destroyed, damaged or are untraceable, or in other cases where restitution may not be possible, such bodies should be assisted to pay compensation at the full market value. 13. It may be necessary to facilitate restitution by providing for legislative change with particular regard being paid to: a) extending or removing statutory limitation periods; b) removing restrictions on alienability; c) providing immunity from actions for breach of duty on the part of those responsible for collections; d) waiving export controls. 14. Such legislative change may require modification and clarification of human rights laws in relation to security and enjoyment of property.
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Diesem, von Teilen der Literatur geforderten, kulturgüterspezifischen Regelungsanliegen entsprechen zunächst auch einzelne internationale Rechtsinstrumente. Sowohl innerhalb der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 als auch der Convention on the Protection of the Archaeological, Historical and Artistic Heritage of the American Nations vom 16. Juni 1976 – beides kulturgüterspezifische Rechtsinstrumente zur Restitution unrechtmäßig transferierter Kulturgüter – findet sich keine temporale Präklusion kultureller Restitutionsansprüche, sodass der Restitutionsberechtigte unabhängig von der seit der Entziehung des Kulturguts vergangenen Zeit die Rückforderung verlangen kann. Außerhalb der speziellen Rechtsinstrumente zur Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gelten die allgemeinen nationalen Zivilrechtsordnungen und deren Bestimmungen der Verjährung. Zahlreiche innerstaatliche Privatrechtsordnungen legen allgemein fest, dass auf dem Eigentum basierende Herausgabeansprüche abhandengekommener Mobilien keiner temporalen Präklusion unterliegen, sodass gleichermaßen kulturelle Eigentümer ihre zivilrechtlichen Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch nach
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Official Gazette of the Council of Europe – November 1999.
1. Abschnitt: Keine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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Ablauf einer langen Zeitspanne – solange sie nicht ihr Eigentum mittels originärer Ersitzung oder derivativen gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr verloren haben – durchsetzen können.
A. Keine temporale Präklusion kultureller Restitutionsansprüche nach der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 Die UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property vom 14. November 1970 bestimmt keine zeitliche Limitation, innerhalb derer ein Restitutionsbegehr nach Art. 7 (b) (ii) der Konvention von dem Ursprungsstaat an den Importstaat lanciert werden muss. Ob daraus zwingend die logische Schlussfolgerung der Unverjährbarkeit illegal transferierter Kulturgüter nach der UNESCO-Convention gezogen werden kann, erscheint jedoch fraglich: Zwar wird in der die Restitutionspflicht festschreibenden Norm keine einschränkende Formulierung der Rechtsgültigkeit wie in anderen Regelungsanordnungen der Konvention bestimmt (wie bspw. „consistent with national legislation“, Art. 7 (a) UNESCOConvention oder „consistent with the laws of each State“, Art. 13 UNESCOConvention), dennoch bestehen ernsthafte Bedenken, ob ein Staat bzw. dessen nationale Gerichte und Behörden, in den ein Kulturgut viele Jahre zuvor illegal transferiert wurde und an den nun ein Rückführungsbegehr gestellt wird, bereit sein wird, die Kulturgüter an den Ursprungsstaat zu restituieren und damit eine ausländische Exportkontrolle durchzuführen.17 Zumindest dann, wenn dem die Restitution begehrenden kulturellen Ursprungsstaat der Aufenthaltsort des Kulturguts bekannt ist, erscheint eine Durchsetzung der Rückführung bei einer Gesamtbeurteilung der bisherigen staatlichen Restitutionswillen als unwahrscheinlich.18 Außerhalb dieses Verwirkungsgedankens sollte jedoch der Wille der Verfasser akzeptiert werden und eine temporale Präklusion kultureller Restitutionsansprüche und -verfahren nicht erlaubt und entsprechend dem Wortlaut und dem rechtshistorischen Verfasserwillen der Konvention ein Rückführungsbegehr auch nach langer Zeit anerkannt werden.19 Dies spricht explizit auch Lalive in seinen international-privatrechtlichen Untersuchungen des Kunstdieb17
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Zweifelnd etwa Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff., S. 25. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 210. Vgl. auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 92: Die Konvention sieht keine zeitliche Begrenzung für die Restitutionspflicht vor. Die Unverjährbarkeit des Herausgabeanspruchs entspricht dem Willen der Verfasser der Konvention; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 152.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
stahls aus: „La Convention de l’UNESCO, en son article 7b (ii), ne prévoit aucun délai quelconque pour la présentation des demandes de restitution de biens culturels volés, ses rédacteurs ayant sans doute voulu instituer une action imprescriptible.“20 15
Dass aufgrund der kulturpolitischen Besonderheit der im grenzüberschreitenden Kulturgüterverkehr transferierten Gegenstände ein Ausschluss der Verjährungsgrundsätze nicht unüblich ist, zeigt auch Art. 6 der Convention on the Protection of the Archaeological, Historical and Artistic Heritage of the American Nations vom 16. Juni 1976 zur Regelung des interamerikanischen Kulturgütertransfers, wonach Restitutionsansprüche unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter, die zum nationalen Kulturerbe des Ursprungsstaates zählen, ausdrücklich unverjährbar sind (imprescriptible).21
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Genereller Ausschluss der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb der Rechtsordnungen Österreichs, Italiens und der Schweiz
Das österreichische ABGB aus dem Jahre 1811 erlaubt in § 367 den gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen und in den §§ 1452 und 1462 ABGB die Ersitzung von Mobilien binnen dreier Jahre.22 Außerhalb des Anwendungsbereichs eines gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs und der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sind innerhalb der österreichischen Rechtsordnung jedoch keine weiteren (temporalen) Präklusionsbestimmungen in der zivilrechtlichen Restitution kultureller Wertgegenstände ersichtlich. Dementsprechend tritt keine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche ein und der Eigentümer kann die Herausgabe der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter zeitlich unbefristet von jedem Inhaber der tatsächlichen Sachgewalt fordern (und nicht nur wie in der Rechtsordnung Großbritanniens von dem Dieb oder solchen Personen, die um den kulturellen Diebstahl wissen).23 Die §§ 1459 S. 1 und 1481 ABGB bestimmen ausdrücklich, dass Eigentumsrechte nicht verjähren.
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Lalive, Sur le régime des objets d’art volés en droit international privé, in: Matscher/SeidlHohenveldern/Karas-Waldheim, Europa im Aufbruch – Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag, 1993, S. 51–69, S. 67. Art. 6 Convention on the Protection of the Archaeological, Historical and Artistic Heritage of the American Nations vom 16. Juni 1976: The control exercised by each state over its cultural heritage and any actions that may be taken to reclaim items belonging to it are imprescriptible. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 71–73. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 71–72.
1. Abschnitt: Keine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche § 1459 ABGB: Die Rechte eines Menschen über seine Handlungen und über sein Eigentum, z.B. eine Ware da oder dort zu kaufen, seine Wiesen oder sein Wasser zu benutzen, unterliegen, außer dem Falle, daß das Gesetz mit der binnen einem Zeitraume unterlassenen Ausübung ausdrücklich den Verlust derselben verknüpft, keiner Verjährung.
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§ 1481 ABGB: Die in dem Familien- und überhaupt in dem Personenrechte gegründeten Verbindlichkeiten, z. B. den Kindern den unentbehrlichen Unterhalt zu verschaffen, sowie diejenigen, welche dem oben (§ 1459) angeführten Rechte, mit seinem Eigentume frei zu schalten, zusagen, z.B. die Verbindlichkeit, die Teilung einer gemeinschaftlichen Sache oder die Grenzbestimmung vornehmen zu lassen, können nicht verjährt werden.
Da dementsprechend auch kulturelle Herausgabeansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter keiner Verjährung unterliegen, erfolgt ein Ausgleich der widerstreitenden Interessen allein mittels der Rechtsinstitute des gutgläubigen derivativen Erwerbs und der Ersitzung.24 Ebenso eindeutig sind die Bestimmungen des italienischen Codice civile, der in Art. 948 Abs. 3 die Unverjährbarkeit des zivilrechtlichen Herausgabeanspruchs des Eigentümers gegenüber dem Besitzer (sog. l’azione di rivendicazione) bestimmt.
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Art. 948 Abs. 3 Codice civile: L’azione di rivendicazione non si prescrive, salvi gli effetti dell’acquisto della proprietà da parte di altri per usucapione (1158 e seguenti).
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Ebenso wie die österreichische Rechtsordnung gleicht der italienische Codice civile die Bestandswahrungsinteressen der Eigentümer und gutgläubigen Erwerber und Besitzer (unrechtmäßig entzogener Kulturgüter) sowie die Rechtssicherheits- und Friedensfunktion der Allgemeinheit allein mittels der Rechtsinstitute der rechtsgeschäftlichen bona fide-Akquisition und des originären Eigentumserwerbs mittels der Ersitzung aus, ohne Rekurs auf die Verjährung zu nehmen. Entsprechendes gilt auch innerhalb der Schweizer Zivilrechtsordnung:25 Dort hatte das Bundesgericht bereits in der Entscheidung Quadri c. Hôtel Brissago vom 15.2.1922 entschieden, dass ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums nicht verjährt.26 Rechtskonstruktiv konnte die Unverjährbarkeit der Entscheidung auf den engen Wortlaut des Art. 127 OR gestützt werden, wonach nicht Ansprüche, sondern allein „Forderungen“ verjähren. Da jedoch das Schweizer OR nach Art. 7 ZGB auch auf die Schweizer Zivilrechtsordnung Anwendung findet, musste sich das Bundesgericht auch mit der Verjährung der Vindikation auseinandersetzen. Neben dem mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung zugunsten
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Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 71–73. Vgl. ausführlich hierzu Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Schweizer Bundesgericht, Entscheidung vom 15.2.1922, BGE 48 II 38.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Gutgläubiger vorgehaltenen Schutzprogramm ging es dem Schweizer Bundesgericht vornehmlich um die Vermeidung der (deutschen) Situation des Auseinanderfallens von Eigentum und faktischer Besitzmöglichkeit aufgrund des Ausschlusses des Vindikationsanspruchs nach einer bestimmten Zeit ohne Rechtserwerb des Besitzers. Darüber hinaus war für das Bundesgericht auch die nur kurze Verjährung nach Art. 127 OR in zehn Jahren entscheidungserheblich.27 Das Gericht scheute sich somit nicht vor der Statuierung unverjährbarer Ansprüche.28 Beachtenswert ist jedoch seit Erlass des Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003 die spezielle temporale Präklusionsvorschrift des Art. 9 Abs. 4 für die in Art. 9 Abs. 1 normierten Rückführungsklagen auf Grund der speziellen Vereinbarungen mit Vertragsstaaten der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 i.S.d. Art. 7 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003. Die Rückführungsklage des Staates bei rechtswidrig in die Schweiz eingeführten Kulturgütern verjährt danach in einem Jahr, nachdem seine Behörden Kenntnis erlangt haben wo und bei wem sich das Kulturgut befindet (sog. relative Verjährungsfrist), spätestens jedoch 30 Jahre nachdem das Kulturgut rechtswidrig ausgeführt worden ist (sog. absolute Verjährungsfrist). Das Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003 behandelt den Eigentümer in den ersten Jahren nach einer unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände demnach schlechter als das geltende Schweizer Zivilrecht. Von nun an muss die relative Verjährungsfrist beachtet werden, die gegenüber der Regelung von Art. 934 ZGB um vier Jahre kürzer ist.29
C. Extrakommerzialität kultureller Güter als Verjährungsausschluss 21
Einige Rechtsordnungen und deren Kulturgüterschutzgesetze gewähren ihren national bedeutsamen Kulturgütern einen besonderen Schutz aufgrund der Charakterisierung als res extra commercium. Extrakommerzialität bedeutet bekanntlich die sachenrechtliche Zuweisung einer unabänderlichen Eigentumsposition ‚öffentlicher Kulturgüter‘ an den kulturellen Verwaltungsträger, die nach unrechtmäßiger Entziehung weder zu einem derivativen Verlust des Kulturguts aufgrund gutgläubigen Erwerbs eines redlichen Käufers führt, noch einen originären Erwerb aufgrund akquisitiver Ersitzung oder eine temporale Präklusion 27
28
29
Vgl. zu den entscheidungserheblichen Erwägungen des Schweizer Bundesgerichts auch Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Vgl. Spiro, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, 1975, S. 1362–1363. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 79–84.
1. Abschnitt: Keine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
des Eigentumsherausgabeanspruchs aufgrund extinktiver Verjährung bedingt. Werden diese Rechtsfolgen in einer Spezialnorm gegenüber kulturellen Gütern bestimmt, kann ebenso wie im Fall der Designation von Kunstwerken als ‚öffentliche Sachen‘ aufgrund gewohnheitsrechtlicher Anerkennung in einigen Rechtsordnungen von Extrakommerzialität (dann im sog. weiteren Sinne) ausgegangen werden. Die Extrakommerzialität kultureller Güter setzt sich dementsprechend nicht nur aus der derivativen, rechtsgeschäftlichen Unveräußerlichkeit auch gegenüber redlichen Erwerbern, sondern auch aus der temporalen Unverjährbarkeit zusammen, die sich nicht nur in einem Ausschluss der akquisitiven originären Ersitzung des Eigentums, sondern auch in der extinktiven Unverjährbarkeit des Herausgabeanspruchs des ursprünglichen Rechtsträgers äußert. ‚Unverjährbarkeit‘30 bedeutet, dass die Auswirkungen des Faktors Zeit keinen rechtlichen Einfluss auf die Eigentumsverhältnisse an abhandengekommenen Kulturgütern nehmen. Solche Kulturgüter können weder dem Rechtsinstitut der akquisitiven Ersitzung noch der extinktiven Verjährung des Vindikationsanspruches unterfallen. Dabei stellt der Ausschluss jeglicher Verjährungsgrundsätze ebenso wie der Ausschluss des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs abhandengekommener Kulturgüter eine der Sache unmittelbar anhaftende, „intrinsische“31 dingliche Eigenschaft dar, die unabhängig davon besteht, in wessen Eigentum das Gut steht. Da es sich bei dem Eigentumserwerb durch Ersitzung und ‚faktischen Eigentumserwerb‘ durch extinktive Verjährung um einen originären und nicht um einen derivativen Eigentumserwerb handelt, erfolgt dieser ohne ein zugrunde liegendes Rechtsgeschäft. Die Unveräußerlichkeit führt nur zur Unfähigkeit eines Gegenstandes, durch Rechtsgeschäfte übereignet zu werden. Deshalb kann die Unveräußerlichkeit folglich einen originären Eigentumserwerb nicht verhindern.32 Châtelain sieht somit den Ausschluss temporaler Präklusion als notwendige und logische Ergänzung des Ausschlusses des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs.33 Während die Unveräußerlichkeit beim derivativen Eigentumserwerb eingreift und die unerwünschte Folge des Eigentumswechsels verhindert, erreicht die Unverjährbarkeit dies hinsichtlich des originären Eigentumserwerbs und der zeitlich unabhängigen und dauerhaften Möglichkeit der Rückführungsforderung.34
30
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32
33
34
Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8– 13. Kaufmann, Die Stellung des Privatrechtssubjekts zur res extra commercium des corpus juris civilis – Ein Beitrag zur Lehre der Extracommercialität, 1887, S. 6. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8– 13. Châtelain, Les moyens de lutte contre les vols et trafics illicites d’oeuvres d’art dans l’Europe des neuf, 1976, S. 28 und S. 30. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 8– 13.
803
804
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
22
Beispielhaft kann hinsichtlich der Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsforderungen aufgrund der Extrakommerzialität von Kulturgütern auf die französische und italienische Rechtsordnungen verwiesen werden. Zum französischen domaine public 35 zählen bekanntlich sämtliche beweglichen und unbeweglichen Gegenstände, die unmittelbar dem Staat zugehören, sog. nationale Gegenstände, wie auch solche regionaler, provinzialer oder lokaler Gebietskörperschaften wie die den französischen Départements und den einzelnen Gemeinden sowie kulturellen Anstalten in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft zugehörigen Sachen, die einer bestimmten Sondernutzung (sog. ‚aménagement spécial‘) unterfallen. Darüber hinaus können Kunstwerke innerhalb der französischen Rechtsordnung die Stellung einer res extra commercium ‚im weiteren Sinne‘ mittels spezieller legaler Designation seit Erlass der Loi sur les monuments historiques vom 13.12.191336 und heute mittels des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 in Frankreich erlangen. Ebenso wie unter Geltung des früheren Kulturgüterschutzgesetzes werden die zu den ‚monuments historiques‘ zählenden Kulturgüter nach behördlicher Klassifikation bestimmt. Sämtliche Kulturgüter, die als ‚monuments historiques‘ klassifiziert wurden, sind – unabhängig davon, ob sie sich im Eigentum individueller Privatpersonen oder des Staates bzw. sonstiger öffentlicher Träger befinden – nach L. 622-13 des Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 unverjähr- und unersitzbar.
23
Charakteristischste Eigenschaft auch der italienischen beni demaniali ist nach Art. 823 Codice civile ihre absolute Verkehrsunfähigkeit. Auch wenn Art. 823 allein die Unveräußerlichkeit explizit anordnet, steht es heute außer Zweifel, dass die beni demaniali auch unverjährbar und unersitzbar sind, sodass im Ergebnis ein gutgläubiger Dritter weder einen derivativen Gutglaubenserwerb noch einen originären Eigentumserwerb aufgrund temporaler Präklusion erreichen kann oder etwa der Eigentumsherausgabeanspruch aufgrund Verjährung ausgeschlossen ist. Somit sind die als beni demaniali qualifizierten Kulturgüter aufgrund ihrer absoluten originären und derivativen Unveräußerlichkeit, Unersitzbarkeit und Unverjährbarkeit dem privaten Rechtsverkehr vollständig entzogen (Verkehrsunfähigkeit) und stellen ein Paradebeispiel einer res extra commercium-Stellung staatlicher Kulturgüter dar (Extrakommerzialität ‚im engeren Sinne‘). Es besteht jedoch nach der Reform des italienischen Kulturgüterschutzsystems mittels des Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 keine gesetzliche Anordnung der Unersitzbar- und Unverjährbarkeit mehr (als Ausprägung der sog. Extrakommerzialität ‚im weiteren Sinne‘). Besondere Rechtsvorschriften, die die Ersitzung solcher Kulturgüter
35
36
Gourdon, Excerpt from the Memoire “Le Regime Juiridique et Fiscal Francais des Importations et Exportations d’Oeuvres d’Art”, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 197–198. J.O. vom 4.1.1914.
1. Abschnitt: Keine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
ausschließen oder die Verjährung des Herausgabeanspruchs bestimmen und somit zur Extrakommerzialität italienischer Kulturgüter führen, sind im Gegensatz zu den Bestimmungen des Art. 23 der ehemaligen Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 nicht mehr in den Vorschriften des Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 enthalten, sodass innerhalb der italienischen Rechtsordnung nur noch die zum ‚demanio pubblico‘ zählenden Kulturgüter im Eigentum des Staates den Sachstatus einer res extra commercium einnehmen.
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2. Abschnitt Gesetzliche Ausgleichsmodelle der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche 24
Während die UNESCO-Convention vom 14. November 1970 keine temporale Präklusionsvorschrift kultureller Restitutionsansprüche in den Vertragstext aufgenommen und – nach umstrittener Rechtseinschätzung – dementsprechend zugunsten kultureller Restitutionsgläubiger keine Verjährungsbestimmungen festgeschrieben hat, unterscheiden die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 und die EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 zwischen dem Lauf einer sog. relativen Verjährungsfrist in Abhängigkeit von der subjektiven Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände seitens des Restitutionsgläubigers und einer sog. absoluten Höchstverjährungsfrist unabhängig von subjektiven Merkmalen. Hierdurch soll ein Ausgleich zwischen den Bestandswahrungsinteressen der potenziell restitutionsverpflichteten Besitzer und den Rückführungsinteressen bezüglich unrechtmäßig entzogener Kulturgüter seitens der Eigentümer gefunden werden.
25
Eine andere Methode zur Erzielung eines solchen Ausgleichs der beteiligten Bedürfnisse stellt die Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche gegenüber dem Dieb und bösgläubigen Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens dar.
A. Differenziertes Regelungsregime innerhalb der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 26
Bekanntermaßen unterscheidet die UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995 innerhalb der unrechtmäßigen Entziehung streng zwischen gestohlenen und illegal exportierten Kulturgütern. Dieser Unterscheidung wird auch innerhalb der Verjährung von Restitutionsansprüchen einerseits gestohlener und andererseits illegal exportierter Kulturgüter Rechnung getragen.
I. 27
Temporale Präklusionsvorschriften bei der Rückführung gestohlener Kulturgüter
Temporale Präklusionsvorschriften bei der Rückführung gestohlener Kulturgüter finden sich in Art. 3 Abs. 3 bis 8 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995, wonach eine Unterscheidung zwischen relativem und absolutem Verjährungslauf und nach der kulturellen Qualität des gestohlenen Kulturguts vorgenommen wird. Dieses diffizile System unterschiedlicher Verjährungsbestimmungen spiegelt eine einzelfallbezogene Balance divergierender Wertungs-
2. Abschnitt: Gesetzliche Ausgleichsmodelle der Verjährung
807
ansätze innerhalb der kulturellen Bedeutung einzelner Gegenstände wieder und versucht so einen Ausgleich zwischen dem generellen Rückführungsinteresse der (ursprünglichen) Eigentümer und einem berechtigten Bestandswahrungsinteresse der aktuellen Besitzer der Kulturgüter nach dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne herzustellen. Art. 3 UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995 (3) Any claim for restitution shall be brought within a period of three years from the time when the claimant knew the location of the cultural object and the identity of its possessor, and in any case within a period of fifty years from the time of the theft. (4) However, a claim for restitution of a cultural object forming an integral part of an identified monument or archaeological site, or belonging to a public collection, shall not be subject to time limitations other than a period of three years from the time when the claimant knew the location of the cultural object and the identity of its possessor. (5) Notwithstanding the provisions of the preceding paragraph, any Contracting State may declare that a claim is subject to a time limitation of 75 years or such longer period as is provided in its law. A claim made in another Contracting State for restitution of a cultural object displaced from a monument, archaeological site or public collection in a Contracting State making such a declaration shall also be subject to that time limitation. (6) A declaration referred to in the preceding paragraph shall be made at the time of signature, ratification, acceptance, approval or accession. (7) For the purposes of this Convention, a ‘public collection,’ consists of a group of inventoried or otherwise identified cultural objects owned by: (a) a Contracting State (b) a regional or local authority of a Contracting State; (c) a religious institution in a Contracting State; or (d) an institution that is established for an essentially cultural, educational or scientific purpose in a Contracting State and is recognised in that State as serving the public interest. (8) In addition, a claim for restitution of a sacred or communally important cultural object belonging to and used by a tribal or indigenous community in a Contracting State as part of that community’s traditional or ritual use, shall be subject to the time limitation applicable to public collections.
28
Nach Art. 3 Abs. 1 und 2 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995 hat der Besitzer eines gestohlenen oder rechtswidrig ausgegrabenen (bzw. rechtmäßig ausgegrabenen, jedoch rechtswidrig einbehaltenen) Kulturguts dieses zurückzugeben (wenn dies im Fall rechtswidrig ausgegrabener Kulturgüter mit den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Ausgrabungen stattgefunden haben, vereinbar ist). Auf diese Art und Weise unrechtmäßig entzogene Kulturgüter unterfallen nach Art. 3 Abs. 3 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 einem Restitutionsanspruch, der innerhalb einer Frist von drei Jahren ab dem Zeitpunkt geltend gemacht werden muss, ab welchem dem Anspruchsberechtigten die Belegenheit des Guts und die Identität seines Besitzers bekannt waren (relative Verjährungsfrist), in jedem Fall jedoch innerhalb einer Frist von fünfzig Jahren ab dem Diebstahl (absolute Verjährungsfrist). Die relative Verjährungsfrist dient einer zeitlich raschen Geltendmachung kultureller Restitutionsansprüche nach Lokalisierung des gestohlenen Kunstwerks und Identifizierung des aktuellen Besitzers. Stehen diese Informa-
29
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
tionen fest, kann von dem Eigentümer verlangt werden, innerhalb einer Zeitspanne von drei Jahren seinen Anspruch geltend zu machen. Die absolute Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 3 dient der Durchsetzung des Rechtsfriedens nach dem Ablauf einer bestimmten, hier 50 Jahre dauernden Zeitspanne, von der an im Interesse der Allgemeinheit und des Restitutionsverpflichteten (möglicherweise aus Gründen der Beweisnot) die Rechtsgewährungsfunktion und die Interessen des materiell Restitutionsberechtigten an der Geltendmachung seiner Rechtsposition hintenanstehen müssen. 30
Generell schutzwürdig, unabhängig von einer absoluten zeitlichen Limitation, ist nach Art. 3 Abs. 4 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 jedoch ein Anspruch auf Rückgabe eines Kulturguts, das Bestandteil eines identifizierten Denkmals oder einer identifizierten archäologischen Stätte ist oder einer öffentlichen Sammlung angehört. Diese besondere Klasse kultureller Wertgegenstände unterliegt jedoch keiner anderen Verjährungsfrist als der relativen Frist von drei Jahren ab dem Zeitpunkt, ab welchem dem Anspruchsberechtigten die Belegenheit des Guts und die Identität seines Besitzers bekannt waren. Als öffentliche Sammlung im Sinne dieses Übereinkommens ist nach Art. 3 Abs. 7 der UNIDROIT-Convention jede Sammlung inventarisierter oder anderweitig identifizierter Kulturgüter zu verstehen, die einem Vertragsstaat, einer regionalen oder lokalen Behörde eines Vertragsstaates, einer in einem Vertragsstaat belegenen religiösen Einrichtung oder einer Einrichtung, die hauptsächlich zu kulturellen, pädagogischen oder wissenschaftlichen Zwecken in einem Vertragsstaat gegründet wurde und deren öffentliches Interesse in diesem Staat anerkannt ist, gehören. Grund dieser Regelung ist, dass die genannten Klassen kultureller Wertgegenstände besonders schutzbedürftig sind und aufgrund ihrer kulturellen Bedeutung für den Ursprungsstaat grundsätzlich restituiert werden sollen. Die Interessen des Restitutionsverpflichteten an dem Schutz seines möglicherweise gutgläubigen kulturellen Besitzes und der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und -frieden in der Sachzuweisung kultureller Wertgegenstände treten hier zulasten der Belange des kulturellen Ursprungsstaates zurück. Da dies jedoch die praktische Unverjährbarkeit dieser besonders schützenswerten Kulturgüter zur Folge hat und einen erheblichen Eingriff in die bestehenden zeitlichen Limitationen nationaler Regelungssysteme bedeutet, kann nach Art. 3 Abs. 5 und 6 unbeschadet der Bestimmungen des vorstehenden Absatzes jeder Vertragsstaat zum Zeitpunkt der Unterzeichnung, der Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder des Beitritts zur UNIDROIT-Convention erklären, dass eine Klage innerhalb einer Frist von zumindest 75 Jahren oder einer längeren in seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Frist verjährt. Eine Klage auf Rückgabe eines aus einem Denkmal, einer archäologischen Stätte oder einer öffentlichen Sammlung entfernten Kulturgutes, die in einem anderen Vertragsstaat, der eine solche Erklärung abgibt, erhoben wurde, verjährt dann ebenfalls innerhalb dieser Zeitspanne. Ebenso schutzbedürftig wie solche Kulturgüter, die Bestandteil eines identifizierten
2. Abschnitt: Gesetzliche Ausgleichsmodelle der Verjährung
809
Denkmals oder einer identifizierten archäologischen Stätte sind oder einer öffentlichen Sammlung angehören, sind solche sakralen oder für eine Gemeinschaft bedeutungsvollen Kulturgüter, die einer Eingeborenen- oder Stammesgemeinschaft in einem Vertragsstaat gehören und von ihr als Teil eines traditionellen oder rituellen Brauchs verwendet werden. Für diese Klasse der sog. Kultobjekte bestimmt Art. 3 Abs. 8 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995, dass eine Klage auf Rückgabe derselben Verjährungsfrist unterliegt, die auf öffentliche Sammlungen Anwendung findet. Aufgrund der weitreichenden Restitutionsmöglichkeiten gestohlener Kulturgüter auch noch nach Ablauf einer sehr langen Zeitspanne äußerten zahlreiche Staaten bei Erstellung der Konvention Kritik. So bemängelte bspw. der Legal Adviser des United Kingdom Department of National Heritage das Verjährungsregime der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 wie folgt: “The provisions in Chapter II do affect title and mean that bona fide purchasers of cultural objects and their heirs and successors will not be sure that they have good title, possibly for 50 years, possibly for 75 years and in certain cases for ever. These problems are compounded by the fact that there is now no obligation on the victims of theft to take even reasonable steps to identify possessors. In the view of the United Kingdom these difficulties, coupled with the burden of establishing due diligence after such long periods, inject too much uncertainty and upset the delicate balance between the interests of the original owners and those who have acquired stolen property in good faith, possibly long ago.”37
II.
Temporale Limitation bei der Rückführung unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter
Auch innerhalb der Festsetzung temporaler Ausschließlichkeitsvorschriften der Rückführung illegal exportierter Kulturgüter ergab sich erheblicher Diskussionsbedarf: Würden tendenziell längere Fristen normiert, hätte dies eine Stärkung der Position kultureller Exportstaaten aufgrund der temporalen Ausdehnung des Restitutionsanspruchs zur Folge, jedoch zum Nachteil der im internationalen Kunstmarkt notwendigen Rechtssicherheit, Verkehrsfähigkeit und Marktgängigkeit kultureller Güter. Zudem liegt es häufig an einem sorglosen innerstaatlichen Schutz und Umgang mit kulturellen Werten, die von den eigenen Staatsangehörigen des Ursprungsstaates illegal transferiert wurden. Hinsichtlich der zeitlichen Limitation eines Restitutionsanspruchs wurde noch in der Preliminary Draft Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects aus dem Jahre 1990 in Art. 7 (b) normiert, dass ein Restitutionsanspruch dann nicht
37
31
Zitiert bei O’Keefe, The Use of Databases to Combat Theft of Cultural Heritage Material, Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 19–35, S. 365.
32
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
gegeben sein soll, wenn „no claim for the return of the object has been brought before a court or other competent authority acting under Article 9 within a period of five years from the time when the requesting State knew or ought reasonably to have known the location, or the identity of the possessor, of the object, and in any case within a period of twenty years from the date of the export of the object …“ 38. Nachdem die speziellen Fristenlängen keinen Zuspruch erfuhren, wurden zwei unterschiedliche temporale Begrenzungen eines Restitutionsanspruchs illegal exportierter Kulturgüter normiert. Temporale Präklusionsvorschriften bei der Rückführung unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter finden sich in der Endfassung in Art. 5 Abs. 5 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995, wonach ebenso wie innerhalb der Restitution gestohlener Kulturgüter eine Unterscheidung zwischen relativem und absolutem Verjährungslauf vorgenommen wird.39 33
Art. 5 Abs. 5 UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995: Any request for return shall be brought within a period of three years from the time when the requesting State knew the location of the cultural object and the identity of its possessor, and in any case within a period of fifty years from the date of the export or from the date on which the object should have been returned under a permit referred to in paragraph 2 of this article.
34
Danach ist jeder Antrag auf Restitution ohne rechtmäßige Ausfuhrerlaubnis illegal exportierter Kulturgüter innerhalb einer relativen Verjährungsfrist von drei Jahren ab dem Zeitpunkt zu stellen, an welchem dem ersuchenden Staat die örtliche Belegenheit des Kulturguts und die Identität des Besitzers und Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft bekannt waren. In jedem Fall hätte es innerhalb einer absoluten Verjährungsfrist von 50 Jahren nach der Ausfuhr oder dem Zeitpunkt restitutiert werden müssen, an dem das Kulturgut vorübergehend zu Ausstellungs-, Forschungs- oder Restaurierungszwecken aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates aufgrund einer Genehmigung ausgeführt und nicht gemäß den Bedingungen dieser Genehmigung zurückgeführt wurde.40 Durch die Kombination einer relativen mit einer absoluten Verjährungsfrist wurde – in Anlehnung an die amerikanische discovery rule – ein flexibler Verjährungsbeginn 38 39
40
Preliminary Draft Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects. Vgl. Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 248; Fraoua, Projet de convention de l’Unidroit sur le retour international des biens culturels volés ou illicitement exportés, AJP 3 (1995), S. 317–326, S. 320–321 und S. 323–324; Lalive, La Convention d’UNIDROIT sur les biens culturels volés ou illicitement exportés (du 24 juin 1995), SZIER, 7. Jahrgang (1997), S. 13–56, S. 40–41. Art. 5 Abs. 2 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995: A cultural object which has been temporarily exported from the territory of the requesting State, for purposes such as exhibition, research or restoration, under a permit issued according to its law regulating its export for the purpose of protecting its cultural heritage and not returned in accordance with the terms of that permit shall be deemed to have been illegally exported.
2. Abschnitt: Gesetzliche Ausgleichsmodelle der Verjährung
811
erreicht. Die relative Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt dabei, wenn dem Antragsteller kumulativ sowohl der Aufbewahrungsort des illegal exportierten Kulturguts als auch die Identität des momentanen Besitzers positiv bekannt ist (Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und Identifizierung des kulturellen Besitzers). Die absolute Verjährungsfrist ist auf grundsätzlich 50 Jahre ab der Ausfuhr des Kulturguts festgeschrieben und läuft unabhängig von einer entsprechenden Kenntnis des Antragstellers.
B.
Relative und absolute Verjährung illegal exportierter Kulturgüter innerhalb der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993
Auch die EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 normiert in Art. 7 zwei unterschiedliche temporale Limitationen eines kulturellen Restitutionsanspruchs unrechtmäßig exportierter Kulturgüter.
35
Art. 7 Abs. 1 EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993: Die Mitgliedstaaten sehen in ihren Rechtsvorschriften vor, dass der Rückgabeanspruch gemäß dieser Richtlinie ein Jahr nach dem Zeitpunkt erlischt, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat von dem Ort der Belegenheit des Kulturguts und der Identität seines Eigentümers oder Besitzers Kenntnis erhält. In jedem Fall erlischt der Rückgabeanspruch 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem das Kulturgut unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats verbracht wurde. Handelt es sich jedoch um Kulturgüter, die zu öffentlichen Sammlungen gemäß Artikel 1 Nummer 1 gehören, sowie um kirchliche Güter in den Mitgliedstaaten, in denen sie nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften besonderen Schutzregelungen unterliegen, so erlischt der Rückgabeanspruch nach 75 Jahren; hiervon ausgenommen sind die Mitgliedstaaten, in denen der Rückgabeanspruch unverjährbar ist, sowie bilaterale Abkommen zwischen Mitgliedstaaten, in denen eine Verjährungsfrist von über 75 Jahren festgelegt ist.
36
Art. 7 Abs. 1 S. 1 bestimmt zum einen eine relative zeitliche Begrenzung: Ein Restitutionsanspruch unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter i.S.d. EG-Richtlinie ist dann temporal präkludiert, wenn die Dauer eines Jahres vergangen ist, nach dem Zeitpunkt, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat von dem Ort der Belegenheit des Kulturguts und der Identität seines Eigentümers oder Besitzers Kenntnis erhält (Lokalisierung des unrechtmäßig ausgeführten Kulturguts und Identifizierung des kulturellen Besitzers). Über spezielle Regelungen der Beweislastverteilung schweigt die Richtlinie, sodass den allgemeinen Grundsätzen entsprechend der beklagte Herausgabeschuldner die Kenntnis des die Restitution ersuchenden Mitgliedstaates nachzuweisen hat.41 Zum anderen wurde in S. 2 eine absolute zeitliche Begrenzung normiert. Diese vorbehaltslose temporale
37
41
Vgl. Siehr, Handel mit Kulturgütern in der EWG, NJW 1993, Heft 35, S. 2206–2209, S. 2207; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 120.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Obergrenze bringt einen Restitutionsanspruch unabhängig von den genannten relativen Zeitpunkten wie bspw. der Kenntnis zum Laufen, und beginnt generell zum Zeitpunkt des unrechtmäßigen Transfers. Grundsätzlich ist ein Restitutionsanspruch i.S.d. EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 nach 30 Jahren präkludiert. Absolut verjähren Restitutionsansprüche für Kulturgüter in öffentlichen Sammlungen und für kirchliche und religiöse Kulturgüter (sog. Kultobjekte) jedoch aufgrund der besonderen kulturellen Bedeutung und Sachqualität erst nach 75 Jahren nach dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Ausfuhr. In zwei Fallkonstellationen finden die genannten Fristen jedoch keine Rechtsanwendung: Von den allgemeinen Regeln ausgenommen sind zum einen solche Mitgliedstaaten, in denen der Rückgabeanspruch unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter, qualifiziert nach der lex fori, d.h. der Rechtsordnung des ersuchenden Mitgliedstaats, unverjährbar ist. Keine Anwendung findet die 50-jährige absolute Oberfrist zum anderen auch in solchen europäischen Mitgliedstaaten, in denen bilaterale Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, in denen eine Verjährungsfrist von über 75 Jahren festgelegt ist.42
C. Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche gegenüber dem Dieb und bösgläubigen Erwerber innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens 38
Die Rechtsgrundsätze temporaler Präklusion entwickelten sich innerhalb des angelsächsischen Rechtskreises nicht unmittelbar aus den römisch-rechtlichen Vorgaben und unterscheiden nicht eindeutig zwischen der Verjährung und der Ersitzung als eigenständige Rechtsinstitute. Die sog. limitation for actions 43 ist innerhalb der britischen Rechtsordnung in Section 3 Abs. 2 des Limitation Act aus dem Jahre 1980 statuiert und kann sowohl zu einem Erlöschen kultureller Restitutionsansprüche als auch gleichzeitig – entsprechend den Rechtswirkungen der Ersitzung – zu einem Rechtsübergang auf den Erwerber führen.
39
Section 3 Abs. 2 des Limitation Act aus dem Jahre 1980: (1) Where any cause of action in respect of the conversion of a chattel has accrued to any person and before he recovers possession of the chattel, a further conversion take place, no action shall be brought in respect of the further conversion after the expiration
42
43
Vgl. bspw. zu der deutschen Umsetzung der Richtlinie § 11 des Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 18.5.2007. Vgl. zur Anspruchsverjährung innerhalb des angelsächsischen Rechtskreises ausführlich Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 53–56.
2. Abschnitt: Gesetzliche Ausgleichsmodelle der Verjährung
813
of six years from the accrual of the cause of action in respect of the original conversion. (2) Where any such case of action has accrued to any person and the period prescribed for bringing that action has expired and he has not during that period recovered possession of the chattel, the title of that person to the chattel shall be extinguished.
Danach erlischt zunächst auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs der kulturelle Restitutionsanspruch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in solchen Fällen, in denen ein Anspruch auf Herausgabe einer Sache entstanden ist, wenn die Verjährungsfrist für diesen Anspruch abgelaufen ist und die Person während dieser Zeit den Besitz an der Sache nicht wiedererlangt hat.44 Die englische Verjährungsfrist beträgt nach Section 3 Abs. 1 des Limitation Act aus dem Jahre 1980 sechs Jahre und galt seit dem Jahre 1939 für alle Deliktsklagen auf Herausgabe 45, also auch für Klagen aus Diebstahl und sonstigen Fällen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände.
40
Vor diesem Hintergrund wurde jedoch kritisiert, dass die Interessen der Eigentümer wertvoller Gegenstände – insbesondere kultureller Wertobjekte – keine ausreichende Berücksichtigung fänden, da in der überwiegenden Zahl der Fälle die sechsjährige Frist schon abgelaufen war, bevor der Eigentümer seine Kulturgüter lokalisieren und den aktuellen Besitzer identifizieren konnte. Dementsprechend hat auch der Report des Law Reform Committee im Jahre 1973 festgestellt, …
41
“… that it can produce an unacceptable result where a valuable object has been stolen and the owner is unable to trace it until more than six years after the date of the theft. … It does not seem to us right that a thief or receiver should, whether or not he has been prosecuted, be able to establish by limitation a valid title to the stolen goods. … Accordingly, we propose that the right of an owner of goods to recover his property (or to claim damages for its conversion) should never be barred by lapse of time as against a thief or receiver.” 46
42
Bei Überprüfung von Section 3 des Limitation Act aus dem Jahre 1939 kam das Law Reform Committee somit zu der Erkenntnis, dass die temporale Präklusion von Ansprüchen dann zu einem unannehmbaren Ergebnis führt, wenn ein wertvolles Objekt gestohlen worden ist und der Eigentümer es bis zum Ablauf von sechs Jahren seit dem Diebstahl nicht auffinden kann. Danach könne es nicht als gerecht bewertet werden, dass selbst ein Dieb oder sein Abnehmer, einerlei ob er angeklagt wird oder nicht, berechtigt sein soll, durch Verjährung einen gültigen
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46
Vgl. die Übersetzung bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 53–56. Section 3 des britischen Limitation Act aus dem Jahre 1939 in Abänderung von Spackman v. Foster (1883) II Q. B. D. 99. Vgl. den Law Reform Committee’s Twenty – First Report, Pt. III (Final Report on Limitation of Actions) (London 1977), S. 32–33; zitiert bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53– 75, S. 55.
814
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Titel an der gestohlenen Sache zu erwerben. Aus diesen Gründen schlägt das Law Reform Committee vor, dass das Recht eines Eigentümers an einer beweglichen Sache, sein Eigentum von dem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zurückzufordern (oder Schadensersatz aufgrund einer sukzessiv erfolgten Veräußerung zu verlangen), unter keinen Umständen durch Zeitablauf gegenüber dem Dieb und dessen Abnehmer erlöschen dürfe.47 44
Diese Wertentscheidung zeichnete bereits das schottische Recht vor, das seit dem Jahre 1973 von der Unverjährbarkeit eines dinglichen Herausgabeanspruchs gegenüber dem Dieb oder einer Person ausging, die von dem Diebstahl wusste. Nach Schedule 3 (g) des Prescription and Limitation (Scotland) Act aus dem Jahre 1973 ist unverjährbar „any right to recover stolen property from the person by whom it was stolen or from any person privy to the stealing thereof.“ Entsprechend den Ausführungen der amtlichen Gesetzessammlung zementiert diese Regel „the common law principle that no lapse of time can ever give a good title to a thief or resetter nor extinguish the title of the true owner. The true owner’s problem is always to find and identify the stolen property.“ 48 Aufbauend auf diesen Erwägungen fügte auch England Section 4 in den Limitation Act aus dem Jahre 1980 ein, wonach allgemein eine Klage gegen den Dieb und dessen bösgläubigen Abnehmer unter keinen Umständen verjährt:
45
Section 4 Limitation Act aus dem Jahre 1980: (1) The right of any person from whom a chattel is stolen to bring an action in respect of the theft shall not be subject to the time limits under sections 2 and 3 (1) of this Act, but if his title to the chattel is extinguished under section 3 (2) of this Act he may not bring an action in respect of a theft preceding the loss of his title, unless the theft in question preceded the conversion from which time began to run for the purposes of section 3 (2). (2) Subsection (I) above shall apply to any conversion related to the theft of a chattel as it applies to the theft of a chattel; and except as provided below, every conversion following the theft of a chattel before the person from whom it is stolen recovers possession of it shall be regarded for the purposes of this section as related to the theft. If anyone purchases the stolen chattel in good faith neither the purchase nor any conversion following it shall be regarded as related to the theft. (3) Any cause of action accruing in respect of the theft or any conversion related to the theft of a chattel to any person from whom the chattel is stolen shall be disregarded for the purpose of applying section 3 (1) or (2) of this Act to his case. (4) Where in any action brought in respect of the conversion of a chattel it is proved that the chattel was stolen from the plaintiff or anyone through whom he claims it shall be presumed that any conversion following the theft is related the theft unless the contrary is shown.
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48
Vgl. die Übersetzung bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 53–56. Zitiert bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 55, Fn. 10.
2. Abschnitt: Gesetzliche Ausgleichsmodelle der Verjährung
815
(5) In this section „theft“ includes: (a) any conduct outside England and Wales which would be theft if committed in England and Wales; … and references in this section to a chattel being „stolen“ shall be construed accordingly.
Damit ergeben sich folgende Schlussfolgerungen für eine temporale Präklusion kultureller Restitutionsansprüche innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens: Ein redlicher Erwerber erwirbt auch unrechtmäßig entzogene Kulturgüter nach Ablauf der Verjährungsfrist von sechs Jahren. Dies ist heute nach Abschaffung der „sale on market overt“-Regel der Section 22 Abs. 1 des Sale of Goods Act aus dem Jahre 1979 durch Section 1 des Sale of Goods (Amendment) Act aus dem Jahre 1994 die einzige Möglichkeit innerhalb der britischen Zivilrechtsordnung gutgläubig Eigentum zu erwerben. Andererseits unterliegt der Restitutionsanspruch des Eigentümers unrechtmäßig entzogener (explizit: gestohlener) Kulturgüter gegen den Dieb und dessen bösgläubige Abnehmer keiner temporalen Präklusion. Der Anspruch ist unverjährbar und zielt auf Herausgabe des Kulturguts, solange der Beklagte das Objekt noch herausgeben kann und ein gutgläubiger Dritter es nicht nach sechs Jahren erworben hat, andernfalls besteht Anspruch auf Schadensersatz.49 Damit ist eine temporale Präklusion kultureller Restitutionsansprüche nur gegenüber gutgläubigen Erwerbern möglich, jedoch nicht gegenüber dem Dieb selbst oder sonstigen Personen, die von dem unrechtmäßigen Entzugsakt Kenntnis besitzen.
46
Die aktuelle britische Entscheidung Kurtha v. Marks vom 27. Februar 200850 hatte sich mit der Frage der Verjährung des Restitutionsanspruchs eines zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und der Gutgläubigkeit des Erwerbers auseinanderzusetzen.51 Vor dem High Court of Justice Queen’s Bench Division machte der restitutionsverpflichtete Londoner Kunsthändler Michael Marks geltend, er habe die beiden Gemälde ‚Head of a Portuguese Navigator‘ (1961) (s. Abb. 22) und ‚Chalice with Host‘ (1953) (s. Abb. 23) des indischen Künstlers Francis Newton Souza (1924–2002) gutgläubig erworben.
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Ursprünglich hatte Dr. Aziz Kurtha, ein indischer Rechtsanwalt und Kunsthändler mit Geschäftssitzen in London und Dubai, die beiden Gemälde mit einem
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49
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So Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 53–56. Kurtha v. Marks, (2008) EWHC 336. Vgl. zu der Entscheidung: Carney, Stolen Artworks and Limitation Periods, 3 stone buildings, newsletter, June 2008, Quelle: www.3sb.law.co.uk/admin/newsletters/newsletter.2008-0703.8213448060/DownloadPDF; Demers, Good Cop/Bad Cop: London Dealer ‘Stung’ By Art Loss Register, Antiques and the Arts Editorial Content, Artikel vom 22.4.2008, Quelle: http://antiquesandthearts.com/Antiques/TradeTalk/2008-04-22_10-32-25.html; Adam, London dealer forced to return Souzas – Michael Marks was misled by the Art Loss Register; then he was sued for buying the paintings, The Art Newspaper, Artikel vom 14.4.2008, Issue 190.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Marktwert i.H.v. US-$ 700.000 direkt von dem Künstler erworben. Dr. Kurtha, der eine Sammlung von mehr als 200 Souza-Gemälden zusammengetragen hatte, machte vor Gericht geltend, dass zwischen 1984 und 2005, wahrscheinlich jedoch im Laufe der 1990er Jahre, zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, einige dieser Gemälde entweder aus seiner vermieteten Londoner Privatwohnung oder aus einem Lagerhaus gestohlen worden waren. Bereits im Jahre 2002 erkannte er fünf Gemälde in einer Versteigerung bei Bonhams wieder und erwarb diese von den Einlieferern Mario Demetriou und Mike Baxter zurück. Weil er zu diesem Zeitpunkt noch nicht nachweisen konnte, dass die Gemälde gestohlen worden waren, zahlte er den Einlieferern eine Kompensationszahlung. Die beiden in der Entscheidung Kurtha v. Marks genannten Gemälde wurden von Dr. Kurtha im Jahre 2005 bei dem Art Loss Register als gestohlen gemeldet. Ein Jahr später, im Januar 2006, erwarb Michael Marks die beiden Gemälde von Mario Demetriou, den er bereits aus einer anderen geschäftlichen Verbindung kannte. Vor dem Erwerb (dies konnte jedoch nicht eindeutig geklärt werden und die Gegenansicht machte geltend, dass der Kontakt zu dem ALR erst nach dem Erwerb erfolgt war) wandte sich Michael Marks per Telefon an das Art Loss Register, dem der Anfragende bislang unbekannt war, um die Provenienz der Gemälde zu prüfen und einen Diebstahl auszuschließen. Nach Angaben des ALR erregte der Londoner Kunsthändler aus nicht näher ausgeführten Umständen gewisse Verdachtsmomente, sodass ihm seitens des ALR absichtlich verschwiegen wurde, dass der Veräußerer nicht Eigentümer der Gemälde sein könne, da diese seit 2005 gestohlen gemeldet waren. Der Geschäftsführer des ALR, Julian Radcliffe, hat später vor Gericht darauf hingewiesen, dass er Michael Marks bewusst verschwiegen hatte, dass die Gemälde aus einem Diebstahl stammen: Nach dessen Aussage sei es unter bestimmten Umständen notwendig, einem Erwerber zunächst die zweifelhafte Provenienz des Kunstwerks und die Nichtberechtigung des Veräußerers zu verschweigen, um an die wahre Identität des Erwerbers zu gelangen, dessen Bankverbindung zu erfahren und um schließlich die Diebe dingfest zu machen.52 Kurze Zeit später klagte Dr. Kurtha gegen Michael Marks auf Restitution der beiden Souza-Gemälde. Zur Verteidigung führte der Erwerber Michael Marks wie folgt aus: Außer Streit stand, dass die Gemälde im Jahre 1984 im Inventar des Klägers Dr. Kurtha aufgeführt waren. Angeblich wären die Gemälde in den Jahren 1994 bzw. 1995 als Geschenk von Grandma Banarse an ihre Tochter Ms. Banarse übergeben worden. Wie die
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Dieses Geschäftsverhalten des ALR wurde zu Recht einer umfassenden Kritik unterzogen. Vgl. zu diesem interessanten Punkt der Entscheidung die Ausführungen unter Demers, Good Cop/Bad Cop: London Dealer ‘Stung’ By Art Loss Register, Antiques and the Arts Editorial Content, Artikel vom 22.4.2008, Quelle: http://antiquesandthearts.com/Antiques/TradeTalk/ 2008-04-22_10-32-25.html; Adam, London dealer forced to return Souzas – Michael Marks was misled by the Art Loss Register; then he was sued for buying the paintings, The Art Newspaper, Artikel vom 14.4.2008, Issue 190.
2. Abschnitt: Gesetzliche Ausgleichsmodelle der Verjährung
817
Gemälde in diesen Besitz gekommen waren, blieb fraglich und konnte nicht aufgeklärt werden. Angeblich habe in der Folge Ms. Banarse die beiden Gemälde im November 1999 an Mr. Martin veräußert, der seinerseits die Gemälde angeblich von November 1999 bis Januar 2006 unter seinem Bett aufbewahrte. Mr. Martin habe in der Folge die beiden Kunstwerke im Januar 2006 an den Zwischenhändler Mario Demetriou veräußert, der seinerseits die Gemälde am 10. Januar 2006 an Michael Marks weiterverkaufte. Die Rechtssache Kurtha v. Marks enthält die prägnanteste Zusammenfassung der schwierigen Frage nach der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche nach der britischen Rechtsordnung. Darüber hinaus erinnert die Entscheidung deutlich an die im (inter-)nationalen Kunsthandel bestehenden Risiken, denen sich die Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aussetzen, die keine hinreichende Dokumentation einer Provenienzerforschung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und einer Verifizierungsbemühung der Berechtigtenposition des Veräußerers vor Gericht vorweisen können. Richter Tugendhat des High Court of Justice Queen’s Bench Division fasste die Verjährungsregelungen der Sec. 2 bis 4 des Limitation Act 1980 unter Rückgriff auf die Untersuchungen der Rechtssache Nicole de Préval v. Adrian Alan Ltd vom 6. Februar 1997 (unreported) wie folgt zusammen:
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“Six years, as is well known, is the normal period within which an action for the recovery of property, or for damages, must be brought in England. Save in cases of theft, if the claim is not brought within that time, a claimant’s title to the property of which he has lost possession is extinguished. But in cases of theft there are special provisions. A claim by a person from whom a chattel is stolen is not subject to the six year time limit from the date of the theft. In a case of theft the six year period never starts to run in favour of a thief, nor does it run against anyone whose possession of the property is related to the theft. The six year period does not begin to run unless and until someone purchases the chattel in good faith. Any conversion subsequent to the theft is presumed to be related to the theft: so the burden lies on the purchaser to show that the purchase of the goods was in good faith.” 53
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Dabei berief sich Richter Tugendhat bereits auf das Verständnis der Richterin Arden in der Rechtssache Nicole de Préval v. Adrian Alan Ltd vom 6. Februar 1997 der Sec. 3 und 4 des Limitation Act 1980, wonach bei einem redlichen Erwerb kultureller Wertobjekte das Recht des ursprünglichen Eigentümers auf Restitution seiner Objekte nach dem Ablauf einer Zeitspanne von sechs Jahren nach der Veräußerung verjährt ist. Die Entscheidung De Préval v Adrian Allen Ltd deutete dabei schon darauf hin, dass das Zurückbleiben eines Erwerbers kultureller Wertgegenstände hinter dem notwendigen Sorgfaltsmaßstab in Form von Provenienzerforschungen hinsichtlich des Kaufobjektes und von Verifizierungs-
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Vgl. Kurtha v. Marks, (2008) EWHC 336, zitiert bei Carney, Stolen Artworks and Limitation Periods, 3 stone buildings, newsletter, June 2008, Quelle: www.3sb.law.co.uk/admin/ newsletters/newsletter.2008-07-03.8213448060/DownloadPDF.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
bemühungen hinsichtlich der Berechtigtenposition des Veräußerers als erschwerender bzw. ausschließender Faktor innerhalb des Nachweises seiner Gutgläubigkeit gilt. In der konkreten Entscheidung handelte es sich um ein Kulturgut (ein ‚Barye candelabra‘) mit einem besonders hohen Wiedererkennungswert: “In De Préval v. Adrian Alan Ltd. the claimant successfully sought recovery of a pair of nineteenth-century de Barye candelabra which were stolen from her in France in 1986. The defendant was a dealer who acquired them at some time between October 1986 and June 1989. The court held that the dealer could not defeat the claim by relying on section 4 (2) of the Limitation Act 1980 because he had not established the necessary purchase by him in good faith. Although no challenge was made as to the dealer’s reputation, the court held that a dealer of his experience should have realised the unique character of the objects, should have been put on notice that their provenance might be questionable and should not have acquired them without undertaking verification of the vendor’s title.” 54 52
Mit diesem Sorgfaltsmaßstab verglich auch Richter Tugendhat in der Entscheidung Kurtha v. Marks vom 27. Februar 2008 das Verhalten des Erwerbers: Da die sechsjährige Verjährungsfrist nur bei Gutgläubigkeit des Erwerbers beginnt und die Beweislast seiner Redlichkeit somit auf Seiten des Beklagten Michael Marks lag, untersuchte der Richter in der Folge präzise das Verhalten des Erwerbers. Schließlich verneinte Richter Tugendhat die Einhaltung des hier notwendigen Sorgfaltsmaßstabs:
53
“The impossibility of proving a purchase in good faith necessary to establish a limitation defence is not the only risk a dealer may face. A dealer in valuable works of art who pays in large amounts of cash, keeps no records, and asks no questions as to provenance of his supplier, exposes himself, and those who buy from him, to other very serious risks. These risks include that the dealer will be unable to answer queries relevant to tax from HMRC. But they also include the risks that he may face a prosecution under the Proceeds of Crime Act 2002 ss 327 to 332, and that, whether or not there is a prosecution, he may be made subject to a civil recovery order under Part 5 of that Act.” 55
54
Damit steht fest, dass innerhalb der britischen Rechtsordnung Restitutionsansprüche nur gegenüber gutgläubigen Erwerbern nach dem Ablauf von sechs Jahren verjähren und die Erwerber ihre Redlichkeit durch eine Provenienzrecherche der zu erwerbenden Kulturgüter und eine Verifizierungsbemühung der Berechtigtenposition des Veräußerers vor Gericht nachweisen müssen.
54
55
Ministerial Advisory Panel on Illicit Trade (Chairman: Professor Norman Palmer) – Report, Department for Culture, Media and Sport, Dezemver 2000, Quelle: www.culture.gov.uk/ PDF/Report%20of%20Advisory%20Panel%20on%20Illicit%20Trade.pdf. Vgl. Kurtha v. Marks, (2008) EWHC 336, zitiert bei Carney, Joseph, Stolen Artworks and Limitation Periods, 3 stone buildings, newsletter, June 2008, Quelle: www.3sb.law.co.uk/ admin/newsletters/newsletter.2008-07-03.8213448060/DownloadPDF.
3. Abschnitt Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche im Interesse der Restitutionsschuldner und des Rechtsfriedens Konträr zu den vorangehenden Ausgestaltungsvarianten verhalten sich bspw. die Rechtsordnungen Deutschlands und der Niederlande. Diese beiden Zivilrechtssysteme als Beispielsvarianten einer absoluten Verjährung kultureller Restitutionsansprüche verorten die Interessen der ursprünglichen Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter unterhalb der Interessen der Restitutionsschuldner und der Allgemeinheit am Rechtsfrieden. Die Verjährung eines Herausgabeanspruchs abhandengekommener Kunstwerke trotz fortbestehender Rechtsposition des Eigentümers schützt den aktuellen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor einer Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen.56 Diese Erwägungen folgen vornehmlich dem Rechtsverständnis, dass der Ablauf einer bestimmten Zeitspanne eine Rechtsverfolgung bestimmter Ansprüche gegenüber der beklagten Seite derart mühsam macht, dass die Aufrechterhaltung der materiell-rechtlichen Anspruchslage als unfair gegenüber dem Beklagten erkannt wird. Die Funktion einer generellen Verjährung kultureller Restitutionsansprüche liegt somit gleichermaßen im Schutz eines Putativschuldners und in der Wahrung der Interessen des wirklichen Restitutionsschuldners unrechtmäßig entzogener Kulturgüter.57
55
Da es für einen potenziell restitutionspflichtigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit fortschreitendem Zeitablauf immer schwieriger wird, zuverlässige Feststellungen über den Entziehungsakt des Kulturguts, eine mögliche Weiterveräußerung oder gar über eine Veräußerungskette weiterer kultureller Transferleistungen zu treffen sowie Informationen über die jeweilige Besitzzeit einzelner Erwerber oder die Gutgläubigkeit und die notwendigen und tatsächlich ausgeführten Nachforschungsbemühungen anderer Erwerber zur Bestimmung
56
56
57
Vgl. die Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040 S. 96, 100; ferner Mot. I S. 291. Zur judikativen Betonung des Schutzes des Anspruchsgegners vgl. etwa BGH, Urteil des 9. Zivilsenats vom 18.11.1982, Az: IX ZR 91/81, NJW 1983, 388, S. 390; BGH, Urteil des 10. Zivilsenats vom 20.04.1993, Az: X ZR 67/92, BB 1993, 1395, S. 1396, BGHZ 122, 241, S. 244, NJW 1993, 2054, S. 2055; BGH, Urteil des 11. Zivilsenats vom 28.01.2003, Az: XI ZR 243/02, BGH ZIP 2003, 524, S. 526. Vgl. auch Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7; Spiro, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, 1975, §§ 4 ff., S. 23–24; Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, S. 326 ff. Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
der Provenienz eines Kulturguts zu erlangen, soll „dem Verpflichteten ein Schutzmittel gegeben … [werden, sich] gegen voraussichtlich unberechtigte Ansprüche ohne Eingehen auf die Sache … zu vertheidigen.“58 Da im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr der potenzielle Restitutionsschuldner für anspruchshemmende und anspruchsvernichtende Tatsachen das Risiko zeitablaufbedingter Unaufklärbarkeit naturgemäß in höherem Maße als der Restitutionsgläubiger für anspruchsbegründende Tatsachen trägt59, soll bspw. in den Rechtsordnungen Deutschlands und der Niederlande das Rechtsinstitut der Verjährung als Ausgleich dieses imparitätischen Kräfteverhältnisses sowohl im Interesse des nur putativ zur Restitution verpflichteten kulturellen Besitzers als auch des wirklichen Restitutionsschuldners unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wirken.60 Darüber hinaus dient die Verjährung kultureller Restitutionsansprüche auch den Interessen der Allgemeinheit an Rechtsfrieden und Rechtssicherheit, die dem (inter-) nationalen Kulturgüterverkehr die notwendigen klaren Verhältnisse sichern und den Kunstmarkt damit insgesamt vor einer Verdunkelung der Rechtslage bewahren,61 wie sie bei späterer Geltendmachung von Rechtsansprüchen aufgrund längst vergangener Tatsachen zu befürchten wäre.62 Dem entspricht die Erwägung innerhalb der Motive zur Erstellung des deutschen BGB, die die Rechtfertigung des Rechtsinstituts der Verjährung auch auf die empirische Behauptung stützt, dass Rechte, die erst nach sehr langer Zeit geltend gemacht werden, entweder nie entstanden oder jedenfalls in der Zwischenzeit erloschen seien.63
58 59
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Vgl. Motive I, 291. So die Einschätzung bei Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7, unter Rekurs auf BGH, Urteil des 10. Zivilsenats vom 20.04.1993, Az: X ZR 67/92, BB 1993, 1395, S. 1396, BGHZ 122, 241, S. 244, NJW 1993, 2054, S. 2055. Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7, unter Rekurs auf BGH, Urteil des 10. Zivilsenats vom 20.04.1993, Az: X ZR 67/92, BB 1993, 1395, S. 1396, BGHZ 122, 241, S. 244, NJW 1993, 2054, S. 2055. Vgl. Begr. RegE, BT Drucks. 14/6040 S. 100; Mot. I S. 289; RGZ 120, 355, S. 358; BGH, Urteil des 1. Zivilsenats vom 16.06.1972, Az: I ZR 154/70, BGHZ 59, 72, S. 74; BGH, Urteil des 9. Zivilsenats vom 18.11.1982, Az: IX ZR 91/81, NJW 1983, 388, S. 389–390; BGH, Urteil des 10. Zivilsenats vom 08.12.1992, Az: X ZR 123/90, NJW-RR 1993, 1059, S. 1060; Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, S. 317–318; Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7. Vgl. bereits RGZ 145, 239, 244; BGH, Urteil des 8. Zivilsenats vom 08.01.1986, Az: VIII ZR 313/84, BGH NJW 1986, 1608, S. 1609. Vgl. Oetker, Die Verjährung: Strukturen eines allgemeinen Rechtsinstituts, 1994, S. 34; Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 6–7. Vgl. Motive I, 291; BG, Urteil vom 13.10.1964, BGE 90 II, 428, S. 438.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
Die folgenden Untersuchungen sind immer vor dem Hintergrund der Fragestellung zu verorten, ob an dem kulturgüterunspezifischen Interessenausgleich zwischen den Bedürfnissen der ursprünglichen Eigentümer und der potenziell restitutionspflichtigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch das Rechtsinstitut der Verjährung innerhalb der deutschen Rechtsordnung auch bei kulturellen Restitutionsansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter festzuhalten ist oder hier aufgrund der besonderen Sachqualität der umstrittenen Objekte Modifikationen erfolgen müssen.
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A. Verjährung kultureller Restitutionsansprüche auch gegenüber bösgläubigen Besitzern nach Ablauf von 20 Jahren innerhalb der niederländischen Zivilrechtsordnung Eine aus rechtsvergleichender Sicht für den Eigentümer zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sehr ungünstige Rechtslage besteht innerhalb des erst am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Burgerlijk Wetboek 3 (BW3) über das allgemeine Vermögensrecht innerhalb der niederländischen Zivilrechtsordnung. Außerhalb des Anwendungsbereichs eines gutgläubigen Erwerbs unregistrierter Gegenstände nach Ablauf eines dreijährigen gutgläubigen Eigenbesitzes bzw. eines zehnjährigen ununterbrochenen Besitzes bei registrierten Sachen nach Art. 99 Abs. 1 BW3, bestimmt Art. 80 Abs. 3 BW3 auch einen Eigentumserwerb durch Verjährung. Besondere Bedeutung erlangt dabei Art. 105 Abs. 1 BW3, der i.V.m. Art. 306 BW3 eine Verjährung (auch kultureller Restitutionsansprüche) ausdrücklich auch gegenüber bösgläubigen Besitzern nach Ablauf von 20 Jahren statuiert.64
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Burgerlijk Wetboek 3 (BW3): Art. 80 Abs. 3 BW3 (Boek 3, Titel 4, Afdeling 1): Men verkrijgt goederen onder bijzondere titel door overdracht, door verjaring en door onteigening, en voorts op de overige in de wet voor iedere soort aangegeven wijzen van rechtsverkrijging.
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Art. 99 Abs. 1 BW3 (Boek 3, Titel 4, Afdeling 3): Rechten op roerende zaken die nietregistergoederen zijn, en rechten aan toonder of order worden door een bezitter te goeder trouw verkregen door een onafgebroken bezit van drie jaren, andere goederen door een onafgebroken bezit van tien jaren. Art. 105 Abs. 1 BW3 (Boek 3, Titel 4, Afdeling 3): Hij die een goed bezit op het tijdstip waarop de verjaring van de rechtsvordering strekkende tot beëindiging van het bezit wordt voltooid, verkrijgt dat goed, ook al was zijn bezit niet te goeder trouw.
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Vgl. zur niederländischen Rechtsordnung vor allem Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/ Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 71–73.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche Art. 306 BW3 (Boek 3, Titel 11): Indien de wet niet anders bepaalt, verjaart een rechtsvordering door verloop van twintig jaren.
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Nach Art. 105 Abs. 1 BW3 erwirbt derjenige, der eine Sache zu dem Zeitpunkt besitzt, an dem die Frist der Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe des Besitzes abläuft, die Sache auch dann, wenn er den Besitz nicht gutgläubig erworben hatte. Somit kann sich nach der niederländischen Zivilrechtsordnung auch der bösgläubige Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auf einen Rechtserwerb allein aufgrund Zeitablaufs berufen.65 Die hierfür erforderliche Frist bestimmt Art. 306 BW3 auf 20 Jahre, und zwar nach Art. 314 Abs. 2 BW3 bei Besitzentziehung seit diesem Zeitpunkt.66
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Diese besondere Härte der niederländischen Zivilrechtsordnung gegenüber dem Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wurde in der Jan van der Heyden-Entscheidung vom 8. Mai 199867 des höchsten niederländischen Gerichts, dem Hohen Rat in Den Haag, deutlich. Das Bundesland Sachsen forderte die Restitution des Gemäldes ‚Landschaft mit Kloster‘ von Jan van der Heyden, das im Jahr 1945 aus der Gemäldegalerie in Dresden verschwunden und vermutlich als persönliche Kriegstrophäe eines russischen Soldaten gestohlen worden war. Im Jahr 1990 verkaufte ein russischer Staatsbürger das Gemälde an einen Niederländer, der es bei Christie’s in Amsterdam schätzen ließ. Das Bundesland Sachsen forderte das Bild in der Folge als ‚Kriegsverlust‘ zurück. Der Hoge Raad hat schließlich jedoch die Forderung des Bundeslandes Sachsen nach Rückgabe des Gemäldes aufgrund der temporalen Präklusion des Herausgabeanspruchs abgelehnt. Die Richter entschieden, dass eine Restitution auf Grundlage fortbestehenden Eigentums nach der zum damaligen Zeitpunkt noch geltenden 30-jährigen Verjährungsgrenze aufgrund des Zeitablaufs ausgeschlossen sei. Die Richter stellten fest, dass „derjenige, der eine Sache nach der Verjährung kauft, nicht unrechtmäßig handelt“68. Eine Verjährung sei auch dann eingetreten, wenn der niederländische Käufer positiv gewusst habe, dass bis zur Verjährung die Gemäldegalerie Dresden die rechtmäßige Eigentümerin des Bildes gewesen sei.
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Vgl. hierzu auch Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), Rdnr. 151, S. 70. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 71–73. Vgl. FAZ, Verjährt – Niederlande verweigern Kunstrückgabe, Artikel vom 11.05.1998, Nr. 108, S. 43; Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff., S. 21; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, Fn. 22, S. 161; Schoen, Der rechtliche Status von Beutekunst – Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkriegs nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter, 2004, S. 17; Schorlemer, Stolen Art, German Yearbook for International Law 41 (1998), S. 317–343, S. 333. Vgl. die Zitierung bei FAZ, Verjährt – Niederlande verweigern Kunstrückgabe, Artikel vom 11.05.1998, Nr. 108, S. 43.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
Vor diesem rechtlichen Hintergrund und dem Beispiel der Jan van der HeydenEntscheidung vom 8. Mai 1998 ist es wenig überraschend, dass besonders innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsliteratur die Niederlande als „Paradies für Diebe“ bezeichnet werden.69 Aufgrund der besonders prekären Auswirkungen dieser Rechtssituation innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs bestehen dementsprechend Bestrebungen, die missliche Lage des niederländischen Vermögensrechts gerade im Hinblick auf Kunstdiebstähle70 zumindest teilweise mittels der strafrechtlichen Resolutionsmethoden zur Regulation des (inter-)nationalen Kunsthandels zu korrigieren.71
B.
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Verjährung kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach 30 Jahren innerhalb der deutschen Rechtsordnung
Auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung birgt die Verjährung kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter eine Gefahr für den ursprünglichen Eigentümer in der Rechtsverfolgung ‚seiner‘ Kunstwerke. So erkennt bspw. auch Messerschmidt die Verjährungsfrist der deutschen Zivilrechtsordnung als Kernproblematik hinsichtlich heute geltend gemachter Herausgabe- und Rückübertragungsansprüche von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst.72 Auch Müller-Katzenburg formuliert, dass damit „mittlerweile klar sein“ dürfte, „dass beispielsweise während des Zweiten Weltkrieges oder in den Nachkriegswirren abhanden gekommene Kunstwerke, von denen in den letzten Jahren so manches schöne Stück wieder auf dem Markt aufgetaucht ist, von ihren (früheren) Eigentümern oder deren Rechtsnachfolgern heute jedenfalls nach deutschem Recht in der Regel nicht mehr zurückverlangt werden können, weil in Bezug auf solche Werke die Herausgabeansprüche grundsätzlich verjährt sind“73.
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Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 71–73, mit zahlreichen w.N. auf das niederländische Zivilrecht. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 71–73. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 71–73, m.w.N. Vgl. Messerschmidt, Die Rückgabe von Kulturgütern an NS-Verfolgte, VIZ 6/2001 (11. Jahrgang), S. 289–293, S. 292. Müller-Katzenburg, Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf den Kunstmarkt – Konsequenzen für den Kunsthandel: Reklamation, Garantien, Verjährung, in: Holzweißig, Sorgfaltspflichten im Kunsthandel – Qualifizierungsworkshop November 2002, 2002, S. 3.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
I.
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Rechtskonstruktive Ausgestaltung der Verjährungseinrede des Restitutionsschuldners unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Die Verjährung von Restitutionsansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gewährt nach dem in § 214 Abs. 1 normierten Begriffsverständnis des deutschen BGB dem Restitutionsschuldner nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne das Recht, die Herausgabe der gestohlenen, während des Krieges in den besetzten Territorien entzogenen, unrechtmäßig nationalsozialistisch bedingt veräußerten oder entgegen den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen verstaatlichten Kulturgüter zu verweigern.74 Da der Restitutionsanspruch des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach Ablauf der jeweiligen Zeitspanne nicht erlischt, stattet § 214 Abs. 1 BGB den Restitutionsschuldner mit einer peremptorischen Einrede aus, die es seiner freien Entscheidung überlässt, ob er nach Eintritt der Verjährung den Restitutionsanspruch des Eigentümers noch erfüllen oder die Rückführung verweigern möchte.75 Schon in den Motiven bei der Erstellung des BGB wurde darauf hingewiesen, dass es der Entscheidung des Schuldners anheimfällt, ob er die Verjährung geltend macht, sodass die peremptorische Einrede der Verjährung nicht vom Richter von Amts wegen berücksichtigt werden darf.76 Dies hat in der heutigen Zeit innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs bspw. in den Restitutionsverfahren der nationalsozialistisch- und kriegsbedingt entzogenen Kulturgüter der Jahre 1933 bis 1945 besondere Bedeutung. Hier wird nach der deutschen Rechtsordnung in zahlreichen Konstellationen eine Verjährung des Restitutionsanspruchs der ursprünglich Berechtigten bzw. deren Erben gegenüber dem aktuellen Besitzer anzunehmen sein. Da der Rechtsanspruch auf Rückführung jedoch nicht ex iure entfällt oder von Amts wegen durch den Richter zu beachten ist (das Gericht darf den Restitutionsschuldner noch nicht einmal auf die Möglichkeit der Verjährungseinrede hinweisen77), steht es dem kulturellen Besitzer offen, aus rechtsmoralischen Gründen und ethischen Erwägungen nicht die Einrede der Verjährung geltend zu machen, sondern der materiellen Rechtsposition folgend zu handeln und nicht aus formellen Gründen eine Restitution zu verhindern. Steht fest, dass der 74
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Vgl. § 214 BGB: Wirkung der Verjährung: (1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern. (2) Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnis sowie einer Sicherheitsleistung des Schuldners. Vgl. allgemein auch Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 214, Rdnr. 1. Mot. I, S. 341. Vgl. Werner, Die sachenrechtliche Zuordnung von Raub- und Beutekunst, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern, 2002, S. 261–276, S. 269–270.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
825
ursprüngliche Eigentümer bzw. dessen Rechtsnachfolger nach den materiellsachenrechtlichen Zuordnungsregeln näher an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut steht und dementsprechend grundsätzlich schutzwürdiger ist als der aktuelle Besitzer, so erlaubt es die Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Verjährung als peremptorische Einrede, dass der Restitutionsschuldner frei über die Rückführung entscheidet oder aber sich auf seine formale Rechtsposition beruft. Rechtsfrieden und Rechtssicherheit treten insofern als Wertungsmaximen der Verjährung hinter den Gedanken des Schutzes des Restitutionsschuldners unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zurück. Hat der Restitutionsverpflichtete jedoch bei Unkenntnis der Verjährung gleichwohl das unrechtmäßig entzogene Kulturgut an den berechtigten Eigentümer rückgeführt, ist eine erneute Rückforderung ausgeschlossen.78
1.
Divergierende Fristen der Präklusion kultureller Restitutionsansprüche
Da der deutschen Verjährung nach § 194 BGB allein materiell-rechtliche Ansprüche unterworfen sind – zu einem Anspruch zählt nach der Legaldefinition das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen –,79 unterliegen absolute Rechtspositionen wie etwa das Eigentum an einem Kulturgut als eine gegenüber jedermann wirkende Rechtsmacht selbst mangels Bilateralität keiner Verjährung.80 Im Gegensatz zu der absoluten Eigentumsposition unterliegen jedoch die aus der Eigentumsposition entspringenden Ansprüche – hierzu zählt vornehmlich der Vindikationsanspruch des kulturellen Eigentümers gegen den aktuellen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach § 985 BGB – dem Verjährungsregime der §§ 194 bis 218 BGB. Soweit keine speziellen Verjährungsvorschriften eingreifen, verjähren alle im BGB geregelten rechtsgeschäftlichen und rechtsgeschäftsähnlichen Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB.81 Obwohl die regelmäßige Verjährungsfrist grundsätzlich auch sachenrechtliche Ansprüche erfasst, werden jedoch Herausgabeansprüche aus Eigentum oder sonstigen dinglichen Rechten der speziellen Verjährungsregelung des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB unterworfen, die eine 30-jährige Frist festlegt.82 Da kulturelle Restitutionsansprüche innerhalb der deutschen 78
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Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 5. Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 194, Rdnr. 2. Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 194, Rdnr. 5. Vgl. auch Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 195, Rdnr. 4 und 34. § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB: Dreißigjährige Verjährungsfrist: In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, 1. Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten, … .
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Rechtsordnung regelmäßig als Eigentumsherausgabeansprüche nach § 985 BGB zu qualifizieren sind oder aus sonstigen Gründen auf der fortbestehenden Eigentumsposition an dem Kulturgut trotz der unrechtmäßigen Entziehung beruhen, verjähren die zivilrechtlichen Restitutionsansprüche regelmäßig in 30 Jahren. 66
Dagegen handelt es sich bei den (kulturellen) Herausgabeansprüchen des (früheren) Besitzers kultureller Wertgegenstände i.S.d. § 861 und § 1007 BGB nicht um Ansprüche aus einem dinglichen Recht, sodass sie ebenso wenig unter § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB fallen wie schuldrechtliche Ansprüche auf Herausgabe, bspw. aus § 812 Abs. 1 oder § 823 i.V.m. § 249 BGB.83 Für die genannten Restitutionsansprüche, die nicht der Sondervorschrift des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB für die Vindikation des Eigentümers unterliegen, gilt seit Erlass des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die regelmäßige Verjährung nach den §§ 195 und 199 BGB.
67
§ 195 BGB: Regelmäßige Verjährungsfrist: Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. § 199 BGB: Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Höchstfristen: (1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. … (3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren 1. ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und 2. ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an. Maßgeblich ist die früher endende Frist. (4) Andere Ansprüche als Schadensersatzansprüche verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
68
Darunter fallen auch die kulturellen Restitutionsansprüche aus den gesetzlichen Schuldverhältnissen des Bereicherungs- und Deliktsrechts. Für solche Restitutionsforderungen ist die Verjährung zweistufig ausgestaltet: Zum einen als kenntnisabhängige Verjährung kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach drei Jahren, zum anderen als kenntnisunabhängige Maximalverjährung nach zehn oder 30 Jahren.84 Die kurze dreijährige Verjährungsfrist kultureller Restitutionsansprüche aus den gesetzlichen Schuldverhältnissen des Bereicherungs- und Deliktsrechts beginnt nach § 199 Abs. 1 erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Restitutionsanspruch einerseits entstanden ist und andererseits der kulturelle Rückführungsgläubiger und Eigentümer eine Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und Identifizierung des aktuellen Besitzers erreichen konnte (der Gläubiger hat von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Restitutionsschuldners Kenntnis erlangt oder
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Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 197, Rdnr. 6. Vgl. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, S. 28.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen). Ergänzung findet diese kenntnisabhängige Verjährungsfrist durch die Anwendung einer kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist, die regelmäßig dann von Bedeutung ist, wenn der Restitutionsschuldner nicht nachweisen kann, wann der Restitutionsgläubiger die Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und Identifizierung des aktuellen Besitzers erreichen konnte. Nach § 199 Abs. 3 BGB verjähren kulturelle Restitutionsansprüche auf Grundlage des Deliktsrechts entweder in zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung oder in 30 Jahren nach der unrechtmäßigen Entziehung, wobei nach § 199 Abs. 3 S. 2 BGB die früher endende Frist die maßgebliche ist. Für deliktische Herausgabeansprüche ist auch der Rechtsgehalt des § 852 BGB zu beachten (Herausgabeansprüche nach Eintritt der Verjährung). Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis. Bereicherungsrechtliche Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter verjähren nach § 199 Abs. 4 BGB in zehn Jahren nach deren Fälligkeit, d.h. bei Vorliegen sämtlicher anspruchsbegründender Voraussetzungen.85
2.
Beginn der Verjährungsfrist
Die Verjährungsfrist von kulturellen Restitutionsansprüchen nach § 197 Abs. 1 Nr. 1, die auf der fortbestehenden Eigentumsposition des Restitutionsgläubigers beruhen, beginnt nach § 200 BGB mit Anspruchsentstehung (Beginn der Verjährungsfrist).86 Ein Anspruch entsteht regelmäßig dann, wenn der Gläubiger den Schuldner auf ein Tun oder Unterlassen in Anspruch nehmen kann, d.h., sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dieser ist für die Zwecke des Verjährungsbeginns regelmäßig im Zeitpunkt seiner Fälligkeit als entstanden anzusehen. Da die Möglichkeit, den kulturellen Restitutionsanspruch geltend zu machen, nur objektiv gegeben sein muss,87 hängt der Verjährungsbeginn nicht davon ab, ob der restitutionsberechtigte Anspruchsteller und Eigentümer vom Bestehen des Restitutionsanspruchs 85 86
87
Vgl. zum Ganzen Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, S. 28. § 200 BGB: Beginn anderer Verjährungsfristen: Die Verjährungsfrist von Ansprüchen, die nicht der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen, beginnt mit der Entstehung des Anspruchs, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist. § 199 Abs. 5 findet entsprechende Anwendung. So Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 199, Rdnr. 4–5.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Kenntnis hat oder haben konnte.88 Der Anspruch des Eigentümers gegen den Besitzer aus § 985 BGB entsteht daher bspw. in dem Moment, in dem der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut erlangt und ihm kein Recht zum Besitz zusteht. Ob dem Eigentümer somit eine Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts oder eine Identifizierung des aktuellen Besitzers des kulturellen Wertobjekts möglich ist, bleibt innerhalb der 30-jährigen Verjährungsfrist von Herausgabeansprüchen aus Eigentum für die Entstehung des Anspruchs und die Frage des Verjährungsbeginns unerheblich (im Gegensatz zum Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist89). Zu beachten ist auch, dass die Verjährung solcher kultureller Restitutionsansprüche auch keine Jahresschlussverjährung ist, da der Verjährungslauf auf den Tag genau mit der Anspruchsentstehung beginnt und sich somit Fristbeginn und Fristende nach den Vorgaben der §§ 187 Abs. 1 und 188 BGB berechnen.
3. 70
Kulturgüterrechtsspezifische Hemmung des Fristenlaufs?
Speziell in den Konstellationen der völkerrechtswidrigen Entziehung kultureller Güter im Krieg bzw. in Fällen der unrechtmäßigen Verstaatlichung kultureller Wertgegenstände könnte man der Meinung sein, dass eine sog. Hemmung der Verjährung eintreten müsse, da der ursprüngliche Eigentümer ohne eigenen Schuldvorwurf aus verständlichen Gründen an der Rechtsverfolgung gehindert war. Dies könnte bspw. bei den Kulturgutentziehungen vor nationalsozialistischem Hintergrund oder bei der Plünderung kultureller Wertgegenstände in Kriegszeiten angenommen werden90, da bspw. die nationalsozialistischen Missstände innerhalb Deutschlands ebenso wenig eine (jüdische) Rechtsverfolgung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erlaubten, wie die Kriegssituationen bereits aus tatsächlichen Gründen eine grenzüberschreitende Anspruchsgeltendmachung ausschloss. Auch bei den staatlichen Kulturgutentziehungen innerhalb des Unrechtsregimes der ehemaligen DDR war eine gerichtliche Rechtsverfolgung tatsächlich nicht möglich. In diesen Fällen könnte etwa eine Hemmung der Verjährung bei höherer Gewalt entsprechend dem Gedanken des § 206 BGB ein88
89
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Vgl. die Entscheidungen: BGH, Urteil des 7. Zivilsenats vom 22.02.1979, Az: VII ZR 256/77, BGHZ 73, 363, S. 365; BGH, Urteil des 6. Zivilsenats vom 01.02.1994, Az: VI ZR 229/92, NJW 94, 999, S. 1001. § 199 Abs. 1 BGB: Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Höchstfristen: Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. “It is clear that so-called “real cases of stolen art” cannot be subject to the statute of limitations because the possibility of filing restitution claims was not available during the Union of Soviet Socialist Republic dictatorship, which was not bound by rights or law.” Raue, Summum ius suma iniuria: Stolen Jewish Cultural Assets under Legal Examination, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 185–190, S. 187.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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getreten sein, wonach die Verjährung verzögert wird, solange der Gläubiger innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert war. Da von § 206 nur Hinderungsgründe im Bereich des Gläubigers erfasst werden, wirken auch nur solche Hindernisse verjährungshemmend, die (noch) innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist vorgelegen haben, mögen sie auch bereits früher eingetreten sein.91 Der in § 206 BGB verwendete Begriff der höheren Gewalt bedeutet Zufall, wobei der Begriff im Wesentlichen dem unabwendbaren Zufall entspricht. Dieser ist nicht auf Ereignisse beschränkt, die von außen her einwirken, sondern erfasst sämtliche Fälle, in denen dem Betroffenen auch die Beachtung der äußersten Sorgfalt nichts genützt hätte.92 „Auf die Frage, inwieweit Verjährungsfristen infolge des zweiten Weltkrieges gehemmt waren, … konnte festgehalten werden, daß insbesondere § 32 der Zweiten Kriegsmaßnahmeverordnung eine generelle Hemmung der Verjährungsfristen ab dem 15.10.1944 bis zum Ende des Jahres 1945 anordnete, die von manchen deutschen Ländern bis zum Ende des Jahres 1948 verlängert wurde. Daher verlängert sich die 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB auch für den Herausgabeanspruch um mindestens 14 1/2 Monate, längstens jedoch 4 Jahre und 2 1/2 Monate. Auch wurde zur Hemmung gemäß § 203 BGB [a.F.] bereits berichtet, daß der Stillstand der Rechtspflege oder eine durch höhere Gewalt herbeigeführte Verhinderung der Geltendmachung des Anspruchs nur während der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist beachtlich sind. Eine Verhinderung während der 29 1/2 Jahre vor diesem Zeitpunkt bleibt unbeachtlich. Eine Hemmung tritt ebenso nur für denjenigen Zeitraum ein, für den die Hinderungsgründe innerhalb jener sechs Monate vorgelegen haben. Entfällt der Hemmungsgrund, beginnt die noch verbleibende Zeit abzulaufen, so daß der durch die Hemmung zunächst Begünstigte sich nun beeilen muß, seinen Anspruch innerhalb dieses maximal halben Jahres verjährungsunterbrechend geltend zu machen. Der weitere Ablauf der Verjährungsfrist ist auch nicht davon abhängig, daß der Berechtigte Kenntnis von dem Wegfall des Hemmungsgrundes erlangt hat oder hätte erlangen können; allein der tatsächliche Wegfall ist maßgeblich. So wird deutlich, daß eine Hemmung gemäß § 203 BGB [a.F.] nur in seltenen Ausnahmefällen geltend gemacht werden kann.“ 93
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Eine Hemmung der Verjährungszeit hätte auch in dem Rechtsstreit um die ‚Sumpflegende‘ von Paul Klee 94 (s. Abb. 24) angedacht werden können. Die Ge-
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Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 206, Rdnr. 2. So Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 206, Rdnr. 3. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 234–237. Vgl. auch Raue, Die „Sumpflegende“ – oder Recht gegen Eigentum, in: Die Zeit, Artikel vom 1.5.1992 (Nr. 19), S.66; Jayme, „Entartete Kunst“ und Internationales Privatrecht, 1994, S. 7–8 und S. 17; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 1–3; Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1417; Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2552.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
schichte der im Jahre 1919 gefertigten ‚Sumpflegende‘ ist auch heute noch nicht vollständig rekonstruiert und beginnt mit der Veräußerung durch Paul Klee selbst an Dr. Paul Erich Küppers aus Hannover, der das Kunstwerk mit seinem frühen Tod an seine Frau vererbte. 73
Diese stellte das Gemälde im Jahre 1926 dem damaligen Provinzialmuseum Neuerer Meister in Hannover als Dauerleihgabe zur Verfügung.95 Auch nach der Hochzeit von Frau Küppers mit dem Russen El Lissitzky und der Emigration nach Russland verblieb das Gemälde in dem Provinzialmuseum.96 Das Bild stand im Eigentum von Frau Küppers-Lissitzky, als es die Nationalsozialisten im Jahre 1937 aufgrund der Qualifizierung des Gemäldes als ‚entartet‘ einzogen. In einer sog. Liste der für die Münchener Ausstellung ‚Verfallskunst‘ angeforderten Gemälde und Zeichnungen wurde als Nr. 27 das Gemälde ‚Sumpflegende‘ unter der Rubrik „Leihgaben und fremdes Eigentum“ aufgeführt.97 Das Deutsche Reich sah sich aufgrund des Gesetzes über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai 1938 nun als Eigentümer des Gemäldes und betrieb die finanzielle Verwertung, indem das Kunstwerk zwei Jahre später an den Kunsthändler Dr. Hildebrand Gurlitt für 500 Schweizer Franken veräußert wurde.98 Nicht nur dieses Werk, sondern insgesamt 13 Gemälde hatte Sophie Küppers dem Provinzial-Museum überlassen, als sie im Winter 1926/27 mit ihrem späteren Mann EI Lissitzky überstürzt in die Sowjetunion übersiedelte. Hierunter waren unter anderem Werke von Kandinsky, Gleizes, Mondrian und Louis Markus, die ebenfalls von den Nationalsozialisten eingezogen wurden.99 Erst im Jahre 1962 trat die ‚Sumpflegende‘ wieder öffentlich in den Kunstmarkt ein, als ein Kölner Rechtsanwalt das Kunstwerk dem Auktionshaus Lempertz in Köln einlieferte, wo es Dr. Arntz für die Baseler Galerie Ernst Beyerle ersteigerte. In den darauf folgenden Jahren erfolgten mehrere heute nicht mehr rekonstruierbare Eigentumswechsel in der Schweiz. Die Luzerner Galerie Rosengart erwarb in der Folge die ‚Sumpflegende‘ im Jahre 1973. Erst im Jahre 1982 kehrte das Gemälde durch einen Ankauf der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung in München nach Deutschland zurück, die es für die Münchener Städtische Galerie im Len-
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Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1417; Vitt, FAZ vom 27.3. 1992. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 1–3. Vgl. Sello/Kunstverein Hannover, Liste der konfiszierten Werke und unveröffentlichte Dokumente: [Beschlagnahme-Aktion im Landesmuseum Hannover 1937]; Dokumentation im Rahmen d. Ausstellung „Verboten, verfolgt – Kunstdiktatur im Dritten Reich“, Kunstverein Hannover, 5. Juni bis 14. August 1983, Dokument 3 A. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 1–3. Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1417.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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bachhaus erwarb.100 Nachdem im Jahre 1991 das County Museum in Los Angeles eine Ausstellung mit dem Thema ‚Entartete Kunst: Das Schicksal der Avantgarde im Nazi-Deutschland‘101 veranstaltete, wurde die Ausstellung von dem Deutschen Historischen Museum übernommen und ab dem 3. März 1992 im Alten Museum in Berlin gezeigt.102 Die Rechtsposition des Lenbach-Hauses in München stellte Jen Lissitzky, ein Nachkomme des russischen Konstruktivisten und Architekten El Lissitzky und dessen Frau Sophie Küppers-Lissitzky, in Frage, als er das Gemälde in Berlin wiederentdeckte. Jen Lissitzky emigrierte im Jahre 1959 als jüdischer Sowjetbürger über Israel nach Köln und reklamierte das Eigentumsrecht an der ‚Sumpflegende‘ und weiteren Bildern aus dem Nachlass seiner Eltern. Jen Lissitzky erschien im Deutschen Historischen Museum kurz nach Eröffnung in Begleitung eines Rechtsanwaltes und verlangte, dass die ‚Sumpflegende‘ an ihn herausgegeben werde. Das Landgericht Berlin hatte am 5. März 1992 eine einstweilige Verfügung erlassen, welche Jen Lissitzky zuvor erwirkt hatte.103 Jen Lissitzky machte geltend, dass das Gemälde weiterhin im Eigentum seiner Mutter, Frau Küppers-Lissitzky, gestanden hätte, als es die Nationalsozialisten im Jahre 1937 aufgrund der Qualifizierung als ‚entartet‘ eingezogen hätten. Von der Ausstellungsleitung verlangte er die Herausgabe mit dem Argument, dass seine Mutter das Eigentum an dem Gemälde nicht verloren habe. Nach ihrem Tod stünde das Bild folglich ihm als Alleinerben zu.104 Diese Willkürakte seien nichtig, er – Jen Lissitzky – mache als Alleinerbe seiner Mutter Eigentümerrechte geltend.105
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Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 1–3. Vgl. hierzu Barron, „Entartete Kunst“ – Das Schicksal der Avantgarde im Nazi-Deutschland, 1992. Vgl. Jayme, „Entartete Kunst“ und Internationales Privatrecht, 1994, S. 7–8. LG Berlin, Entscheidung vom 5.3.1992, Az: 22 O 116/92 (unveröffentlicht). Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 1–3. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin ordnete an, dass das Gemälde bis zur endgültigen Klärung der Eigentumsverhältnisse an den zuständigen Gerichtsvollzieher als Sequester herauszugeben war (Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1418; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 1–3). Die Herausgabe wurde jedoch mit dem Hinweis auf konservatorische Probleme beim Transport verhindert. Es gelang der Museumsleitung, die Vollstreckung zu verhindern, indem man eine Absprache traf, dass das Gemälde bis zum Ende der Ausstellung im Museum verbleiben durfte. Dann sei es an den Sequester herauszugeben (vgl. Jayme, „Entartete Kunst“ und Internationales Privatrecht, 1994, S. 7–8; Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1418). In der Zwischenzeit legte die Museumsleitung Widerspruch nach § 936 i.V.m. § 924 ZPO ein. Daraufhin wurde die einstweilige Verfügung von den Berliner Gerichten wieder aufgehoben (Landgericht Berlin, Entscheidung vom 27.3.1992, Az: 22 O 116/92 (unveröffentlicht); Kammergericht Berlin, Entscheidung vom
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Das zur Entscheidung über die Sachzuordnung des Gemäldes berufene Landgericht München I musste leider nicht zu der Frage Stellung nehmen, ob die Beschlagnahme der Werke verfemter Künstler ein unerträgliches Unrecht darstellt, das möglicherweise die Nichtigkeit der ‚Sicherstellung‘ und Designation zu Staatseigentum des Deutschen Reiches zur Folge gehabt hätte, da darin ein eigentumsbegründender Akt nicht gesehen werden könne.106 Bei der rechtlichen Beurteilung der Verstaatlichung der ‚Sumpflegende‘ hätte es jedoch genügt, wenn das zur Entscheidung über die Herausgabe berufene Gericht festgestellt hätte, dass in dem konkreten Fall schon der personale Anwendungsbereich des Gesetzes über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai 1938 nicht eröffnet war, somit keine Legalisierungswirkung und keine Designation zu Staatseigentum des Deutschen Reiches eingetreten sein konnte, da sich die ‚Sumpflegende‘ als Leihgabe einer ausländischen Staatsbürgerin nach der Hoch-
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21.5.1992, abgedruckt in NJW 1993, S. 1480–1481: vgl. auch Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1418). Die Gerichte prüften im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch (zu Recht) nicht, ob Jen Lissitzky noch Eigentümer des Bildes war, er also einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht hatte: „Es brauchte in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden, ob der Kläger Eigentümer des Gemäldes ist oder ob dieses im Eigentum derjenigen steht, die es 1982 erworben haben.“ (LG Berlin, 27.3.1992, S. 5, zitiert bei Jayme, „Entartete Kunst“ und Internationales Privatrecht, 1994, S. 7–8). Sie ließen seinen Antrag am fehlenden Verfügungsgrund scheitern. Es wurde für Recht befunden, dass ein Anordnungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO in der vorliegenden Konstellation fehlte, da eine Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Verwirklichung des Herausgabeanspruchs nicht festgestellt werden könne. Die vom Antragsteller Jen Lissitzky behauptete Gefahr, dass man das Gemälde schnellstens verschwinden lassen könne, bestehe in der vorliegenden Situation gerade nicht. Nach Auffassung des Kammergerichts werde das behauptete Eigentumsrecht nicht dadurch vereitelt, dass das Bild nach der Ausstellung in Berlin an die sich als Eigentümerin gerierende Institution nach München zurückgegeben werde. Der Kläger sei nicht gehindert, dort seine Rechte geltend zu machen. Im Übrigen verweise das Gericht auf die ‚Seriosität‘ der einzelnen Kunstinstitutionen, die ein ‚Verschwindenlassen‘ des Gemäldes nicht erwarten ließe. Das Kammergericht führte in seiner Entscheidung vom 21.05.1992 zum Herausgabeanspruch des angeblichen Eigentümers eines Gemäldes im Wege einer einstweiligen Verfügung wie folgt aus: „Berühmt sich jemand des Eigentums an einem Gemälde …, so kann er darauf verwiesen werden, seinen angeblichen Eigentumsanspruch gegenüber demjenigen geltend zu machen, der sich als Eigentümer ansieht und Besitzer des Bildes ist. Ist das Bild vorübergehend verliehen und befindet sich an einem Ausstellungsort im Ausland, von dem aus es ohne Zweifel nach Ende der Leihfrist an den Verleiher zurückgegeben wird, so muss der Kläger eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darlegen und glaubhaft machen, warum sein angeblicher Herausgabeanspruch des Bildes an ihn als Eigentümer gefährdet ist.“ (Sog. ‚Sumpflegende‘-Entscheidung: LG Berlin vom 27.3.1992 – Az: 22.0.116/92 (unveröffentlicht), KG Berlin, Entscheidung des 22. Zivilsenats vom 21.05. 1992, Az: 22 U 1922/92, NJW 1993, 1480–1481, AfP 1993, 704). Die Verwirklichung des Rechts sei nicht gefährdet, da das Bild an das Lenbach-Haus in München zurückgegeben werde. So aber die Kommentierung bei Reich/Fischer, Wem gehören die als „entartete Kunst“ verfemten, von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Werke?, NJW 1993, S. 1417–1421, S. 1419.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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zeit von Frau Sophie Küppers mit dem Russen El Lissitzky in dem Provinzialmuseum befand und ausweislich des Wortlauts des Einziehungsgesetzes vom 31. Mai 1938 nur solche Kunstwerke ohne Entschädigung zugunsten des Reichs eingezogen werden durften, „soweit sie bei der Sicherstellung im Eigentum von Reichsangehörigen oder inländischen juristischen Personen standen“. Die Eigentümerin Frau Sophie Küppers-Lissitzky besaß zur Zeit der Designation zu Staatseigentum des Deutschen Reiches die sowjetrussische Staatsangehörigkeit ihres Mannes, die sie kraft Eheschließung erworben hatte. Dadurch hatte sie die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 17 Nr. 6 RuStAG verloren.107 Die damals auch von Ausländern (und zwar sowohl in den Reichsgrenzen als auch später in den besetzten Gebieten) eingezogenen Werke sind also von vornherein von dem Gesetz erst gar nicht erfasst worden.108 Dieser Aspekt ist in der 1993 vom Landgericht München erlassenen Entscheidung zu dem Rückgabeverlangen hinsichtlich des 1937 als ‚entartete Kunst‘ eingezogenen Bildes ‚Sumpflegende‘ von Paul Klee nicht erörtert worden, obwohl die Mutter des Klägers und damalige Eigentümerin Sowjetrussin war.109 Im Dezember 1993 musste Jen Lissitzky vor dem Landgericht München I jedoch eine Niederlage hinnehmen, da seine Klage auf Herausgabe des Bildes rechtskräftig abgewiesen wurde.110 Das Landgericht begründete diese Entscheidung damit, dass – ohne zu der Frage des Eigentumsverlustes der ursprünglichen Eigentümerin Frau Sophie Küppers-Lissitzky aufgrund des Gesetzes über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai 1938 überhaupt auszuführen – ein Herausgabeanspruch verjährt sei.111 Der potenziell restitutionsberechtigte Gläubiger Jen Lissitzky hätte sich in seinem Bemühen um die Herausgabe des Gemäldes vor dem LG München nur dann auf eine Hemmung der Verjährung nach § 206 BGB stützen können, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Zustands, der seine Freizügigkeit innerhalb und außerhalb Russlands verhinderte, Klage erhoben oder auf anderem Wege eine Unterbrechung der Verjährung herbeigeführt hätte. Waren während der NS-Herrschaft Kunstwerke unrechtmäßig entzogen und dementsprechend abhandengekommen, begann die Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt der schädigenden Handlung. Regelmäßig bestand für die geschädigten (meist jüdischen) Alteigentümer während der nationalsozialistischen Unrechtsherr107 108
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Vgl. Jayme, „Entartete Kunst“ und Internationales Privatrecht, 1994, S. 7–8. Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2552. Vgl. Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2552. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 1–3. Landgericht München I, 9. Zivilkammer, Entscheidung vom 8.12.1993, Az: 9 O 15935/93, abgedruckt in IPRax 1995 (Heft 1), S. 43 mit kritischer Anmerkung von Jayme, Zum Eigentumsherausgabeanspruch von Werken „entartete Kunst“ bei Auslandsbezug, IPRax 1995, S. 43).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
schaft jedoch keine Möglichkeit, vor deutschen Gerichten ihre Ansprüche geltend zu machen.112 Deshalb wird überwiegend angenommen, dass wegen des Stillstandes der Rechtspflege die Verjährungsfristen solange gehemmt waren, bis ein wiederhergestelltes rechtsstaatliches Gerichtswesen zur Verfolgung von Ansprüchen zur Verfügung stand.113 Gesetzliche Sonderregelungen ordneten an, dass Verjährungsfristen generell ab 1944 bis Ende des Jahres 1948 gehemmt waren. Die tatsächlich eingetretene Hemmung der Verjährung gemäß der Zweiten Kriegsmaßnahmeverordnung half dem Restitutionsgläubiger in der vorliegenden Konstellation jedenfalls nicht, da sie einen maximalen Aufschub des Verjährungsendes bis zum Ende des Jahres 1971 brachte. Der Lauf der Verjährungsfrist begann jedoch mit der Beschlagnahme im Juli oder August des Jahres 1937, lief sodann wenig mehr als sieben Jahre, bis sie gemäß der Zweiten Kriegsmaßnahmeverordnung vom 15.10.1944 bis längstens Ende des Jahres 1948 gehemmt wurde, um schließlich 23 Jahre später abzulaufen, mithin Ende 1971.114 Subjektive Umstände, wie die fehlende Kenntnis der Anspruchsberechtigung oder das Nichtwissen über den Verbleib des Kunstwerkes, begründen keine Hemmungs- oder Unterbrechungswirkung.115 Das Gericht verneinte dementsprechend verjährungshemmende Umstände, obwohl Sophie Lissitzky-Küppers
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Sehr weitreichend ist die Einschätzung von Schoen: „Dabei wird allerdings zu bedenken sein, dass die Eigentümer der kriegsbedingt verbrachten Kulturgüter nur dann von der geforderten Gesetzesänderung profitieren können, wenn die Verjährung noch nicht bereits nach dreißig Jahren, also für 1945 abhanden gekommene Kulturgüter noch nicht bereits 1975 eingetreten ist. Dies liegt daran, dass Ansprüche, die nach geltendem Recht bereits verjährt sind, von einer etwaigen Änderung kaum noch erfasst werden können. Aus Gründen des Vertrauensschutzes wird man dem Schuldner das ihm aus der Einrede der Verjährung zustehende Recht zur Leistungsverweigerung nicht im Nachhinein wieder nehmen können. Dieses Problem stellt sich aber dann nicht, wenn die dreißigjährige Verjährungsfrist ausnahmsweise noch gar nicht abgelaufen ist. Denn die Einrede der Verjährung gegen den Herausgabeanspruch kann nicht erhoben werden, wenn die Frist wegen Verhinderung der Rechtsverfolgung durch höhere Gewalt in Russland nach § 206 BGB gehemmt oder aus anderen Gründen z. B. wie beim Wtewael-Gemälde nach § 198 BGB noch nicht abgelaufen ist. So dürfte die Frist bei den kriegsbedingt nach Russland verlagerten Kulturgütern in der Regel weiterhin auch dann noch gehemmt sein, wenn das Kulturgut inzwischen aus Russland in einen anderen Staat gelangt ist, in dem ein funktionierendes Justizwesen besteht, aber der Eigentümer nichts von der Verlagerung erfährt. Denn die in Russland eingetretene Verhinderung der Rechtsverfolgung wirkt in diesen Fällen auch dann noch fort, wenn das Kulturgut später in einen Staat mit rechtsstaatlichen Strukturen, wie dies eben auch in England der Fall ist, gelangt.“ Schoen, Der rechtliche Status von Beutekunst – Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkriegs nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter, 2004, S. 194–200. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 48–51. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 234–237. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 48–51.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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persönlich verhindert war, die UdSSR zu verlassen und Rückgabeansprüche geltend zu machen.116 Strittig war innerhalb der Sumpflegende-Konstellation auch, ob bei Besitzwechseln von Deutschland ins Ausland und wieder zurück die jeweiligen Besitzzeiten in Deutschland für den letzten (deutschen) Besitzer anzurechnen seien. Dies ist insbesondere bei Kunstobjekten von maßgeblicher Bedeutung, die aufgrund der Internationalität des Kunstmarktes ständigen Besitzwechseln und häufiger Verbringung in unterschiedliche Rechtsordnungen unterliegen.117 Die 9. Zivilkammer des Landgerichts München hat in seiner Entscheidung vom 8.12.1993118 in diesem Fall bestimmt, dass die 30-jährige Verjährungsfrist des dinglichen Herausgabeanspruchs durch zeitweilige Besitzverhältnisse an dem Kunstwerk in der Schweiz nicht gehemmt wird und eine Anrechnung der Besitzzeiten in der Schweiz von 1962 bis 1982 zu erfolgen habe. Die Richter führten aus, dass der Sachverhalt zur Zeit der Entstehung des Anspruchs bestimmt, welche Verjährungsfristen für die Frist maßgebend seien. Dass als nachträgliche Änderung das Bild im ausländischen Besitz war, hatte nach der Rechtsansicht des Landgerichts München auf den Geltungsbereich der Verjährungsfristen keinen Einfluss.119
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Man könnte bspw. aber auch für die Situation kultureller Restitutionsansprüche in den neuen Bundesländern den Standpunkt einnehmen, dass während des Bestehens der ehemaligen DDR, also zwischen 1949 und 1990 eine Erfolg versprechende Rechtsverfolgung in Bezug auf in der ehemaligen DDR befindliches Kulturgut geschädigter Voreigentümer faktisch nicht möglich war. Allerdings weist Messerschmidt diesbezüglich darauf hin, „dass der BGH regelmäßig und unter Berücksichtigung in der ehemaligen DDR geltender verjährungsrechtlicher Bestimmungen des DDR-ZGB den Eintritt der Verjährung bejaht, sofern nicht der jeweilige Anspruchsteller zumindest den Versuch unternommen hat, seine begründeten Ansprüche vor den Gerichten der ehemaligen DDR geltend zu machen.“120 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist wohl der Ansicht zu folgen, dass nach der Rechtseinschätzung de lege lata zahlreiche zivilrechtliche
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Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 290. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 48–51. LG München I, Entscheidung der 9. Zivilkammer vom 8.12.1993, Az: 9 O 15935/93, IPRax 1995, 43; vgl. auch Jayme, Zum Eigentumsherausgabeanspruch von Werken „entartete Kunst“ bei Auslandsbezug, IPRax 1995, S. 43. Leitsatz 2, LG München I, Entscheidung der 9. Zivilkammer vom 8.12.1993, Az: 9 O 15935/ 93, IPRax 1995, 43. Messerschmidt, Die Rückgabe von Kulturgütern an NS-Verfolgte, VIZ 6/2001 (11. Jahrgang), S. 289–293, S. 292, unter Rekurs auf BGH, Urteil des 5. Zivilsenats vom 30.04.1993, Az: V ZR 234/91, BGHZ, 122, 308, NJW 1999, 2178, LM H. 12/1993 Art. 231 EGBGB 1986 Nr. 1.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
und zivilgerichtliche Rückübertragungs- und Herausgabeverlangen innerhalb der Rechtsordnung Deutschlands an dem Eintritt der Verjährung scheitern werden.121
4.
Problematik der Verjährung bei Rechtsnachfolge im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr anhand des sog. Wtewael-Falles
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Ebenso wie innerhalb des Rechtsinstituts der Ersitzung in § 943 BGB 122 stellt sich auch bei den Verjährungsregelungen des BGB die Frage, wie sich eine Rechtsnachfolge auf den Lauf der Verjährungsfrist auswirkt. Im Allgemeinen lässt eine Rechtsnachfolge die Verjährung eines Anspruchs unberührt, und zwar unabhängig von der Rechtsnatur des Anspruchs und ebenfalls losgelöst davon, ob sie auf Gläubiger- oder auf Schuldnerseite stattfindet und ob es sich um Singular- oder um Universalsukzession handelt.123 Dies hat für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr und die kulturelle Restitution eigentlich die Folge, dass ein gegen den Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bestehender dinglicher Restitutionsanspruch – wie bspw. der Herausgabeanspruch des Eigentümers der abhandengekommenen Kunstwerke nach § 985 BGB – wegen seiner engen Sachgebundenheit dann endet, wenn der Besitzer die tatsächliche Gewalt i.S.d § 854 Abs. 1 BGB über das Kulturgut verliert, insbesondere auch dann, wenn er den kulturellen Besitz einem anderen überträgt. Ein Kulturguttransfer des Besitzers hat dementsprechend zur Folge, dass gegen den Besitzerwerber des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts ein vom früheren Besitzer unabhängiger neuer dinglicher Anspruch entsteht.124 Allein der Besitzübergang unrechtmäßig entzogener Kulturgüter des Erblassers auf den Erben nach § 857 BGB vermag demnach grundsätzlich eine Rechtsnachfolge zu begründen. In den anderen Fällen liegt im Prinzip keine Rechtsnachfolge in der Person des Restitutionsverpflichteten vor, sodass nach allgemeinen Grundsätzen mit dem Besitzwechsel die Verjährung des kulturellen Restitutionsanspruchs gegen den neuen Besitzer von Neuem beginnen müsste.
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Um allgemein die Verkehrsfähigkeit beweglicher Gegenstände zu erhöhen und den Rechtsverkehr zu stärken, wurde in § 198 BGB für Mobilien eine Rechtsnachfolge innerhalb der Verjährungssystematik statuiert. Das hat auch Auswir-
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Vgl. Messerschmidt, Die Rückgabe von Kulturgütern an NS-Verfolgte, VIZ 6/2001 (11. Jahrgang), S. 289–293, S. 292. § 943 BGB: Ersitzung bei Rechtsnachfolge: Gelangt die Sache durch Rechtsnachfolge in den Eigenbesitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Ersitzungszeit dem Dritten zugute. Vgl. so Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 198, Rdnr. 1. Vgl. schon Mot. I S. 341; Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 198, Rdnr. 1.
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kungen auf den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr: Mit Rücksicht auf die im Verkehr herrschende allgemeine Auffassung, nach der dem Besitznachfolger dieselbe Rechtslage verbleibt, die sein Vorgänger eingenommen hat, behandelt § 198 den Besitznachfolger in Bezug auf die Verjährung so, als sei er in die Schuld seines Vorgängers eingetreten.125 Dies hat für den (inter-)nationalen Kunsthandel mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern die Konsequenz, dass die zugunsten des früheren Besitzers abhandengekommener Kunstwerke begonnene Verjährung trotz Besitzwechsels weiterläuft.126 § 198 BGB: Verjährung bei Rechtsnachfolge: Gelangt eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute.
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Die Frage nach der Rechtsnachfolge innerhalb des Rechtsinstituts der Verjährung wurde anhand der Rechtssache City of Gotha v. Sotheby’s / Cobert Finance S. A. (der sog. Wtewael-Fall) öffentlich bekannt.127 Im Speziellen ging es bei der Entscheidung des britischen High Court of Justice – Queen’s Bench Division um
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Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 198, Rdnr. 1. In Anlehnung an Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 198, Rdnr. 1. Sog. Wtewael-Fall: City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in englischer und deutscher Sprache veröffentlicht in Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., S. 78–219. Vgl. die Kommentierungen in der Tagespresse: FAZ vom 26.2.1997, Bonn gegen Sotheby’s, S. 39; dpa: Beutekunst – Gotha gewinnt Prozess in London: FAZ 11.9.1998, S. 41; Barker, Looted Old Master Goes Back to Germany: ARTnewsletter of 22 September 1998, S. 1; Crüwell, Hände weg von Beutekunst: FAZ 4.11.1998, S. 41; Foster, Germany wins back looted Old Master, The Times, Artikel vom 10.9.1998, S. 11; Aus Gotha geraubtes Gemälde Deutschland zugesprochen, NZZ, Artikel vom 10.9.1998, S. 20; Watson-Smyth, Auction world watches fight over painting, The Independent, Artikel vom 9.6.1997. Vgl. auch die rechtsdogmatischen Abhandlungen jeweils m.w.N.: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., 2001; Finkenauer, Zum Begriff der Rechtsnachfolge in § 221 BGB, JZ 2000, S. 241–247; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 165–169; Raue, Summum ius suma iniuria: Stolen Jewish Cultural Assets under Legal Examination, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 185–190, S. 187; Carl, Beutekunst vor den Zivilgerichten: Auswirkungen des Londoner Urteils über das Bild von Joachim Wtewael aus Gotha, in: Genieva/Michaletz/Werner, Gesten des guten Willens und Gesetzgebung – Dokumentation der internationalen Konferenz zur Problematik kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter; Moskau, 24. und 25. April 2001, 2001, S. 249–265, S. 251–256; Franz, Beutekunst-Musterprozess entschieden: Wtewael-Gemälde zurück in Deutschland, Kunstrecht und Urheberrecht 1 (1999), S. 298– 301; Lomas/Orton, Potential Repercussions from the City of Gotha Decision, Art, Antiquity and Law 4 (1999), S. 159–165; Mair, Misappropriation and Skulduggery in Germany and Russia: The Case of Wtewael’s ‘The Holy Family’, Art, Antiquity and Law 3 (1998), S. 413–415.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
das richtige Verständnis der deutschen Vorschrift des § 198 BGB, allgemein wurde das Urteil international jedoch als Signal gegen eine Verjährung dinglicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gewertet. 83
Die Entscheidung des sog. Wtewael-Falles stellt einen Meilenstein innerhalb der kulturellen Restitutionsverfahren der im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter dar. In zahlreichen Kommentierungen der Gerichtsentscheidung vom 9. September 1998 verweisen Fachleute ebenso wie Vertreter der Tagespresse besonders in Fällen der Restitution der kriegsbedingt entzogenen Beutekunst und der nationalsozialistisch entzogenen Raubkunst auf die Ausstrahlungswirkung des Urteils auf die „anhaltende Düsterkeit“ innerhalb des (inter-)nationalen Kunstmarktes – so die spezielle Formulierung von Justice Moses.
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Als erste bekannte Gerichtsentscheidung zu der Frage der Rechtsnachfolge im Verjährungsrecht nach § 198 BGB ist das Urteil als „ein weiterer Schritt auf dem Weg der angloamerikanischen Reform des Verjährungsrechts beim Streit um Kunstobjekte“128 im Generellen zu werten: „Dieses Urteil entfaltete eine große Abschreckungswirkung auf den grauen Markt und hat dazu geführt, dass Beutekunstobjekte einfacher und billiger durch direkte Verhandlungen mit den Besitzern zurückerlangt werden können. Hinzu kommt die elektronische Verfügbarkeit von Informationen über verschollene Objekte durch Anklicken von spezialisierten Datenbanken. Es ist schwerer geworden, sich dumm zu stellen. … Die deutsche Regierung, die diesen Prozess wesentlich mitfinanzierte, hatte sich konsequent mit ihrer Politik durchgesetzt, Kunstwaschanstalten zu bekämpfen. Der falsche Eindruck, der nach der Quedlinburg-Aktion129 entstanden war, kann Kunstwäschern keine Hoffnung auf hohe Entschädigungen mehr machen.“130
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Das Wtewael-Gemälde im internationalen Kunstschmuggel: Die sachlichen Hintergründe der Entscheidung
Ende des Zweiten Weltkrieges verschwand das Gemälde ‚Die Heilige Familie mit hl. Johannes, hl. Elisabeth und Engeln‘ des niederländischen Malers Joachim Antonisz Wtewael (ca. 1566–1638) (s. Abb. 25) aus der Sammlung in der Galerie 128
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Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., 2001, S. 2. Die Bundesrepublik Deutschland hatte sich entschieden, die Quedlinburger Kunstschätze von den Erben des Diebes – einem amerikanischen Soldaten, der die wertvollen Gegenstände aus Deutschland als Souvenirs in seine Heimat Texas per Militärpost sendete – abzukaufen und aufgrund der entstehenden Kosten nicht auf Restitution zu klagen. Carl, Drei Restitutionsfälle, die Geschichte gemacht haben: Deutschland, USA und England, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 241–260, S. 248–249.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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der herzoglichen Familie von Sachsen-Coburg und Gotha. Es wurde Mitte der achtziger Jahre aus Moskau herausgeschmuggelt, erschien 1987 kurz in Westberlin, verschwand von Neuem und tauchte erst wieder auf, als es 1992 bei Sotheby’s zum Verkauf angeboten wurde. Klägerinnen sind die Stadt Gotha als Rechtsträgerin des Museums Friedenstein und die Bundesrepublik Deutschland, die die Rückgabe des Gemäldes von der panamaischen Gesellschaft Cobert Finance S.A. wegen verbotener Eigenmacht auf Grundlage einer sog. conversion und das Absehen von einer Veräußerung seitens Sotheby’s fordern. Während die Bundesrepublik Deutschland Anspruch auf das Eigentum an dem Gemälde erhebt, macht die Stadt Gotha ein Besitzrecht daran geltend. Die Kläger fordern Herausgabe bzw. Schadensersatz mit der Begründung, Cobert Finance S.A. habe verbotene Eigenmacht an dem Gemälde begangen, indem im März 1989 eine mittelbare Besitzverschaffung an sie stattgefunden habe, sie das Gemälde damals bei Sotheby’s zum Verkauf eingeliefert habe, es durch Sotheby’s der Stadt Gotha im Oktober 1991 zum Kauf angeboten bzw. im August 1993 von Sotheby’s seine Rückgabe gefordert habe.131 Unstreitig ist die Ankunft des Gemäldes aus Moskau in Westberlin in den Jahren 1987 bis 1989, der Erwerb des Kunstwerks im Jahre 1988 von Mina Breslaw und die Empfangnahme des Gemäldes am 29. November 1988 von Sotheby’s in London. Darüber hinaus steht fest, dass die beklagte Cobert Finance S.A. den Wtewael im März 1989 von Mina Breslaw erworben hat. Außerhalb dieser wenigen unbestrittenen Fakten stellte die Ermittlung des wahrscheinlichen Sachverhalts – ein typisches Merkmal der überwiegenden Zahl kultureller Restitutionsverfahren aufgrund der bis heute bestehenden Anonymität und Halblegalität des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs – eines der Hauptprobleme der Streitentscheidung dar. So kommentierte Justice Moses einleitend, dass er zwecks Klärung strittiger Tatbestandsfragen mit dem SMERSH, Beutekunstbrigaden, den Kunstschmugglern von Moskau und „Big Mamma“ vertraut gemacht wurde und er bei der Klärung von strittigen Fragen des deutschen Rechts die Gelehrsamkeit von Kommentatoren des BGB kennengelernt habe. Es bestand eine erhebliche sachliche Diskrepanz zwischen den Darstellungen, die von den Zeugen auf Klägerseite und den Zeugen auf der Seite der beklagten Cobert Finance S.A. darüber abgegeben wurden, wann und wie das Gemälde in Westberlin ankam und welche Personen daran beteiligt waren. „Der wesentliche Streit besteht darüber, ob, nachdem das Gemälde in die Hände der Person gelangte, die
131
Vgl. ausführlich zu den tatsächlichen Sachverhaltsangaben des sog. Wtewael-Fall: City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 1–22. Weiterhin: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., 2001, S. 1–3; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 165–169.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
es aus der Sowjetunion herausschmuggelte (eine Frau Sunguza oder eine Frau Dikeni), diese Person oder ein nachfolgender Besitzer das Gemälde unterschlug. Diese Frage ist von Bedeutung, weil die Kläger argumentieren, daß, wenn eine Unterschlagung stattgefunden hat, der Anspruch nach deutschem Verjährungsrecht, falls dieses gilt, nicht durch Fristablauf verjährt ist. Die Firma Cobert behauptet, daß, selbst wenn ihre Darstellung, wie das Gemälde in die Hände von Mina Breslaw gelangt ist, nicht akzeptiert werde, die Tatsachenbehauptung der Kläger so schwach und widersprüchlich sei, daß … [das Gericht] nicht davon ausgehen dürfe, daß eine Unterschlagung stattgefunden hat. In der Welt des Kunstschmuggels ist wenig manieristisches Chiaroscuro zu erwarten, anhaltende Düsterkeit herrscht vor.“132 87
Seitens Cobert Finance S.A. wurde vorgebracht, das Gemälde sei unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges als Geschenk einer deutschen Familie an einen Oberst der sowjetischen Armee als Gegenleistung für Lebensmittel und sonstige Unterstützung übergeben worden, dessen Rechtsnachfolger das Gemälde im März oder April 1985 in Moskau an Itela Sunguza, einen Ingenieur, der 1989 in Berlin ansässig war, jedoch mit seiner sowjetischen Frau in Moskau gelebt hatte, verkauft habe. Im Jahre 1985 habe eine afrikanische Diplomatin, Frau Mukoko, das Gemälde auf Bitte Sunguzas nach Westberlin gebracht. 1987 sei das Gemälde Herrn Holger Martin, einem Bekannten des Herrn Sunguza in Westberlin, zum Zweck der Schätzung übergeben worden, der es am 24. März 1987 in die Gemäldegalerie Dahlem brachte.133 Dort wurde es zunächst durch einen Oberkurator des Dahlemer Museums erkannt und durch die Kriminalpolizei am 24. März 1987 aufgrund einer Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten beschlagnahmt, jedoch am 31. August 1987 durch die Berliner Staatsanwaltschaft an Martin unverständlicherweise wieder freigegeben.134 Die klägerseitigen Beweise zu der Frage, wie das Bild nach Westberlin gelangt ist, ruhten auf den Aussagen von Zeugen, die in den Kunstschmuggel aus der Sowjetunion verwickelt waren. Dabei handelte es sich um die Zeugen Machin, Greschnikow und Helmut Fürst, einen deutschen Staatsbürger. Machin und Greschnikow wurden
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So die Einschätzung Justice Moses, wiedergegeben bei Wtewael-Fall: City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, vgl. die deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 13. So die Einschätzung Justice Moses, wiedergegeben bei Wtewael-Fall: City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, vgl. die deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 13. Vgl. ausführlich zu der Beschlagnahme in Berlin Carl, Der „Gotha Case“, in: Carl/Güttler/ Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., 2001, S. 37 ff.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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vom Leningrader Strafgerichtshof wegen Schmuggels von Kunstwerken, darunter auch dieses Gemäldes, zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Machin bestätigte, dass der Eigentümer des umstrittenen Gemäldes ein Offizier in der sowjetischen Armee war, und erklärte, dass er zusammen mit Greschnikow Kontakt zu Helmut Fürst aufgenommen habe, der unter dem Deckmantel seines Reiseunternehmens, das Gruppenreisen nach St. Petersburg organisierte, Kunstwerke schmuggeln konnte. Fürst erklärte sich damit einverstanden, das Kunstwerk trotz Wissens um die Provenienz des Gemäldes zu erwerben. Machin habe dann Kontakt zu einer gewissen Frau Mariouena Dikeni aufgenommen, der Frau des togolesischen Botschafters in Moskau, die in der Vergangenheit Kunstwerke, unter anderem Ikonen, für Machin geschmuggelt hatte. Frau Dikeni hat später eingewilligt, als Kurier zu fungieren. Fürst habe nach diesen Zeugenaussagen das Gemälde nicht erhalten und Frau Dikeni habe bei ihrer Rückkehr nach Moskau gesagt, sie habe das Bild einer Verwandten in Berlin übergeben. Fürst kam im November 1988 in Berlin mit Peter Rohde, einem russischen Ikonenhändler, zusammen. Nach seiner Aussage sah er das Gemälde im Dezember 1988 in Rohdes Geschäft und suchte daraufhin im Januar 1990 das Museum in Gotha auf, um das Kunstwerk an das Museum zu veräußern. Aufgrund fehlender finanzieller Mittel kam das Geschäft jedoch nicht zustande. In einer schriftlichen Erklärung gegenüber dem Kulturattaché der Deutschen Botschaft in Togo vom 23. Juni 1993 sagte Frau Dikeni aus, sie habe das Gemälde in der Tat auf Bitte von Fürst nach Berlin gebracht. Dort habe sie Kontakt zu Rohde aufgenommen, der ihr riet, das Gemälde untersuchen zu lassen. Nach ihrer Aussage übergab Rohde das Gemälde an Martin, ohne dass es ihr zurückgegeben worden sei, sodass sie den Besitz an dem Gemälde gegen ihren Willen verlor.135
b)
Der rechtliche Rahmen der Wtewael-Entscheidung
Durch die – aller Wahrscheinlichkeit nach – individuelle Entziehung des Kunstwerks unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs (Kategorie des persönlichen kulturellen Diebstahls eines Soldaten) hat die Bundesrepublik kein Eigentum verloren. Auch bei Annahme des Falles, dass die Entziehung staatlich zurechenbar gewesen und als Teil der Trophäenkunst auf russisches Territorium gelangt sein sollte (dies scheint jedoch nach den tatsächlichen Sachverhaltsangaben als nahezu ausgeschlossen) ging die Bundesrepublik ihrer Eigentumsposition aufgrund der völkerrechtswidrigen Entziehung der Beutekunst nicht verlustig.136
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Vgl. Wtewael-Fall: City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, vgl. die deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 13–22. Vgl. auch Schoen, Der rechtliche Status von Beutekunst – Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkriegs nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter, 2004, S. 194–200.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Nachdem bereits am ersten Tag der mündlichen Verhandlungen die beklagte Cobert Finance S.A. vor Gericht zugestand, weder sie noch irgendjemand anders habe das Gemälde in gutem Glauben erworben, stellte der High Court of Justice fest, dass die Bundesrepublik Deutschland ihr Eigentumsrecht auch nicht mittels eines gutgläubigen Erwerbs verloren habe und dementsprechend weiterhin geltend machen könne. Nachdem darüber hinaus ohne Zweifel festgestellt werden konnte, dass weder das litauische, russische, noch das sowjetische Recht eine Ersitzung durch Privatpersonen kannte und dort auch keine Verjährungseinrede erhoben werden konnte,137 hatte das Gericht in der Folge vertieft die Möglichkeit der temporalen Präklusion des Restitutionsanspruchs der Bundesrepublik Deutschland zu prüfen. 89
Fraglich war zunächst das auf den Übergang des Eigentums an dem Gemälde geltende Recht und damit, ob die deutsche Verjährungsfrist nach Section 1 des Foreign Limitation Periods Act von 1984 – die einschlägigen englischen Rechtsvorschriften bezüglich ausländischer Verjährungsfristen – zu berücksichtigen sei. Da der kulturelle Restitutionsanspruch gegenüber bösgläubigen Erwerbern nach englischem Recht nicht verjährt und das Eigentumsrecht der Bundesrepublik Deutschland nach § 3 des Limitation Act von 1980 nicht als erloschen gilt, unterlag die vorliegende Sachverhaltskonstellation nach Einschätzung des High Court of Justice sowohl deutschem als auch englischem Recht. Folge davon war, dass beide Rechtsordnungen bei der Entscheidung berücksichtigt werden mussten, sodass nach § 1 Abs. 2 des Foreign Limitation Periods Act von 1984 deutsches Verjährungsrecht Geltungskraft erlangte. Somit war seitens des Gerichtes zu klären, ob das Recht auf Herausgabe nach deutschem Recht verjährt ist.
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Justice Moses gründete die entscheidungserheblichen rechtlichen Feststellungen der Rechtsnachfolge innerhalb der Verjährung dinglicher Restitutionsansprüche
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„Weitere Einbrüche der Verteidigungslinie erfolgten im späteren Verlauf der mündlichen Verhandlung als Resultat der Zeugenbefragungen, insbesondere der Sachverständigen: Nachdem für die Kläger nicht nur das Gutachten von Professor Suhkanov (Lomonosov Universität, Moskau), sondern auch noch ein erheblich ausführlicheres Gutachten des amerikanischen Experten in russischem und sowjetischem Recht, Professor Butler, vorgelegt wurde, aus denen sich ergab, daß nach keinem dieser beiden Rechtssysteme eine Ersitzung oder auch nur Verjährung in Frage komme, nahm die Verteidigung mit Zustimmung des eigenen Zeugen für russisches Recht, Professor Brunner (Universität Köln), den gesamten bisherigen Vortrag zur Ersitzung und Verjährung nach russischem, sowjetischem und litauischem Recht zurück. Die Verteidigung erkannte an, daß das Bild während des gesamten Zeitraumes, in dem es in Rußland (oder angeblich Litauen) gewesen war, nicht im Wege der Ersitzung oder Verjährung den Eigentümer gewechselt haben konnte. Nach dem damals geltenden Recht war es nämlich nur dem Staat möglich gewesen, Eigentum an abhanden gekommenen Gegenständen zu beanspruchen. Dies erforderte jedoch ein Handeln des Staates (also keine Anwachsung), was im Fall des Wtewael-Bildes unterblieben war.“ Carl, Der „Gotha Case“, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., 2001, S. 44.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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zunächst auf nachstehende unbestrittene Ausführungen zum deutschen Verjährungsrecht: “The following propositions of German law are not in dispute: i. The right to recovery is statute barred after a period of thirty years (Article 195 of the “BGB” [a.F., heute § 197 BGB). ii. No title is transferred to the person in possession by the expiry of the limitation period of thirty years. iii. The limitation period begins when the claim arises ( Article 198 BGB [a.F.; heute § 198 BGB]). iv. The thirty year period continued to apply even when the painting was outside Germany within the Soviet Union. v. Time runs irrespective of whether the claimant is aware of the existence of the claim or the identity of his opponent. vi. A new claim for recovery arises against each new possessor. It follows from that proposition that a new thirty year limitation period began to run each time the picture changed hands. But a succeeding possessor can take advantage of the period of time which elapsed while his predecessor was in possession pursuant to Article 221 [a.F.; heute § 198 BGB].” 138
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Der High Court folgte somit zunächst zu Recht der Prämisse, dass jedes Mal, wenn das Wtewael-Gemälde den Besitzer wechselte, die dreißigjährige Verjährungsfrist des dinglichen Anspruchs, der sich gegen den jeweiligen Besitzer des Gemäldes richtete, von Neuem begonnen hat.139 Hintergrund war die innerhalb der deutschen Rechtsdogmatik allgemein bekannte Überlegung, dass bei einer Rechtsnachfolge unter Lebenden (etwa der Veräußerung eines Kulturguts) oder von Todes wegen (ein unrechtmäßig entzogenes Kulturgut wird vererbt) grundsätzlich ein neuer Anspruch entsteht und dann die Frage beantwortet werden muss, ob damit auch eine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Während sich bei rein obligatorischen Ansprüchen die Forderung nicht dadurch ändert, dass auf Seiten des Gläubigers oder des Schuldners eine Rechtsnachfolge eintritt, kommt nach unbestrittener Auffassung bei dinglichen Ansprüchen und damit auch bei kulturellen Restitutionsforderungen, die auf der fortbestehenden Eigentumsposition gründen, wenn beim Anspruchsgegner eine Rechtsnachfolge eintritt, nach § 198 BGB die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute.140 Die Vorschrift ermöglicht daher, die Besitzzeiten (auch mehrerer) Rechtsvorgänger auf die eigene Besitzzeit anzurechnen, vorausgesetzt, der Besitz ist durch „Rechtsnachfolge“ erlangt. Dementsprechend ging das englische Gericht zunächst davon aus, dass die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 197 i.V.m. § 198 BGB bereits abgelaufen
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City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: http://www.iuscomp.org/gla/judgments/ foreign/gotha5.htm. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 234–237. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 65.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
war, als das Gemälde im Jahre 1987 bei dem Kunstschmuggler in der Sowjetunion auftauchte.141 93
Die einzige relevante und problematische Voraussetzung einer Anrechnung der Besitzzeit nach § 198 BGB ist, dass der Besitz durch „Rechtsnachfolge“ erlangt wurde. Innerhalb der deutschen Sachenrechtsordnung wird eine grundlegende Unterscheidung zwischen dem originären und dem abgeleiteten Besitzerwerb vorgenommen, wobei ein abgeleiteter Besitz nur dann entsteht, wenn der Besitz von einem Vorbesitzer derivativ erlangt wurde. Die Bundesrepublik hat sich in der Rechtssache City of Gotha v. Sotheby’s / Cobert Finance S.A. entsprechend dem von Professor Siehr erstellten und vor Gericht diskutierten Gutachten hinsichtlich der Verjährung des kulturellen Herausgabeanspruchs142 aus zwei Gründen darauf berufen, dass die nach deutschem Recht vorgesehene 30-jährige Verjährungsfrist nicht abgelaufen sei:143 Zum einen gelte die Anrechnung der Besitzzeit des Rechtsvorgängers nach § 198 BGB nicht für die Übertragung durch eine Person, die im weiteren Sinne als Übergeber zur treuen Hand („bailor“) beschrieben werden könne, an einen treuhänderischen Besitzempfänger („bailee“). Die Person, die nach englischem Recht als „bailee“ beschrieben würde, gelte nach deutschem Recht als unmittelbarer Besitzer. Der Übergeber habe dabei mittelbaren Besitz. Als der Besitz an dem Gemälde der als Kurier für den Bilderschmuggel eingesetzten Ehefrau des togolesischen Botschafters (die als Frau Dikeni und ‚Big Mamma‘ bezeichnet wird) von dem deutschen Helmut Fürst übertragen wurde, sei dieser mittelbarer Besitzer und Frau Dikeni unmittelbare Besitzerin geworden. Für eine solche Übertragung gelte jedoch die Anrechnung der Besitzzeit des Rechtsvorgängers nach § 198 BGB nicht.
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Darüber hinaus wird seitens der Bundesrepublik Deutschland als Restitutionsgläubigerin in dem Verfahren geltend gemacht, dass – bei grundsätzlicher Anwendung des § 198 BGB auf die vorliegende Konstellation der Gründung eines Besitzmittlungsverhältnisses – die Vorschrift jedoch dann unter keinen Umständen eingreifen könne, wenn ein unmittelbarer Besitzer den Gegenstand unterschlagen 141 142
143
Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 165–169. Ein Gutachten von Jayme vom 11. Juni 1992 bestätigte, dass trotz aller Rechtsprobleme nach deutschem Recht das Museum in Gotha einen Anspruch auf Herausgabe des Gemäldes nach § 985 BGB habe, der nicht verjährt und auch nicht gem. § 937 BGB ersessen sei. Vgl. Jayme, Nationales Kunstwerk und Internationales Privatrecht; Vorträge – Aufsätze – Gutachten, 1998, S. 225–235; Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75; Carl, Der „Gotha Case“, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., 2001, S. 38–39 und 44. Vgl. City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 69–70.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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oder veruntreut habe. In diesem Fall könne dem unmittelbaren Besitzer keine vorherige Verjährungsfrist zugute kommen und er könne diesen Vorteil auch nicht an einen Nachfolger weitergeben. Als Frau Dikeni somit abredewidrig und unter Verletzung ihrer Pflichten gegenüber Helmut Fürst das Wtewael-Gemälde durch die Weitergabe an den Berliner Kunsthändler Rohde unterschlug, oder als weitere Möglichkeit, als Rohde selbst es unterschlug, habe die Frist erst mit dem Datum dieser Unterschlagung zu laufen begonnen. Der High Court hatte sich somit bei der Frage nach der Verjährung des dinglichen Eigentumsherausgabeanspruchs und der Möglichkeit der Rechtsnachfolge in der Verjährung insbesondere auf die Rolle der als Kurier eingesetzten sog. Kerim Tekeni oder auch sog. Frau Dikeni (der sog. ‚Big Mamma‘), der Frau des damaligen togolesischen Botschafters in Moskau, zu konzentrieren, die das Gemälde als Kurier für den Deutschen Helmut Fürst nach Berlin bringen sollte. Problematisch ist, dass sich ‚Big Mamma‘ nach Erhalt des Bildes zur Eigenbesitzerin wendete, in welcher Eigenschaft der Wtewael ihr dann in Berlin selbst abhandenkam. Vor dem genannten tatsächlichen Hintergrund stellte Justice Moses hinsichtlich der für die Verjährung umstrittenen Tatsachen fest, dass das Gemälde im Jahre 1987 an Frau Dikeni übergeben und das Gemälde in der Folge abredewidrig nicht an Fürst in Berlin herausgegeben wurde. Ihre Rolle gab schließlich den Ausschlag für eine Mäßigung der strikten Regeln der traditionell interpretierten deutschen Verjährungsvorschriften.144 „Wenn sich herausstellen sollte, daß sie selbst in Deutschland wieder von einem Dritten bestohlen worden war, gab es an einer Unterbrechung der 30-jährigen Verjährungsfrist keinen Zweifel. Selbst wenn aber auch „nur“ eine Veruntreuung durch „Big Mamma“ oder durch einen Nachfolger im Besitz in Deutschland nachgewiesen werden konnte, gab es die Hoffnung auf einen mutigen Richter, der das ungeschmiedete Eisen des § 221 BGB [zu dieser Vorschrift gibt es keine veröffentlichten deutschen Gerichtsentscheidungen] in die nach … [Kläger]ansicht richtige Form bringen würde. Die schwierige Aufgabe würde darin liegen, diese Aufgabe außerhalb des deutschen Rechts- und Sprachgebietes einem Richter zuzumuten, dem das anwendbare deutsche Recht als Tatsache bewiesen werden mußte und dessen Maxime ohnehin iura non novit curia lautet.“145
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Vgl. Carl, Der „Gotha Case“, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., 2001, S. 38–39. Carl, Der „Gotha Case“, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., 2001, S. 38–39.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
c)
Gründung eines Besitzmittlungsverhältnisses als „Rechtsnachfolge“ i.S.d. § 198 BGB – Kein erneuter Fristbeginn bei Übergabe des Wtewael an ‚Big Mamma‘
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Die deutschen Restitutionsgläubiger machten zunächst geltend, dass die Übertragung des Besitzes an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern von einem mittelbaren Besitzer auf einen unmittelbaren Besitzer nicht als Rechtsnachfolge i.S.d. § 198 BGB zu qualifizieren und dementsprechend eine Anrechnung der Besitzzeit des mittelbaren Besitzers nicht zugunsten des unmittelbaren Besitzers möglich sei. In der Rechtssache City of Gotha v. Sotheby’s / Cobert Finance S. A. war die im Kunstschmuggel sog. ‚Big Mamma‘ aufgrund der Vereinbarung, das Wtewael-Gemälde als Kurier für den deutschen Helmut Fürst nach Berlin zu bringen, als unmittelbare Besitzerin und entsprechend den Voraussetzungen des § 868 BGB als Verwahrerin oder in einem ähnlichen Verhältnis anzusehen, vermöge dessen sie einem anderen (hier dem deutschen Helmut Fürst) gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet war. Auch der britische High Court ging hinsichtlich des Besitzwechsels von dem Kunstschmuggler in der Sowjetunion auf die Frau des togolesischen Botschafters von einem Besitzmittlungsverhältnis im Sinne des § 868 BGB aus.146 Nach Ansicht der Kläger sei jedoch eine solche Gründung eines Besitzmittlungsverhältnisses nicht als „Rechtsnachfolge“ i.S.d. § 198 BGB zu qualifizieren, sodass eine Anrechnung der Besitzzeit der russischen Rechtsvorgänger ausscheiden müsse.
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Im deutschen Recht ist in der Rechtsliteratur umstritten, ob das Besitzmittlungsverhältnis eine Rechtsnachfolge im Sinne des § 198 BGB ist. Gerichtsentscheidungen fehlen vollständig. Seitens der Restitutionskläger wurde vorgetragen, dass keine Rechtsnachfolge zwischen einem treuhänderischen Fremdbesitzer, d.h. einem unmittelbaren Besitzer, und demjenigen möglich sei, der ihm den Besitz zu treuen Händen übergeben habe (und der nach Übergabe mittelbarer Besitzer sei). Siehr vertrat vor Gericht gutachterlich die Auffassung, dass der unmittelbare Fremdbesitzer seinen Besitz vom mittelbaren Besitzer ableite, der seinerseits im mittelbaren Besitz der Sache bleibe. Dementsprechend könne durch ein Besitzmittlungsverhältnis keine Rechtsnachfolge begründet werden und der Rechtsnachfolger müsse dieselbe Art von Besitz erlangen wie der Rechtsvorgänger, sodass der unmittelbare Fremdbesitzer allenfalls über § 986 Abs. 1 BGB147 ein Besitz-
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Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 165–169. § 986 Abs. 1 BGB: Einwendungen des Besitzers: Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Ist der mittelbare Besitzer dem Eigentümer gegenüber zur Überlassung des Besitzes an den Besitzer nicht befugt, so kann der Eigentümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer oder, wenn dieser den Besitz nicht wieder übernehmen kann oder will, an sich selbst verlangen.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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recht geltend machen könne, wenn die Verjährung gegenüber dem mittelbaren Besitzer eingetreten sei.148 Diese These wurde bereits von Coing in seiner 11. Auflage der Staudinger-Kommentierung vertreten, wonach für die Fälle des § 868 BGB zu beachten sei, „daß der mit Willen des Vorgängers aufgrund eines der in § 868 BGB genannten Rechtsverhältnisse erlangte (unmittelbare) Besitz den gleichzeitigen (mittelbaren) Besitz des Vorgängers nicht ausschließt, also die Verjährung des gegen den mittelbaren Besitzer bestehenden Anspruchs weiterläuft, und daß, wenn der mittelbare Besitzer aufgrund der zu seinen Gunsten eingetretenen Verjährung dem Eigentümer gegenüber zum Besitze berechtigt ist, nach § 968 Abs. 1 BGB auch der unmittelbare Besitzer (der Mieter, Entleiher, Verwahrer usw. die Herausgabe der Sache verweigern kann. Die Anwendung des § 221 ist also in den Fällen der Miete (letting agreements), Pacht (leases), Leihe (loans), Verwahrung (bailment) usw. ausgeschlossen.“149 Innerhalb der Entscheidung City of Gotha v. Sotheby’s / Cobert Finance S.A. wurde diesbezüglich auch die Rechtsansicht Dilchers innerhalb der 12. Bearbeitung der Staudinger-Kommentierung sowie Walters in Soergels BGB-Kommentierung zitiert: „Zwischen dem mittelbaren Besitzer und dem unmittelbarem Besitzer besteht keine Rechtsnachfolge in den Besitz; gemäß § 868 besteht der mittelbare Besitz neben dem unmittelbaren Besitz fort. Die Besitzzeit des mittelbaren Besitzers wirkt aber insofern auch zugunsten des unmittelbaren Besitzers, als dieser nach § 986 Abs. 1 die Herausgabe verweigern darf, wenn die Verjährung gegenüber dem mittelbaren Besitzer eingetreten ist.“150 Die Gegenansicht ist der Meinung, dass der mittelbare und der unmittelbare Besitz nebeneinander bestehen, § 198 BGB daher auch im Besitzmittlungsverhältnis gelte und die Verjährungsfrist folglich sowohl zugunsten des mittelbaren Besitzers als auch zugunsten des unmittelbaren Besitzers weiterlaufe.151 Darauf berief sich auch die potenziell restitutionspflichtige Cobert Finance S.A.: Nach deren Rechtsdarstellung habe die Unterscheidung zwischen abgeleitetem treuhände148
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So Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 67. Vgl. auch die Erläuterungen bei Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 165–169. Coing in Staudinger, Kommentar zum BGB mit EG und Nebengesetzen I, 11. Aufl. 1957, § 221 Rdnr. 5–6, zitiert bei City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 71–72. Walter in Soergel, BGB I, 12. Aufl. 1988, § 221 Rdnr. 2–4, zitiert bei City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 72. So auch Walter in Soergel, BGB I (12. Auflage, Stuttgart, 1988), § 221 Rdnr. 4. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 165–169.
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rischen Besitz und Eigenbesitz keinen Einfluss auf die Geltung von § 198 BGB, da das entscheidende Kriterium darin bestünde, wie der unmittelbare Besitz entstanden sei. Werde der unmittelbare Besitz durch freiwillige Übergabe erworben, müsse § 198 BGB gelten. Auch die Beklagtenseite konnte sich auf entsprechende Stimmen innerhalb der deutschen Rechtsdogmatik berufen. So vertrat bspw. Peters in der 13. Staudinger-Bearbeitung die Rechtsansicht, dass eine Anrechnung der Besitzzeit auch für die Rechtsnachfolge im unmittelbaren Besitz wie für die im mittelbaren Besitz gelte. „Begründet der bisherige mittelbare Besitzer durch Überlassung der Sache an einen anderen mittelbaren Besitz, so läuft die bisherige Verjährung gegen ihn weiter, für den jetzigen unmittelbaren Besitzer gilt § 221 [BGB a.F., § 198 BGB n.F.] mit der Folge, daß er sich auf eine für sich nicht für die Verjährung ausreichende Besitzzeit des bisherigen unmittelbaren, jetzigen mitttelbaren Besitzers berufen kann. § 221 [BGB a.F., § 198 BGB n.F.] bleibt anwendbar, wenn der unmittelbare Besitzer Eigenbesitz begründet.“152 99
Der britische High Court schloss sich in der Rechtssache City of Gotha v. Sotheby’s / Cobert Finance S.A. der letztgenannten Auffassung an und betonte, dass mittelbarer Besitz neben unmittelbarem Besitz weiterbestehe und somit die Verjährungsfrist zugunsten des mittelbaren Besitzers weiterlaufe. Dem mittelbaren Besitzer komme der Ablauf der Verjährungszeit aufgrund § 198 BGB zugute, während der unmittelbare Besitzer ihn kraft § 986 Abs. 1 BGB genieße. Dies hatte für die vorliegende Sachverhaltskonstellation zur Folge, dass die vorher verstrichene Verjährungszeit Helmut Fürst mittels § 198 BGB und ‚Big Mamma‘ kraft § 986 Abs. 1 BGB zugutekam. Dies gelte gleichermaßen für die Überlassung des Wtewael-Bildes an den in Berlin ansässigen russischen Ikonenhändler Rohde vorbehaltlich der Wirkung einer Unterschlagung entweder durch ‚Big Mamma‘ selbst oder durch Rohde. Wenn nach Ablauf einer Frist von 30 Jahren eine treuhänderische Besitzübergabe stattfindet, sind somit sowohl der Übergeber als auch der Übernehmer in der Lage, sich auf die Frist von 30 Jahren zu stützen. Der unmittelbare Besitzer kann dementsprechend dieselben Einwendungen gegen einen Anspruch seitens des Eigentümers wie der Übergeber erheben.153
152
153
Peters in Staudinger, Kommentar zum BGB, §§ 164–240, 13. Aufl. 1995, § 221 Rdnr. 5, zitiert bei City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 72. So auch Finkenauer, Zum Begriff der Rechtsnachfolge in § 221 BGB, JZ 2000, S. 241–247, S. 246. City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 74.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
d)
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Keine Anwendung des § 198 BGB, wenn ein nachfolgender Besitzer, der den Besitz mit Zustimmung seines Vorgängers erlangt hat, die Sache später unterschlägt
Die auf Restitution klagende Bundesrepublik und die Stadt Gotha machten darüber hinaus jedoch gegen eine Anrechnung der Verjährungszeit der Rechtsvorgänger der Cobert Finance S. A. geltend, dass einem untreuen Rechtsnachfolger, der die Sache entgegen dem Willen des Rechtsvorgängers für sich behalten will und veräußert, die beim Rechtsvorgänger abgelaufene Verjährungsfrist nicht zugutekommen dürfe. Danach könne § 198 BGB keine Anwendung finden, wenn ein nachfolgender Besitzer, der den Besitz mit Zustimmung seines Vorgängers erlangt hat, später die Sache unterschlägt. Die potenziell restitutionspflichtige Cobert Finance S. A. nahm hingegen den Standpunkt ein, dass allein die freiwillige Übergabe des Besitzes entscheidungserheblich für eine Anwendung des § 198 BGB sein könne und eine anschließende Unterschlagung keine eigenständige Bedeutung mehr haben könne.
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Der zur Entscheidung berufene High Court hatte dementsprechend zu entscheiden, ob eine Rechtsnachfolge i.S.d. § 198 BGB auch dann noch angenommen werden könne, wenn der unmittelbare Fremdbesitzer einer Sache sich zum Eigenbesitzer aufschwingt und entgegen seinem Besitzmittlungsverhältnis zum mittelbaren Eigenbesitzer die Sache veräußert.154 Das englische Gericht hatte dementsprechend zu prüfen, ob die Verjährungsfrist mit der Unterschlagung des Gemäldes entweder durch die Frau des togolesischen Botschafters oder den Kunstschmuggler in Westberlin neu zu laufen begann. Von beiden Parteien unbestritten blieb, dass eine Applikation des § 198 BGB dann ausscheidet, wenn der Besitz durch verbotene Eigenmacht (sog. unlawful interference with direct possession) erlangt wird.155 § 858 Abs. 1 BGB legaldefiniert die ‚verbotene Eigenmacht‘: Danach handelt derjenige widerrechtlich und erfüllt den Tatbestand der verbotenen Eigenmacht, wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet. Ausdrücklich wird in Abs. 2 festgelegt, dass der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz fehlerhaft ist und der Nachfolger im Besitz die Fehlerhaftigkeit gegen sich gelten lassen muss, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerb kennt.
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Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 65. Allgemeine Rechtsansicht. Vgl. bspw. hierzu Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53– 75, S. 66–67 m.w.N.; Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 234–237.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
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Beide Parteien waren sich vor Gericht einig, dass etwa der Diebstahl des Gemäldes ein Beispiel für verbotene Eigenmacht sei. Tatsächlich stand fest, dass entweder ‚Big Mamma‘ selbst das Gemälde durch Weitergabe an den russischen Ikonenhändler Rohde oder dieser den Wtewael unterschlagen hatte, nachdem er das Kunstwerk zur Schätzung von dieser überlassen bekommen hatte. Ob ‚Big Mamma‘ somit selbst Opfer einer Unterschlagung des Gemäldes wurde oder das Kunstwerk selbst unterschlagen hatte, wurde zur Klärung der streitigen Frage der Anrechnung der Besitzzeit des Rechtsvorgängers nach § 198 BGB innerhalb der Verjährung zu Recht als belanglos seitens des High Court bezeichnet. Umstritten war jedoch, ob § 198 BGB auch dann anwendbar sei, wenn der Nachfolger im Besitz den Besitz des Gemäldes zwar mit Zustimmung des Vorbesitzers erlangt, anschließend jedoch die Sache unterschlagen habe.
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Eindeutig sprach sich allein Coing in der 11. Auflage seiner Staudinger-Kommentierung gegen die Applikation des § 198 BGB nach einer Unterschlagung der Sache und damit hinsichtlich der Rechtssache City of Gotha v. Sotheby’s / Cobert Finance S. A. gegen eine Anrechnung der Verjährungszeit zugunsten der restitutionsverpflichteten Cobert Finance S. A. aus. Ausdrücklich lehnte er eine Anrechnung der Verjährungszeit des Rechtsvorgängers dann ab, „wenn der Besitzerwerb des Nachfolgers ein rein originärer ist, also z.B. auf Ersitzung, Okkupation, Raub oder Diebstahl beruht. Sie muß nach dem Zwecke der Vorschrift ferner dann ausgeschlossen sein, wenn der Besitz des Nachfolgers zwar mit Willen des Vorgängers begründet wurde, seine Fortdauer aber auf unerlaubter Handlung (Unterschlagung) des Nachfolgers beruht.“156 Auch Siehr folgte in seiner Gutachtertätigkeit für die auf Restitution klagende Bundesrepublik Deutschland vor dem Londoner High Court dieser Rechtseinschätzung und gründete seine Entscheidung auf folgende Wertung: Unbestritten war, dass – abgesehen vom Erbfall – der Rechtsnachfolger mit Wissen und Willen des Rechtsvorgängers in den Besitz der Sache gekommen sein muss, um eine Anrechnung der Verjährungszeit des Rechtsvorgängers zu legitimieren.157 Dieses Erfordernis, das nicht im Gesetz festgeschrieben sei, ergebe sich aus folgenden Überlegungen. „Wenn man von § 857 BGB absieht, gibt es, streng genommen, keine „Rechtsnachfolge in den Besitz“ durch Rechtsgeschäft. Der Besitz wird 156
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Coing in Staudinger, Kommentar zum BGB mit EG und Nebengesetzen I, 11. Aufl. 1957, § 221 Rdnr. 5–6, zitiert bei City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 71–72. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 66–67, unter Verweis auf Coing in Staudinger, Kommentar zum BGB mit EG und Nebengesetzen I, 11. Aufl. 1957, § 221 Rdnr. 5 und Dilcher in Staudinger 1/2 (12. Aufl. Berlin 1980) § 221 Rdnr. 5 und zahlreichen weiteren Verweisen.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
851
erst durch „Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache“ erworben (§ 854 I BGB). Aus dieser Ungenauigkeit des Gesetzgebers ergibt sich nur dann ein Sinn, wenn – wie bei einem Rechtsgeschäft – der Besitz mit Willen und Wissen des Rechtsvorgängers in die Hände des Rechtsnachfolgers übergegangen ist. Dieses Erfordernis der willkürlichen Besitzeinräumung bei Rechtsnachfolge unter Lebenden schränkt also den § 221 BGB [BGB a.F., § 198 BGB n.F.] nicht ein, sondern sagt nur das aus, was das Gesetz undeutlich ausgedrückt meint. Negativ gefaßt, bedeutet das, daß kein Rechtsnachfolger ist, wer sich den Besitz eigenmächtig durch Diebstahl, Raub oder Okkupation verschafft hat. Wer diese Eigenmacht begeht, kann nur in eigener Person die abgelaufene Verjährungsfrist in Anspruch nehmen. Der unmittelbare Fremdbesitzer ist nicht Rechtsnachfolger des mittelbaren Eigenbesitzers. Er leitet seinen Besitz vom mittelbaren Besitzer ab, der auch noch im mittelbaren Besitz der Sache bleibt.“158 Nach der von Cobert Finance S. A. vorgetragenen Gegenansicht könne eine Unterschlagung auf den Lauf der Verjährung keinen Einfluss haben.159 Dabei wird auf die seitens von Feldmanns geäußerten Rechtsansicht im Münchener Kommentar Rekurs genommen, wonach es auf den Lauf der Verjährung keinen Einfluss hat, „wenn der Besitznachfolger, der den Besitz mit Willen des Vorgängers erhalten hatte, die Sache später unterschlägt oder den Besitz durch eine andere unerlaubte Handlung fortdauern läßt, ganz abgesehen davon, daß eine entgegenstehende Regelung angesichts der praktischen Schwierigkeit, hier jeweils den genauen Zeitpunkt (des Vorsatzes der unterschlagenden Partei, Anm. des Richters) festzustellen, sehr unzweckmäßig wäre, während es sich keinesfalls rechtfertigen ließe, die Verjährung etwa schon mit dem Zeitpunkt der auf Willensübereinstimmung beruhenden Besitzübertragung neu beginnen zu lassen.“160 Wer eine Sache unterschlägt, habe demnach dennoch ihren unmittelbaren Besitz ursprünglich mit dem Willen des Vorbesitzers erlangt, der dadurch zum mittelbaren Besitzer wurde. Der Besitzwechsel sei abgeleitet, nicht originär. Daran ändere sich nichts, wenn sich der unmittelbare Besitzer später durch Unterschlagung vom (berechtigten) Fremdbesitzer in einen (unberechtigten) Eigenbesitzer wandele. Es handele sich dabei lediglich um eine Änderung der Besitzart, nicht um einen Besitzwechsel. Die Anrechnung der Besitzzeit wird
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Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 66–67. Vgl. auch Finkenauer, Zum Begriff der Rechtsnachfolge in § 221 BGB, JZ 2000, S. 241–247, S. 245; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 165–169. von Feldmann in Münchener Kommentar – BGB, § 221 Rdnr. 2–3, 3. Aufl. 1993, zitiert bei City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 76.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
dementsprechend mit der Schwierigkeit begründet, den Zeitpunkt der Unterschlagung festzustellen, und der fehlenden Rechtfertigung, die Verjährung schon mit dem Zeitpunkt der Willensübereinstimmung neu beginnen zu lassen.161 Vor diesem Hintergrund geht die potenziell restitutionsverpflichtete Partei somit davon aus, dass es keine verbotene Eigenmacht des unmittelbaren Besitzers gegen den mittelbaren Besitzer gäbe.162 105
Nach der Lösung des Londoner High Court begann die Verjährungsfrist entsprechend den Ausführungen der Klägerseite ab dem Zeitpunkt der Unterschlagung des Gemäldes im Jahre 1987 neu zu laufen.163 Er entschied deshalb, dass die 30-jährige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Klageerhebung 1993 nicht verjährt war und gab der Restitutionsklage der Stadt Gotha und der Bundesrepublik Deutschland statt.164
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Keine Begründung für eine Anrechnung der Verjährungszeit des Rechtsvorgängers bietet die praktische Schwierigkeit, den genauen Zeitpunkt festzustellen, zu dem ein Besitzer den Vorsatz zur Unterschlagung fasst. Nach Ansicht des High Court ist diese Änderung des Vorsatzes in rechtlicher Hinsicht entscheidend: Fasse im Laufe einer treuhänderischen Besitzübergabe der Übernehmer den Vorsatz, die Sache für sich zu behalten, werde dieser zum Eigenbesitzer. „Während dies die rechtliche Position ist, wird die Änderung des Vorsatzes für Beweiszwecke nicht wahrnehmbar sein, bis der Übernehmer eine Handlung begeht, die mit den Bedingungen der treuhänderischen Besitzüberlassung nicht in Einklang steht. In anderen Worten, während rechtlich die Art des Besitzes sich in dem
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So die Erläuterung bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 67–68. Vgl. Finkenauer, Zum Begriff der Rechtsnachfolge in § 221 BGB, JZ 2000, S. 241–247, S. 245; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 165–169 m.w.N. So auch: „Bei mehrfachem Besitzwechsel lassen sich die jeweils verstrichenen Zeiträume nur dann addieren, wenn jeder Besitzwechsel mit der vollen Zustimmung des Übertragenden oder durch Erbfall eingetreten ist. Ein Betrug oder eine Unterschlagung schließt das Weiterlaufen der Uhr genauso aus wie ein Diebstahl.“ Carl, Beutekunst vor den Zivilgerichten: Auswirkungen des Londoner Urteils über das Bild von Joachim Wtewael aus Gotha, in: Genieva/Michaletz/Werner, Gesten des guten Willens und Gesetzgebung – Dokumentation der internationalen Konferenz zur Problematik kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter; Moskau, 24. und 25. April 2001, 2001, S. 249–265, S. 252. Vgl. auch: „Eine Anrechnung der Besitzzeit ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn der Besitz nicht im Wege eines Rechtsgeschäfts oder im Erbwege erlangt worden ist, sondern durch eine Straftat (Diebstahl, Unterschlagung usw.). Der aktuelle Besitzer kann sich die Besitzzeit dann nicht anrechnen lassen. In dem Gotha-Fall war das Kunstwerk bei seinen verschiedenen Besitzwechseln von einem der Besitzer durch eine Straftat unterschlagen worden. Dann ist nach deutschem Recht allgemein anerkannt, dass die bisherigen Besitzzeiten der Vorbesitzer zugunsten dieses neuen Besitzers nicht angerechnet werden und die Verjährungsfrist von neuem beginnt.“ Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 48–51.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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Augenblick ändert, in dem der Wille geändert wird, kann diese Änderung des Willens in Wirklichkeit nur dann festgestellt werden, wenn es irgendeine äußerliche Manifestation der Änderung gibt.“165 Aus Sicht von Justice Moses mache es bei der Festlegung des Zeitpunkts der Unterschlagung keine praktischen Schwierigkeiten, wenn bei Fehlen irgendeiner feststellbaren Unterschlagungshandlung ein Sinneswandel nie entdeckt werden würde. Auch mache es keinen Unterschied, wenn sich ein Dritter auf den äußeren Anschein der Rechtmäßigkeit stützen könne. Als Rechtfertigung für die Regel, dass § 198 BGB trotz einer Unterschlagung gelten müsse, dürfe nach Ansicht des Gerichts der Schutz eines unschuldigen Dritten nicht angeführt werden, der sich auf den äußeren Anschein der Rechtmäßigkeit der Transaktion verlassen können müsse. Auch darin könne keine Rechtfertigung für die Unterscheidung zwischen Diebstahl und Unterschlagung erkannt werden. Ein unschuldiger Dritter falle wahrscheinlich genau so leicht auf jemanden herein, der eine Sache unterschlagen hat, wie auf den Dieb. Dementsprechend sei es unwahrscheinlich, dass einer von beiden seine Unehrlichkeit offenbaren werde. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Dritter eine Unterschlagung aufdeckt, sei deshalb nicht größer, als dass er einem Diebstahl auf die Spur komme.166
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Entscheidend für den Neubeginn der Verjährungsfrist nach der Unterschlagung des Wtewael-Gemäldes war schließlich aus Sicht des Londoner High Court, dass sich im Moment der Unterschlagung die Art des Besitzes ändert und Eigenbesitz entsteht. Unter diesen Umständen erschien es dem Gericht undenkbar, dass ein unmittelbarer Besitzer, der durch Unterschlagung die Art seines Besitzes ändert, in der Lage sein sollte, jemandem, auf den der Besitz übergeht, die Verjährungszeit zu vermitteln, die während der Zeit ablief, zu der er unmittelbarer Besitzer, aber kein Eigenbesitzer war. Vielmehr erschien es Justice Moses logisch, dass die Kette des Nicht-Eigenbesitzes unterbrochen wurde. Dies hätte jedoch nicht zur Folge, dass das Verstreichen der Verjährungszeit demjenigen, auf den der Besitz übergeht, nicht zugutekommt. Vielmehr wird demjenigen, der den Besitz erwirbt, kraft § 198 BGB diejenige Verjährungszeit angerechnet, die verstrichen ist, während die Sache im Besitz eines übertragenden Besitzers war, der eine Unterschlagung begangen hat. Demjenigen, auf den der Besitz übergeht,
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City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 76–77. City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 77.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
wird ein Verstreichen der Verjährungszeit vor der Unterschlagung jedoch nicht zugutekommen.167 109
Bezogen auf die Rechtssache City of Gotha v. Sotheby’s / Cobert Finance S. A. kam Justice Moses dementsprechend zu dem logisch und rechtssystematisch zutreffend begründeten Ergebnis, dass „die deutsche Verjährungsfrist zur Zeit der Klageerhebung, was die Bundesrepublik Deutschland betrifft, im Jahre 1997 und, was die Stadt Gotha betrifft, im Jahre 1993 nicht abgelaufen war. Die Frist begann entweder, als Frau Dikeni 1987 das Gemälde unterschlug oder als es im selben Jahr von Rohde unterschlagen wurde.“168 Im Ergebnis scheiterte der Restitutionsanspruch der Stadt Gotha und der Bundesrepublik Deutschland gegen Cobert Finance S. A. somit nicht an der deutschen Verjährungsfrist von 30 Jahren und das Gericht wies der Bundesrepublik Deutschland und der Stadt Gotha das Gemälde sachlich zu. Dieses Ergebnis entspricht auch den bei Siehr niedergeschriebenen rechtsmoralischen Erwägungen: Obwohl die Verjährung nur eine Einrede gibt und die Beweislast für alle Verjährungsvoraussetzungen dem Schuldner obliegt, wird jede faktische Schwierigkeit und jedes rechtliche Hindernis zugunsten des Schuldners überwunden. Die Begründung hierfür fehlt. „Die allgemeinen Floskeln über Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden klingen sarkastisch, wenn dem Dieb nach 30-jährigem Verbergen des Diebesgutes auf Kosten des Bestohlenen eine vermögensrechtliche „Resozialisierung“ ermöglicht wird und er von der grausamen Unsicherheit befreit wird, ob er das Diebesgut zurückgeben muß oder nicht. Er soll nun auf fremde Kosten Frieden haben und der Eigentümer sogar rechtsmißbräuchlich handeln, wenn er sich die eigene Sache vom Dieb wiederbeschafft.“169
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Vgl. ausdrücklich hierzu City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 77–78. City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 78. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 67–68.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
II.
855
Finanzielle Schadenskompensation bei Weiterveräußerung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch nach Ablauf der 30-jährigen Präskriptionszeit de lege lata
Bei der 30-jährigen Präskription der auf dem Eigentumsrecht basierenden kulturellen Restitutionsansprüche ist aus wirtschaftlicher Sicht innerhalb der deutschen Rechtsordnung de lege lata jedoch noch Folgendes zu beachten: Ist der Vindikationsanspruch des kulturellen Eigentümers gegenüber dem Besitzer verjährt, so bedeutet dies nicht, dass er sein Eigentum verloren hat – die Verjährung hat innerhalb des Anwendungsbereichs des BGB keinen Rechtserwerb zur Folge. Aufgrund der Verjährung des Herausgabeanspruchs steht dem Eigentümer zwar keine Rückführungsmöglichkeit des Gegenstandes in specie mehr zu, er kann jedoch bei entgeltlichen Verfügungen des Besitzers über das unrechtmäßig entzogene Kulturgut zumindest finanzielle Kompensation und damit den aus der Veräußerung stammenden Erlös beanspruchen. Veräußert der Besitzer ein unrechtmäßig entzogenes Kulturgut nach Ablauf der 30-jährigen Verjährungsfrist an einen Dritten, kann dieser innerhalb der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs oder nach Genehmigung der Verfügung des Nichtberechtigten durch den kulturellen Eigentümer rechtmäßig Eigentum an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut erwerben: Der Veräußerer hat dann dem ursprünglichen kulturellen Eigentümer nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts den Kaufpreis herauszugeben. Eine solche Konstellation kann anhand des Auseinanderfallens der Kunstsammlung des Stoffproduzenten Robert Graetz verdeutlicht werden.170
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Robert Graetz war Inhaber einer Textilfabrik und erwarb nach dem Ende des Ersten Weltkriegs eine Villa im Berliner Grunewald. Die Ausstattung der komfortablen Räumlichkeiten überließ er seinem als Kunsthändler tätigen Bruder Hugo, der den Ankauf von Gegenwartskunst forcierte. Die Erwerbungen rückten durch die Aufforderung des Direktors der Berliner Nationalgalerie, Ludwig Justi, ins Rampenlicht, an einer Schau zeitgenössischer Kunst aus Privatbesitz teilzunehmen. Für die Präsentation im Kronprinzenpalais stellte Graetz vier Gemälde von Schmidt-Rottluff, ein Stillleben von Pechstein und ein Mädchenbildnis von Paula Modersohn-Becker zur Verfügung. Die Kollektion umfasste knapp zweihundert Werke: Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Druckgrafiken. Familienmitglieder erinnern sich an Werke von Liebermann, Ury, Dix, Radziwill, Karl Hofer und Jakob Steinhardt. Die rechtzeitig nach Südafrika ausgewanderte Tochter Hilda versicherte 1954 eidesstattlich: „Unser Haus glich
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Vgl. ausführlich zu der Sammlung Robert Graetz die Darstellungen bei: Enderlein, Berliner Kunsthandel in der Weimarer Republik und im NS-Staat – Zum Schicksal der Sammlung, 2006, S. 157–266; Blechen, Sammlung Graetz – Ein Haus wie ein Museum, FAZ, Artikel vom 01.09.2007, Nr. 203, Seite 46; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 498–500.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
einem Museum.“171 Der Auseinanderfall der Sammlung Graetz gleicht den zahllosen Fallkonstellationen des Verlustes kultureller Wertgegenstände aus jüdischem Familienbesitz: Die auf mehr als 200 Kunstwerke angewachsene Privatsammlung wurde seit Beginn des Jahres 1936 sukzessive veräußert. Aufgrund der steigenden antijüdischen Repressionsmaßnahmen sah sich Graetz dazu gezwungen, den Geschäftsbetrieb seines Textilunternehmens Anfang des Jahres 1939 endgültig einzustellen. Nach Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze am 15. September 1935 musste Graetz, um der drohenden Verarmung zu entgehen, im Auktionshaus Gerhard Harms am 25. Februar 1941 289 Objekte versteigern lassen – vornehmlich Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände, aber auch eine Tierplastik von August Gaul, die für 100 Reichsmark angeboten wurde, und das in Weißporzellan ausgeformte ‚Russische Liebespaar‘ von Barlach, dessen Erwartung bei 40 Reichsmark lag. Unaufgeklärt blieb, ob die aus Lettland stammende Ehefrau des Sammlers den bei der Auktion erzielten Erlös i.H.v. 9.942 Reichsmark vor ihrer Verhaftung als Staatsbürgerin eines befeindeten Staates ausgezahlt erhielt. Lediglich einen geringen Teil der Kunstwerke konnte der im Jahre 1939 nach Südamerika emigrierte Bruder Wilhelm Graetz mitnehmen. Robert Graetz wurde am 14. April 1942 in das Lager Trawniki bei Lublin deportiert und Ende 1945 von einem Berliner Amtsgericht für tot erklärt. Seine lettische Ehefrau Bluma Graetz wurde als feindliche Ausländerin eingestuft, nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 verhaftet und nach Russland in ein Arbeitslager deportiert. 112
Die Tochter von Robert Graetz machte nach den alliierten Rückerstattungsgesetzen u.a. Ansprüche auf die Kunstsammlung geltend. Da die Anspruchstellung außerhalb des temporalen Anwendungsbereichs lag und auch weitere formale Unzulänglichkeiten bestanden, erfolgte keine Restitution. Entschädigungsansprüche für den Verlust der Villa, der Einrichtungsgegenstände und der Kunstwerke wurden nach mehr als zehnjährigen Verhandlungen gleichfalls abgelehnt. Erst im Jahre 1973 konnte in einem Vergleich eine Summe von insgesamt lediglich 10.000 DM für die gesamte Einrichtung und die Gemälde vom Entschädigungsamt erstritten werden. In der Sammlung befanden sich auch vier Gemälde des Dresdner Malers Conrad Felixmüller. Während Robert Graetz das Gemälde ‚Apfelblüte – Klotzsche Dorf‘ im Juni 1931 direkt vom Künstler erwarb, verschenkte Felixmüller das ‚Selbstbildnis mit Sportmütze‘ (s. Abb. 26) an den Sammler im Juni 1934 als Dank für geleistete Hilfe. Während das Gemälde ‚Apfelblüte – Klotzsche Dorf‘ weder auf einer Versteigerung des Auktionshauses Grisebach am 27.05.1995 unter dem unrichtigen Titel ‚Radebeul‘ bei einem Preis von 30.000 bis 40.000 DM noch auf einer Versteigerung bei Sotheby’s in München am 2.12.1997 für lediglich 20.000 bis 30.000 DM veräußert werden konnte
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Ausführlich hierzu Blechen, Sammlung Graetz – Ein Haus wie ein Museum, FAZ, Artikel vom 01.09.2007, Nr. 203/Seite 46.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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und an den unbekannten Einlieferer zurückging (weder das Auktionshaus Grisebach noch Sotheby’s wiesen in ihren Auktionskatalogen auf die Herkunft des Gemäldes aus der Sammlung Graetz hin), wurde das Gemälde ‚Selbstbildnis mit Sportmütze‘ am 29.1.1997 bei einer Versteigerung der Villa Grisebach in Berlin für 26.450 DM veräußert. Diesmal gab das Auktionshaus als Provenienz den „ehemaligen Besitzer Robert Graetz“ im Auktionskatalog an. Ein nachträglicher Versuch der Erbengemeinschaft, das Porträt zurückzugewinnen, scheiterte am Recht und Willen des Auktionshauses, die Identität des Käufers für sich zu behalten.172 Bei Annahme eines unrechtmäßigen Entziehungstatbestandes der beiden Gemälde entweder aufgrund der Qualifizierung als kulturelles Fluchtgut oder als Raubkunst ist davon auszugehen, dass Robert Graetz trotz des Entziehungsaktes zunächst Eigentümer blieb. Nach den Sachverhaltsangaben bei Schnabel und Tatzkow war in der vorliegenden Konstellation weder ein derivativer Erwerb mittels eines Rechtsgeschäfts noch originär mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung eingetreten.173 Nach der geltenden Gesetzeslage wäre jedoch ein auf der fortbestehenden Eigentumsposition der Erben bestehender Restitutionsanspruch aufgrund der 30-jährigen Verjährungsfrist heute (aller Wahrscheinlichkeit nach) nicht mehr durchsetzbar. Da jedoch der kulturelle Alteigentümer eines unrechtmäßig entzogenen und dementsprechend abhandengekommenen Kunstwerkes auch nach Ablauf von 30 Jahren im Falle einer rechtswirksamen Weiterveräußerung an einen Dritten vom Veräußerer ersatzweise die Herausgabe des erlangten Erlöses nach den Rechtsgrundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) verlangen kann, könnten auch die Erben des Sammlers Robert Graetz zwar keine finanzielle Kompensation hinsichtlich des Gemäldes ‚Apfelblüte – Klotzsche Dorf‘ beanspruchen, jedoch hinsichtlich des Gemäldes ‚Selbstbildnis mit Sportmütze‘ den erzielten Versteigerungserlös seitens des Einlieferers geltend machen.174 Bei Gutgläubigkeit des Erwerbers erlangt dieser Eigentum an dem Gemälde, sodass die Voraussetzungen des § 816 Abs. 1 S. 1
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Vgl. Blechen, Sammlung Graetz – Ein Haus wie ein Museum, FAZ, Artikel vom 01.09.2007, Nr. 203/Seite 46; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 498–500. Vgl. Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 498–500. Neben den hier diskutierten Gemälden ist die Forderung der Graetz-Erben nach Rückgabe zweier Gemälde von Schmidt-Rottluff bisher ohne eindeutiges Ergebnis, die sich in der Berliner Nationalgalerie befinden. Wohl Mitte der dreißiger Jahre waren der ‚Gutshof in Dangast‘ aus dem Jahre 1910 und ein ‚Selbstporträt‘ aus dem Jahre 1920 in den Besitz des Berliner Großindustriellen Max Meirowsky gelangt, der 1938 in die Schweiz emigrierte. Beide Werke gehörten zu den kapitalen Erwerbungen, die Adolf Jannasch für die 1945 gegründete sog. Galerie des 20. Jahrhunderts aus dem Kunsthandel ankaufen konnte, bevor das Museum im Jahre 1968 mit der Berliner Nationalgalerie fusionierte. Vgl. Blechen, Sammlung Graetz – Ein Haus wie ein Museum, FAZ, Artikel vom 01.09.2007, Nr. 203/Seite 46.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
BGB 175 direkt vorliegen. War der Erwerber nicht gutgläubig, erwirbt dieser zwar kein Eigentum (ein Restitutionsanspruch ist dennoch aufgrund der Rechtswirkung des § 198 BGB gegenüber dem Ersteigerer nicht möglich), doch kann der (ursprüngliche) Eigentümer die Veräußerung genehmigen und den Verkaufspreis von dem Einlieferer beanspruchen. Die relative Verjährungsfrist für diesen Ersatzanspruch auf Grundlage des Bereicherungsrechts beträgt drei Jahre beginnend ab Anspruchsentstehung und Kenntnis des Alteigentümers von den Umständen, die den Anspruch begründen, und der Person des Veräußerers. Der Anspruch verjährt nach § 199 Abs. 4 BGB spätestens zehn Jahre nach seiner Entstehung (absolute Verjährungsfrist).176
III. Forderung nach Abschaffung der 30-jährigen Verjährung eines Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter de lege ferenda 114
Eine finanzielle Kompensation im Wege des Bereicherungsrechts ist einem ursprünglichen Eigentümer kultureller Wertgegenstände jedoch regelmäßig nicht genug – zur Wiedergutmachung erlittenen NS-Unrechts werden die meist jüdischen Eigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger in der Regel auf die Rückführung in specie und auf eine Derogation der 30-jährigen Präklusion kultureller Restitutionsansprüche pochen. Deshalb ist fraglich, ob eine Forderung nach Abschaffung der 30-jährigen Verjährung eines Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter de lege ferenda Unterstützung finden sollte.
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Wie bereits einleitend benannt, sind der deutschen Verjährung nach § 194 BGB allein materiell-rechtliche Ansprüche unterworfen, sodass absolute Rechtspositionen wie etwa das Eigentum an einem Kulturgut als eine gegenüber jedermann wirkende Rechtsmacht selbst mangels Bilateralität keiner Verjährung unterliegen.177 Im Gegensatz zu der absoluten (und deshalb unverjährbaren) Eigentumsposition an einem Kulturgut unterliegen jedoch die aus der Eigentumsposition entspringenden Ansprüche – hierzu zählen bspw. auch der Herausgabeanspruch des kulturellen Eigentümers gegen den aktuellen Besitzer eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts – dem Verjährungsregime der §§ 194 bis 218 BGB und verjähren nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB in 30 Jahren seit Entstehung des Herausgabeanspruchs, d.h. in dem Moment, in dem der Besitzer die tatsächliche Sach-
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§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB: Verfügung eines Nichtberechtigten: Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Vgl. zum Ganzen Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 48–51 und S. 498–500. Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 194, Rdnr. 5 m.w.N.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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herrschaft an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut erlangt und diesem kein Recht zum Besitz zusteht. Vor diesem Hintergrund war es bis zum Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001178 innerhalb der deutschen Rechtsordnung strittig, ob ein dinglicher Herausgabeanspruch nach § 985 BGB verjährt und dementsprechend ein auf der fortbestehenden Eigentumsposition des Restitutionsberechtigten ruhender Vindikationsanspruch gegen den Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zeitlich befristet ist. Der überwiegende Teil des Schrifttums ging auch schon vor Erlass des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von der 30-jährigen Verjährungsfrist eines dinglichen Eigentumsherausgabeanspruchs des § 985 BGB aus und gründete seine Rechtsansicht auf die Feststellung, dass auch der dingliche Herausgabeanspruch ein Anspruch – d.h. ein Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen – i.S. des § 194 BGB sei und deshalb der Verjährung unterliege.179 Dass dementsprechend auch der kulturelle Restitutionsanspruch des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber dem aktuellen Besitzer der Kunstwerke nach deutschem Recht der 30-jährigen Verjährung unterliegt, auch wenn dies nicht zum Eigentumserwerb des Besitzers führt, wurde dementsprechend auch schon zu diesem Zeitpunkt nicht ernsthaft angezweifelt.180 Die herrschende Meinung nimmt damit die verbundene dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz unter Berufung auf den Rechtsgehalt des § 939 BGB hin.181 Insbesondere in § 221 a.F. und heutigem § 198 BGB komme im Hinblick auf die Verjährung dinglicher Herausgabeansprüche einem „Rechtsnachfolger“ – gemeint ist: einem willentlichen
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BGBl. I Seite 3138. Herrschende Meinung schon seit Erarbeitung des BGB: vgl. Protokolle der Ersten Kommission, S. 339–340 und S. 4152–4153, abgedruckt in: Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Allgemeiner Teil, S. 1022 f., Sachenrecht I, S. 761; Motive I, 292 ff. Vgl. bspw. neben den aktuellen Kommentaren zum BGB innerhalb des Schrifttums auch: Heck, Grundriß des Sachenrechts, 1930, S. 125–126; Enneccerus/Nipperdey, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts – Entstehung, Untergang und Veränderung der Rechte; Ansprüche und Einreden, Ausübung und Sicherung der Rechte, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 15. Aufl. 1960, § 231 1, S. 1402–1403; Mager, Besonderheiten des dinglichen Anspruchs, S. 74; Peters, Die Ansprüche aus dem Eigentum, AcP 153 (1954), S. 454–465, S. 465; Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, 1997, S. 13 ff., Henckel, Vorbeugender Rechtsschutz im Zivilrecht, AcP 174 (1974), S. 97 ff., 130, weist jedoch darauf hin, dass selbst bei Annahme einer Verjährbarkeit dem Eigentümer der unverjährbare Untersagungsanspruch aus § 1004 BGB zustehen müsse, mit der der Eigentümer dem Besitzer „alle Handlungen verbieten könne, die ihm den Besitz interessant machen.“. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Die rechtsdogmatische Funktion des Instituts der erlöschenden Verjährung im Falle eigentumsrechtlicher Vindikationsansprüche betonen Miller/Carey/Meyers/Cowe, Restitution of Art and Cultural Objects: A Re-Assessment of the Role of Limitation, Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 1–17, S. 1–2.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Nachfolger in den Besitz182 – die bereits verstrichene Verjährungszeit zugute. Zudem lasse sich ein Umkehrschluss aus § 902 Abs. 1 BGB ziehen, der die Ansprüche aus den im Grundbuch eingetragenen Rechten ausdrücklich für unverjährbar erklärt. Nur vereinzelt wurde sich ausdrücklich gegen die Verjährbarkeit dinglicher Herausgabeansprüche ausgesprochen183, meistens nur de lege ferenda die Unverjährbarkeit gefordert.184 Die Rechtsprechung hatte sich dem Problem bisher nur obiter dictum angenommen, sodass keine ausdrückliche Klärung der Rechtsfrage vor Gericht erfolgt war.185
1. 117
Konstruktion eines dominum sine re nach dem Willen des historischen Gesetzgebers des BGB
Der Wertungswiderspruch, dass das dingliche Recht (d.h. das kulturelle Eigentum des ursprünglich Berechtigten) fortlebt, während die aus ihm entspringen-
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Vgl. Finkenauer, Zum Begriff der Rechtsnachfolge in § 221 BGB, JZ 2000, S. 241–247, S. 243 m.w.N. Vgl. etwa Müller, Sachenrecht, 4. Aufl. 1997, Rdnr. 455, S. 162–163. Gegenüber der von Remien, Vindikationsverjährung und Eigentumsschutz – Oder: Welche Rechte bestehen an vor langer Zeit abhanden gekommenen Sachen, insbesondere Kunstwerken?, AcP, Band 201 (2001), S. 730–756, S. 753, für die Gegenansicht angeführten Erkenntnisse aus der Rechtsvergleichung wirken selbstverstäündlich nur de lege ferenda. Der Rekurs auf die Verfassung ist aufgrund des weiten Spielraums des Gesetzgebers im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu schwach, weil das Eigentum trotz der Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs seinen Namen verdient. Vgl. dazu BVerfG, Entscheidung des 1. Senats vom 18.12.1968, Az: 1 BvR 638/64, 1 BvR 673/64, 1 BvR 200/56, 1 BvR 238/56, 1 BvR 249/56, BVerfGE 24, 367, S. 389. Vgl. Peters/Zimmermann, Verjährungsfristen, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts – Band I, Bundesminister der Justiz Bundesrepublik Deutschland, S. 77– 373, 1981, S. 186. Die zitierten Entscheidungen enthalten zur Verjährbarkeit der Vindikationsklage nur obiter dicta: RG, Urteil vom 21.9.1928, WarnR 1929, 42; RG, Urteil vom 27.10.1932, RGZ 138, 296, S. 299–300; BGH, Urteil des 4. Zivilsenats vom 26.11.1953, Az: IV ZR 139/53, BB 1954, S. 207–207, LM § 989 BGB, Nr. 2; Vgl. vornehmlich auch den im Kunstrecht bekannten Sumpflegenden-Fall: LG München I, Urteil der 9. Zivilkammer vom 08.12.1993, Az: 9 O 15935/93, IPRax 1995, S. 43: Hier wurde eine Verjährung des Vindikationsanspruchs nur hilfsweise bejaht, nachdem vorher bereits ein gutgläubiger Erwerb und eine Ersitzung nicht widerlegt werden konnten. Hierzu kritisch: Jayme, Zum Eigentumsherausgabeanspruch von Werken „entartete Kunst“ bei Auslandsbezug, IPRax 1995, S. 43, weil sich das LG München I weder mit der Neuentstehung des Vindikationsanspruchs noch mit der accessio temporis befasst hat. Das Reichsgericht hat zwar 1922 entschieden, dass die unverjährbare Forderung aus einem schweizerischen Verlustschein (nach Art. 149 V SchwG a.F.: heute verjährt sie in 20 Jahren: Art. 149a I SchwG Nf.) verjährte (RG, Urteil vom 19.12.1922, RGZ 106. 82). Diese Entscheidung hat jedoch nicht die Folge, dass auch die Herausgabeklage verjähren müsste. Das LG München I stellte im Orientierungssatz 2 fest: „Die 30jährige Verjährungsfrist des dinglichen Herausgabeanspruchs wird durch zeitweilige Besitzverhältnisse an dem Kunstwerk in der Schweiz nicht gehemmt. Welche Verjährungsfristen für die Frist maßgebend sind, bestimmt der Sachverhalt zur Zeit der Entstehung des Anspruchs. Daß als nachträgliche Änderung das Bild im ausländischen Besitz war, hat auf den Geltungsbereich der Verjährungsfristen keinen Einfluß.“.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
861
den dinglichen Ansprüche (also die Herausgabe- und Abwehransprüche gemäß §§ 985, 987 Abs. 1, 1004 BGB, d.h. die auf der Eigentumsposition ruhenden kulturellen Restitutionsansprüche) verjähren können, wurde schon bei den Beratungen zum BGB erkannt und dort ausgiebig diskutiert.186 Die Diskussion entspann sich im Verjährungsrecht bei der Ausarbeitung des heutigen § 194 BGB und den Zweifeln, ob auch dingliche Ansprüche „Ansprüche“ i. S. des § 194 BGB sind.187 Alternativ wurden vier unterschiedliche Modelle zur Lösung des Problems diskutiert:188 Neben (erstens) der Ausgestaltung der Verjährbarkeit des dinglichen Herausgabeanspruchs nur zugunsten Gutgläubiger innerhalb des Corpus iuris canonici 189 und der verschiedenen Gesetze in Hannover, Braunschweig, Rudolstadt, Sondershausen, Lippe, Lübeck (die Verjährung würde von der Gutgläubigkeit des Besitzers abhängig gemacht, so wie heute etwa innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens), wurden (zweitens) ein Rechtserwerb nach 30-jähriger Verjährung190 entsprechend der Ausgestaltung der sog. prescription acquisitive des französischen Code civil der Art. 2262, 2180, (drittens) die gänzliche Unverjährbarkeit dinglicher Ansprüche191 entsprechend dem Art. II des Hessischen Entwurfs und (viertens) die gewöhnliche Verjährung dinglicher Ansprüche ohne Rechtserwerb entsprechend den Grundsätzen des gemeinen Rechts192 diskutiert.193 Bei Applikation der gewöhnlichen Verjährungsregelungen dinglicher Ansprüche ohne Rechtserwerb wurde als besonders problematisch erkannt, dass bei einer
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Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band I, S. 513–514 (Motive, 292–294), S. 770–773 (Protokolle, 390–396). Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Vgl. Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band I, S. 513–514 (Motive, 292–294), S. 770–773 (Protokolle, 390–396). Vgl. Corpus iuris canonici, c. 5 20 X 2, 26. Diesen Gedanken hat später auch Kegel, Von wilden Tieren, zerstreuten Leuten und versunkenen Schiffen. Zum Verhältnis von Besitz und Eigentum beweglicher Sachen, in: Ficker, Festschrift fuer Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, 1978, S. 149–178, S. 176 aufgegriffen. Diesen Gedanken hat später auch Müller, Sachenrecht, 4. Aufl. 1997, Rdnr. 455 aufgegriffen und wurde de lege ferenda von Peters/Zimmermann, Verjährungsfristen, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts – Band I, Bundesminister der Justiz Bundesrepublik Deutschland, S. 77–373, 1981, S. 186, 287, 315, 318 gefördert. Im Abschlussbericht des Jahres 1992, S. 42, hat die Reformkommission dies mit dem knappen – und gerade angesichts der hier erörterten Fälle kaum überzeugenden – Hinweis abgelehnt, die Bedenken von Peters und Zimmermann seien „eher theoretischer“ Natur. Vgl. § 170 Sächs. GB, bayr. Entwurf. arg. III 80; Rechtsprechung in Österreich und Preußen. Vgl. die Darstellung der diskutierten Möglichkeiten bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/ Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 60.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Verjährbarkeit des Herausgabeanspruchs das dingliche Recht mithin seinen wesentlichen Gehalt einzubüßen droht.194 Beanstandet wurden somit insbesondere die Konsequenzen der Verjährbarkeit eines Herausgabeanspruchs, nämlich die Entstehung eines dominum sine re, das Herabsinken zu einem „Scheinrecht“195 und die Schaffung der „Halbheit Eigentum ohne Besitzrecht“.196 Um ein dominum sine re möglichst auszuschließen, wurde folgende Regelung in § 942a vorgeschlagen:197 119
„Der Eigenthumsanspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache unterliegt der Verjährung nicht, wenn derjenige, gegen welchen sich der Anspruch richtet, die Sache durch Diebstahl oder widerrechtliche Gewalt (durch eine vorsätzlich begangene strafbare Handlung) oder in Kenntnis solchen Erwerbes des Rechtsvorgängers erworben hat.“
Ein § 184a ergänzte:198 „Wer eine bewegliche Sache während der zur Verjährung des Eigenthumsanspruches erforderlichen Frist besessen hat, erwirbt mit dem Eintritte der Verjährung des Anspruchs das Eigenthum an der Sache. Die Vorschriften der 882 und 883 [heute §§ 949 und 938 BGB über Rechtsnachfolge und Vermutung des Eigenbesitzes bei Ersitzung] finden entsprechende Anwendung.“
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Indes hielt man bei den Beratungen zum BGB einen Eingriff in die Verjährungsgrundsätze aus Gründen der Systematik und des allgemeinen Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit für noch bedenklicher als die Konstruktion eines dominum sine re.199 Sowohl die Konstruktion der Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche gegenüber dem Dieb und bösgläubigen Erwerber als auch die inhaltliche Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Verjährung mit einem Rechtserwerb nach 30 Jahren „wurden aus Rücksicht auf die allgemeine Problematik der Verjährung, auf andere Ansprüche und aus Sorge um die Rechtssicherheit 194
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Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 194, Rdnr. 5. Vgl. auch die Beschreibung in Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band I, S. 513 (Motive 292). Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band I, S. 770 (Protokolle 390). Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 60. Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band I, S. 770 (Protokolle 390). Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 60. Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band I, (Mot., S. 293, Prot., S. 197 ff.).
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
863
abgelehnt, die Anomalie eines dominium sine re hingenommen und Restprobleme auf die Beratung des Sachenrechts verschoben.“200 Somit lässt sich aus den Beratungen zum BGB der historische Wille des deutschen Gesetzgebers entnehmen, dass auch der dingliche Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den Besitzer verjährt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich jedoch des Problems des dominium sine re bei den Beratungen zum Sachenrecht nicht erneut angenommen201, sodass auch für den (inter-)nationalen Verkehr mit kulturellen Gütern innerhalb der deutschen Rechtsordnung die Folge nicht vermieden wurde, dass auch der bösgläubige Besitzer unrechtmäßig entzogene Kulturgüter nach 30 Jahren nicht mehr herauszugeben braucht, ohne selbst Eigentümer oder berechtigter Besitzer zu sein.202
2.
Verjährbarkeit dinglicher Restitutionsansprüche (unrechtmäßig entzogener Kulturgüter) nach Erlass des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001
Seit Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001203 hat der Gesetzgeber die Frage, ob ein Vindikationsanspruch überhaupt der Verjährung unterliegt, eindeutig beantwortet, sodass sich eine positiv-gesetzliche Regelung der Verjährbarkeit dinglicher Restitutionsansprüche (unrechtmäßig entzogener Kulturgüter) nach 30 Jahren in § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB findet. Damit ist der Schuldrechtsmodernisierungsgesetzgeber dem entgegengesetzten Vorschlag von Peters und Zimmermann 204 entsprechend dem Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts 205 nicht gefolgt.206 Der Rechtsausschuss hatte im Zuge der Schuldrechtsreform erwogen, ob Herausgabean-
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Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 60. Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band I, Protokolle 394–396. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 60. BGBl. I S. 3138. Peters/Zimmermann, Verjährungsfristen, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts – Band I, Bundesminister der Justiz Bundesrepublik Deutschland, S. 77–373, 1981, S. 186 und S. 287. Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts (Bundesministerium der Justiz, Deutschland), Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, S. 42. Vgl. Remien, Vindikationsverjährung und Eigentumsschutz – Oder: Welche Rechte bestehen an vor langer Zeit abhanden gekommenen Sachen, insbesondere Kunstwerken?, AcP, Band 201 (2001), S. 730–756, S. 756.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
sprüche bei beweglichen Sachen unverjährbar gestellt werden sollten,207 im Interesse des Rechtsverkehrs und Rechtsfriedens jedoch dagegen votiert.208 122
Die Verjährung des Herausgabeanspruchs, so die tragende Erwägung, schütze auch den gutgläubigen Erwerber. Trotz der §§ 935, 937 BGB müsse der Restitutionsschuldner unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bis zum Verjährungseintritt befürchten, dass ihm böser Glaube entgegengehalten werde, sodass insofern § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB maßgebend sei.209 Erst nach Eintritt der Verjährung könne der potenzielle Restitutionsschuldner sicher sein, dass ihm niemand mehr seine Rechte streitig mache.210
3.
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Plädoyer für eine Modifikation der 30-jährigen Verjährungsregelung kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass schon der Deutsche Bundesrat bei der Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 speziell der Erwartung Ausdruck verliehen hat, dass der deutsche Gesetzgeber diese 30-jährige Regelung für Herausgabeansprüche wieder korrigiert. Dass der Bundesrat dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz unter Bedenken zustimmte, jedoch in dem Einverständnis den Vorbehalt der künftigen Rechtsänderung erklärte, stellte ein Novum in der deutschen Gesetzgebungsgeschichte dar und weckte Erstaunen in der kommentierenden Literatur.211 Speziell für den Rechtsbereich des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs stellte der Bundesrat in der genannten Entschließung vom 9. November 2001 zu der Schuldrechtsreform fest, dass die geltenden „Verjährungsregeln zu unangemessenen Ergebnissen führen können, soweit die in der NS-Zeit verfol-
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Vgl. ausführlich hierzu Siehr, Verjährung der Vindikationsklage?, ZRP 34. Jahrgang (2001), Heft 8, S. 346–347, S. 347; Zimmermann/Leenen/Mansel/Ernst, Finis Litium? Zum Verjährungsrecht nach dem Regierungsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, JZ 2001, S. 684–699, S. 693. Rechtsausschuss, BT-Drucks. 14/7052, S. 179. Vgl. auch Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 194, Rdnr. 9. So ausdrücklich Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 194, Rdnr. 9. Rechtsausschuss, BT-Drucks. 14/7052, S. 179. Vgl. auch Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 197, Rdnr. 6. Vgl. Werner, Die sachenrechtliche Zuordnung von Raub- und Beutekunst, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern, 2002, S. 261–276, S. 269–270. Vgl. aus internationaler Sicht den Aufsatz von Cuba, Stop the Clock: The Case to Suspend the Statute of Limitations On Claims for Nazi-Looted Art, Cardozo Arts & Entertainment Law Journal 17 (1999); Feldman, New York’s Statute of Limitations With Respect to Stolen Art and Holocaust Claims, IFAR Journal 1 (1997) S. 16–17.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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gungsbedingt entzogenen und kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter davon betroffen sind“. In diesem Zusammenhang äußerte der Bundesrat die Erwartung, dass die Bundesregierung zur Frage einer Sonderregelung für unrechtmäßig entzogene Raub- und Beutekunst „baldmöglichst Stellung nimmt und gegebenenfalls einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegt“.212 Die Entschließung des Bundesrates zur Modifikation der Verjährungsfristen bei nationalsozialistisch bedingten Raubgutentziehungen und kriegsbedingt entzogener Beutekunst bekräftigte in diesem Zusammenhang die Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom 14. Dezember 1999. Der Bundesrat bestätigte auf diesem Wege insbesondere den kulturpolitischen Willen, Kulturgüter, die als NS-verfolgungsbedingt oder kriegsbedingt entzogen identifiziert werden können, den legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben zurückzugeben und einen Ausschluss kultureller Restitutionsansprüche allein aufgrund Zeitablaufs abzulehnen.213 Eine dementsprechende Initiative ist bis heute jedoch unterblieben. Die Bundesrepublik Deutschland hat – ungeachtet der materiellen Wiedergutmachung unmittelbar nach dem Krieg durch die Rückerstattungsgesetze – unter Berufung auf die Ergebnisse der Washingtoner Konferenz über Holocaust-Vermögen am 3. Dezember 1998 in der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfol-
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Vgl. die Zitate bei von Berg, Auffinden und Wiederbeschaffung von Raubkunst: Tatsächliche und rechtliche Aspekte, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 125–146, S. 132–133. Etwas zu weitgehend möglicherweise von Berg, Auffinden und Wiederbeschaffung von Raubkunst: Tatsächliche und rechtliche Aspekte, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 125–146, S. 132–133: „Allein diese Erklärungen der Bundesregierung und des Bundesrates dürften auch vor Gerichten nicht ohne Auswirkung bleiben, so daß hier die Verjährungsfrage im wesentlichen nicht mehr behandelt werden dürfte. Praktisch gesehen wird in der Regel so verfahren, daß die Museen ihre Bilder behalten können, wenn eine entsprechende Ausgleichszahlung an die Familien gezahlt wird. Selbstverständlich werden auch Bilder und Kunstgegenstände zurückgegeben. So hat mittlerweile die Stiftung Preußischer Kulturbesitz u.a. die Zeichnung von Otto Mueller Weiblicher Akt an Baum gelehnt und das Gemälde Olevano von Alexander Kanoldt an die Erbengemeinschaft von Dr. Ismar Littmann sowie die Federzeichnung von Caspar David Friedrich Frau im Umschlagtuch und die Zeichnung von van Gogh Olivenbäume vor dem AlpinenGebirge an die Erbin der Sammlung Silberberg zurückgegeben. Dieser Empfehlung sind auch gefolgt: die Kunsthalle in Emden, die das Gemälde Knabe vor zwei stehenden und einem sitzenden Mädchen von Otto Mueller an die Erben von Dr. Ismar Littmann sowie das Wallraff-Richartz-Museum in Köln, daß das Gemälde Zwei Mädchenakte von Otto Müller ebenfalls an die Erben von Dr. Ismar Littmann zurückgegeben haben.“.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
gungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom 14. Dezember 1999 erneut ihre Bereitschaft erklärt, auf der Basis der verabschiedeten Grundsätze und nach Maßgabe ihrer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nach weiterem NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu suchen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte zu unternehmen, eine „gerechte und faire Lösung“ zu finden. Die Bundesregierung, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände werden im Sinne der Washingtoner Erklärung in den verantwortlichen Gremien der Träger einschlägiger öffentlicher Einrichtungen darauf hinwirken, dass Kulturgüter, die als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifiziert und bestimmten Geschädigten zugeordnet werden können, nach individueller Prüfung den legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben zurückgegeben werden. Den jeweiligen Einrichtungen wird in der Erklärung vom 14. Dezember 1999 empfohlen, mit zweifelsfrei legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben über Umfang sowie Art und Weise einer Rückgabe oder anderweitigen materiellen Wiedergutmachung (z.B. gegebenenfalls in Verbindung mit Dauerleihgaben, finanziellem oder materiellem Wertausgleich) zu verhandeln, soweit diese nicht bereits anderweitig geregelt sind (z.B. durch Rückerstattungsvergleich). Der mehr als 30-jährige Zeitablauf bleibt bei der Suche nach einer fairen und gerechten Lösung dementsprechend unbeachtet, sodass keine temporale Präklusion der Restitutionsmöglichkeiten innerhalb des Anwendungsbereichs der Erklärung vom 14. Dezember 1999 anzunehmen ist. Zu beachten ist jedoch, dass gegenüber privatrechtlich organisierten Einrichtungen und Privatpersonen nur eine Aufforderung ergehen konnte, sich freiwillig (etwa im Wege der Selbstverpflichtung in entsprechenden Codes of Ethics) den niedergelegten Grundsätzen und Verfahrensweisen gleichfalls anzuschließen, da die Erklärung sich ausschließlich auf die öffentlich unterhaltenen Archive, Museen, Bibliotheken und deren Inventar bezieht. 125
De lege ferenda sprechen jedoch systematische Argumente, aus der Rechtsvergleichung erkenntliche präferenzielle Lösungsmodelle sowie Sinn, Zweck und die Funktionen des Rechtsinstituts der Verjährung gegen eine temporale Präklusion des dinglichen Herausgabeanspruchs des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber dem unrechtmäßigen Besitzer. Im Geiste von Justitia, mit der Waage in der einen und dem Schwert in der anderen Hand, wird der Leser dazu ermuntert, selbst eine gerechte Tarierung der widerstreitenden Interessen der ursprünglichen Eigentümer einerseits und dem Schutz gutgläubiger Restitutionsschuldner vor Beweismängeln andererseits innerhalb des Rechtsinstituts der Verjährung vorzunehmen und so mit der nötigen Härte und Schärfe des Richtschwertes selbst die richtige Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu erreichen.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
a)
Rechtssystematische und -konstruktive Einwände gegen die 30-jährige Verjährungsregelung
Schon bei Erlass des im Jahre 1900 in Kraft getretenen BGB, spätestens jedoch im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, hätte es einer Klarstellung des deutschen Gesetzgebers bedurft, dass der auf der Eigentumsposition beruhende Restitutionsanspruch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter keiner temporalen Präklusion unterfällt. Hauptsächliche sprechen rechtssystematische und -konstruktive Einwände gegen die 30-jährige Verjährungsregelung: Bei Annahme einer temporalen Präklusion kultureller Restitutionsansprüche auf Grundlage der fortbestehenden Rechtsposition des Eigentümers fallen Recht und dessen Ausübung auseinander. Der kulturelle Besitzer ist nicht verpflichtet, das unrechtmäßig entzogene Kulturgut herauszugeben, obwohl er nach Ablauf der 30-jährigen Verjährungsfrist kein Eigentum an dem Kulturgut erlangt hat. Der ursprüngliche Eigentümer bleibt hingegen nach Ablauf der Periode weiterhin Inhaber des Vollrechts, jedoch ohne das Recht, es auszuüben.214 Die Konstruktion eines dominium sine re bedeutet somit für die temporale Präklusion im (inter-) nationalen Kulturgüterverkehr bei Anwendung der deutschen Rechtsordnung, dass der Eigentümer zwar weiterhin seine Eigentumsposition an den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern behält, er jedoch den aus der Eigentumsposition folgenden Vindikationsanspruch als Mittel der Restitution gegenüber dem Besitzer nicht mehr geltend machen darf. Dieses Auseinanderfallen von Eigentumsrecht und dauerhafter faktischer Besitzposition wird innerhalb des Schrifttums mit den fabelhaftesten Bezeichnungen versehen: So werden zuweilen der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft nach Ablauf der 30-jährigen Frist als „Besitzer mit Abwehrpanzer“215 und der Restitutionsgläubiger als „entrechteter Eigentümer mit nacktem Vollrecht“216 mit ,,leerlaufendem Eigentum“217 bezeichnet, die temporale Präklusion des Vindikationsanspruchs als „Übelstand“ oder „eigenartiges sachenrechtliches Ergebnis“218, „Rechtskrüppel“219 und – seitens des Schweizer Bundesgerichts innerhalb der Entscheidung Quadri c. Hôtel Brissago
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Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. So die Bezeichnung bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. So die Bezeichnung bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. So Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl. 2008, § 194 Rdnr. 4. So die Bezeichnung bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Vgl. Heck, Grundriß des Sachenrechts, 1930, S. 128.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
bereits im Jahre 1922 – als sonderbare und gekünstelte Lösung („strana ed artificiosa soluzione“)220 charakterisiert: 127
„Non è lecito ammettere che il CCS abbia inteso accettare questa strana ed artificiosa soluzione che invero, nell’ipotesi di possesso derivato, è quella del diritto civile germanico secondo quale, trascorso il termine di prescrizione (che è, in quella legislazione, di anni 30), rimane al proprietario un cosidetto dominium in re, vale a dire un diritto di proprietà sui generis, che è imprescrittibile, ma spoglio dell’attributo essenziale di rivendicazione.“221
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In der Entscheidung stellte das Schweizer Bundesgericht fest, dass das ZGB diese „sonderbare und gekünstelte Lösung“ übernehmen wollte, die aber in der Tat im Fall eines abgeleiteten Besitzes die Lösung des deutschen Privatrechts ist, wonach bei Ablauf der Verjährungsfrist dem Eigentümer das sog. dominium in re bleibt, also ein Eigentumsrecht sui generis, das unverjährbar ist, dem das Hauptmerkmal des Herausgabeanspruchs aber fehlt.222 Auch die Einbettung der Rechtskonstruktion eines dominum sine re in die Systematik des BGB fällt schwer: So wird etwa zu Recht die Frage gestellt, ob dem Eigentümer außerhalb des Vindikationsanspruchs noch Rechte bezüglich seiner Eigentumsposition zustehen, bspw. auf Schadensersatz bei Zerstörung seiner Sache oder ob der ursprüngliche Eigentümer das zuvor unrechtmäßig entzogene Kulturgut nun seinerseits dem aktuellen Besitzer in Eigenmacht wegnehmen darf 223 und dann der Lauf einer neuen Verjährungsfrist beginnt, auf die sich seinerseits wieder der Eigentümer berufen dürfe. Vor diesem Hintergrund stellt Siehr die wohl eher rhetorisch zu verstehende Frage, „wie absurd eigentlich Ergebnisse sein müssen, damit man von der unsinnigen Annahme, Herausgabeansprüche verjährten, Abschied nimmt.“224
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Teile des Schrifttums zielen innerhalb der deutschen Rechtsdogmatik auf eine Korrektur dieser Rechtslage. Wieling und nun auch Piekenbrock stellen sich auf den Rechtsstandpunkt, dass die Verjährung des Herausgabeanspruchs ausnahmsweise dinglich wirken und zum Eigentumswechsel führen soll, sodass der Besitzer
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Schweizer Bundesgericht, Urteil vom 15.2.1922, BGE 48 II 38, S. 45 (Quadri c. Hôtel Brissago). Zitiert bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 74, Fn. 75. So die Übersetzung wiedergegeben bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53– 75, S. 74, Fn. 75. Verneinend Heck, Grundriß des Sachenrechts, 1930, S. 128. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 74–75.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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die Sache durch bloßen Zeitablauf erwerben würde.225 Da entsprechend der Feststellung in den Motiven zur Erstellung des BGB das rechtlich sanktionierte dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz, das sog. dominum sine re, aber auch unabhängig vom möglichen weiteren Besitzverlust des langjährigen Besitzers unbefriedigend erscheint,226 wäre es nach dieser Rechtseinschätzung mit Blick auf die Friedensfunktion temporaler Präklusionsvorschriften interessengerecht, dem Zeitablauf im öffentlichen Interesse akquisitive Wirkung zuzumessen. „Daß eine solche akquisitive (oder besser: translative) Wirkung der Befristung des Vindikationsanspruchs in Deutschland sogar de lege lata nicht unbekannt ist, hatten wir schon bei der Buchersitzung von Grundstücken gesehen. Darüber hinaus wird diese Sicht der Dinge aber auch durch die jüngeren Kodifikationen in Italien, Portugal und den Niederlanden bestätigt, die auch im Fahrnisrecht die usucapio nach entsprechend längerer Zeit unabhängig von der bona fides des Besitzers zulassen.“227 Piekenbrock verweist dabei ausdrücklich bspw. auf die vorbildhaften Ausgestaltungsvarianten Italiens228 und Portugals229. Eine andere rechtskonstruktive Lösung schlägt bspw. Werner vor, der zunächst zutreffend erkennt, dass lediglich Ansprüche der Verjährung unterliegen, nicht aber Rechte. Damit sei das Eigentumsrecht als solches unverjährbar und ein Eigentümer behalte auch 30 Jahre nach dem Erwerb dieses Recht, sofern er es nicht durch Eigentumsübergang verloren hat. Vor dem Hintergrund der Unverjährbarkeit des Eigentums schließt Werner darauf, dass auch der Eigentümer seinen Herausgabeanspruch so lange geltend machen könne, wie er das Eigentumsrecht innehabe. Der Eigentumsherausgabeanspruch entstehe daher mit jeder Sekunde des Eigentums, das dem Rechtsinhaber vorenthalten wird. Insoweit knüpfe auch § 199 des BGB den Beginn einer Verjährungsfrist an den Schluss des Jahres, an dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den anspruchbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Damit würde also der Beginn der Verjährungsfrist bei Herausgabe frühestens dann zu laufen beginnen, wenn die letzte Sekunde des Eigentums und des getrennten Besitzes beendet sei. Da dementsprechend in den Fällen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände der Eigentümer dieses Recht behalten habe, würde also schließlich immer mit dem Eigentum verbunden der Herausgabeanspruch beste-
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Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Vgl. Motive III, S. 351. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Vgl. Art. 1161 Abs. 2 Codice civile. Vgl. Art. 1298 lit. b. Código civil português: zehn Jahre bei eintragungspflichtigen Rechten; Art. 1299 Código civil português: im übrigen sechs Jahre.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
hen.230 Dieses Verständnis sei auch noch nach Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 vertretbar, da der Gesetzgeber keinen Hinweis darauf gegeben hätte, wann diese Verjährungsfrist beginne, ob im vorgenannten Sinne mit dem Verlust des Eigentums oder mit dem Verlust des Besitzes. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen hält dementsprechend Werner einen Verjährungsbeginn solange nicht für gegeben, wie der Eigentümer Inhaber dieses Rechts geblieben ist.231 Spätestens seit der positiv-gesetzlichen Formulierung der 30-jährigen Verjährungsfrist dinglicher Herausgabeansprüche in § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB und dem Verjährungsbeginn in § 200 kann dieser rechtskonstruktiven Interpretation nicht mehr gefolgt werden, da die Verjährung kultureller Restitutionsforderungen mit Anspruchsentstehung beginnt und der Anspruch des Eigentümers gegen den Besitzer aus § 985 BGB in dem Moment entsteht, in dem der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut erlangt hat und ihm kein Recht zum Besitz zusteht. Ob der Eigentümer somit eine Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts oder eine Identifizierung des aktuellen Besitzers des kulturellen Wertobjekts erreichen kann, ist für die Entstehung des Anspruchs und die Frage des Verjährungsbeginns im Gegensatz zum Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist232 innerhalb der 30-jährigen Verjährungsfrist von Herausgabeansprüchen aus Eigentum unerheblich. 131
Der überwiegende Teil des Schrifttums nimmt die Anomalie eines dominum sine re oder nudum ius hin, obwohl zum selben Zeitpunkt die Abtretbarkeit des Herausgabeanspruchs ohne Eigentumsübertragung (vgl. § 931 BGB) von den genannten Autoren mit dem richtigen Argument begründet wird, dass dieser Anspruch vom Eigentum selbst nicht zu trennen sei. Auch dieser systematische Ansatz spricht gegen die Konstruktion eines Eigentumsrechts ohne durchsetzbaren Herausgabeanspruch.233
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Vgl. Werner, Die sachenrechtliche Zuordnung von Raub- und Beutekunst, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern, 2002, S. 261–276, S. 269–270. Vgl. Werner, Die sachenrechtliche Zuordnung von Raub- und Beutekunst, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern, 2002, S. 261–276, S. 269–270. § 199 Abs. 1 BGB: Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Höchstfristen: Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
b)
Divergierende Lösungsmodelle innerhalb der Verjährung von Eigentumsherausgabeansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aus der Rechtsvergleichung
Die Rechtskonstruktion eines dominum sine re wird bei rechtsvergleichender Analyse grundsätzlich vermieden. Die international applizierten Lösungsmodelle wirken sich jedoch sowohl zugunsten als auch zuungunsten des (ursprünglichen) Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aus und bejahen teilweise auch eine Bevorzugung bösgläubiger Besitzer. Eine Alternative spricht sich für einen dinglichen Rechtserwerb nach Ablauf einer bestimmten Verjährungsfrist unabhängig von der Gutgläubigkeit des Erwerbers 234 entsprechend der klassischen Ausgestaltung der sog. prescription acquisitive des französischen Code civil der Art. 2262, 2180 aus und betont, dass die Verjährung des Herausgabeanspruchs ausnahmsweise dinglich wirken und zum Eigentumswechsel führen soll, sodass der Besitzer die Sache durch bloßen Zeitablauf erwerben würde. Inzwischen ist aber auch eine gegenteilige neuere Rechtsprechung in Frankreich ersichtlich, wonach die action en revendication – entgegen Art. 2262 Code civil – nicht der prescription extinctive unterliegen soll, weil das Eigentum nicht durch bloßen Nichtgebrauch untergeht. Auch die Kodifikationen Italiens, Portugals und der Niederlande haben im Grundsatz diesen Ansatz umgesetzt und lassen auch im Fahrnisrecht das Rechtsinstitut der usucapio nach entsprechend längerer Zeit unabhängig von der bona fides des Besitzers zu. Innerhalb der italienischen Rechtsordnung bestimmt dementsprechend Art. 1161 Abs. 2 Codice civile eine 20-jährige Erwerbsfrist unabhängig von der Gutgläubigkeit des Besitzers. Damit ist innerhalb der italienischen Zivilrechtsordnung nach Art. 948 Abs. 3 Codice civile statt der extinktiv wirkenden prescrizione der azione di rivendicazione nur die akquisitiv wirkende usucapione zugelassen, die jedoch nach Art. 1161 Abs. 2 Codice civile nach zwanzig Jahren auch bei Unredlichkeit des Besitzers eintritt.235 In Spanien beginnen nach Art. 1956 Código Civil die sechsjährige Verjährung des Vindikationsanspruchs des Art. 1962 und die entsprechende außerordentliche Ersitzung des Art. 1955 Abs. 2 zu laufen, sobald die straf- und zivilrechtlichen Sanktionen verjährt sind.236 Auch Art. 1298 lit. b. Código civil português be-
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Diesen Gedanken hat auch Kegel, Von wilden Tieren, zerstreuten Leuten und versunkenen Schiffen. Zum Verhältnis von Besitz und Eigentum beweglicher Sachen, in: Ficker, Festschrift fuer Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, 1978, S. 149–178, S. 176 für die deutsche Rechtsordnung aufgegriffen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Vgl. Menéndez Hernández in Sierra Gil de la Cuesta, Comentario del código civil, Art. 1956, S. 494, wonach die Verjährung der straf- und zivilrechtlichen Sanktionen den dies a quo bestimmt. Vgl. auch Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
stimmt eine zehnjährige Frist bei eintragungspflichtigen Rechten und Art. 1299 Código civil português bei den sonstigen Rechten eine sechsjährige Verjährungsfrist, nach der ein Rechtserwerb erfolgt. Auch innerhalb der niederländischen Rechtsordnung erwirbt nach Art. 105 Abs. 1 BW3 derjenige, der eine Sache zu dem Zeitpunkt besitzt, an dem die Frist der Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe des Besitzes abläuft, die Sache auch dann, wenn er den Besitz nicht gutgläubig erworben hatte. Somit kann sich nach der niederländischen Zivilrechtsordnung auch der bösgläubige Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auf einen Rechtserwerb allein aufgrund Zeitablaufs berufen.237 Die hierfür erforderliche Frist bestimmt Art. 306 BW3 auf 20 Jahre, und zwar nach Art. 314 Abs. 2 BW3 bei Besitzentziehung seit diesem Zeitpunkt.238 133
Eine Alternative zur deutschen Konstruktion eines dominum sine re aufgrund des Auseinanderfallens von Eigentumsposition und dinglichem Herausgabeanspruch bestünde auch in der gänzlichen Unverjährbarkeit dinglicher Vindikationsansprüche239. Damit würde zugleich auch eine Besserstellung des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erfolgen, da sich dieser unabhängig vom Ablauf einer möglicherweise auch langen Zeitspanne grundsätzlich auf seine Eigentumsposition berufen kann (solange diese nicht aufgrund eines gutgläubigen derivativen Erwerbs oder aufgrund der originären Ersitzung untergegangen ist). Mut hierfür bietet die dem deutschen Zivilrechtssystem verwandte und ähnliche schweizerische Rechtsordnung, in der sich das Bundesgericht 240 in einer Entscheidung vom 15. Februar 1922 eindeutig dazu entschlossen hat, dass ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums nicht verjährt.241 Unter Rekurs auf den im Vergleich zur deutschen Fassung des § 194 BGB normierten engeren Wortlaut des Art. 127 OR, wonach nicht Ansprüche, sondern ausdrücklich „For-
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Vgl. hierzu auch Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), Rdnr. 151, S. 70. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 71–73. Diesen Gedanken hat später auch Müller, Sachenrecht, 4. Aufl. 1997, Rdnr. 455 für die deutsche Rechtsordnung aufgegriffen und wurde de lege ferenda von Peters/Zimmermann, Verjährungsfristen, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts – Band I, Bundesminister der Justiz Bundesrepublik Deutschland, S. 77–373, 1981, S. 186, 287, 315, 318 für die deutsche Rechtsordnung gefördert. Im Abschlussbericht des Jahres 1992, Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts (Bundesministerium der Justiz, Deutschland), Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, S. 42, hat die deutsche Reformkommission dies mit dem knappen – und gerade angesichts der innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs erörterten Fälle kaum überzeugenden – Hinweis abgelehnt, die Bedenken von Peters und Zimmermann seien „eher theoretischer“ Natur. Vgl. Schweizer Bundesgericht, Urteil vom 15.2.1922, BGE 48 II 38 (Quadri c. Hôtel Brissago). Vgl. hierzu auch Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63.
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derungen“ verjähren, lagen der Schluss der Unverjährbarkeit und damit die zeitlich unbegrenzte Geltendmachung kultureller Restitutionsansprüche auf Grundlage der fortbestehenden Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter nahe.242 Da jedoch das Schweizer Obligationenrecht nach Art. 7 ZGB auch für das Schweizer Zivilgesetzbuch Anwendung findet, musste sich das Bundesgericht auch mit der Verjährung der Vindikation auseinandersetzen. Der Schutz gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch Ersitzung, die Vermeidung der innerhalb der deutschen Rechtsordnung unsystematischen Folge eines dominum sine re als „strana ed artificiosa soluzione tedesca“, die sehr kurze Verjährungsfrist von 10 Jahren nach Art. 127 OR sowie die nur geringe Angst vor unverjährbaren Ansprüchen ließen das Schweizer Bundesgericht zu der generellen Unverjährbarkeit dinglicher Vindikationsansprüche gelangen.243 Eine Verjährung des Vindikationsanspruchs im Fahrnisrecht ist auch innerhalb der russischen Zivilrechtsordnung nach Art. 208 Nr. 4 des russischen ZGB und in Weißrussland nach Art. 209 Nr. 4 des weißrussischen ZGB ausgeschlossen, solange der Besitzer an der Sache kein Eigentum erlangt hat.244 Seit einer Entscheidung vom 2. Juni 1993 sprechen auch innerhalb der französischen Rechtsordnung judikative Tendenzen für einen generellen Ausschluss der Verjährung (kultureller) Vindikationsansprüche, solange der Besitzer auf sonstigem Wege kein Eigentum erworben hat.245 Schließlich ist als Alternative zur deutschen Konstruktion eines dominum sine re das innerhalb des angelsächsischen Common Law-Rechtskreises applizierte Lösungsmodell der Verjährbarkeit des dinglichen Herausgabeanspruchs nur zugunsten Gutgläubiger ersichtlich, das bereits innerhalb des Corpus iuris canonici 246 und der verschiedenen territorialen Zivilgesetze in Hannover, Braunschweig, Rudolstadt, Sondershausen, Lippe und Lübeck vor Erlass der Gesamtkodifikation des deutschen BGB Geltungskraft erlangte und die Verjährung von der Gutgläubigkeit des Besitzers abhängig gemacht hat. Die Anwendung dieses Modells 242 243
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Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 167. Spiro, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Band II, 1975, S. 1362–1363, unter Rekurs auf die Entscheidung des Bundesgerichtes, Urteil vom 15.2.1922, BGE 48 II, 38 (44). Vgl. ausführlich auch Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/ Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63; Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 2–3. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Vgl. Cass. 1re civ., Urteil vom 2.6.1993, Bull. Civ. 1993 I, Nr. 197, S. 136 (137), zitiert bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Vgl. Corpus iuris canonici c. 5 20 X 2, 26.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
erlangt auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs einen besonders fairen Ausgleich zwischen den Interessen des ursprünglichen Eigentümers und des Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Es wird im Grundsatz von der Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche ausgegangen, jedoch werden die Interessen redlicher Erwerber und Besitzer durch Annahme einer temporalen Präklusion im Ausnahmefall berücksichtigt. Das englische Law Reform Committee hat diese Wertung bereits im Jahr 1973 nachgezeichnet und betont, dass beim Ausschluss einer Herausgabeklage gegen den Dieb die Interessen der Eigentümer wertvoller Gegenstände – insbesondere kultureller Wertobjekte – keine ausreichende Berücksichtigung fänden. “It does not seem to us right that a thief or receiver should, whether or not he has been prosecuted, be able to establish by limitation a valid title to the stolen goods. … Accordingly, we propose that the right of an owner of goods to recover his property (or to claim damages for its conversion) should never be barred by lapse of time as against a thief or receiver.”247 Aus diesen Gründen hat das Law Reform Committee vorgeschlagen, dass das Recht eines Eigentümers an einer beweglichen Sache, sein Eigentum von dem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zurückzufordern (oder Schadensersatz aufgrund einer sukzessiv erfolgten Veräußerung zu verlangen), unter keinen Umständen durch Zeitablauf gegenüber dem Dieb und dessen Abnehmer erlöschen dürfe.248 Diese Wertentscheidung zeichnete das schottische Recht vor, das zuvor von der Unverjährbarkeit eines dinglichen Herausgabeanspruchs gegenüber dem Dieb oder einer Person ausging, die von dem Diebstahl wusste. Ein redlicher Erwerber ist aber auch innerhalb des angelsächsischen Lösungsmodells schutzwürdig und erwirbt auch unrechtmäßig entzogene Kulturgüter nach Ablauf der Verjährungsfrist von sechs Jahren zu Eigentum. Diese Wertung wurde in den britischen Entscheidungen Nicole de Préval v. Adrian Alan Ltd vom 6. Februar 1997 und aktuell Kurtha v. Marks vom 27. Februar 2007 für den Kunsthandel bestätigt.
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Vgl. den Law Reform Committee’s Twenty – First Report, Pt. III (Final Report on Limitation of Actions) (London 1977), S. 32–33; zitiert bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 55. Vgl. die Übersetzung bei Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 53–56.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
c)
875
Funktionelle Erwägungen zur 30-jährigen Verjährungsfrist auch bösgläubiger Restitutionsschuldner unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Teile der Literatur haben sich bereits unmittelbar nach Erlass des deutschen BGB 249 ausdrücklich gegen die Applikation des Rechtsinstituts der Verjährung in Fällen des Vindikationsanspruchs des Eigentümers gegenüber dem unrechtmäßigen Besitzer ausgesprochen und betonten, dass schon der Rechtsverlust durch gutgläubigen Erwerb seitens Dritter rechtspolitisch nicht über jeden Zweifel erhaben sei. Nachdem Peters diesen Einwand erneut im Jahr 1991 in seinen Untersuchungen zum Eigentumsentzug an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb aufgegriffen hatte250, kritisierte auch Siehr denjenigen Teil des Schrifttums251, der auch innerhalb des Kulturgüterverkehrs den Gutglaubensschutz zu einem stilprägenden Merkmal nationaler Rechtskultur zählt.252
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Die Protektion gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnungen der meisten Civil Law-Staaten und der Schutz selbst der unrechtmäßigen Entzieher kultureller Güter und deren Komplizen sind jedoch zu unterscheiden. Der eigentliche Grund für die Kontroverse um die Schaffung eines dominum sine re liegt nach der Ausgestaltungsvariante der deutschen Rechtsordnung vornehmlich darin, dass die Verjährung des Vindikationsanspruchs im Fahrnisrecht prima facie nur Diebe und Hehler zu begünstigen scheint253, da der redliche Erwerber das Eigentum entweder unmittelbar mit der Übergabe derivativ erwirbt oder, wenn dies wegen der Qualifikation als Abhandenkommen außerhalb des Anwendungsbereichs einer öffentlichen Versteigerung der Sache ausgeschlossen ist, originär durch Ersitzung254.255 Da im deutschen Sachenrecht somit bona fide-Erwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter grundsätzlich durch die gutgläubige derivative Akquisition
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Vgl. etwa die Monographie von Binding, Die Ungerechtigkeit des Eigentums-Erwerbs vom Nichteigentümer in ihrer Ausgestaltung durch BGB § 932 und § 935 und ihre Reduktion auf das kleinstmögliche Maß, 1908. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, 1991. Vgl. etwa Vischer, Unidroit-Konvention und schweizerisches Recht, Gut gemeint – aber weit übers Ziel hinausschiessend, NZZ, Nr. 93 vom 10. April 1996, S. 17. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Vgl. auch Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Deutsche Richterakademie, Kunst und Recht, 1985, S. 15–43, insb. 20. Zu diesem Anwendungsgebiet der Ersitzung vgl. nur Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Motive III, 352. Vgl. die Darstellung dieser Ansicht auch bei Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399; Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2563–2564.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
nach §§ 932 bis 934 und 935 Abs. 2 BGB und den originären Eigentumserwerb im Wege der Ersitzung nach den §§ 937 ff. BGB protegiert werden, schützt nach einem Teil des Schrifttums die Verjährung des Vindikationsanspruchs allein den unrechtmäßig Entziehenden kultureller Wertgegenstände (etwa den kulturellen Dieb!) und die um den unrechtmäßigen Entziehungsakt wissenden Personen, denen das deutsche Zivilrecht im Grundsatz keinen rechtsgeschäftlichen oder mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung applizierten originären Gutglaubensschutz angedeihen lässt.256 Vornehmlich Siehr streitet innerhalb des kulturgüterspezifischen Schrifttums vor diesem rechtlichen Hintergrund für eine Aufhebung der 30-jährigen Verjährungsfrist dinglicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter (zumindest gegenüber Bösgläubigen) und betont das fehlende Bedürfnis, diejenigen zu schützen, denen nicht die Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff. und des § 937 BGB zugutekommen.257 137
„Dieser Wertung werden sich diejenigen nicht leicht anschließen, die in der Verjährung eine Garantie für Rechtssicherheit sehen oder aus systematischen Gründen nicht zwischen Herausgabe- und Schadenersatzansprüchen differenzieren wollen. Die Verjährung behandelt den faulen Schuldner besser als den nachlässigen oder gutmütigen Gläubiger. Obwohl jeder anständige Schuldner auch eine verjährte Schuld zahlt (deswegen nur die Einrede der Verjährung), erlaubt sie dem Schuldner, sich auf Zeitablauf zu berufen. Das mag im täglichen Rechtsverkehr zulässig sein, weil der Schuldner wissen muß, wie lange er Unterlagen aufbewahren muß. Aber muß deswegen der Dieb ohne dieses legitime Schuldnerinteresse gegen eine Herausgabeklage geschützt werden? Hierauf gibt es nur eine Antwort: nein! Auch das folgende systematische Bedenken führt zu keiner anderen Antwort: Wenn der Dieb die gestohlene Sache veräußerte, haftete er längstens dreissig Jahre lang auf Schadenersatz (§ 852 I BGB). Wieso sollte er dann länger als dreissig Jahre die gestohlene Sache selbst herausgeben müssen? Die Gegenfrage könnte auch lauten: Müßte der Dieb nicht auch unverjährbar auf Schadenersatz haften? Da uns aber durch 852 I BGB die Hände gebunden sind, muß die Gegenfrage anders lauten: Wieso wird zugunsten des Diebes (also zulasten des Bestohlenen) die Verjährungsfrage stets in favorem furis beantwortet und nicht in favorem laesi? Wenn – wie hier – eine Angleichung nicht gelingt, muß der Dieb eben die Sache immer herausgeben, ihren Wert jedoch nur dreissig Jahre lang erstatten. Das ist sinnvoller als eine schematische Gesetzesharmonisierung zugunsten eines sehr unharmonischen Zeitgenossen.“258
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Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
d)
Kulturgüterspezifische Erwägungen gegen die Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
Die Verjährung zeigt besonders im Kulturgüterschutz gravierende Konsequenzen: Während der Herausgabeanspruch des Eigentümers bei den meisten anderen Konsumgütern und Gebrauchswaren des Handelsverkehrs nach 30 Jahren ohnehin nicht mehr von Interesse ist, besteht insbesondere bei Kulturgütern die Gefahr, dass der Dieb oder Hehler die Sache über 30 Jahre verborgen hält, um sie dann ungehindert der Öffentlichkeit zu präsentieren oder weiter zu veräußern.259 Auch innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsliteratur 260 werden die „bedenklichen Konsequenzen“261 und die „grotesken Ergebnisse“262 der Verjährung von Restitutionsansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber bösgläubigen Erwerbern und Besitzern betont.263 Für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr wird deutlich gemacht, dass ein Verjährungseintritt nur solchen Besitzern nutzen würde, denen das BGB keinen Eigentumserwerb nach § 932 oder § 937 ermöglicht. Von einem schutzwürdigen Vertrauen dieser Personen darauf, nicht mehr mittels eines kulturellen Restitutionsanspruchs in Anspruch genommen zu werden, kann jedoch in der Tat keine Rede sein.264 Die Verjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche komme ausschließlich dem bösgläubigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zugute, dem die Möglichkeit zur Ersitzung der Sache nach 10 Jahren gerade infolge seiner Bösgläubigkeit verschlossen bleibe. So zieht auch Kunze die Wertung nach, dass die Berechtigung selbst des Diebes kultureller Wertgegenstände, sich auf die Verjährbarkeit des kulturellen Vindikationsanspruchs zu berufen und die Heraus-
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Vgl. Looschelders, Der zivilrechtliche Herausgabeanspruch des Eigentümers auf Rückgabe von abhanden gekommenen Kulturgütern nach deutschem Recht, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, S. 103– 128, S. 107. Die Lücken im zivilrechtlichen Kulturgutschutz bestehen für das private Kulturgut genauso wie für das öffentliche Kulturgut. Deshalb ist in Betracht zu ziehen, auch für das eingetragene private Kulturgut den gutgläubigen Erwerb, die Ersitzung und die Verjährung des Herausgabeanspruchs gemäß § 985 BGB durch spezielle Kulturgutklauseln auszuschließen. Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 404–405. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 234–237. Vgl. Henckel, Vorbeugender Rechtsschutz im Zivilrecht, AcP 174 (1974), S. 97 ff., insbesondere S. 130 ff., S. 130. Vgl. auch Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, S. 2558; Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2563–2564. Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 234–237; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 167; Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2558; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 404–405.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
gabe unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu verweigern, „in der Tat eine wenig verständliche Ungerechtigkeit“265 darstellt. Insgesamt lässt sich damit nach dieser Rechtseinschätzung kein Bedürfnis für die Verjährung kultureller Vindikationsansprüche erkennen, da gutgläubige Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach den Regelungen des gutgläubigen derivativen und originären Erwerbs geschützt werden. Ironisch formuliert Siehr, dass lediglich „der Dieb und seine Konsorten“ schutzlos gestellt würden: „Wohl bei keiner Frage des Zivilrechts macht man sich so viel Sorgen um das Wohl, die Sicherheit, den Seelenfrieden dieser Spitzbuben. Man fühlt sich ins Sozialrecht versetzt, wenn man die Ausführungen zum Bedürfnis nach Rechtssicherheit beim Dieb liest.“266 Piekenbrock formuliert scharf, dass nach der Ausgestaltung des deutschen Zivilgesetzbuches „auch der scheußlichste Verbrecher“, der Gefangene in Konzentrationslagern zur Zwangsarbeit missbraucht hat, „nach geltendem Recht nicht gehindert [ist], dem Opfer die … Verjährungsfrist entgegenzuhalten“.267 Darüber 265
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So Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 234–237. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 74–75. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 2–3. Vgl. etwa BGH, Entscheidung des 7. Zivilsenats vom 22.06.1967. Az: VII ZR 181/65, BGHZ 48, 125, S. 133–134 (zur Frage der Verjährung von Ansprüchen, die ein KZ-Häftling gegen eine frühere Rüstungsfirma geltend macht, bei der er während des Krieges gearbeitet hat). Aus jüngerer Zeit vgl. dazu auch LG Hamburg, Entscheidung der 2. Zivilkammer vom 19.05. 1999, Az: 302 O 108/99, NJW 1999, 2825, zu der Frage von Entschädigungsansprüchen wegen Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg („Etwaige Entschädigungsansprüche eines polnischen Zwangsarbeiters, der während des Zweiten Weltkrieges in einem deutschen Industriebetrieb arbeitete, gegen das Unternehmen aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung und/oder ungerechtfertigten Bereicherung sind spätestens 30 Jahre seit dem letzten Tag der Zwangsarbeit (hier: dem 02.09.1944) bzw seit Schaffung des Grundgesetzes verjährt (hier: am 02.09.1974 bzw am 02.09.1979).“); LG Berlin, Entscheidung des 2. Zivilkammer vom 01.02.2000, Az: 2 O 199/99, NJW 2000, S. 1958–1959 (zu der Frage der Verjährung von Schmerzensgeld- und Bereicherungsansprüchen wegen in Konzentrationslagern des NSRegimes geleisteter Zwangsarbeit: „1. Die Verjährung von Schmerzensgeldansprüchen (hier: polnischer) Zwangsarbeiter wegen in Konzentrationslagern des NS-Regimes geleisteter Zwangsarbeit hat spätestens mit Abschluß des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 12.09.1990 zu laufen begonnen. Demzufolge ist die Verjährung spätestens nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des BGB § 852 Abs 1 im Jahre 1993 eingetreten. 2. Entsprechendes gilt für einen Bereicherungsanspruch aus BGB § 812 wegen der Nichtzahlung von Arbeitsentgelt für Zwangsarbeit in Konzentrationslagern. Insofern gilt die kurze Verjährung des BGB § 196 Abs. 1 Nr. 9, die ebenfalls spätestens mit Abschluß des Zwei-plus-Vier-Vertrages zu laufen begonnen hat. Der Anspruch ist daher spätestens seit Ende 1992 verjährt.“); OLG Stuttgart, Entscheidung des 12. Zivilsenats vom 20.06.2000, Az: 12 U 37/00, NJW 2000, 2680, S. 2681 ff. (zu Ansprüche von Zwangsarbeitern in der Zeit des Nationalsozialismus gegen Beschäftigungsunternehmen: Verjährung von Schmerzensgeld- und Lohnansprüchen; Verjährungshemmung; rechtsmißbräuchliche Geltendmachung der Verjährungseinrede: Leitsätze: „1. Ansprüche von Zwangsarbeitern auf Schmerzensgeld und Vergütungszahlung, die
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
879
hinaus könne sich auch der Dieb, „der eine bewegliche Sache mangels guten Glaubens schon nach platonischer Auffassung nicht ersitzen konnte, nach deutschem Recht auf die Verjährung des Herausgabeanspruchs berufen (§ 197 Abs. I Nr. 1 BGB), ohne daß ihm dabei ein Verstoß gegen § 242 BGB zur Last gelegt werden könnte.“268
e)
Berufung auf die Verjährungseinrede als Verstoß gegen Treu und Glauben
Fraglich könnte dementsprechend sein, ob der Gedanke der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens immer überwiegt oder ob nicht in Einzelfällen die Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich sein kann, bspw. wenn der Restitutionsschuldner eingeräumt hat, nicht in gutem Glauben gehandelt zu haben.269 Die Frage, ob die Erhebung der Einrede aus § 214 Abs. 1 BGB seitens des bösgläubigen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – bspw. durch den Dieb eines Kunstwerks oder einen Hehler – in derartigen Fallkonstellationen als Verstoß gegen den in § 242 BGB statuierten Grundsatz von Treu und Glauben zu qualifizieren ist, wird uneinheitlich beantwortet. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass die Verjährungseinrede für sich genommen nicht zu missbilligen ist und besondere Umstände vorliegen müssen, welche die Geltendmachung der Verjährung ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen.270 Die überwiegende Meinung geht davon aus, dass die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Dieb oder den Hehler in den vorliegenden Konstellationen nicht als treurechtswidrig zu qualifizieren ist, da es in Deutschland innerhalb des Verjährungsrechts de lege lata auf die Redlichkeit des Besitzers nicht entscheidend ankommt und die replicatio doli voraussetzt, dass der Schuldner die rechtzeitige
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erst 1996 gegenüber den Beschäftigungsunternehmen gerichtlich geltend gemacht wurden, sind regelmäßig verjährt. 2. Die Sperrwirkung des Art 5 Abs 2 des Londoner Schuldenabkommens ist mit dem In-Kraft-Treten des Vertrags über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland („Zwei-plus-Vier-Vertrag“) vom 12.9.1990 entfallen. 3. Der Lauf der Verjährungsfrist war nicht bis zur Entscheidung des BVerfG vom 13.5.1996 (vergleiche BVerfG, 1996-05-13, 2 BvL 33/93, BVerfGE 94, 315) zur Konkurrenz von völkerrechtlichen Reparationsansprüchen und Individualansprüchen gehemmt. 4. Die Berufung auf die eingetretene Verjährung ist in solchen Fällen regelmäßig kein Verstoß gegen Treu und Glauben.“). Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 2–3. Vgl. auch Schoen, Der rechtliche Status von Beutekunst – Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkriegs nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter, 2004, S. 194–200. Vgl. Looschelders, Der zivilrechtliche Herausgabeanspruch des Eigentümers auf Rückgabe von abhanden gekommenen Kulturgütern nach deutschem Recht, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, S. 103– 128, S. 107.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Unterbrechung der Verjährung in unredlicher Weise verhindert hat.271 Dass sich auch der unrechtmäßige Entzieher kultureller Wertgegenstände auf die Verjährungseinrede berufen kann, wird auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber die sachverfolgenden Sanktionen im Deliktsrecht zwar stets verjährungsrechtlich privilegiert, aber nach dem Rechtsgehalt des § 852 BGB jedoch nicht vom Zeitregime gänzlich ausgenommen hat.272 140
Richtig daran ist, dass allein der besondere immaterielle Wert der Streitobjekte nicht genügt, um die Unzulässigkeit der Verjährungseinrede zu begründen. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen verstößt die Erhebung der Verjährungseinrede gegen das Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, wenn der Schuldner eine adäquate Ursache dafür gesetzt hat, dass der Anspruch vom Gläubiger nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht wurde.273 Hartung sieht diese Voraussetzung bereits dann erfüllt, wenn der Besitzer das abhandengekommene Kulturgut für längere Zeit absichtlich dem Rechtsverkehr entzogen hat.274 Dahingegen sieht Looschelders in einem solchen „Bunkern“ des Kulturguts lediglich ein Unterlassen, das aber nur dann relevant wäre, wenn den Schuldner eine Pflicht zum Handeln träfe. Eine entsprechende Offenbarungspflicht lässt sich indessen nach seiner Ansicht in den vorliegenden Konstellationen nicht begründen.275 Letztendlich bleibt der Einwand des Rechtsmissbrauchs hier eine Einzelfallentscheidung und sollte bei arglistigem Handeln des Restitutionsschuldners, der bewusst Ansätze zur Verdunkelung der Rechts- und Tatsachenlage zeigt, Geltungskraft erlangen.
f) 141
Sinnwidrigkeit der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche am Beispiel des Quedlinburger Domschatzes
Unter Rückgriff auf den Restitutionsfall des Quedlinburger Domschatzes 276, in dem es um die Rückführung eines kunsthistorisch höchst bedeutsamen Evange-
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So Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Vgl. die zutreffenden Erwägungen bei Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Vgl. Looschelders, Der zivilrechtliche Herausgabeanspruch des Eigentümers auf Rückgabe von abhanden gekommenen Kulturgütern nach deutschem Recht, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, S. 103– 128, S. 107. Vgl. Hartung, Kunstraub in Krieg und Verfolgung, 2005, S. 422. Vgl. Looschelders, Der zivilrechtliche Herausgabeanspruch des Eigentümers auf Rückgabe von abhanden gekommenen Kulturgütern nach deutschem Recht, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, S. 103– 128, S. 107. Vgl. FAZ vom 26.10.1996; art, Heft 12/1996, 133; Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377– 417,
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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liars und mehrerer weiterer Gegenstände ging, die zu den wertvollsten erhaltenen mittelalterlichen Kunstschätzen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit gehören, kann exemplarisch dargelegt werden, dass die 30-jährige Verjährungsfrist dinglicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der materiell-rechtlichen Zuordnungsregeln des deutschen BGB funktionell sinnwidrig ist.277 Dem Domschatz der Kaiserpfalz Quedlinburg, einer mittelalterlichen Kleinodiensammlung aus der Zeit Heinrichs I., wurde bereits im Jahre 1980 ein Wert von ca. US-§ 240.000.000 zugesprochen.278 Der Quedlinburger Domschatz galt 45 Jahre lang als im Krieg zerstört, der Verbleib konnte jedoch im Jahre 1990 erfolgreich aufgeklärt werden.279 Die Güter wurden während des Zweiten Weltkriegs im Juli 1942 zum Schutz vor alliierten Luftangriffen in die sog. Altenburg-Höhle vor der Stadt ausgelagert.280 Der amerikanische Oberleutnant Joe T. Meador war in Deutschland am Ende des Zweiten Weltkrieges stationiert. Sein Bataillon hatte die Bewachung der Mine in der
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S. 403–404; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 226–228; Heydenreuter, Kunstraub: die Geschichte des Quedlinburger Stiftschatzes, 1993; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 116–117; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 376–378; Kogelfranz/Korte, Quedlinburg – Texas und zurück: Schwarzhandel mit geraubter Kunst, 1994; Schmid, Vergleich oder kompromißlose Rückforderung, in: Kötzsche, Der Quendlinburger Schatz, 1994, S. XV–XIX; Mittler, Bibliotheksbestände von Kulturgutrang, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 61; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 334 u. 343; Müller-Katzenburg, Besitzund Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2551–2552; Raue, Summum ius suma iniuria: Stolen Jewish Cultural Assets under Legal Examination, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 185–190, S. 188; Siehr, Manuscript of the Quedlinburg Cathedral back in Germany, IJCP 1 (1992), S. 215–217. Vgl. auch Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2563–2564. Chambers, One Theft That Brought Big Rewards; German Art Theft Becomes a U.S. Civil Matter, The Nat’l L. J., Mar. 25, 1991, S. 13. Ausführlich zu den tatsächlichen Angaben auch hierzu Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 116–117; Schmid, Vergleich oder kompromißlose Rückforderung, in: Kötzsche, Der Quendlinburger Schatz, 1994, S. XV–XIX; Kogelfranz/Korte, Quedlinburg – Texas und zurück: Schwarzhandel mit geraubter Kunst, 1994; Heydenreuter, Kunstraub: die Geschichte des Quedlinburger Stiftschatzes, 1993; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225– 267, S. 226–228; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373– 422, S. 376–378. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 116–117.
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Nähe der Stadt Quedlinburg zur Aufgabe. In diesem Stollen wurden von den amerikanischen Besatzungssoldaten die ausgelagerten Kunstschätze der Region entdeckt. Meador entwendete aus diesem Depot im April 1945 große Teile des Schatzes und schickte sie, als ‚Souvenir‘ in Packpapier eingewickelt, per Feldpost nach Whitewright, seiner Heimatstadt in Texas, wo seine Eltern wohnten. Die gestohlenen Kulturgüter enthielten ein Evangeliar aus dem Jahre 1513 und zahlreiche weitere kostbare Geschenke an die deutschen Fürsten aus dem 9. und 10. Jahrhundert. Meador hatte auf diese Weise während seines Einsatzes im Zweiten Weltkrieg noch zahlreiches anderes Kulturgut geraubt und später in den Vereinigten Staaten von Amerika auf dem illegalen Kunstmarkt veräußert, um mit dem Erlös einen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren. Die DomschatzBeute behielt er jedoch sein gesamtes Leben in seinem Besitz. Wie sich später herausstellte, war sich Oberleutnant Joe T. Meador des außergewöhnlichen Wertes der entwendeten Gegenstände durchaus bewusst. Später wurde berichtet, Meador verpackte nach Rückkehr aus Deutschland die Quedlinburg-Kunstgegenstände wasserdicht und versteckte diese in einer Toilette seines Elternhauses. Im Jahre 1980 verstarb Meador. Zu seinem Todeszeitpunkt wurde sein Nachlass auf ca. US-$ 100.000 geschätzt, ohne dass jedoch die von ihm gestohlenen Quedlinburger Schätze auch nur erwähnt wurden. Nach texanischem Recht hätte die berechtigte Eigentümerin, die Servatiuskirche, nach vereinzelter Meinung ihren Anspruch aufgrund möglicher Verjährung bis ins Jahr 1982 anmelden müssen – dies war jedoch nicht geschehen. Die Erben waren somit der Überzeugung, rechtmäßige Eigentümer der Kunstschätze geworden zu sein. 143
Im Jahre 1983 wurde ein Experte in mittelalterlichen Handschriften, John Collin, von den Erben mit der Evaluierung des Marktwertes der entwendeten Kunstschätze beauftragt. Dieser erkannte sofort, dass es sich um Exemplare der in Quedlinburg nach dem Zweiten Weltkrieg entwendeten mittelalterlichen Handschriften handelte. Er offenbarte den Erben, dass diese keinen Marktwert aufgrund ihrer eindeutigen Provenienz und des unzweifelhaft zu erkennenden Diebstahls besäßen, und legte diesen vor dem Hintergrund der amerikanischen Rechtslage und des Ausschlusses jeglichen gutgläubigen Erwerbs die Rückführung an ihren Ursprungsort nahe.281 “Under the law of the United States, a thief never has and may not convey legal title, even to an innocent purchaser for value.”282 Im Jahre 1986 boten die Erben Meadors eines der vermissten Stücke, das sog. Samuhel-Evangeliar, auf dem illegalen Kunstmarkt an. Bei dem Versuch der Erben, die einmaligen Preziosen zu Geld zu machen, wurden die einschlä-
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Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 376–378. Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 226–228.
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gigen Kreise im Kunsthandel schnell aufmerksam und schließlich auch die ursprüngliche Eigentümerin, die Domgemeinde St. Servatius in Quedlinburg. Durch Vermittlung eines Anwalts aus Houston erwarb ein deutscher Kunsthändler das Evangeliar in der Schweiz und vermittelte es schließlich für einen ‚Finderlohn‘ von US-$ 1.750.000 an die Kulturstiftung der Länder weiter. Nachdem es der Kulturstiftung der Länder gelungen war, das Samuhel-Evangeliar für den Quedlinburger Schatz zurückzugewinnen, war noch nicht abzusehen, dass auch die restlichen noch vorhandenen Kunstwerke, die 1945 in Quedlinburg entwendet worden waren, später wieder aufgefunden wurden und sich zehn der zwölf verschwundenen Objekte schlussendlich wieder im Schatz der Servatiuskirche befänden.283 Als die Erben einen weiteren Bestandteil des Quedlinburger Domschatzes an die Kulturstiftung der Länder zu veräußern suchten, befürchteten die deutschen Regierungsbehörden, dass die Meador Erben versuchen würden, noch weitere in ihrem Besitz befindliche Kulturschätze aus dem Quedlinburger Bestand einzeln zu verkaufen. Der noch existierende Staat der DDR wollte zu diesem Zeitpunkt nicht und die Kirchengemeinde St. Servatius konnte nicht handeln. Aus diesem Grund strengte Deutschland eine Restitutionsklage sämtlicher weiterer, im Besitz der Erben befindlicher Bestandteile des Quedlinburger Domschatzes vor dem zuständigen District Court in Texas an, um die Herausgabe der gesamten Kollektion zu erreichen. Das gegen die Erben und den Anwalt wegen dieser Machenschaften in Texas eingeleitete Strafverfahren musste jedoch wegen einer Fristversäumung durch den Staatsanwalt eingestellt werden.284 Nachdem in der Folge das Evangelistar aus St. Wiperti im illegalen Kunstmarkt aufgetaucht war, das dann später in der Schweiz anonym der Kulturstiftung der Länder übergeben wurde, gelang es im Juni 1990 durch eine gerichtliche Verfügung, den noch in Texas vermuteten Restschatz zu sichern. In einem Banksafe wurden der Reliquienschrein Heinrichs I., eine Reliquienflasche aus Bergkristall aus dem 10. Jh., ein kristallener Fisch mit einem angeblichen Marienhaar aus dem 4. Jh., drei Bergkristallmonstranzen aus dem 4. bis 13. Jh., der Bartkamm Heinrichs I. sowie ein Agnus Dei in Herzform gefunden. Von dem vermissten Domschatz fehlten schlussendlich lediglich zwei Reliquiare.
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Für die Dauer des Herausgabeprozesses gegen die Erben285 – Stiftskirche Domgemeinde of Quedlinburg v. Meador – wurde der wiederentdeckte Domschatz im Museum of Fine Arts in Dallas verwahrt. Im Rahmen eines am 7. Januar 1991 in London vereinbarten und am 7. Februar 1992 unterzeichneten außergerichtlichen Vergleichs vereinbarten die Parteien gegen Zahlung von US-$ 912.500 die
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Schmid, Vergleich oder kompromißlose Rückforderung, in: Kötzsche, Der Quendlinburger Schatz, 1994, S. XV–XIX. FAZ vom 26.10.1996; art, Heft 12/1996, 133. Stiftskirche Domgemeinde of Quedlinburg v. Meador, No. CA3-90-1440-D (N.D. Texas, filed June 18, 1990).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Herausgabe des Domschatzes. Nach einer siebenwöchigen Ausstellung im Dallas Museum of Fine Arts kehrte der Domschatz Ende April 1992 nach Deutschland zurück. Dort wurde er zunächst restauriert und für acht Monate im Berliner Kunstgewerbemuseum ausgestellt, bevor er im September 1993 in die dafür eigens renovierten Räumlichkeiten in der Stiftskirche St. Servatius auf dem Quedlinburger Burgberg zurückkehrte.286 Als die deutschen Regierungsbehörden erkannten, dass die Quedlinburger Domschätze nicht im Krieg zerstört wurden und sich noch immer in Texas befanden, wurde unmittelbar mit den Nachfahren Meadors in Verhandlungen über die Rückführung nach Deutschland getreten. Schlussendlich zahlten die deutschen Regierungsbehörden zunächst US-$ 1.750.000 als ‚Finderlohn‘ für die Rückführung des sog. Samuhel-Evangeliars und dann US-$ 912.500 als ‚Aufwendungsersatz‘ seitens der Erben Meadors „for their costs and expenses, and to avoid the delay, expense and uncertainty of further litigation“.287“With the barbarians at the gate, the German government believed it was more advantageous to have the treasures returned for its country and culture to enjoy than to risk the outcome of a jury trial in Texas.”288 146
Wäre auf die vorliegende Konstellation deutsches Sachrecht anwendbar gewesen, hätte den Erben des kulturellen Diebes Jack Meador die Einrede der Verjährung zugestanden, die eine Restitution an die berechtigte Eigentümerin, die Stadt Quedlinburg, ausgeschlossen hätte. Eine zivilrechtliche Restitutionsklage auf Grundlage der fortbestehenden Eigentumsposition der Stadt Quedlinburg wäre bei Anwendung der deutschen Rechtsordnung einredebehaftet gewesen, da der kulturelle Vindikationsanspruch 30 Jahre nach dem Entziehungsakt, d.h. im Jahre 1975, verjährt gewesen wäre. Diese Domschatz von Quedlinburg-Situation ist durchaus kein Einzelfall und Siehr wagt die Behauptung, dass es viele Sammler und manche private Museen geben wird, „die wenig Skrupel, aber langen Atem haben und gestohlene Kunstwerke über Jahrzehnte verstecken und nach Ablauf aller Fristen stolz ausstellen. Als die Engländer diese Konsequenz ihres alten Verjährungsrechts entdeckten, änderten sie schnell ihr Gesetz und lassen nun zu Gunsten des Diebes keine Verwirkungsfristen laufen. Auch in den Niederlanden merkte man zu spät, dass das neue Burgerlijk Wetboek mit seiner generellen Verjährungsvorschrift die Niederlande zu einem „Paradies für Diebe“289 macht. Auch hier ist also eine Umkehr angesagt.“290
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Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 116–117. Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 226–228. Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 376–378. So das Zitat bei Siehr, Verjährung der Vindikationsklage?, ZRP 34. Jahrgang (2001), Heft 8, S. 346–347. Siehr, Verjährung der Vindikationsklage?, ZRP 34. Jahrgang (2001), Heft 8, S. 346–347.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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Das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland sah sich im In- und vor allem auch amerikanischen Ausland starker Kritik aufgrund des Vergleichsabschlusses mit den Erben des Diebes ausgesetzt.291 Die Domgemeinde hätte jedoch bei einer Weiterführung des Prozesses nicht nur im Rahmen eines umfangreichen, äußerst zeitaufwendigen und kostspieligen Verfahrens darlegen und beweisen müssen, dass sie sich ausreichend – und dennoch bis zum Jahre 1990 ohne Erfolg – darum bemüht hat, den Verbleib des abhandengekommenen Schatzes zu ermitteln. Die Bundesrepublik hätte große finanzielle Mittel aufwenden müssen, um nach Jahren endlich ein rechtskräftiges Urteil zu erstreiten, dessen Ergebnis, zumal ein Geschworenengericht im Rahmen eines sog. jury trial entschieden hätte, nicht mit Sicherheit vorhersehbar war. Ein außergerichtlicher Vergleich ermöglichte demgegenüber eine sichere, finanziell kalkulierbare und zeitlich überschaubare Rückführung des Quedlinburger Schatzes.292 Als ‚Wermutstropfen‘ bleiben trotz sicherer Rückführung der schon verloren geglaubten Bestände des Quedlinburger Domschatzes und der Rettung mittelalterlicher Reliquien von Weltrang die staatspolitisch kritisch zu bewertende Zahlung eines ‚Finderlohnes‘ und eines ‚Aufwendungsersatzes‘ an die (bösgläubigen) Nachfahren des Diebes und das damit einhergehende fehlende Vertrauen der deutschen Bundesregierung in die amerikanische Rechtsordnung.
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Da in Konstellation der kulturellen Beutenahme durch staatliche Organe bzw. durch dem Staat zurechenbares Handeln während des Krieges oder zur Zeit der Besetzung fremder Territorien die Beschlagnahme und Verlagerung der erbeuteten Kunstgegenstände von staatlicher Seite veranlasst werden, ist neben den privatrechtlichen Restitutionsmöglichkeiten und Anspruchsbeziehungen auch eine Bewertung der völkerrechtlichen Resolutionsmaßnahmen zur Restitution der völkerrechtswidrig entzogenen Kulturgüter in Betracht zu ziehen.293 Auch innerhalb des Rückführungsverlangens des Quedlinburger Domschatzes prüfte das Auswärtige Amt der Bundesrepublik den außergerichtlichen Vergleich im Hinblick auf den Verzicht bestehender völkerrechtlicher Restitutionsansprüche der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika.294 Die Prüfung ergab, dass nach Art. 47 Abs. 3 der Haager Landkriegsordnung von 1907 grundsätzlich ein völkerrechtlicher Anspruch der Bundesrepublik Deutschland gegen die USA auf Rückgabe der Kunstwerke bestand. Die Entziehung der
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Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 226–228. Vgl. zur Beurteilunng der Kritik aus deutscher Sicht Schmid, Vergleich oder kompromißlose Rückforderung, in: Kötzsche, Der Quendlinburger Schatz, 1994, S. XV–XIX. Vgl. auch Müller-Katzenburg, Besitz- und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken, NJW 1999, S. 2551–2558, S. 2551–2552. Schmid, Vergleich oder kompromißlose Rückforderung, in: Kötzsche, Der Quendlinburger Schatz, 1994, S. XV–XIX.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
umstrittenen Kulturgüter durch Joe Tom Meador als Soldat der Vereinigten Staaten von Amerika stellte einen Akt völkerrechtswidriger Plünderung kultureller Güter dar, der nach der Haager Landkriegsordnung auch der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zuzurechnen war. Im konkreten Fall war die Durchsetzung des Restitutionsanspruchs jedoch aufgrund des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom 26. Mai 1952 (dem sog. Überleitungsvertrag) ausgeschlossen. In diesem Vertrag hatte sich die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, keine Ansprüche gegen die drei Alliierten wegen solcher Handlungen geltend zu machen, welche Personen, die aufgrund der Autorität der Alliierten tätig waren, zwischen dem 5. Juni 1945 und dem Inkrafttreten dieses Vertrages am 26. Mai 1952 gegen deutsches Eigentum begangen haben. Somit bewertete die Bundesregierung den Kompromiss in Form der Vergleichszahlung auch aus völkerrechtlicher Sicht als die einzige sichere und finanziell günstige Möglichkeit, die Quedlinburger Schätze aus Texas zurückzuerlangen.295 149
Besonders deutlich würde die Dysfunktion einer 30-jährigen Verjährungsfrist dinglicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter exempli causa bei Wiederentdeckung des Bernsteinzimmers aus dem Katharinenpalast in Zarskoje Selo oder einiger Teile desselben bei einem bösgläubigen Erwerber bzw. Besitzer in Deutschland werden.296 Dass ein Erwerber des Bernsteinzimmers als gutgläubig qualifiziert werden könnte, ist wohl ohne Zweifel abzulehnen. Man stelle sich die berechtigte Reaktion der Öffentlichkeit im In- und (vornehmlich: russischen) Ausland vor, wenn sich der bösgläubige Besitzer des Bernsteinzimmers nach den Verjährungsgrundsätzen der deutschen Rechtsordnung de lege lata völlig zu Recht gegenüber dem vindikatorischen Restitutionsanspruch Russlands auf die Einrede der Verjährung berufen würde. Um den völkerrechtlichen Rückführungsanspruch der restitutionsverpflichteten Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Russischen Föderation erfüllen zu können, wäre die Bundesrepublik auf eine Veräußerung des Bernsteinzimmers durch den faktischen Besitzer angewiesen und müsste das einzigartige Kunstwerk von diesem sogar käuflich erwerben. Völlig zutreffend kommentiert hier Siehr, dass in solchen Fällen die Allgemeinheit dafür zahlen müsste, dass nach herrschender Meinung de lege lata Personen geschützt würden, „die den Schutz gar nicht verdienen.“297
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Vgl. Schmid, Vergleich oder kompromißlose Rückforderung, in: Kötzsche, Der Quendlinburger Schatz, 1994, S. XV–XIX. Vgl. zu der Beispielskonstellation auch Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53– 75, S. 58–63. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
Gegner einer 30-jährigen Verjährungsfrist geben weiterhin zu bedenken, dass das Modell den Eigentümer geradezu ermuntert, dem (bösgläubigen) Besitzer das unrechtmäßig entzogene Kulturgut noch vor Ablauf der Verjährungsfrist – wenn nötig auch gewaltsam – wegzunehmen. Zugegebenermaßen wäre der Eigentümer nach der unerwünschten Selbsthilfe außerhalb der rechtsstaatlich vorgesehenen Bahnen nach § 861 BGB prinzipiell seinerseits zur Herausgabe verpflichtet. Da jedoch in einer solchen Konstellation der kulturelle Restitutionsanspruch aus § 985 BGB von neuem entstehe, beginne auch die Verjährungsfrist neu und die temporale Präklusion des ‚alten‘ Vindikationsanspruchs aus § 985 BGB könne dem ‚neuen‘ nun nicht mehr entgegengesetzt werden.298 Darüber hinaus ist Folgendes zu bedenken: „Gelingt es einem Dieb, die Sache 30 Jahre lang vor dem Eigentümer zu verbergen, so soll dieser sein Eigentum nicht mehr geltend machen können. Kommt dem Dieb die Sache nun jedoch seinerseits abhanden, kann der Eigentümer gegenüber dem neuen Besitzer vindizieren. Dieser Bruch ist darauf zurückzuführen, dass in der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs diejenige des dinglichen Rechts selbst liegt. Beides kann nicht voneinander getrennt werden.“299
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IV. Ordre public-Widrigkeit der 30-jährigen Verjährungsfrist kultureller Restitutionsansprüche in den Fällen der Raubund Beutekunst in der Beurteilung ausländischer Zivilforen Den Weg der Instrumentalisierung des Rechtsinstituts des ordre public zur Linderung der restriktiven deutschen Verjährungsregelung innerhalb der Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wies auch Justice Moses des Londoner High Court in der Rechtssache City of Gotha v. Sotheby’s / Cobert Finance S.A. (in dem sog. Wtewael-Fall). Fraglich war, ob das Gericht, wenn der Anspruch nach deutschem Recht verjährt wäre, nach Sec. 2 Abs. 1 des Foreign Limitation Periods Act von 1984 die Anwendung des deutschen Rechts mit der Begründung ausschließen sollte, dass es gegen den englischen ordre public verstößt.
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Vgl. aus der kulturgüterspezifischen Literatur Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 234–237. Allgemein gelten insbesondere die Erwägungen bei Henckel, Vorbeugender Rechtsschutz im Zivilrecht, AcP 174 (1974), S. 97 ff., insbesondere S. 130 ff., S. 130; Müller, Sachenrecht, 4. Aufl. 1997, Rdnr. 455; Heck, Grundriß des Sachenrechts, 1930, S. 126, der den verjährten Herausgabeanspruch deshalb auch einen „Rechtskrüppel“ nennt. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 167.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
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Section 2 des Foreign Limitation Periods Act von 1984:300 (1) In jedem Fall, in dem die Anwendung des obenstehenden § 1 in irgendeiner Weise (gemäß untenstehendem Unterabsatz (2) oder anderweitig) dem ordre public zuwiderläuft, ist dieser Paragraph in dem Ausmaß unanwendbar, in dem seine Anwendung einen Konflikt auslösen würde. (2) Die Anwendung des obenstehenden § 1 auf Klagen oder Verfahren verstößt gegen den ordre public in dem Ausmaß, in dem seine Anwendung für eine Person, die in diesen Klagen oder Verfahren Partei ist oder werden kann, eine unbillige Härte mit sich bringt.
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Die Entscheidung des High Court verbirgt durchaus ironische Elemente, wenn sich die deutsche Klägerseite gegenüber der panamaischen Cobert Finance S. A. vor einem englischen Gericht darauf beruft, dass die deutsche Zivilrechtsordnung aufgrund der Ausgestaltung des Verjährungsrechts gegen den britischen ordre public verstoße. Zunächst wurde seitens des High Court klargestellt, dass der ordre public-Vorbehalt bei der Nichtanwendung einer ausländischen Verjährungsfrist nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen werden dürfe301 und nur dann ausgeschlossen werde, wenn der Verjährungseinwand einem „Grundprinzip der Gerechtigkeit“ zuwiderläuft302. Im Fall Oppenheimer v. Cattermole303 lehnte es das House of Lords mit Hinweis auf den ordre public ab, eine nach Rasse diskriminierende Gesetzgebung anzuerkennen.304 Vorliegend stützen sich die 300
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Zitiert bei City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 79. Vgl. Arab Monetary Fund v. Hashim, (1993) 1 Llozds Rep. 543, Absatz 592. Vgl. Law Commission Report Nr. 114, 4.43 und 4.44. Vgl. Oppenheimer v. Cattermole, (1976) AC 249. „Das fundamentale Grundprinzip der Gerechtigkeit, mit dem das ausländische Recht in Konflikt steht, muß klar festzustellen sein. Das Verfahren bei dieser Feststellung darf nicht von der individuellen Auffassung eines Richters von Zweckdienlichkeit oder Fairness abhängen, sondern von der Möglichkeit, klar ein Prinzip zu erkennen, das sich aus unserem eigenen Verjährungsrecht oder einem anderen klar anerkannten allgemeinen Grundsatz des ordre public ergibt (siehe Absätze 4.35 und 4.45 des Law Commission Report Nr. 114). Englische Gerichte sollten den ordre public nur dann ins Feld führen, wo ausländisches Recht ganz offenkundig mit dem ordre public nicht zu vereinbaren ist. Der Rechtsausschuß ging davon aus, daß dieser Denkansatz übernommen würde und sah daher in seinem Gesetzentwurf von einer Empfehlung ab, das Wort „manifestly“ zu verwenden (offenkundig) (Absatz 4.38). Das englische Verjährungsrecht dient dem Zweck, Beklagte vor überalterten Ansprüchen zu schützen, Anspruchsberechtigte zu ermutigen, Verfahren ohne unbillige Verzögerung einzuleiten und einem potentiellen Beklagten das Vertrauen zu vermitteln, daß er nach Verstreichen einer spezifischen Frist keiner Klage mehr ausgesetzt ist (Absatz 4.44 des Law Commission Report Nr. 114). Die Anwendung einer ausländischen Verjährungsfrist wird nicht lediglich deswegen wegen Verstoßes gegen den ordre public ausgeschlossen werden, weil sie weniger großzügig als die vergleichbare englische Bestimmung ist … . Zur Berufung auf den ordre public muß ein anderer Grund als die bloße Zeitdauer aufgezeigt werden (siehe Absatz 4.46 des Law Commission Report Nr. 114).“ City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
Bundesrepublik Deutschland und die Stadt Gotha als Restitutionsgläubiger auf die von den Beklagten unbestrittene Tatsache305, dass das Gemälde seinem rechtmäßigen Eigentümer gestohlen worden war, und dass die Firma Cobert Finance S. A. noch nicht einmal behauptet, dass sie oder irgendeiner ihrer Rechtsvorgänger das Gemälde in gutem Glauben erworben habe, oder dass ihr das Eigentum an dem Gemälde zustünde. Nach Section 4 des Limitation Act von 1980 unterläge der Restitutionsanspruch bei Anwendung englischen Rechts aufgrund der Bösgläubigkeit des Besitzers keiner temporalen Präklusion. Dies genügt Justice Moses zur Anwendung des ordre public:
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dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 80–81. Andere Versuche scheiterten: Die Bundesrepublik Deutschland und die Stadt Gotha als Restitutionsgläubiger machten zunächst vor Gericht geltend, dass nach deutschem Recht weder der subjektive Kenntnisstand des Eigentümers hinsichtlich der Lokalisierung und der Identifizierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts für die Verjährung der Restitutionsklage noch die Tatsachen entscheidend seien, ob das Kulturgut gestohlen wurde, ob die potentiellen Restitutionsschuldner gutgläubige Käufer waren und ob die Beklagten vorsätzlich und skrupellos die Identität und Anschrift der Besitzerin der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter – hier der Firma Cobert Finance S.A. – verschleiert hatten. Allein die These, dass eine ausländische Verjährungsfrist, die nicht den Wissensstand eines Klägers berücksichtigt, geeignet ist, gegen den englischen ordre public zu verstoßen, konnte keine Billigung vor Gericht finden. Soweit die Bundesrepublik Deutschland und die Stadt Gotha als Restitutionskläger jedoch vortrugen, dass die Anwendung einer deutschen Verjährungsfrist mit dem ordre public nicht zu vereinbaren sei, wenn die Firma Cobert Finance S.A. „vorsätzlich und skupellos Tatsachen verschleiert habe, die für den Anspruch der Kläger von Belang sind“ (City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 82), könnte der Rechtsgehalt von Sec. 32 des Foreign Limitation Periods Act von 1984 tangiert sein. Danach setzt der Beginn der Verjährungsfrist in dem Fall, dass dem Kläger Tatsachen, die für das Recht auf Klageerhebung von Belang sind, von dem Beklagten vorsätzlich verheimlicht worden sind, erst dann ein, wenn der Kläger die Verschleierung entdeckt hat oder sie mit angemessener Sorgfalt hätte entdecken können. Der High Court konnte nachweisen, dass das englische Recht bestimmt, dass das Verstreichen von Zeit keinem Beklagten zustatten kommt, der sich der vorsätzlichen Verschleierung schuldig gemacht hat, wann immer diese vorsätzliche Verschleierung stattfindet, bis der Kläger die Verschleierung entdeckt hat oder sie mit angemessener Sorgfalt hätte entdecken können. Auch wenn in der vorliegenden Situation die Firma Cobert Finance S.A. solche Tatsachen vorsätzlich verschwieg, die für das Recht des Klägers auf Klageerhebung von Belang sind (die Firma Cobert Finance S.A. verschleierte ihre Identität, ihre Anschrift, ihr Wissen um den Verlust des Gemäldes im Jahre 1989, als das Gemälde erworben wurde, und ihr Wissen um den Diebstahl), stellte der High Court fest, dass eine ausländische Rechtsvorschrift, die eine vorsätzliche Verschleierung unbeachtet lässt, wenn diese keine kausale Wirkung auf das Ablaufen einer Verjährungsfrist hat, keinem Grundprinzip der Rechtsordnung zuwiderläuft. City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp. org, S. 85.
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„Es scheint mir möglich, aus diesen Gesetzesmaterialien eine Regel des englischen ordre public abzuleiten, wonach der Ablauf einer Frist weder dem Dieb noch irgend jemandem, auf den der Besitz übertragen wurde und der kein gutgläubiger Käufer ist, zugute kommen soll. Das Recht begünstigt den wahren Eigentümer von gestohlenen Gegenständen, unabhängig von der Länge des Zeitraums, der seit dem ursprünglichen Diebstahl verstrichen ist. Wird die Anwendung des deutschen Verjährungsrechts nicht ausgeschlossen, führt dies dazu, daß ein Käufer begünstigt wird, der kein Eigentumsrecht an dem Gemälde hat und der noch nicht einmal behauptet, er oder seine Vorgänger hätten das Gemälde in gutem Glauben gekauft. Einer Partei, die zugibt, nicht in gutem Glauben gehandelt zu haben, zu gestatten, sich das Verstreichen der Frist anzurechnen, während die Kläger keine Kenntnis über den Verbleib des Gemäldes und keine Möglichkeit hatten, es wiederzuerlangen, verstößt meines Erachtens gegen den ordre public, der seinen gesetzlichen Ausdruck in Section 4 gefunden hat. Der Firma Cobert zum Erfolg zu verhelfen, wenn sie nach eigenem Vorbringen wußte oder vermutete, daß das Gemälde gestohlen sein könne oder daß etwas mit der Transaktion nicht in Ordnung sei, oder wenn sie sich in einer Weise gerierte, die mit dem Handeln eines ehrlichen Menschen nicht vereinbar ist, rührt an das Gewissen des Gerichts. Darüber hinaus untergräbt die Feststellung einer solchen Regel des ordre public keineswegs die Zwecke eines Verjährungsgesetzes; weder gibt es einen Grund, warum ein Beklagter in der Lage der Firma Cobert vor dem hier geltend gemachten Anspruch geschützt werden sollte, noch hält die Feststellung einer solchen Regel des ordre public Anspruchsberechtigte davon ab, ohne unbilliges Zuwarten, Gerichtsverfahren einzuleiten. Ich kann keinen Widerspruch zu dem grundlegenden allgemeinen Bedürfnis an einem Verjährungsgesetz erkennen, wenn man anerkennt, daß das Opfer eines Diebstahls, das keine Möglichkeit hatte, den Anspruch eher geltend zu machen, berechtigt sein sollte, seine Rechte geltend zu machen, unabhängig davon, wie lang der Zeitraum ist, der seit dem ursprünglichen Diebstahl verstrichen ist. Entsprechend dem Vortrag von Mr. Brindle QC trifft es zu, daß das deutsche Recht, statt vorzusehen, daß bei einer Klage, die in bezug auf eine gestohlene bewegliche Sache erhoben wird, keine Verjährungsfrist gilt, eine recht lange Verjährungsfrist vorsieht. Diese Erwägung schien mir jedoch nicht ausreichend, um die Rechte des Opfers eines Diebstahls den Rechten von jemandem vorzuziehen, der nicht in gutem Glauben gehandelt hat. Es schien mir auch nicht von Belang zu sein, daß in diesem Fall der Kläger die Bundesrepublik Deutschland ist, die die Nichtanwendung ihrer eigenen Gesetze anstrebt. Die Frage, ob die Anwendung eines ausländischen Gesetzes aus Gründen des englischen ordre public ausgeschlossen werden soll, kann, so scheint es mir, nicht von der Rechtsnatur des Klägers abhängen, der die Nichtanwendung dieses Gesetzes anstrebt. Ich sollte jedoch klarstellen, daß, wenn das Opfer des Diebstahls, nachdem es die anspruchsrelevanten Fakten entdeckt hatte, selbst die Klage hinausgezögert hätte, dies sehr wohl ein Grund gegen die Nichtanwendung des ausländischen Gesetzes sein könnte (siehe Law Commission Report Nr. 114, Absatz 4.47).“ 306
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Entscheidend war, dass die Bundesrepublik Deutschland und die Stadt Gotha Opfer eines Diebstahls waren und sie in der Zeit zwischen dem Diebstahl und dem Jahr 1991 keine Möglichkeit hatten, von den Fakten Kenntnis zu erlangen, die es ihnen ermöglicht hätten, den Besitzer des Bildes und dessen Verbleib fest-
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City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 86–87.
3. Abschnitt: Generelle Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
zustellen.307 In seiner Entscheidung zum deutschen Verjährungsrecht ging Justice Moses in der Rechtssache City of Gotha v. Sotheby’s / Cobert Finance S.A. dementsprechend so weit, dass er per obiter dictum einen neuen Satz des englischen ordre public aufstellte, wonach ein englisches Gericht die deutsche 30-jährige Verjährungsfrist nicht anwenden werde, wenn dies dazu führt, dass sie einem Dieb oder einem bösgläubigen Besitzer, der seinen Besitz von ihm ableitet, zugutekommt.308 Der bestohlene Eigentümer hat Vorrang auch vor dem gutgläubigen Besitzer, gleich wie viel Zeit vergangen ist, wenn Zweifel an den Zwischenverfügungen bestehen.309 „D.h. sofern sich ein solches Bild in einem Land befindet, das diese Regelung des ordre public anerkennt, würden die Herausgabeansprüche dort auch prozessual ohne Möglichkeit der Verjährungseinrede durchgesetzt werden können. Eine für Deutschland recht beschämende und eigenartige Regelung, daß die Herausgabe entwendeter Kulturgüter nicht in Deutschland, wohl aber in anderen Ländern gerichtlich durchgesetzt werden könnte. Der Eigentümer muß also zuwarten bzw. darauf hoffen, daß er eine solche Klage nicht in Deutschland, sondern in einem Land geltend macht, das das Eigentum und eine dementsprechende Regelung des ordre public anerkennt. Inzidenter hat der Londoner Richter damit auch festgestellt, daß die Regelung einer Verjährung der Herausgabeansprüche in Deutschland gegen den ordre public verstößt.“310 Die Entscheidung ging wie ein Fanal durch die internationale Presse: „Hände weg von Beutekunst“311.
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City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org, S. 89. Vgl. Carl, Drei Restitutionsfälle, die Geschichte gemacht haben: Deutschland, USA und England, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 241–260, S. 248–249; Schoen, Der rechtliche Status von Beutekunst – Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkriegs nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter, 2004, S. 194–200; so wohl auch Schönenberger, Restitution von Kulturgut, 2009, S. 221. Vgl. Carl, Beutekunst vor den Zivilgerichten: Auswirkungen des Londoner Urteils über das Bild von Joachim Wtewael aus Gotha, in: Genieva/Michaletz/Werner, Gesten des guten Willens und Gesetzgebung – Dokumentation der internationalen Konferenz zur Problematik kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter; Moskau, 24. und 25. April 2001, 2001, S. 249–265, S. 252. Werner, Die sachenrechtliche Zuordnung von Raub- und Beutekunst, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern, 2002, S. 261–276, S. 269–270. Vgl. Crüwell, Hände weg von Beutekunst, FAZ, Artikel vom 4.11.1998, S. 41.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
§ 17 Ergebnis: Derogation der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche de lege ferenda? 156
Vor Beginn der Untersuchungen des 5. Teils zu der Verjährung von Restitutionsansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wurde folgender Untersuchungsauftrag formuliert: Der nachfolgende Diskurs hatte festzustellen, ob im Spannungsverhältnis von Kunsthandel und Kulturgüterschutz an dem kulturgüterunspezifischen Interessenausgleich durch das Rechtsinstitut der Verjährung innerhalb der Rechtsordnung Deutschlands festzuhalten ist. Im Geiste Justitias, mit der Waage in der einen und dem Schwert in der anderen Hand, wurde der Leser dazu ermuntert, eine gerechte Tarierung der widerstreitenden Interessen der ursprünglichen Eigentümer einerseits und dem Schutz gutgläubiger Restitutionsschuldner andererseits vorzunehmen und so mit der nötigen Härte und Schärfe des Richtschwertes Justitias selbst die richtige Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch das Rechtsinstitut der Verjährung zu erreichen.
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Es wurde erkannt, dass die Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB dem Restitutionsschuldner nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne das Recht gewährt, die Herausgabe unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu verweigern. Da kulturelle Restitutionsansprüche regelmäßig als Eigentumsherausgabeansprüche nach § 985 BGB zu qualifizieren sind, tritt seit Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 die Verjährung nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB nach 30 Jahren ein. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 200 BGB mit Anspruchsentstehung, d.h. in dem Moment, in dem der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut erlangt und diesem kein Recht zum Besitz zusteht.312 Damit bleibt die Ausgestaltung des deutschen Verjährungsrechts (übrigens ebenso wie die Rechtsordnung der Niederlande) weit hinter dem Schutz der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im internationalen Rechtsvergleich zurück!
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Zum einen erfolgt innerhalb der nationalen Zivilrechtsordnungen bspw. der Staaten Österreich, Italien und der Schweiz – hier bestehen jedoch kulturgüterspezifische Sonderverjährungsvorschriften – keine Verjährung zivilrechtlicher Herausgabeansprüche beweglicher Gegenstände im Interesse der ursprünglichen Eigentümer und Restitutionsgläubiger. Auch in kulturgüterspezifischen Rechtsinstrumenten wie bspw. der Resolution 1205 – Looted Jewish cultural property vom 5. November 1999, der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 und der Convention on the Protection of the Archaeological, Historical and Artistic Heritage of the American Nations vom 16. Juni 1976 wird teilweise von der
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Ob dem Eigentümer somit eine Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts oder eine Identifizierung des aktuellen Besitzers des kulturellen Wertobjekts möglich ist, ist für die Entstehung des Anspruchs unerheblich.
§ 17 Ergebnis: Derogation der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsforderungen ausgegangen. Ein kulturgüterspezifischer Ausschluss der allgemeinen Verjährungsvorschriften erfolgt auch in kulturellen Ursprungsstaaten (wie bspw. Frankreich, Italien und einigen südamerikanischen Staaten), die zur Bewahrung ihres Kulturerbes die Extrakommerzialität kultureller Güter bestimmen. Eine andere Variante sucht einen Ausgleich einerseits der Bestandswahrungsinteressen der potenziell restitutionsverpflichteten Besitzer und andererseits der Rückführungsinteressen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter seitens der Eigentümer. Dies wird bspw. innerhalb der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 und der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 erreicht, die zwischen dem Lauf einer sog. relativen Verjährungsfrist in Abhängigkeit von einer kurzen subjektiven Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände seitens des Restitutionsgläubigers und einer langen sog. absoluten Höchstverjährungsfrist unabhängig von subjektiven Merkmalen unterscheiden. Einen vergleichbaren Kompromiss stellt auch die Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche gegenüber dem Dieb und bösgläubigen Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens dar. Die deutsche Rechtsordnung zeigt sich somit im internationalen Rechtsvergleich restitutionsfeindlich. Fraglich ist deshalb, ob im Spannungsverhältnis von Kunsthandel und Kulturgüterschutz für die absolute Präklusion kultureller Restitutionsansprüche nach Ablauf von 30 Jahren rechtfertigende Gründe bestehen.
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Zum einen wird darauf hingewiesen, dass die Verjährung des Vindikationsanspruchs im Fahrnisrecht nur prima facie ausschließlich Diebe und Hehler zu begünstigen scheint. Auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs könnte man sowohl aus rechtlichen wie praktischen Erwägungen von einem Trugschluss ausgehen, wenn man die alleinige Funktion der Verjährung dinglicher Herausgabeansprüche in der Besserstellung bösgläubiger Personen sieht. Piekenbrock weist diesbezüglich darauf hin, dass die Bestimmung der 30-jährigen Verjährungsfrist im Wege der accessio temporis des § 198 BGB auch den gutgläubigen Rechtsnachfolger des bösgläubigen Besitzers schützt. Nach § 198 BGB kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute (sog. Verjährung bei Rechtsnachfolge), wenn eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten gelangt313. Dies kann auch für den gutgläubigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter einen rechtserheblichen Vorteil darstellen: Hatte(n) der oder die bösgläubigen Rechtsvorgänger ein unrechtmäßig entzogenes Kulturgut länger als zwanzig Jahre im Besitz, tritt die Verjährung des kulturellen Restitutionsanspruchs des Eigentümers vor der
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Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399 m.w.N.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Ersitzung und einem Rechtserwerb des gutgläubigen Eigenbesitzers ein, weil die Besitzzeit des bösgläubigen Besitzers nicht nach § 943 BGB angerechnet werden kann.314 Zum anderen schützt die temporale Präklusion des dinglichen Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aber auch den ursprünglich gutgläubigen Besitzer. Wie in den Beratungen bei Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 deutlich wurde, wird der gutgläubige Besitzer durch die Verjährung der Gefahr der Tatsachenfeststellung im Rahmen der Bestimmung der Gutgläubigkeit des Ersitzenden innerhalb des § 937 Abs. 2 BGB und damit eines erheblichen Prozessrisikos enthoben.315 161
Die Annahme einer Verjährung dinglicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der deutschen Rechtsordnung ist jedoch verfehlt. “Talking about time limitations with respect to almost eternal pieces of art seems to be a contradiction. The time passing since their creation has proved that these works of art are more than just an expression of some fleeting idea.”316 Schon der Deutsche Bundesrat hat bei der Zustimmung zu dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts speziell der Erwartung Ausdruck gegeben, dass der deutsche Gesetzgeber die 30-jährige Befristung für kulturelle Herausgabeansprüche wieder korrigiert. Insbesondere für den Rechtsbereich des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs stellte der Bundesrat in einer Entschließung vom 9. November 2001 zu der Schuldrechtsreform fest, dass die „Verjährungsregeln zu unangemessenen Ergebnissen führen können, soweit die in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogenen und kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter davon betroffen sind“. In diesem Zusammenhang äußerte der Bundesrat die Erwartung, dass die Bundesregierung zur Frage einer Sonderregelung für unrechtmäßig entzogene Raub- und Beutekunst „baldmöglichst Stellung nimmt und gegebenenfalls einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegt“.
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Da das dingliche Recht des ursprünglich Berechtigten fortlebt, während die aus ihm entspringenden dinglichen Ansprüche nach 30 Jahren verjähren, führt die deutsche Rechtsordnung zu der systematisch widersprüchlichen Konstruktion eines dominum sine re, zu einem Herabsinken der Eigentumsposition zu einem „Scheinrecht“317 und zur Schaffung der „Halbheit Eigentum ohne Besitz-
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Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Vgl. BT-Drucksache 14/7052, S. 179, darauf verweisend auch Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 64–66. Vgl. auch die Beschreibung in Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 513 (Motive 292).
§ 17 Ergebnis: Derogation der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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recht.“318 Systematisch schlüssiger wären etwa die Konstruktion eines dinglichen Rechtserwerbs nach Ablauf einer bestimmten Verjährungsfrist unabhängig von der Gutgläubigkeit des Erwerbers entsprechend der klassischen Ausgestaltung der sog. prescription acquisitive der Art. 2262, 2180 des französischen Code civil, die Konstruktion einer gänzlichen Unverjährbarkeit dinglicher Vindikationsansprüche oder der Verjährbarkeit des dinglichen Herausgabeanspruchs nur zugunsten Gutgläubiger wie bspw. innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens. Entscheidend sprechen jedoch funktionelle Erwägungen innerhalb der deutschen Zivilrechtsordnung gegen eine Verjährung von Restitutionsansprüchen: Da unrechtmäßig entzogene Kulturgüter de lege lata über Jahrzehnte hinweg versteckt und nach Ablauf der Verjährungsfrist rechtmäßig verkauft oder ausgestellt werden können, schützt die Verjährung des Vindikationsanspruchs praktisch allein bösgläubige Restitutionsschuldner, denen das deutsche Zivilrecht keinen rechtsgeschäftlichen oder mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung applizierten originären Gutglaubensschutz angedeihen lassen möchte.319 Der gutgläubige Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter findet nämlich grundsätzlich in dem Rechtsinstitut des gutgläubigen derivativen Erwerbs nach §§ 932 ff. BGB Schutz. Da unrechtmäßig entzogene und dementsprechend abhandengekommene Kulturgüter nur in der Ausnahmesituation der öffentlichen Versteigerung i.S.d. §§ 935 Abs. 2 i.V.m. 383 Abs. 3 BGB gutgläubig erworben werden können, erfolgt der Schutz gutgläubiger Eigenbesitzer somit spätestens nach Ablauf der zehnjährigen Ersitzungszeit nach § 937 BGB. Ein weitergehender Schutz bösgläubiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ist abzulehnen. Entsprechend entschied Justice Moses per obiter dictum in der Rechtssache City of Gotha v. Sotheby’s / Cobert Finance S. A. des Londoner High Court zum deutschen Verjährungsrecht, dass ein englisches Gericht die deutsche 30-jährige Verjährungsfrist nicht anwenden werde, wenn dies dazu führe, dass sie einem Dieb oder einem bösgläubigen Besitzer, der seinen Besitz von ihm ableitet, zugutekomme. Auch innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsliteratur320 werden
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Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Vgl. auch die Darstellung dieser Ansicht auch bei Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399; Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2563–2564. Vgl. bspw. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
die „bedenklichen Konsequenzen“321 und die „grotesken Ergebnisse“322 der Verjährung von Restitutionsansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber bösgläubigen Erwerbern und Besitzern betont. 164
Besonders negativ wirkt sich eine Verjährung des kulturellen Restitutionsanspruchs in den Rückführungsbemühungen des zur Zeit des Nationalsozialismus entzogenen kulturellen Fluchtguts und der abhandengekommenen Raubkunst sowie der während Andauer des Zweiten Weltkriegs auf fremdem Territorium geplünderten Beutekunst aus. Entsprechend führt Knopp aus: „Natürlich ist man nicht erst heute auf die geschilderte Verjährungsproblematik gestoßen. Bisherige Erwägungen – auch in der juristischen Literatur – und entsprechende Vorstöße hatten aber keinen Erfolg. Von dem höchst wertvollen – wertvoll nicht nur im wissenschaftlichen, sondern auch im materiellen Sinne – Archivgut des Preußischen Geheimen Staatsarchivs Berlin (heute auch ein Bestandteil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz) ist im 2. Weltkrieg ein großer Teil in Bergwerksstollen des Thüringer Raumes ausgelagert worden. Man wußte in Berlin schon bald, daß die Stollen auf Veranlassung der sowjetischen Besatzungsmacht 1946 durch deutsche Hilfskräfte geleert worden sind (das Archivgut kam dann auf Umwegen nach Merseburg und – nach der Wiedervereinigung – 1992/93 zurück nach Berlin). Bekannt ist, daß bei der Leerung der Stollen kräftig geplündert worden war. Schon in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg kamen in Berlin und anderswo wertvolle Stücke (u.a. handgeschriebene Briefe Friedrichs des Großen) auf den Markt. Es mußte aber damit gerechnet werden, daß nach Ablauf der Verjährungsfrist (also im Jahr 1976) alle Schranken fallen und das bisher gehortete Material auf den Markt kommen wird. Aus diesem Grunde habe ich 1975 dem Bundesminister der Justiz brieflich die Lage geschildert und zu erwägen gebeten, ob nicht durch eine partielle Änderung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches wenigstens für solches wertvolles Kulturgut die drohende Verjährung des Herausgabeanspruchs abgewendet werden könne. Als Antwort erhielt ich die Mitteilung, daß der Rechtsfriede ein außerordentlich hohes Gut sei, das auch gegenüber dem von mir befürchteten endgültigen Verlust wertvoller Kulturgüter seinerseits geschützt werden müsse. Natürlich ist dies eine Frage der Abwägung. Ich bin aber durch vielfache Beobachtungen und Vorfälle zu der Überzeugung gelangt, daß es durchaus vertretbar wäre, den Gedanken vom Rechtsfrieden, der unseren Verjährungsvorschriften zugrunde liegt, in
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Vgl. Kunze, Restitution „Entarteter Kunst“ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht, 2000, S. 234–237. Vgl. Henckel, Vorbeugender Rechtsschutz im Zivilrecht, AcP 174 (1974), S. 97 ff., insbesondere S. 130 ff., S. 130.
§ 17 Ergebnis: Derogation der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
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gewissem Umfang zugunsten wertvollen, ohnedies schon reduzierten und nicht ersetzbaren Kulturgutes einzuengen.“323 Erst mit Beginn der Provenienzerforschung seit Mitte bzw. Ende der 1990er Jahre setzten Lokalisierungs- und Identifikationsbemühungen ein, sodass erst zu diesem Zeitpunkt große Bestände zweifelhafter Provenienz in den öffentlich zugänglichen wie privaten Kunstsammlungen wiederentdeckt wurden.324 Besonders deutlich würde die Dysfunktion einer 30-jährigen Verjährungsfrist dinglicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter exempli causa bei Wiederentdeckung des Bernsteinzimmers oder einiger Teile desselben bei einem bösgläubigen Erwerber bzw. Besitzer in Deutschland werden.325 Man stelle sich die Reaktion der Öffentlichkeit im In- und (vornehmlich: russischen) Ausland vor, wenn sich der bösgläubige Besitzer des Bernsteinzimmers nach den Verjährungsgrundsätzen der deutschen Rechtsordnung de lege lata völlig zu Recht gegenüber dem vindikatorischen Restitutionsanspruch Russlands auf die Einrede der Verjährung berufen würde.326
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Während aus den genannten Gründen ein Teil des kulturgüterspezifischen Schrifttums die Vindikation allein kultureller Güter aus öffentlichen Sammlungen de lege ferenda von der Verjährung ausnimmt327, gehen andere generell davon
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Knopp, Museumspolitik als Kulturgüterschutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 8. Aus der Perspektive der Restitutionsgläubiger unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zwischen den Jahren 1933 bis 1945, die in den meisten Fallkonstellationen zu dem jüdischen Kreis verfolgter Personengruppen während der Zeit des Natioalsozialismus zählen werden, bestehen vor diesem tatsächlichen Hintergrund berechtigte Zweifel, dass allein der Ablauf einer Zeitspanne kulturellen Restitutionsgläubigern ihr gutes Recht auf Rückführung ihrer Kunstwerke nehmen kann und damit odio petentis wirkt. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 337. Vgl. zu der Beispielskonstellation auch Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53– 75, S. 58–63. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63. Unverjährbarkeit nur des Herausgabeanspruchs öffentlicher Kulturgütersammlungen, vgl. Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 112; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 335–336; Finkenauer, Zum Begriff der Rechtsnachfolge in § 221 BGB, JZ 2000, S. 241–247, S. 247. Nach Meinung von Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 199–211, und diesem folgend Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 355–365, sollte die Vindikation im Speziellen kultureller Güter öffentlicher Sammlungen de lege ferenda von der Verjährung ausgenommen werden.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
aus, dass die Vindikation aller Kulturgüter von der Verjährung ausgenommen sein sollte. Schließlich kann sich auch die Mindermeinung innerhalb der kulturgüterunspezifischen Rechtsliteratur, die sich generell und für sämtliche beweglichen Gegenstände gegen die temporale Präklusion des Vindikationsanspruchs ausspricht, auf hörenswerte Überlegungen stützen.328 167
Für die Verjährung kultureller Restitutionsansprüche gegenüber Bösgläubigen, d.h. bspw. gegenüber dem Dieb sowie dem Hehler gestohlener Kulturgüter und jedem weiteren bösgläubigen Erwerber, finden sich – entsprechend den Ausgestaltungsvarianten des angelsächsischen Verjährungsregimes und etwa der Schweizer Zivilrechtsordnung – keine rechtserheblichen Belange. Steht die Bösgläubigkeit des kulturellen Besitzers fest, wäre es rechtspolitisch untragbar, dem wahren Eigentümer die Geltendmachung seines Herausgabeanspruchs unter Berufung auf seine fortbestehende Eigentumsposition an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut zu verwehren. Dem Dieb eines Kunstwerks darf letztlich allein der Ablauf einer bestimmten Zeitspanne nicht zugutekommen und faktisch zu einem Behaltendürfen auch gestohlener Kunstwerke führen. Ebenso wäre es aus rechtsmoralischen Erwägungen untragbar, wenn sich bösgläubige Besitzer von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut und Raubkunst allein aufgrund Zeitablaufs gegenüber den (meist jüdischen) Opfern der kulturellen Vermögensentziehung auf das Rechtsinstitut der Verjährung berufen könnten. Steht die Bösgläubigkeit wie in den genannten Beispielsfällen fest, verkehrt die zeitliche Befristung kultureller Restitutionsansprüche ihr eigentliches Regelungsanliegen – den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit – in ihr Gegenteil, sodass zumindest gegenüber bösgläubigen Besitzern keine temporale Präklusion kultureller Vindikationsansprüche anzunehmen ist. Solange dies keiner expliziten positiv-gesetzlichen Regelung innerhalb der deutschen Rechtsordnung zugeführt worden ist, sollten deutsche Richter eine Berufung auf die Einrede der Verjährung seitens des bösgläubigen Restitutionsschuldners in diesen Fallkonstellationen trotz der geäußerten Bedenken wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB unterbinden.329 Ausländischen Gerichten solcher Zivilrechtsordnungen, die eine temporale Präklusion kultureller Restitu-
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Zur Diskussion im Rahmen der Schuldrechtsreform 2001 vgl. etwa Mansel in Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform: zum Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes des Bundesministeriums der Justiz, 2001, S. 367 ff.; Zimmermann/Leenen/Mansel/Ernst, Finis Litium? Zum Verjährungsrecht nach dem Regierungsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, JZ 2001, S. 684–699, S. 693. Grundsätzlich können sich auch Diebe und bösgläubige Erwerber unter Berufung auf die eingetretene Verjährung einem Herausgabeverlangen des Eigentümers widersetzen. Diese Einrede ist nach der – zugegebenermaßen gut begründeten und grundsätzlich richtigen – herrschenden Gegenansicht nach Eintritt der Verjährung nicht rechtsmissbräuchlich. Dies zeige letztlich auch § 852 S. 2 BGB. Vgl. bspw. Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u. a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1434.
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tionsansprüche (oder zumindest gegenüber bösgläubigen Restitutionsverpflichteten) nicht anerkennen, steht eine Instrumentalisierung des Rechtsinstituts des ordre public offen.330 Im Geiste Justitias wird eine gerechte Tarierung der widerstreitenden Interessen der ursprünglichen Eigentümer einerseits und der schutzbedürftigen gutgläubigen Restitutionsschuldner andererseits innerhalb des Rechtsinstituts der Verjährung wie folgt lauten: Der redliche Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter kann zunächst in dem Rechtsinstitut des gutgläubigen derivativen Erwerbs nach §§ 932 ff. BGB Schutz finden, wobei jedoch unrechtmäßig entzogene und dementsprechend abhandengekommene Kulturgüter nur in der Ausnahmesituation der öffentlichen Versteigerung i.S.d. §§ 935 Abs. 2 i.V.m. 383 Abs. 3 BGB gutgläubig erworben werden können. Unrechtmäßig entzogene Kunstwerke werden jedoch nach Ablauf der zehnjährigen Ersitzungszeit nach § 937 BGB originär vom gutgläubigen Eigenbesitzer zu Eigentum erworben, sodass grundsätzlich nach spätestens zehn Jahren gutgläubige Erwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach der deutschen Rechtsordnung keiner Restitutionsforderung mehr unterfallen. Gelangte der Anspruchsgegner jedoch bösgläubig in den Besitz des Kulturguts, ist die Berufung des Restitutionsschuldners auf das Rechtsinstitut der Verjährung sowohl aus rechtssystematischen, rechtsvergleichenden als auch funktionellen Erwägungen kulturpolitisch verfehlt. Gegenüber bösgläubigen Besitzern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sollte von der Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche ausgegangen werden.
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Problematisch bleibt allein ein Schutz eines Putativschuldners, der seine Gutgläubigkeit nach Ablauf einer langen Zeitspanne nicht mehr nachweisen kann. Das Risiko, dem wahren gutgläubigen Erwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bösen Glauben entgegenzuhalten,331 ist nicht von der Hand zu weisen, „weil dem Besitzer nicht zwingend die positive Kenntnis des fremden Eigentums nachgewiesen werden muß, sondern nur die anfängliche grob fahrlässige Unkenntnis (§§ 937 Abs. 2 Alt. 1, 932 Abs. 2 BGB). War aber etwa im Bereich des Kunstmarktes der unfreiwillige Verlust der Sache an irgendeiner Stelle kundgemacht, läßt sich kaum sicher prognostizieren, ob der Tatrichter hier von grober Fahrlässigkeit ausgeht oder nicht.“332 Während die allgemeinen Erwägungen des derivativen und originären Erwerbs von der Gutgläubigkeit des Besitzers ausgehen, hat der potenzielle Restitutionsschuldner innerhalb des Kulturgüterrechts darüber hinausgehend aufgrund der Provenienzerforschungsob-
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Vgl. die diesbezüglichen Erwägungen innerhalb des Wtewael-Falles, High Court of Justice Queen’s Bench Division, Fall Nr. 1993 C 3428 und 1997 G 185. So ausdrücklich Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 194, Rdnr. 9. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
liegenheit hinsichtlich des kulturellen Wertobjektes und der Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Berechtigtenposition des Eigentümers auch bei der Frage der Verjährung des kulturellen Vindikationsanspruchs seine Gutgläubigkeit noch nach mehr als 30 Jahren seit dem Moment des Entziehungsaktes nachzuweisen. Auferlegt man nach dem hier vertretenen Verständnis dem Erwerber zusätzlich den Nachweis der Gutgläubigkeit, verstärkt sich somit die Gefahr einer Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen. Erst nach Eintritt der Verjährung könne der schutzwürdige gutgläubige Erwerber oder Eigenbesitzer sicher sein, dass ihm niemand mehr seine Rechte streitig mache.333 170
Für diese Ausnahmesituation fehlender Beweismöglichkeiten der Gutgläubigkeit eines Erwerbers bzw. Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter steht folglich noch eine Lösung offen! Der Putativschuldner hat sich bislang zu Recht auf die Verjährungseinrede berufen, wenn seine Gutgläubigkeit nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Sicher ist somit zweierlei: Allein aus Gründen des Schutzes eines Putativschuldners dürfen kulturelle Restitutionsansprüche gegenüber bösgläubigen Besitzern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nicht generell ausgeschlossen sein. Es gilt einen Weg zu finden, der einem Putativschuldner ausreichend Rechtsschutz vor unbegründeten Restitutionsforderungen gewährt, gleichzeitig aber nicht einem bösgläubigen Erwerber bzw. Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zugutekommt. Mit dem Rechtsinstitut der Verjährung könnte eine solche Lösung – wie bspw. innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens – durch den Ausschluss der Verjährungsgrundsätze gegenüber Bösgläubigen erreicht werden. Dies stellt jedoch eine sehr statische Lösung dar, die teilweise den speziellen Anforderungen des Kulturgüterschutzrechts nicht gerecht werden kann. Es ist vorstellbar, dass die Interessen eines Putativschuldners unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit den Bedürfnissen des ursprünglichen Eigentümers im konkreten Fall gegenübergestellt werden und – beide Parteien sind an der Dilemmasituation grundsätzlich unschuldig und deshalb zunächst in gleichem Maße schutzwürdig – nach einer Prüfung der jeweiligen Verhaltensweisen die schutzwürdigere Berechtigtenposition bestimmt wird. Es hätte somit eine Abwägungsentscheidung zwischen der Schutzwürdigkeit und dem jeweiligen Verhaltensprogramm des gutgläubigen Erwerbers und Besitzers kultureller Wertgegenstände einerseits und des Eigentümers andererseits zu erfolgen.
171
Fraglich ist jedoch, welche rechtskonstruktive Einbettung für eine solche Abwägungsentscheidung den rechtlichen Rahmen bieten könnte. Die deutschen Verjährungsgrundsätze müssen diesbezüglich aufgrund ihres statischen ‚Alles-oder-
333
Rechtsausschuss, BT-Drucks. 14/7052, S. 179; vgl. auch Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, § 197, Rdnr. 6.
§ 17 Ergebnis: Derogation der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche
Nichts-Prinzips‘ ausscheiden. Ein rechtsvergleichender Blick über den Tellerrand unserer eigenen Rechtsordnung könnte auch hier – insbesondere im Regelungsversuch des internationalen Kunsthandels – neue Erkenntnisse schaffen. Im Kulturgüterrecht halten zuvörderst die Zivilrechtsordnungen der einzelnen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika spezielle Abwägungsentscheidungen in kulturellen Restitutionsansprüchen für die positive Bestimmung der Berechtigtenposition an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern bereit. Dabei wird vor amerikanischen Gerichten praktisch die gesamte Problematik kultureller Restitutionsansprüche über die Frage des Verjährungsbeginns entschieden und der Zeitpunkt, von dem an eine meist relativ kurze Verjährungsfrist zu laufen beginnt, als rechtspolitisches Mittel der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter betrachtet. Der spezielle Untersuchungsauftrag besteht im folgenden 4. Abschnitt in der Analyse der amerikanischen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und insbesondere in der Feststellung, wie die amerikanische Rechtsordnung den Widerstreit des Putativschuldners und des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – erinnert sei, dass beide Parteien unschuldig sind – entscheidet und ob diesbezügliche Erkenntnisse auch für eine deutsche Lösung des Problems der Schutzwürdigkeit des Putativschuldners gewonnen werden können.
901
4. Abschnitt Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika 172
Außerhalb des engen Anwendungsbereichs des gutgläubigen Erwerbs mittels eines voidable title ist innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika ein gutgläubiger Erwerb entsprechend dem nemo dat-Prinzip grundsätzlich ausgeschlossen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass danach generell die Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ohne Einschränkungen zu erfolgen hat. Die amerikanische Zivilrechtsordnung wahrt die notwendige Balance zwischen dem Interesse potenziell restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und dem Bedürfnis nach Rückführung abhandengekommener Kunstwerke an die rechtmäßigen Eigentümer mittels der allgemeinen Verjährungsvorschriften (sog. statutes of limitations) und der Verwirkungsgrundsätze (sog. laches).334 Dementsprechend kann der Eigentümer so lange die Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber dem aktuellen Besitzer verlangen, bis der Restitutionsanspruch entweder verjährt ist oder die Geltendmachung einen Verstoß gegen die allgemeinen Prinzipien von Treu und Glauben (sog. estoppel) darstellt und dementsprechend verwirkt ist. Die statutes of limitations verfolgen somit auch innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten den Zweck, die Rechtsverfolgung nach einer bestimmten Zeitspanne nach Schadenseintritt oder Entstehung des Rückführungsanspruchs auszuschließen, da sich die Möglichkeiten der Beweisführung verringern und sich der Wert von Zeugenaussagen schmälert. Schließlich dienen die statutes of limitations auch dem allgemeinen Rechtsfrieden und der Sicherheit des Kulturgüterverkehrs auf dem amerikanischen Kontinent.
173
In den einzelnen Bundesstaaten variiert die Dauer der Verjährungsfristen für Klagen auf Herausgabe von beweglichen Gegenständen und damit auch kulturellen Objekten zwischen zwei und zehn Jahren,335 wobei in den meisten Bundesstaaten die Verjährungsfrist auf sechs Jahre festgelegt ist. Bei einer empirischen Betrachtung der Sachverhaltskonstellationen unrechtmäßiger Kulturgutentziehungen innerhalb Amerikas wird schnell ersichtlich, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle die gesetzlich oder in der Judikative festgelegten Verjährungsfris-
334
335
Vgl. Feldman/Weil/Biederman, Art Law – Rights and Liabilities of Creators and Collectors, Volume II, 1986, § 9.2., insb. S. 19–85, und S. 273 ff. Vgl. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 40; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 171.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
903
ten in dem Moment der Lokalisierung der abhandengekommenen Kunstwerke bzw. der Identifizierung der aktuellen Besitzer der Werke bereits abgelaufen wären, wenn der Lauf der Verjährungsfrist in dem Moment der unrechtmäßigen Entziehung des Kulturguts beginnen würde. Ursachen hierfür liegen wahrscheinlich in den nur kleinen tatsächlichen Ausmaßen kultureller Wertgegenstände, die leicht einen illegalen Transfer ermöglichen, und in der besonderen Schwierigkeit der Wiederentdeckung von Kunstwerken sowohl seitens der Eigentümer als auch der staatlichen wie internationalen Polizeibehörden nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt. Vor diesem Hintergrund wäre die überwiegende Zahl kultureller Restitutionsansprüche grundsätzlich temporal präkludiert. Deshalb ist ein Meinungsstreit darüber entbrannt, zu welchem Zeitpunkt der Lauf der Verjährung beginnen soll. Die bundesstaatlichen statutes of limitations nehmen ausdrücklich keine Bestimmung des Beginns der Verjährungsperiode vor, sodass sich innerhalb zahlreicher amerikanischer Gerichtsentscheidungen und in den Abhandlungen der Kommentatoren kultureller Restitutionsansprüche die Frage stellte, ob der Moment der unrechtmäßigen Entziehung des Kulturguts oder der Zeitpunkt entscheidungserheblich für den Beginn des Fristenlaufs sein soll, zu dem der Eigentümer die Lokalisierung des abhandengekommenen Kulturguts und die Identifizierung des aktuellen Besitzers erreicht hat oder hätte erreichen müssen. Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, dass der Lauf der Verjährungsfrist nur dann beginnen dürfe, wenn der Eigentümer den Besitzer zur Rückgabe des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts aufgefordert und der letztgenannte die Restitution verweigert hätte. Entsprechend den vorgenannten verschiedenen Möglichkeiten des Beginns der Verjährungsfrist haben auch die zur Entscheidung berufenen amerikanischen Zivilgerichte divergierende Faktoren bestimmt, die den Verjährungsbeginn initiieren. Dazu bestehen keine einheitlichen Regeln und die höchsten Gerichte der unterschiedlichen Bundesstaaten vertreten hier divergierende Ansichten, sodass bei einer Klage innerhalb der Vereinigten Staaten immer festzustellen ist, welcher Theorie das zur Entscheidung berufene Forum folgt. Überblicksartig lassen sich folgende unterschiedliche Zeitpunkte des Verjährungsbeginns unterscheiden:
174
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Divergierende Theorien des Verjährungsbeginns innerhalb der verschiedenen Bundesstaaten Amerikas
Unrechtmäßige Entziehung als frühest möglichen Verjährungsbeginn (sog. traditional accrual rule) und die sog. doctrine of fraudulent concealment
‚Adverse possession’: Rechtserwerb (nur) nach Besitz in „open, visible and notorious manner“ nach Ablauf der Verjährungsfrist
Spezielle ‚due diligence’-Anforderungen des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der sog. ‚constructive discovery rule’
Progressiver Schutz des ursprünglichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei Anwendung der ‚actual discovery rule’
‚Demand and refusal rule’: Verjährungsbeginn nach Verweigerung der Rückführungsforderung des Eigentümers durch den Besitzer
Verjährungsbeginn zum Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entziehung (traditional accrual rule). ABER: Hemmung des Verjährungslaufs solange der bewegliche Gegenstand vor dem Eigentümer arglistig verschwiegen wird (doctrine of fraudulent concealment)
Eigentumserwerb mittels der adverse possession bei „hostile, actual, visible, exclusive, and continuous“ Besitz des Restitutionsverpflichtetem
Verjährungsbeginn, sobald der ursprüngliche Eigentümer die Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und die Identifizierung des aktuellen Besitzers bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erreichen müssen: Spezielle Sorgfaltsanforderungen auf Seiten des Eigentümers
Verjährungsbeginn, sobald der ursprüngliche Eigentümer die Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und die Identifizierung des aktuellen Besitzers positiv festgestellt hat: keine speziellen Sorgfaltsanforderungen auf Seiten des Eigentümers
Beginn des Verjährungslaufs, wenn der Restitutionskläger und Eigentümer das unrechtmäßig entzogene Kulturgut von dem Besitzer und Anspruchsgegner einer kulturellen Restitutionsklage herausverlangt (demand) und letztgenannter die Forderung der Rückführung zurückgewiesen hat (refusal)
Schema 14 – Divergierende Theorien zum Beginn des Verjährungslaufs innerhalb der amerikanischen Bundesstaaten
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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A. Unrechtmäßige Entziehung als frühest möglicher Verjährungsbeginn (sog. traditional accrual rule) und die sog. doctrine of fraudulent concealment Der Zeitraum, innerhalb dessen ein Anspruch auf Restitution unrechtmäßig entzogener und illegal transferierter Kulturgüter des ursprünglichen Eigentümers vor einem amerikanischen Gericht platziert werden muss, um eine temporale Präklusion aufgrund erlöschender Verjährung zu verhindern, beginnt traditionell in dem Moment zu laufen, in dem der Restitutionsanspruch entstanden ist (sog. traditional accrual rule). In den meisten Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika entsteht ein Anspruch aus einer ‚action in replevin‘ oder ‚action in conversion‘ – dies sind die am häufigsten applizierten rechtsdogmatischen Anspruchsgrundlagen vor amerikanischen Gerichten bei der zivilrechtlichen Restitution illegal transferierter Kulturgüter – zu dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entziehung des Kulturguts aus dem Bestand des Eigentümers.336 „Like most replevin actions, the cause of action for the recovery of stolen art traditionally accrued at the time of the wrongful taking, and not upon the discovery of the identity of the party in possession of the property.“337 Eine ‚replevin‘ oder ‚conversion cause of action‘ „ordinarily will run against the owner of lost or stolen property from the time of the wrongful taking.“338 Gegenüber bösgläubigen Erwerbern entsteht damit der Restitutionsanspruch und der Lauf der Verjährungsfrist beginnt entsprechend in dem Moment des Erwerbs und der tatsächlichen Besitzerlangung des zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturguts. Danach stellt grundsätzlich der Zeitpunkt des kulturellen Diebstahls bzw. des Abhandenkommens, zuweilen damit auch zugleich der Moment des Erwerbs339 des illegal transferierten Kulturguts, den entscheidenden Parameter zum Beginn des Fristenablaufs dar, unabhängig davon, ob der ursprüngliche Eigentümer eine Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts oder eine Bestimmung der Identität des redlichen Erwerbers vornehmen kann.340 Die Mehrzahl der amerikanischen Bundesstaaten bewertet je nach Sachlage entweder bereits den unrechtmäßigen Entziehungsakt oder die bloße Akquisition beweglicher Güter 336
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339
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Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 237. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1074. O’Keeffe v. Snyder, 416 A.2d 862, 872 (NJ. 1980); vgl. auch Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 22. Bspw. im Rahmen des Abhandenkommens mittels Unterschlagung des anvertrauten Kulturguts. Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 504.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
auf Seiten eines redlichen Erwerbers als den Moment, in dem ein Anspruch aus einer ‚action in replevin‘ oder ‚in conversion‘ entsteht. 176
In Rechtsordnungen, die dieser traditional accrual rule folgen, muss der ursprüngliche Eigentümer die Lokalisierung der abhandengekommenen Kulturgüter und die Identifizierung des aktuellen Besitzers innerhalb der festgesetzten Verjährungsperiode nach der unrechtmäßigen Entziehung erreichen, um nicht mit seiner Restitutionsklage temporal präkludiert zu sein.341 Zentrale Erwägung ist hier die Rechtssicherheit für gutgläubige Erwerber, die sich nach dem Ablauf einer bestimmten Zeit unbedingt auf ihre Rechtsposition verlassen können sollen, als auch die Rechtssicherheit des kulturellen Güterverkehrs insgesamt, der von einer sicheren Eigentums- und Verfügungsmöglichkeit profitiert. “This traditional rule has two important advantages: certainty as to when the limitations period commences and expires, at least for the good faith purchaser, and simplicity of application in litigation.”342 Der Second Circuit betonte in der Rechtssache DeWeerth v. Baldinger einen weiteren Vorteil dieser traditionellen Regelung zum Beginn des Verjährungszeitraumes:343 “Obviously, this creates an incentive to find one’s stolen property.”344
177
Die Unausgewogenheit dieser traditional accrual rule zulasten der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, die bei Anwendung größtmöglicher Sorgfalt weder die Lokalisierung der Kunstwerke noch die Identifizierung der Besitzer erreichen können, wird jedoch ohne großen Begründungsaufwand ersichtlich und gleicht die genannten Vorteile des Grundsatzes mehr als aus. Die traditionelle Regelung begründet meist eine Ungerechtigkeit gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer, weil er seiner Rechtsstellung verlustig geht, ohne dass er eine reale Möglichkeit der Lokalisierung des Gemäldes hätte erreichen und die Identität des Inhabers der momentanen tatsächlichen Sachherrschaft hätte ausfindig machen können.345 Dies ist vor dem Hintergrund und bei vollem Verständnis der tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Lokalisierung derart mobiler Gegenstände zu betrachten, wie es kulturelle Güter in den überwiegenden Fallkonstellatio341
342
343
344 345
So auch die Feststellung in DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103, 109 (2d Cir. 1987), cert. denied, 486 U.S. 1056 (1988). Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 78–79; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 22. Vgl. Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 78–79; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 22. DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103, 109 (2d Cir. 1987), cert. denied, 486 U.S. 1056 (1988). Vgl. Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 237.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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nen auch faktisch darstellen.346 Darüber hinaus besteht auch eine tatsächliche Schwierigkeit bei der Instrumentalisierung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche illegal transferierter archäologischer Objekte aus unrechtmäßigen Ausgrabungsstätten, da die Bestimmung des Ortes und der Zeit der offiziell undokumentierten illegalen Bergung der Artefakte sich nicht selten als unmöglich darstellt, sodass in diesen Fällen des heimlichen Abhandenkommens schon aus tatsächlichen Gründen eine präzise temporale Terminierung ausscheidet. Bei Applikation der traditional accrual rule würde sogar dem Entziehenden (bspw. dem Dieb eines Kunstwerks) oder einem bösgläubigen Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ermöglicht, das abhandengekommene Kunstwerk für eine bestimmte Zeitspanne unter höchster Geheimhaltung vor der Öffentlichkeit zu verbergen, sodass der Eigentümer überhaupt keine Chance hätte, sein Kunstwerk innerhalb der laufenden Verjährungsperiode zu lokalisieren.347 Aufgrund der effektiven Rechtlosstellung des ursprünglichen Eigentümers wird durch Anwendung der accrual rule eine Erleichterung und Förderung der illegalen Marktgängigkeit abhandengekommener Kulturgüter erreicht („encourage illicit trafficking in stolen art“).348 Deshalb sollten bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns kultureller Restitutionsansprüche auch die speziellen Eigenheiten des internationalen Kunstmarktes und der Restitution illegal transferierter Kulturgüter mit in die Betrachtungen einbezogen werden: Restitutionsansprüche zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zielen nicht auf einen wirtschaftlichen Ausgleich, sondern sind allein auf die in specie-Rückführung der konkret abhandengekommenen Kulturgüter gerichtet. Somit sind Kompensationszahlungen für den ursprünglichen Eigentümer aufgrund der allgemein anerkannten kulturellen Unikatfunktion von Kunstwerken nicht interessengerecht.349 Vor dem Hintergrund dieser generell den ursprünglichen Eigentümer benachteiligenden Interpretation des Verjährungsbeginns verfolgten vor allem der Bundesstaat New York und noch einige weitere Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika eine andere rechtspolitische Ausrichtung. Da New York unbestritten als die zentrale Schaltstelle des internationalen Kulturgüterverkehrs weltweit anzusehen ist, erlangen diesbezügliche Entwicklungen auch außerhalb 346
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Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1074. Vgl. Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 237. Darauf macht auch die Entscheidung Solomon R. Guggenheim Found. v. Lubell, 569 N.E.2d 426, 431 (N.Y. 1991), aufmerksam; Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 922. Vgl. Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 237.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
der Grenzen des Bundesstaates allgemeine Bedeutung für den internationalen Kunsthandel. Jedoch nicht nur der Bundesstaat New York, sondern auch Gerichte sowie Legislativen anderer amerikanischer Bundesstaaten lassen die rechtspolitische Entscheidung zugunsten tendenziell eher großzügig zu bemessender Verjährungsregeln für den Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erkennen: 179
“In 1985, Senator Mathias introduced the Cultural Property Repose Act, which proposed that a foreign government be time-barred from suing to recover archaeological or ethnographical material that had been in the United States for five years. During the Senate hearings, numerous parties expressed strong opposition to the bill. Representatives of the Justice Department and of the United States Information Agency expressed strong concern that the five-year time limit proposed under the bill was not reasonably calculated to ensure that an original owner could relocate the art works before the limitations period lapsed. They also worried that such a short limitations period would encourage the illicit art trade. The representative of the State Department reiterated those fears, noting that the most difficult aspect of the recovery of cultural property is locating it. After further criticism in the press, the bill stalled. The failure of this bill shows that some legislators are sensitive to the obstacles facing original owners of stolen art.” 350
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Eine Möglichkeit der Mitigation der Ungerechtigkeit gegenüber dem Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei Applikation der traditional accrual rule wurde zulasten der Rechtssicherheit des Kulturgüterverkehrs und der Verkehrsfähigkeit von Kunstwerken mittels der sog. doctrine of fraudulent concealment versucht, die den Lauf der Verjährungsfrist unterbricht, solange der bewegliche Gegenstand vor dem Eigentümer arglistig verschwiegen wird.351 Darunter wird allgemein „[t]he hiding or suppression of a material fact or circumstance which the party is legally or morally bound to disclose“ verstanden.352 Ein wirklicher Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwischen dem potenziell restitutionsberechtigten Eigentümer und dem aktuellen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter kann jedoch auch nicht mittels der doctrine of fraudulent
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Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 921 m.w.N. Und nicht nur, dass die Person, die das Kulturgut unrechtmäßig entzogen hat, oder der nachfolgende Erwerber es versäumt, seine Besitzposition und die Tatsache der kulturellen Entziehung dem Eigentümer mitzuteilen! Vgl. Autocephalous Greek-Orthodox Church v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc., 717 F. Supp. 1374, 1391–92 & n.10 (SD. Ind. 1989), affd, 917 F.2d 278 (7th Cir. 1990); O’Keeffe v. Snyder, 416 A.2d 862, 872–73 (NJ. 1980); General Stencils, Inc. v. Chiappa, 219 N.E.2d 169,170–71 (N.Y. 1966); Solomon R. Guggenheim Found. v. Lubell, 550 N.Y.S.2d 618, 621 (App. Div. 1990), aff’d, 569 N.E2d 426 (N.Y. 1991); 51 Am. Jur. 2d Limitations of Actions § 124, S. 693. Black, Henry Campbell, Black’s Law Dictionary, 5. Aufl. 1979, S. 596.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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concealment erreicht werden. Da die Regel sowohl ein aktives und arglistiges Verschweigen des Aufenthaltsortes als auch des Besitzers des Kulturguts gegenüber dem Eigentümer verlangt,353 wird im illegalen Kulturgüterverkehr nur selten eine Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist anzunehmen sein.354 Insgesamt sollte somit jedoch aufgrund der Unausgewogenheit der traditional accrual rule zulasten der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nicht von einem Verjährungsbeginn im Moment der unrechtmäßigen Kulturgutentziehung ausgegangen werden. Innerhalb des (inter-)nationalen Güterverkehrs mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern erlangte die doctrine of fraudulent concealment in der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. gerichtliche Bestätigung.355 Darin wurde darauf hingewiesen, dass die Rechtsordnung des Bundesstaates Indiana die doctrine of fraudulent concealment und deren Auswirkungen auf den Verjährungsbeginn aufgrund case law
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– “The harshness which may result from the application of a statute of limitations has been avoided by judicial recognition of certain exceptions. One of these exceptions is the doctrine of fraudulent concealment which operates as an equitable doctrine to estop a defendant from asserting a statute of limitations when he has, either by deception or by a violation of duty, concealed from the plaintiff material facts thereby preventing the plaintiff from discovering a potential cause of action.”356 –
als auch aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Fixierung anerkennt: I.C. § 34-1-2-9: If any person liable to an action shall conceal the fact from the knowledge of the person entitled thereto, the action may be commenced at any time within the period of limitation after the discovery of the cause of action.
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Die doctrine of fraudulent concealment beruht auf den Vorstellungen von Treu und Glauben und gilt als Billigkeitsrecht (equity). Die Regel verbietet einem grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, der aufgrund arglistiger Täuschung oder Irreführung dem Gläubiger die Kenntnis von der Entstehung eines Restitutionsanspruchs während des Ablaufs der Verjährungszeit verheimlichte, die Berufung auf den Einwand der Verjährung gegenüber dem Herausgabeverlangen des kulturellen Gläubigers. Damit einem Eigentümer die Berufung auf die Grundsätze von fraudulent concealment möglich ist, verlangt die Rechtsordnung Indianas jedoch bspw., …
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Vgl. Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 78–79; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 22. Vgl. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp., S. 1392; General Stencils, Inc. v. Chiappa, 219 NX-2d, S. 171; Lightfoot v. Davis, 91 N.E. 582, 586 (N.Y. 1910). Vgl. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374. Burks v. Rushmore, 534 N.E.2d 1101 (Ind.1989), S. 1104.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
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“… that the concealment be active and intentional, and that such concealment misleads or hinders the plaintiff’s inquiry or ability to investigate. … For a plaintiff to invoke the doctrine of fraudulent concealment, Indiana requires that the plaintiff exercise due diligence to investigate the claim and attempt to discover the fraud. … If the fraud, although not discovered, ought to have been discovered, and could have been if reasonable diligence had been exercised by the plaintiff, the statute will run from the time discovery ought to have been made. To prevent the barring of an action, it must appear that the fraud not only was not discovered, but could not have been discovered with reasonable diligence, until within the statutory period before the action was begun. … In addition to common law and statutory fraudulent concealment, Indiana courts have held that equitable estoppel will serve the same purpose and foreclose the use of a statute of limitations to a defendant who through fraud or misrepresentation prevents a plaintiff from commencing an action within the statute’s original time frame. … The requirement that the plaintiff exercise due diligence applies to fraudulent concealment grounded in equitable estoppel as well.”357
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Unabhängig davon, welcher Theorie innerhalb der Konstellation Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. gefolgt wurde, stellt die Indianapolis Division des United States District Court for the Southern District of Indiana für die vorliegende Sachverhaltskonstellation fest, dass die Restitutionsklage des Klägers aufgrund der doctrine of fraudulent concealment rechtzeitig erhoben wurde. Auch wenn Restitutionsklagen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter entsprechend der traditional accrual rule in dem Moment des unrechtmäßigen Entziehungsaktes beginnen, gilt diese Grundregel jedoch nur, wenn der Restitutionsschuldner dem Gläubiger die Kenntnis von der Entstehung eines Restitutionsanspruchs während des Ablaufs der allgemeinen Verjährungszeit weder aufgrund arglistiger Täuschung noch Irreführung verheimlichte. Verfolgt der Restitutionsschuldner jedoch eine solche Verdeckungsabsicht, ist der Lauf der Verjährungsfrist für diese Zeitspanne unterbrochen.
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“Assuming for purposes of discussion that the cause of action accrued in this case when the mosaics were stolen sometime between 1976 and 1979, the Court concludes that the doctrine of fraudulent concealment operates under the facts of this case to toll the six-year statute of limitations. The doctrine operates because the possessor and location of the mosaics were actively and fraudulently concealed from the plaintiffs. The fact that the mosaics were stolen and resurfaced in the art world after a period of approximately nine years indicates by its very nature that the mosaics were fraudulently concealed from the true owner, the Church of Cyprus. There is no evidence that the plaintiffs knew or reasonably should have known where the mosaics were from the time of the theft until 1988. … Therefore, the doctrine of fraudulent concealment continued to run, uninterrupted. For purposes of this analysis it is sufficient to conclude that the doctrine tolled the running of the statute throughout 1983. As the plaintiffs’ complaint was filed in March 1989 and the statute was tolled throughout 1983, the complaint was filed within the six-year limitation and is timely. For this reason it is unnecessary for the Court to consider whether the doctrine tolled the statute beyond 1983.” 358
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Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1387–1388. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1391–1393.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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Schließlich ist in der Konstellation Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. auch die zweite Voraussetzung zur Anwendung der doctrine of fraudulent concealment erfüllt. Die Restitutionskläger und Eigentümer der unrechtmäßig entzogenen Mosaiken erfüllten ihre Sorgfaltsanforderungen „to investigate the claim and discover the fraud“:
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“Church officials and worshipers were forced to leave the Kanakaria Church and the village of Lythrankomi in 1976. Thereafter they have been prevented from exercising dominion over the Kanakaria Church. They experienced the threatened and actual destruction of their civilized existence and their physical safety. Because of these dangers, the plaintiffs’ belief that they could not visit and worship in the church was reasonable. Thus, from the time the mosaics were stolen until the plaintiffs first learned of the theft in 1979, the Court concludes that the plaintiffs were reasonably unable to exercise due diligence because they were prevented from maintaining the Kanakaria Church and its property, including the mosaics. Once the plaintiffs learned of the theft of the mosaics, they exercised due diligence in searching for them.” 359
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B.
‚Adverse possession‘: Rechtserwerb (nur) nach Besitz in „open, visible and notorious manner“ nach Ablauf der Verjährungsfrist
Der Common Law-Rechtskreis kennt bei beweglichen Gegenständen kein selbstständiges Rechtsinstitut der Ersitzung. Zusammen mit dem Rechtsinstitut der präskriptiven Verjährung erlangt jedoch die bestimmte Dauer qualifizierten (fehlerhaften, aber gutgläubigen) Eigenbesitzes (‚adverse possession‘) eine derartige Rechtswirkungskraft, dass „in regard to replevin actions, the defenses of adverse possession and limitation are the same on theory that the law refuses to recognize a title it will not protect“360 (Eigentumserwerb durch Zeitablauf). Für den amerikanischen Rechtskreis lässt sich somit feststellen, dass ein ersitzungsähnliches Institut durch das Zusammenspiel der allgemeinen zeitlichen Limitation zivilrechtlicher Herausgabeansprüche bei gleichzeitiger Erfüllung der Voraussetzungen der adverse possession Geltungskraft erlangte.361
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“In addition to relying upon the expiration of the statute of limitations, courts have considered the transfer of title to property via the doctrine of adverse possession when determining whether an original owner can bring legal action to recover stolen property. The historical doctrine of disseisin explains the origin of this usage of adverse possession. Traditionally, before the statute of limitation expired, the possessor had the property and
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Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1391–1393. O’Keefe v. Snyder, N.J. 405 A. sd 840, S. 844 ff. (Super. Ct., App. Div. 1979). Vgl. O’Keefe v. Snyder, N.J. 405 A. sd 840, S. 844 ff. (Super. Ct., App. Div. 1979), S. 874; a.A. aber zwei ‚dissenting opinions‘ der Richter Fritz, S. 848–849 sowie Handler, S. 881–882; dazu auch Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 78–79.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche the right to keep it unless the original owner claimed it. Hence, the only imperfection in the possessor’s right to retain that property was the original owner’s right to repossess it. Once the running of the limitation period removed this imperfection, the possessor had good title to the property for all purposes.” 362
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Auf den ersten Blick scheint es, dass die extinktiven Verjährungsregeln und der Grundsatz der ‚adverse possession‘ einheitlich bestimmen, ob der (ursprüngliche) Eigentümer einen Restitutionsanspruch gegen einen gutgläubigen Erwerber des abhandengekommenen Kulturguts lancieren kann. Dem ist zunächst insoweit zuzustimmen, dass sich die beiden Rechtsgrundsätze in der Tat gegenseitig bedingen. Bei Applikation der adverse possession-Doktrin wird jedoch über die Grundsätze der erlöschenden Verjährung hinaus nicht nur die Geltendmachung des Anspruchs ausgeschlossen, sondern zusätzlich der originäre Eigentumserwerb des aktuellen Besitzers bestimmt. Die Regeln der extinktiven Verjährung fokussieren auf den Ablauf einer bestimmten Zeitspanne, wohingegen der Grundsatz der adverse possession zusätzlich auf den Charakter der tatsächlichen Sachherrschaft des beklagten aktuellen Besitzers abstellt. Zusätzlich zu dem Rechtserwerb des Besitzers dient das Rechtsinstitut der adverse possession nach Einschätzung der angloamerikanischen Dogmatik als Rechtsinstrument zur Begrenzung der Rechte des Anspruchstellers, sodass die rechtstheoretische Kategorisierung unter der akquisitiven Ersitzung mittels originären Eigentumserwerbs eigentlich der angloamerikanischen Qualifizierung auch nicht in Gänze gerecht wird. Nichtsdestotrotz stellt die unmittelbare Rechtswirkung der amerikanischen adverse possession einen Fall des Rechtserwerbs seitens des Anspruchsgegners dar, sodass eine Zuordnung zu dem Recht der akquisitiven Ersitzung durchaus stringent ist. Qualifiziert man die adverse possession jedoch nach der rechtlichen Funktion, steht sie der Verjährung näher, da primär eine Begrenzung der Anspruchsgeltendmachung des Eigentümers bezweckt wird. Die Grundregel besteht somit auch darin, dass der Ablauf einer bestimmten Zeitspanne den Eigentümer in seinem Recht präkludiert, von einem redlichen Erwerber Herausgabe des gutgläubig erworbenen beweglichen Gegenstandes mittels einer ‚replevin‘- bzw. ‚conversion‘-Klage zu verlangen.363
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Im Vergleich zu der sog. traditional accrual rule und der Fokussierung auf den unrechtmäßigen Entziehungsakt als frühest möglichen Zeitpunkt eines Verjährungsbeginns, wird durch Applikation des Rechtsinstituts der adverse possession prinzipiell eine Besserstellung des ursprünglichen Eigentümers bei der Restitution eines abhandengekommenen Kulturguts erreicht. Während dort der Lauf 362
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Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1075. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1072.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
913
der Verjährungsfrist zivilrechtlicher Restitutionsansprüche grundsätzlich ab dem Zeitpunkt beginnt, an dem das Kulturgut unrechtmäßig entzogen wurde (unabhängig davon, ob der ursprüngliche Eigentümer davon, von der örtlichen Belegenheit des gestohlenen Kulturguts oder von der Identität des Besitzers überhaupt Kenntnis erlangte), wird der Schutz des Restitutionsgläubigers vor Verlust des Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund Zeitablaufs mittels der adverse possession dadurch erreicht, dass so lange keine temporale Präklusion eintritt, bis deren besonders qualifizierten Voraussetzungen erfüllt sind. In der Entscheidung Rabinof v. United States364 wurden diese Bedingungen allgemein und nicht nur für den internationalen Kulturgüterverkehr dahingehend festgelegt, dass „where an individual holds the peaceable, undisturbed, and open possession of property under an assertion of ownership, the running of the limitations period confers good title upon her, even against the original owner“365. So kommentiert Gerstenblith, dass die „adverse possession doctrine establishes elements that, when satisfied, determine the accrual of the cause of action and thus begin the running of the statute of limitation. These elements are usually formulated as requiring the adverse claimant’s possession to be open, notorious, actual, visible, hostile, and continuous for the statutory time period. The purpose of these required elements is to give the true owner notice (either actual or constructive) that the cause of action has accrued.“366 Innerhalb der Rechtssache O’Keeffe v. Snyder hatte sich der Supreme Court of New Jersey in einer Entscheidung vom 19. Februar 1980 mit der Anwendung des Rechtsinstituts der adverse possession speziell innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs auseinanderzusetzen.367
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Georgia O’Keeffe klagte gegen den Kunsthändler Barry Snyder auf Herausgabe dreier von ihr gefertigter Ölgemälde – die Gemälde waren ‚Seaweed‘ (s. Abb. 27), ‚Cliffs‘ und ‚Fragment of the Rancho de Taos Church‘ (s. Abb. 28). Die Kunstwerke waren im Jahre 1946 aus der New Yorker Kunstgalerie An American Place von Georgia O’Keeffes Ehemann, dem berühmten amerikanischen Fotografen Alfred Stieglitz, abhandengekommen und wurden dreißig Jahre später von Georgia O’Keeffe im Besitz des Kunsthändlers Barry Snyder wiederentdeckt.
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Rabinof v. United States, 329 F. Supp. 830, auf S. 842 (S.D.N.Y. 1971). So die inhaltlich aus der Entscheidung gewonnene Kommentierung bei Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1076. Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, nach S. 412. O’Keefe v. Snyder, N.J. 405 A. sd 840, S. 844 ff. (Super. Ct., App. Div. 1979), N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). Vgl. DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443– 464, S. 455–458; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373– 422, S. 407–412.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
O’Keeffe verlangte die Rückführung der Gemälde im Februar 1976, nach Verweigerung der Rückführung durch Snyder initiierte sie eine ‚replevin‘-Klage auf Herausgabe im Mai desselben Jahres.368 Der Beklagte berief sich jedoch auf einen originären Eigentumserwerb mittels der ‚adverse possession‘: Barry Snyder hatte die Bilder im Jahre 1975 für US-$ 35.000 von Ulrich A. Frank erworben, der die Gemälde selbst zehn Jahre zuvor von seinem Vater geschenkt bekommen und seitdem bei sich zu Hause offen zur Schau gestellt hatte. Snyder argumentierte, dass die sechsjährige Verjährungsregel des Bundesstaates New Jerseys (N.J.S.A. 2A:14-1) bereits abgelaufen sei, sodass der Klagegrund aufgrund Verjährung bereits erloschen und vielmehr er selbst als der rechtmäßige Eigentümer aufgrund des Rechtsinstituts der ‚adverse possession‘ anzusehen sei. Barry Snyder bezog zusätzlich einen sog. third party defendant in die Klage mit ein, Ulrich A. Frank, von dem Snyder die Gemälde im Jahre 1975 erworben hatte: “Frank traces his possession of the paintings to his father, Dr. Frank, who died in 1968. He claims there is a family relationship by marriage between his family and the Stieglitz family, a contention that O’Keeffe disputes. Frank does not know how his father acquired the paintings, but he recalls seeing them in his father’s apartment in New Hampshire as early as 1941–1943, a period that precedes the alleged theft. Consequently, Frank’s factual contentions are inconsistent with O’Keeffe’s allegation of theft. Until 1965, Dr. Frank occasionally lent the paintings to Ulrich Frank. In 1965, Dr. and Mrs. Frank formally gave the paintings to Ulrich Frank, who kept them in his residences in Yardley, Pennsylvania and Princeton, New Jersey. In 1968, he exhibited anonymously Cliffs and Fragments in a one day art show in the Jewish Community Center in Trenton.”369 Ulrich Frank berief sich dementsprechend vor Gericht auf einen über 30-jährigen ununterbrochenen Besitz seines Vaters. Vor diesem Hintergrund nahm der potenziell restitutionspflichtige Snyder auf die temporale Präklusion des Herausgabeanspruchs von O’Keeffe und den Rechtserwerb von Frank mittels der adverse possession Bezug. 195
Der Trial Court entschied im beschleunigten Urteilsverfahren (summary judgment) zugunsten des Beklagten Barry Snyder, weil O’Keeffes Klage bereits verjährt sei, da die sechsjährige Präklusionsvorschrift New Jerseys nach der unrechtmäßigen Entziehung der Gemälde zum Zeitpunkt der Klage bereits längst abgelaufen sei. Die Appellate Division kehrte die Entscheidung zugunsten von Georgia O’Keeffe um.370 Das Instanzengericht entschied zunächst, dass die Gemälde als gestohlen zu qualifizieren seien und die abgelaufene Zeit der statute of limitations und der Rechtserwerb mittels der adverse possession identisch seien. Snyder hätte jedoch nicht hinreichend deren Voraussetzungen dargelegt, 368
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DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 455. O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). O’Keefe v. Snyder, 170 N.J. Super., S. 92.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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sodass O’Keeffe auch noch mehr als 30 Jahre nach der unrechtmäßigen Entziehung der Gemälde ihren Restitutionsanspruch ausüben könne. Der Supreme Court of New Jersey musste entscheiden, wann O’Keeffes Restitutionsanspruch entstanden ist („cause of action accrued“). Die Drehachse, um die sich die Entscheidung rankte, waren die statutes of limitations des Bundesstaates New Jersey in N.J.S.A. 2A:14-1, wonach eine Restitutionsklage (hier: action of replevin) innerhalb einer Zeitspanne von sechs Jahren nach Anspruchsentstehung geltend zu machen ist. Besonderheit der amerikanischen Rechtsordnung ist, dass die Funktion temporaler Präklusionsvorschriften nicht nur in „giving security and stability to human affairs“, sondern auch in der Stimulation „to activity and punish negligence“ auf Seiten des Eigentümers liegt.371 Vor diesem Hintergrund stellte der Supreme Court of New Jersey in der O’Keeffe-Entscheidung darauf ab, dass der Eigentumserwerb mittels der adverse possession auf dem Ablauf der statute of limitations basiert: “Adverse possession does not create title by prescription apart from the statute of limitations.”372 Voraussetzung eines Eigentumserwerbs mittels der adverse possession war danach, dass der Besitz „hostile, actual, visible, exclusive, and continuous“ ist (aktueller und ausschließlicher, entgegengesetzter, feindlicher, sichtbarer, offener und ununterbrochener Eigenbesitz).373 Das Gericht führte unter Rekurs auf die Entscheidung Redmond v. New Jersey Historical Society374 aus, dass „there is an inherent problem with many kinds of personal property that will raise questions whether their possession has been open, visible, and notorious.“375
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So ausdrücklich bereits in der Entscheidung Wood v. Carpenter, 101 U.S. 135, 139 (1879). O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). Redmond v. New Jersey Historical Society, 132 N.J. Eq. 464, 474 (E. & A, 1942): “Redmond involved a portrait of Captain James Lawrence by Gilbert Stuart, which was bequeathed by its owner to her son with a provision that if he should die leaving no descendants, it should go to the New Jersey Historical Society. The owner died in 1887, when her son was 14, and her executors delivered the painting to the Historical Society. The painting remained in the possession of the Historical Society for over 50 years, until 1938, when the son died and his children, the legatees under his will, demanded its return. The Historical Society refused, and the legatees instituted a replevin action. The Historical Society argued that the applicable statute of limitations … had run and that plaintiffs’ action was barred. The Court of Errors and Appeals held that the doctrine of adverse possession applied to chattels as well as to real property, Redmond, 132 N.J.Eq. at 473, and that the statute of limitations would not begin to run against the true owner until possession became adverse. Id. at 475. The Court found that the Historical Society had done nothing inconsistent with the theory that the painting was a “voluntary bailment or gratuitous loan” and had “utterly failed to prove that its possession of the portrait was adversary, hostile.” Id. at 474–475. The Court found further that the Historical Society had not asserted ownership until 1938, when it refused to deliver the painting to plaintiff, and that the statute did not begin to run until that date. Consequently, the Court ordered the painting to be returned to plaintiffs … .” Dargestellt in O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980).
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“For example, if jewelry is stolen from a municipality in one county in New Jersey, it is unlikely that the owner would learn that someone is openly wearing that jewelry in another county or even in the same municipality. Open and visible possession of personal property, such as jewelry, may not be sufficient to put the original owner on actual or constructive notice of the identity of the possessor. The problem is even more acute with works of art. Like many kinds of personal property, works of art are readily moved and easily concealed. O’Keeffe argues that nothing short of public display should be sufficient to alert the true owner and start the statute running. Although there is merit in that contention from the perspective of the original owner, the effect is to impose a heavy burden on the purchasers of paintings who wish to enjoy the paintings in the privacy of their homes.”376
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Unter Rückgriff auf die widerstreitenden Interessen zwischen einerseits dem Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und dem Ablauf der Verjährungsfrist bevor dieser überhaupt eine Lokalisierung und Identifizierung erreichen kann und andererseits dem Besitzer von kulturellen Wertgegenständen und dessen Bedürfnis an Rechtssicherheit hatten sowohl der trial court als auch die Appellate Division festgestellt, dass die drei abhandengekommenen Gemälde im vorliegenden Fall nur schwerlich „visibly, openly, and notoriously“ ersessen wurden, da sie praktisch nur innerhalb der Privaträume der Frank-Familie ausgestellt waren. Während der trial court den Verjährungsbeginn allein auf den Zeitpunkt der unrechtmäßigen Kulturgutentziehung fixierte und dementsprechend die Restitutionsklage aufgrund Zeitablaufs ablehnte, bestimmte die Appellate Division den Gleichlauf der statute of limitations und der adverse possession entsprechend der Redmond-Entscheidung. Im Ergebnis gab die Appellate Division jedoch dem Herausgabeanspruch mit der Begründung statt, dass die Voraussetzungen des Rechtsinstituts der adverse possession nicht erfüllt seien. Problematisch war sicherlich die Begründung aktuellen und ausschließlichen, entgegengesetzten, feindlichen, sichtbaren, offenen und ununterbrochenen Eigenbesitzes377, weil die Gemälde der Öffentlichkeit unzugänglich im Privathaus aufbewahrt wurden. Das Gericht legte jedoch in diesem Zusammenhang die Voraussetzung des „sichtbaren und offenen Besitzes“ des Rechtsinstituts der adverse possession eng aus, sodass weder Frank noch der Kunsthändler Snyder Eigentum erwerben konnten und damit die Verjährungsfrist für die replevinKlage auch nicht zu laufen beginnen konnte. Auch die eintägige Ausstellung der Gemälde auf einer lokalen Kunstausstellung konnte keine anderweitige Beurteilung der tatsächlichen Gesamtlage bedingen, sodass die zivilrechtliche Herausgabeklage Erfolg zeigte.378
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O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1078. DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 455.
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Es fragt sich, wie die Wirkungen der adverse possession-Doktrin für die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu bewerten sind: Die Mehrheit der Richter als auch die dissenting judges erkannten schon innerhalb der Entscheidung der Appellate Division Schwächen in der Identifizierung der statutes of limitations mit dem Rechtsinstitut der adverse possession. Die Mehrheit machte diesbezüglich geltend, dass aus praktischen Gründen „requiring compliance with adverse possession would preclude barring stale claims and acquiring title to personal property.“379 Der dissenting judge befürchtete, dass die Identifizierung der Verjährungsvorschriften mit der adverse possession zu einem „handbook for larceny“ führen könnte und dementsprechend dem illegalen Kunstmarkt Vorschub leisten würde. Der Supreme Court of New Jersey griff diese Erwägungen in seinen Überlegungen auf und entschied im Ergebnis gegen die Anwendung der adverse possession-Theorie.
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Entgegen deren Grundverständnis, die den Fokus auf das Verhalten des redlichen Erwerbers und dessen Besitzposition an den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern legt, diene es dem (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr und dem Ausgleich des Bestandswahrungsinteresses des aktuellen Besitzers abhandengekommener Kunstwerke und dem Rückführungsinteresse des ursprünglichen Eigentümers eher, wenn der Fokus auf dem Verhalten des Letztgenannten ruhe und dessen Handeln und Verfahrensweise die Entscheidung über den Lauf der Verjährungsfrist bedinge.380 Der Supreme Court of New Jersey entwickelte innerhalb der Entscheidung O’Keeffe v. Snyder vor diesem Hintergrund eine neue Regel „for the commencement and running of the statute of limitations that is more responsive to the needs of the art world than the doctrine of adverse possession“381 – die sog. discovery rule. Die Entscheidung applizierte somit unter Abkehr von der adverse possession-Regel, die primär auf das besonders qualifizierte Verhalten des Besitzers und Anspruchsgegners des abhandengekommenen Kulturguts abstellte, nun die discovery rule, die zu der Bestimmung der Frage, ob ein Klageanspruch aus replevin oder conversion temporal präkludiert ist, den Fokus auf das spezielle Verhalten des Anspruchstellers und Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter legt.382 Dass die adverse possession-Doktrin nicht den
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O’Keefe v. Snyder, 170 N.J. Super., S. 86. Vgl. Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 410. O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). “The court decided to use the discovery rule as a replacement for the doctrine of adverse possession .239 By moving in this way, the focus shifted to the conduct of the owner. While under adverse possession the scope of inquiry was the nature of the actions by the possessor, without regard for the quality of the efforts of the owner, this would no longer be the case. The owner must now show that he has made legitimate efforts based on the facts and circumstances of the loss. As long as the owner has made these efforts he will be able to protect his rights to title and possession.” Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Re-
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Bedürfnissen des (inter-)nationalen Kunstmarktes entspricht und keine Lösung der widerstreitenden Interessen zwischen dem die Restitution fordernden ursprünglichen Eigentümer und dem aktuellen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erreichen kann, wird auch vom Supreme Court of New Jersey innerhalb der Rechtssache O’Keeffe v. Snyder ausdrücklich betont: 201
“We are persuaded that the introduction of equitable considerations through the discovery rule provides a more satisfactory response than the doctrine of adverse possession. The discovery rule shifts the emphasis from the conduct of the possessor to the conduct of the owner. The focus of the inquiry will no longer be whether the possessor has met the tests of adverse possession, but whether the owner has acted with due diligence in pursuing his or her personal property.” 383
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Die discovery rule kann dementsprechend nach Einschätzung des Supreme Court of New Jersey die Funktion einer temporalen Präklusion kultureller Restitutionsansprüche besser erfüllen und dem ursprünglichen Eigentümer, dessen Kulturgüter unrechtmäßig entzogen wurden, ein besseres Schutzprogramm gewähren als die Kombination der statutes of limitations mit der adverse possession-Doktrin. Am 2. Juli 2009 hat der U.S. District Court in the Eastern District of Louisiana jedoch in der Rechtssache Dunbar v. Seger-Thomschitz hinsichtlich der Restitution des Oskar Kokoschka-Gemäldes ‚Portrait of a Youth (Hans Reichel)‘ (1910) entschieden, dass das Gemälde heute rechtmäßigerweise im Eigentum von Sarah Blodgett Dunbar steht, deren Mutter, Sarah Blodgett Platt, das Objekt von der Galerie St. Etienne in New York im Jahre 1946 erworben hatte. Die Kläger machten geltend, dass das Gemälde 1939 in Österreich von den NSBehörden konfisziert worden war, als der damalige Eigentümer Oskar Reichel das Eigentum an den jüdischen Kunsthändler Otto Kallir übertragen wollte, dem Inhaber der Galerie St. Etienne. Folge davon sei, dass weder Kallir noch darauffolgend Platt Eigentümer(in) des Gemäldes werden konnten, wohingegen sich die Anspruchsgegner darauf beriefen, dass der Reichel-Familie ein Gegenwert für das Objekt gezahlt worden war und diese keine Restitutionsforderung für dieses Gemälde stellten, obwohl die Rückführung anderer Objekte zuvor geltend gemacht wurde. Begründung des Gerichtes für die Abweisung der Restitutionsfoderung war das amerikanische Rechtsinstitut der acquisitive prescription. Für den Bundesstaat gilt nach Art. 3491 des Louisiana Civil Code, dass „one who has possessed a movable as owner for ten years acquires ownership by prescription. Neither title nor good faith is required for this prescription.“ Dabei hat derjenige, der sich auf den Eigentumserwerb beruft, auch darzulegen, dass sämtliche Voraussetzungen der acquisitive prescription vorliegen, wobei vermutet
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view 8 (1995), S. 373–422, S. 409–410; vgl. hierzu auch Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225– 267, S. 239. O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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wird, dass ein Besitzer eine Sache auch als Eigentümer besitzt. Art. 3488 des Louisiana Civil Code bestimmt diesbezüglich, dass „as to the fact itself of possession, a person is presumed to have possessed as master and owner, unless it appears that the possession began in the name of and for another.“ Unter ‚Besitz‘ versteht Art. 3421: “Possession is the detention or enjoyment of a corporeal thing, movable or immovable, that one holds or exercises by himself or by another who keeps or exercises it in his name.” Vor dem Hintergrund dieser Voraussetzungen konnte das Gericht in der vorliegenden Restitutionsstreitigkeit die Rückführung des Kokoschka-Gemäldes ablehnen und die Voraussetzungen der acquisitive prescription bejahen: “In the instant litigation, Plaintiff has established that she possessed the painting for well over ten years. Plaintiff acquired the painting as a bequest from her mother in 1973. Plaintiff’s possession was open and continuous. Moreover, Plaintiff possessed the painting for herself as evidenced by her acts conveying ownership. In particular, Plaintiff accepted the painting as a bequest from her mother, Plaintiff displayed the painting in her home, and Plaintiff loaned the painting for exhibitions at local and national galleries, further publicizing ist location and its ownership. Therefore, Plaintiff has acquired ownership irrespective of her good or bad faith pursuant to above-cited legal authorities.”384
C. Spezielle ‚due diligence‘-Anforderungen des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der sog. ‚constructive discovery rule‘ Die überwiegende Zahl der bundesstaatlichen Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika folgt innerhalb der Bestimmung des Verjährungsbeginns der in der Rechtssache O’Keeffe v. Snyder 385 durch den Supreme Court of New Jersey entwickelten sog. constructive discovery rule.386 Danach beginnt der Lauf 384
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Das Urteil wird zitiert unter http://www.culturalheritagelaw.org/news-issues/news-issues-incultural-heritage/nazi-era-claim-rejected-in-court. O’Keefe v. Snyder, N.J. 405 A. sd 840, S. 844 ff. (Super. Ct., App. Div. 1979), N.J. 416 A. 2d 862, 874 (S. Ct. 1980); DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443– 464, S. 458; Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 920–921; Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1083–1084; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 171; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 23. Vgl. Schrifttum: Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., S. 25; DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983),
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der Verjährungsfrist, sobald der ursprüngliche Eigentümer die Tatsachen, die den konkreten Herausgabeanspruch begründen (d.h. die Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und die Identifizierung des aktuellen Besitzers des Kunstwerks), kennt (sog. actual discovery) oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte kennen müssen (sog. constructive discovery). Ausdrücklich wird dies in O’Keeffe v. Snyder wie folgt formuliert: “Under the discovery rule, the statute of limitations on an action for replevin begins to run when the owner knows or reasonably should know of his cause of action and the identity of the possessor of the chattel.”387 204
Der Nachweis einer angemessenen (reasonable) Sorgfaltserfüllung obliegt dem Eigentümer: Dieser hat zu beweisen, dass er bei der Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter sowie der Identifizierung des aktuellen Besitzers und Restitutionsschuldners mit ausreichender Sorgfalt handelte. “Our ruling not only changes the requirements for acquiring title to personal property after an alleged unlawful taking, but also shifts the burden of proof at trial. Under the doctrine of adverse possession, the burden is on the possessor to prove the elements of adverse possession. … Under the discovery rule, the burden is on the owner as the one seeking the benefit of the rule to establish facts that would justify deferring the beginning of the period of limitations.” 388
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Dass die discovery rule jedoch nicht ausschließlich zugunsten des Anspruchstellers Geltungskraft erlangt, kann in der Rechtssache Republic of Turkey v. OKS Partners 389 bei dem Rückführungsversuch des sog. Elmali Hoard festgestellt wer-
387 388 389
S. 443–464, S. 456; Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1081–1086; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 239–246; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 54 und S. 79–83; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 171–172; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 23–24; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 376; Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 556–557; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 169–171; McCord, The Strategic Targeting of Diligence: A New Perspective on Stemming the Illicit Trade in Art, Indiana Law Journal, Band 70 (1995), S. 985–1008. O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). Republic of Turkey v. OKS Partners, 797 F. Supp. 64 (D. Mass. 1992, denying motions for dismissal), 146 F.R.D. 24 (D. Mass. 1993, granting motions limiting discovery and requesting the prompt identification of expert witnesses).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
921
den, in der die (constructive) discovery rule eher als Schwert denn als Schild gegen die Anspruchsteller, die türkische Regierung, eingesetzt wurde.390 Hier beanspruchten sowohl die türkische Regierung als auch die beklagten Erwerber und Besitzer die Eigentumsposition an etwa 2.000 antiken griechischen und lydischen Silbermünzen. Der sog. Elmali Hoard wurde im Jahre 1984 entdeckt und ausgegraben, in der Folge wurden die Kunstschätze jedoch entgegen dem türkischen Kulturgüterschutzgesetz exportiert und später auf das Territorium der Vereinigten Staaten eingeführt. Die türkische Regierung beschuldigte die beklagte OKS Partners des illegalen Exports der genannten Schätze, des Diebstahls und der Unterschlagung der Altertumsfunde, der Verletzung des Racketeer Influenced and Corrupt Organizations (RICO) Act 391, des National Stolen Property Act (NSPA)392 sowie des Massachusetts Consumer Protection Act.393 Voraussetzung einer Verletzung des NSPA war der Nachweis der türkischen Regierung, dass der Schatz im Eigentum der Regierung Türkeis stand und der illegale Export aus dem türkischen Rechtsraum deshalb einem Diebstahl gleichzusetzen sei. Die beklagte OKS Partners berief sich vor Gericht auf eine mögliche Verjährung eines etwaigen Herausgabeanspruchs, da der klagenden Republik Türkei schon lange hätte bekannt sein müssen, dass die Beklagte sich im Besitz des Elmali Hoard befand.394 Judge Skinner folgte im Juni 1994 der constructive discovery rule und bestimmte, dass der Lauf der Verjährung erst zu dem Zeitpunkt beginne, an dem die türkische Regeirung Kenntnis über den Belegenheitsort der Münzen erlangte oder hätte erlangen müssen, eine Frage, die nur durch eine detaillierte Tatsachenermittlung erfolgen könne.395 Schließlich konnten sich die Parteien nach einem sechsjährigen Gerichtsverfahren einigen, ohne dass ein weiteres Gerichtsverfahren und eine richterliche Entscheidung notwendig wurde. Die Entscheidung zeigt, dass die discovery rule zwar die Interessen der Restitutionsgläubiger besser wahrt, als die adverse possession-Theorie, jedoch ebenso wie diese zu einem Ausschluss eines Restitutionsanspruchs führen kann, ohne dass die Anspruchsteller selbst tatsächliche Kenntnis von dem Aufenthaltsort des Kulturguts erfuhren. Von Befürwortern der discovery rule zur Bestimmung des Verjährungsbeginns wird meist geltend gemacht, dass die Konstruktion eine ausgleichende und balan-
390
391 392 393 394 395
Vgl. Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 402; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 412; Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 705–706. 18 U.S.C. §§ 1961 ff. 18 U.S.C. §§ 2314–2315. Mass. Ann. Laws, ch. 93A. Republic of Turkey v. OKS Partners, 1994 U.S. Dist. LEXIS 17032 (D. Mass. June 8, 1994). Republic of Turkey v. OKS Partners, 1998 U.S. Dist. LEXIS 23526 (D. Mass. Jan. 23, 1998).
206
922
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
cierende Rechtsregel hinsichtlich der Interessen sowohl des ursprünglichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als auch des redlichen Erwerbers innerhalb einer bona fide-Akquisition erreicht. Einerseits wird dabei betont, dass – im Gegensatz zu der adverse possession-Doktrin – der Schutz des Anspruchstellers gewahrt wird: “By focusing on the actions of the owner, rather than on those of the possessor, advocates of the discovery rule claim that the doctrine protects innocent victims by allowing them to retain title to their stolen property as long as they take appropriate steps to recover it.”396 Andererseits bestehe aber auch ein ausgewogenes Schutzverhältnis gegenüber den Interessen potenziell restitutionspflichtiger Besitzer wie bei der vornehmlich in New York applizierten demand and refusal rule, die die Frage nach angemessenen Lokalisierungsversuchen des Eigentümers bei der Bestimmung des Beginns des Verjährungszeitpunktes außen vorlässt. So wird bspw. geltend gemacht, die demand and refusal-Regel würde aufgrund der Voraussetzung, dass der Eigentümer die Herausgabe von dem Besitzer verlangen müsse, damit der Lauf der Verjährung beginnt, die Geheimhaltung und das Verbergen der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter fördern, da der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft die Lokalisierung durch den Eigentümer verhindern möchte.397 Aus den genannten Gründen und der Ausgewogenheit der Regelung fordern zahlreiche Stimmen innerhalb der amerikanischen Rechtsdogmatik eine generelle Applikation der discovery rule: “[T]he use of the due diligence standard places no inequitable advantages on either party. This standard simply expects each party to bear a portion of the responsibility for not fostering trade in stolen art-through requiring the buyer to perform some sort of due diligence prior to purchase, and requiring the original possessor to make some efforts to not have the theft or loss go unannounced in the art community.”398 Damit ist die discovery rule als ein Mechanismus zur Streitschlichtung zwischen dem ursprünglichen Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und dem aktuellen Besitzer einer näheren Betrachtung wert.
396
397
398
Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1087. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1087–1088. Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 376.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
I.
923
Neuentwicklung der ‚discovery rule‘ in der Rechtssache O’Keeffe v. Snyder
Die discovery rule hat ihren Ursprung im Bereich der Arzthaftung und wurde später auch auf andere Fallgestaltungen ausgedehnt. Generell hat die Doktrin zum Inhalt, dass „a cause of action will not accrue until the injured party discovers, or by exercise of reasonable diligence and intelligence should have discovered, facts which form the basis of a cause of action“399. Bei verständiger Analyse unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen wird deutlich, dass die discovery rule nicht selten als Instrument der Inkorporation allgemeiner Gerechtigkeitserwägungen innerhalb der Prüfung einer temporalen Ausschließlichkeitsfrist genutzt wurde.400
207
Obwohl mit der Bemühung um die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bei der Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und der Identifizierung des restitutionspflichtigen Besitzers für den die Restitution beanspruchenden Eigentümer eine neue Bürde in den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr eingeführt wurde, versteht sich die discovery rule als Rechtsinstrument zur Rechtsschutzgewährung zugunsten der belasteten Eigentümer, deren Herausgabeansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach den allgemeinen Vorschriften in aller Regel aufgrund des Verjährungsbeginns mit dem unrechtmäßigen Entziehungsakt oder dem „open, visible, and notorious“ Besitz entsprechend der adverse possession häufig schon temporal präkludiert waren, bevor der Eigentümer überhaupt sein bspw. gestohlenes Kulturgut wiederentdeckte. Dementsprechend liegt der Sinn und Zweck der judikativen Entwicklung der discovery rule zunächst hauptsächlich in der Mitigation der Auswirkungen einer strikten Verjährungsregelung für den ursprünglichen Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter.401 Dies findet in der Rechtssache O’Keeffe v. Snyder ausdrückliche Erwähnung:
208
“For example, under the discovery rule, if an artist diligently seeks the recovery of a lost or stolen painting, but cannot find it or discover the identity of the possessor, the statute of limitations will not begin to run. The rule permits an artist who uses reasonable efforts to report, investigate, and recover a painting to preserve the rights of title and possession. Properly interpreted, the discovery rule becomes a vehicle for transporting equitable considerations into the statute of limitations for replevin, N.J.S.A. 2A:14-1. In determining whether the discovery rule should apply, a court should identify, evaluate, and weigh the equitable claims of all parties …. If a chattel is concealed from the true owner, fairness compels tolling the statute during the period of concealment. … That conclusion is con-
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399
400
401
O’Keefe v. Snyder, N.J. 405 A. sd 840, S. 844 ff. (Super. Ct., App. Div. 1979), N.J. 416 A. 2d 862, 874 (S. Ct. 1980). So auch die Einschätzung bei Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 23. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1081.
924
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche sistent with tolling the statute of limitations in a medical malpractice action where the physician is guilty of fraudulent concealment. It is consistent also with the law of replevin as it has developed apart from the discovery rule. In an action for replevin, the period of limitations ordinarily will run against the owner of lost or stolen property from the time of the wrongful taking, absent fraud or concealment. Where the chattel is fraudulently concealed, the general rule is that the statute is tolled. A purchaser from a private party would be well-advised to inquire whether a work of art has been reported as lost or stolen. … The interplay between the statute of limitations as modified by the discovery rule and the U.C.C. should encourage good faith purchases from legitimate art dealers and discourage trafficking in stolen art without frustrating an artist’s ability to recover stolen art works.” 402
210
Da das Interesse des aktuellen Besitzers an der permanenten Wahrung seines kulturellen status quo jedoch nicht über Gebühr eingeschränkt werden soll, auferlegt die discovery rule dem Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bestimmte Sorgfaltsanforderungen bei der Lokalisierung derselben und der Identifizierung des restitutionspflichtigen Besitzers. Da diese due diligence-Anforderungen an die Eigentümer bei Missachtung ebenso wenig wie die Sorgfaltsanforderungen an gutgläubige Erwerber bei der bona fide-Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter einen Schadensersatzanspruch, sondern lediglich den Ausschluss einer anderweitig bestehenden Rechtsposition des Anspruchstellers zur Folge haben, können die due diligence-Anforderungen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ebenso wie die Sorgfaltsanstrengungen gutgläubiger Erwerber im Rechtsverkehr nach der deutschen Terminologie als Obliegenheiten qualifiziert werden. Dementsprechend haben sich die Gerichte bei Applikation der discovery rule darauf berufen, dass der Lauf der Verjährungsfrist als Interessenmittler und Balance fungiert zwischen den widerstreitenden Belangen des Klagegegners zum einen (der sich auf die lange Zeitspanne der Nichtgeltendmachung eines bestehenden Restitutionsanspruchs und deren negative Folgen für eine faire Verteidigung seiner Rechtsposition vor Gericht berufen wird) und des Klägers zum anderen (der geltend machen wird, dass ein Ablauf einer Verjährungsfrist vor dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung der für eine Klage notwendigen Informationen über den Ort des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts oder über die Identität des Besitzers eine unbillige Härte darstellen würde). Mit dem Ziel der Auflösung des in sämtlichen Rechtsstreitigkeiten erkenntlichen Interessenkonflikts der beiden widerstreitenden Belange der restitutionspflichtigen Besitzer und der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter untersuchen die berufenen Gerichte regelmäßig sämtliche tatsächlichen Umstände der Sachverhaltskonstellation, die von Relevanz für die Bestimmung eines fairen Verjährungsbeginns sind.403 Dieser Ausgleichsgedanke wird in der
402 403
O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1081–1082.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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Entscheidung O’Keeffe v. Snyder ausdrücklich seitens des Supreme Court of New Jersey betont: “By diligently pursuing their goods, owners may prevent the statute of limitations from running. The meaning of due diligence will vary with the facts of each case, including the nature and value of the personal property. For example, with respect to jewelry of moderate value, it may be sufficient if the owner reports the theft to the police. With respect to art work of greater value, it may be reasonable to expect an owner to do more. In practice, our ruling should contribute to more careful practices concerning the purchase of art. The considerations are different with real estate, and there is no reason to disturb the application of the doctrine of adverse possession to real estate. Real estate is fixed and cannot be moved or concealed. The owner of real property knows or should know where his property is located and reasonably can be expected to be aware of open, notorious, visible, hostile, continuous acts of possession on it.”404
211
Zahlreiche amerikanische Gerichtsentscheidungen spiegeln dementsprechend die Überzeugung wider, dass nicht nur die Rechtsposition des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter rechtliche Relevanz bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns erfährt, sondern dass zusätzlich konkrete Sorgfaltsanforderungen auf Seiten des klagenden (ursprünglichen) Eigentümers bei der Lokalisierung seiner abhandengekommenen Kulturgüter und der Identifizierung des Restitutionsgegners aus Gründen der Fairness gegenüber dem beklagten Inhaber der tatsächlichen Sachgewalt über das beanspruchte Kulturgut vorliegen müssen, um eine temporale Präklusion des zivilrechtlichen Restitutionsanspruchs zu vermeiden. “The court explained that this rule would avoid the harshness that might result from a mechanical application of the statute of limitations. In deciding whether to apply the discovery rule in this case, the supreme court proposed that the trial court consider whether the owner exercised due diligence in attempting to recover her paintings, whether there was an effective means of alerting the art world to the theft, and whether registering with an art theft archive would give a prudent purchaser notice of the theft.”405 Trotz der Erkenntnis, dass zahlreiche vom Eigentümer unrechtmäßig entzogene Kulturgüter nach einem illegalen, oftmals Ländergrenzen passierenden Transfer ihre örtliche Belegenheit in Privatsammlungen finden, wurde von dem Gericht die Rechtsposition eingenommen, dass aufgrund der besonderen Qualifikation kultureller Güter und ihrer Einzigartigkeit ein hoher Wiedererkennungswert gewährleistet ist, der den Eigentümern abhandengekommener Kulturgüter eine erleichterte Lokalisierung ermöglicht.406 Trotzdem reichten bspw. in der Rechtssache DeWeerth v. Baldinger 407
212
404 405
406
407
O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 455–456, unter Rekurs auf O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980), S. 493–494. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1082–1083. DeWeerth v. Baldinger, 658 F. Supp. 688, 697 (S.D.N.Y.).
926
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
zwei öffentliche Ausstellungen von vier Tagen und einem Monat nicht aus, um die Voraussetzung des „sichtbaren und offenen Besitzes“ des Rechtsinstituts der adverse possession zu erfüllen.408 Auch wenn das Gericht davon ausging, dass die einfache Erkennbarkeit kultureller Wertgegenstände die implizit angewendete Doktrin der adverse possession rechtfertigen könne, führte es bezüglich der besonderen Sachqualität kultureller Güter wie folgt aus: “Unlike many other items of stolen personal property, such as jewelry or automobiles, art losses its value if it is altered or disguised. Moreover, valuable works of art, unlike fungible items like stereo components, tend to be easily remembered by those who have seen them. Thus, the owner of stolen art has a better chance than most owners of stolen property in tracking down the item he has lost.”409 213
Der Supreme Court of New Jersey nahm in der Rechtssache O’Keeffe v. Snyder auch zu dem Problem der Rechtsnachfolge unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Stellung („effect of transfers of a chattel from one possessor to another“). Dabei zielt das Gericht nicht auf die „substitution of possessors“, sondern betont „a continuous dispossession“ des ursprünglichen Eigentümers. Unter Zurückweisung der Alternative, nachfolgende Kulturguttransfers unrechtmäßig entzogener Kunstwerke als eigenständige Unterschlagungsakte mit der Folge der jeweiligen Neuentstehung des Herausgabeanspruchs zu qualifizieren410, fokussiert das Gericht primär auf die Erfüllung der Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers und betont, dass „the disposition of his chattel is a continuum not susceptible to separation into distinct acts. Nonetheless, subsequent transfers of the chattel may affect the degree of difficulty encountered by a diligent owner seeking to recover his goods. To that extent, subsequent transfers and their potential for frustrating diligence are relevant in applying the discovery rule. An owner who diligently seeks his chattel should be entitled to the benefit of the discovery rule although it may have passed through many hands. Conversely an owner who sleeps on his rights may be denied the benefit of the discovery rule although the chattel may have been possessed by only one person.“ 411 Nachdem der Supreme Court of New Jersey die Entscheidung der Appellate Division aufgehoben hatte und an das Gericht zurückverwiesen hatte, entschieden sich die Parteien dazu, den Rechtsstreit außergerichtlich beizulegen. Im Dezember 1980 konnten sich die Parteien darauf einigen, dass der Erlös der Veräußerung des Gemäldes ‚My
408 409 410
411
DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103, S. 109. DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103, S. 109. So aber die dissenting opinion von Justice Handler in der Rechtssache O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980) des Supreme Court of New Jersey, wonach Snyders „purchase of the paintings from third-party defendant Frank and his refusal to return them to plaintiff O’Keeffe upon demand … constituted independent tortious acts each of which occured well within six years of the commencement of plaintiff’s lawsuit.”. O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
927
Backyard‘ (s. Abb. 29) geteilt werden und dass jede Partei ein weiteres der beiden noch umstrittenen Gemälde erhalten solle.412
II.
Verifikation der ‚discovery rule‘ in der Rechtssache Mucha v. King des United States Court of Appeals im Jahre 1986
In der Rechtssache Mucha v. King 413 des United States Court of Appeals 414 aus dem Jahre 1986 wurde die Applikation der discovery rule unter Rückgriff auf die Entscheidung O’Keeffe v. Snyder 415 des Supreme Court of New Jersey bestätigt, ohne dass weitergehendere oder besondere Anforderungen an die Klägerseite hinsichtlich der Sorgfalt bei der Lokalisierung und der Nacherforschung abhandengekommener Kunstgegenstände und der Identifizierung des Besitzers gestellt wurden.
214
In dieser Fallkonstellation gab der tschechoslowakische Künstler Alphonse Mucha im Jahre 1920 sein Gemälde ‚Quo Vadis‘ (s. Abb. 30) der NewcombMacklin Kunstgalerie in Chicago in Verwahrung. Die Kunstgalerie, die sich gezwungen sah den Betrieb einzustellen, ohne dass das in Rede stehende Kunstwerk bisher veräußert wurde, hat das Gemälde im Jahre 1979 jedoch unterschlagen und für US-$ 65 weiterveräußert. Der Erwerber transferierte es seinerseits an einen lokalen Kunsthändler für einen Kaufpreis von US-$ 150. Der beklagte Charles King („a dealer in antiquities who has, however, no place of business, but works out of a shopping bag“ 416) hat das Gemälde von einem Kunsthändler im Jahre 1981 für einen Kaufpreis in Höhe von US-$ 35.000 erworben. Das Gemälde befand sich in einem schlechten physischen Zustand und King beauftragte einen
215
412 413
414
415 416
N.Y. Times, Artikel vom 8.12.1980, S. C 20, Spalte 2. Mucha v. King, 792 F.2d 602 (7th Cir. 1986); auch zitiert bei Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129– 173, S. 147; Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 398; Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 921; Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 457–464. The 94 U.S. judicial districts are organized into 12 regional circuits, each of which has a United States court of appeals. A court of appeals hears appeals from the district courts located within its circuit, as well as appeals from decisions of federal administrative agencies. In addition, the Court of Appeals for the Federal Circuit has nationwide jurisdiction to hear appeals in specialized cases, such as those involving patent laws and cases decided by the Court of International Trade and the Court of Federal Claims. Quelle: http://www.uscourts. gov/courtsofappeals.html. O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). Mucha v. King, 792 F.2d 602 (7th Cir. 1986).
928
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Restaurator mit der Instandsetzung des Gemäldes für insgesamt US-$ 16.500, von denen bereits US-$ 8.500 bezahlt waren. King bezifferte den heutigen Wert des Gemäldes auf ca. US-$ 800.000. Nachdem der Sohn des tschechoslowakischen Künstlers Jiri Mucha über die Unterschlagung und den neuen Aufenthalt des Gemäldes im Jahre 1982 unterrichtet wurde, beanspruchte dieser im Jahre 1983 in einer ‚replevin‘-Klage die Herausgabe des Gemäldes ‚Quo Vadis‘ von Charles King. Nach einer Hauptverhandlung ohne Jury (bench trial) entschied der District Judge zugunsten des Klägers und bestimmte die Rückführung des Gemäldes von King an Mucha sowie die Zahlung einer Entschädigungssumme i.H. der von King getätigten Ausgaben von US-$ 8.500. Unter Anwendung von 2–403 Abs. 2 UCC haben die angerufenen Gerichte – der District Court for the Northern District of Illinois und der Seventh Circuit Court of Appeals – entschieden, dass der ursprüngliche erste Erwerber das Gemälde nicht gutgläubig erworben hatte, sodass dieser in der Folge auch kein Eigentumsrecht an den Kunsthändler bzw. an den beklagten gutgläubigen Erwerber King übertragen konnte.417 216
King legte gegen die Entscheidung Berufung ein und machte innerhalb der Frage der temporalen Präklusion geltend, dass Alphonse Mucha und seine Erben das Eigentum an dem Gemälde aufgrund der zwischen 1958 und 1973 erfolgten Unterschlagung der Newcomb-Macklin Kunstgalerie in Chicago schon länger als fünf Jahre vor Klageerhebung verloren hatten, dass Jiri Mucha dies hätte erkennen müssen und dass aus diesem Grund der Lauf der Verjährungsfrist bereits mehr als fünf Jahre vor Klageerhebung begann. Aus diesem Grund sei das Restitutionsrecht des Erben Jiri Mucha aufgrund der fünfjährigen Verjährungsfrist der Illinois statute of limitations für Klagen auf Wiederinbesitznahme beweglicher Gegenstände erloschen. King machte geltend, dass der Vertragsbruch seitens der Newcomb-Macklin Kunstgalerie zu einem Eigentumsverlust der MuchaFamilie führte und die fünfjährige Präklusionsfrist zum Laufen brachte. Er berief sich auf den in der Entscheidung Slack v. Bryan 418 bestimmten Grundsatz, dass „where there is no limit of time or definite time fixed for the return, or termination is to be at the will of the bailor, there must be a demand made for the return and a refusal or some other act on the part of the bailee of which the
417
418
“King does not argue that he can prevail against Mucha by virtue of the doctrine that allows a merchant entrusted with goods to transfer the entruster’s title to a buyer in the ordinary course of business. See UCC § 2-403(2). This doctrine would have empowered Imig to transfer good title to Quo Vadis to a buyer in the ordinary course, because Mucha had entrusted the painting to Newcomb-Macklin, a dealer in paintings. But Rupprecht was not (1) a buyer (2) in the ordinary course of business. Hence he did not obtain Mucha’s title to the painting, and could not convey title to Fly-by-Nite and thence to King, even if King was a buyer in the ordinary course from Fly-by-Nite (which we need not decide) … .” Mucha v. King, 792 F.2d 602 (7th Cir. 1986). Slack v. Bryan, 184 S.W.2d 873, 876 (1945).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
929
bailor has notice which is hostile or inconsistent with the bailment and such as would constitute a denial of the bailment and a conversion of the property.“ Vor Gericht stimmte der restitutionsbeklagte King dem Rechtsgehalt der discovery-Doktrin dahingehend zu, dass die statute of limitations so lange nicht zu laufen beginne, bis der Hinterleger entdeckt oder hätte entdecken können, dass der Verwahrer und treuhänderische Besitzer das in Verwahrung gegebene Gemälde unterschlagen hat. Unbestritten gibt der Wortlaut der Verjährungsvorschrift keine Anhaltspunkte für die Anwendung der discovery rule. Der United States Court of Appeals stellte hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns der fünfjährigen Verjährungsfrist fest, dass …
217
“… [t]he Illinois courts have, it is true, applied a discovery rule to many different causes of action governed by statutes of limitations that do not mention discovery, but they have said that the rule will not be applied in every case: Specifically, not if problems of proof created by the passage of time outweigh the hardship to a plaintiff who could not as a practical matter have sued any earlier than he did. Although the tide in Illinois is running strongly in favor of the discovery rule, it must remain a matter of speculation whether an Illinois court would apply it in a case such as this, given the antiquity of the bailment and the fact that many of the principals are dead. … Be all this as it may, King argues only that Jiri Mucha should have suspected conversion (or some equivalent misconduct entitling the bailor to demand immediate possession) more than five years before he sued. An argument can be made that by 1973 Jiri, who by 1966 knew his father had painted a large painting known as Quo Vadis (see Mucha, Alphonse Mucha: His Life and Art 327 [1966]) and should have suspected that it had been consigned to Newcomb-Macklin which had then lost or otherwise disposed of it, was under a duty if he wanted to preserve his rights to the painting to inquire more closely into its peregrinations since 1920. But we do not think that the district judge so clearly erred in holding that Jiri Mucha did not have such a duty in the circumstances that we can reverse his determination though we might disagree with it as an original matter.” 419
218
Hinsichtlich des temporalen Rahmens stellte das Gericht in der Folge fest, dass der Kläger über die mögliche Unterschlagung seitens der Kunstgalerie erst im Jahre 1982 in Kenntnis gesetzt wurde und keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass er vorher hätte Kenntnis darüber besitzen müssen, und dieser danach unverzüglich die Lokalisierung des Gemäldes erreichte, sodass die Klage nicht als verjährt betrachtet werden konnte. Dementsprechend formuliert auch Gerstenblith für die Verjährung kultureller Restitutionsansprüche in Verwahrungsverhältnissen, dass „[n]o cause of action accrues to start the running of the statute of limitations until the bailee engages in some wrongful conduct (as, for example, by refusing a demand from the bailor to return the bailed property) or clearly communicates an intent to do so to the bailor. Courts sometimes state that the law will presume a lawful possession and the burden of proof is on the claimant to show that the possession has become unlawful or adverse to the
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Mucha v. King, 792 F.2d 602 (7th Cir. 1986).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
owner’s interest.“ 420 Damit lassen auch die Gerichte in der Rechtssache Mucha v. King eine eher großzügige Bemessung der Verjährung zugunsten des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erkennen: Die Verjährungsfrist begann erst ab dem Zeitpunkt gegenüber Alphonse Mucha und seinem Erben Jiri Mucha zu laufen, ab dem der letztgenannte Kenntnis von der Unterschlagung erlangte, eine Lokalisierung des Gemäldes erreichte und die Identität des momentanen Besitzers ausfindig machte.
III. Spezifizierung der notwendigen due diligence-Anforderungen im Fall Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg 220
Auch in der Fallkonstellation der gestohlenen Engel der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.421 musste das Gericht die Rechtserheblichkeit des Einwandes der Verjährung gegenüber dem Herausgabeanspruch der Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus prüfen. Der relevante zeitliche Rahmen war wie folgt: Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen August 1976, dem Moment, in dem die lokal Verantwortlichen seitens der Militärkräfte gezwungen wurden, die Kanakaria Church zu verlassen, und November 1979 wurden die Mosaiken aus der Kirche gestohlen. Im November 1979 erfuhren die Verantwortlichen von dem kulturellen Diebstahl aus der im besetzten Teil Zyperns liegenden Kirche. Die auf Restitution beklagte Goldberg hat die Mosaiken im Juli 1988 erworben. In demselben Jahr erfuhr auch die Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus von dem Erwerb der Mosaiken durch Goldberg. Im März des Jahres 1989 klagten die ursprünglichen Eigentümer gegen Goldberg auf Herausgabe der unrechtmäßig entzogenen Wandmosaiken. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund machte die Verteidigung um die beklagte Goldberg geltend, dass der Restitutionsanspruch bereits im Jahre 1979 entstanden und dass dementsprechend die Klage nach mehr als sechs Jahren aufgrund Verjährung zurückzuweisen sei. Dementsprechend hatte die Indianapolis Division des United States District Court for the Southern District of Indiana zunächst zu untersuchen, ob die Klage bereits aus Gründen der temporalen Präklusion ausgeschlossen war. Die zum relevanten Zeitpunkt der Klage einschlägige Verjährungsvorschrift des § 34-1-2-1 des Indiana code bestimmte eine sechsjährige Verjährungsfrist:
420 421
Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 464. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374; 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
931
The following actions shall be commenced within six [6] years after the cause of action has accrued and not afterwards. … Third. For injuries to property other than personal property, damages for any detention thereof, and for recovering possession of personal property.422
221
Nach der damaligen Rechtsordnung Indianas verjährten Ansprüche auf Wiedererlangung des Besitzes an beweglichen Sachen in sechs Jahren seit Entstehung des Klagegrundes.423 Die besondere Bedeutung einer ausgewogenen Entscheidung innerhalb der Frage der Verjährung eines kulturellen Restitutionsanspruchs wurde auch seitens des United States District Court for the Southern District of Indiana betont:
222
“The fact that statutes of limitations exist, however, does not mean that the timeliness of a claim is determined solely by the mechanical application of a period of months to a filestamp date. Rather, under certain circumstances a court is required to evaluate the timeliness of a claim under rules and doctrines of law designed to ensure fairness and equity in the adjudication of claims.”424
223
Ausgangspunkt der Entscheidung war zunächst, dass in Indiana die Verjährungsfrist grundsätzlich dann beginnt, wenn der Schaden festgestellt wurde bzw. bei Anwendung der notwendigen Sorgfalt hätte festgestellt werden können („… in Indiana the statute generally begins to run when damage was ascertained or by the use of due diligence could have been ascertained“ 425). In dem speziellen Fall der Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sei aber nach Ansicht des Gerichts auch in der deliktsrechtlichen Klage auf Herausgabe (action in replevin als Herausgabeklage wegen widerrechtlicher Besitzentziehung) der aus Zypern unstreitig bereits vor 1979 gestohlenen Mosaiken die Entstehung des Klagegrundes und damit der Verjährungsbeginn bei replevin-Klagen ebenso wie nach dem Recht zahlreicher anderer Bundesstaaten entsprechend der discovery rule zu beurteilen, sodass „a cause of action accrues when the plaintiff ascertains, or by due diligence could ascertain, actionable damages“426:
224
“Second, Indiana recognizes a discovery rule as it may affect the running of a statute of limitations. … [T]he Indiana supreme court, on a certified question from the Seventh Circuit, considered when a cause of action accrues when the injury to the plaintiff is caused
225
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Zitiert bei Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1385–1393. In § 34-1-2-1 des inzwischen aufgehobenen Indiana Code wurde bestimmt, dass Ansprüche auf Wiedererlangung des Besitzes an beweglichen Sachen in sechs Jahren seit Entstehung des Klagegrundes verjähren, zitiert in Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, auf S. 1385. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1386. Vgl. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1379–1380, unter Rekurs auf Burks v. Rushmore, 534 N.E.2d 1101 (Ind.1989). Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990), S. 288.
932
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche by a disease which may have been contracted as a result of protracted exposure to a foreign substance. The court held that “in those circumstances, a discovery type rule should be applied, and the statute of limitations in such causes commences to run from the date the plaintiff knew or should have discovered that [the plaintiff] suffered an injury or impingement, and that it was caused by the product or act of another”. The court was careful to note that its adoption of the discovery rule … was limited to the specific circumstances before it, i.e., injury as a result of protracted exposure to a foreign substance. The Court declined to adopt a discovery rule for all tort claims, stating “that would be going beyond the scope of the inquiry and put us in the position of issuing an advisory opinion.” … In adopting a discovery rule in the case before it, the Indiana supreme court discussed the important policies supporting the discovery rule. The court stated: Many jurisdictions have responded to the problems presented by this type of case by adopting a “discovery rule.” The discovery rule provides that the statute of limitations in this type of cause runs from the date the negligence was or should have been discovered. The rule is based on the reasoning that it is inconsistent with our system of jurisprudence to require a claimant to bring his cause of action in a limited period in which, even with due diligence, he could not be aware a cause of action exists. … Further, in support of its decision to adopt a discovery rule, the court observed that “[i]ncreasing numbers of jurisdictions are adopting some form of discovery rule,” citing recent cases from 14 states.” 427
226
Eine zentrale Bedeutung der Goldberg-Entscheidung lag unter anderem auch in der Extension der discovery rule auf replevin-Klagen illegal transferierter Kulturgüter: Der Klagegrund entsteht so lange nicht (und damit beginnt folglich auch der Lauf der Verjährungsfristen nicht), bis der Staat in der Lage war oder hätte sein müssen, entweder das Kulturgut selbst zu lokalisieren oder den Besitzer des illegal transferierten Kulturguts zu identifizieren.428 Da nach den Sachverhaltsangaben die Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus erst im Jahre 1988 von dem Erwerb der Mosaiken durch Goldberg erfuhr, begann die sechsjährige Verjährungsfrist dementsprechend erst ab diesem Zeitpunkt.
227
“The Court holds that the plaintiffs’ cause of action did not accrue in this case until the plaintiffs, using due diligence, knew or were on reasonable notice of the identity of the possessor of the mosaics. In this context a discovery rule should apply and prevent the statute from running until the plaintiffs knew or reasonably should have known who possessed the mosaics. The discovery rule prevents the statute from beginning to run in situations where a plaintiff, using due diligence, cannot bring suit because he is unable to determine a cause of action. In a replevin action, a plaintiff sues a defendant for the recovery of specific property. An element of the cause of action is the defendant’s wrongful detaining or wrongful possession of the property sought to be recovered. In order to maintain a replevin action, the plaintiff must know who is in possession of the property at issue. If a plaintiff is unable to determine the possessor of stolen items, the plaintiff cannot maintain a cause of action in replevin.” 429
427
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429
Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1386–1387. Vgl. auch die Bestätigung in Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990, United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit), S. 287–290. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1388–1389.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
933
Die besondere Ausgewogenheit der discovery rule wird zugunsten des Restitutionsschuldners aus Sicht des United States District Court for the Southern District of Indiana aber nur dann gewahrt, wenn die Restitutionsgläubiger nicht bereits zuvor bei Anwendung eines notwendigen due diligence-Maßstabs hätten Kenntnis von dem Aufbewahrungsort der gestohlenen Mosaiken oder der Identität des Besitzers der gestohlenen Kunstgegenstände erlangen müssen.
228
“The Court concludes that a plaintiff who seeks protection under the discovery rule has a duty to use reasonable diligence to locate the stolen items. See DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir.1987), cert. denied, 486 U.S. 1056, 108 S.Ct. 2823, 100 L.Ed.2d 924 (1988). Determination of due diligence is fact-sensitive and must be made on a case-bycase basis. O’Keeffe, 416 A.2d at 873. Having reviewed the facts of this case, the Court is persuaded that the plaintiffs exercised due diligence in their search to locate and to recover the mosaics.” 430
229
Dementsprechend konnte die im März 1989 eingereichte Klage Zyperns auf Herausgabe der unstreitig bereits vor 1979 gestohlenen Apsismosaiken nur dann als fristgemäß bezeichnet werden, wenn die auf Restitution klagende Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus seit dem Zeitpunkt der Kenntnis von der unrechtmäßigen Entziehung mit der notwendigen Sorgfalt die Lokalisierung der gestohlenen Mosaiken ebenso versuchte wie eine Bestimmung des möglichen aktuellen Besitzers. Sowohl die Indianapolis Division des United States District Court for the Southern District of Indiana 431 als auch die Rechtsmittelinstanz, der United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit 432, haben das Aktionenprogramm der Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus als den Anforderungen genügend betrachtet. Die verschiedenen zypriotischen Behörden und die Regierung Zyperns hatten noch im Jahre 1979, als der unrechtmäßige Entziehungsakt der Mosaiken aus der Kanakaria Kirche öffentlich bekannt wurde, die UNESCO, ICOM, einzelne europäische und amerikanische Museen, international tätige Auktionshäuser und das Dumbarton Oaks Institute for Byzantine Studies der Harvard University informiert, wie auch weitere weitreichende Schritte zur Wiederauffindung der abhandengekommenen Mosaiken unternommen.433 Von dem ersten Moment an verfolgte die Regierung Zyperns eine organisierte und systematische Suche nach den entzogenen Mosaiken und informierte möglichst umfassend sämtliche offiziellen Stellen und Personen, die bei einer Lokalisierung behilflich sein könnten. Zusätzlich hätten zum damaligen Zeitpunkt lediglich
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Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1388–1389. Vgl. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1388–1389. Vgl. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990), S. 287–290. Bestätigt bei Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990, United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit), S. 287–290.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
noch Mitteilungen an die IFAR und an INTERPOL lanciert werden können. Vor diesem Hintergrund gingen die angerufenen Gerichte in der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. zu Recht davon aus „that the plaintiffs did not know and were not reasonably on notice of the identity of the possessor of the mosaics until late 1988.“434 231
“The Court concludes that throughout this series of events, the plaintiffs were not nor should they reasonably have been on notice of the possessor of the mosaics at issue in this case. The plaintiffs made diligent inquiries of those involved. However, the plaintiffs never learned of any identity or information sufficient to put them on notice of whom to investigate or of who possessed the mosaics. It was reasonable for both those involved in recovering antiquities for Cyprus and Greek Cypriot officials to fear reprisals against individuals or the art itself. It would be pointless and destructive to require the plaintiffs to have taken additional steps to investigate the recovery of its property if it was reasonable that such steps might result in physical harm or destruction to human life or the art itself. Cyprus concluded that no publicity should be given to the recovery of the mosaics at that time, believing publicity might affect United Nations’ negotiations involving the sensitive, political division of Cyprus. The plaintiffs knew that the defendants were in possession of the mosaics in late 1988. The plaintiffs exercised due diligence but were unable to determine who possessed the mosaics until that time. Therefore, the plaintiffs’ cause of action did not accrue until late 1988. The discovery rule prevents the statute from running until that time because the plaintiffs’ cause of action did not accrue until they knew or were reasonably on notice of the identity of the possessor of the mosaics.” 435
IV. Subjektivierung des notwendigen due diligence-Maßstabs des Eigentümers in der Rechtssache Erisoty v. Rizik 232
Die besondere Flexibilität, mit der amerikanische Gerichte die discovery rule anwenden und eine Subjektivierung des notwendigen due diligence-Maßstabs des Eigentümers erreichen, wird in der Rechtssache Erisoty v. Rizik 436 ersichtlich.437 Die Sachverhaltskonstellation in der Entscheidung ist dahingehend ungewöhnlich, dass der Restitutionskläger der gutgläubige Erwerber des Gemäldes ‚Winter‘ von Corrado Giaquinto (s. Abb. 31) und der potenzielle Restitutionsschuldner der (ursprüngliche) Eigentümer war.
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Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1388–1389; bestätigt in Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990, United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit), S. 287–290. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1388–1389; bestätigt in Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990, United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit), S. 287–290. Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996. Vgl. Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 23–24.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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Das Gemälde war eines von vier weiteren gestohlenen Kunstwerken, die im Jahre 1960 aus dem Haus von Souraya Rizik gestohlen wurden. Im Jahre 1988 wurde das Gemälde zerschnitten in fünf Teile in einer Plastiktüte bei Umzugsarbeiten in einem Haus in Philadelphia aufgefunden. Das Gemälde wurde von Kunsthistorikern des Philadelphia Museum of Art dem Künstler Corrado Giaquinto zugeschrieben, ohne dass jedoch eine Aussage hinsichtlich der Provenienz des Gemäldes getroffen werden konnte. Nachdem das Gemälde im Jahre 1989 von der Erisoty-Familie auf einer öffentlichen Versteigerung zu einem Kaufpreis i.H.v. US-$ 29.500 gutgläubig erworben wurde (der Käufer Stephen Erisoty beabsichtigte als professioneller Restaurator die Instandsetzung des Gemäldes, um es anschließend wieder zu veräußern), hatte das FBI das Gemälde im Jahre 1993 aus deren Bestand beschlagnahmt und ohne Durchführung eines Verfahrens zur Feststellung des wahren Gläubigers (sog. interpleader action) unmittelbar an den ursprünglichen Eigentümer Rizik herausgegeben. Nachdem dieser die Aufforderung Erisotys zur Rückführung des Gemäldes verweigerte hatte, klagte die Erisoty-Familie auf Restitution des Gemäldes vor dem Pennsylvania district court.
233
Es stellte sich vor dem district court heraus, dass der ursprüngliche Eigentümer Rizik unmittelbar nach dem Diebstahl des Corrado Giaquinto-Gemäldes Anzeige bei der Metropolitan police und dem FBI erstattete und dass diese auch offiziell Untersuchungen hinsichtlich des Verbleibs des Gemäldes durchführten. Rizik wurde in der Folge auch darüber informiert, dass das FBI den Kunstdiebstahl an INTERPOL rapportiert hatte. Trotz des bereits im Jahre 1960 stattgefundenen Diebstahls meldeten die ursprünglichen Eigentümer den Kunstdiebstahl nach Kenntniserlangung über die Tätigkeit der Organisation erst im Jahre 1992 der International Foundation for Art Research (IFAR), die von New York aus bereits seit dem Jahre 1976 Informationen zu Kunstdiebstählen zusammengetragen hatte und im Jahre 1991 in Zusammenarbeit mit verschiedenen Auktionshäusern (darunter die weltweit bedeutendsten Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s), internationalen Verbänden des Kunsthandels, Vertretern der privaten Versicherungswirtschaft zu dem Art Loss Register (ALR) originierte. Eine Inkenntnissetzung und fotografische Information der Auktionshäuser und bekannteren Museen über die gestohlenen Gemälde erfolgte erst im Jahre 1993. Der Diebstahlsreport bei der IFAR führte in der Folge jedoch dazu, dass das Gemälde von einem früheren Konservator des Philadelphia Museums erkannt wurde, der den Kurator des Museums über die Provenienz des Gemäldes informierte, der seinerseits IFAR in Kenntnis setzte. Diese meldete die Erkenntnisse dem Philadelphia office des FBI, das den aktuellen Aufenthalt des Gemäldes bei der Erisoty-Familie ausfindig machte, aus deren Bestand beschlagnahmte, um es direkt an den ursprünglichen Eigentümer Rizik herauszugeben, woraufhin die Erisoty-Familie auf Restitution klagte.
234
Der entscheidende Streitpunkt in der Rechtssache Erisoty v. Rizik war die Frage nach der temporalen Präklusion: Die Erisoty-Familie gründete ihr Restitutions-
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936
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
verlangen auf der Tatsache, dass die Rizik-Familie, als Opfer eines kulturellen Diebstahls, nicht mit der notwendigen Sorgfalt eines bestohlenen Eigentümers nach den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern gesucht habe und weder hinreichende Lokalisierungsbemühungen zur Wiederauffindung des abhandengekommenen Kunstwerks noch angemessene Identifizierungsanstrengungen zur Bestimmung des aktuellen Besitzers unternommen habe. Aus diesem Grund stünde dem Anspruch der Rizik-Familie auf ein dauerhaftes Behaltendürfen des Gemäldes die statute of limitations entgegen. Damit war die gewöhnliche Position der Parteien in einem kulturellen Restitutionsprozess verkehrt und die Restitutionskläger instrumentalisierten die discovery rule eher „as a sword rather than [a] shield.“ 438 Die Klagegegner erwiderten dem Restitutionsbegehren, dass die Rizik-Familie als ursprüngliche Eigentümerin des Gemäldes anzusehen sei, von der die Erisoty-Familie lediglich als Besitzerin die Herausgabe des Besitzes an dem Gemälde verlangte, sodass die Beweislast auf Seiten der Erisoty-Familie läge, den Nachweis ihrer Gutgläubigkeit und die Erfüllung der im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr besonderen due diligence-Anforderungen redlicher Erwerber hinsichtlich der Erforschung der Provenienz des Corrado Giaquinto-Gemäldes zu erbringen. 236
Der district court erkannte zunächst für Recht, dass der ursprüngliche Eigentümer Rizik in seinen Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen des gestohlenen Corrado Giaquinto-Gemäldes die angemessene Sorgfalt walten ließ. Dabei ging das Gericht davon aus, dass der ursprüngliche Eigentümer als diejenige Partei, die sich auf den Vorteil der discovery rule beruft, auch die Beweislast für die Anwendung des reasonable due diligence-Maßstabes trug. Unter Rekurs auf Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.439 interpretierte der district court die discovery rule als „flexible“ und „fact-sensitive“, sodass sie das Gericht dementsprechend dazu ermächtige „[to] adjust the level of scrutiny as appropriate in light of the identity of the parties“ und „[to] consider the relative equities of the rival claimants to the art work.“ 440
237
Aufgrund dieser Subjektivierung des notwendigen due diligence-Maßstabs des Eigentümers hinsichtlich Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter stellte das Gericht darauf ab, dass die ursprünglichen Eigentümer weder professionell am Kunsthandel beteiligt oder erfahrene Kunstsammler waren, noch mit dem (inter-)nationalen Kunstmarkt vertraut waren. Deshalb müsse es zur
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440
Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374; 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990). Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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Wahrung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs in diesem Fall genügen, dass der ursprüngliche Eigentümer Rizik allein den staatlichen Rechtsverfolgungsbehörden in der Wiederentdeckung Vertrauen schenkte. Dementsprechend wertete der district court die nachträgliche Verlustmeldung des Corrado Giaquinto-Gemäldes bei der International Foundation for Art Research (IFAR) nach Kenntniserlangung über diese Institution eher als Nachweis der beständigen Lokalisierungsbemühungen des Eigentümers im Rahmen seiner Möglichkeiten denn als due diligence-Versäumnis, da Rizik von der Institution erst sehr spät, im Jahre 1992, Kenntnis erlangte (dabei wies das Gericht jedoch explizit darauf hin, dass die IFAR bekanntlich erst 16 Jahre nach dem Kunstdiebstahl gegründet worden sei).441 Der district court qualifizierte die Frage der temporalen Präklusion kultureller Restitutionsansprüche in der Rechtssache Erisoty v. Rizik im Einklang mit der O’Keeffe v. Snyder-Entscheidung insgesamt eher als billigkeitsrechtliche, denn als rechtliche Entscheidung („equitable, rather than legal“) und stellte fest, dass in der vorliegenden Konstellation eine ausgewogene Entscheidung für eine Rückführung des gestohlenen Gemäldes an den ursprünglichen Eigentümer Rizik spreche. Dabei müsse mit in die Betrachtung genommen werden, dass der gutgläubige Erwerber Erisoty das Gemälde ohne eine Nacherforschung der Provenienz des Kunstwerks erworben habe. Dies wäre in der vorliegenden Konstellation schon deshalb besonders bedeutsam gewesen, weil das Kunstwerk in fünf Teile zerschnitten war. Aufgrund dieser „suspicious circumstances“442 hätte der Erwerber nach Ansicht des Gerichts damit rechnen müssen, dass früher oder später der wahre Eigentümer auftauchen werde. Nachdem der district court die unzulängliche Erfüllung der Sorgfaltsanforderungen des gutgläubigen Erwerbers Erisoty betrachtet hatte, fokussierte das Gericht in der Folge auf das Verhalten des bestohlenen Eigentümers Rizik. Dieser habe mittels der Diebstahlsanzeige und dem Report bei der IFAR „continuing vigilance“443 gezeigt und somit seine Anforderungen an eine angemessene Nacherforschung des gestohlenen Kulturguts erfüllt. Nicht entscheidend sei, „whether defendants did everything that might have been done with the benefit of hindsight, but whether their efforts were reasonable given the facts of the case.“ 444 Diesbezüglich stellte das Gericht fest, dass „what efforts are reasonable for an individual who is relatively unfamiliar with the art
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Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
world may not be reasonable for a savvy collector, a gallery, or a museum.“445 Dementsprechend kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Recht des ursprünglichen Eigentümers an dem gestohlenen Corrado Giaquinto-Gemälde nicht temporal präkludiert war und ordnete Rizik Eigentum und Besitz an dem Gemälde zu.
V.
Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach der ‚constructive discovery rule‘ in der Rechtssache Orkin v. Taylor
239
Die Entscheidung des Ninth Circuit des United States Court of Appeals in der Rechtssache Orkin et al. v. Elizabeth Taylor vom 18. Mai 2007446 betonte als Fristbeginn innerhalb der discovery rule explizit die Möglichkeit der Lokalisierung eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und der Identifizierung des aktuellen Besitzers als die entscheidenden Kriterien für die Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist (für den amerikanischen Bundesstaat Kalifornien).447 Die Nachfahren der jüdischen Kunstsammlerin Margarete Mauthner beriefen sich in ihrer Herausgabeklage des während Vincent van Goghs Aufenthalts in dem Sanatorium von Saint-Remy gefertigten Gemäldes ‚Vue de l’Asile et de la Chapelle de Saint-Remy‘ (s. Abb. 32) auf eine unrechtmäßige Entziehung des Kunstwerks zur Zeit der NS-Herrschaft innerhalb Deutschlands, sodass ihnen auch noch heute das Eigentum an dem Gemälde zustünde, das später von der bekannten Schauspielerin Elizabeth Taylor erworben wurde. Nachdem der United States District Court for the Central District of California einen Restitutionsanspruch abgelehnt hatte, musste der Ninth Circuit des United States Court of Appeals darüber entscheiden, ob der Anspruch der Orkin-Familie auf Herausgabe des Kunstwerkes verjährt war.
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Nach Vincent Van Goghs Tod im Jahre 1890 und dem Ableben seines Bruders sechs Monate später ging das Eigentum an dem Gemälde an Van Goghs Schwägerin. Der deutsche Kunsthändler Paul Cassirer erwarb ‚Vue de l’Asile et de la Chapelle de Saint-Remy‘ im Jahre 1906 oder 1907. Nur kurze Zeit später veräußerte Cassirer das Gemälde an Margarete Mauthner. Zwischen den Parteien blieb im Verlauf des Gerichtsverfahrens umstritten, unter welchen Umständen
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Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 175. Vgl. auch Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 175.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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Margarete Mauthner ihr Eigentum an dem Gemälde in der Folge aufgegeben hatte oder aufgeben musste. Auch wenn es schließlich zur Streitentscheidung der vorliegenden Sachverhaltskonstellation und zur dauerhaften Zuordnung des Eigentums an dem Gemälde an eine der beiden Parteien nicht von Bedeutung war, versuchte der United States District Court for the Central District of California die Geschichte des Gemäldes nachzuzeichnen. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung floh Mauthner als Jüdin im Jahre 1939 nach Südafrika (wo sie im Jahre 1947 auch starb) und musste dabei ihren gesamten Kunstbesitz in Berlin zurücklassen. Was in der Folge mit dem Van Gogh-Gemälde passierte, war schließlich nicht mehr mit Bestimmtheit festzustellen.448 “One of the tools used by art historians to trace ownership is an artist’s catalogue raisonné. A catalogue raisonné is an annotated, illustrated book of a particular artist’s works, usually prepared by art historians, scholars, and dealers, which constitutes “a definitive listing and accounting of the works of an artist.” … A catalogue raisonné published in 1928, L’oeuvre de Vincent Van Gogh Catalogue Raisonné, shows Margarete Mauthner as the owner of the painting. J.B. de la Faille’s catalogue raisonné of van Gogh, published in 1939, also identifies Mauthner as the owner. From the time of Adolf Hitler’s election as Chancellor of Germany in 1933 until the end of World War II, Hitler’s Nazi regime engaged in a systematic effort to confiscate thousands of works of art throughout Europe. … Within Germany, the enactment of the Ordinance for the Attachment of the Property of the People’s and State’s Enemies and the Ordinance for the Employment of Jewish Property gave Nazi officials the authority to seize artwork from Jewish owners under color of law. … A 1970 catalogue raisonné prepared by a committee of scholars in the Netherlands lists the next owner as Alfred Wolf, a Jewish businessman who left Germany for Switzerland in 1934 and ultimately relocated to South America. The auction catalogue prepared by Sotheby & Co. in 1963 lists the provenance, or chain of title, as including three owners prior to Wolf. The Sotheby’s catalogue traces the ownership of the painting from Mauthner to Paul Cassirer, to Marcel Goldschmidt, and then to Alfred Wolf. The Orkins contend that this chain of ownership cannot be correct because Paul Cassirer had committed suicide in 1926, two years before the 1928 catalogue raisonné was published, listing Mauthner as the owner.” 449
241
Zunächst legte die Orkin-Familie dar, dass Margarete Mauthner zwar nicht unmittelbar seitens der nationalsozialistischen Unrechtsbehörden enteignet worden sei (und somit keine Konstellation der sog. Raubgutnahme vorläge), sie das Gemälde jedoch als sog. kulturelles Fluchtgut veräußern musste, um ihr Überleben wirtschaftlich zu sichern bzw. sich die Möglichkeit zur Flucht aus Deutschland aus Angst vor Deportation und Ermordung in einem Konzentrationslager zu eröffnen (Konstellation der nur scheinbar ‚freiwilligen‘ Veräußerung kultureller Wertgegenstände). Elizabeth Taylor machte hingegen geltend, dass die vorliegenden Aufzeichnungen lediglich darauf schließen ließen, dass das Gemälde mittels zweier jüdischer Kunsthändler an einen ebenfalls jüdischen Kunstsamm-
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Vgl. Orkin et al. v. Elizabeth Taylor, 487 F.3d 734 (United States Court of Appeals, Ninth Circuit, 18, 2007). Orkin et al. v. Elizabeth Taylor, 487 F.3d 734 (United States Court of Appeals, Ninth Circuit, 18, 2007).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
ler veräußert worden sei, ohne dass Nachweise dafür vorlägen, dass das Gemälde unter unmittelbarem oder auch nur indirektem Zwang von Margarete Mauthner veräußert worden sei. 243
Unbestritten war somit zwischen den Parteien lediglich, dass Margarete Mauthner einmal Eigentümerin war und dass sich das Gemälde später im Bestand von Alfred Wolf befand. “At this point in the development of the case, the rest of what transpired with the painting during the 1930s in Berlin is clouded in uncertainty.”450 Im April des Jahres 1963 wurde das Kunstwerk von Alfred Wolf bei dem Auktionshaus Sotheby’s an Elizabeth Taylor in einer großen internationalen Auktion zu einem Kaufpreis i.H.v. £ 92.000 veräußert. Über Taylors Erwerb des Van Gogh-Gemäldes wurde in der Öffentlichkeit ausführlich berichtet. In dem im Jahre 1970 erschienen catalogue raisonné von niederländischen Kunsthistorikern wurde folglich auch Elizabeth Taylor als Eigentümerin des Gemäldes geführt. Von November 1986 bis März 1987 wurde das Kunstwerk in der Ausstellung ‚Van Gogh in Saint Rémy and Auvers‘ des Metropolitan Museum of Art in New York öffentlich zur Schau gestellt. Im Jahre 1990 wurde das Gemälde in einer Versteigerung des Auktionshauses Christie’s in London angeboten, ohne dass jedoch ein Käufer gefunden wurde. In der Provenienzbeschreibung des Gemäldes wurde Elizabeth Taylor als aktuelle Eigentümerin aufgeführt und als Rechtsvorgänger Alfred Wolf (Stuttgart und Buenos Aires), Marcel Goldschmidt & Co. (Frankfurt), Margarete Mauthner (Berlin), Paul Cassirer (Berlin) und Johanna van Gogh-Bonger (Amsterdam).
244
Im Jahre 1998 erließ der kalifornische Kongress drei Rechtsakte betreffend die Rechtsstellung von Opfern des nationalsozialistischen Unrechtsregimes: den Holocaust Victims Redress Act 451, den Nazi War Crimes Disclosure Act aus dem Jahre 1998452 und den United States Holocaust Assets Commission Act aus dem Jahre 1998453. Vor diesem Hintergrund legte die Orkin-Familie dar, dass ihre Bemühungen zur Erforschung der Frage, ob ihre Rechtsvorgängerin Margarete Mauthner ihre Kunstkollektion aufgrund eines unrechtmäßigen Entziehungsaktes zur Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft verloren hatte, mit dem Erlass dieser Gesetze begannen. Die Familie beauftragte im Jahre 2001 eine amerikanische Anwaltskanzlei zur Erforschung dieser Situation. Erst nach Abschluss dieser Untersuchungen wurden ihnen die Lokalisierung des Gemäldes und die Identifizierung der aktuellen Besitzerin Elizabeth Taylor bekannt. Vorher wäre den Rechtsnachfolgern weder bewusst gewesen, dass Margarete Mauthner Eigentümerin des Gemäldes ‚Vue de l’Asile et de la Chapelle de Saint-
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451 452 453
Orkin et al. v. Elizabeth Taylor, 487 F.3d 734 (United States Court of Appeals, Ninth Circuit, 18, 2007). Vgl. Pub.L. No. 105–158, 112 Stat. 15 (1998). Vgl. Pub.L. No. 105–167, 114 Stat. 2865 (1998). Vgl. Pub.L. No. 105–186, 112 Stat. 611 (1998).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
941
Remy‘ gewesen, noch dass es nationalsozialistisch bedingt abhandengekommen sei. Dass sich das Gemälde im Bestand von Elizabeth Taylor befunden habe, wurde der Orkin-Familie nach eigener Aussage erst im Jahre 2002 bekannt, nachdem im Internet veröffentlicht wurde, dass sie das Gemälde veräußern möchte. Nachdem die Orkin-Familie im Dezember 2003 Elizabeth Taylor aufgefordert hatte, das Gemälde an die Erben herauszugeben, verweigerte diese eine Restitution unter Verweis auf den langen Zeitablauf. Der zunächst angerufene district court ist dem Einwand gefolgt und hat aufgrund der kalifornischen statute of limitations die Restitutionsklage des Gemäldes verworfen. Da der Sachverhalt nicht zweifelsfrei aufgeklärt werden konnte, prüfte der Ninth Circuit des United States Court of Appeals die Frage der Verjährung des Restitutionsanspruchs unter der Maxime, dass die Behauptungen der Kläger zustimmend seien und Margarete Mauthner dementsprechend unrechtmäßig das Eigentum an dem Gemälde entzogen worden war. Hintergrund ist die in Cal. Civ. Proc. Code § 338 (c) inkorporierte Grundregel, dass Ansprüche aus „taking, detaining, or injuring“ beweglicher Gegenstände („goods or chattels“) nach einer Frist von drei Jahren verjähren. Im Jahre 1983 änderten sich die Regeln der kalifornischen statute of limitations dahingehend, dass der Verjährungsbeginn bei Ansprüchen auf Restitution von „any article of historical, interpretive, scientific, or artistic significance“ sich nach der discovery rule richtet. Die Verjährungsfrist von kulturellen Restitutionsansprüchen beginnt somit, wenn der rechtmäßige Eigentümer den Aufenthaltsort und den Verbleib des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts entdeckt. Vor Erlass dieser Sondervorschrift bestimmte die gesetzliche Regelung jedoch nicht, wann die Verjährungsfrist (kultureller) Herausgabeklagen beginnt. Die Orkin-Familie machte in ihrer Restitutionsklage geltend, dass auch schon vor Erlass der neuen gesetzlichen Regelung im Jahre 1983 innerhalb Kaliforniens die discovery rule Geltungskraft erlangte, sodass aus diesem Grund noch keine Verjährung ihrer Herausgabeklage eingetreten sei.454
245
Der Ninth Circuit des United States Court of Appeals stellte jedoch fest, dass der California Supreme Court zwar zuvor „has never confronted the question of what rule governs accrual of pre-1983 causes of action for theft and conversion“, jedoch ausdrücklich bestimmt hatte, dass die „discovery rule, whenever it applies, incorporates the principle of constructive notice“. In der Rechtssache Jolly v. Eli Lilly & Co. habe der California Supreme Court erklärt, dass unter der discovery rule Kaliforniens „[a] plaintiff is held to her actual knowledge as well as knowledge that could reasonably be discovered through investigation of sources open to
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454
Orkin et al. v. Elizabeth Taylor, 487 F.3d 734 (United States Court of Appeals, Ninth Circuit, 18, 2007), unter Verweis der Kläger auf Naftzger v. American Numismatic Society, No. B084069, Court of Appeal of California, Second Appellate District, Division One, 42 Cal. App. 4th 421; 49 Cal. Rptr. 2d 784; 1996 Cal. App. LEXIS 85; 96 Cal. Daily Op. Service 780; 96 Daily Journal DAR 1140, February 1, 1996, Decided.
942
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
her.“455 Diese Grundsätze übertrug der Ninth Circuit des United States Court of Appeals auch auf die Restitutionsklage der Orkin-Familie gegen Elizabeth Taylor: 247
“In other words, under the discovery rule, a cause of action accrues when the plaintiff discovered or reasonably could have discovered her claim to and the whereabouts of her property. In assessing California law, we conclude that it is highly unlikely that the California Supreme Court would abandon the Jolly rule, much less adopt a new rule that eschewed the concept of constructive notice. Under Jolly, the latest possible accrual date of the Orkins’ cause of action was the date on which they first reasonably could have discovered, through investigation of sources open to them, their claim to and the whereabouts of the van Gogh painting. From the face of the Orkins’ complaint, it is apparent that Taylor’s acquisition of the painting was certainly discoverable at least by 1990, when she held it out for sale in an international auction, and most probably as early as 1963, when she acquired the painting in a highly publicized international auction. In fact, the complaint alleges – and demonstrates by attachment – that Taylor bought the painting at a publicized auction in 1963, that Taylor was listed as the owner of the painting in a publicly available 1970 catalogue raisonné, and that Taylor publicly offered the painting for sale in 1990. Had the Orkins investigated any of those publicly-available sources, they could have discovered both their claim to the painting and the painting’s whereabouts long before the 2002 internet rumor was posted.” 456
248
Das Gericht berücksichtigte bei der Abweisung der Klage die Gesichtspunkte, dass allgemeine und offene Kenntnis darüber bestand, dass der van Gogh über eine lange Zeit im Eigentum Elizabeth Taylor’s stand, sodass die Erben des ursprünglichen Eigentümers die Restitution bereits frühzeitig hätten initiieren können, dass Mauthner darüber Bescheid wusste, dass das Gemälde zuvor möglicherweise unrechtmäßig entzogen wurde und dass Elizabeth Taylors Erwerb des Gemäldes allgemein bekannt war. Aus den vorgenannten Gründen bestätigte der Ninth Circuit des United States Court of Appeals die Entscheidung des district court und erklärte die Restitutionsklage als verspätet. Selbst unter Annahme der günstigsten Sachverhaltsauslegung war dementsprechend die Restitutionsklage schon im Jahre 1993 verjährt – drei Jahre nach der letzten öffentlichen Verkündung der Eigentümerposition Elizabeth Taylor’s.
VI. Gründe gegen eine Anwendung der ‚constructive discovery rule‘ 249
Kritiker werfen der Anwendung einer constructive discovery rule zur Regulation der diametral verlaufenden Interessen der ursprünglichen Eigentümer und gutgläubigen Erwerber vor, dass der Konstruktion eine klare rechtliche Präzisierung 455
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Jolly v. Eli Lilly & Co., 44 Cal.3d 1103, 1109, 245 Cal.Rptr. 658, 751 P.2d 923 (1988), zitiert bei Orkin et al. v. Elizabeth Taylor, 487 F.3d 734 (United States Court of Appeals, Ninth Circuit, 18, 2007). Orkin et al. v. Elizabeth Taylor, 487 F.3d 734 (United States Court of Appeals, Ninth Circuit, 18, 2007).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
943
des notwendigen due diligence-Maßstabes fehle,457 der seitens des ursprünglichen Eigentümers bei der Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und der Identifizierung der aktuellen Besitzer Anwendung finden sollte.458 “[O]wners do not necessarily know how thorough a search a court will require to fulfill the discovery rule’s due diligence standard. Courts still have not clarified whether to measure due diligence by an objective standard of reasonableness or by a subjective assessment that considers a given owner’s unique abilities or resources.”459 Darüber hinaus gelte der von Vertretern einer discovery rule gegenüber der demand and refusal rule geäußerte Vorwurf, die Rechtskonstruktion fördere den kulturellen Schwarzmarkt, in gleichem Maße auch für die discovery rule: Auch diese führe zu einer Geheimhaltung und einem Verbergen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, da der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft die Lokalisierung durch den Eigentümer ebenso wie innerhalb der demand and refusal rule verhindern möchte.460 Rechtskonstruktiv machen Kritiker der discovery rule schließlich darauf aufmerksam, dass die Frage der temporalen Präklusion kultureller Restitutionsansprüche unabhängig davon zu beantworten sein müsse, ob der restitutionsberechtigte Eigentümer während der Zeit der unrechtmäßigen Entziehung bis zur Wiederentdeckung des Kulturguts angemessene Lokalisierungsbemühungen des abhandengekommenen Kunstwerks und Identifizierungsanstrengungen zur Bestim-
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Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 245. Vgl. Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 504; Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 916–918; Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1078–1081; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 238; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 170–171; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 171–176; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 24–26; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373– 422, S. 376; Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 557–559. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1090. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1091.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
mung des aktuellen Besitzers unternommen habe. Dies sei allein eine Frage einer möglichen treuwidrigen Handlungsweise des Eigentümers, die an den allgemeinen estoppel-Grundsätzen und dem Prinzip des venire contra factum proprium zu messen sei. Ob der Eigentümer somit zwischen dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entziehung und der Wiederentdeckung abhandengekommener Kulturgüter angemessene Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen unternommen habe, könne dementsprechend keine Auswirkungen auf das Rechtsinstitut der Verjährung zeitigen, das außer dem Zeitablauf grundsätzlich keine Umstandsmomente auf Seiten des Gläubigers oder Schuldners inkorporiert. Besondere Umstandsmomente auf Seiten des Gläubigers seien dementsprechend allein eine Frage der Verwirkung (laches-Grundsatz), die dann zu einem Ausschluss des kulturellen Restitutionsanspruchs führen soll, wenn der ursprüngliche Eigentümer eine gegebene Möglichkeit der Lokalisierung des unrechtmäßigen Kulturguts und der Identifizierung des aktuellen Besitzers vorwerfbar unterlassen und einfach zugewartet hat, ohne nach dem abhandengekommenen Kulturgut zu suchen. Die Konstruktion einer Verjährungsvorschrift i.S.d. constructive discovery rule, die dann eine Präklusion eines Herausgabeanspruchs annimmt, wenn eine bestimmte Frist nach dem Zeitpunkt abgelaufen ist, nachdem der Kläger bei sorgfältiger Ermittlung und Nachforschung hinsichtlich des Verbleibs des Gemäldes die Möglichkeit zur Klage gehabt haben könnte – wobei der Fristenlauf dann beginnt, wenn bei hypothetischem Hinzudenken einer sorgfältigen Suche nach dem abhandengekommenen Kunstgegenstand sämtliche Informationen dem Kläger für die Erhebung einer Restitutionsklage bekannt gewesen wären –,
vermengt nach dieser Ansicht Fragen der Verjährung mit dem Anliegen des allgemeinen Verwirkungseinwandes. So fordern auch Vertreter der demand and refusal rule „a strict application of the existing substantive demand requirement, limited by the affirmative defense of laches“ 461. 251
Die besondere Qualität kultureller Güter und ihre Funktion als öffentlich zugängliche Wertgegenstände führen nach der Ansicht der Vertreter einer constructive discovery rule häufig dazu, dass eine erleichterte Lokalisierung der abhandengekommenen Kulturgüter möglich sei.462 Aufgrund ihres einzigartigen Erkennungswerts seien besondere Investigationsbemühungen seitens des (ursprünglichen) Eigentümers regelmäßig zielführend. Aus diesem Grund stünden die Chancen der Wiedererlangung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter besonders hoch, sodass eine tendenziell eher strenge rechtspolitische Haltung gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer beim Verjährungsbeginn zivilrechtlicher Restitutionsansprüche gerechtfertigt sei. Eine derartige Beurteilung geht jedoch an
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Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 915. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 932 ff.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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den tatsächlichen Erfahrungen des illegalen Kulturgüterverkehrs vorbei, wie ein Verweis auf die Rückführungsraten unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zeigt. Die Internationalität des illegalen Marktes, die eine wichtige Komponente des kulturellen Schwarzmarktes ausmacht, bedeutet eine besondere Schwierigkeit bei der Lokalisierung abhandengekommener Kulturgüter auf Seiten des Eigentümers. Bspw. stellen Szenarien wie die Sachverhaltskonstellation DeWeerth v. Baldinger, in der die Kulturgüter in Deutschland gestohlen wurden und in einem oder in mehreren anderen Staaten an einen oder an mehrere redliche Erwerber weiterveräußert werden, den Regelfall bei der Restitution illegal transferierter Kulturgüter dar. Zusammen mit der besonderen Stimmung der Heimlichkeit und Verschlossenheit der Hauptbeteiligten im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr entsteht eine tendenziell eher als komplex zu qualifizierende tatsächliche und faktische Sachlage, deren Erforschung zur Lokalisierung eines abhandengekommenen Kulturguts die Ressourcen der meisten Eigentümer übersteigen wird. In der Entscheidung Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon wird darüber hinaus ersichtlich werden, dass die bloße öffentliche Zugänglichkeit auf lokalen, regionalen oder nationalen Ausstellungen keineswegs die Lokalisierung für den ursprünglichen Eigentümer zwingend zu erleichtern vermag, zumindest dann nicht, wenn die Komponente der Internationalität des illegalen Kunstmarktes durch einen grenzüberschreitenden Transfer ins Ausland erfüllt ist. In diesem Zusammenhang betont Drum die besondere rechtspolitische Dimension der constructive discovery rule und die Folge der Förderung des illegalen Kulturgütertransfers: “A rule that hinders the ability of original owners to recover stolen art works provides economic incentive for thieves to steal and for art dealers to remain silent as to the illicit origins of a stolen work. Such a rule encourages the appropriation and, in some cases, mutilation of great works of art, and is, therefore, in direct opposition to the public interest.” 463
252
Diese Einschätzung der faktischen Auswirkungen einer constructive discovery rule bedeutet, dass eine strenge Limitierung der Eigentumsposition hinsichtlich der Restitution illegal transferierter Kulturgüter erreicht würde, deren judikative Begründung jedoch an den effektiven Gegebenheiten vorbeiginge. Im Ergebnis werden somit zu Unrecht die besonderen Qualifikationsmerkmale kultureller Güter als Beleg für einen Beginn der allgemeinen Verjährungsperiode nach der constructive discovery rule betrachtet, sodass nach Ansicht von Kritikern die Forderung nach besonders qualifizierten due diligence-Maßnahmen seitens des (ursprünglichen) Eigentümers innerhalb der Frage der temporalen Präklusion kultureller Restitutionsansprüche nicht gerechtfertigt ist.
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Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 932 ff.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
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Schließlich ist auch die Grundaussage der constructive discovery rule umstritten, wonach nur die Inkorporation qualifizierter due diligence-Erfordernisse den schützenswerten Interessen redlicher Erwerber gerecht würde. So könnte man die besondere Schutzwürdigkeit gutgläubiger Erwerber damit belegen, dass das Herausgabeverlangen entsprechend der demand and refusal rule 464 ein widersprüchliches Resultat erreicht: Wird die Rückforderung seitens des ursprünglichen Eigentümers gegenüber dem aktuellen Besitzer verspätet vorgebracht, entsteht der Klagegrund gleichwohl (‚accrual of the cause of action‘), sodass sich jeder redliche Erwerber aufgrund bona fide-Akquisition auf nahezu unbestimmte Zeit einem Herausgabeverlangen ausgesetzt sehe. Faktisch würde danach keine wirkliche temporale Ausschlussfunktion kultureller Restitutionsansprüche gelten. Demgegenüber vertreten die Kritiker einer constructive discovery rule, dass im amerikanischen Rechtskreis auch kein absoluter Gutglaubensschutz anerkannt sei und ein redlicher Erwerber kein Eigentum von einem Dieb oder von einer Person erwerben könne, die ihrerseits das bewegliche Gut von einem Dieb erhalten habe.465 Vertreter der demand and refusal rule wenden diesbezüglich ein, dass die constructive discovery rule von Grund auf mit den allgemeinen Grundsätzen des Common Law unvereinbar sei, die generell den Schutz des ursprünglichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter höher bewerten als die Interessen gutgläubiger Erwerber:
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“A … problem with the discovery rule, and its focus upon the true owner’s actions, is that it conflicts with a fundamental common law and statutory tenet. Under the common law, a bona fide purchaser of personal property taken tortiously or wrongfully, as by trespass or theft, does not acquire a title good against the true owner. The codification of the Uniform Commercial Code (“UCC”) has not changed this legal axiom. From this legal axiom it follows that as between the true owner who has had her property stolen and a subsequent bona fide purchaser, the true owner is entitled to the goods. The true owner retains title to the object, because the thief who sold the chattel to the innocent purchaser had no title to give. Courts consistently have applied this axiom in ownership claims over artistic works between true owners and subsequent possessors.” 466
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Bei Anwendung der discovery rule erfolge jedoch eine systemwidrige Bevorzugung der Interessen der eigentlich restitutionspflichtigen Besitzer unrechtmäßig entzoge-
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Der besondere Zweck der Regel besteht darin, dass dem unrechtmäßigen Besitzer durch das Herausgabeverlangen Mitteilung über seine mögliche unrechtmäßige Besitzposition gemacht wird, bevor er selbst als Verantwortlicher in einer Klage aus unerlaubter Handlung auf Schadensersatz verklagt werden kann. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 932 ff. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1098–1099; so auch: Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 245.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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ner Kulturgüter „by placing the burden on original owners to maintain a continual search.“467 Auf diese, der discovery rule inhärente Systemwidrigkeit wurde innerhalb der Entscheidung O’Keefe v. Snyder 468 des Supreme Court of New Jersey innerhalb der dissenting opinion von Justice Handler aufmerksam gemacht, der eine ungerechte Verteilung der Risiken im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr mit unrechtmäßig entzogenen Kunstwerken zulasten der ursprünglichen Eigentümer befürchtete und sich somit gegen die Applikation der discovery rule aussprach: “I am mindful that the majority is concerned with the importance of the policy of repose and the discouragement of stale claims. At times, however, these policies must yield to other equally important policies. The majority has in this case gone well beyond a simple and understandable desire for quietude in litigation. It has actually placed the entire burden of proof as to the absence of comparative fault upon the original owner, albeit in the sheep’s clothing of the discovery rule. I see no justification for removing that burden from the defendant, who may assert equities in his favor to establish his entitlement to the artwork. … All of the factors which trouble the majority, I suggest, can and should be addressed in the context of a remand directing the trial court to consider the defendant’s affirmative defenses, to recognize that defendant bears the burden of proof with respect to those defenses, and, ultimately, to weigh the respective interests of the parties by balancing the equities in order to determine who should bear the loss of the paintings.” Entsprechend kommentierte auch DePorter Hoover die in der discovery rule verfolgte Risikoverteilung als unzureichende Resolutionsmethode der Frage nach einer temporalen Präklusion zivilrechtlicher Restitutionsansprüche: “The discovery rule places the burden on the victim of the theft, even though the victim is an innocent party.” 469
257
Schließlich wird gegen die Anwendung einer constructive discovery rule geltend gemacht, dass der redliche Erwerber in einer gutgläubigen Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter deshalb keines besonderen Schutzes gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer würdig sei, weil er seinen Veräußerer, von dem er das zuvor illegal transferierte Kulturgut erworben hat, aufgrund breach of implied warranty of title verklagen kann und bei einer unentgeltlichen gutgläubigen Besitzerlangung an einem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut a priori kein
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Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 244. O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, S. 458.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Vermögensschaden eintrete.470 Damit spricht auch die Möglichkeit einer thirdparty cause of action gegen eine absolute Unterschutzstellung eines gutgläubigen Erwerbers.
D. Progressiver Schutz des ursprünglichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei Anwendung der ‚actual discovery rule‘ 259
Zur Stärkung des Schutzes ursprünglicher Eigentümer kultureller Wertgegenstände vor einem Verlust ihrer Eigentumsposition und der daraus entspringenden Restitutionsmöglichkeit plädieren einige Rechtskonstruktionen zunächst auf die grundsätzliche Anwendung der discovery rule zugunsten des Eigentümers – d.h. der Lauf der Verjährungsfrist eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts beginnt erst zu dem Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisgewinnung von den anspruchsbegründenden Umständen (der unrechtmäßigen Entziehung und dem Aufenthaltsort des Kulturguts, sowie dem aktuellen Besitzer als Restitutionsschuldner). Da jedoch die Interessen des Eigentümers einer unrechtmäßigen Kulturgutentziehung die Belange gutgläubiger Erwerber entsprechend dem allgemeinen Tenor des Common Law weit überwiegen, auferlegen die Vertreter einer actual discovery rule dem Eigentümer keine besonderen Sorgfaltsanforderungen in der Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der Identifizierung des aktuellen Besitzers und potenziellen Restitutionsschuldners. Danach sei also der ursprüngliche Eigentümer absolut schutzwürdig, da dieser bspw. Opfer eines kulturellen Diebstahls oder einer NS-bedingten Entziehung der Beutekunst, Raubkunst oder kulturellen Fluchtguts geworden sei. Die Rechtsansicht, die dem Eigentümer weitergehendere Sorgfaltsanforderungen auferlege, wahre die Interessen der kulturellen Eigentümer nicht in ausreichendem Maße.
I.
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Abkehr von dem ‚due diligence‘-Erfordernis der ‚constructive discovery rule‘ in der Entscheidung Naftzger v. The American Numismatic Society von 1996
Einen progressiveren Schutz des ursprünglichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter betonte der Court of Appeal of California bei Anwendung der sog. actual discovery rule innerhalb der Entscheidung Naftzger v. The American
470
Vgl. hierzu etwa Menzel v. List, 24 N.Y.2d 91, 246 N.E.2d 742, 298 N.Y.S.2d 979, 6 UCC Rep.Serv. 330; Erna Menzel, Plaintiff-Respondent, v. Albert A. List, Defendant-Appellant, and Third-Party Plaintiff-Respondent. Klaus G. Perls et al., Doing Business under the Name of Perls Galleries, Third-Party Defendants-Appellants; Court of Appeals of New York Argued January 7, 1969; Decided February 26, 1969.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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Numismatic Society 471 vom 1. Februar 1996.472 Ebenso wie innerhalb der Rechtssache Orkin et al. v. Elizabeth Taylor vom 18. Mai 2007 wurde dem Gericht von dem Superior Court of Los Angeles County die Frage zur Entscheidung vorgelegt, wann die dreijährige Verjährungsfrist des Code of Civil Procedure section 338, subdivision (c) für die Rückführung gestohlener beweglicher Gegenstände beginnt. Auch hier erfolgte der Diebstahl vor dem Jahre 1983, sodass die in diesem Jahr festgeschriebene Gesetzesänderung noch keine Anwendung zu erfahren hatte. Der Court of Appeal of California bestimmte einen weitergehenderen Schutz des ursprünglichen Eigentümers abhandengekommener Kulturgüter und hielt für Recht, dass „the cause of action in this case accrued when the owner discovered the identity of the person in possession of the stolen property, and not when the theft occurred.“473 Die American Numismatic Society betreibt ein Museum in New York City mit mehr als 750.000 Münzen und sonstigen numismatischen Objekten. Im Jahre 1937 erhielt das Museum eine Spende von 1.542 großen Kupfermünzen, die zwischen 1793 und 1857 von der United States Mint in Philadelphia geprägt wurden. Zu einem Zeitpunkt vor dem Jahre 1970 wurden 129 Münzen aus dieser Sammlung gestohlen. Der Dieb ersetzte heimlich die 129 Münzen durch minderwertige Stücke, die den gestohlenen jedoch äußerlich ähnlich sahen. Das Museum legte vor Gericht dar, dass es keine Kenntnis von der Ersetzung der 129 Münzen vor dem 17. Dezember 1990 hatte. In der Folge erfuhren die Verantwortlichen des Museums, dass einige der angeblich gestohlenen Münzen im Besitz von Roy E. Naftzger standen, die dieser von dem angeblichen Dieb erworben hatte. Am 12. Februar 1993 unterrichtete die American Numismatic Society den aktuellen Besitzer über ihr fortbestehendes Eigentumsrecht an den Münzen und verlangte die Herausgabe. Naftzger verweigerte eine Restitution der Münzen und suchte am 1. März 1993 vor dem Los Angeles County Superior Court in einem Feststellungsverfahren Rechtsschutz gegen die Forderung des Museums, welches seinerseits am 24. März 1993 gerichtlich die Herausgabe der Münzen beantragte. Der Los Angeles County Superior Court bestimmte den Beginn der Verjährungsfrist als den Zeitpunkt des Diebstahls der Münzen. Da dieser bereits mehr als drei Jahre vor Klageerhebung zurückliege, müsse die Restitutionsforderung der Ame-
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Naftzger v. American Numismatic Society, No. B084069, Court of Appeal of California, Second Appellate District, Division One, 42 Cal. App. 4th 421; 49 Cal. Rptr. 2d 784; 1996 Cal. App. LEXIS 85; 96 Cal. Daily Op. Service 780; 96 Daily Journal DAR 1140, February 1, 1996, Decided. Vgl. auch Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 24; Shapreau, California’s Discovery Role Is Applied to Delay Accrual of Replevin Claims in Cases Involving Stolen Art, Art Antiquity and Law, 1 (1996), S. 407 ff. Naftzger v. American Numismatic Society, No. B084069, Court of Appeal of California, Second Appellate District, Division One, 42 Cal. App. 4th 421; 49 Cal. Rptr. 2d 784.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
rican Numismatic Society erloschen sein. Darüber hinaus wendete das Gericht die adverse possession-Theorie an und bestimmte, dass Naftzger rechtmäßiger Eigentümer der Münzen geworden sei. 262
Anfänglich betonte der Court of Appeal of California, dass Naftzger zwar als „innocent of any wrongdoing and … unaware of the theft when he purchased the coins“ zu bezeichnen sei, dies jedoch aufgrund der nemo dat-Regel nicht dazu führen könne, dass er das Eigentum an den gestohlenen Münzen erwerben könne. Streitentscheidend war allein die Frage der Verjährung des kulturellen Restitutionsanspruchs der American Numismatic Society. Ein Ausschluss des Verjährungseinwandes Naftzgers aufgrund der Doktrin von fraudulent concealment („… where there has been a fraudulent concealment of the facts the statute of limitations does not commence to run until the aggrieved party discovers or ought to have discovered the existence of the cause of action for conversion“474) musste in der vorliegenden Konstellation bereits a priori ausscheiden, da allein dem Dieb ein arglistiges Verschweigen entgegengehalten werden kann, nicht jedoch dem gutgläubigen Ersterwerber Naftzger. Vor der Änderung der Verjährungsregelung im Jahr 1983 legte der Code of Civil Procedure section 338, subdivision (c) lediglich die Verjährungsdauer auf drei Jahre fest, ohne jedoch zu bestimmen, ob diese beginnt, wenn der Eigentümer Kenntnis von dem unrechtmäßigen Entziehungsakt, der Person des Entziehenden (etwa von dem kulturellen Dieb) oder von dem aktuellen Besitzer des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts erlangt.
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Der Court of Appeal of California verglich zunächst die Situation der Unterschlagung anvertrauter Kulturgüter mit der hier vorliegenden Situation des Diebstahls kultureller Wertgegenstände und stellte fest, dass „[t]he stolen property situation thus runs contrary to the general rule in California that knowledge of the identity of the defendant is not essential to a claim and ignorance of the defendant’s identity will not toll the statute of limitations. … Filing a suit against [unknown] defendants, however, is a meaningless exercise when the owner does not know the identity of the thief or the person in possession of the stolen property, or even which court has jurisdiction.“ Dementsprechend bestimmte das Gericht aus Gründen der Gerechtigkeit gegenüber dem Eigentümer kultureller Wertgegenstände zunächst die Anwendung der discovery rule in Fällen des kulturellen Diebstahls. Folglich dürfe der Verjährungslauf unter section 338, subdivision (c) nicht in dem Moment der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände oder der Entdeckung des Verlustes seitens des Eigentümers entstehen: “For until the owner discovers the identity of the thief or the person in possession of the stolen property, the owner is powerless to institute an action
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Naftzger v. American Numismatic Society, No. B084069, Court of Appeal of California, Second Appellate District, Division One, 42 Cal. App. 4th 421; 49 Cal. Rptr. 2d 784.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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under section 338, subdivision (c) for the return of the property.” Aus diesen Gründen stimmt der Court of Appeal of California der Einlassung der American Numismatic Society zu und legt fest „that its cause of action under the prior version of section 338, subdivision (c) for the return of stolen property did not accrue when the theft occurred.“ Das Museum klagte somit innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des zu diesem Zeitpunkt geltenden Code of Civil Procedure section 338, subdivision (c), nachdem das Museum tatsächlich Kenntnis von dem Aufenthaltsort der Münzen und dem aktuellen Besitzer erlangte: “For the purposes of this action, filed under the prior version of section 338, subdivision (c), we hold the limitations period commenced when the owner discovered the identity of the person in possession of the property. … The crucial date, under these facts and the preamended version of section 338, subdivision (c), was the date the museum allegedly discovered that Naftzger was in possession of the stolen coins. According to the allegations of the cross-complaint, the museum did not even discover the theft until December 17, 1990. When it later located some of the missing property in Naftzger’s possession, it filed a cross-complaint within three years of the alleged date of discovery. These allegations were sufficient to overcome the demurrer based on the statute of limitations defense.”
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Fraglich war jedoch darüber hinaus, ob neben der aktuellen, tatsächlichen Kenntnis von der unrechtmäßigen Entziehung, dem Aufenthaltsort der gestohlenen Münzen und der Identität des Besitzers auch die Möglichkeit der Kenntniserlangung den Lauf der Verjährung initiiert und dementsprechend besondere Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter auf den Beginn des Verjährungslaufs einwirken. In der Entscheidung konstruierte der Court of Appeal of California einen weitergehenderen Schutz vor temporaler Präklusion von Eigentümern, aus deren Bestand kulturelle Wertgegenstände unrechtmäßig entzogen wurden. So führte das Gericht aus, dass es für den Lauf der Verjährungsfrist allein auf die tatsächliche Kenntnis (sog. actual discovery) der anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. auf den Ort der Belegenheit des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und den aktuellen Besitzer, und nicht auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme ankomme (Abkehr von dem due diligence-Erfordernis der constructive discovery rule für die Bestimmung des Verjährungsbeginns):
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“In this opinion, we hold, as a matter of law, that there was a discovery rule of accrual implicit in the prior version of section 338, subdivision (c) for the return of stolen property. We conclude that under the prior version of the statute, the cause of action accrued when the owner discovered the identity of the person in possession of the stolen property, without regard to the owner’s diligence or lack thereof in ferreting out that information. Our holding, limited to the prior version of section 338, subdivision (c), expresses no opinion as to whether, in actions brought under the common law or in equity, the plaintiff will be time barred by laches or the lack of reasonable diligence in identifying the person in possession of the property.” 475
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Naftzger v. American Numismatic Society, No. B084069, Court of Appeal of California, Second Appellate District, Division One, 42 Cal. App. 4th 421; 49 Cal. Rptr. 2d 784.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
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Umstandsmomente auf Seiten des kulturellen Restitutionsgläubigers, die dessen Sorgfalt bei der Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und der Identifizierung des Besitzers zwischen dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entziehung und der Wiederentdeckung illegal transferierter Kulturgüter betreffen, haben danach keine Auswirkungen auf den Verjährungsbeginn, sondern sind allein innerhalb der Frage der Verwirkung (sog. laches) des Restitutionsanspruchs entscheidend. Nach der actual discovery rule beginnt der Lauf der Verjährung somit erst dann, wenn der Restitutionsgläubiger tatsächlich Kenntnis von dem Aufenthaltsort der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und der Identität des Besitzers erlangt.476
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Die Entscheidung Naftzger v. The American Numismatic Society evozierte innerhalb des Kunstmarktes erhebliche Auswirkungen. Unter explizitem Rückgriff auf die genannte Entscheidung einigten sich die Polizei, verschiedene Versicherungen, involvierte Auktionshäuser und sonstige Betroffene außergerichtlich auf die Rückführung des im Jahre 1956 gefertigten Gemäldes ‚Dingleton Farm‘ des amerikanischen Künstlers Maxfield Parrish (s. Abb. 33), nachdem es vor mehr als 28 Jahren, am 15. März 1975, aus der Alma Gilbert’s California Gallery gestohlen worden war.
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Es blieb bis zum 16. Januar 2003 verschollen. Ein kalifornisches Auktionshaus nahm mit Alma Gilbert, der ursprünglichen Eigentümerin, Kontakt auf und forderte Informationen hinsichtlich des Gemäldes. Zunächst informierte die Polizei die ursprüngliche Eigentümerin Alma Gilbert, dass keine Chance auf Rückführung bestünde, da einerseits ihr Herausgabeanspruch nach so langer Zeit aufgrund der kalifornischen Verjährungsregelungen verstrichen sei und somit das Gemälde rechtmäßig dem Einlieferer an das Auktionshaus gehöre und andererseits die nach dem Diebstahl in Anspruch genommene Versicherung Eigentümerin durch Auszahlung der Versicherungssumme geworden sei. Die seitens der ursprünglichen Eigentümerin eingeschaltete Rechtsanwaltskanzlei wies jedoch auf die in der Entscheidung Naftzger v. The American Numismatic Society entwickelte actual discovery rule hin. Nachdem Alma Gilbert mittels ihrer Aufzeichnungen eindeutig ihre Eigentümerstellung nachweisen konnte, die Versicherung gegen Erstattung der von ihr nach dem Diebstahl gezahlten US-$ 12.400 ihre
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“With these limitations in mind, we recognize that our holding, which applies a discovery rule of accrual to any article stolen prior to the effective date of the 1983 amendment to section 338, subdivision (c), is broader in scope than the amendment’s discovery rule, which applies only to articles of historical, interpretive, scientific, or artistic significance. We conclude, however, that to the extent the amendment’s restrictive application of the discovery rule suggests there was no discovery rule prior to the effective date of the amendment, that inference is unwarranted. Under the prior version of the statute, the cause of action accrued upon the owner’s discovery of the identity of the person in possession of the stolen property … .” Naftzger v. American Numismatic Society, No. B084069, Court of Appeal of California, Second Appellate District, Division One, 42 Cal. App. 4th 421; 49 Cal. Rptr. 2d 784.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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Ansprüche zurückstellte und der Einlieferer und aktuelle Besitzer den Einwand der Verjährung nicht mehr zweifelsfrei geltend machen konnte, restituierte die Polizei am 17. September 2003 das Gemälde an Gilbert zurück.
II.
Kulturgüterspezifische Modifikation des Verjährungsbeginns innerhalb des ‚California Code of Civil Procedure‘ und der ‚California Holocaust Art Recovery Statute‘
Section 338, subdivision (c) des California Code of Civil Procedure enthält nach den Änderungen der Jahre 1983 und 1988 eine gesetzliche Modifikation des Verjährungsbeginns kultureller Restitutionsansprüche und ist damit – soweit ersichtlich – für die amerikanische Zivilrechtsordnung die einzige Vorschrift, die explizit die Verjährung von Restitutionsansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter regelt:
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Code of Civil Procedure section 338, subdivision (c): An action for taking, detaining, or injuring any goods or chattels, including actions for the specific recovery of personal property. The cause of action in the case of theft, as defined in Section 484 of the Penal Code, of any article of historical, interpretive, scientific, or artistic significance is not deemed to have accrued until the discovery of the whereabouts of the article by the aggrieved party, his or her agent, or the law enforcement agency which originally investigated the theft.
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Dem in Naftzger v. The American Numismatic Society gefolgten Trend progressiven Schutzes der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wurde dementsprechend zuvor schon in der neuen Fassung der Section 338 (c) des kalifornischen Civil Procedure Code positiv-gesetzlich Ausdruck verliehen.477 Die Vorschrift bestimmt ausdrücklich den Verjährungsbeginn nach der discovery rule, ohne jedoch explizit eine Entscheidung für die Anwendung der actual oder der constructive discovery rule festzuschreiben. Die einzige zu dieser Vorschrift ergangene Gerichtsentscheidung musste nicht zu dieser Frage Stellung nehmen und stellte fest, dass der Restitutionsgläubiger innerhalb der Frist sowohl der actual als auch der constructive discovery rule klagte und somit beide Standards erfüllte.
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In der Rechtssache Society of California Pioneers v. Roger Baker vom 15. März 1996478 entschied der Court of Appeal of California zu section 338, subdivision (c) des Code of Civil Procedure in der aktuellen, modifizierten Fassung zu der Frage der Verjährung von Restitutionsansprüchen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter: In den frühen 1960er Jahren erwarb der Vater von Christian deGuigne einen wertvollen vergoldeten Spazierstock von den Berry-Hill Galleries. Im Jahre 1962 stiftete dieser das Objekt der Society of California Pioneers. Bei einer Aus-
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Ausführlich Miller/Carey/Meyers/Cowe, Restitution of Art and Cultural Objects: A ReAssessment of the Role of Limitation, Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 1–17, S. 4–8.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
stellung im Jahre 1978 wurde das Objekt gestohlen. Die Vertreter der Society of California Pioneers meldeten den Diebstahl bei der Polizei und Christian de Guigne – einer der Direktoren der Gesellschaft – lobte einen Betrag von US-$ 1.000 für den Finder des gestohlenen Gegenstandes aus. Zwischen 1987 und 1991 erfuhr Christian deGuigne, dass der Gegenstand noch existierte, nicht jedoch, wer diesen in Besitz hatte. Im Jahre 1980 bekam Eugene Kah aus San Francisco den Gegenstand als Geschenk ihrer Mutter, einer Kunst- und Antiquitätensammlerin, überreicht, die kurze Zeit später verstarb. Trotz verschiedener Nacherforschungen (auch bei den Polizeibehörden) konnte Eugene Kah die Provenienz des Kunstgegenstandes nicht ermitteln. Im April 1991 erwarb der Kunstsammler Roger Baker die Sache zu einem Kaufpreis i.H.v. US-$ 20.000, nachdem er bei verschiedenen Experten die Authentizität und die Provenienz prüfen ließ. Nach Aufdeckung der tatsächlichen Umstände verlangte die Society of California Pioneers am 12. September die Herausgabe des gestohlenen Gegenstandes. 274
Obwohl der Diebstahl bereits im Jahre 1978 erfolgte, legte der Court of Appeal of California in seiner Entscheidung die modifizierte Fassung der section 338, subdivision (c) des Code of Civil Procedure zugrunde, da zum Zeitpunkt der Änderung der Rechtsvorschrift der Lauf der Verjährungsfrist noch nicht zugunsten der damaligen Besitzerin Kah begonnen hatte. In ihrer Entscheidung widersprach die Division One des First Appellate District des Court of Appeal of California explizit den Ausführungen der Entscheidung Naftzger v. The American Numismatic Society und der Festsetzung einer actual discovery rule. In Society of California Pioneers v. Roger Baker bestimmte das Gericht ausdrücklich, dass „Naftzger stated that the plaintiff’s diligence has no bearing on the statute of limitations issue. As we discuss, post, if the standard imposed by the amended statute is one of constructive notice, the question of reasonable diligence has some bearing on that issue, since, in some circumstances, one is charged with notice of what a reasonable inquiry might disclose. Because we reach a different conclusion as to the state of the law prior to the 1983 amendment, we must respectfully disagree with the discussion in Naftzger.“479 Unglücklicherweise nahm der Court of Appeal of California in Society of California Pioneers v. Roger Baker nicht ausdrücklich dazu Stellung, ob die in section 338, subdivision (c) des Code of Civil Procedure normierte Verjährungsregel actual discovery oder constructive discovery voraussetzt, um den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist in Gang zu setzen: 478
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Society of California Pioneers v. Roger Baker, No. A066580, Court of Appeal of California, First Appellate District, Division One, 43 Cal. App. 4th 774; 50 Cal. Rptr. 2d 865; 1996 Cal. App. LEXIS 240; 96 Cal. Daily Op. Service 1810; 96 Daily Journal DAR 3079, March 15, 1996, Decided. Society of California Pioneers v. Roger Baker, 43 Cal. App. 4th 774; 50 Cal. Rptr. 2d 865; 1996 Cal. App. LEXIS 240; 96 Cal. Daily Op. Service 1810; 96 Daily Journal DAR 3079.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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“Appellant and amici curiae argue that whether the standard is actual or constructive discovery, the evidence shows that knowledge of the location of the stolen item could not be attributed to appellant prior to deGuigne’s discovery that Baker had purchased it in 1991. … No facts were produced by respondent that indicated the Society or its agents had actual notice or knowledge of any facts that would have imputed constructive notice of the location of the stolen item or to a line of further inquiry that would have led to notice or knowledge. … According to Kah’s own testimony, he did not pawn or otherwise publicly expose the item until over 10 years after the theft. DeGuigne testified that his only knowledge of the item was from an antique dealer who told him that he saw it in the late 1980’s. DeGuigne indicated he would have bought the item, but the opportunity apparently never materialized. This type of rumor is not sufficient to give notice of the location of the item. Respondent does not indicate what further steps deGuigne might have taken at this time aside from the suggestion that the Society should have instituted continuous monitoring of police reports from pawnshops. The steps a party should take to recover stolen art objects vary according to the facts of each case and are, therefore, subject to proof of the relevant standard in the particular community affected. … At trial, Baker argued that the Society should have maintained contact with police to review and investigate pawnshop reports. The first time the item was pawned was in 1988, 10 years after the theft. There was no evidence that such long-term measures were usual in the relevant community, or that such extended surveillance was reasonable, as a method of diligence to discover the location of stolen artistic or historic objects. … Respondent presented no evidence of additional measures that might have been either reasonable or successful. Establishment of the facts regarding the lack of actual or constructive notice was implicit in the jury’s rejection of the affirmative defenses. These implicit findings are supported by the uncontradicted evidence. We find that whether the correct standard is actual or constructive notice, appellant could not have been charged with notice of the location of the item more than three years before this action was commenced.” 480
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Teile der Literatur vertreten seit Modifikation der Section 338, subdivision (c) des California Code of Civil Procedure, dass das Gesetzeswerk die dreijährige Verjährungsregelung für zivilrechtliche Klagen auf Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bis zu dem Zeitpunkt der tatsächlichen und effektiven Lokalisierung durch die Klägerseite, deren Repräsentanten oder die staatliche Regierungsbehörde, die das Abhandenkommen des Kulturguts recherchierte, hindere (sog. actual discovery rule). Damit – so wird geltend gemacht – hätte der kalifornische Gesetzgeber die rechtliche Sicherstellung beabsichtigt, dass jeder ursprüngliche Eigentümer, der tatsächlich und effektiv ein ihm unrechtmäßig entzogenes Kulturgut später lokalisiert, auch einen Anspruch auf Restitution vor Gericht durchsetzen kann, ohne dass die Klage von Anfang an als verjährt zu charakterisieren sei.
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Der Bundesstaat Kalifornien erließ mit dem California Holocaust Art Recovery Statute ein spezielles Gesetz zur Rückführung kultureller Wertgegenstände, die zur Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft unrechtmäßig entzogen wurden.
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Society of California Pioneers v. Roger Baker, 43 Cal. App. 4th 774; 50 Cal. Rptr. 2d 865; 1996 Cal. App. LEXIS 240; 96 Cal. Daily Op. Service 1810; 96 Daily Journal DAR 3079.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
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354.3 California Code of Civil Procedure: (a) The following definitions govern the construction of this section: (1) “Entity” means any museum or gallery that displays, exhibits, or sells any article of historical, interpretive, scientific, or artistic significance. (2) “Holocaust-era artwork” means any article of artistic significance taken as a result of Nazi persecution during the period of 1929 to 1945, inclusive. (b) Notwithstanding any other provision of law, any owner, or heir or beneficiary of an owner, of Holocaust-era artwork, may bring an action to recover Holocaust-era artwork from any entity described in paragraph (1) of subdivision (a). Subject to Section 410.10, that action may be brought in a superior court of this state, which court shall have jurisdiction over that action until its completion or resolution. Section 361 does not apply to this section. (c) Any action brought under this section shall not be dismissed for failure to comply with the applicable statute of limitation, if the action is commenced on or before December 31, 2010.
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Sec. 354.3 California Code of Civil Procedure bestimmt für die zugrunde liegenden Ansprüche den Lauf der Verjährungszeit bis zum 31. Dezember 2010, unabhängig davon, ob die Verjährungsfrist nach den allgemeinen Vorschriften bereits abgelaufen und damit eine Restitutionsklage temporal präkludiert war. Die spezielle Verjährungsvorschrift findet Anwendung auf „Holocaust-era artwork“. Darunter versteht das Gesetz „any article of artistic significance taken as a result of Nazi persecution during the period of 1929 to 1945, inclusive.“ Diese spezielle Klasse nationalsozialistisch bedingt entzogener kultureller Wertgegenstände kann jedoch nur von bestimmten Besitzern restituiert werden, die definiert werden als „any museum or that displays, exhibits, or sells any article of historical, interpretive, scientific, or artistic significance.“ Ausdrücklich Rechtfertigung fand das Gesetz durch folgende Worte des kalifornischen Gesetzgebers:
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“The Legislature finds and declares the following: (a) In addition to the many atrocities that befell the victims of the Nazi regime, treasured pieces of artwork were wrongfully taken. … (c) California has a moral and public policy interest in assuring that its residents and citizens are given a reasonable opportunity to commence an action in court for those pieces of artwork now located in museums and galleries. (d) Museums are committed to resolving claims for Holocaust-era artwork in an amicable and timely manner, and to undertaking every effort to conduct thorough provenance research to identify artwork that may have been stolen during the Holocaust Era. (e) Currently, an individual has three years, after discovering the whereabouts of the artwork, to commence an action in court. (f) Due to the unique circumstances surrounding the theft of Holocaust-era artwork, commencement of an action requires detailed investigation in several countries, involving numerous historical documents and the input of experts. (g) In order to obtain all necessary data, investigating a prospective action may take several years. (h) The current three-year statute of limitation, after discovery of the whereabouts of the artwork, is an insufficient amount of time to finance, investigate, and commence an action. (i) To the extent that the enactment of this act will extend the statute of limitation, that extension of the limitation period is intended to be applied retroactively, irrespective of
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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whether the claims were barred by any applicable statute of limitation under any other provision of law prior to the enactment of this act.”481
Der U.S. 9th Circuit Court of Appeals in San Francisco hat jedoch in der Restitutionssache Marei Von Saher (Erbin der Jacques Goudstikker-Sammlung) gegen das Norton Simon Museum in Pasadena vom 19.8.2009 hinsichtlich der Gemälde ‚Adam‘ und ‚Eva‘ (beide 1930) von Lucas Cranach dem Älteren (s. Abb. 34) das California Holocaust Art Recovery Statute als verfassungwidrig qualifiziert und die darin normierte Verlängerung der Verjährungszeit für die ursprünglichen Eigentümer und deren Rechtsnachfolger für Restitutionsklagen NS-bedingter Kulturgutverluste bis Ende 2010 aufgehoben.
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Von Sahers Schwiegervater, Jacques Goudstikker, erwarb die Gemälde 1931, als sie nach der Beschlagnahme im Zuge der Nationalisierung adliger Sammlungen nach der Oktoberrevolution 1917 in Russland seitens des Sowjet-Regimes in Berlin veräußert wurden. Nachdem Goudstikker nach Einmarsch der nationalsozialistischen Truppen Hollanf verlassen musste, wurden die Gemälde an die NSKunstplünderungsbehörden unter Zwang veräußert. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs vereinbarte die Goudstikker-Familie den Verbleib der Gemälde in den Niederlande. Die holländische Regierung transferierte daraufhin ‚Adam‘ und ‚Eva‘ an George Stroganoff-Scherbatoff, ein Erbe einer alten russischen Familie, der die Gemälde angeblich im Zuge der bolschewistischen Nationalisierung nach der russischen Revolution abhanden gekommen waren. Stroganoff-Scherbatoff veräußerte daraufhin die Gemälde an Norton Simon, einen amerikanischen Industriellen, der schließlich das Norton Simon Museum errichtete.482 Die Goudstikker-Erbin Marei Von Saher klagte im Jahre 2007 gegen das Museum und behauptete, dass sie erst im Jahre 2000 die beiden Gemälde lokalisieren und das Museum als aktuellen Besitzer identifizieren konnte, sodass sie im Jahre 2001 die Rückführung beanspruchen konnte. Nachdem außergerichtliche Verhandlungen in 2005 und 2007 keine Einigung brachten, beanspruchte sie im Mätz 2007 vor Gericht ihre Rechtsposition an den beiden etwa 24 Millionen US-$ teuren Gemälden.483 “Does the Norton Simon Museum in Pasadena really own one of the most prized works hanging in its galleries, Lucas Cranach the Elder’s depiction of Adam and Eve in the Garden of Eden, moments before the Fall – or should the paintings on two wood panels be handed over to the daughter-in-law
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Zitiert bei Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 417–418. Vgl. hierzu Boehm, Appeals court overturns Holocaust looted-art law, but Norton Simon suit continues, Los Angeles Times, Artikel vom 19.8.2009. Vgl. Boehm, Appeals court overturns Holocaust looted-art law, but Norton Simon suit continues, Los Angeles Times, Artikel vom 19.8.2009.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
of a Jewish art dealer who left the panels in Holland when he fled the invading Germans in 1940?”484 283
Der U.S. 9th Circuit Court of Appeals in San Francisco entschied dabei, dass die Klägerin, Marei Von Saher, sich nicht auf die speziellen Verjährungsregeln zur Restitution NS-bedingter Kulturgutverluste berufen darf. Das Revisionsgericht bestätigte damit die Ausgangsentscheidung des U.S. District Court in Los Angeles, die das California Holocaust Art Recovery Statute schon zuvor als verfassungwidrig qualifiziert und damit begründet hatte, dass „California officials overstepped their authority when they passed the state’s Holocaust art-restitution law, because they intruded on what is strictly a federal government prerogative to shape policies on war and foreign affairs.“485 Zuvor waren bereits drei andere Gesetze, die eine Wiedergutmachung NS-Unrechts bestimmten, als mit der Verfassung unvereinbar erklärt worden, weil sie die auswärtigen Beziehungen regeln würden: “[I]n 2003, the U.S. Supreme Court overturned the Holocaust Victims’ Insurance Relief Act, which required insurers to disclose information about policies they sold in Europe between 1920 and 1945, and the Ninth Circuit court of appeals invalidated a law extending the statute of limitations for claims for payment for slave labor. In 2005, the California Court of Appeal found that an extension of the statute of limitations for Holocaust-era insurance claims was not valid.”486 Ob das Urteil bestand haben wird, steht noch nicht endgültig fest, da Von Saher gegen die Entscheidung Revision einlegen kann. Der Erfolg des Rechtsmittels scheint nicht völlig ausgeschlossen, da sich einer der drei Richter des U.S. 9th Circuit Court of Appeals in einer dissenting legal opinion für die Geltung der California Holocaust Art Recovery Statute aussprach, da „the state law extending the statute of limitations for claims on Nazi-looted art does not mean California is butting in on a federal prerogative – setting policies for war reparations – but serves the state’s legitimate interest in regulating museums and galleries.“487 Auch das state attorney general’s office sprach sich in einem friend-ofthe-court brief in der Von Saher-Konstellation für die Beibehaltung der verlängerten Verjährungsfrist bei Geltendmachung NS-bedingter Kulturgutverluste aus.
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Für das Restitutionsbegehr der Goudstikker-Erbin Marei Von Saher hat die Entscheidung jedoch nicht zur Folge, dass die Rückführung der Cranach-Gemälde nunmehr ausgeschlossen ist. Da sie sich jedoch nicht mehr auf die Spezialver484
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Boehm, Appeals court overturns Holocaust looted-art law, but Norton Simon suit continues, Los Angeles Times, Artikel vom 19.8.2009. Boehm, Appeals court overturns Holocaust looted-art law, but Norton Simon suit continues, Los Angeles Times, Artikel vom 19.8.2009. Boehm, Appeals court overturns Holocaust looted-art law, but Norton Simon suit continues, Los Angeles Times, Artikel vom 19.8.2009. Zitiert bei Boehm, Appeals court overturns Holocaust looted-art law, but Norton Simon suit continues, Los Angeles Times, Artikel vom 19.8.2009.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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jährungstatbestände berufen darf, ist nun vom Ausgangsgericht festzustellen, ob die Klägerin entsprechend den regulären Verjährungsregeln Klagen durfte. Obwohl die Norton Simon Art Foundation die beiden Wertobjekte schon im Jahre 1971 erwarb, bestimmte der Court of Appeals, dass der Lauf der Verjährungsfrist solange nicht begann, bis Von Saher „discovered or reasonably could have discovered“, dass ihr weiterhin eine Eigentumsposition an den Cranach-Gemälden zusteht und sich diese im Besitz des Norton Simon Museums befanden.488 Das Museum will dagegen vor Gericht nachweisen, dass die beiden Cranach-Gemälde schon seit Jahrzehnten bekannte Attraktionen seiner Sammlung waren, lange bevor die Restitutionsklage eingereicht wurde, sodass Von Saher ihr Rückführungsbegehr zu spät lanciert habe.
E.
‚Demand and refusal rule‘: Verjährungsbeginn nach Verweigerung der Rückführungsforderung des Eigentümers durch den Besitzer
Eine oftmals fallentscheidende Ausnahme zu der in zahlreichen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika applizierten und für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr oftmals kritisierten discovery rule stellt nach Ansicht eines Großteils des kulturgüterspezifischen Schrifttums die vornehmlich im Bundesstaat New York geltende demand and refusal rule dar. Danach beginnt die (im Bundesstaat New York dreijährige) Verjährungsfrist grundsätzlich erst dann zu laufen, wenn der Restitutionskläger und Eigentümer das unrechtmäßig entzogene Kulturgut von dem Besitzer und Anspruchsgegner einer kulturellen Restitutionsklage herausverlangt (demand) und letztgenannter die Forderung der Rückführung zurückgewiesen hat (refusal).
285
“According to the demand and refusal rule, the statute of limitation does not begin to run until the owner demands that the possessor return the stolen property and the possessor refuses. This rule, in effect, presents the barring of almost all claims through the mere passage of time. While this result has been criticized from a policy respective concerning statutes of limitation in general, it has worked well for the recovery of stolen art works and antiquities.” 489
286
Der eigentlich unrechtmäßige Besitzer wird dabei bis zur Verweigerung der Rückgabeaufforderung durch den rechtmäßigen Eigentümer als bis zu diesem Zeitpunkt rechtmäßiger Besitzer betrachtet. Aufgrund der Tatsache, dass der redliche Erwerber keine Kenntnis von dem Restitutionsanspruch hat, dient das Herausgabeverlangen seitens des ursprünglichen Eigentümers dazu, den Besitzer darüber zu informieren, dass er die tatsächliche Sachherrschaft unrechtmäßig
287
488
489
Vgl. Boehm, Appeals court overturns Holocaust looted-art law, but Norton Simon suit continues, Los Angeles Times, Artikel vom 19.8.2009. Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 394.
960
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
erlangte.490 Der behauptete praktische Vorteil dieser Rechtsregel besteht darin, dass einem gutgläubigen Erwerber bis zu dem Zeitpunkt, an dem dieser von der unrechtmäßigen Besitzlage erfährt, die Möglichkeit eingeräumt wird, das illegal transferierte Kulturgut wieder an den ursprünglich Berechtigten zurückzuführen, um nicht als tortfeasor for conversion, d.h. als aufgrund rechtswidriger Handlung Schädigender, qualifiziert zu werden.491 Dieses Verständnis des Verjährungsbeginns ab dem Zeitpunkt, an dem der Kläger die Sache von dem Besitzer und Anspruchsgegner einer Restitutionsklage herausverlangt und dieser die Forderung zurückweist, wird allgemein als substantive demand requirement 492 bezeichnet. Die demand and refusal rule spielte in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, in denen New Yorker Gerichte über die Herausgabe unrechtmäßig entzogener Kunstwerke zu befinden hatten, eine ‚buchstäblich‘ entscheidende Rolle.493 Die New Yorker Rechtsprechung nimmt für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr und für die Abwägung der betroffenen Interessen der ursprünglichen Eigentümer an der Rückführung ihrer unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und der Interessen gutgläubiger Erwerber an der Erhaltung ihres kulturellen Besitzes eine weit über die Grenzen des New Yorker Kunstrechts reichende Bedeutung ein: “New York is the heart of the art and antiquities market in the United States. Thus the legal rules developed by New York courts to apply to the art market are particularly significant. The New York courts sometimes seem sensitive to their role.”494
I. 288
Genese der ‚demand and refusal rule‘ in der Entscheidung Menzel v. List des New York Supreme Court im Jahre 1966
Die Rechtssache Menzel v. List 495 stellte für die amerikanische Rechtsordnung die erste Entscheidung zur Restitution der während des Zweiten Weltkriegs unrechtmäßig entzogenen Beutekunst dar und gab dementsprechend das analytische Verfahren zur Rückführung solchermaßen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter für die amerikanische Rechtsordnung vor.496 490
491
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Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1079. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 916. So bspw. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 916. So bspw. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 171. Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 400. Menzel v. List, 267 NYS 2d 804 (Sup. Ct. 1966), Menzel v. List, 298 NYS 2d 297 (CA 1969), Menzel v. List, 279 NYS 2d 608 (Sup. Ct. 1967). Vgl. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 917–918; Eisen, The Missing Piece: A Dis-
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
961
Die im Jahre 1932 von Erna Menzel für ungefähr US-$ 150 erworbene Gouache ‚L’Échelle de Jacob‘ von Marc Chagall wurde seitens des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg (ERR) in Brüssel konfisziert, nachdem die Familie unter Zurücklassung ihres gesamten Hab und Gutes und damit auch des Gemäldes im Jahre 1940 in die Vereinigten Staaten von Amerika fliehen musste. Die Gouache galt nach Kriegsende als verschollen. Sämtliche Versuche der Eigentümer Menzel, diese aufzufinden, schlugen fehl. Im Jahr 1955 wurde das Gemälde von Klaus Perls und seiner Frau Amelia Perls, Inhaber der bekannten New Yorker Perls Gallery, für US-$ 2.800 von der Pariser Kunstgalerie Art Moderne erworben. Noch im selben Jahr veräußerten die Perls die Gouache an Albert List für US-$ 4.000. Eine nachträgliche Lokalisierung des Gemäldes während der Zeitspanne von 1941 und 1955 war auch später nicht mehr möglich. Die Menzels hörten auch nach der Emigration in die Vereinigten Staaten von Amerika nicht auf, nach dem Gemälde zu suchen. Die Gouache blieb im Privatbesitz von List, bis Erna Menzel im Jahre 1962 Kenntnis von dem Aufenthaltsort und dem Besitzer der Gouache erhielt. Im Jahre 1962 entdeckte Erna Menzel einen Anhaltspunkt über ‚ihren‘ Chagall in einem neu erstellten Verzeichnis, das mit dem Hinweis versehen war, dass sich das Gemälde in Albert Lists Besitz befindet. Unverzüglich forderte sie List zur Rückgabe der Chagall-Gouache auf. Dieser verweigerte jedoch die Herausgabe unter Hinweis auf seinen rechtswirksamen Kauf bei der Perls Gallery im Jahre 1955 und auf seinen inzwischen achtjährigen Privatbesitz. List berief sich in seiner Verteidigung somit darauf, dass eine Klage bereits aus Gründen der Verjährung (extinctive prescription) ausgeschlossen sei: Er begründete seine Ansicht damit, dass die dreijährige Verjährungsfrist des Staates New York bereits im Jahre 1941 zu laufen begann, spätestens jedoch im Jahre 1955, als er selbst das Gemälde gutgläubig erwarb, sodass in der konkreten Fallkonstellation Verjährung eingetreten sei, die eine Geltendmachung der replevin-Klage ausschließen würde.
289
Zunächst stellte das Gericht die Völkerrechtswidrigkeit der außerhalb des deutschen Staatsgebietes (im besetzten Belgien) im Krieg erfolgten Konfiskationen der Kunstwerke aufgrund eines Verstoßes gegen das Völkergewohnheitsrecht und die Grundsätze der Haager Landkriegsordnungen von 1899 und 1907 fest. In einem zweiten Schritt wurde die zivilrechtliche Wirkungslosigkeit der kulturellen Beutenahme (d.h. zuvor völkerrechtswidrig kriegsbedingt entzogener Kulturgüter) und damit das Wechselspiel der monolateralen Einflussnahme völkerrecht-
290
cussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1079; Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 93–97 und S. 269–270; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 326– 327; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 129.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
licher Grundprinzipien auf nationale Zivilrechtsordnungen 497 von Justice Arthur G. Klein des Supreme Court of New York festgestellt. Aufgrund des im Common Law geltenden nemo dat-Prinzips wurde keine derivative Veräußerung der Gouache mit der Rechtsfolge des Eigentumsverlustes versehen. Fraglich war allein, ob das weiterhin bestehende Recht aus der Eigentumsposition von Frau Menzel, die Herausgabe gegenüber dem aktuellen Besitzer List zu verlangen, nicht verjährt war. Der New York Supreme Court entschied jedoch, dass Mrs. Menzel die rechtmäßige Eigentümerin des Chagalls und aus diesem Grund auch zur Rückführung berechtigt sei. Das Gericht bestätigte damit die Meinung, dass eine Restitutionsklage unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nicht aus Gründen der Verjährung ausgeschlossen werde, und begründete seine Entscheidung damit, dass die Frist erst dann zu laufen begonnen habe, nachdem List die Herausgabe des Kunstwerks nach dem Restitutionsbegehren seitens Mrs. Menzels verweigert habe.498 291
“The defense of the Statute of Limitations appears to be based on the lapse of time since 1941 when the painting is asserted to have been stolen from the plaintiff, or since 1955 when List bought the painting from Perls. This defense, however, has been hold unavailable to the defendants in this action, by the decision of Streit, J. Feb. 7, 1964, affd, 22 A D 2d 647 (Oct. 6, 1994). In replevin, as well as in conversion, the cause of action against a person who lawfully comes by a chattel arises, not upon the stealing or the taking, but upon the defendant’s refusal to convey the chattel upon demand.” 499
292
Bei Applikation der materiell-rechtlichen demand and refusal rule des Bundesstaates New York konnte somit Erna Menzel noch mehr als zwanzig Jahre nach dem Verlust des Kunstwerks von dem gutgläubigen Erwerber Albert List ihr Chagall-Gemälde zurückverlangen. Der New York Supreme Court erteilte somit sowohl der Ansicht eine Absage, die den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist im Zeitpunkt des unrechtmäßigen Entziehungsaktes verankerte, als auch der Meinung, die den (gutgläubigen) Erwerb des Gemäldes seitens des restitutionsverpflichteten Erwerbers als den entscheidenden Moment betrachtete. Drum fasst die Schlüsselelemente der Menzel-Entscheidung hinsichtlich einer zivilrechtlichen Restitutionsklage illegal transferierter Kulturgüter innerhalb des amerikanischen Bundesstaates New York wie folgt prägnant zusammen:
293
“The statute of limitations begins to run only after the original owner locates the art work, demands its return from the good-faith purchaser, and is refused. Absent laches, which turns on the plaintiff’s unreasonable delay and on prejudice to the defendant
497
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499
Vgl. auch Werner, Die sachenrechtliche Zuordnung von Raub- und Beutekunst, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern, 2002, S. 261–276, S. 264–265. DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 451–452. Menzel v. List, 267 NYS 2d 804 (Sup. Ct. 1966).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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purchaser, a considerable lapse of time between the art theft and the relocation of the painting – in Menzel, well over twenty years – does not time-bar the suit.” 500
Die spezielle Ausgewogenheit der Entscheidung und die Wahrung der Interessen gutgläubiger Erwerber werden somit allein dadurch gesucht, dass die zur Restitution verpflichtete Partei ein zu zögerliches Verhalten innerhalb der Lokalisierungsbemühungen auf Seiten des klagenden Eigentümers mittels des allgemeinen Verwirkungseinwandes bemängeln kann, wenn eine Rechtsbeeinträchtigung bzw. ein Schaden bei der beklagten Partei aufgrund der schuldhaften Verzögerung der Geltendmachung des Restitutionsanspruchs auf Klägerseite zu konstatieren ist. „Laches would limit the troubling possibility … that owners, knowing the relevant facts, could wait idly for decades, or even centuries, before any legal obligation arose to pursue their claims.“501 Darüber hinaus findet eine Balance der unterschiedlichen Interessen dadurch statt, dass dem Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach einer gegen ihn positiv geführten Herausgabeklage des ursprünglichen Eigentümers ein Rechtsmittel gegen den Veräußerer aufgrund breach of implied warranty zusteht.502 Damit wies der Fall um die Herausgabe der Gouache ‚L’Échelle de Jacob‘ von Marc Chagall als erste Restitutionsklage unrechtmäßig entzogener Beutekunst nach Ende des Zweiten Weltkriegs innerhalb des Territoriums der Vereinigten Staaten von Amerika den Weg für weitere zivilrechtliche Restitutionsklagen kriegsbedingt entzogener Kulturgüter der nationalsozialistischen Besatzungsmacht Deutschlands im besetzten Ausland.503
294
Nur kurze Zeit später fand die demand and refusal rule auch in der Entscheidung Re Estate of McCagg 504 Anwendung. Darin führte der District of Columbia Court of Appeals aus, dass ein Herausgabeanspruch zweier Gemälde aus einem zeitlich unbefristeten Verwahrungsverhältnis so lange nicht entsteht und der Lauf der Verjährung startet, bis der Eigentümer die Herausgabe verlangte und diese seitens des aktuellen Besitzers verweigert wurde, bzw. der Verwahrer entgegen den Vereinbarungen in dem Verwahrungsverhältnis agierte.505 Nachdem
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Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 918. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 942. Menzel v. List, 24 N.Y.2d 91, 246 N.E.2d 742, 298 N.Y.S.2d 979, 6 UCC Rep.Serv. 330, Erna Menzel, Plaintiff-Respondent, v. Albert A. List, Defendant-Appellant, and Third-Party Plaintiff-Respondent; Klaus G. Perls et al., Doing Business under the Name of Perls Galleries, Third-Party Defendants-Appellants; Court of Appeals of New York, Argued January 7, 1969; Decided February 26, 1969. Vgl. zu den Sachverhaltsangaben Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 93–97 und S. 269–270; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 326–327; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 129. Re Estate of McCagg, 450 A.2d 414 (D.C. 1982). Re Estate of McCagg, 450 A.2d 414 (D.C. 1982), S. 416.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
die Rechtsnachfolger des verwahrgebenden Eigentümers in der Rechtssache Re Estate of McCagg nach Aufforderung und nach Verweigerung der Herausgabe seitens des aktuellen Besitzers innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen Klage erhoben, erklärte das Gericht, dass trotz des Ablaufs einer Zeitspanne von 64 Jahren nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt „their suit was timely“.506
II.
296
‚Demand‘ und ‚refusal‘ als Entstehungsvoraussetzungen eines kulturellen Restitutionsanspruchs in Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon
Weitreichende Ausführungen zu der Frage der temporalen Präklusion kultureller Restitutionsansprüche und zu der Anwendung der demand and refusal rule vor den New Yorker Gerichten enthalten die Entscheidungen in der Rechtssache Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon507. In den bereits mehrfach zitierten Entscheidungen wurde die Restitution der beiden Porträts von ‚Hans und Felicitas Tucher‘ von Albrecht Dürer begehrt. Die Sachverhaltskonstellation wurde Gegenstand von sieben amerikanischen Gerichtsentscheidungen508, die in den Jahren 1970 bis 1982 ergangen sind.509 Die Urteile betreffen bekanntermaßen die Restitutionsansprüche zweier, unmittelbar nach Ende des zweiten Weltkriegs auf der Schwarzburg bei Rudolstadt in Thüringen verwahrter, von einem unbekann-
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509
Re Estate of McCagg, 450 A.2d 414 (D.C. 1982), S. 415, 419. Vgl. auch die Entscheidung Desiderio v. D’Ambrosio, 190 N.J. Super. 424, 463 A.2d 986 (Ch. Div. 1983). “Here, the court held that a gratuitous bailment of indefinite duration survived only for a reasonable time. Id. at 428, 463 A.2d at 987–88. In the absence of the bailor’s demand for return of the chattel, or special circumstances, or a manifest contrary intention of the parties, the bailor’s right of action for replevin lapsed at the end of that period. Id. at 43031, 463 A.2d at 989. Fundamentally, Desiderio and McCagg differ on the length of time that a gratuitous bailment of indefinite duration survives. While the Desiderio court construed such a bailment to survive only a reasonable time, id. at 428, 463 A.2d at 987–88, the McCagg court interpreted the bailment to survive indefinitely. McCagg, 450 A.2d at 417. Because these courts differed on the interpretation of the duration of the underlying bailment, they necessarily differed on the accrual of the statute of limitations.” Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 922. Vgl. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747 (E.D.N.Y. 1970); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747, 753 (E.D.N.Y. 1972) (Supplemental Opinion); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 478 F.2d 231 (2d Cir. 1973); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 14 International Legal Materials (I.L.M.) 806 (E.D.N.Y. 1975); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 813 (E.D.N.Y. 1978); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982). Zu den förmlichen Prozessvoraussetzungen vgl. die Ausführungen bei Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 418–419 m.w.N. Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415.
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965
ten amerikanischen Soldaten nach New York verbrachter und dem Rechtsanwalt und Kunstsammler Elicofon im Jahre 1946 erworbener Dürer-Gemälde. Die Kunstsammlungen zu Weimar, die Erbgroßherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach und die Bundesrepublik Deutschland beanspruchten die Restitution der beiden Dürer-Porträts von dem gutgläubigen Erwerber der Gemälde jeweils an sich selbst.510 Wie bereits einführend erläutert, wurden im Mai 1966 im Hause des New Yorker Anwalts Elicofon die zwei Dürer-Porträts von ‚Hans und Felicitas Tucher‘ entdeckt, die aus dem Museum der Kunstsammlungen zu Weimar stammten und bei Kriegsende aus dem Auslagerungsdepot verschwunden waren. Unmittelbar nach dem Diebstahl begann der damalige Museumsdirektor mit der Suche nach den beiden Gemälden, nachdem die unrechtmäßige Entziehung öffentlich von diesem gemeldet wurde. Edward Elicofon erwarb sie angeblich im Jahre 1946 in New York von einem entlassenen amerikanischen Soldaten für US-$ 450. Erst
510
Vgl. Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 255–256; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 177–179; DePorter Hoover, Title Disputes in the Art Market: An Emerging Duty of Care for Art Merchants, The George Washington Law Review 51 (1983), S. 443–464, S. 452–453; Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 923–925; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 73–74; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 25; Killellea, Property Law: International Stolen Art – Kunstsammlungen zu Weimar vs. Elicofon, Harvard International Law Journal 23 (1982), S. 466 ff.; Drobnig, Amerikanische Gerichte zum internationalen Sachenrecht auf dem Hintergrund der Teilung Deutschlands, IPRax 1984, S. 61–65, S. 61– 65; Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht 15, 1985, S. 18 ff., S. 18–19; Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 415–424, Hanisch, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis, Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 193–224, S. 215 ff.; Walter, Rückführung von Kulturgut im Internationalen Recht, 1988, S. 22–23; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 26–27, 41 ff. u. 75–76; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68, S. 55–56 ff.; Reichelt in Sladek, Das kulturelle Erbe im Risiko der Modernität: Salzburger Symposium 1992, 1993, S. 63–64; Stoll, Sachenrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes in Fällen mit Auslandsberührung, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes – Symposium vom 22./23. Juni 1990 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg, 1994, S. 53 ff., S. 54–55; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 60–61; von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz – Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 541; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 142 ff.; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 161; Richard/Junker, Hans und Felicitas Tucher in New York – Deutsches Sachenrecht vor amerikanischen Gerichten, JURA 1985, S. 415–424, S. 422.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
20 Jahre später erfuhr er von Experten die Herkunft und den enormen Wert der Gemälde. Die Entdeckung wurde in einem Artikel der New York Times am 30. Mai 1966 veröffentlicht und von einem Angestellten des Metropolitan Museum als „discovery of the century“ bezeichnet. Die Kunstsammlungen zu Weimar forderten im September 1966 die Rückführung der beiden Porträts nach Deutschland, die Rückgabe wurde jedoch prompt verweigert. Elicofon machte vor Gericht geltend, dass die New Yorker Verjährungsregeln spätestens zum Zeitpunkt seines Rechtserwerbs zu laufen begonnen hätten, sodass die Restitutionsklage der Kunstsammlungen zu Weimar temporal präkludiert gewesen sei. Von 1969 bis 1982 prozessierten die Bundesrepublik Deutschland, die Erbgroßherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach sowie die Kunstsammlungen zu Weimar gegen den amerikanischen Besitzer in New York um die beiden Gemälde. 298
Somit hat Elicofon im Oktober 1966 die Verweigerung der Herausgabe der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter gegenüber den Kunstsammlungen zu Weimar erklärt und im April 1969 traten diese in die von der Bundesrepublik Deutschland begonnene Klage ein. Die anwendbaren New Yorker Verjährungsregelungen bestimmen eine dreijährige Verjährungsfrist in N.Y.C.P.L.R. § 214 (3). Die vor Gericht umstrittene Frage war jedoch, wann der Lauf der Verjährungsfrist startete, bzw. wann der Restitutionsanspruch gegenüber Elicofon entstanden war. Nimmt man an, dass das Recht, die Herausgabe der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter zu verlangen, in dem Moment entsteht, in dem Elicofon die Herausgabe verweigerte, dann war die Klage der Kunstsammlungen zu Weimar im Jahr 1969 fristgemäß lanciert. Geht man jedoch davon aus, dass der Restitutionsanspruch bereits im Jahre 1946 in dem Moment entstand, als Elicofon die beiden unrechtmäßig aus Deutschland entzogenen Kunstwerke gutgläubig erworben hatte, wäre der Restitutionsanspruch der Kunstsammlungen zu Weimar aufgrund der damals sechsjährigen Verjährungsfrist temporal präkludiert.
299
Judge Mishler des Eastern District of New York511 entschied zunächst, dass unter Geltung der New Yorker Verjährungsregelungen der Restitutionsanspruch der Kunstsammlungen zu Weimar im Jahre 1966 entstand und dass, selbst bei Annahme des Verjährungsbeginns im Jahre 1946, der Lauf der Verjährung gehindert sei, da die Vereinigten Staaten von Amerika die DDR zu diesem Zeitpunkt nicht als Staat anerkannten und dementsprechend eine Klage dieses Staates ausscheiden musste. Das angerufene Ausgangsgericht bestimmte zunächst unter Anwendung New Yorker Rechtsregeln, dass der ursprüngliche Eigentümer nicht ungerechtfertigterweise seinen Herausgabeanspruch gegenüber dem momentanen Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft eines illegal transferierten Gemäldes verzögern und der Lauf der Verjährungsfrist nicht willkürlich seitens der
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Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 813 (E.D.N.Y. 1978); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981).
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klagenden Partei hinausgeschoben werden dürfe. Judge Mishler hob in seiner Entscheidung jedoch deutlich die speziellen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles hervor, die jeweils zu bestimmen hätten, welche Umstände für den Lauf und die Länge einer angemessenen Periode entscheidend wären. Auch wenn der ursprüngliche Eigentümer in seinen Einlassungen vor Gericht eine bestimmte, auf ihm lastende Sorgfaltspflicht zur Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Porträts dementierte, so wurde diesem Anliegen seitens des District Court in dem Urteil nicht entsprochen, da das Gericht darüber gerade keine Rechtsentscheidung traf, sondern vielmehr in der konkreten Sachverhaltskonstellation davon ausging, dass der ursprüngliche Eigentümer zumindest sämtliche tatsächlich zu diesem Zeitpunkt möglichen Bemühungen unternommen hatte, um die abhandengekommenen Gemälde zu lokalisieren.512 Der Second Circuit des United States Court of Appeals stimmte zwar der Anwendung der demand and refusal rule und dem Ergebnis des Eastern District of New York zu, formulierte jedoch erstmals den rechtskonstruktiven Hintergrund der Regelung: Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass unter der New Yorker Rechtsordnung ein gutgläubiger Erwerber gestohlener Gegenstände allgemein erst dann deliktisch handelt, wenn er die berechtigte Forderung des Eigentümers auf Rückführung der unrechtmäßig entzogenen Sachen verweigert. Bis zu diesem Zeitpunkt der Rückführungsverweigerung ist der aktuelle Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter somit als rechtmäßiger Besitzer anzusehen. Explizit hatte der United States Court of Appeals zu untersuchen, ob die Restitutionsforderung des ursprünglichen Eigentümers gegenüber dem Besitzer des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Restitutionsanspruchs ist, sodass die Rückführungsforderung erst in dem Moment entsteht und der Lauf der Verjährungsfrist dann beginnen würde, wenn die Rückführungsforderung des Eigentümers seitens des Besitzers abgelehnt würde. Andererseits ist bei einer rein prozessualen Qualifizierung der Herausgabeaufforderung (d.h. Rückführungsforderung und Ablehnung der Rückführung sind keine Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs und das rechtlich zu wertende Verhalten des potenziellen Restitutionsschuldners war schon vor der Rückführungsforderung vollendet) § 206 (a) der N.Y.C.P.L.R. anwendbar und der Lauf der Verjährungsfrist beginnt, wenn das „right to make the demand is complete“.513
300
Unter Rückgriff auf die Entscheidung Menzel v. List des New York Supreme Court im Jahre 1966 führte auch der Second Circuit des United States Court of Appeals in Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon aus, dass die Rückführungs-
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512 513
Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, F. Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981), S. 849–850. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982), unter Verweis auf Ganley v. Troy City Nat’l Bank, 98 N.Y. 487, 494 (1885) und weiteren Entscheidungen.
968
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
forderung des Eigentümers (demand) und die Verweigerung der Herausgabe der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter (refusal) materiell-rechtliche Voraussetzungen der Restitutionsforderung des Eigentümers darstellen, dass § 206 (a) der N.Y.C.P.L.R. keine Anwendung finden könne und die Verjährung des Herausgabeanspruchs erst mit dem Moment der Verweigerung der Rückführung an den Eigentümer beginnt. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen entstand die Restitutionsforderung der Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon hinsichtlich der beiden Dürer-Porträts nicht vor Oktober 1966, als Elicofon ablehnte, das Rückführungsbegehr der Klägerin zu erfüllen. Zum Zeitpunkt der Klage im Jahre 1969 war die dreijährige Verjährungsfrist dementsprechend noch nicht verstrichen. 302
Elicofon betonte innerhalb seines Klageeinwandes, dass der Restitutionsanspruch bereits im Jahre 1946 zum Zeitpunkt seines Erwerbs der beiden Porträts entstanden war und dementsprechend die Verjährung des Herausgabeanspruchs auch dann bereits zu laufen begann, unabhängig davon, wann der aktuelle Besitzer mit der Verweigerung der Rückführungsforderung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter deliktisch gegenüber dem Eigentümer handelte. Der Second Circuit des United States Court of Appeals betonte jedoch das falsche Rechtsverständnis Elicofons zwischen materiell-rechtlichen und prozeduralen Ansprüchen: “Indeed, the very notion of a substantive demand requirement is that, despite having a right to the property, the true owner must nevertheless demand its return and be refused before he has a cause of action at all against the refuser. We therefore reject Elicofon’s attempt to re-interpret § 206(a) to render meaningless the concept of substantive demand.”514
303
Hauptkritikpunkt Elicofons an der Anwendung der demand and refusal rule ist jedoch die Besserstellung eines Diebes und eines bösgläubigen sowie unredlichen Erwerbers gegenüber einem gutgläubigen, da bei den Erstgenannten die Verjährungsfrist in dem Moment des unrechtmäßigen Entziehungsaktes bzw. des illegalen Kulturgütertransfers beginnt, während gegenüber gutgläubigen Erwerbern der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist erst in dem Moment der Verweigerung der Herausgabe nach der Rückführungsforderung seitens des Eigentümers beginnt:
304
“Elicofon contends that the Menzel rule should be abandoned because it favors a thief as against a bona fide purchaser, since for a thief the statute of limitations begins to run immediately upon the theft while a bona fide purchaser must wait, possibly indefinitely, for a demand from the owner. Insofar as a bad faith purchaser is treated as a thief for the purposes of the statute of limitations, Elicofon contends that the bad faith purchaser is also preferred by the Menzel rule to the good faith purchaser. This, he argues, is anomalous, since the demand rule, whose original rationale was to ensure that the innocent purchaser would be informed of his defect in title before being made liable as a tortfeasor, …, is intended for the benefit of the innocent purchaser.”515
514 515
Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982). Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
969
Der Einwand ist nicht von der Hand zu weisen: Die demand and refusal rule ist wirklich allein gegenüber gutgläubigen Erwerbern anwendbar. Das bedeutet, dass die Verjährungsfrist nicht unmittelbar gegenüber dem gutgläubigen Erwerber, jedoch direkt gegenüber der für die unrechtmäßige Entziehung verantwortlichen Person (in dem Moment des unrechtmäßigen Entziehungsaktes) und dem bösgläubigen Erwerber (in dem Moment des illegalen Transfers) beginnt. Dem widersprach der Second Circuit des United States Court of Appeals in Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon im Ergebnis jedoch zu Recht vehement und wandte ein, dass seit der Entscheidung des New York Court of Appeals in der Rechtssache General Stencils, Inc. v. Chiappa 516 die in der Entscheidung Menzel v. List des New York Supreme Court im Jahre 1966 für den (inter-)nationalen Kulturgütertransfer ins Leben gerufene demand and refusal rule keine Bevorzugung des Diebes und eines bösgläubigen Erwerbers gegenüber dem gutgläubigen zur Folge habe. Vielmehr hindern die principles of equitable estoppel (Grundsätze von Treu und Glauben) einen Dieb oder bösgläubigen Erwerber, sich bei einem Restitutionsanspruch des ursprünglichen Eigentümers auf eine temporale Präklusion zu berufen und damit „take refuge behind the shield of his own wrong.“517
305
Der Second Circuit des United States Court of Appeals rechtfertigt diese Unterscheidung auch damit, dass der gutgläubige Erwerber zunächst nicht deliktisch handelte und dementsprechend auch nicht für den Verlust des Eigentums oder eine Verletzung der Sache verantwortlich ist, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Rückführungsforderung des Eigentümers seitens des Besitzers verweigert wird. Im Rechtsmittelverfahren bezog der Second Circuit des United States Court of Appeals – anders als der Eastern District of New York – zu einem möglichen due diligence-Erfordernis seitens des klagenden ursprünglichen Eigentümers zur Lokalisierung von ihm unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Stellung und entschied, dass eine derartige Voraussetzung gerade kein Bestandteil der New Yorker materiell-rechtlichen demand and refusal-Regel sei.518 Dabei berief sich der Second Circuit auf die Menzel-Entscheidung und führte aus, dass „as between the policy … of allowing the statute of limitations to run against an owner regardless of his ignorance, and tolling it indefinitely against a good-faith purchaser until a demand is made, we are satisfied that New York has chosen the latter course“519. Folge war, dass der Restitutionsanspruch erst im Jahre 1966 nach der Verweigerung der Rückführung der beiden Porträts von Elicofon an die Kunstsammlungen zu Weimar entstanden ist, eine Verjährung somit abzulehnen war und die beiden Dürer-Gemälde schließlich den Kunstsammlungen zu Weimar zugesprochen wurden.
306
516 517
518 519
General Stencils, Inc. v. Chiappa, 272 N.Y.S.2d 337 (1966). General Stencils, Inc. v. Chiappa, 272 N.Y.S.2d 337 (1966), S. 339, zitiert bei Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982). Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982), S. 1163–1164. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982), S. 1164.
970
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
III. Neueinführung spezieller ‚due diligence‘-Anforderungen seitens des Eigentümers neben der ‚demand and refusal rule‘ innerhalb der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche in DeWeerth v. Baldinger 307
Obwohl die New Yorker Gerichte – wie Menzel v. List und Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon – innerhalb der Frage nach dem Beginn der Verjährung traditionell der demand and refusal rule folgten, galten auch innerhalb der Rechtsordnung des amerikanischen Bundesstaates New York als wichtigster Gradmesser der Bedürfnisse des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs in der Zeit von 1987 bis Februar 1991 faktisch die speziellen Sorgfaltsanforderungen an die Restitutionsgläubiger der constructive discovery rule als Kompromiss zwischen den berechtigten Interessen des restitutionsberechtigten Eigentümers und des Besitzers der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter. Nachdem der Lauf der Verjährungsfrist innerhalb New Yorks traditionell entsprechend der demand and refusal rule bestimmt wurde, wurde den New Yorker Gerichten in der Rechtssache DeWeerth v. Baldinger 520 die Möglichkeit eröffnet, darüber zu entscheiden, ob der Restitutionsanspruch des Eigentümers eines während des Zweiten Weltkriegs oder unmittelbar danach unrechtmäßig entzogenen Gemäldes im Jahre 1987 aufgrund des allgemeinen Verjährungseinwandes gegenüber einem gutgläubigen Erwerber temporal präkludiert sein sollte.521
520
521
DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987), cert. denied 108 S. Ct. 2823 (1988), die die erstinstanzliche Entscheidung DeWeerth v. Baldinger, 658 F. Supp. 688 (SDNY 1987), revidierten. Ausführlich zu der Entscheidung: Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 925–932; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 240–241; Furtak, Abschluß im New Yorker Verfahren DeWeert v. Baldinger um den gutgläubigen Erwerb eines Monet, IPRax 1995 (Heft 2), S. 128–129, S. 128; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373– 422, S. 394–398; Mansel, DeWeerth v. Baldinger – Kollisionsrechtliches zum Erwerb gestohlener Kunstwerke, IPRax 1988, S. 268–271; McKenna, Problematic Provenance: Toward a Coherent United States Policy on the International Trade in Cultural Property, Journal of International Business Law 12 (1991), S. 83–124, S. 103–104; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 44–45; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68, S. 57 ff.; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 62; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 143 ff.; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 179–182; Siehr, Gutgläubiger Erwerb von Kunstwerken in New York – DeWeerth v. Baldinger erneut vor Gericht, IPRax 1993, Heft 5, S. 339–340.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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Gerda DeWeerth, zum Zeitpunkt der Klage wohnhaft in Westdeutschland, klagte gegen Edith Baldinger aus New York auf Herausgabe des Gemäldes ‚Champs de blé à Vétheuil‘ bzw. ‚Wheat Field‘ (1881) von Claude Monet (s. Abb. 35), die das zum Zeitpunkt der Klage ca. 500.000 US-Dollar teure Kunstwerk viele Jahre zuvor gutgläubig in einer New Yorker Kunstgalerie erworben hatte. Das Gemälde ist Teil einer Serie impressionistischer Landschaftsbilder, die Monet in der Nähe der nordfranzösischen Stadt Vétheuil nahe der Seine zeichnete. Das Kunstwerk war vom Künstler signiert und datiert. Der Ursprung des Rechtsstreits um das Monet-Gemälde liegt bereits in der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Im Jahre 1943 übersandte Frau DeWeerth das Kunstwerk ihrer Schwester nach Süddeutschland zur sicheren Aufbewahrung aufgrund der Wirren des in Deutschland tobenden Krieges. Nachdem im Jahre 1945 in das Haus der Schwester amerikanische Soldaten einquartiert worden waren, verschwand das Gemälde nach deren Auszug spurlos.
308
Im Jahre 1981 erfuhr Frau DeWeerth von der Aufnahme des Monet in eines der Werkverzeichnisse. Da dort keine Referenz auf die Erwerberin Baldinger verwies und die Galerie Wildenstein sich verweigerte, Baldinger als die seinerzeitige Erwerberin des Gemäldes preiszugeben, klagte Frau DeWeerth gegen die Galerie Wildenstein vor dem New York Supreme Court auf Identifizierung und Offenlegung des Erwerbers und aktuellen Inhabers der Sachherrschaft des Monet. Die Klage basierte auf Section 3102 (c) des N.Y. Civ. Prac. L. & R., wonach „before an action is commenced, disclosure to aid in bringing an action, to preserve information or to aid in arbitration, may be obtained, but only by court order.“ Der New York Supreme Court entschied zugunsten von Frau DeWeerth, sodass die Galerie Wildenstein sich dazu gezwungen sah, die Identität Baldingers als Käuferin des Monet preiszugeben. Unmittelbar nach Identifizierung der Besitzerin des Gemäldes und dessen Lokalisierung verlangte Frau DeWeerth die Rückführung des Monet von Frau Baldinger. Diese verweigerte jedoch eine Restitution, sodass Frau DeWeerth Klage vor dem Federal District Court for the Southern District of New York auf Herausgabe des Gemäldes einreichte. Zwischen den Parteien stand außer Streit, dass Frau Baldinger das Gemälde gutgläubig erworben hatte, ohne dass ihr die Provenienz des Kunstwerks oder ein Anspruch von Frau DeWeerth auf das Gemälde beim Kauf bekannt war. Frau Baldinger erhob ihrerseits Klage gegen die Galerie Wildenstein entsprechend Section 42 (b) der Federal Rule of Civil Procedure (sog. third-party action).522
309
Die amerikanischen Gerichte stützten sich bei der Herausgabeklage von Frau DeWeerth innerhalb der Frage nach der anwendbaren Rechtsordnung auf die Erwägung, dass New York der Ort des Deliktes sei, da dort die Beklagte Baldinger
310
522
Vgl. zu diesen Tatsachenangaben die Entscheidungen: DeWeerth v. Baldinger, 658 F. Supp. 688, 692 (S.D.N.Y.), rev’d, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987), cert. denied, 108 S. Ct. 2823 (1988).
972
5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
einerseits den Besitz am Bild erhielt sowie hält und andererseits die Herausgabe verweigerte, worin auch bei fehlendem Verschulden ein deliktisches Handeln gesehen wird, das den Tatbestand der conversion erfüllt.523 311
In dieser Konstellation ging der Second Circuit des United States Court of Appeals – wie sich kurze Zeit später nach Erlass der Guggenheim-Entscheidung herausstellen sollte – zu Unrecht davon aus, dass aufgrund der besonderen Interessenverteilung innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs zusätzlich zu der traditionell in dem Bundesstaat New York applizierten demand and refusal rule auch due diligence-Anforderungen des Eigentümers i.S.d discovery rule in der Bestimmung des Verjährungsbeginns notwendig seien.524
312
Die unrechtmäßige Entziehung wurde nach dem Abzug dort einquartierter USSoldaten bemerkt. Zwischen 1946 und 1957 versuchte die deutsche Eigentümerin des gestohlenen Monet erfolglos eine Lokalisierung des Gemäldes zu erreichen und informierte amerikanische und deutsche Militär- wie Zivilverwaltungsbehörden, ihren Anwalt und einen Kunstexperten. DeWeerth blieb jedoch verborgen, dass das Gemälde bis ins Jahr 1956 in der Schweiz in der Galerie von Francois Reichenbach ausgestellt war. Dort hat auch die New Yorker Galerie Wildenstein & Co. das Kunstwerk erworben, ohne jedoch die Provenienz des Gemäldes zu erforschen. Über die öffentliche Ausstellung in der Schweiz hinaus sind innerhalb des kunstspezifischen Schrifttums vier weitere Verweise auf das Gemälde erkenntlich: Eine Nennung erfolgte in dem von D. Wildenstein verfass523
524
Vgl. Mansel, DeWeerth v. Baldinger – Kollisionsrechtliches zum Erwerb gestohlener Kunstwerke, IPRax 1988, S. 268–271, S. 269. Ausführlich zu der Entscheidung hinsichtlich einer ‚(constructive) discovery‘-Regel: Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 925–932; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 240–241; Furtak, Abschluß im New Yorker Verfahren DeWeert v. Baldinger um den gutgläubigen Erwerb eines Monet, IPRax 1995 (Heft 2), S. 128–129, S. 128; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 394–398; Mansel, DeWeerth v. Baldinger – Kollisionsrechtliches zum Erwerb gestohlener Kunstwerke, IPRax 1988, S. 268–271; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 44–45; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41– 68, S. 57 ff.; Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz – Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsfortentwicklung, 1994, S. 62; Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1994, S. 143 ff.; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 179– 182; Siehr, Gutgläubiger Erwerb von Kunstwerken in New York – DeWeerth v. Baldinger erneut vor Gericht, IPRax 1993, Heft 5, S. 339–340; McKenna, Problematic Provenance: Toward a Coherent United States Policy on the International Trade in Cultural Property, Journal of International Business Law 12 (1991), S. 83–124, S. 108–109; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 172–175; Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 422–424.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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ten Catalogue Raisonné von Claude Monet aus dem Jahre 1974525, in dem Werk ‚One Hundred Years of Impressionism: A Tribute to Durand-Ruel‘ von Wildenstein & Co. Inc. aus dem Jahr 1970526, in ‚Impressions‘ von D. Wildenstein und Monet aus dem Jahre 1967527 sowie in der Bearbeitung ‚Festival of Art‘ der Federation of Jewish Philanthropies of New York aus dem Jahre 1957 528. Diese Verweise blieben der Klägerin jedoch verborgen. Während der Catalogue Raisonné die Veräußerung des Gemäldes durch die New Yorker Galerie Wildenstein & Co. und eine Zurschaustellung im Jahre 1970 indizierte, wurden jedoch keine Provenienzangaben vor dem Wildenstein-Besitz angegeben. Erst im Jahre 1981 erfuhr DeWeerth, dass das Gemälde in den Catalogue Raisonné aufgenommen worden war, ohne dass jedoch die Erwerberin Baldinger daraus ersichtlich wurde. Erst nachdem sich die Galerie Wildenstein & Co. durch eine Entscheidung des New York Supreme Court gerichtlich dazu gezwungen sah, wurde der Restitutionsklägerin DeWeerth die Identität der aktuellen Besitzerin des Monet eröffnet. Unmittelbar verlangte DeWeerth die Restitution des Gemäldes von Baldinger. Nachdem letztgenannte eine Rückführung jedoch ausgeschlossen hatte, klagte DeWeerth vor dem Federal District Court for the Southern District of New York auf Herausgabe des Gemäldes. Der Federal District Court for the Southern District of New York entschied zunächst, dass die Restitutionsklage entsprechend der demand and refusal rule innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist nach Rückgabeaufforderung durch die Eigentümerin und Verweigerung seitens der Besitzerin gerichtlich verfolgt wurde. Da der Federal District Court auch feststellen konnte, dass DeWeerth die in New York notwendige due diligence-Voraussetzung des Eigentümers zwischen dem Entzugszeitpunkt und der Wiederentdeckung in Baldingers Besitz erfüllt hatte, bestätigte das Gericht die Restitutionsforderung. Das erstinstanzliche Gericht behandelte damit den Verjährungseinwand, die Unterlassung besonderer due diligence-Erfordernisse und einen möglichen Verwirkungseinwand als einheitliche Fragestellung einer temporalen Präklusion. Darüber hinausgehend musste das Gericht gerade nicht dazu Stellung nehmen, ob der Kläger eine Pflicht zu einer sorgfältigen Lokalisierung des abhandengekommenen Gemäldes erfüllt hatte, da nach Ansicht des Richters Vincent L. Broderick die klagende Gerda DeWeerth sowieso die notwendigen Nacherforschungsbemühungen hinsichtlich des Verbleibs des Gemäldes erfüllt hatte. Der Federal District Court bestimmte dementsprechend nur, dass keine unverhältnismäßige Verzögerung bei der Geltendmachung des Restitutionsanspruchs auf Seiten der klagenden Partei zu konstatieren sei, sodass der Anspruch nicht präkludiert sei. 525 526
527 528
Wildenstein, D., Claude Monet, Bibliographie et Catalogue Raisonné, 1974, S. 370. Wildenstein & Co. Inc., One Hundred Years of Impressionism: A Tribute to Durand-Ruel, 1970, No. 43. D. Wildenstein, Monet: Impressions, 1967. Federation of Jewish Philanthropies of New York, Festival of Art, 1957, No. 125.
313
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314
Am 30. Dezember 1987 revidierte der Second Circuit des United States Court of Appeals die Entscheidung der Vorinstanz inhaltlich und bestimmte, dass New Yorks Verjährungsregeln eine „obligation to attempt to locate stolen property“ beinhalten und dass die Tatsache, dass DeWeerth keine Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen zur Wiederentdeckung des gestohlenen MonetGemäldes für den Zeitraum von 1957 bis 1981 vorgenommen habe, dazu führe, dass sie als Restitutionsgläubigerin ihren notwendigen Sorgfaltsanforderungen nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. „We conclude that New York law imposes a due diligence requirement, that the undisputed facts show that DeWeerth failed to exercise reasonable diligence in locating the painting after its disappearance, and that her action for recovery is untimely. We therefore reverse the judgment of the District Court.“ Somit seien die notwendigen due diligenceVoraussetzungen des Eigentümers nicht erfüllt und es sei nach Ansicht des Gerichtes eine temporale Präklusion der Restitutionsklage anzunehmen. Ihr „failure to consult the catalogue raisonné“, mittels dessen ihr Neffe nach nur drei Tagen die Wildenstein Gallery als ersten Zwischenschritt zur endgültigen Lokalisierung des Gemäldes ausfindig machen konnte, war nach Ansicht des United States Court of Appeals „particularly inexcusable“.529
315
Rechtskonstruktiv stellt sich die Entscheidung wie folgt dar: Der Anspruch auf Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter entsteht und der Lauf der Verjährungsfrist beginnt nach Rechtseinschätzung des Second Circuit des United States Court of Appeals in der Rechtssache DeWeerth v. Baldinger auf Grundlage einer replevin oder conversion-Klage gegenüber einem gutgläubigen Erwerber nur bei Vorliegen von drei kumulativ notwendigen Voraussetzungen: Zunächst muss der Kläger die Restitution des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts seitens des aktuellen Besitzers verlangen, der seinerseits die Rückführung verweigert (entsprechend den allgemeinen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der demand and refusal rule).
316
“The New York statute of limitations governing actions for recovery of stolen property requires that suit be brought within three years of the time the action accrued. N.Y.Civ.Prac.L. & R. Sec. 214(3) (McKinney 1972). The date of accrual depends upon the identity of the party from whom recovery is sought. Where an owner pursues the party who took his property, the three-year period begins to run when the property was taken. … This is so even where the property owner was unaware of the unlawful taking at the time it occurred. … In contrast, where the owner proceeds against one who innocently purchases the property in good faith, the limitations period begins to run only when the owner demands return of the property and the purchaser refuses.530 Until demand and 529 530
DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987). Das Gericht verweist dabei auf Menzel v. List, 22 A.D.2d 647, 253 N.Y.S.2d 43, 44 (1st Dep’t 1964), on remand, 49 Misc.2d 300, 267 N.Y.S.2d 804 (Sup.Ct.1966), modified on other grounds, 28 A.D.2d 516, 279 N.Y.S.2d 608 (1st Dep’t 1967), modification rev’d, 24 N.Y.2d 91, 298 N.Y.S.2d 979, 246 N.E.2d 742 (1969); Duryea v. Andrews, 12 N.Y.S. 42 (2d Dep’t 1890); accord Kunstsammlungen Zu Weimar v. Elicofon, 536 F.Supp. 829, 848-49 (E.D.N.Y.1981) (applying New York law), aff’d, 678 F.2d 1150, 1161 (2d Cir.1982).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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refusal, the purchaser in good faith is not considered a wrongdoer, … even though this rule somewhat anomalously affords the owner more time to sue a goodfaith purchaser than a thief. In the present case, it is undisputed that DeWeerth initiated her suit within three years of the date her demand for return of the Monet was refused. However, the fact that her action was brought soon after refusal does not end the inquiry.”531
Darüber hinaus hat der Restitutionsgläubiger unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zwei Sorgfaltsanforderungen zu beachten, damit sein Restitutionsbegehr nicht temporal präkludiert ist: Der Second Circuit des United States Court of Appeals verlangte in der Entscheidung DeWeerth v. Baldinger zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen der demand and refusal-Regel, dass der Restitutionsgläubiger spezielle due diligence-Erfordernisse erfüllt, damit der Lauf der Verjährung nicht zum Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entzugshandlung kultureller Wertgegenstände beginnt: Einerseits muss der Restitutionsgläubiger nach der Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und der Identifizierung des Besitzers ohne unbillige Verzögerung die Rückführung des Kunstwerks von dem aktuellen Besitzer verlangen. Andererseits muss der Restitutionsgläubiger zur Erfüllung seiner due diligence-Anforderungen in der Zeit zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt und der Wiederentdeckung mit der notwendigen Sorgfalt auch die Lokalisierung des abhandengekommenen Kulturguts und die Identifizierung des aktuellen Besitzers versucht haben („no unreasonable delay requirement“). Der Restitutionsgläubiger darf somit weder eine ungebührliche Verzögerung hinsichtlich des Herausgabeverlangens gegenüber dem Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu verantworten haben, noch darf ihm der Vorwurf gemacht werden können, dass er zwischen der unrechtmäßigen Entziehung und der Wiederentdeckung Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen unterließ.
317
“Under New York law, even though the three-year limitations period begins to run only once a demand for return of the property is refused, a plaintiff may not delay the action simply by postponing his demand. Where demand and refusal are necessary to start a limitations period, the demand may not be unreasonably delayed.532 … While this proscription against unreasonable delay has been referred to as “laches,” the New York courts have explained that the doctrine refers solely to an unexcused lapse of time and not to the equitable principle of laches, which requires prejudice to the defendant as well
318
531 532
DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987). “The proscription against unreasonably delaying a demand is distinct from N.Y.Civ.Prac.L. & R. Sec. 206(a) governing the accrual of actions requiring a demand. Section 206 specifies that the statutory limitations period, e.g., three years for conversion, starts as soon as the right to make a demand is complete, but this provision has been construed to apply only where the demand requirement is procedural. See Frigi-Griffin, Inc. v. Leeds, 52 A.D.2d 805, 806, 383 N.Y.S.2d 339, 341 (1st Dep’t 1976). By contrast, the unreasonable delay rule, applicable to this case as a substantive requirement, specifies that whenever a demand would be required to start the limitations period, that demand may not be unreasonably delayed. This rule, focusing on the plaintiff’s conduct, conceptually starts the limitations period at the point where the plaintiff has had an opportunity to use due diligence in locating the property and making a demand, and has failed to do so.” DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche as delay. … Baldinger asserts that DeWeerth’s action is untimely because the delay between the painting’s disappearance in Europe in 1945 and DeWeerth’s demand for its return in 1982 was unreasonable. DeWeerth responds that she cannot be charged with unreasonable delay before learning the identity of Baldinger in 1982 because she could not have known before that time to whom to make the demand. These contentions frame the precise issue presented by this appeal: Whether New York law imposes upon a person who claims ownership of stolen personal property an obligation to use due diligence in attempting to locate the property. DeWeerth points out that no New York court has ever held that the unreasonable delay rule applies before the plaintiff has learned the identity of the person to whom demand must be made. … DeWeerth suggests that in the absence of New York authority directly on point, her actions before she discovered that Baldinger possessed the Monet cannot be subject to the unreasonable delay rule. Baldinger responds that New York courts, confronting the issue, would impose an obligation of due diligence to attempt to locate the person in possession of another’s property. … We determine that in an action for the recovery of stolen personal property, the New York Court of Appeals would not make an exception to the unreasonable delay rule for plaintiff’s actions prior to learning the identity of the current possessor. Rather, we believe that the New York courts would impose a duty of reasonable diligence in attempting to locate stolen property, in addition to the undisputed duty to make a demand for return within a reasonable time after the current possessor is identified.” 533
319
Der Second Circuit unterschied damit in der Entscheidung DeWeerth v. Baldinger zwischen der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche und dem allgemeinen Grundsatz der Verwirkung (sog. laches) als Klagehindernis, der über die verzögerte Geltendmachung des Klageanspruchs noch zusätzlich eine Beeinträchtigung bzw. einen Schaden auf Seiten der beklagten Partei voraussetzt. Entsprechend dieser Interpretation des geltenden New Yorker Rechts war es dem Rechtsmittelgericht nun möglich, innerhalb der Frage einer temporalen Präskription des zivilrechtlichen Restitutionsanspruchs allein auf ein mögliches unverhältnismäßig zögerliches Verhalten des Anspruchstellers abzustellen. Damit wird zusätzlich zu der Voraussetzung einer Herausgabeforderung des ursprünglichen Eigentümers gegenüber dem aktuellen Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und dessen Rückführungsverweigerung gefordert, dass der Eigentümer verhältnismäßige Lokalisierungsbemühungen anstrengt. Besondere rechtspolitische Gründe sprächen nach Ansicht des Second Circuit des United States Court of Appeals für die Anwendung besonderer due diligence-Anforderungen in der Zeit zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt und der Wiederentdeckung bei Anwendung der demand and refusal rule:534
320
“The [demand and refusal] rule may disadvantage the good-faith purchaser, however, if demand can be indefinitely postponed. For if demand is delayed, then so is accrual of the cause of action, and the good-faith purchaser will remain exposed to suit long after an action against a thief or even other innocent parties would be time-barred. … A construction of the rule requiring due diligence in making a demand to include an obligation to
533 534
DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987). Kommentiert bei Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 930–931.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
977
make a reasonable effort to locate the property will prevent unnecessary hardship to the good-faith purchaser, the party intended to be protected. New York law governing limitations of actions also weighs in favor of a duty to attempt to locate stolen property. The New York Court of Appeals has said that the primary purpose of a limitations period is fairness to a defendant. … A defendant should be secure in his reasonable expectation that the slate has been wiped clean of ancient obligations, and he ought not to be called on to resist a claim where the evidence has been lost, memories have faded, and witnesses have disappeared … . There is also the need to protect the judicial system from the burden of adjudicating stale and groundless claims. … These policies would be frustrated if plaintiffs were free to delay actions for the return of stolen property until the property’s location fortuitously came to their attention. Conceivably, those claiming to be owners, or their heirs, could wait idly for decades or even centuries before any legal obligation arose to pursue their claims. In such cases, all of the problems of lost evidence, faded memories, and unavailable witnesses would undoubtedly be exacerbated. Additionally, fraudulent and groundless claims would be encouraged as defendants would face a heavy burden of refuting proffered testimony related to events of the distant past. A rule requiring reasonable diligence in attempting to locate stolen property is especially appropriate with respect to stolen art. Much art is kept in private collections, unadvertised and unavailable to the public. An owner seeking to recover such property will almost never learn of its whereabouts by chance. Yet the location of stolen art may frequently be discovered through investigation. See F. Feldman & B. Burnham, An Art Archive: Principles and Realization, 10 Conn.L.Rev. 702, 724 (1978) (French and Italian authorities credit stolen art registries and investigation efforts for recovery rates as high as 75%). Unlike many other items of stolen personal property, such as jewelry or automobiles, art loses its value if it is altered or disguised. Moreover, valuable works of art, unlike fungible items like stereo components, tend to be easily remembered by those who have seen them. Thus, the owner of stolen art has a better chance than most owners of stolen property in tracking down the item he has lost. In light of New York’s policy of favoring the good faith purchaser and discouraging stale claims and the approach to actions to recover property in other jurisdictions, we hold that under New York law an owner’s obligation to make a demand without unreasonable delay includes an obligation to use due diligence to locate stolen property.” 535
Das Rechtsmittelgericht berief sich zur Rechtfertigung einer solchen due diligence-Regel in Restitutionsklagen illegal transferierter Kulturgüter zunächst auf die Schutzbedürftigkeit gutgläubiger Erwerber des Staates New York. Zunächst machte der Second Circuit des United States Court of Appeals geltend, dass sich bei Nichtberücksichtigung der Interessen gutgläubiger Erwerber (d.h. ohne das Erfordernis eines Mindestgehaltes einer due diligence-Regel) ein redlicher Erwerber trotz bona fide-Akquisition lange Zeit Restitutionsansprüchen ausgesetzt sehen würde, obwohl sein eigener Rechtsschutz gegenüber einem Veräußerer illegal transferierter Kulturgüter bereits lange zuvor temporal präkludiert sei. Darüber hinaus machte das Gericht geltend, dass allgemeine rechtspolitische Erwägungen einen due diligence-Mindeststandard fordern würden, um eine ausgewogene Balance zwischen den Interessen eines gutgläubigen Erwerbers und eines unverhältnismäßig passiven Eigentümers zu erreichen. Abschließend berief sich
535
DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
das Rechtsmittelgericht auf die speziellen Umstände des illegalen Kulturgüterverkehrs und betonte dabei im Speziellen, dass nur die Einforderung eines präzisen due diligence-Erfordernisses der tatsächlichen Gesamtlage bei der Restitution abhandengekommener Kulturgüter gerecht würde, weil bspw. die meisten gestohlenen Kunstwerke in Privatsammlungen belegen sind, sodass die Chance der Wiedererlangung dieser abhandengekommenen Kulturgüter nur bei Annahme positiver Lokalisierungsbemühungen seitens des ursprünglichen Eigentümers gewahrt würde. 322
Vor dieser rechtlichen Ausgangslage stellt der Second Circuit des United States Court of Appeals hinsichtlich der konkreten Sorgfaltsanforderungen fest, dass „DeWeerth’s investigation was minimal.“536 Die offizielle Verlustmeldung unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs ging nicht über die formularhafte Feststellung des kulturellen Schadens hinaus, ohne dass konkrete Angaben hinsichtlich des Diebstahlsortes, des relevanten Zeitpunktes und der sonstigen Umstände kundgemacht wurden. Ebenso wie die Mitteilung des Diebstahls an ihren Rechtsanwalt, konnte auch die Verlustanzeige an einen einzelnen Kunstexperten kein wirksames Mittel in der Wiederentdeckung des Gemäldes bedeuten. Das Gericht wertete jedoch „[m]ore revealing than the steps DeWeerth took to find the Monet are those she failed to take.“537 Nicht nur, dass kein offizielles Rückerstattungsverfahren durch die Alliierten oder Bundesrepublik angestrengt wurde, DeWeerth unterließ auch jegliche Publikation ihres abhandengekommenen Monet „in any one of several available listings designed to keep museums, galleries, and collectors vigilant for stolen art“538. Entscheidend für die Feststellung des Second Circuit des United States Court of Appeals, dass DeWeerth hinter den geforderten due diligence-Anforderungen der constructive discovery rule deutlich zurückblieb, war jedoch die Tatsache, dass über einen Zeitraum von 24 Jahren (zwischen 1957 und 1981) keine Lokalisierungsbemühungen mehr vorgenommen wurden. Hätte DeWeerth während dieser Zeit nur minimale Anstrengungen hinsichtlich des Verbleibs und zur Auffindung ihres Monet unternommen, wäre es ihr ein Leichtes gewesen, den Aufenthaltsort zu lokalisieren und den aktuellen Besitzer ausfindig zu machen.
323
“First, the Monet was pictured in the catalogues of two public exhibitions at which the painting was shown, One Hundred Years of Impressionism, A Tribute to Durand-Ruel, A Loan Exhibition, published in connection with an exhibition held from April 2 to May 9, 1970, at the Wildenstein Gallery in New York, and Festival of Art, published in connection with an exhibition held from October 29 to November 1, 1957, at the Waldorf-Astoria Hotel in New York. Second, the Monet was illustrated in a book by Daniel Wildenstein, Monet: Impressions, published in New York in 1967. Finally, the Monet is included in the comprehensive Catalogue Raisonne, …. Consultation of any of these
536 537 538
DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987). DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987). DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
979
publications would likely have led DeWeerth to the Monet as each one is connected to the Wildenstein Gallery in New York, which sold the painting to Baldinger. DeWeerth’s failure to consult the Catalogue Raisonne is particularly inexcusable. A catalogue raisonne is a definitive listing and accounting of the works of an artist. The Monet Catalogue Raisonne depicts each of Monet’s works in chronological order and sets forth each work’s provenance – a history of its ownership, exhibitions in which it has been shown, and published references to it. The entry for painting number 595, the one here at issue, indicates that Wildenstein sold the painting in the United States in 1957 and that it was exhibited by Wildenstein in 1970. This entry could have easily directed DeWeerth to Wildenstein. Indeed, when in 1981 DeWeerth’s nephew learned from a cousin of the lost Monet, he was able to identify it in the Catalogue Raisonne within three days, which led to the identification of Baldinger shortly thereafter. Most indicative of DeWeerth’s lack of diligence is her failure to conduct any search for 24 years from 1957 until 1981. Significantly, if DeWeerth had undertaken even the most minimal investigation during this period, she would very likely have discovered the Monet, since there were several published references to it in the art world.”539
IV. Keine Implikation spezieller Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers zur Bestimmung des Verjährungsbeginns in Solomon R. Guggenheim v. Lubell Die Rechtssache Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell im Jahre 1991540 erlangte bereits innerhalb der Frage rechtliche Bedeutung, ob bestimmte Verifizierungs- und Provenienzerforschungsbemühungen zur Determination der rechtmäßigen Eigentumsposition bei der Veräußerung kultureller Wertgegenstände auch zum notwendigen Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber als Voraussetzung der Gutgläubigkeit zählen. Besondere Signifikanz kommt der Entscheidung
539 540
DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987). Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 153 A.D. 2d 143; 550 N.Y.S. 2d 618 (App.Div. 1st Dept. 1990), leave to appeal granted 554 N.Y.S. 2d 992; affirmed 77 N.Y. 2d 311; 567 N.Y.S. 2d 623; 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Vgl. Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 142– 143; Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 504; Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 256; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 241–242; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and GoodFaith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 170–171; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 25–26; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 398–399.
324
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
jedoch vornehmlich innerhalb der Ausgestaltung der Verjährungseinrede im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr in dem Bundesstaat New York zu: Hier war zu eruieren, ob die durch den Second Circuit des United States Court of Appeals in DeWeerth v. Baldinger neu eingeführten due diligence-Anforderungen seitens des Eigentümers hinsichtlich der Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der Identifizierung des aktuellen Besitzers neben der demand and refusal rule bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns Berücksichtigung finden und ein Restitutionsanspruch abhandengekommener Kulturgüter somit nur dann nicht als verjährt zu qualifizieren ist, wenn der Eigentümer ausreichende Sorgfaltsanforderungen zur Wiederauffindung der Kunstwerke unternahm. Der Court of Appeals of New York hatte im Jahre 1991 somit darüber zu befinden, „if the museum’s failure to take certain steps to locate the gouache is relevant to the appellant’s statute of limitations defense. In effect, the appellant argues that the museum had a duty to use reasonable diligence to recover the gouache, that it did not do so, and that its cause of action in replevin is consequently barred by the statute of limitations.“541 325
Mit dem Argument, die Klägerseite habe nicht sorgfältig genug nach dem abhandengekommenen Kunstwerk gesucht, versuchte Mrs. Rachel Lubbel den gegen sie gerichteten zivilrechtlichen Herausgabeanspruch hinsichtlich einer wahrscheinlich kurz nach April 1965 aus dem Guggenheim-Museum in New York gestohlenen Gouache von Marc Chagall abzuwehren. Mrs. Rachel Lubbel und ihr inzwischen verstorbener Ehemann erwarben den Chagall im Mai 1967 von der angesehenen Madison Avenue Robert Elkon Gallery zu einem Kaufpreis in Höhe von US-$ 17.000. “The Lubells were treated as innocent, good faith purchasers for value: they investigated the painting’s provenance, paid fair market value, and publicly displayed the painting. The Elkon Gallery had purported provenance papers for the Lubells to inspect; the Lubells publicly exhibited the painting at the Elkon Gallery in 1967 and 1981, and they openly displayed it in their home for over 20 years. Their investigation of the provenance prior to purchase included contacting Chagall himself and Chagall expert Franz Meyer, Director, Kunstmuseum, Basel, Switzerland.”542 Die 1912 entstandene Vorstudie für Chagalls Ölgemälde ‚Der Viehhändler‘ war 1985, also circa zwanzig Jahre nach dem Diebstahl, von einer Sotheby’s-Angestellten, die vormals im Guggenheim-Museum beschäftigt gewesen und der eine Abbildung der Gouache zu Schätzzwecken vorgelegt worden war, als das gestohlene Bild wiedererkannt worden. Die daraufhin auf Herausgabe des Bildes verklagte Besitzerin Mrs. Lubell berief sich, in tatsächlicher Hinsicht unbestritten, darauf, dass das Gug-
541 542
Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, Fn. 34, S. 55–56.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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genheim-Museum weder die UNESCO, ICOM, noch andere Museen, Galerien und Künstlerverbände, noch die Polizei, das FBI oder Interpol über den Diebstahl des Chagall informiert hatte. Nach Ansicht Lubells sei die replevin-Klage zur Rückführung der gestohlenen Gouache durch die dreijährige Verjährungsregel temporal präkludiert, weil das Museum keine Bemühungen zur Lokalisierung des abhandengekommenen Kunstwerks während der zwanzigjährigen Periode zwischen der unrechtmäßigen Entziehung und der nur zufälligen Wiederentdeckung des Gemäldes im Besitz von Mrs. Lubell unternommen habe. Nach Angaben des Museums war dies jedoch aus ‚taktischen Erwägungen‘ bewusst unterblieben, weil nach Ansicht des Guggenheim-Museums das Publikmachen des Diebstahls das Gemälde noch weiter in den Untergrund geführt und die Wahrscheinlichkeit seines Wiederauftauchens verringert hätte.543 Ausgangspunkt der Rechtsstreitigkeit war die Grundsatzentscheidung der Rechtsordnung des Bundesstaates New York für einen elementaren Schutz des ursprünglichen Eigentümers unrechtmäßiger Kulturgutentziehungen – auch gegenüber einem gutgläubigen Erwerber dieser Kunstwerke. Die dreijährige Verjährungsfrist des N.Y.C.P.L.R. § 214 (3) zur Restitution unrechtmäßig entzogener (Kultur-)Güter beginnt gegenüber gutgläubigen Erwerbern in dem Moment, in dem der aktuelle Besitzer die Rückführungsaufforderung des wahren Eigentümers verweigert. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die tatsächliche Sachherrschaft des aktuellen Besitzer an einem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut nicht als fehlerhaft und deliktisch zu bezeichnen. Anerkannt war zum Zeitpunkt der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell zugleich aber auch, dass für den Verjährungsbeginn gegenüber dem bösgläubigen Besitzer (d.h. bspw. dem unrechtmäßig Entziehenden bzw. einem bösgläubigen Erwerber) die Verjährungsfrist zu dem Zeitpunkt beginnt, an dem das Kulturgut unrechtmäßig entzogen wurde – wobei eine Berufung bspw. des Diebes auf die statute of limitations jedoch als Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (sog. estoppel-Grundsatz) gewertet wird.544
326
Der trial court ging entsprechend der Entscheidung des Second Circuit des United States Court of Appeals in DeWeerth v. Baldinger auch in der vorliegenden Konstellation zunächst von der Anwendbarkeit der demand and refusal rule als materiell-rechtliche Voraussetzung der Restitutionsforderung und zur Bestimmung des Verjährungsbeginns aus, sodass der Lauf der Verjährungsfrist in dem Moment beginnt, in dem der aktuelle Besitzer des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts die Rückführungsforderung des ursprünglichen Eigentümers verweigert. Der trial court gab jedoch zu bedenken, dass zur Vermeidung von Nachteilen gegenüber gutgläubigen Erwerbern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, die Rückführungsforderung des Eigentümers nicht unangemessen verzögert werden
327
543 544
Vgl. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991), S. 428. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
darf und dass „a property owner has an obligation to use reasonable efforts to locate its missing property to ensure that demand is not so delayed.“545 Da das Guggenheim Museum von dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entziehung bis zu der zufälligen Wiederentdeckung des Chagall-Gemäldes während einer Zeitspanne von 20 Jahren nichts zur Wiederauffindung des Kunstwerks unternahm, qualifizierte der trial court das Verhalten des Guggenheim Museums als unangemessen und den Restitutionsanspruch als temporal präkludiert. 328
Die Appellate Division widersprach jedoch der Annahme, dass „delay alone can make a replevin action untimely“546 und qualifizierte die unzureichenden Sorgfaltsanstrengungen des ursprünglichen Eigentümers eher als Frage der Verwirkung (laches-Grundsatz) denn als Problem der Verjährung. Dementsprechend sprach sich die Appellate Division gegen die Einbeziehung spezieller Sorgfaltsanforderungen der kulturellen Eigentümer innerhalb der Frage der Verjährung aus und lehnte den Einwand temporaler Präklusion seitens der potenziell restitutionspflichtigen Lubell ab. Da die Klagegegnerin in der vorliegenden Konstellation aber keine Benachteiligung ihrer Rechtsposition aufgrund der verzögerten Geltendmachung des Restitutionsanspruchs des Guggenheim Museums darlegen und beweisen konnte, sah die Appellate Division schließlich auch keine Anhaltspunkte für einen Ausschluss der Restitutionsforderung aus Verwirkungsgründen.
329
Der Court of Appeals of New York pflichtete in seiner im Jahre 1991 ergangenen Entscheidung der Rechtsansicht der Appellate Division bei und entschied dabei explizit gegen die Einführung spezieller due diligence-Anforderungen des Eigentümers bei Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung des aktuellen Besitzers neben der demand and refusal rule. Dabei stellte der Court of Appeals of New York ausdrücklich fest, dass …
330
“… the timing of the museum’s demand for the gouache and the appellant’s refusal to return it are the only relevant factors in assessing the merits of the statute of limitations defense. We see no justification for undermining the clarity and predictability of this rule by carving out an exception where the chattel to be returned is a valuable piece of art. Appellant’s affirmative defense of laches remains viable, however, and her claims that the museum did not undertake a reasonably diligent search for the missing painting will enter into trial court’s evaluation of the merits of that defense.” 547
331
Das Appellationsgericht charakterisierte die demand and refusal rule unter den unterschiedlichen Alternativen zur Bestimmung des Verjährungsbeginns als „the rule that affords the most protection to the true owners of stolen property.“548 Ein Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist zum Zeitpunkt des unrechtmäßigen 545
546 547 548
So die Wiedergabe der Entscheidung des trial court innerhalb der Entscheidung des Court of Appeals of New York in Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). So aber Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 153 A.D. 2d 143. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991).
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
983
Entziehungsaktes (auch wenn ein gutgläubiger Erwerber im Besitz des Kunstwerks ist) oder in dem Moment der gutgläubigen (Besitz-)Akquisition eines redlichen Erwerbers würde den Schutz des ursprünglichen Eigentümers und dessen Interesse an der Rückführung ‚seines‘ kulturellen Eigentums mindern. Als rechtspolitische Begründung seiner Grundsatzentscheidung gegen die Einbeziehung kulturgüterspezifischer due diligence-Anforderungen auf Seiten des Eigentümers zur Bestimmung des Verjährungslaufs verwies der Court of Appeals of New York auf die Gründe, die im Jahre 1986 gegen die legislative Einführung einer discovery rule für den Bundesstaat New York geltend gemacht wurden. Als im Jahre 1986 beide Gesetzgebungskammern des New York State Legislature das sog. Assembly Bill 11462-A (Senate Bill 3274-B) verabschiedeten, hätte die discovery rule ausdrücklich Eingang in die Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber bestimmten non-for-profit Institutionen gefunden. Das vorgesehene Gesetz hätte bestimmt, dass die dreijährige Verjährungsfrist dann begonnen hätte, wenn diese Institutionen in der näher bestimmten Art und Weise bekannt gegeben hätten, dass sie im Besitz eines bestimmten Gegenstandes seien. Im Ergebnis hätte dies bedeutet, dass der Lauf der Verjährungsfrist gegenüber den genannten non-profit Institutionen entsprechend der constructive discovery rule zu dem Zeitpunkt begonnen hätte, an dem der Eigentümer Kenntnis über den Verbleib der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter erlangte oder hätte erlangen müssen. Governor Cuomo hat bei der Verabschiedung dieses Gesetzes jedoch sein Vetound Einspruchsrecht genutzt. Darin gab er ausdrücklich zu bedenken, dass das Gesetz „[did] not provide a reasonable opportunity for individuals or foreign governments to receive notice of a museum’s acquisition and take action to recover it before their rights are extinguished.“549 Darüber hinaus machte er darauf aufmerksam, dass bei einer Statuierung der geplanten discovery rule New York als „a haven for cultural property stolen abroad“ gelten würde „since such objects [would] be immune from recovery under the limited time periods established by the bill.“550 Aufbauend auf diesen Erwägungen erkannte auch der Court of Appeals of New York keinen Grund „to obscure its straightforward protection of true owners by creating a duty of reasonable diligence.“551 Danach genüge für den Schutz des gutgläubigen Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter die im case law entwickelte Regel, dass der wahre Eigentümer nach der Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts seine Rückführungsaufforderung (demand) gegenüber dem Besitzer nicht unverhältnismäßig und unangemessen verzögern darf. Da diese und die Verweigerung des Besitzers (refusal) nicht prozessual, sondern als materiell-rechtliche Voraussetzungen der Restitutionsforde-
549 550 551
Zitiert in Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Zitiert in Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
rung des Eigentümers zu charakterisieren sind, wäre es nach Ansicht des Court of Appeals of New York nicht weise, spezielle Sorgfaltsanforderungen zu verlangen „before the true owner has reason to know where its missing chattel is to be found.“552 333
Im Ergebnis steht somit fest, dass Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell die Anwendbarkeit der demand and refusal rule für den Bundesstaat New York bestimmte und dass der ursprüngliche Eigentümer nicht dazu verpflichtet ist, quasidetektivisch gestohlene Kulturgüter aufzuspüren. Der Court of Appeal hat damit die Auslegung, die der Second Circuit des United States Court of Appeals noch in der Entscheidung DeWeerth v. Baldinger formulierte, eindeutig zurückgewiesen.
334
“The 1991 decision of the New York Court of Appeals – the highest court in the art market capital of the world – in Solomon R Guggenheim Foundation v. Lubell exemplifies this judicial failure to balance the rights of the two innocents. In Guggenheim – an action to recover a stolen painting from a good faith purchaser – the court held that the statute of limitations does not begin to run until the former owner locates, demands, and is refused the return of its property, regardless of the former owner’s failure to exercise diligence in locating the stolen work. As a result of this decision, New York effectively has no statute of limitations for the recovery of stolen property, and innocent purchasers are perpetually at risk of a claim of theft by a former owner.” 553
335
Auch wenn die Appellate Division und der Court of Appeals jeweils einstimmig die Ansicht vertraten, dass mangelnde Sorgfalt des Eigentümers bei der Suche nach unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern keinen Einfluss auf den Verjährungsbeginn des Herausgabeanspruchs habe, stellt der Court of Appeals of New York in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1991 ausdrücklich fest, dass unangemessene Lokalisierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und nachlässige Identifizierungsanstrengungen der Besitzer durchaus als Verwirkungseinwand entsprechend der defense of laches als Ausprägung des allgemeinen estoppel-Grundsatzes berücksichtigt werden können.554 Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der restitutionsverpflichtete Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beweisen kann, dass der Kläger nicht sorgfältig genug nach seinem Eigentum gesucht und deshalb die Anspruchserhebung ungebührlich verzögert habe und er gerade dadurch geschädigt (prejudiced) sei.555
552 553
554
555
Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 51. Diesen Unterschied verkennt Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 141 ff., in seinen Ausführungen, indem der Beginn des Fristenlaufs mit der Frage nach einem Ausschluss aufgrund nichterfüllter Sorgfaltspflichten seitens der klagenden Partei vermengt wird. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 173–174.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
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“Despite our conclusion that the imposition of a reasonable diligence requirement on the museum would be inappropriate for purposes of the statute of limitations, our holding today should not be seen as either sanctioning the museum’s conduct or suggesting that the museum’s conduct is no longer an issue in this case. We agree with the Appellate Division that the arguments raised in the appellant’s summary judgment papers are directed at the conscience of the court and its ability to bring equitable considerations to bear in the ultimate disposition of the painting. As noted above, although appellant’s statute of limitations argument fails, her contention that the museum did not exercise reasonable diligence in locating the painting will be considered by the Trial Judge in the context of her laches defense. The conduct of both the appellant and the museum will be relevant to any consideration of this defense at the trial level, and as the Appellate Division noted, prejudice will also need to be shown. … On the limited record before us there is no indication that the equities favor either party. Mr. and Mrs. Lubell investigated the provenance of the gouache before the purchase by contacting the artist and his son-in-law directly. The Lubells displayed the painting in their home for more than 20 years with no reason to suspect that it was not legally theirs. These facts will doubtless have some impact on the final decision regarding appellant’s laches defense. Because it is impossible to conclude from the facts of this case that the museum’s conduct was unreasonable as a matter of law, however, Mrs. Lubell’s cross motion for summary judgment was properly denied. We agree with the Appellate Division, for the reasons stated by that court, that the burden of proving that the painting was not stolen properly rests with the appellant Mrs. Lubell.” 556
336
Im Ergebnis stimmte der Court of Appeals of New York somit auch mit der Appellate Division darin überein, dass die Beweislast des Verwirkungseinwandes auf Seiten des redlichen Erwerbers liege. Eine derartige Feststellung könne jedoch nicht im abgekürzten Verfahren, sondern allein in einem jury trial erfolgen. Damit wies das Gericht den Versuch seitens der Beklagten zurück, die Regel zum Beginn des Laufs der Verjährung mit solchen Erwägungen zu verwässern, die bestimmte Sorgfaltsanforderungen an den ursprünglichen Eigentümer stellen, damit die Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist.557
337
V.
Applikation der ‚demand and refusal rule‘ und der Lauf der Verjährung unabhängig eines ‚due diligence‘-Erfordernisses des Eigentümers
Nachdem die New Yorker Gerichte in der Sache Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell betonten, dass die einzig relevanten Faktoren zur Bestimmung des Verjährungsbeginns die Zeitpunkte von demand und refusal seien und damit die bundesgerichtliche Auslegung und Anwendung des New Yorker Rechts in der Sache DeWeerth v. Baldinger als unrichtig widerlegten, wurde auf den Antrag von Mrs. DeWeerth das Verfahren um ‚deren‘ Monet-Gemälde wieder aufge-
556 557
Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 504.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
nommen.558 In der Folge strengte Mrs. DeWeerth erneut ein Rechtsverfahren gegen Mrs. Baldinger auf Herausgabe des Monet an559, was ihr aufgrund der Guggenheim v. Lubell-Entscheidung auch gewährt wurde, sodass Richter Broderick des Federal District Court for the Southern District of New York, der bereits im erstinstanzlichen Verfahren zugunsten von Mrs. DeWeerth entschieden hatte und anschließend durch den Federal Circuit Court for the Second Circuit schlussendlich zu Unrecht revidiert wurde, erneut zugunsten der ursprünglichen Eigentümerin entscheiden konnte. Das Gericht stellte wiederum fest, dass keine Sorgfaltsanforderungen der ursprünglichen Eigentümerin den Lauf der Verjährungsfrist dahingehend modifizieren können, dass der Fristenbeginn zeitlich vorverlegt würde.560 Damit ist in dem wiederaufgenommenen Verfahren das frühere erstinstanzliche Urteil, in dem die Verjährung des Herausgabeanspruchs verneint und dem Anspruch stattgegeben worden war, wiederhergestellt worden.561 Im Ergebnis ist jedoch der daraufhin erneut angerufene United States Court of Appeals for the Second Circuit in diesem Verfahren wieder von der früheren Entscheidung abgewichen und hat das Wiederaufnahmeverfahren mehrheitlich abgewiesen. Nicht jedoch aufgrund der hier diskutierten materiellrechtlichen Fragestellung einer temporalen Präklusion, sondern aus formellen verfahrenstechnischen Gründen eines Wiederaufnahmeverfahrens, sodass für die Klägerin Mrs. DeWeerth neben der Bestätigung, dass ihr Anspruch jedenfalls nicht verjährt wäre, nur die Sympathie der Bezirksrichter des United States Court of Appeals for the Second Circuit blieb: “Should not the impact of Guggenheim rather be shouldered by us, notwithstanding the integrity of our error?”562. Im Ergebnis erlange Mrs. DeWeerth zwar ihr Gemälde nicht zurück, eine temporale Präklusion ist jedoch in Sachverhaltskonstellationen wie DeWeerth v. Baldinger im Bundesstaat New York jedenfalls nicht mehr anzunehmen. 558
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Furtak, Abschluß im New Yorker Verfahren DeWeert v. Baldinger um den gutgläubigen Erwerb eines Monet, IPRax 1995 (Heft 2), S. 128–129, S. 129. DeWeerth v. Baldinger, 804 F. Supp. 539 (SDNY 1992); rev’d 28 Fed Rules Serv 3d 1231, 24 F.3d 416 (2d Cir. C.A. 1994), letztgenannte Veröffentlichung wurde jedoch inzwischen wieder zurückgezogen und ist nun in einer – teilweise umformulierten – Fassung vom 27.10.1994 neu veröffentlicht worden, 38 F. 3d 1266 (2nd Cir. N.Y. 1994), cert. Denied 115 s.ct. 512, 130 L.Ed.2d 419. Schrifttum hierzu: Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 505; Furtak, Abschluß im New Yorker Verfahren DeWeert v. Baldinger um den gutgläubigen Erwerb eines Monet, IPRax 1995 (Heft 2), S. 128–129, S. 129; Siehr, Gutgläubiger Erwerb von Kunstwerken in New York – DeWeerth v. Baldinger erneut vor Gericht, IPRax 1993, Heft 5, S. 339–340; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 172 und 174–175. Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 505. Hierzu auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 174. Bemerkung von Richter Owen in seinem ablehnenden Votum, zitiert bei Furtak, Abschluß im New Yorker Verfahren DeWeert v. Baldinger um den gutgläubigen Erwerb eines Monet, IPRax 1995 (Heft 2), S. 128–129, Fn. 17, S. 129.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
987
Auch innerhalb der Entscheidung Republic of Turkey v. Metropolitan Museum of Art 563 fand im Ergebnis die demand and refusal rule Anwendung, ohne dass innerhalb der Frage des Verjährungsbeginns des Restitutionsanspruchs von der Republik Türkei als Eigentümerin der unrechtmäßig transferierten archäologischen Artefakte seitens des United States District Court for the Southern District of New York spezielle Sorgfaltsanforderungen verlangt wurden. Zunächst versuchte auch das Metropolitan Museum of Art die gegen sich gerichtete Herausgabeklage der Türkei hinsichtlich eines illegal aus ihrem Territorium exportierten lydischen Schatzes mit dem Einwand abzuwenden, die Klägerseite habe nicht sorgfältig genug nach den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern gesucht.
339
Die lange Reise des in der Entscheidung sog. Lydian Hoard begann Mitte der 1960er Jahre, als mehrere in der Region Usak in Westzentralanatolien belegene Hügelgräber, die angeblich Schätze aus der Zeit des legendären König Croesus von Lydien enthielten, seitens der örtlich ansässigen Dorfbevölkerung aufgebrochen und ausgeraubt wurden. Auch wenn einige der geplünderten archäologischen Artefakte durch die Polizeibehörden wiedergefunden werden konnten, wurden die kulturell bedeutendsten und damit auch wertvollsten Gegenstände aus dem Territorium der Türkei geschmuggelt und gelangten schließlich in die Hände eines bekannten Antiquitätenhändlers in New Yorks Madison Avenue und anderer Galerien. In den Jahren 1966 bis 1970 wurden die Gegenstände von dem Department of Greek and Roman Art des Metropolitan Museum of Art erworben. Nach dem Erwerb gelangten die zu den wertvollsten Erwerbungen des Museums im Bereich der Antiken zählenden Gegenstände jedoch nicht in den Bereich der permanenten Ausstellung, sondern wurden unter Verschluss der Öffentlichkeit aufbewahrt. Nur bei unregelmäßigen Anlässen ohne vorherige Veröffentlichung wurden Teile der Sammlung öffentlich zur Schau gestellt. Aus diesem Grund erlangte die Türkei erst im Jahre 1984 Kenntnis von dem Aufenthaltsort der illegal exportierten archäologischen Artefakte, nachdem ein Teil der Objekte in dauerhafte Ausstellung innerhalb des Bereichs der sog. East Greek Treasure überführt wurde.
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Die Rechtsansicht des Metropolitan Museum of Art, New Yorks Verjährungsregeln implizierten entsprechend der discovery rule einen notwendigen due dili-
341
563
Republic of Turkey v. Metropolitan Museum of Art, 762 F. Supp. 44 (S.D.N.Y. 1990), hinsichtlich der Frage, ob die Türkei rechtzeitig vor dem amerikanischen Gericht Klage einreichte: Church, Evaluating the Effectiveness of Foreign Laws on National Ownership of Cultural Property in U.S. Courts, Columbia Journal of Transnational Law, Volume 30 (1992), S. 180–229, S. 200–201; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 75; Kay/Main, The Saga of the Lydian Hoard: from Usak to New York and back again, in: Tubb, Antiquities Trade or Betrayed – legal, ethical and conservation issues, 1995, S. 150–161.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
gence-Standard in der Lokalisierung und Identifizierung der unrechtmäßig entzogenen Objekte, hätte den Ausgang des Verfahrens wohl vorweggenommen: Das Metropolitan Museum machte in diesem Zusammenhang nämlich geltend, dass die dreijährige Verjährungsregel bereits abgelaufen sei, weil die archäologischen Artefakte schon zwanzig Jahre zuvor vom Museum erworben wurden. Die Türkei hätte mehr als eine Dekade zuvor eine Rückführung beansprucht, jedoch erst 1987 gerichtlichen Rechtsschutz gesucht, sodass die Klage bei Applikation der dreijährigen Verjährungsfrist in ‚replevin‘-Klagen längst abgelaufen sei. Hingegen betonte die türkische Klägerseite, dass die Kontakte zwischen dem Museum und einzelnen türkischen Individuen kein Herausgabeverlangen dargestellt hätten, sodass der Ursprungsstaat erst seit dem Jahr 1986 ausreichende Kenntnis darüber gehabt hätte, dass die in Streit stehenden Kulturgüter aus einer illegalen türkischen Grabungsstätte stammten. Aus diesem Grunde würde die Klage durchaus in den zeitlichen Rechtsrahmen der dreijährigen Verjährungsfrist fallen.564 342
In der Entscheidung Republic of Turkey v. Metropolitan Museum of Art folgte der United States District Court for the Southern District of New York der Rechtsansicht der Appellate Division und des Court of Appeals der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, in der einstimmig die Rechtsansicht vertreten wurde, dass mangelnde Sorgfalt des Eigentümers bei der Suche nach einer abhandengekommenen Sache keinen Einfluss auf den Verjährungsbeginn des Herausgabeanspruchs habe, sondern allenfalls als Verwirkungseinwand (defense of laches) berücksichtigt werden könne. Aufbauend auf diesen Erwägungen ist auch der United States District Court in Republic of Turkey v. Metropolitan Museum of Art der Auffassung gefolgt, dass der Restitutionsanspruch erst in dem Moment der Verweigerung (refusal) der Rückführungsaufforderung der unrechtmäßig exportierten Objekte des Lydian Hoards seitens der Republic of Turkey als Eigentümerin (demand) entstand und als Moment des Beginns der dreijährigen Verjährungsfrist des Bundesstaates New York gilt. Im Ergebnis hat der United States District Court damit den Einwand der Verjährung seitens des Museums, die zivilrechtliche Restitutionsklage in einem ‚summary judgement‘ zu bescheiden, abgelehnt und darauf hingewiesen, dass eine etwaige Verspätung der Türkei, die angeblich bereits seit 1973 von dem Verbleib des lydischen Schatzes wusste, allein im Rahmen des Verwirkungseinwandes (defense of laches) zu berücksichtigen sei. Im weiteren Verlauf der außergerichtlichen Verhandlungen des Metropolitan Museum of Art und der Türkei stellte sich eindeutig die Illegalität des
564
Church, Evaluating the Effectiveness of Foreign Laws on National Ownership of Cultural Property in U.S. Courts, Columbia Journal of Transnational Law, Volume 30 (1992), S. 180–229, Fn. 121, S. 201.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
989
Erwerbs seitens des Museums dar, sodass im Oktober 1993 der gesamte Schatz an die Republik Türkei restituiert wurde.565 Bestätigung fand die Guggenheim-Methode zur Bestimmung des Verjährungsbeginns auch in dem abenteuerlich zu lesenden Fall Golden Budha Corp. v. Canadian Land Co. Of America 566 des Second Circuit des United States Court of Appeals. Die Golden Budha Corporation ist die Rechtsnachfolgerin von Roger Roxas, der nach eigenem Bekunden im Jahre 1971 nördlich von Manila auf den Philippinen den sog. Yamashita Treasure – die Beute aus den japanischen Plünderungszügen wertvoller Kulturgüter in Südostasien – aus seinem Versteck hob.
343
Nach Angaben der Kläger handelt es sich bei den Beklagten um Gesellschaften, die unter der Oberherrschaft und Kontrolle von Ferdinand und Imelda Marcos, dem früheren Präsidenten und der First Lady der Republik der Philippinen, standen und die angeblich die Kunstschätze aus dem Bestand Roxas unrechtmäßig entzogen. Die tatsächlichen Gegebenheiten um den sog. Yamashita Treasure sind in zahlreichen Mysterien und Unwahrheiten verschleiert. Auch wenn die Person Lieutenant General Tomoyuki Yamashita und dessen Position als Kommandeur der japanischen Truppen auf dem Territorium der Philippinen während des Zweiten Weltkriegs belegt ist (er wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs als Kriegsverbrecher exekutiert), war es für die Entscheidung des Gerichts unerheblich, ob die zahlreichen Geschichten, die sich um diese Person und den ‚Schatz Asiens‘ ranken, der Wahrheit entsprachen oder auch nicht. Roxas machte geltend, dass er den nach seiner Meinung US-$ 600 Millionen teuren Schatz am 24. Januar 1971 in der Nähe der Stadt Buguias hob. In einer Untersuchung des Committee on Justice of the Senate of the Philippines bezüglich der erzwungenen Entziehung des Schatzes aus dem Besitz von Roger Roxas habe dieser nach eigenen Angaben auch einen goldenen Buddha entdeckt. In der Folge sei ihm die Statue von Mittelsmännern des Präsidenten und seiner Frau mit Gewalt „under color of law“ entzogen worden. Roxas sei darüber hinaus eingesperrt und gefoltert worden, bis er den Fundort des Buddhas und der weiteren Schätze preisgegeben habe. Roxas lebte nach seiner Entlassung eigenen
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Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, Fn. 166, S. 401: “A critical piece of evidence was a card entry in the acquisition catalog of the Metropolitan Museum linking the artifacts to known collections of antiquities in Turkey. The Metropolitan Museum had acquired the treasure, known as the “Lydian Hoard,” in the 1960s for $1.5 million. The Metropolitan Museum settled the case in October 1993 by returning the entire collection to the Turkish government. … Other evidence that Turkey might have introduced at trial included expert testimony that specific wall paintings in the “Lydian Hoard” matched sections missing from tombs in the Manisa and Usak regions of Turkey, confessions of looters who had plundered the tombs in 1966, and minutes of meetings of the acquisition committee of the Metropolitan Museum that seemed to indicate that the Museum knew that the artifacts had been removed illegally.”. Golden Budha Corp. v. Canadian Land Co. Of America, 931 F.2d 196 (2d Cir. 1991).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Angaben zufolge in einem geheimen Versteck, bis Ferdinand und Imelda Marcos im Jahre 1986 ins Exil auf Hawaii flüchteten. Die Kläger machten geltend, dass nach der Rechtsordnung der Philippinen zumindest 50 Prozent des Schatzfundes Eigentum von Roger Roxas wurde. 345
Der trial court lehnte die Klage unter Berufung auf die abgelaufene Verjährungsfrist von drei Jahren gänzlich ab. Ebenso der district court, der geltend machte, dass der Anspruch Roxas bereits im Jahre 1971 entstanden sei, zu dem Moment, als diesem bewusst wurde, dass sein Eigentum unrechtmäßig entzogen wurde und sich unter der Kontrolle von Ferdinand und Imelda Marcos befand. “Even assuming an equitable estoppel by reason of Roxas being in hiding in the Philippines and lacking a fair forum for pursuit of his claims, the district court found the claim barred because “[p]laintiff did not bring suit until June 6, 1989, well over three years after Marcos’s departure from the Philippines” in February of 1986. In yet a third approach to the statute of limitations issue, the district court found, on the basis of articles published in newspapers in the Philippines in March and April of 1986 regarding a civil suit in the Southern District of New York involving the Marcos investments in properties owned by the defendants, “that the cause of action for conversion accrued no later than April, 1986.””567
346
Unter Berufung auf die Grundsätze der Guggenheim-Entscheidung machte hier der Second Circuit des United States Court of Appeals jedoch geltend, dass hinsichtlich der Kulturgüter, die gutgläubig seitens der Empfänger erlangt wurden, die dreijährige Verjährungsfrist des Bundesstaates New York nach § 214 (3) N.Y.C.P.L.R. nicht zu laufen beginne, bis der Eigentümer die Rückführung gegenüber dem gutgläubigen Besitzer verlange und dieser eine Restitution verweigere. Dementsprechend sei der Lauf der Verjährungsfrist in der vorliegenden Konstellation für 17 Jahre unterbrochen gewesen, solange der Gläubiger nicht die Rückführung verlangen konnte. Mögliche ungebührliche Verzögerungen seien entsprechend der Guggenheim-Entscheidung allein nach den Grundsätzen der Verwirkung (laches defense) zu entscheiden.568
347
Auch in der Rechtssache Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut 569 hatte der Second Circuit des United States Court of Appeals am 28. Mai 1991 entsprechend den Grundsätzen der Guggenheim-Entscheidung für Recht befunden, dass „an owner need not act with due diligence before demanding return of her property“570. Während dasselbe Gericht noch in der Rechtssache DeWeerth v. Baldin-
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570
Golden Budha Corp. v. Canadian Land Co. Of America, 931 F.2d 196 (2d Cir. 1991). Vgl. Golden Budha Corp. v. Canadian Land Co. Of America, 931 F.2d 196 (2d Cir. 1991). Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut, 722 F. supp. 1106 (S.D.N.Y. 1989); bestätigt durch 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991). Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut, 722 F. supp. 1106 (S.D.N.Y. 1989); bestätigt durch 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991). Vgl. auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 175.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
991
ger die Rechtsansicht äußerte, „that the New York courts would impose a duty of reasonable diligence in attempting to locate stolen property, in addition to the undisputed duty to make a demand for return within a reasonable time after the current possessor is identified“571, und damit der constructive discovery rule folgte, wurde dem Second Circuit des United States Court of Appeals in der Rechtssache Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut erneut die Möglichkeit eröffnet, den Beginn der Verjährungsfrist eines zivilrechtlichen Herausgabeanspruchs zu determinieren. In dieser Sachverhaltskonstellation ging es um die Eigentumsrechte an mehreren großformatigen Wandmalereien, die Mitte der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts im Rahmen des Work Progress Administration-Programms von dem Künstler James Daugherty gefertigt wurden. Die Wandmalereien wurden während eines Renovierungsprogramms der High School im Jahre 1970 von den Wänden gelöst, landeten jedoch – ohne dass jemals der genaue Sachverhalt aufgeklärt werden konnte – im Müll, wo ein Schüler diese jedoch sicherte und damit vor Zerstörung bewahrte. Nachdem die General Services Administration (GSA) von der Sachlage Kenntnis erlangt hatte, wurden die mural paintings im Jahre 1971 Hoelzer zur Restauration übergeben, der in der Folge einleitende Renovierungsarbeiten vornahm und sie für 18 Jahre aufbewahrte. Im Jahre 1980 bekam Hoelzer Besuch von einem Repräsentanten des Stamford public school system, der diesem mitteilte, dass die Kunstobjekte wieder in der City of Stamford installiert werden sollten. Im Jahre 1986 informierte die General Services Administration den aktuellen Besitzer Hoelzer, dass die Gegenstände Eigentum der Stamford High School seien und verlangte die Rückführung der Kunstwerke. Im Oktober 1986 erklärte Hoelzer, dass die Wandmalereien in sein Eigentum übergegangen seien und machte insbesondere geltend, dass Stamford die Restitutionsforderung über Gebühr verzögert habe und somit die Grundsätze der Verjährung eines Rückführungsanspruchs temporal präkludieren würde.
348
In dem Prozess zwischen dem Restaurator Hoelzer und dem Eigentümer des Gebäudes – der Schule von Stamford bzw. dem Rechtsträger der Schule, der City of Stamford – hat der Second Circuit des United States Court of Appeals die Abkehr von seiner vormaligen Rechtsprechung in DeWeerth v. Baldinger und somit von der constructive discovery rule zugunsten einer generellen Applikation der demand and refusal rule in New York beschlossen. Der Second Circuit des United States Court of Appeals bestimmte ausdrücklich, „that there is no due diligence requirement affecting running of statute of limitations in actions for repossession of lost or stolen art“572: “Because art work can be both extremely valuable and highly marketable to an underground clientele, the difficulties original
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571 572
DeWeerth v. Baldinger, 836 F. 2d 103 (2nd Cir. 1987), S. 108. Hoelzer v. City of Stanford, Connecticut, 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991), S. 1138.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
owners face in recovering missing art abound. Recognizing this dilemma, the New York Court of Appeals adopted a policy tailored to alleviate that burden.”573 Aufgrund der Applikation der Guggenheim-Entscheidung bestimmte das Gericht, dass „this case gives us an opportunity to implement what has become the law of the State of New York, namely, that there is no due diligence requirement affecting running of statute of limitations in actions for repossession of lost or stolen art.“574 Da der City of Stamford im Ergebnis auch kein laches-Vorwurf zu machen war, wurden die Kunstwerke der Stadt Stamford zugesprochen.
VI. Kritik an der ‚demand and refusal rule‘ zur Regulation der widerstreitenden Interessen zwischen Besitzer und Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 350
Gegner der demand and refusal rule führen in erster Linie den Sinn und Zweck temporaler Ausschließlichkeitsgrundsätze und Verjährungsregelungen gegen die vornehmlich in den Entscheidungen Menzel v. List, Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon und Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell für den New Yorker Kunstmarkt eingeführte Theorie zur Bestimmung des Verjährungsbeginns ins Feld. So wurde innerhalb der Entscheidung DeWeerth v. Baldinger575 die Fairness gegenüber der beklagten Partei betont, und dargestellt, dass die tatsächlichen Gegebenheiten oftmals so lange Zeit zurückliegen, dass eine übermäßige Belastung des potenziell restitutionsverpflichteten Besitzers aufgrund des Verlustes konkreter sachlicher Beweismittel und personaler Erinnerungen von Zeugen auf Seiten des Beklagten zu erwarten ist. Darüber hinaus erfolgt seitens der Verjährungsgrundsätze auch innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika ein Schutz des Gerichtssystems vor Klagewellen, die bei einer temporal unbefristeten zivilrechtlichen Klagbarkeit dem Gericht als möglich erschienen.576 Folgendes ist zu bedenken: Es gibt grundsätzlich in jeder Rechtsordnung Situationen, in denen eine Klage auch nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist noch möglich erscheint. Gerichte und Rechtssysteme erkennen nahezu unisono eine Ausnahme in Fällen temporaler Präklusion an, wenn Handlungen auf Seiten der beklagten Partei eine Klage hinderten. Da die Aufrechterhaltung einer so langen Klagemöglichkeit entsprechend den Grundsätzen der demand and refusal rule nur für besondere Härtefälle relevant sei, für die jedoch in jeder Rechtsordnung besondere Wiederaufnahmegründe eines Verfahrens bestehen, würde ein weitergehender genereller Schutz vor temporaler Präklusion kultureller Restitutionsansprüche das ausgewogene System aus der Balance bringen.
573 574 575 576
Hoelzer v. City of Stanford, Connecticut, 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991), S. 1138. Hoelzer v. City of Stanford, Connecticut, 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991), S. 1138. DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987), S. 109. DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987), S. 109.
4. Abschnitt: Verjährungsbeginn als rechtspolitisches Mittel der Sachzuordnung
993
“Where an injury remains hidden for a period of time after its occurence, as in the medical malpractice are, a discovery rule tolls the statute until the plaintiff discovers, or should have discovered, the injury by the exercise of reasonable diligence. A more generous statute of limitations for original owners seeking recovery of stolen art, therefore, would harmonize with other situations in which a plaintiff may bring suit after a date-of-injury limitations period has run.”577 Entscheidend ist jedoch aus Sicht der Kritiker der demand and refusal rule die Ungerechtigkeit gegenüber den potenziell restitutionspflichtigen gutgläubigen Besitzern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter („harsh treatment of innocent purchasers“578). Die demand and refusal rule fokussiert allein auf die Interessenwahrung des ursprünglichen Eigentümers, der grundsätzlich auch nach dem Ablauf einer sehr langen Zeitspanne die Herausgabe eines von ihm unrechtmäßig entzogenen Kulturguts auch gegenüber gutgläubigen Erwerbern gerichtlich durchzusetzen vermag.579 Ebenso wie es der constructive discovery rule zum Vorwurf gemacht wird, betonen Kritiker der demand and refusal-Regel, dass der Grundsatz „reduces the repose of innocent purchasers to a nullity by allowing aggrieved owners to bring causes of action, regardless of the passage of the statute of limitations designated time limit, as long as the owner meets the demand requirement“580. Im Gegensatz zu der innerhalb der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell geäußerten kulturpolitischen Einschätzung des Court of Appeals of New York, dass eine weniger eigentümerfreundlichere Regel als die demand and refusal rule dazu führen würde, dass der New Yorker Kunstmarktplatz zu einem Zentrum des illegalen Kunsthandels mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern avancieren würde, machen Hawkins, Rothman und Goldstein in ihren Ausführungen zur Wahrung der notwendigen Interessenbalance zwischen Eigentümern und gutgläubigen Besitzern darauf aufmerksam, dass
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Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 937. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1080. Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 244: die ‚demand and refusal‘-Regel “… favors original owners because they can bring suit without regard to the passage of time. If a purchaser could never be secure in her possessory rights, the free flow of art in the commercial market would be interrupted.” Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 26: Pauschal wird zuweilen über die New Yorker Verjährungsregel festgestellt, dass die Rechtslage bei Applikation der demand and refusal-Regel überhaupt keine temporale Präklusion aufgrund Verjährung mehr bestimme und somit allein der ursprüngliche Eigentümer geschützt sei. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1080.
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
nach ihrer Einschätzung die Guggenheim-Entscheidung „instead threatens to turn New York into a haven for questionable litigation of ancient claims, and thereby may have a chilling effect on legitimate art transactions and art exhibitions in the state. Moreover, rather than helping to solve or to ameliorate the widespread and serious problems involving art theft, Guggenheim’s view of the law has exacerbated them, permitting former owners to avoid taking the steps that might lead to the recovery of stolen art, and thus preventing innocent purchasers of stolen art from becoming new victims of the thief.“581 Gegner werfen der demand and refusal rule damit vor, dass die Regel sämtliche rechtserheblichen Argumente für das Institut der temporalen Präklusion missachtet – für die Applikation der Verjährungsgrundsätze sprechen über bisher Gesagtes hinaus auch die Rechtssicherheit, dass veraltete Ansprüche nicht mehr gerichtlich durchsetzbar sind, sowie die allgemeinen Interessen an einem regen Kulturgüterverkehr. 352
Kritik hat in diesem Zusammenhang vornehmlich die Guggenheim-Entscheidung und deren Missachtung erfahren, dass grundsätzlich zwei unschuldige Parteien miteinander in Streit stünden: Einerseits das unschuldige Opfer des unrechtmäßigen Entziehungsaktes – der Eigentümer – und andererseits der gutgläubige Erwerber. Das Gericht verneinte eine Sorgfaltspflicht seitens des ursprünglichen Eigentümers und unterwarf diesen lediglich einem laches-Einwand. Dieser kann jedoch nur dann von dem gutgläubigen Erwerber geltend gemacht werden, wenn dem ursprünglichen Eigentümer eine unbillige Verzögerung bei Klageerhebung vorzuwerfen und dem redlichen Erwerber dadurch ein konkreter Nachteil entstanden ist. Aus diesem Grund sei es nicht unwahrscheinlich, dass mit Etablierung der demand and refusal rule ursprünglichen Eigentümern die rechtliche Handhabe geschaffen wurde, auch noch nach Jahrzehnten erfolgreich die Herausgabe zu erreichen, selbst wenn eine Kette gutgläubiger Erwerber involviert war und der Eigentümer eigentlich eine Lokalisierung und Identifizierung seiner abhandengekommenen Kunstwerke hätte erreicht haben können: “New York is becoming a magnet for litigation of a variety of ancient claims”.582
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Vgl. Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 51. Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 52.
§ 18 Ergebnis: Verjährung, Verwirkung und Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer
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§ 18 Ergebnis: Verjährung, Verwirkung und Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor amerikanischen Gerichten Da innerhalb des amerikanischen Rechtskreises aufgrund des nemo dat-Grundsatzes auch nach mehrgliedrigen Veräußerungsketten grundsätzlich kein gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Erwerb an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern erfolgen kann, gleichzeitig aber auch keine originäre Eigentumsersitzung im klassischen Verständnis der europäischen Rechtsordnungen innerhalb des Common Law-Rechtskreises bekannt ist, könnte der ursprüngliche Eigentümer die Rückführung ‚seiner‘ Kulturgüter von jedem gutgläubigen Besitzer und Erwerber ohne sachliche Begrenzung verlangen. Aber auch innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung hat nicht generell die Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ohne Einschränkung zu erfolgen. Die amerikanische Zivilrechtsordnung wahrt die notwendige Balance zwischen dem Interesse potenziell restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und dem Bedürfnis nach Rückführung abhandengekommener Kunstwerke an die rechtmäßigen Eigentümer mittels der allgemeinen Verjährungsvorschriften (sog. statutes of limitations) und der Verwirkungsgrundsätze (sog. laches). Dementsprechend kann der Eigentümer nur so lange die Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber dem aktuellen Besitzer verlangen, bis der Restitutionsanspruch entweder verjährt ist oder die Geltendmachung einen Verstoß gegen die allgemeinen Prinzipien von Treu und Glauben (sog. estoppel) darstellt und dementsprechend verwirkt ist.
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Ausgangspunkt der Untersuchung temporaler Präklusionsvorschriften innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter war die Erkenntnis, dass in den einzelnen Bundesstaaten für Klagen auf Herausgabe von beweglichen Gegenständen und damit auch kulturellen Objekten die Dauer der Verjährungsfristen zwischen zwei und zehn Jahren variiert, wobei in den meisten Bundesstaaten die Verjährungsfrist auf sechs Jahre festgelegt worden ist. Die bundesstaatlichen statutes of limitations nehmen grundsätzlich jedoch keine Bestimmung des Beginns der Verjährungsperiode vor, sodass sich innerhalb zahlreicher amerikanischer Gerichtsentscheidungen die Frage stellte, zu welchem Zeitpunkt der Lauf der Verjährung beginnen soll. Dazu bestehen keine einheitlichen Regeln und die höchsten Gerichte der unterschiedlichen Bundesstaaten vertreten diesbezüglich divergierende Ansichten. Deshalb ist bei einer Klage auf Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Vereinigten Staaten bei der Frage der Verjährung immer festzustellen, welcher Theorie das zur Entscheidung berufene Forum folgt. Die amerikanischen Zivilrechtsregeln entscheiden kulturelle Restitutionsansprüche infolgedessen allein über die Frage des Verjährungsbeginns und sehen den Zeitpunkt, zu dem eine meist relativ kurze Verjährungsfrist zu laufen beginnt, als rechtspolitisches Mittel der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Die jeweiligen Theorien
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
versuchen eine sowohl für den kulturellen Eigentümer als auch potenziell restitutionspflichtigen Besitzer gerechte Antwort darauf zu finden, welche der beiden Parteien eher dazu in der Lage ist, die Risiken des illegalen Kulturgütertransfers zu tragen, unrechtmäßig entzogene Kulturgüter aufzuspüren und die Anreize für unrechtmäßige Entziehungsakte kultureller Wertgegenstände zu verringern. Führt man sich vor Augen, dass bei einer Restitutionsforderung gegenüber einem gutgläubigen Erwerber oder Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter grundsätzlich zwei unschuldige Parteien um den dauerhaften Erhalt ihres kulturellen Bestandes streiten, hängt die jeweilige gerichtliche Entscheidung davon ab, ob schließlich der ursprüngliche Eigentümer oder der aktuelle Besitzer eine größere Verantwortung in der Dekuvrierung, Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter trägt. In den voranstehenden Untersuchungen wurden dementsprechend folgende unterschiedliche Zeitpunkte des Verjährungsbeginns erkannt, die einen progressiv aufsteigenden Schutz des Eigentümers und Restitutionsgläubigers proklamieren: 355
Zunächst wird der Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entziehung als frühest möglicher Verjährungsbeginn (sog. traditional accrual rule) erkannt (vgl. Punkt A.). Danach beginnt der Zeitraum, innerhalb dessen ein Anspruch des ursprünglichen Eigentümers auf Restitution eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts vor einem amerikanischen Gericht platziert werden muss, um eine Verjährung zu verhindern, traditionell in dem Moment, in dem der Restitutionsanspruch entstanden ist. In den meisten Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika ergibt sich ein Anspruch aus einer ‚action in replevin‘ oder ‚action in conversion‘ – dies sind die am häufigsten applizierten rechtsdogmatischen Anspruchsgrundlagen vor amerikanischen Gerichten bei der zivilrechtlichen Restitution illegal transferierter Kulturgüter – zu dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entziehung des Kulturguts aus dem Bestand des Eigentümers. Die traditional accrual rule sollte jedoch keine weitere Anwendung erfahren, da in zahlreichen Konstellationen schon eine Verjährung eingetreten sein wird, ohne dass der Eigentümer überhaupt eine reale Möglichkeit der Lokalisierung seines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts hätte erreichen und ohne dass er die Identität des Inhabers der momentanen tatsächlichen Sachherrschaft hätte ausfindig machen können (Unausgewogenheit der traditional accrual rule zulasten der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter). Dadurch wird die Marktgängigkeit abhandengekommener Kulturgüter gefördert. Sicherlich mildert die sog. doctrine of fraudulent concealment diese Rechtswirkungen, wenn der Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen wird, während der bewegliche Gegenstand vor dem Eigentümer arglistig verschwiegen wird. Da die Regel sowohl ein aktives und arglistiges Verschweigen des Aufenthaltsorts als auch des Besitzers des Kulturguts gegenüber dem Eigentümer verlangt (und nicht nur, dass die Person, die das Kulturgut unrechtmäßig entzogen hat, oder der nachfolgende Erwerber es versäumt, seine Besitzposition und die Tatsache der kulturellen Entziehung dem
§ 18 Ergebnis: Verjährung, Verwirkung und Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer
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Eigentümer mitzuteilen), wird im illegalen Kulturgüterverkehr nur selten eine Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist anzunehmen sein. Als zweite Alternative zur Bestimmung des Verjährungslaufs wurde die sog. adverse possession-Theorie erläutert (vgl. Punkt B.), die nach Ablauf der Verjährungsfrist einen Eigentumserwerb auch an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern bestimmt. Bei Applikation der adverse possession-Doktrin wird über die Grundsätze der erlöschenden Verjährung hinaus nicht nur die Geltendmachung des Anspruchs ausgeschlossen, sondern zusätzlich der originäre Eigentumserwerb des aktuellen Besitzers bestimmt. Voraussetzung eines Eigentumserwerbs mittels der adverse possession als ersitzungsähnliches Rechtsinstitut ist, dass der Besitz über einen bestimmten Zeitraum „hostile, actual, visible, exclusive, and continuous“ ist (aktueller und ausschließlicher, entgegengesetzter, feindlicher, sichtbarer, offener und ununterbrochener Eigenbesitz).583 Die Theorie konnte sich jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht durchsetzen und der Supreme Court of New Jersey entwickelte innerhalb der Entscheidung O’Keeffe v. Snyder deshalb eine neue Regel „for the commencement and running of the statute of limitations that is more responsive to the needs of the art world than the doctrine of adverse possession“584 – die sog. discovery rule.
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Nach der sog. constructive discovery rule (vgl. Punkt C.) erfolgt der Verjährungsbeginn, sobald der ursprüngliche Eigentümer die Lokalisierung seiner unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und die Identifizierung des aktuellen Besitzers bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erreichen müssen. Der Lauf der Verjährung ist somit von speziellen Sorgfaltsanforderungen auf Seiten des Eigentümers abhängig: In dem Moment, in dem der Eigentümer ‚seine‘ Kulturgüter bei Anwendung eines angemessenen Sorgfaltsmaßstabs hätte lokalisieren und den aktuellen Besitzer identifizieren können, beginnt der Lauf der Verjährungsfrist, unabhängig von dessen tatsächlicher Kenntnis. Praktisch bedeutet diese in zahlreichen amerikanischen Bundesstaaten applizierte Grundregel, dass der Lauf der Verjährung so lange gehemmt ist, wie der Eigentümer nach den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern sucht und eine Verifizierung des aktuellen Besitzers anstrengt. Dabei obliegt der Nachweis einer angemessenen (reasonable) Sorgfaltserfüllung dem Eigentümer: Dieser hat zu beweisen, dass er bei der Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter sowie der Identifizierung des aktuellen Besitzers und Restitutionsschuldners mit ausreichender Sorgfalt handelte. Von Befürwortern der discovery rule zur Bestimmung des Verjährungsbeginns wird meist geltend gemacht, dass die Konstruktion eine ausgleichende und balancierende Rechtsregel hinsichtlich der Interessen sowohl des ursprünglichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als auch
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583 584
O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980). O’Keefe v. Snyder, N.J. 416 A. 2d 862, (S. Ct. 1980).
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des redlichen Erwerbers innerhalb einer bona fide-Akquisition erreicht. Es wird explizit betont, dass auch der Schutz des Anspruchstellers ausreichend gewahrt wird: “By focusing on the actions of the owner, rather than on those of the possessor, advocates of the discovery rule claim that the doctrine protects innocent victims by allowing them to retain title to their stolen property as long as they take appropriate steps to recover it.”585 358
Kritiker machen geltend, dass jedoch bei Anwendung der constructive discovery rule eine klare rechtliche Präzisierung des notwendigen due diligence-Maßstabes fehle.586 Rechtskonstruktiv wird der Theorie vorgeworfen, dass die Frage der temporalen Präklusion kultureller Restitutionsansprüche unabhängig davon zu beantworten sein müsse, ob der restitutionsberechtigte Eigentümer während der Zeit der unrechtmäßigen Entziehung bis zur Wiederentdeckung des Kulturguts angemessene Lokalisierungsbemühungen des abhandengekommenen Kunstwerks und Identifizierungsanstrengungen zur Bestimmung des aktuellen Besitzers unternommen habe. Dies sei allein eine Frage einer möglichen treuwidrigen Handlungsweise des Eigentümers, die an den allgemeinen estoppel-Grundsätzen und dem Prinzip des venire contra factum proprium zu messen sei. Die Anwendung der constructive discovery rule vermenge somit Fragen der Verjährung mit dem Anliegen des allgemeinen Verwirkungseinwandes. Während innerhalb der deutschen Rechtsordnung unzweifelhaft von einer Koexistenz von (gesetzlicher) Verjährung und (richterrechtlicher) Verwirkung ausgegangen werden kann und beide Rechtsinstitute als unabhängige Ausschlussgründe kultureller Restitutionsansprüche gelten, wird bei Anwendung der constructive discovery rule keine institutionelle Trennung zwischen Verwirkungs- und Verjährungsgedanken vorgenommen. Da auch allgemein innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs für eine stringente Trennung verjährungs- und verwirkungsrechtlicher Fragestellungen plädiert wird und nur bei der Verwirkung neben das Zeitmoment solche Umstandsmomente in der Person des Berechtigten als auch des Verpflichteten treten, „die es rechtfertigen, die spätere Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen“587, muss somit bei der Analyse von Urteilen nach der constructive discovery rule diese stringente Unterscheidung aufgegeben werden.
585
586
587
Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1087. Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 245. Vgl. BAG, Entscheidung des 5. Senats vom 25.04.2001, Az: 5 AZR 497/99, BAGE 97, 326, S. 329.
§ 18 Ergebnis: Verjährung, Verwirkung und Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer
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Entscheidende Erwägung gegen diese Theorie ist jedoch deren Unrechtsgehalt gegenüber dem Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter: Die Internationalität des illegalen Kunstmarktes, die eine besondere Komponente des kulturellen Schwarzmarktes ausmacht, bedeutet eine besondere Schwierigkeit bei der Lokalisierung abhandengekommener Kulturgüter auf Seiten des Eigentümers. Hinzu kommt die Heimlichkeit und Verschlossenheit der Hauptbeteiligten im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr. Beide Komponenten führen dazu, dass eine Lokalisierung die Ressourcen der meisten Eigentümer übersteigen wird. Da innerhalb des amerikanischen Rechtskreises jedoch kein absoluter Gutglaubensschutz anerkannt ist und auch ein redlicher Erwerber kein Eigentum von einem Dieb oder von einer Person erwerben kann, die ihrerseits das bewegliche Gut von einem Dieb erhalten habe, ist die constructive discovery rule von Grund auf mit den allgemeinen Prinzipien des Common Law unvereinbar, die generell den Schutz des ursprünglichen Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter höher bewerten als die Interessen gutgläubiger Erwerber: Aus der systemwidrigen Bevorzugung der Interessen der eigentlich restitutionspflichtigen Besitzer ergäbe sich zusätzlich eine Förderung des kulturellen Schwarzmarkts. Aus diesen Gründen wird ein progressiver Schutz des ursprünglichen Eigentümers bei Anwendung der sog. actual discovery rule gefordert (vgl. Punkt D.). Danach beginnt die Verjährung, sobald der ursprüngliche Eigentümer die Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und die Identifizierung des aktuellen Besitzers positiv festgestellt hat – d.h. der Lauf der Verjährungsfrist beginnt erst zu dem Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisgewinnung von den anspruchsbegründenden Umständen (der unrechtmäßigen Entziehung und dem Aufenthaltsort des Kulturguts, sowie dem aktuellen Besitzer als Restitutionsschuldner). Da die Interessen des Eigentümers die Belange gutgläubiger Erwerber entsprechend dem allgemeinen Tenor des Common Law weit überwiegen, auferlegen die Vertreter einer actual discovery rule dem Eigentümer keine besonderen Sorgfaltsanforderungen in der Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der Identifizierung des aktuellen Besitzers und potenziellen Restitutionsschuldners.
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Eine noch weitergehendere Stärkung des Schutzes ursprünglicher Eigentümer kultureller Wertgegenstände vor einem Verlust ihrer Eigentumsposition und der daraus entspringenden Restitutionsmöglichkeit erreichen diejenigen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten – wie bspw. der Bundesstaat New York mit dem ‚Weltkunsthandelszentrum Nr. 1‘ –, die nach der sog. demand and refusal rule den Verjährungsbeginn nach Verweigerung der Rückführungsforderung des Eigentümers durch den Besitzer bestimmen. Die demand and refusal rule spielte in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, in denen New Yorker Gerichte über die Herausgabe unrechtmäßig entzogener Kunstwerke zu befinden hatten, eine ‚buchstäblich‘ entscheidende Rolle. Der Lauf der Verjährung beginnt danach in dem Moment, in dem der Restitutionskläger und Eigentümer das unrechtmäßig
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
entzogene Kulturgut von dem Besitzer und Anspruchsgegner einer kulturellen Restitutionsklage herausverlangt (demand) und letztgenannter die Forderung der Rückführung zurückgewiesen hat (refusal). Der Court of Appeals of New York pflichtete in seiner im Jahre 1991 ergangenen Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell der Geltung der demand and refusal rule bei und entschied dabei explizit gegen die Einführung spezieller due diligence-Anforderungen an den Eigentümer bei Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und bei Identifizierung des aktuellen Besitzers in der Bestimmung des Verjährungsbeginns. Dabei stellte der Court of Appeals of New York ausdrücklich fest, dass „the timing of the museum’s demand for the gouache and the appellant’s refusal to return it are the only relevant factors in assessing the merits of the statute of limitations defense. We see no justification for undermining the clarity and predictability of this rule by carving out an exception where the chattel to be returned is a valuable piece of art.“588 Dadurch wird dem Eigentümer größtmöglicher Schutz gewährt. Dementsprechend charakterisierte das Appellationsgericht die demand and refusal rule unter den unterschiedlichen Alternativen zur Bestimmung des Verjährungsbeginns als „the rule that affords the most protection to the true owners of stolen property.“589 361
Kritiker werfen der demand and refusal rule Ungerechtigkeit gegenüber den potenziell restitutionspflichtigen gutgläubigen Besitzern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor („harsh treatment of innocent purchasers“590). Es wird bemängelt, dass allein auf die Interessenwahrung des ursprünglichen Eigentümers fokussiert werde, der grundsätzlich auch nach dem Ablauf einer sehr langen Zeitspanne die Herausgabe eines von ihm unrechtmäßig entzogenen Kulturguts gegenüber gutgläubigen Erwerbern gerichtlich durchsetzen könne, obwohl bereits eine Kette gutgläubiger Erwerber involviert war und der Eigentümer eigentlich eine Lokalisierung und Identifizierung seiner abhandengekommenen Kunstwerke hätte erreichen können. Als Folge davon sehen Kritiker New York schon als „a magnet for litigation of a variety of ancient claims“591.
362
Die spezielle Ausgewogenheit der Entscheidung und die Wahrung der Interessen gutgläubiger Erwerber wird seitens der amerikanischen Gerichte bei Anwendung der demand and refusal rule jedoch dadurch gesucht, dass die zur Restitution verpflichtete Partei ein zu zögerliches Verhalten bei den Lokalisierungsbemühungen auf Seiten des klagenden Eigentümers mittels des allgemeinen 588 589 590
591
Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1080. Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 52.
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Verwirkungseinwandes bemängeln kann, wenn eine Rechtsbeeinträchtigung bzw. ein Schaden bei der beklagten Partei aufgrund der schuldhaften Verzögerung der Geltendmachung des Restitutionsanspruchs auf Klägerseite zu konstatieren ist. “Appellant’s affirmative defense of laches remains viable, however, and her claims that the museum did not undertake a reasonably diligent search for the missing painting will enter into trial court’s evaluation of the merits of that defense.”592 Auch wenn die Appellate Division und der Court of Appeals in der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell jeweils einstimmig die Ansicht vertraten, dass mangelnde Sorgfalt des Eigentümers bei der Suche nach unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern keinen Einfluss auf den Verjährungsbeginn des Herausgabeanspruchs habe, stellte der Court of Appeals of New York in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1991 ausdrücklich fest, dass unangemessene Lokalisierungsbemühungen und nachlässige Identifizierungsanstrengungen durchaus als Verwirkungseinwand entsprechend der defense of laches als Ausprägung des allgemeinen estoppel-Grundsatzes berücksichtigt werden können. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der restitutionsverpflichtete Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beweisen kann, dass der Kläger nicht sorgfältig genug nach seinem Eigentum gesucht und deshalb die Anspruchserhebung ungebührlich verzögert habe und er selbst gerade dadurch geschädigt (prejudiced) sei. Rechtskonstruktiv hat die demand and refusal rule damit die Gemengelage verjährungsund verwirkungsrechtlicher Gedanken erkannt und die Frage des Beginns der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche von einem möglichen Ausschluss eines Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (sog. laches-Grundsatz als Ausprägung eines allgemeinen estoppel-Prinzips auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs) unterschieden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle zur materiell-zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter berufenen amerikanischen Gerichte – unabhängig davon, welcher konkreten Theorie zur Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist gefolgt wird – entsprechend der nemo dat-Regel des Common Law (wonach der Gutglaubenserwerb an einer gestohlenen Sache grundsätzlich ausgeschlossen ist) dem Eigentümerschutz auch innerhalb der Frage der temporalen Präklusion eine hohe Stellung einräumen. Die Gerichte in den Entscheidungen Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, O’Keeffe v. Snyder, Naftzger v. The American Numismatic Society betonen ebenso wie in DeWeerth v. Baldinger und Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell ein aus ihrer Sicht ausgewogenes System zur Integration und Koordination der grundsätzlich widerstreitenden Interessen gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter einerseits und den Bedürfnissen der Wahrung der fortbestehenden Rechtspositionen der kulturellen Eigentümer andererseits. Die geäußerten 592
Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991).
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
Grundentscheidungen versuchen damit auf die jeweils eigene Art einen fairen Ausgleich zwischen den allgemeinen Belangen an einem möglichst sicheren Kulturgüterverkehr (und einer dementsprechend temporal begrenzten Rückführungsmöglichkeit unrechtmäßig entzogener Kulturgüter seitens der ursprünglichen Eigentümer) und an der Sicherung des wirtschaftlichen und kulturellen Wertes zugunsten des ursprünglichen Eigentümers zu repräsentieren. “These policies represent a balancing act between the general commercial benefit of securing title through statutes of repose (such as the statute of limitation) to prevent the bringing of stale claims after the relevant evidence and memories may have failed and the desire to reduce incentives to steal and trade in stolen art works.”593 364
Obwohl die in den einzelnen amerikanischen Bundesstaaten applizierten Verjährungsfristen für (kulturelle) Herausgabeklagen auf Grundlage einer replevin oder conversion action relativ kurz sind, haben die Gerichte mit ihrer Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn dafür Sorge getragen, dass die Eigentümer von Kunstwerken in den Vereinigten Staaten von Amerika regelmäßig länger geschützt sind, als sie es bei vergleichbarer Sachverhaltskonstellation aufgrund der entsprechenden Ersitzungs- und Verjährungsfristen in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen wären.594 Die unterschiedlichen Lösungsmodelle zum Verjährungsbeginn kommen in vielen Situationen zu gleichen Ergebnissen. So schützen sowohl die demand and refusal rule und die actual discovery rule als auch die constructive discovery rule grundsätzlich den ursprünglichen Eigentümer, wenn dieser in der Zeit zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt und der Wiederentdeckung hinreichende Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen vorgenommen hat.
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Auch steht fest, dass dem unrechtmäßig Entziehenden (etwa dem kulturellen Dieb) oder einem bösgläubigen Erwerber oder Besitzer abhandengekommener Kulturgüter eine temporale Präklusion nicht zugutekommen darf. Eine Möglichkeit der Mitigation der Ungerechtigkeit gegenüber dem Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wurde zulasten der Rechtssicherheit des Kulturgüterverkehrs und der Verkehrsfähigkeit von Kunstwerken mittels der sog. doctrine of fraudulent concealment erreicht, die den Lauf der Verjährungsfrist unterbricht, während der bewegliche Gegenstand vor dem Eigentümer arglistig verschwiegen wird.595 Generell möglich ist auch die Berufung auf die principles
593 594 595
Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 422–424. Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 175–176. Vgl. Autocephalous Greek-Orthodox Church v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc., 717 F. Supp. 1374, 1391–92 & n.10 (SD. Ind. 1989), affd, 917 F.2d 278 (7th Cir. 1990); O’Keeffe v. Snyder, 416 A.2d 862, 872–73 (NJ. 1980); General Stencils, Inc. v. Chiappa, 219 N.E.2d 169, 170–71 (N.Y. 1966); Solomon R. Guggenheim Found. v. Lubell, 550 N.Y.S.2d 618, 621 (App. Div. 1990), aff’d, 569 N.E2d 426 (N.Y. 1991).
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of equitable estoppel. So hat bspw. der Second Circuit des United States Court of Appeals in Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon zu Recht auf die Entscheidung des New York Court of Appeals in der Rechtssache General Stencils, Inc. v. Chiappa 596 verwiesen.597 Danach hindern die principles of equitable estoppel (Grundsätze von Treu und Glauben) einen Dieb oder bösgläubigen Erwerber, sich vor einem Restitutionsanspruch des ursprünglichen Eigentümers auf eine temporale Präklusion zu berufen und damit „to take refuge behind the shield of his own wrong.“598 Dasselbe Ergebnis erlangt die Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell: Auch wenn für den Verjährungsbeginn gegenüber dem bösgläubigen Besitzer (d.h. bspw. dem unrechtmäßig Entziehenden bzw. einem bösgläubigen Erwerber) die Verjährungsfrist zu dem Zeitpunkt beginnt, an dem das Kulturgut unrechtmäßig entzogen wurde, wurde eine Berufung bspw. des Diebes auf die statutes of limitations jedoch als Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (sog. estoppel-Grundsatz) gewertet.599 Besonders umstritten bleibt innerhalb der widerstreitenden amerikanischen Lösungsansätze zum Beginn der Verjährungsfrist jedoch die Frage, „whether unreasonably non-diligent former owners should be entitled to the greatest possible protection against diligent, innocent purchasers.“600 Bei der Untersuchung der temporalen Präklusion kultureller Restitutionsansprüche eines ursprünglichen Eigentümers, der keine Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt und der Wiederentdeckung des Kulturguts in der Sachherrschaft des Besitzers vorgenommen hat, jedoch bei hypothetischer Annahme der Einhaltung gewisser Sorgfaltsanforderungen das abhandengekommene Kulturgut schon viele Jahre zuvor hätte entdecken können bzw. müssen, kommen die unterschiedlichen Lösungsansätze zum Schwur. Dabei dient die Bestimmung des genauen Zeitpunkts des Verjährungsbeginns innerhalb der Rechtsordnungen der verschiedenen Bundesstaaten als das entscheidende Rechtsinstrument der Vereinigten Staaten von Amerika innerhalb der zivilrechtlichen Resolutionsmethoden zur Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs und der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Während die constructive discovery rule hier grundsätzlich von einer temporalen Präklusion bei Ablauf der festgelegten Verjährungsfrist ausgehen wird, beachten die demand and refusal rule und die actual discovery rule mangelnde Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers innerhalb eines Verwirkungseinwandes des gutgläubigen Besitzers.
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General Stencils, Inc. v. Chiappa, 272 N.Y.S.2d 337 (1966). Vgl. Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 393. General Stencils, Inc. v. Chiappa, 272 N.Y.S.2d 337 (1966), S. 339, zitiert bei Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982). Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Gerstenblith, Art, Cultural Heritage and the Law – Cases and Materials, 2004, S. 422–424.
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In zwei neueren Gerichtsentscheidungen wurde für die amerikanischen Rechtsordnungen Ohio und Michigan die discovery rule bestätigt, dass auch Ansprüche von Alteigentümern, deren Kunstwerke NS-bedingt entzogen wurden, der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen und auch eine solche von nur drei Jahren nicht gegen den amerikanischen ordre public verstößt. Zunächst hatte der United States District Court N. D. Ohio, Western Division, am 28.12.2006 in der Rechtssache Toledo Museum of Art v. Claude George Ullin et al. über die Restitution des Paul Gauguin-Gemäldes ‚Straßenszene in Tahiti‘ (s. Abb. 36) an die Rechtsnachfolger der ursprünglichen, jüdischen Eigentümerin Martha Nathan zu entscheiden.601
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Martha Nathan erbete die Sammlung Hugo Nathans im Jahre 1922. „Im Februar 1937 verließ Martha Nathan Deutschland verfolgungsbedingt und ging nach Paris. 1938 kehrte sie nach Deutschland zurück, um ihr Haus zu verkaufen. Nationalsozialistische Stellen zwangen sie dazu, sechs Kunstwerke, die in diesem Haus verblieben waren, dem Frankfurter Städel zu überlassen, das streitgegenständliche Gemälde gehörte allerdings nicht zu diesen Werken, der „Gauguin“ befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Schweiz (Basel). Martha Nathan übersiedelte danach ebenfalls in die Schweiz. Im Dezember 1938 verkaufte sie einige ihrer Kunstwerke einschließlich der „Straßenszene“, diese für 30.000 Schweizer Franken, an drei bekannte Kunsthändler. Zwei von ihnen, Justin Thannhauser und Alexander Ball, waren ebenfalls Deutsche jüdischen Glaubens, deren Galerie „arisiert“ worden war, und die Martha Nathan seit vielen Jahren kannte. Der dritte Erwerber, George Wildenstein, war ebenfalls jüdischen Glaubens, alle drei mussten fliehen. Einige Monate später kaufte das TMA die „Straßenszene“ für US-$ 25.000 von Wildenstein & Co.“602 Nach dem Krieg erhielt Martha Nathan eine Entschädigung für die ihr abgezwungende Reichsfluchtsteuer aus der Veräußerung ihres Hausstands, für den Schaden aus der Veräußerung desselben unter Wert sowie für den Verlust der sechs dem Städel übergebenen Gemälde. In dem Verfahren lehnte das Gericht eine unrechtmäßige NS-bedingte Kulturgutentziehung ab: “This sale occurred outside Germany by and between private individuals who were familiar with each other. The Painting was not confiscated or looted by the Nazis; the sale was not at the direction of, nor did the proceeds benefit, the Nazi regime”. Obwohl Martha Nathan nach Ende des Zweiten Weltkriegs verschiedene Wiedergutmachungsansprüche in Deutschland und den USA erhob, beanspruchte sie zu keinem Zeitpunkt die Rückführung des Gauguin-Gemäldes. Schließlich hielt das Gericht einen Resti-
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Vgl. ausführlich hierzu und zum Folgenden die Ausführungen bei Weller, US-Urteil: Keine Restitution von Gauguins „Straßenszene in Tahiti“, Beitrag vom 24. January 2007, Rubrik Urteile, www.ifkur.de. Weller, US-Urteil: Keine Restitution von Gauguins „Straßenszene in Tahiti“, Beitrag vom 24. January 2007, Rubrik Urteile, www.ifkur.de.
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tutionsanspruch trotz Anerkennung einer „strong public policy to resolve claims for Nazi-era artwork“ für verjährt, da die vierjährige Verjährungsfrist des Staates von Ohio, anders als etwa nach § 354.3 des Kalifornischen Codes of Civil Procedure, abgelaufen sei.603 Außerdem hatte der United District Court, Eastern District of Michigan, Southern Division am 31. März 2007 über den Restitutionsanspruch der Erbengemeinschaft um Martha Nathan gegen das Detroit Institute of Art hinsichtlich des Vincent van Gogh-Gemäldes ‚Die Grabenden‘ (s. Abb. 37) mit einem Schätzwert von 15 Millionen US-Dollar zu entscheiden.604 Auch dieses Gemälde hatte Martha Nathan 1938 in Basel an die seit langem befreundeten, ebenfalls jüdischen Kunsthändler Justin Tannhauser, Alexander Ball und George Wildenstein veräußert. Das Detroit Institute of Art erwarb das Werk im Jahr 1969 als Vermächtnis aus dem Nachlass des Kunstsammlers Robert H. Tannahill. Auch in der vorliegenden Konstellation sah das Gericht den Restitutionsanspruch als verjährt an, da weder Martha Nathan noch deren Rechtsnachfolger nach dem Krieg zu keinem Zeitpunkt Ansprüche im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Werk erhoben hatten, obwohl dies möglich und effektiver Rechtsschutz eröffnet war. Nach der Rechtsordnung Michigans begann die dreijährige Frist von dem Zeitpunkt an zu laufen, zu dem der Anspruchsinhaber die maßgeblichen Tatsachen kennt, sodass sich die Rechtsnachfolger zurechnen lassen müssen, dass Martha Nathan nach Kriegsende erfolgreich nur die Restitution der ihr zu Unrecht entzogenen Vermögenswerte verfolgte, wegen des van Gogh-Gemäldes jedoch niemals Ansprüche erhoben hatte. Außerdem warf das Gericht Rechtsnachfolgern vor, weder mit Martha Nathans Tod im Jahre 1958 noch mit Beginn der Restitutionsdebatte im Jahre 1998 selbst die Rückführung beansprucht zu haben. Schließlich bezweifelte der United District Court ein unrechtmäßiger Kulturgutverlust, da die Werke durch private Transaktionen außerhalb Deutschlands und zwischen Individuen, die untereinander befreundet waren, veräußert wurden, eine Beschlagnahme durch die Nationalsozialisten jedoch nicht stattgefunden hatte („the painting was not confiscated or looted by the Nazis; the sale was not at the direction of, nor did the proceeds benefit, the Nazi regime“).605 Vor Gericht machten die Rechtsnachfolger Martha Nathans außerdem geltend, dass
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Weller, US-Urteil: Keine Restitution von Gauguins „Straßenszene in Tahiti“, Beitrag vom 24. January 2007, Rubrik Urteile, www.ifkur.de. Vgl. ausführlich hierzu Huttenlauch, Gerichte in den USA gegen Restitution – Tahitische Strassenszene, Artikel vom 16. Juli 2007, Quelle: http://www.artnet.de/magazine/features/ huttenlauch/huttenlauch07-16-07.asp; Weller, US-Urteil: Verjährung von Holocaust-Ansprüchen (Detroit Institute of Art), Beitrag vom 10. Mai 2007, Rubrik Urteile, www.ifkur.de. Vgl. ausführlich hierzu Huttenlauch, Gerichte in den USA gegen Restitution – Tahitische Strassenszene, Artikel vom 16. Juli 2007, Quelle: http://www.artnet.de/magazine/features/ huttenlauch/huttenlauch07-16-07.asp; Weller, US-Urteil: Verjährung von Holocaust-Ansprüchen (Detroit Institute of Art), Beitrag vom 10. Mai 2007, Rubrik Urteile, www.ifkur.de.
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sich die Museen nicht auf die Anspruchsverjährung berufen dürften, da sie sich innerhalb ihrer selbstauferlegten ethischen AAMD/AAM-Guidelines zu einer aktiver Provenienzrecherche und offenen, verantwortungsvollen Aufarbeitung von Eigentumsansprüchen bekannten. In beiden Verfahren lehnten die Gerichte jedoch einen rechtlichen Einfluss dieser Verhaltenskodizes ab und erteilten der Annahme eine Absage, dass darin ein Verzicht auf die Verjährungseinrede gesehen werden müsse, da sich aus diesen kein rechtsverbindlicher Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung ableiten ließe. Die selbstauferlegten Verhaltensstandards eröffneten den Museen nur die Möglichkeit, keinesfalls jedoch die rechtsverbindliche Pflicht, auf ihre Rechtsposition zu verzichten („in order to achieve an equitable and appropriate resolution of claims, museums may elect to waive certain available defenses“).606 370
Der spezielle Untersuchungsauftrag für den voranstehenden 4. Abschnitt lag in der Analyse der amerikanischen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter hinsichtlich der Frage, ob die Lösungsansätze der amerikanischen Rechtsordnung ihrerseits Hinweise und Anregungen für die deutsche Rechtsordnung und die Auflösung des Interessenwiderstreits des Putativschuldners und des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter geben können. Versucht man dabei weniger auf die rechtskonstruktiven Unterschiede der divergierenden Theorien zum Verjährungsbeginn abzustellen, als vielmehr deren Gemeinsamkeiten zu betonen, ergeben sich in der Tat interessante Anregungen zur Lösung des Widerstreits zwischen dem Putativschuldner und dem restitutionsberechtigten Eigentümer auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung. Unabhängig davon, ob die Gerichte der (constructive) discovery rule oder der demand and refusal rule folgen, bekunden die Entscheidungen in corpore, tutti quanti dieselben kulturpolitischen Erwägungen: Es besteht die Gemeinsamkeit, dass an das Verhalten des Eigentümers, aus dessen Sammlung ein Kulturgut unrechtmäßig entzogen wurde, spezielle Erwartungen geknüpft werden und das Verhalten des redlichen Erwerbers und Besitzers mit dem Verhalten des Eigentümers verglichen wird, um der schutzwürdigeren Partei das Eigentumsrecht an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern dauerhaft zuzuweisen. Unabhängig davon, welcher Theorie die bundesstaatlichen Gerichte zum Beginn der Verjährungsfrist folgen, verorten im Ergebnis alle Richter nicht nur auf Seiten gutgläubiger Erwerber zum Nachweis ihrer Redlichkeit, sondern auch auf Seiten der Eigentümer spezielle Sorgfaltsanforderungen. Bei Anwendung der constructive discovery rule finden spezielle Verhaltensstandards des Eigentümers direkte Anwendung und sind schon deshalb notwendig, damit nicht der Lauf der Verjährung beginnt. Bei Anwendung der
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Vgl. ausführlich hierzu Huttenlauch, Gerichte in den USA gegen Restitution – Tahitische Strassenszene, Artikel vom 16. Juli 2007, Quelle: http://www.artnet.de/magazine/features/ huttenlauch/huttenlauch07-16-07.asp; Weller, US-Urteil: Verjährung von Holocaust-Ansprüchen (Detroit Institute of Art), Beitrag vom 10. Mai 2007, Rubrik Urteile, www.ifkur.de.
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demand and refusal rule sind zwar keine Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer in der Bestimmung des Verjährungslaufs entscheidend, die Gerichte haben jedoch regelmäßig in ihren Urteilsbegründungen darauf hingewiesen, dass das Verhalten des Eigentümers innerhalb der Frage der Verwirkung entscheidende Bedeutung einnimmt, sodass dieses hier indirekt in die Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Aufnahme findet. Es fragt sich, ob auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung für die Ausnahmesituation fehlender Beweismöglichkeiten der Gutgläubigkeit eines Erwerbers bzw. Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter eine vergleichbare Wertentscheidung eine Auflösung des Interessenwiderstreits erreichen könnte. Nach Feststellung der Notwendigkeit einer Derogation der 30-jährigen Verjährungsfrist kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB wurde bereits die Vorstellung formuliert, dass die Interessen eines Putativschuldners unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit den Bedürfnissen des ursprünglichen Eigentümers im konkreten Fall gegenübergestellt werden und – beide Parteien sind an der Dilemmasituation grundsätzlich unschuldig und deshalb zunächst in gleichem Maße schutzwürdig – nach einer Prüfung der jeweiligen Verhaltensweisen die schutzwürdigere Berechtigtenposition bestimmt wird. Es fehlte bislang eine rechtskonstruktive Umsetzung! Eine Übernahme der constructive discovery rule und die Einbettung des Sorgfaltsmaßstabs der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in die deutschen Verjährungsregeln scheiden aus den genannten konstruktiven Unterschieden zweifelsohne aus. Es fragt sich jedoch, ob nicht – entsprechend der demand and refusal rule des Bundesstaates New York – auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung eine Abwägungsentscheidung zwischen der Schutzwürdigkeit und dem jeweiligen Verhaltensprogramm des gutgläubigen Erwerbers und Besitzers kultureller Wertgegenstände einerseits und des Eigentümers andererseits innerhalb eines Verwirkungeinwandes erfolgen kann und so der Schutz des Putativschuldners erreichbar ist.
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Somit ist im Folgenden 6. Teil zu untersuchen, ob das Rechtsinstitut der Verwirkung einer solchen Abwägungsentscheidung den rechtlichen Rahmen bieten könnte. Der Schutz des Putativschuldners bei unverjährbaren Restitutionsforderungen stellt das letzte fehlende Fragment einer fairen und gerechten Verteilung der Risiken des illegalen Kunsthandels im Allgemeinen und der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Zivilrechtsordnung Deutschlands im Besonderen dar. Der letzte Untersuchungsauftrag fordert somit die Feststellung, ob der Schlüssel für ein ausgewogenes System der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nicht nur in der Auferlegung spezieller Sorgfaltsanforderungen auf Seiten des gutgläubigen Erwerbers, sondern auch auf Seiten des Eigentümers liegt, und ob dadurch auch der Schutz des Putativschuldners bei unverjährbaren Restitutionsforderungen erreichbar ist. Die amerikanische Rechtsordnung nimmt hier eine Abwägungsentscheidung zwischen dem sorgfältigen Verhalten des gutgläubigen Erwerbers
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5. Teil: Verjährung zivilrechtlicher Restitutionsansprüche
und des Eigentümers vor und ordnet so unrechtmäßig entzogene Kulturgüter zu. Es wird gefragt, welche von zwei unschuldigen Parteien die grundsätzlich schutzwürdigere und dementsprechend eher berechtigte ist. Im folgenden Diskurs wird festzustellen sein, ob dieselbe Ausgangslage auch für die deutsche Rechtsordnung Anwendung finden kann und ob der Putativschuldner dadurch geschützt werden kann, dass auch dem Eigentümer Sorgfaltsanforderungen in der Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der Identifizierung des Besitzers auferlegt werden. Wenn dieser hinter dem notwendigen due diligence-Programm zurückbleibt, könnte – entsprechend der amerikanischen Ausgestaltungsvariante – ein Verlust seiner grundsätzlich temporal unpräkludierten Restitutionsansprüche erfolgen. Von besonderem Interesse ist deshalb, welche konkreten Wertungsentscheidungen innerhalb eines Verwirkungseinwandes bei der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gelten (vgl. hierzu die Untersuchungen des nachstehenden 6. Teils).
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche: Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer und Restitutionsgläubiger Schrifttum: Bersin, The Protection of Cultural Property and the Promotion of International Trade in Art, N.Y.L. Sch. J. Int’l & Comp. L. Vol. 13 (1992), S. 125 ff., S. 147–148; Bibas, The Case Against Statutes of Limitations for Stolen Art, 103 Yale Law Journal (1994), S. 2437 ff.; Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 140–141; Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 504; Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945; Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1082–1083; Epstein, The Laches Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44–48; Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 256; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 241–242; Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159; Hanisch, Der Fall des Liotard und die nationale Zuordnung eines Kunstwerks, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 19–36, S. 36; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96; Hayworth, Stolen Artwork: Deciding Ownership is No Pretty Picture, Duke Law Journal 43 (1993), S. 337–383, S. 375; Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2563–2564; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 170–173; Jenschke, Failing to report a lost cultural asset at data banks – abandonment of property, in: Spoils of War. Special Edition Magdeburg Converence 2001, S. 61–62; Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 25–26; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 375, S. 398–399; Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291; Mansel, DeWeerth v. Baldinger – Kollisionsrechtliches zum Erwerb gestohlener Kunstwerke, IPRax 1988, S. 268–271; Miller/Carey/Meyers/Cowe, Restitution of Art and Cultural Objects: A ReAssessment of the Role of Limitation, Art, Antiquity and Law 6 (2001), S. 1–17; MüllerKatzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 173–174, S. 347; Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006; Raue, Summum ius suma iniuria: Stolen Jewish Cultural Assets under Legal Examination, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 185–190, S. 187–190; Redmond-Cooper, Time limits in actions to recover stolen art, in: Palmer, The Recovery of Stolen Art, 1998, S. 145–162; Redmond-Cooper, Time Limits in Art and Antique Claims: Part I, Art, Antiquity and Law 4
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche (1999), S. 323–346; Redmond-Cooper, Limitation of Actions in Art and Antique Claims: Part II, Art, Antiquity and Law 5 (2000), S. 185–208; Schönenberger, Restitution von Kulturgut, 2009, S. 125–157; Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 177; Siehr, Gutgläubiger Erwerb von Kunstwerken in New York – DeWeerth v. Baldinger erneut vor Gericht, IPRax 1993, Heft 5, S. 339–340, S. 339; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 71; Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz – Eingriffsnormen und der internationale Kunsthandel, in: Pfister/Will, Festschrift für Werner Lorenz zum siebzigsten Geburtstag, 1992, S. 525–542, S. 535–536; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68, S. 57–59, S. 64 ff.; Walter, Rückführung von Kulturgut im Internationalen Recht, 1988, S. 198–199; Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung – Vom Kulturgüterschutz zur internationalen kulturellen Kooperation, 1992, S. 159.
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Neben den speziellen Sorgfaltsanforderungen, die bei der Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter an gutgläubige Erwerber gestellt werden, sind in steigendem Maße auch Tendenzen innerhalb der zivilrechtlichen Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs ersichtlich, die auch auf Seiten der ursprünglichen Eigentümer kulturgüterspezifische Lokalisierungsanstrengungen und Identifizierungsbemühungen verlangen, möchten diese nicht der Gefahr einer rechtsmoralischen Präklusion ihres Restitutionsanspruchs begegnen. Die Beachtung spezieller due diligence-Anforderungen auf Seiten des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der Verwirkungseinwand des grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers gegenüber kulturellen Restitutionsansprüchen finden zunehmend – zumindest innerhalb des amerikanischen Rechtsraums, des mit Abstand stärksten Kunsthandelsplatzes der Welt – gerichtliche Bestätigung und sind heute als wirksames Rechtsinstrument der Balance der widerstreitenden Interessen zwischen zwei prinzipiell redlichen Parteien innerhalb kultureller Restitutionsverfahren nicht mehr außer Acht zu lassen.
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Besondere Bedeutung erlangen solche kulturgüterspezifischen Sorgfaltsanforderungen in Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und deren Besitzer der grundsätzlich restitutionsberechtigten Eigentümer innerhalb der Zivilrechtsordnungen der amerikanischen Bundesstaaten einerseits bezüglich der Frage des Verjährungsbeginns bei Anwendung der constructive discovery rule und andererseits innerhalb des Verwirkungseinwandes bei Anwendung der Rechtsordnung des Bundesstaates New York, die der demand and refusal rule folgt. Während nach Rechtsansicht der constructive discovery rule in einigen amerikanischen Bundesstaaten solche due diligence-Anforderungen an den grundsätzlich restitutionsberechtigten Eigentümer schon maßgebend den Lauf der Verjährungsfrist beeinflussen, erlangen nach der demand and refusal rule und den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen Fragen spezieller Sorgfaltsanstrengung des Eigentümers zur Lokalisierung und Identifizierung der aus seinem Bestand unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter allein innerhalb eines möglichen rechtsmoralischen Verwirkungseinwandes Relevanz.
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
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Die aktuelle Tendenz zur Streitentscheidung im internationalen Kulturgüterrecht entwickelt sich immer deutlicher in Richtung einer judikativen Abwägungsentscheidung („multi-factor balancing of all the equities“ 1), in die sowohl die Belange der gutgläubigen Erwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als auch der restitutionsberechtigten Eigentümer eingestellt werden: So hat bspw. der Court of Appeals of New York in der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell bestimmt, dass „[t]he conduct of both the appellant and the museum will be relevant to any consideration of this defense at the trial level“ 2. Um sicher einer Präklusion kultureller Restitutionsansprüche entgegenzuwirken, müssen Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ab dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entziehung bis zu ihrer Wiederentdeckung verhältnismäßige, angemessene und hinreichende Anstrengungen verfolgen. Vor dem Hintergrund der Forderung der Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche von Seiten der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik und der judikativen Applikation der demand and refusal rule zur Bestimmung des Verjährungsbeginns für das Weltkunsthandelszentrum New York erlauben der Verwirkungseinwand des potenziell restitutionspflichtigen Besitzers gegenüber einer grundsätzlich tatbestandlich erfüllten Restitutionsforderung des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und die speziellen Sorgfaltsanforderungen an die Eigentümer eine Begrenzung der sonst zeitlich unbefristeten Rechtsverfolgung unrechtmäßiger Entziehungsakte kultureller Wertgegenstände. Die eingeschlagene rechtspolitische Tendenz steht damit fest: Grundsätzlich sind unrechtmäßig entzogene Kulturgüter an die ursprünglich Berechtigten rückzuführen, ohne dass der Zeitablauf allein hinreichende Gründe für eine temporale Präklusion bietet. Um dem potenziell restitutionspflichtigen Besitzer nicht eine zu große Bürde aufzuerlegen und dessen Restitutionspflicht nicht unangemessen ausufern zu lassen, wird als Begrenzung einer Restitutionspflicht eine Rückführung nach den allgemeinen Verwirkungsgrundsätzen dann ausgeschlossen sein, wenn der Eigentümer seine speziellen due diligence-Anforderungen in Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und deren Besitzer nicht angemessen wahrte.
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Ein Beispiel: Bei Applikation der materiell-rechtlichen demand and refusal rule des Bundesstaates New York innerhalb der Rechtssache Menzel v. List 3 konnte Erna Menzel noch mehr als zwanzig Jahre nach dem Verlust des Kunstwerks von dem gutgläubigen Erwerber Albert List ihr Chagall-Gemälde zurückverlangen. Eine Wahrung der Interessen gutgläubiger Erwerber wurde in der Entscheidung
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Bibas, The Case Against Statutes of Limitations for Stolen Art, 103 Yale Law Journal (1994), S. 2437 ff., S. 2446. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Menzel v. List, 267 NYS 2d 804 (Sup. Ct. 1966), Menzel v. List, 298 NYS 2d 297 (CA 1969), Menzel v. List, 279 NYS 2d 608 (Sup. Ct. 1967).
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
jedoch dadurch erreicht, dass die zur Restitution verpflichtete Partei ein zu zögerliches Verhalten innerhalb der Lokalisierungsbemühungen auf Seiten des klagenden Eigentümers mittels des allgemeinen Verwirkungseinwandes bemängeln konnte, wenn eine Rechtsbeeinträchtigung bzw. ein Schaden bei der beklagten Partei aufgrund der schuldhaften Verzögerung der Geltendmachung des Restitutionsanspruchs auf Klägerseite zu konstatieren ist. “Laches would limit the troubling possibility … that owners, knowing the relevant facts, could wait idly for decades, or even centuries, before any legal obligation arose to pursue their claims.” 4 Weitergehendere Präzisierungen des kulturgüterspezifischen Sorgfaltsmaßstabs des Eigentümers bei seinen Bemühungen zur Wiederentdeckung ‚seiner‘ Kunstwerke werden in der Entscheidung jedoch nicht aufgestellt. 5
Die inhaltliche Ausgestaltung, Ausgewogenheit und Werthaltigkeit dieser Tendenz zur Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch über das Rechtsinstitut der Verwirkung sind einer kritischen Zensur zu unterziehen. Nach Darstellung des rechtssituativen Hintergrundes spezieller due diligence-Anforderungen an den restitutionsberechtigten Eigentümer als Verwirkungseinwand im 1. Abschnitt und der Rechtskonstruktion des kulturgüterspezifischen Verwirkungseinwandes aus rechtsvergleichender Sicht im 2. Abschnitt findet sich im 3. Abschnitt der nachfolgenden Untersuchungen die Auseinandersetzung mit den konkreten Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs anhand der Beispielskonstellation Solomon Guggenheim Foundation v. Lubell als Präzedenz. Neben der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs grundsätzlich restitutionsberechtigter Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter („determining whether a delay is unreasonable“) unter Punkt A. wird die besondere Bedeutung eines Nachteils, Schadens oder einer sonstigen Beeinträchtigung (‚prejudice‘) auf Seiten des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als zweite Voraussetzung des laches-Einwandes dargestellt (vgl. Punkt B.). Schließlich wird im 4. Abschnitt die Frage nach der Allgemeingültigkeit der Verwirkungsgrundsätze kultureller Restitutionsansprüche und der speziellen Sorgfaltsanforderungen ursprünglicher Eigentümer in der Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gestellt und dabei vornehmlich auf deren zivilrechtliche Sachzuordnung innerhalb der deutschen Rechtsordnung Bezug genommen. Nun ist auch zu beantworten, ob das Rechtsinstitut der Verwirkung mit den Vorgaben der amerikanischen Rechtsprechung auch innerhalb der Zivilrechtsordnung Deutschlands einen Schutz des Putativschuldners bei unverjährbaren Restitutionsforderungen als das letzte fehlende Fragment einer fairen und gerechten Verteilung der Risiken des illegalen Kunsthandels erreichen kann.
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Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 942.
1. Abschnitt Unzureichende Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer und Restitutionsgläubiger als Restitutionseinwand Neben dem Einwand der Verjährung berufen sich gutgläubige Besitzer und Restitutionsschuldner unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in Restitutionsstreitigkeiten vermehrt darauf, dass sich die früheren Eigentümer und Restitutionsgläubiger zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt und der Wiederauffindung nicht in hinreichendem und angemessenem Maße um die Lokalisierung des nun umstrittenen kulturellen Wertobjekts und um die Identifizierung des aktuellen Besitzers gesorgt hätten. Die potenziell restitutionspflichtigen Besitzer werfen den ursprünglichen Eigentümern dementsprechend eine mangelhafte Erfüllung spezieller, innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs bestehender due diligence-Anforderungen vor, die zu einer zeitlich früheren Wiederentdeckung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und dementsprechend nicht zur Bildung eines Vertrauenstatbestandes in Form des dauerhaften Behaltendürfens der Werke auf Seiten eines gutgläubigen Besitzers geführt hätten.
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Zur gegenständlichen Verdeutlichung dieses Einwandes kann exempli causa auf die Fallkonstellationen der Restitution kriegsbedingt geplünderter oder während der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft entzogener Raubkunst, Fluchtkunst und entarteter Kunst in den heutigen Tagen verwiesen werden: Ein unübersehbares Volumen kultureller Wertgegenstände wurde während des Zweiten Weltkriegs und im Anschluss daran nach einem unrechtmäßigen Entziehungsakt über Ländergrenzen hinweg in unterschiedliche Staaten verstreut und erst in den letzten Jahren brach in die nationalen Zivilrechtsordnungen eine Welle restitutioneller Klagen über die aktuellen Besitzer der mehr als 60 Jahre zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter herein. Neben Fragen des gutgläubigen derivativen Erwerbs, der originären Ersitzung und der temporalen Präklusion zivilrechtlicher Restitutionsansprüche nach den Verjährungsregeln ist in diesem Zusammenhang auch der auf dem Grundsatz von Treu und Glauben basierende Themenkomplex der rechtsmoralischen Limitation eines zivilrechtlichen Restitutionsanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund der Verwirkung zu erörtern, der – ebenso wie der Verjährungseinwand – im Ergebnis zu einer Negation des kulturellen Rückführungsbegehrens des ursprünglichen Eigentümers führen kann.
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Das Rechtsinstitut der Verwirkung hat im Gegensatz zum Rechtsinstitut der erwerbenden Ersitzung keinen Rechtserwerb auf Seiten des aktuellen Besitzers zur Folge, sondern schließt – ebenso wie die Verjährung – einen grundsätzlich bestehenden Restitutionsanspruch des Eigentümers gegenüber dem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft aus. In solchen Konstellationen könnte man sich vorstellen, dass ein unrechtmäßig entzogenes Kulturgut bereits mehrfach im
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
Handel veräußert wurde und dementsprechend öffentlich in Erscheinung getreten ist. Auch sind Fälle – vornehmlich bei Kunstwerken bekannterer Künstler – denkbar, in denen die Werke mit großer Publizität auf Messen oder sonstigen Veranstaltungen öffentlich zur Schau gestellt wurden, in Presseberichten besondere Erwähnung erfuhren oder in speziellen Werksverzeichnissen (catalogue raisonné) monografisch, möglicherweise sogar mit Angaben des Aufenthaltsortes gelistet wurden, sodass es für den ursprünglichen Eigentümer ein Leichtes gewesen wäre, das unrechtmäßig entzogene Kulturgut zu lokalisieren bzw. den Besitzer oder einen Rechtsvorgänger des aktuellen Besitzers zu identifizieren. In diesen Konstellationen hat der gutgläubige aktuelle Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger oftmals bereits Jahre auf den kulturellen status quo vertraut, obwohl es dem Eigentümer schon sehr viel früher möglich gewesen wäre, eine Restitutionsforderung zu lancieren. Aus Sicht des restitutionspflichtigen Besitzers stellt sich somit eine Verzögerung der Restitutionsforderung aufgrund besonderer Umstände auf Seiten des Gläubigers als besonders nachteilig dar.
2. Abschnitt Rechtskonstruktion des kulturgüterspezifischen Verwirkungseinwandes aus rechtsvergleichender Sicht Die Wurzeln der Verwirkung als Sanktion widersprüchlichen Verhaltens sind innerhalb des römischen Rechts in der exceptio doli generalis und dem Verbot des venire contra factum proprium zu suchen.5 Die Verwirkung wird vor diesem Hintergrund als ein typischer Anwendungsfall des Rechtsinstituts der unzulässigen Rechtsausübung qualifiziert, wobei die vorwerfbare und dementsprechend illoyale Restitutionsforderung des Eigentümers gegenüber dem Besitzer der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter als ein Verstoß gegen Treu und Glauben (estoppel-Prinzip) bewertet wird, der zusätzlich zu der Ersitzung und der Verjährung eine (zeitliche und umstandsbedingte) Grenze für die Rechtsausübung darstellt.6 Vor diesem Hintergrund hat sich die Verwirkung zu einem allgemeinen Rechtsinstitut entwickelt, das auf allen Rechtsgebieten Applikation findet und dementsprechend auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs zur Anwendung gelangt.7 Wie bereits mehrfach klargestellt, wird eine solche – vornehmlich innerhalb des kontinental-europäischen Rechtsraums applizierte – institutionelle Trennung zwischen Verwirkungs- und Verjährungsgedanken jedoch nach dem Teil der amerikanischen Rechtsprechung innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs nicht vorgenommen, die bei der Frage nach einer möglichen prescription kultureller Restitutionsansprüche innerhalb der Bestimmung des Verjährungsbeginns das Verhalten des Eigentümers hinsichtlich der Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und der Identifizierung des aktuellen Besitzers miteinbezieht.8 Nach den Grundsätzen der constructive 5
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Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 155. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl. 2008, § 242, Rdnr. 87. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 195. Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991– 1992), Number 4, S. 129–173, S. 140–141: “Diligence is an important element of an action to recover stolen art. (See Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts, Inc., 717 F. Supp. 1374, 1387 (S.D. Ind. 1989) (discussing that determination of plaintiff’s diligence is central to both discovery rule and fraudulent concealment), aff’d, 917 F.2d 278 (7th Cir. 1990).) The term ‘diligence’ is the opposite of negligence. It implies varying degrees of attentive and persistent attempts on the part of the plaintiff to recover the art work. (See Black’s Law Dictionary 457 (6th ed. 1990) (defining diligence).) Lack of diligence may trigger the statute of limitations and affect the accrual of the cause of action. (See O’Keeffe v. Snyder, 416 A.2d 862, 865 (N J. 1980) (determining that plaintiff’s lack of due diligence affected accrual of action); see also DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987) (holding that statute of limitations was not tolled due to plaintiff’s lack of diligence), cert. denied, 486 U.S. 1056 (1988).) The issue of diligence may also affect the defendant’s equitable
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
discovery rule beginnen zivilrechtliche Restitutionsansprüche schon dann zu laufen, wenn der Eigentümer bei Annahme sorgfältiger Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen den Aufenthaltsort und den aktuellen Besitzer der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter hätte ausfindig machen müssen, sodass ein vorwerfbares Verhalten auf Seiten des Eigentümers beim aktuellen Besitzer berechtigte Hoffnungen auf das Behaltendürfen der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter weckte und dieser aus Gründen der Verjährung schützenswert war. Die judikative Gegenansicht hat bei Applikation der demand and refusal rule jedoch diesbezüglich die Gemengelage verjährungs- und verwirkungsrechtlicher Gedanken bemängelt und die Frage des Beginns der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche von einem möglichen Ausschluss eines Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund eines Verstoßes gegen den Verwirkungsgrundsatz eines allgemeinen Prinzips von Treu und Glauben (sog. laches-Grundsatz als Ausprägung eines allgemeinen estoppel-Prinzips auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs) unterschieden. 10
Innerhalb der Frage eines Verwirkungseinwandes sind vor diesem Hintergrund zunächst allein die amerikanischen Gerichtsentscheidungen von Interesse, die den Grundsätzen der demand and refusal rule folgen. New Yorker Gerichte haben sich intensiv mit der Funktion, dem Inhalt und der rechtsdogmatischen Verortung des allgemeinen Verwirkungseinwandes des Rückführungsgegners gegenüber dem Restitutionsbegehren des (ursprünglichen) Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beschäftigt, wenn diesem in der Suche und bei der Lokalisierung abhandengekommener Kulturgüter eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Obwohl der New York Court of Appeals in der Guggenheim-Entscheidung und der United States Court of Appeals for the Second Circuit in der Rechtssache DeWeerth v. Baldinger keinesfalls der Rechtsansicht waren, dass der ursprüngliche Eigentümer angemessene Sorgfalt bei der Lokalisierung abhandengekommener Kulturgüter im Kontext des Verjährungsbeginns walten zu lassen habe, damit dessen Restitutionsanspruch nicht temporal präkludiert sei, haben jedoch beide Gerichte explizit in ihrer Urteilsbegründung festgestellt, dass eine angemessene Sorgfalt bei der Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter seitens des ursprünglichen Eigentümers höchste Priorität bei der Prüfung eines Verwirkungseinwandes besitze:
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“Under New York law, an original owner must commence an action to recover a chattel or damages for the taking or detaining of a chattel within three years after the cause of action has accrued. New York courts have consistently held that a cause of action to recover a chattel accrues – that is, the statute of limitations begins to run – only after the original owner has demanded return of the stolen goods and has been refused by the
defense of laches. (See Republic of Turkey v. Metropolitan Museum, 762 F. Supp. 44 (S.D.N.Y. 1990); Solomon R. Guggenheim Found. v. Lubell, 569 N.E.2d 426 (N.Y. 1991); Black’s Law Dictionary 875 (6th ed. 1990) (defining laches as neglecting to assert a claim that with lapse in time causes prejudice to adverse party).”
2. Abschnitt: Rechtskonstruktion des kulturgüterspezifischen Verwirkungseinwandes
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good-faith purchaser. If the original owner unreasonably delayed before locating the good-faith purchaser and the delay prejudiced the good-faith purchaser, the equitable principle of laches might bar the claim even if the cause of action was brought within the limitations period.” 9
Ein Restitutionsanspruch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter des ursprünglichen Eigentümers kann danach dann aufgrund des Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben präkludiert sein, wenn der die Restitution beantragende Kläger bei der Lokalisierung abhandengekommener Kulturgüter deshalb nicht mit der angemessenen Sorgfalt agierte, weil er eine Restitutionsklage gegenüber einem redlichen Besitzer des Kulturguts unverhältnismäßig und unangemessen verzögerte und sich diese ungebührliche Retardation zugleich zum Nachteil des Restitutionsgegners auswirkte.10 “The doctrine of laches permits a court to dismiss a lawsuit if the plaintiff has unreasonably delayed filing suit, and if such delay prejudices the defendant.” 11
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Relevant ist die divergierende Applikation der constructive discovery rule und der demand and refusal rule jedoch nicht nur aus rechtskonstruktiven Gesichtspunkten, sondern auch in der praktischen Anwendung kultureller Restitutionsansprüche: Während innerhalb der Implikation spezieller due diligence-Anforderungen des Eigentümers nach der constructive discovery rule die Darlegungs- und Beweislast angemessener und hinreichender Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und deren Besitzer auf Seiten des restitutionsberechtigten Anspruchstellers ruhen, müssen die potenziell restitutionspflichtigen Besitzer bei Anwendung der demand and refusal rule und Prüfung des due diligence-Maßstabes des kulturellen Eigentümers nicht nur die unzureichende Erfüllung der Sorgfaltsanforderungen, sondern auch einen eigenen Nachteil oder Schaden aufgrund der Versäumnisse des Anspruchstellers nachweisen. Da diese erhöhten Voraussetzungen sehr viel schwerer zu erfüllen sind, hat die innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika divergierende Anwendung der constructive discovery rule und der demand and refusal rule oftmals fallentscheidende praktische Auswirkungen. Im Folgenden wird für die weitere Analyse des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs von einer stringenten Trennung verjährungs- und verwirkungsrechtlicher Fragestellungen ausgegangen und angenommen, dass einerseits bei der Verjährung allein der Zeitablauf ohne besondere Umstandsmomente auf Seiten des Restitutionsgläubigers oder des -schuldners und andererseits bei der Verwirkung neben das Zeitmoment solche Umstandsmomente in der Person des Berechtigten als
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Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 913–914. Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 172. Epstein, The Laches Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44–48, S. 44.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
auch des Verpflichteten treten, „die es rechtfertigen, die spätere Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen.“ 12 Für ein einheitliches Verständnis des Sorgfaltsprogramms auf Seiten des ursprünglichen Eigentümers gilt jedoch Folgendes: Nur eine Konsolidation der due diligence-Anforderungen der ursprünglichen Eigentümer und Restitutionsgläubiger sowohl aus Sicht der constructive discovery rule als auch aus Sicht der demand and refusal rule erlaubt eine einheitliche Darstellung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs auf Seiten kultureller Eigentümer zur Wahrung ihrer Restitutionsforderungen im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr. Folglich sind die inhaltlichen Anforderungen der constructive discovery rule zusammen mit den Sorgfaltsanforderungen der demand and refusal rule zur Bestimmung eines konsolidierten Sorgfaltsmaßstabs und zur Ausgestaltung der notwendigen due diligence-Anstrengungen kultureller Eigentümer innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung zu vereinigen.
12
Vgl. BAG, Entscheidung des 5. Senats vom 25.04.2001, Az: 5 AZR 497/99, BAGE 97, 326, S. 329.
3. Abschnitt Voraussetzungen des amerikanischen lachesEinwandes – Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell als Präzedenz Neben dem Ablauf einer gewissen Zeitspanne zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt kultureller Wertgegenstände und der Geltendmachung des Restitutionsanspruchs müssen für eine Anwendbarkeit der Verwirkungsgrundsätze noch zusätzliche Umstandsmomente auf Seiten des Eigentümers für einen Ausschluss des kulturellen Restitutionsanspruchs angenommen werden können. Nur dann scheint eine Präklusion des Eigentumsherausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und damit eine Einschränkung der Eigentumsrechte gerechtfertigt. Während die Verjährung innerhalb der divergierenden Rechtsinstitute, die zu einer Rechtsänderung durch Zeitablauf führen (Verjährung, Ersitzung und Verwirkung), grundsätzlich allein auf den Ablauf einer bestimmten Zeitspanne abstellt und sonstige Umstände allein zur Bestimmung des Fristenlaufs, d.h. für den Anfang, die Hemmung und den möglichen Neubeginn der Frist bedeutend sind, und die Ersitzung auf besondere Umstandsmomente auf Seiten des gutgläubigen Erwerbers fokussiert, verlangt die Verwirkung eines Restitutionsanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter neben einem nennenswerten Zeitablauf, der auf der Wertungsebene maßgeblich und damit typusbildend ist,13 zusätzlich ein dem Gläubiger vorwerfbares Verhalten. Da es sich nach allgemeinem Sprachgebrauch bei dem Rechtsinstitut der Verwirkung um eine sog. „illoyale Verspätung“ 14 des Eigentümers der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter in der Geltendmachung seiner Eigentumsposition gegenüber dem aktuellen Besitzer der abhandengekommenen Kulturgüter handelt, muss dem Eigentümer zusätzlich ein solches Verhalten vorzuwerfen sein, dass sich der eigentlich restitutionspflichtige Besitzer berechtigterweise darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass der Eigentümer seine auch nach der unrechtmäßigen Entziehung weiterhin bestehende Eigentumsposition an dem Kulturgut auch in der Zukunft nicht geltend machen werde. Die Rechtsfrage der Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche eröffnet sich in zahlreichen zivilrechtlichen Klagebegehren unrechtmäßig entzogener und in der Folge illegal transferierter Kulturgüter: Regelmäßig unternehmen die (ursprünglichen) Eigentümer nur unmittelbar im Anschluss an das Abhandenkommen der kulturellen
13
14
Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 22–24. Vgl. die Bezeichnung in BGH, Entscheidung des 5. Zivilsenats vom 25.03.1965, Az: V BLw 25/64, BGHZ 43, 292; BGH, Entscheidung des 7. Zivilsenats vom 20.10.1988, Az: VII ZR 302/87, BGHZ 105, 290, S. 298, NJW 1989, 836–838; BGH, Entscheidung des 4b. Zivilsenats vom 16.06.1982, Az: IVb ZR 709/80, BGHZ 84, 281, NJW 82, S. 1999–2000.
14
1020
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
Wertgegenstände mehr oder weniger intensive Lokalisierungsbemühungen 15, unterließen jedoch nach dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne ihrer Nichtlokalisierung weitere Nachforschungen. In zahlreichen Gerichtsentscheidungen zur Restitution illegal transferierter Kulturgüter plädierte daraufhin die Beklagtenseite, dass der restitutionsbeanspruchende Eigentümer den seinerseits erforderlichen due diligence-Maßstab missachtete, weil dieser nicht (dauerhaft) die unerlässlichen Sorgfaltsanforderungen in seinen Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen walten ließ. 15
Innerhalb seiner Ausführungen zu den widerstreitenden Interessen innerhalb des Kunstdiebstahls charakterisiert Bolano den Verwirkungseinwand dahingehend, dass „… the equitable doctrine of laches permits a defendant to avoid a claim for the return of stolen art that otherwise is timely. Under the doctrine, the defendant asserts that the plaintiff unreasonably delayed in bringing suit and that the delay prejudiced or disadvantaged the defendant. Plaintiff’s delay must have caused damage to the defendant – as in the situation where evidence has been destroyed or witnesses have disappeared without having made a statement.“ 16 Der Verwirkungseinwand bezeichnet auch innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten „the neglect to assert promptly a claim or right, causing prejudice to the adverse party, which operates as a bar to the remedy.“ 17 Das entscheidende Element des amerikanischen Verwirkungseinwandes ist somit die ungebührliche Verzögerung des Klägers in der Geltendmachung einer möglichen Rechtsposition, die zu einem Nachteil, Schaden oder einer Beeinträchtigung des Schuldners geführt hat („laches as unreasonable delay by the plaintiff resulting in significant prejudice to the defendant“ 18). Der Einwand der Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche eines gutgläubigen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – der auf Gründen der Billigkeit ruhende Verwirkungseinwand kann nach der Entscheidung General Stencils, Inc. v. Chiappa 19 nur von redlichen Besitzern, nicht jedoch von der das Kulturgut entziehenden Person selbst oder bösgläubigen Erwerbern oder Besitzern erhoben werden –
gegenüber dem Restitutionsanspruch des Eigentümers ruht damit auf den allgemeinen Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes:
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19
Vgl. auch Schwadorf-Ruckdeschel, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Kulturgütern, 1995, S. 177. Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991– 1992), Number 4, S. 129–173, S. 148 m.w.N. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 913–914. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 913–914. General Stencils, Inc. v. Chiappa, 18 N.Y.2d 125, 219 N.E.2d 169, 272 N.Y.S.2d 337 (1966).
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1021
“The defense of laches is composed of four elements which the good-faith purchaser must establish: (1) conduct on the part of the good-faith purchaser for which the original owner seeks remedy; (2) delay in asserting the original owner’s rights, the original owner having had knowledge or notice of the good-faith purchaser’s conduct and having been afforded an opportunity to institute a suit; (3) lack of knowledge or notice on the part of the good-faith purchaser that the original owner would assert the right on which he bases his suit; and (4) injury or prejudice to the good-faith purchaser in the event that relief is accorded to the original owner or that the suit is not held to be barred.” 20
16
Innerhalb der New Yorker Entscheidung Assocs. v. Yerkes 21 wurde der Einwand der Verwirkung als „egregious, protracted delay and substantial prejudice to party affected“ bezeichnet. Die Entscheidung Glenesk v. Guidance Realty Corp.22 hat die Regel aufgestellt, dass ein Einwand auf die Grundsätze der Verwirkung so lange ausgeschlossen ist „unless injury, changed position, intervening equities, lost evidence, or other disadvantage alleged in addition to delay“ vorliegen. Innerhalb der Entscheidung Prouty v. Drake 23 wurden die laches-Voraussetzungen positiv bei der Verzögerung eines Klägers bestätigt, „who knew of breach of divorce settlement terms but did nothing for eight years, caused severe hardship to defendant, whose circumstances had radically changed, by greatly increasing his expenses“.24 Für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr hat der Court of Appeals of New York in der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell 25 bei Anwendung der demand and refusal rule bestimmt, dass mangelnde Sorgfalt des Eigentümers bei der Suche nach unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern zwar keinen Einfluss auf den Verjährungsbeginn des Restitutionsanspruchs habe, jedoch unangemessene Lokalisierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und nachlässige Identifizierungsanstrengungen der Besitzer als Verwirkungseinwand entsprechend der defense of laches als Ausprägung des allgemeinen estoppel-Grundsatzes zu berücksichtigen seien.26
17
Die 1912 entstandene Vorstudie für Chagalls Ölgemälde „Der Viehhändler“ war bekanntermaßen im Jahre 1985 und damit circa zwanzig Jahre nach dem Diebstahl von einer Sotheby’s-Angestellten als das gestohlene Bild wiedererkannt
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Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 913–914. Assocs. v. Yerkes, 113 Misc. 2d 450, 45556, 449 N.Y.S.2d 593, 597 (Civ. Ct. 1982). Glenesk v. Guidance Realty Corp., 36 A.D.2d 852, 853, 321 N.Y.S.2d 685, 688. Prouty v. Drake, 18 Misc. 2d 887, 891, 182 N.Y.S.2d 271, 276 (Sup. Ct. 1959). Vgl. die Zitierungen bei Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 913–914. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 153 A.D. 2d 143; 550 N.Y.S. 2d 618 (App.Div. 1st Dept. 1990), leave to appeal granted 554 N.Y.S. 2d 992; affirmed 77 N.Y. 2d 311; 567 N.Y.S. 2d 623; 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Diesen Unterschied verkennt Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 141 ff., in seinen Ausführungen, indem der Beginn des Fristenlaufs mit der Frage nach einem Ausschluss aufgrund nichterfüllter Sorgfaltspflichten seitens der klagenden Partei vermengt wird.
1022
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
worden. Die daraufhin auf Herausgabe des Bildes verklagte Besitzerin Mrs. Lubell berief sich, in tatsächlicher Hinsicht unbestritten, darauf, dass das Guggenheim-Museum weder die UNESCO, ICOM, noch andere Museen, Galerien und Künstlerverbände noch die Polizei, das FBI oder Interpol über den Diebstahl des Chagalls informiert hatte. Nach Angaben des Museums war dies jedoch aus ‚taktischen Erwägungen‘ bewusst unterblieben, weil das Publikmachen des Diebstahls das Gemälde noch weiter in den Untergrund geführt und die Wahrscheinlichkeit seines Wiederauftauchens verringert hätte.27 19
Der New Yorker Court of Appeal hatte innerhalb des Verwirkungseinwandes zu prüfen, ob die Guggenheim Foundation „did not undertake a reasonably diligent search for the missing painting“. Als Voraussetzungen für den Verwirkungseinwand des potenziell restitutionspflichtigen Besitzers gegenüber dem Restitutionsanspruch des Gläubigers wurden für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr zwei Elemente bestimmt: Einerseits hat der Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu beweisen, dass der Kläger nicht sorgfältig genug nach seinem Eigentum gesucht hat, und sich deshalb die Anspruchserhebung ungebührlich verzögert hat und andererseits muss der kulturelle Restitutionsschuldner gerade dadurch geschädigt (prejudiced) worden sein.28
20
“Despite our conclusion that the imposition of a reasonable diligence requirement on the museum would be inappropriate for purposes of the statute of limitations, our holding today should not be seen as either sanctioning the museum’s conduct or suggesting that the museum’s conduct is no longer an issue in this case. We agree with the Appellate Division that the arguments raised in the appellant’s summary judgment papers are directed at the conscience of the court and its ability to bring equitable considerations to bear in the ultimate disposition of the painting. As noted above, although appellant’s statute of limitations argument fails, her contention that the museum did not exercise reasonable diligence in locating the painting will be considered by the Trial Judge in the context of her laches defense. The conduct of both the appellant and the museum will be relevant to any consideration of this defense at the trial level, and as the Appellate Division noted, prejudice will also need to be shown. … On the limited record before us there is no indication that the equities favor either party. Mr. and Mrs. Lubell investigated the provenance of the gouache before the purchase by contacting the artist and his sonin-law directly. The Lubells displayed the painting in their home for more than 20 years with no reason to suspect that it was not legally theirs. These facts will doubtless have some impact on the final decision regarding appellant’s laches defense. Because it is impossible to conclude from the facts of this case that the museum’s conduct was unreasonable as a matter of law, however, Mrs. Lubell’s cross motion for summary judgment was properly denied. We agree with the Appellate Division, for the reasons stated by that court, that the burden of proving that the painting was not stolen properly rests with the appellant Mrs. Lubell. We have considered her remaining arguments, and we find them to be without merit. Accordingly, the order of the Appellate Division should be affirmed, with costs, and the certified question answered in the affirmative.” 29
27 28 29
Vgl. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991), S. 428. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 173–174. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991).
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1023
Der New York Court of Appeals stellte zunächst fest, dass der Federal Circuit Court for the Second Circuit in der Rechtssache DeWeerth v. Baldinger 30 bei der Annahme, dass New Yorker Gerichte ein due diligence-Erfordernis innerhalb der demand and refusal-Regel zur Bestimmung des Zeitpunktes des Verjährungsbeginns applizierten, fehlging. Vielmehr entschied das Gericht, dass Fragen der due diligence seitens des anspruchstellenden Eigentümers materiell nicht zu dem Themenkomplex der Verjährung, sondern vielmehr innerhalb der Problematik der Verwirkung zivilrechtlicher Restitutionsklagen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu behandeln seien. Zwar sind damit weiterhin ebenso wie nach der DeWeerth-Entscheidung bestimmte Sorgfaltspflichten seitens des ursprünglichen Eigentümers zur Lokalisierung der abhandengekommenen Kulturgüter zu verlangen, jedoch sind die Voraussetzungen der Präklusion des gesamten Anspruchs bei der Prüfung eines Verwirkungseinwandes höher als bei der Frage der extinktiven Verjährung, da der laches-Einwand zusätzlich zu dem Erfordernis nicht entsprechender Lokalisierungsbemühungen seitens des Eigentümers die Existenz eines effektiven Nachteils seitens der beklagten Partei voraussetzt.31 Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell verfolgte damit hinsichtlich der notwendigen Verhaltensweisen des Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter die Regel, dass der ursprüngliche Eigentümer nicht dazu verpflichtet ist, quasidetektivisch gestohlene Kulturgüter aufzuspüren. Im Ergebnis stimmte der Court of Appeals of New York somit auch mit der Appellate Division darin überein, dass die Beweislast des Verwirkungseinwandes auf Seiten des redlichen Erwerbers liege – eine Feststellung, die zur Entscheidung der vorliegenden Situation letztlich nicht in einem abgekürzten Verfahren, sondern allein in einem jury trial erfolgen könne.
21
Erhebt ein potenziell restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter somit gegenüber dem Restitutionsanspruch des (ursprünglichen) Eigentümers die equitable defense of laches, ist eine Herausgabe ausgeschlossen, wenn der Restitutionsverpflichtete darlegen und beweisen kann, dass der Restitutionsgläubiger unangemessen und unentschuldbar die Herausgabeklage unrechtmäßig entzogener Kulturgüter verzögerte und der restitutionspflichtige Besitzer deshalb einen Schaden erlitten hat. Die Instrumentalisierung eines lachesEinwands seitens des aktuellen Besitzers ist eine „fact-sensitive inquiry that is made on a case-by-case basis.“ 32 Notwendig ist somit eine judikative Abwägungsentscheidung („multi-factor balancing of all the equities“ 33), in die sowohl die
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30 31
32
33
DeWeerth v. Baldinger, 836 F. 2d 103 (2nd Cir. 1987). Epstein, The Lachses Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44–48, S. 45–46. Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. Bibas, The Case Against Statutes of Limitations for Stolen Art, 103 Yale Law Journal (1994), S. 2437 ff., S. 2446.
1024
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
Belange der gutgläubigen Erwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als auch der restitutionsberechtigten Eigentümer eingestellt werden müssen: So hat der Court of Appeals of New York in der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell bestimmt, dass „[t]he conduct of both the appellant and the museum will be relevant to any consideration of this defense at the trial level“ 34. Folge davon ist, dass kein objektiver Standard zur Bestimmung der notwendigen due diligence-Anforderungen und des angemessenen Sorgfaltsmaßstabs auf Seiten des Eigentümers in Lokalisierung und Identifizierung seiner unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und der aktuellen Besitzer besteht. Neben der Bestimmung des angemessenen Sorgfaltsmaßstabs grundsätzlich restitutionsberechtigter Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr („determining whether a delay is unreasonable“) ist somit zu untersuchen, welche Nachteile auf Seiten des grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers hinreichende Anhaltspunkte für einen Ausschluss des kulturellen Restitutionsanspruchs des Eigentümers darstellen.
A. Sorgfaltsmaßstab restitutionsberechtigter Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter („determining whether a delay is unreasonable“) 23
Entgegen den ausführlich in Judikatur und Rechtsdogmatik diskutierten Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber beweglicher Gegenstände im Allgemeinen und kultureller Güter im Speziellen fehlt bis dato eine erschöpfende Untersuchung angemessener Sorgfaltsanforderungen seitens grundsätzlich restitutionsberechtigter Eigentümer in Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung der restitutionspflichtigen Klagegegner im (inter-) nationalen Kulturgüterverkehr. So stellt Bersin fest, dass „[a]n important fact which the courts of art-importing countries look for in evaluating the claims of victims of art theft is the diligence of the claimants in attempting to recover the property.“ 35 Kennon betont entsprechend vage, dass „an owner’s reasonable and timely efforts to locate stolen artwork should be the basis for its return after being bought by an innocent purchaser.“ 36 Innerhalb der Bestimmung einer ungebührlichen Verzögerung kultureller Restitutionsansprüche und eines dementsprechenden Zurückbleibens hinter dem angemessenen Sorgfaltsmaßstab kultureller Eigentümer fokussierten die amerikanischen Gerichte weniger auf den Ablauf einer Zeitspanne, als auf die Adäquanz der Lokalisierungsbemühun-
34 35
36
Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991). Bersin, The Protection of Cultural Property and the Promotion of International Trade in Art, N.Y.L. Sch. J. Int’l & Comp. L. Vol. 13 (1992), S. 125 ff., S. 147–148. Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 375.
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1025
gen. Das zur Entscheidung über einen laches-Einwand angerufene Gericht hat bei der Abwägung in Betracht zu ziehen, welche Maßnahmen der Eigentümer von dem Zeitpunkt der Entziehung bis zur Wiederentdeckung eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts tatsächlich zur Lokalisierung und Identifizierung unternommen hat, in welchem Maße der Eigentümer theoretisch hätte Erkundigungen einziehen können und welche Nacherforschungsanstrengungen mindestens zu erwarten gewesen wären.37 Die wenigen folgenden, von der amerikanischen Rechtsprechung diesbezüglich – in der konsolidierten Darstellung der demand and refusal rule zusammen mit den bei Anwendung der discovery rule festgeschriebenen Sorgfaltsanforderungen der kulturellen Eigentümer – entwickelten Kriterien und Richtlinien sind nur von indizieller Bedeutung in der Präzisierung der Voraussetzungen des laches-Einwandes.38
I.
Konsolidation der angemessenen due diligenceAnforderungen der ‚constructive discovery‘ und der ‚demand and refusal rule‘ – die Entscheidung Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc.
Nach dem bisher Gesagten wurde deutlich, dass amerikanische Gerichte – abhängig von der jeweiligen Zivilrechtsordnung der einzelnen Bundesstaaten – spezielle Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers bei Anwendung der constructive discovery rule zur Bestimmung des Verjährungsbeginns und bei Anwendung der demand and refusal rule innerhalb der Frage des Verwirkungseinwandes applizierten. Dabei ist der Entscheidung Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc.39 eine Konsolidation der angemessenen due diligence-Anforderungen potenziell restitutionsberechtigter Eigentümer entsprechend der constructive discovery und der demand and refusal rule zu entnehmen. Obwohl der United States District Court for the Southern District of New York bereits bei Applikation französischen materiellen Rechts – als die Rechtsordnung desjenigen Staates, in dem das Kulturgut zum Zeitpunkt des rechtserheblichen Trans-
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38
39
Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 67; Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. Vgl. Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc., No. 98 Civ. 7664 (KMW), 1999 WL 673347 (S.D.N.Y. vom 30. August 1999). Vgl. Epstein, The Lachses Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44–48, S. 44–48; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159– 177, S. 172–173.
24
1026
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
fers örtlich belegen war –, einen Eigentumserwerb aufgrund des französischen Instituts der Ersitzung erkannte, wurde hinsichtlich der Rechtslage in dem amerikanischen Bundesstaat New York von dem Gericht für Recht erkannt, dass der Anspruch auf Restitution des angeblich gestohlenen Manuskripts unabhängig von der Eigentumslage jedenfalls aus Gründen der Verwirkung ausgeschlossen sei. Die einzelnen, zur Bestimmung eines angemessenen Sorgfaltsmaßstabs des kulturellen Eigentümers in Betracht zu ziehenden Faktoren der demand and refusal rule harmonieren – trotz der unterschiedlichen rechtsdogmatischen Verankerung solcher Nachforschungsobliegenheiten auf Seiten des Eigentümers – nach der genannten Entscheidung des United States District Court vom 30. August 1999 bspw. mit den in der Entscheidung DeWeerth v. Baldinger 40 formulierten due diligence-Anforderungen der Eigentümer in der Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und deren restitutionspflichtigen Besitzer. Obwohl sich beide Gerichte innerhalb der rechtskonstruktiven Einbettung der Sorgfaltsanforderungen kultureller Eigentümer einmal innerhalb der Frage des Verjährungsbeginns und zum anderen innerhalb der equitable defense of laches unterschieden, „both courts have explicitly ruled that the claimant’s reasonable diligence in locating the lost property is highly relevant to a laches defense.“ 41 Dementsprechend führte der United States District Court for the Southern District of New York in der Entscheidung Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc. aus, dass die DeWeerth v. Baldinger-Entscheidung zwar bei der Analyse der Sorgfaltsanforderungen kultureller Eigentümer innerhalb der Bestimmung des Verjährungsbeginns fehlging, nichtsdestotrotz zu Recht die Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen der Eigentümerin zur Wiederentdeckung ihres Monet in die Entscheidungsfindung miteinbezog.42 Ausdrücklich erklärte der United States District Court for the Southern District of New York, dass „[a]lthough the Second Circuit rested its decision on the statute of limitations issue, and specifically refrained from addressing the laches defense …, the New York Court of Appeals ruled in Lubell that the DeWeerth I decision should have been based on the principle of laches“ 43. 25
Die Gemeinsamkeit beider Urteile besteht somit nach der Entscheidung Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc. in der kollektiven Applika-
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41
42
43
DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987) (rev’g 658 E Supp. 688 (S.D.N.Y 1987)), cert. denied, 486 U.S. 1056 (1988), remanded, 804 E Supp. 539 (S.D.N.Y 1992), rev’d, 38 F.3d 1266 (2d Cir.), cert. denied, 513 U.S. 1001 (1994). The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc., 1999 WL 673447, at *7, 1999 U.S. Dist. LEXIS 13257, Rdnr. 24–25. Vgl. auch Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc., No. 98 Civ. 7664 (KMW), 1999 WL 673347 (S.D.N.Y. vom 30. August 1999).
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1027
tion eines due diligence-Erfordernisses seitens des ursprünglichen Eigentümers bei der Lokalisierung abhandengekommener Kulturgüter, unterschiedlich ist in den beiden Theorien lediglich der Prüfungsort (einmal innerhalb des Einwands der Verjährung und zum anderen innerhalb des Instituts der Verwirkung).44 Auch wenn entsprechend den vorgehenden Ausführungen die Anforderungen der constructive discovery rule zur Konkretisierung und Inhaltsbestimmung des Sorgfaltsmaßstabs der demand and refusal rule herangezogen werden können, bleiben dennoch gravierende praktische Unterschiede innerhalb der Anwendung der beiden Theorien in den verschiedenen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika: Während nach der constructive discovery rule der Eigentümer nachweisen muss, dass er sorgfältig und angemessen von dem Moment der unrechtmäßigen Entziehung bis zum Zeitpunkt der Wiederentdeckung der Kulturgüter nach den abhandengekommenen Kunstwerken fahndete und den aktuellen Besitzer ausfindig zu machen suchte, hat nach den Grundsätzen der demand and refusal rule der potenziell restitutionspflichtige Besitzer als diejenige Partei, die sich auf den Einwand der Verwirkung beruft, darzulegen und zu beweisen, dass zum einen der Eigentümer hinter dem geforderten due diligence-Programm zurückblieb und zum anderen aufgrund der vorwerfbaren Verzögerung des Restitutionsanspruchs dem Restitutionsverpflichteten ein Nachteil entstanden ist. Vor diesem Hintergrund sind die nachfolgenden konsolidierten Sorgfaltsanforderungen grundsätzlich restitutionsberechtigter Eigentümer zu verstehen.
II.
Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs kultureller Eigentümer innerhalb der amerikanischen Rechtsprechung
Im Gegensatz zu den eindeutig subjektivierten Anforderungen an einen gutgläubigen Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nahmen die einzelnen Gerichte der Vereinigten Staaten von Amerika – unabhängig davon, ob die notwendigen due diligence-Anforderungen der Eigentümer nach der constructive discovery rule innerhalb der Frage des Verjährungsbeginns oder nach den Grundsätzen der demand and refusal rule innerhalb der Voraussetzungen eines Verwirkungseinwandes lokalisiert werden – keine Unterscheidung hinsichtlich des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs bei Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zwischen individuellen Personen und kulturellen Institutionen im Rahmen ihrer tatsächlichen Möglichkeiten vor.45 Individuelle Einzelpersonen und Privatsammler auf Klägerseite wurden im Grundsatz zu der gleichen Sorgfalt bei der Lokalisierung unrechtmäßig entzogener und abhan44
45
The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc., No. 98 Civ. 7664 (KMW), 1999 WL 673347 (S.D.N.Y. vom 30. August 1999). Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991– 1992), Number 4, S. 129–173, S. 141.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
dengekommener Kulturgüter und der Identifizierung der Besitzer angehalten wie Museen, Galerien, Kunsthändler, Versteigerungshäuser oder ähnliche kulturelle Institutionen und erfahrene Privatsammler umfangreicher Kollektionen, denen jedoch strukturell weitaus größere Recherche- und Nachverfolgungsmöglichkeiten zu Verfügung stehen.46 Dies wurde bspw. in den beiden Entscheidungen Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon und DeWeerth v. Baldinger deutlich. In den beiden genannten amerikanischen Urteilen wurde seitens der zur Entscheidung berufenen Gerichte nicht erst erkannt und diskutiert, dass in der DeWeerth-Konstellation die Anspruchstellerin, der eine Recherchepflicht bezüglich des abhandengekommenen Monet-Gemäldes auferlegt wurde, als individuelle Einzelperson nur begrenzte Ressourcen zur Nachforschung utilisieren konnte, wohingegen die Klägerseite in dem Elicofon-Fall, ein öffentliches Museum unter staatlicher Trägerschaft, zahlreiche Recherchemöglichkeiten zur Lokalisierung der beiden abhandengekommenen Dürer-Porträts nutzen konnte. 27
In der Entscheidung Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 47 war die grundsätzlich restitutionsberechtigte Eigentümerin der beiden gestohlenen DürerPorträts von Hans und Felicitas Tucher – die Kunstsammlungen zu Weimar – ein öffentlich-rechtlich betriebenes Museum und damit professionell am (inter-) nationalen Kulturgüterverkehr beteiligt. Der District Court for the Southern District of New York stellte diesbezüglich fest, dass der deutsche Museumsdirektor der Kunstsammlungen zu Weimar unmittelbar nach Kenntnis von dem Abhandenkommen der beiden Dürer-Gemälde mehrere deutsche Museumsleitungen und verschiedene alliierte und deutsche Militärposten über das Verschwinden der Kulturgüter informierte. Der Museumsdirektor kontaktierte dabei zusätzlich weitere amerikanische Kunstgelehrte, ebenso wie die alliierten und sowjetischen Besatzungsmächte informiert wurden.48 Vor dem Hintergrund dieser Anstrengungen zur Wiederentdeckung der aus einem Museumsbestand entzogenen Kulturgüter ordnete das Gericht im Jahre 1982 nach dreizehnjährigem Gerichtsverfahren die Restitution der beiden bereits im Jahre 1945 abhandengekommenen Dürer-Porträts von Hans und Felicitas Tucher an die
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Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 144. Vgl. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747 (E.D.N.Y. 1970); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747, 753 (E.D.N.Y. 1972) (Supplemental Opinion); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 478 F.2d 231 (2d Cir. 1973); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 14 International Legal Materials (I.L.M.) 806 (E.D.N.Y. 1975); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 813 (E.D.N.Y. 1978); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982). Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991– 1992), Number 4, S. 129–173, S. 142.
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1029
Kunstsammlungen zu Weimar an, die ihre Sorgfaltsanforderungen zur Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und der Identifizierung des aktuellen Besitzers damit nach Ansicht der Gerichte hinreichend erfüllte. Diesen, von einem staatlichen Museum zur Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter postulierten Sorgfaltsmaßstab übertrug das Gericht in der Entscheidung DeWeerth v. Baldinger 49 explizit auf die Nachforschungsanstrengungen einer individuellen Privatperson, der in den Wirren des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar nach Ende der Kriegshandlungen ein Monet-Gemälde gestohlen wurde. Hier bestimmte der Federal Circuit Court for the Second Circuit 50, dass die ursprüngliche Eigentümerin hinter den angemessenen Sorgfaltsanforderungen bei Lokalisierung und Identifizierung ‚ihres‘ unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und der aktuellen Besitzerin ‚ihres‘ Gemäldes während der 24-jährigen Zeitspanne zwischen unrechtmäßiger Entziehung und Wiederentdeckung zurückblieb.51 Aufgrund der Tatsache, dass Mrs. DeWeerth es rechtzeitig versäumte, im Wege der Durchsicht aktueller Ausstellungskataloge und des Monet catalogue raisonné 52 ihren Monet aufzuspüren, hat das Gericht der Klägerin primär die auffallende Passivität der Nachforschung und Auffindung des gestohlenen Kunstwerkes in den Jahren 1945 bis 1981 vorgeworfen, bis diese erfahren hatte, dass sich Mrs. Baldinger im Besitz des Gemäldes befand. Da sich der Circuit Court der constructive discovery rule anschloss – „interpreting the term discovery as ‚constructive discovery‘, for example when she could have discovered the whereabouts of her painting“ 53 –, gelangten die Richter zu der Erkenntnis, dass im konkreten Fall die Herausgabeklage verjährt ist und das Gericht die Klage somit abzuweisen hat: Die Klägerin, deren Gemälde während des Zweiten Weltkriegs oder unmittelbar danach in Deutschland gestohlen oder abhandengekommen und 1981 von ihrem Neffen Peter von der Heydt in einem
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53
DeWeerth v. Baldinger, 658 F.Supp. 688 (S.D.N.Y. 1987), revised 836 F. 2d 103 (2d Cir. 1987), cert. den. 108 S.Ct. 2823 (1988); sowie 804 F. Supp. 539 (SDNY 1992). Vgl. aus dem Schrifttum: Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 144; Epstein, The Lachses Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44-48, S. 44-45; Siehr, Gutgläubiger Erwerb von Kunstwerken in New York – DeWeerth v. Baldinger erneut vor Gericht, IPRax 1993, Heft 5, S. 339– 340, S. 339; Mansel, DeWeerth v. Baldinger – Kollisionsrechtliches zum Erwerb gestohlener Kunstwerke, IPRax 1988, S. 268–271; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68, S. 57–59. DeWeerth v. Baldinger, 836 F. 2d 103 (2nd Cir. 1987); Mansel, DeWeerth v. Baldinger – Kollisionsrechtliches zum Erwerb gestohlener Kunstwerke, IPRax 1988, S. 268–271. DeWeerth v. Baldinger, 836 F. 2d 103 (2nd Cir. 1987). Wildenstein, Claude Monet. Bibliographie et catalogue raisonné, Vol. I, Lausanne/Paris, La bibliothèque des arts, 1974, S. 371, No. 595: „Vétheuil vu de l’île Saint-Martin“. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 71.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
1974 erschienenen Werksverzeichnis von Monet wiederentdeckt worden war, habe während der insgesamt 24-jährigen Dauer des Nichtwissens um den Verbleib nicht sorgfältig genug nach ihrem Kunstwerk gesucht.54 Das Gericht stellte fest, dass der Bericht seitens der klagenden Partei an die Militärverwaltung und eine westdeutsche Untersuchungsbehörde allein aus einer standardisierten Liste und einem einzeiligen Brief bestand. Das Gericht charakterisierte den Rechercheauftrag seitens der klagenden Mrs. DeWeerth an einen Rechtsanwalt und Kunstexperten als zu generell, um den Erfordernissen, die an den (ursprünglichen) Eigentümer zur Suche abhandengekommener Gegenstände gestellt werden, gerecht zu werden. Vielmehr betonte der Federal Circuit Court for the Second Circuit, dass der Kläger nicht sämtliche Möglichkeiten zur Lokalisierung des gestohlenen Monet-Gemäldes nutzte, sodass ein Herausgabeanspruch mangels fehlender due diligence bei der Nacherforschung hinsichtlich des Verbleibs des Gemäldes auf Seiten der Klägerin abzulehnen sei.55 In der Entscheidung zog der Second Circuit einen Vergleich der Lokalisierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierungsanstrengungen der staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar mit dem Sorgfaltsprogramm zur Wiederentdeckung des gestohlenen Gemäldes seitens der Restitutionsklägerin DeWeerth heran und stellte fest, dass diese weit hinter den Anstrengungen der staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar zurückblieb und dementsprechend die Anforderungen, die die discovery rule an den Eigentümer in der Zeit zwischen der unrechtmäßigen Entziehung und der Wiederentdeckung abhandengekommener Kulturgüter stellt, nicht erfüllt hatte.56 Das Gericht betonte ausdrücklich, dass DeWeerth es versäumt hatte „to contact one important program established to deal with stolen property, to publicize her loss through publications, and to consult art publications“ 57. Auch wenn es der inzwischen schon betagten DeWeerth nicht zuzumuten war, selbst weitreichendere Investigationen hinsichtlich des Verbleibs ihres Gemäldes vorzunehmen, stellte das Gericht ein Zurückbleiben hinter dem geforderten due diligence-Programm fest, weil DeWeerth nicht eine dritte Person mit der Aufgabe der Lokalisierung des gestohlenen Gemäldes und der Identifizierung eines möglichen Besitzers betraut hatte. 29
In den beiden Entscheidungen Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon und DeWeerth v. Baldinger wurde deutlich, dass der Federal Circuit Court for the Second Circuit von New York beide anspruchstellenden Parteien – einmal ein staatliches Museum und einmal eine individuelle Privatperson ohne umfangreiche private Sammeltätigkeit – gleich behandelte, obwohl tatsächlich deutliche 54 55 56 57
So auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 173. DeWeerth v. Baldinger, 836 F. 2d 103 (2nd Cir. 1987). DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103, 110–12 (2d Cir. 1987), cert. denied, 108 S. Ct. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 939, unter Rekurs auf DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103, 110–12 (2d Cir. 1987).
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1031
Unterschiede hinsichtlich der faktischen Nachforschungsmöglichkeiten bzgl. des Verbleibs der abhandengekommenen Kunstwerke bestanden. Auch in den meisten anderen einschlägigen Entscheidungen wurde weder ausdrücklich noch indirekt ein divergierender Sorgfaltsmaßstab für die unterschiedlichen Personenkreise appliziert. Innerhalb der Bestimmung der konkreten Verhaltensanforderungen auf Seiten gutgläubiger Erwerber erfolgt aufgrund der Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs und der unterschiedlichen Anforderungen an die Redlichkeit professionell am (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr Beteiligter einerseits und individueller Privatsammler ohne umfangreiche Sammeltätigkeit andererseits eine Anpassung des rechtlich Notwendigen an das divergierend tatsächlich Mögliche durch die Einführung unterschiedlicher subjektiver Verhaltensanforderungen. Dementsprechend könnte man auch innerhalb der notwendigen Sorgfaltsanforderungen auf Seiten kultureller Eigentümer zur Wahrung des Restitutionsanspruchs ihren speziellen Status berücksichtigen. Diese Forderung ist insbesondere vor dem Hintergrund berechtigt, dass es sich bei dem Verwirkungseinwand schließlich um eine Abwägungsentscheidung zwischen den Bedürfnissen gutgläubiger Erwerber und Besitzer einerseits und dem Interesse an der Wahrung des kulturellen status quo andererseits handelt. Der Einwand der Verwirkung entspringt dem Billigkeitsrecht und ist als equitable defense gerade dazu fähig, subjektive Umstände in die Beurteilung mitaufzunehmen. So macht bspw. auch Bolano für die Konstellation Mucha v. King 58 deutlich, dass man den tschechoslowakischen Anspruchsteller bei Geltendmachung der Herausgabe eines unterschlagenen Gemäldes „as a citizen and resident of Czechoslovakia, and as an individual unfamiliar with the art trade“ 59 nicht mit den gleichen Sorgfaltspflichten hätte belegen dürfen, wie eine Person oder Institution innerhalb der kulturellen Profession. Die Kritik Drums an der Wertung des Second Circuit des United States Court of Appeals in der Rechtssache DeWeerth v. Baldinger verdient Beachtung:
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“It is difficult to understand the Second Circuit’s reasoning. DeWeerth and the art museum plaintiff in Elicofon both contacted civil and military authorities. The director of the art museum in Elicofon, in his formal capacity as director, contacted other art museums and professional colleagues who in turn referred his inquiry to other sources. DeWeerth, who as an individual could not make such institution-to-institution contacts, did approach an art expert and an attorney in an effort to locate the missing work.” 60
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Mucha v. King, 792 F.2d 602 (7th Cir. 1986); auch zitiert bei Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 147. Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991– 1992), Number 4, S. 129–173, S. 160. Vgl. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 939.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
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Inzwischen sind aber auch abweichende judikative Entscheidungen ersichtlich und die Frage nach der Subjektivierung auch der Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer findet Eingang in die Rechtsprechung.
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In der Rechtssache DeWeerth v. Baldinger ging bereits das erstinstanzliche Gericht innerhalb der Prüfung der temporalen Präklusion des Restitutionsanspruchs davon aus, dass die klagende Eigentümerin des gestohlenen Kunstwerks den notwendigen Sorgfaltsanforderungen entsprochen hätte: Dabei stellte der district court in erster Linie die verschiedenen behördlichen Meldungen nach Ende des Zweiten Weltkrieges seitens DeWeerth heraus und betonte ausdrücklich, dass der in Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon normierte Standard der Sorgfaltsanforderungen ursprünglicher Eigentümer keinen generellen Maßstab bilden könne, weil der Restitutionskläger dort eine (staatliche) kulturelle Institution sei, die professionell im Kunsthandel tätig werde und dementsprechende Recherchemöglichkeiten, Kenntnisse, Erfahrungen und persönliche Beziehungen besitze, während in der Rechtssache DeWeerth v. Baldinger eine Privatperson ohne spezielles Fachwissen Anspruchstellerin sei. Der Second Circuit des United States Court of Appeals hat in der Folge in der Konstellation DeWeerth v. Baldinger die ursprünglich seitens des district court getroffene Unterscheidung innerhalb des angemessenen Sorgfaltsmaßstabs zwischen gesteigerten due diligence-Anforderungen der restitutionsberechtigten Eigentümer auf Seiten der professionell am Kunsthandel beteiligten Museen, Galeristen, Kunsthändler und Auktionshäuser sowie besonders erfahrener Privatsammler einerseits und einem eingeschränkten Sorgfaltsprogramm individueller Privatsammler ohne besondere Erfahrungen und Fachkenntnisse andererseits wieder revidiert.
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Die Subjektivierung der Sorgfaltsanforderungen auf Seiten der Eigentümer wurde schließlich auch in der Rechtssache Erisoty v. Rizik 61 erkenntlich.62 Hier erkannte der district court für Recht, dass der ursprüngliche Eigentümer Rizik in seinen Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen des gestohlenen Corrado Giaquinto-Gemäldes die für einen Privatsammler angemessene Sorgfalt walten ließ. Dabei ging das Gericht davon aus, dass der ursprüngliche Eigentümer als diejenige Partei, die sich auf den Vorteil der discovery rule beruft, auch die Beweislast für die Anwendung des reasonable due diligence-Maßstabes trägt. Unter Rekurs auf die Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.63 interpretierte der district court die discovery rule als „flexible“ und „fact-sensitive“, sodass sie das Gericht de-
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Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Vgl. Kaye, The Statute of Limitations in Art Recovery Cases: An Overview, IFAR Journal 1 (1998) Heft 3, S. 22–28, S. 23–24. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374; 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990).
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
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mentsprechend dazu ermächtige „[to] adjust the level of scrutiny as appropriate in light of the identity of the parties“ und „[to] consider the relative equities of the rival claimants to the art work.“ 64 Aufgrund dieser Subjektivierung des notwendigen due diligence-Maßstabs auf Seiten des Eigentümers hinsichtlich Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter stellte das Gericht darauf ab, dass die ursprünglichen Eigentümer weder professionell am Kunsthandel beteiligt oder erfahrene Kunstsammler, noch mit dem (inter-)nationalen Kunstmarkt vertraut waren. Deshalb müsse es zur Wahrung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs in diesem Fall genügen, dass der ursprüngliche Eigentümer Rizik allein den staatlichen Rechtsverfolgungsbehörden in der Wiederentdeckung und Auffindung ‚seines‘ Kunstwerkes Vertrauen schenkte. Dementsprechend wertete der district court die nachträgliche Verlustmeldung des Corrado Giaquinto-Gemäldes bei der International Foundation for Art Research (IFAR) nach Kenntniserlangung über diese Institution als Nachweis der beständigen Lokalisierungsbemühungen des Eigentümers im Rahmen seiner Möglichkeiten und nicht als due diligence-Versäumnis, da Rizik von der Institution erst im Jahre 1992 Kenntnis erlangte (dabei wies das Gericht auch explizit darauf hin, dass die IFAR bekanntlich erst 16 Jahre nach dem Kunstdiebstahl gegründet worden sei).65 Das Gericht fokussierte in der Entscheidung auf das konkrete Verhalten des bestohlenen Eigentümers Rizik. Dieser habe mittels der Diebstahlsanzeige und dem Report bei der IFAR „continuing vigilance“ 66 gezeigt und somit seine Anforderungen an eine angemessene Nachforschung des gestohlenen Kulturguts erfüllt. Nicht entscheidend sei, „whether defendants did everything that might have been done with the benefit of hindsight, but whether their efforts were reasonable given the facts of the case.“ 67 Dementsprechend kam der district court zu dem Ergebnis, dass das Recht des ursprünglichen Eigentümers an dem gestohlenen Corrado Giaquinto-Gemälde nicht temporal präkludiert war und ordnete Rizik Eigentum und Besitz an dem Gemälde zu. Die Besonderheit der Entscheidung Erisoty v. Rizik liegt somit in der Subjektivierung des notwendigen due diligenceMaßstabs des Eigentümers hinsichtlich Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Der district court hat zu Recht die Frage aufgeworfen, ob der von dem auf Restitution klagenden Eigentümer einzuhaltende Sorgfaltsmaßstab von dessen Qualifizierung als professionell am Kunsthandel
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Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996).
Pa. 1995), aff’d without Pa. 1995), aff’d without Pa. 1995), aff’d without Pa. 1995), aff’d without
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
beteiligtes Museum, als Galerie, Kunsthändler, Auktionshaus oder erfahrener Privatsammler oder als unerfahrene individuelle Einzelperson ohne besondere Kenntnisse im Kunsthandel abhängt.68 In der Entscheidung kehrte das Gericht innerhalb des Anwendungsbereichs der discovery rule wieder zu der Subjektivierung des notwendigen due diligence-Maßstabs auf Seiten des Eigentümers zurück und stellt fest, dass „what efforts are reasonable for an individual who is relatively unfamiliar with the art world may not be reasonable for a savvy collector, a gallery, or a museum.“ 69 Dem ist nichts hinzuzufügen!
III. Kriterien der Sorgfaltserfüllung kultureller Eigentümer in Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung aktueller Besitzer 36
Im Gegensatz zu dem in Rechtsdogmatik und Judikatur entwickelten Sorgfaltsprogramm gutgläubiger Erwerber illegal transferierter Kulturgüter bestehen nur unzureichende Kriterien zur Bestimmung eines angemessenen due diligenceMaßstabs der Eigentümer in Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung aktueller Besitzer in Schrifttum und Rechtsprechung. Dies beruht unter anderem auch darauf, dass in den meisten Fallkonstellationen kultureller Restitutionsansprüche bei Geltendmachung des Verwirkungseinwandes keine Sachentscheidung über die Erfüllung angemessener Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer und nur eine Weiterverweisung an den trial court erfolgte. Die überwiegende Zahl amerikanischer Gerichtsentscheidungen, die über einen Verwirkungseinwand des Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu entscheiden hatte, diskutierte nicht präzise, unter welchen Voraussetzungen der potenziell Restitutionsberechtigte vorwerfbar eine Restitutionsklage verzögert hatte, sondern verwiesen die Rechtssache zur endgültigen Entscheidung an den trial court.
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Die Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell 70 stellt bspw. eine solche Konstellation dar, in der die Frage, ob das Museum als Restitutionsgläubiger hinreichende Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen vorgenommen hatte, allein durch den trial court innerhalb des Verwirkungseinwandes untersucht wurde. Auch in der sogleich ausführlich analysierten Entscheidung
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Vgl. hierzu auch Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 939. Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Solomon R. Guggenheim Found. v. Lubell, 153 A.D.2d 143, 550 N.YS.2d 618 (1990), affd, 77 N.Y2d 311, 569 N.E.2d 426, 567 N.Y.S.2d 623 (1991).
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
Czartoryski-Borbon v. Turcotte 71 verwies der New York Supreme Court die Frage, ob die grundsätzlich restitutionsberechtigten Kläger die notwendigen Nacherforschungsmaßnahmen hinsichtlich des Verbleibs der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter erfüllten, zurück an den trial court. Im Ergebnis blieben dabei jedoch zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gerichtlich unentschieden, da sich die Parteien in der Folge außergerichtlich über den dauerhaften Verbleib der umstrittenen Kulturgüter einigten. Keine inhaltliche Entscheidung über die angemessenen due diligence-Anforderungen erfolgte auch in der Entscheidung Republic of Turkey v. Metropolitan Museum of Art 72. Ebenfalls mit dem Argument, die Klägerseite habe nicht sorgfältig genug nach den abhandengekommenen Kulturgütern gesucht, versuchte auch das Metropolitan Museum of Art die gegen sich gerichtete Herausgabeklage der Republik Türkei hinsichtlich eines illegal aus ihrem Territorium exportierten lydischen Schatzes abzuwehren. Das Metropolitan Museum machte in diesem Zusammenhang geltend, dass der Herausgabeanspruch deshalb ausgeschlossen sein müsse, weil die archäologischen Artefakte bereits zwanzig Jahre zuvor vom Museum erworben worden waren. Die Türkei hätte bereits mehr als eine Dekade zuvor eine Rückführung beansprucht, jedoch erst 1987 gerichtlichen Rechtsschutz gesucht. Andererseits betonte die türkische Klägerseite, dass die Kontakte zwischen dem Museum und einzelnen türkischen Individuen kein Herausgabeverlangen dargestellt hätten, sodass die Türkei erst seit dem Jahr 1986 ausreichende Kenntnis darüber gehabt hätte, dass die in Streit stehenden Kulturgüter aus einer illegalen türkischen Grabungsstätte stammten. Schlussendlich folgte der United States District Court for the Southern District of New York der Rechtsansicht der Appellate Division und des Court of Appeals in der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell.73 Im Ergebnis wurde sich auch hier in einem außergerichtlichen Vergleich darauf verständigt, dass das Metropolitan Museum of Art sich dazu verpflichtete, die herausverlangten 200 kleinformatigen Gold- und Silberfunde aus der Zeit von König Krösus an
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Czartoryski-Borbon v. Turcotte, Index No. 107958/97 (N.Y Sup. Ct. Apr. 15, 1999), N.YL.J., Apr. 28, 1999, at 27 col. 2 (Sup. Ct. N.Y County), appeal withdrawn, 264 A.D.2d 545, 697 N.Y.S.2d 228 (1st Dep’t 1999). Republic of Turkey v. Metropolitan Museum of Art, 762 F. Supp. 44 (S.D.N.Y. 1990), hinsichtlich der Frage, ob die Türkei rechtzeitig vor dem amerikanischen Gericht Klage einreichte: Church, Evaluating the Effectiveness of Foreign Laws on National Ownership of Cultural Property in U.S. Courts, Columbia Journal of Transnational Law, Volume 30 (1992), S. 180– 229, S. 200–201; Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 75; Kaye/Main, The Saga of the Lydian Hoard: from Usak to New York and back again, in: Tubb, Antiquities Trade or Betrayed – legal, ethical and conservation issues, 1995, S. 150–161. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 174.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
die Türkei zurückzugeben.74 Im weiteren Verlauf der außergerichtlichen Verhandlungen des Metropolitan Museum of Art und der Türkei hatte sich die Illegalität des Erwerbs seitens des Museums als eindeutig erwiesen dargestellt, sodass im Oktober 1993 der gesamte Schatz an die Republik Türkei restituiert wurde.75 Auch innerhalb der Verortung spezifischer Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers hinsichtlich des Verbleibs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Frage des Verjährungsbeginns nach der constructive discovery rule wurde meist keine Sachentscheidung über den angewendeten Sorgfaltsmaßstab des Eigentümers getroffen. Auch wenn der Supreme Court von New Jersey das Schwergewicht der Rechtsanalyse nicht auf den Besitzer und auf die fragliche Erfüllung der Voraussetzungen des Rechtsinstituts der adverse possession, sondern auf das Verhalten des bestohlenen Eigentümers legte, wurde bspw. innerhalb der Rechtssache O’Keefe v. Snyder 76 im Ergebnis kein abschließendes Urteil getroffen, da die Parteien den Rechtsstreit zuvor durch einen Vergleich beendeten, in dem sie sich darauf einigten, die Bilder zu verkaufen und den Erlös untereinander zu teilen.77 Georgia O’Keefe hatte seit dem Abhandenkommen der Kunstwerke im Jahre 1946 aus der Galerie ihres Ehemannes bis in das Jahr 1972 weder die Polizei noch eine sonstige mit der Veröffentlichung gestohlener Kunstwerke befasste Stelle über den Diebstahl informiert, sondern erst zu diesem späten Zeitpunkt die Art Dealers Association of America, die für ihre Mitglieder ein Register gestohlener Kunstwerke führt, in Kenntnis gesetzt.78 38
Weder auf Seiten der Judikative noch auf Seiten der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik wurde bisher explizit benannt, welche Sorgfaltsanforderungen 74
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Meyer, Geplünderte Vergangenheit – Der illegale Kunsthandel: Fälscher, Diebe und Bewahrer, 1977, S. 88 ff.; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, Fn. 445, S. 174. Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, Fn. 166, S. 401: “A critical piece of evidence was a card entry in the acquisition catalog of the Metropolitan Museum linking the artifacts to known collections of antiquities in Turkey. The Metropolitan Museum had acquired the treasure, known as the ‘Lydian Hoard,’ in the 1960s for $1.5 million. The Metropolitan Museum settled the case in October 1993 by returning the entire collection to the Turkish government. … Other evidence that Turkey might have introduced at trial included expert testimony that specific wall paintings in the ‘Lydian Hoard’ matched sections missing from tombs in the Manisa and Usak regions of Turkey, confessions of looters who had plundered the tombs in 1966, and minutes of meetings of the acquisition committee of the Metropolitan Museum that seemed to indicate that the Museum knew that the artifacts had been removed illegally.” O’Keefe v. Snyder, N.J. 405 A. sd 840, S. 844 ff. (Super. Ct., App. Div. 1979), N.J. 416 A. 2d 862, 874 (S. Ct. 1980); Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 145–146. Bator, An Essay on the International Trade in Art, Stanley Law Review 34 (1982), S. 275 ff., S. 353; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 170. O’Keefe v. Snyder, 405 A.2d 840 (Super.Ct., App.Div. 1979), cert. granted N.J.408 A.2d 800 (1979), rev’d and remanded N.J.416 A.2d 862 (S.Ct. 1980).
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der Eigentümer im Generellen zu erfüllen hat, damit ihm kein Vorwurf bei Lokalisierung seiner unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und Identifizierung der aktuellen Besitzer gemacht werden kann. Es bestehen bisher keine allgemein geltenden Grundsätze, die das due diligence-Programm auf Seiten kultureller Eigentümer zur Nachforschung über den Verbleib ihrer Eigentümer festsetzen. Dem ist abzuhelfen.
1.
Angemessene Sorgfaltsanforderungen kultureller Eigentümer in Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
In der Entscheidung Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 79 hat der District Court for the Southern District of New York diesbezüglich festgestellt, dass der deutsche Museumsdirektor der Kunstsammlungen zu Weimar unmittelbar nach Kenntnis von dem Abhandenkommen der beiden Dürer-Gemälde mehrere deutsche Museumsleitungen und verschiedene deutsche Militärposten über das Verschwinden der Kulturgüter informierte, zusätzlich weitere amerikanische Kunstgelehrte kontaktierte und die alliierten und sowjetischen Besatzungsmächte über den Verlust in Kenntnis setzte.80 Vor dem Hintergrund dieser Anstrengungen zur Wiederentdeckung der aus einem Museumsbestand entzogenen Kulturgüter ordnete das Gericht im Jahre 1982 nach dreizehnjährigem Gerichtsverfahren die Restitution der beiden bereits im Jahre 1945 abhandengekommenen DürerPorträts von Hans und Felicitas Tucher an die Kunstsammlungen zu Weimar an, die ihre Sorgfaltsanforderungen zur Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und der Identifizierung des aktuellen Besitzers damit nach Ansicht der Gerichte hinreichend erfüllten.
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Auch in der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.81 hinsichtlich der deliktsrechtlichen Klage auf Herausgabe der aus Zypern gestohlenen Mosaiken wurde das Verhalten des bestohlenen Eigentümers ins Zentrum des gerichtlichen Interesses gestellt. Als die Erwerberin der byzantinischen Kunst, Mrs. Goldberg, die Mosaiken dem
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Vgl. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747 (E.D.N.Y. 1970); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 358 F. Supp. 747, 753 (E.D.N.Y. 1972) (Supplemental Opinion); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 478 F.2d 231 (2d Cir. 1973); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 14 International Legal Materials (I.L.M.) 806 (E.D.N.Y. 1975); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 813 (E.D.N.Y. 1978); Federal Republic of Germany v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981); Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982). Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991– 1992), Number 4, S. 129–173, S. 142. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, auf S. 1393 ff.; 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990) auf S. 286 ff.
1038
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
J. Paul Getty Museum zum Kauf anbot, erkannte eine Mitarbeiterin des Museums die als gestohlen veröffentlichten Kunstwerke und setzte bei Andienung der Mosaiken entsprechend den selbstauferlegten Erwerbsregeln und Verhaltensstandards des Museums die Regierung Zyperns über deren Verbleib in Kenntnis. In der Entscheidung definierte das Gericht die erforderliche Sorgfalt auf Klägerseite als eine „substantial and meaningful“ Nachforschung und Recherche ab dem Zeitpunkt, an dem der Kläger Kenntnis von dem Abhandenkommen der illegal transferierten Kulturgüter erlangte.82 Sowohl die Indianapolis Division des United States District Court for the Southern District of Indiana 83 als auch die Rechtsmittelinstanz, der United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit 84, haben das Aktionenprogramm der Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus als den Anforderungen genügend betrachtet. Im Einzelnen ersuchten die Restitutionskläger folgende Wege zur Lokalisierung der Mosaiken: 41
“Cyprus’s Efforts to Recover the Mosaics: As previously noted, since the Turkish invasion in 1974, the Republic of Cyprus has learned of the theft or destruction of much cultural property in Cyprus. Many churches, museums, and private collections have been looted, and other property has suffered destruction or loss. In some instances visitors who were allowed access to the occupied area would note such losses and report them to the Republic of Cyprus. It was through one such visitor that the Department of Antiquities first learned in November 1979 that the mosaics of the Kanakaria Church were missing. The Department is charged with the responsibility, among other things, of protecting church property which is either an antiquity or a national monument. The mosaics fall under this responsibility. Therefore, the Republic of Cyprus decided to seek recovery of the mosaics. Immediately upon learning that the mosaics were missing, the Republic of Cyprus contacted UNESCO, informing it of the significance of the lost art and seeking its assistance. Thereafter, the Republic of Cyprus notified several people and entities whom it believed could assist it in disseminating information about the missing mosaics and in recovering them. Cyprus continued to meet and discuss the situation with UNESCO officials in order to heighten awareness of Cyprus’s loss of cultural property. Cyprus notified the International Council of Museums, an organization that coordinates and develops measures and security for museums throughout the world. It notified the International Council of Museums and Sites, an organization that works with restorers and specialists in the preservation of ancient monuments. The Republic of Cyprus introduced a resolution concerning the missing mosaics to Europa Nostra, a European organization interested in the conservation of the architectural heritage of Europe. The Republic of Cyprus sent the Europa Nostra resolution to the Council of Europe, which it believed would give wide publicity to the problem. Cyprus’s ambassador and permanent delegate to the United Nations, Constantine Leventis, assisted in contacting these organizations. In addition, Ambassador Leventis spoke of the missing mosaics to individuals from museums, such as the British Museum and the Louvre, and to individuals from international auction houses, such as Christie’s and Sotheby’s. The Republic
82
83
84
Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990), S. 290. Vgl. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1388–1389. Vgl. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990), S. 287–290.
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1039
of Cyprus also contacted both European and American museums about the missing mosaics. It contacted Harvard University’s Dumbarton Oaks Institute for Byzantine Studies, considered to be the leading center in the United States for the study of Byzantine art. Dr. Vassos Karageorghis, Cyprus’s Director of the Department of Antiquities from 1964 to 1989, and Anthanasios Papageorghiou, Curator of Ancient Monuments in Cyprus since 1962 and currently Acting Director of the Department of Antiquities, disseminated information about the missing mosaics to their colleagues and scholars throughout the world by sending letters and by addressing symposia, congresses, and other such meetings. In addition, the Embassy of Cyprus in Washington, D.C. sent press releases and mailed information on a routine basis concerning the loss of Cyprus’s cultural property in general and specifically the missing mosaics. Such information was disseminated to journalists, Members of Congress, legislative assistants working in foreign affairs, and individuals in academia, archaeology, and in organizations who have expressed an interest in Greek and Cypriot affairs. The Embassy’s mailing list contains several hundred names. The information sent out from the Embassy often included the speeches given around the world by Greek Cypriot officials asking for assistance in recovering the mosaics. Throughout all these efforts, the Republic of Cyprus intended to disseminate the information that the mosaics were missing, to seek assistance from those in positions who might be able to aid Cyprus in its efforts, and to eventually recover lost or stolen cultural properties such as the mosaics. As a result of these efforts, the Republic of Cyprus has recovered some antiquities, including frescoes originally from a church in occupied northern Cyprus and other parts of the original Kanakaria mosaic. Additionally, as a result of these efforts, the Republic of Cyprus located the mosaics in this case.” 85
Vom ersten Moment an verfolgte die Regierung Zyperns eine organisierte und systematische Suche nach den entzogenen Mosaiken und informierte möglichst umfassend sämtliche offiziellen Stellen und Personen, die bei einer Lokalisierung behilflich sein könnten. Die verschiedenen zypriotischen Behörden und die Regierung Zyperns hatten noch im Jahre 1979, als der unrechtmäßige Entziehungsakt der Mosaiken aus der Kanakaria Kirche öffentlich bekannt wurde, die UNESCO, ICOM, Europa Nostra und den Europarat, einzelne europäische und amerikanische Museen, international tätige Auktionshäuser und das Dumbarton Oaks Institute for Byzantine Studies der Harvard University sowie andere mit byzantinischer Kunst befasste Organisationen, Kunstwissenschaftler und sonstige im internationalen Kulturgüterverkehr tätige Personen über den Vorfall informiert, wie auch weitere weitreichende Schritte zur Wiederauffindung der abhandengekommenen Mosaiken unternommen.86 Zusätzlich hätten zum damaligen Zeitpunkt lediglich noch Mitteilungen an die IFAR und an INTERPOL lanciert werden können. Vor diesem Hintergrund gingen die angerufenen Gerichte in der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus
85
86
Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1379-1380; bestätigt in Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990, United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit), S. 287–290. Bestätigt bei Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990, United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit), S. 287–290.
42
1040
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. zu Recht davon aus „that the plaintiffs did not know and were not reasonably on notice of the identity of the possessor of the mosaics until late 1988.“ 87 43
“The Court concludes that throughout this series of events, the plaintiffs were not nor should they reasonably have been on notice of the possessor of the mosaics at issue in this case. The plaintiffs made diligent inquiries of those involved. However, the plaintiffs never learned of any identity or information sufficient to put them on notice of whom to investigate or of who possessed the mosaics. It was reasonable for both those involved in recovering antiquities for Cyprus and Greek Cypriot officials to fear reprisals against individuals or the art itself. It would be pointless and destructive to require the plaintiffs to have taken additional steps to investigate the recovery of its property if it was reasonable that such steps might result in physical harm or destruction to human life or the art itself. Cyprus concluded that no publicity should be given to the recovery of the mosaics at that time, believing publicity might affect United Nations’ negotiations involving the sensitive, political division of Cyprus. The plaintiffs knew that the defendants were in possession of the mosaics in late 1988. The plaintiffs exercised due diligence but were unable to determine who possessed the mosaics until that time. Therefore, the plaintiffs’ cause of action did not accrue until late 1988. The discovery rule prevents the statute from running until that time because the plaintiffs’ cause of action did not accrue until they knew or were reasonably on notice of the identity of the possessor of the mosaics.” 88
2.
44
Frage nach kontinuierlichen Überwachungsund Lokalisierungsbemühungen des ursprünglichen Eigentümers nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt
In der Rechtssache United States v. Fireman’s Fund Insurance Co. des New York Federal District Court aus dem Jahre 2001 89 wurde eingrenzend hinsichtlich der due diligence-Anforderungen kultureller Eigentümer bei Lokalisierung und Identifizierung abhandengekommener Kulturgüter ausdrücklich festgestellt, dass angemessene Sorgfaltsanstrengungen zur Bestimmung des Verbleibs unrechtmäßig entzogener Kunstwerke keine Generalinkenntnissetzung der gesamten Kunstwelt, der International Foundation for Art Research (IFAR) oder spezieller Behörden außerhalb der lokalen law enforcement officials voraussetzen. Der New York Federal District Court sah einen angemessenen Sorgfaltsmaßstab des kulturellen Eigentümers vielmehr bereits dann gewahrt, wenn dieser auf den unrechtmäßigen Entziehungsakt in einer „appropriate and reasonable“ Art und Weise
87
88
89
Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1388–1389; bestätigt in Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990, United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit), S. 287–290. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, S. 1388–1389; bestätigt in Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990, United States Court Of Appeals For The Seventh Circuit), S. 287–290. United States v. Fireman’s Fund Insurance Co., 2001 WL 88226, 2001 U.S. Dist. LEXIS 804 (S.D.N.Y. 2001).
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1041
reagiert und ohne Verzögerung die lokalen Strafverfolgungsbehörden und bei Lokalisierung des Gemäldes das FBI in Kenntnis setzt.90 Darüber hinaus bestimmte das Gericht, dass auch die Versicherungsgesellschaft des Gemäldes, die bereits nach Anspruchstellung des Eigentümers die Versicherungssumme an diesen ausgezahlt hatte, keinen weitergehenderen Sorgfaltsanforderungen unterfalle. Da in der vorliegenden Konstellation zwischen dem Zeitpunkt des unrechtmäßigen Entziehungsaktes des Gemäldes (des kulturellen Diebstahls) am 10. Juni 1989 und der Wiederentdeckung im März 1995 nur eine Zeitspanne von sechs Jahren lag, besitzt die Entscheidung nur einen eingeschränkten Wert für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr, in dem bspw. in den Fällen der Restitution von Beute- oder Raubkunst oftmals mehr als 60 Jahre nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt die Rückführung gesucht wird. Indessen impliziert die Entscheidung United States v. Fireman’s Fund Insurance Co., dass des New York Federal District Court an den ursprünglichen Eigentümer nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt keine kontinuierlichen Überwachungs- und Lokalisierungsanforderungen stellt.91 Eine andere Beurteilung wurde jedoch in der Rechtssache Wertheimer v. Cirker’s Hayes Storage Warehouse, Inc.92 getroffen. In dieser Fallkonstellation versuchte ein Erbe von Pierre Wertheimer, der aufgrund der Flucht vor den Nationalsozialisten anlässlich der Invasion in Frankreich im Juni 1940 das Gemälde ,La Seine – la passerelle de L’Institut, au fond, les quais et le Louvre‘ von Camille Pissarro zurücklassen musste, das in der Folge von den Nationalsozialisten weitertransferiert wurde, das Kunstwerk von Cirker’s Hayes Storage Warehouse, Inc. zurückzuholen, nachdem der Pissarro kürzlich in dessen Depot in New York wieder aufgetaucht war.
45
Der Kläger, Alain Wertheimer, Enkel des ursprünglichen Eigentümers, behauptete vor Gericht, dass das Gemälde von der Person, der sein Großvater das
46
90
91
92
United States v. Fireman’s Fund Insurance Co., 2001 WL 88226, 2001 U.S. Dist. LEXIS 804 (S.D.N.Y. 2001). “The court noted that its decision to grant summary judgment was, in part, influenced by the possessor’s failure to provide specific information to support a laches defense and the possessor’s own failure to exercise diligence in discovering the painting’s theft. The prospective purchaser (not an art dealer) from the possessor easily discovered that the painting was stolen.” Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291, unter Verweis auf United States v. Fireman’s Fund Insurance Co., 2001 WL 88226, 2001 U.S. Dist. LEXIS 804 (S.D.N.Y. 2001) und United States v. Crawford Tech. Servs., 2004 WL 744670, U.S. Dist. LEXIS 5824 (S.D.N.Y 2004) (court found it incumbent upon a good-faith purchaser – a dealer – to inquire about the validity of title before completing the transaction). Wertheimer v. Cirker’s Hayes Storage Warehouse, Inc., No. 105575/00, 2001 WL 1657237 (S. Ct. N.Y. Co. Sept. 28, 2001), aff’d 300 A.D. 2d 117, 752 N.Y.S. 2d 295 (1st Dep’t 2002). Vgl. Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, Fn. 69, S. 173.
1042
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
Kunstwerk anvertraut hatte, widerrechtlich unterschlagen und veräußert worden war, als die Wertheimer-Familie aus dem besetzten Territorium Frankreichs flüchtete. In einer replevin-Klage suchte Alain Wertheimer die Rückführung des Gemäldes von der Kunstgalerie, die das Gemälde zu einem Kaufpreis von US-$ 500.000 zuvor erworben hatte. Die Person, der die Wertheimer-Familie das Gemälde vor ihrer Emigration anvertraut hatte, wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs strafrechtlich vor einem französischen Gericht verurteilt, und der überwiegende Teil der Kollektion der Familie konnte so wiedererlangt werden, nicht jedoch der Pissarro.93 47
Im Ergebnis stellte das Gericht die Präklusion der kulturellen Restitutionsklage aufgrund eines rechtserheblichen Verwirkungseinwandes fest, da der die Restitution begehrende ursprüngliche Eigentümer ungebührlich und unangemessen lange mit der gerichtlichen Geltendmachung der Restitutionsklage gewartet hätte. Das Kunstwerk wurde im Jahre 1947 in der sog. List of Property Removed from France During the War 1939–45 erfasst. Der Großvater des Klägers setzte seine Suche zur Wiederentdeckung des Gemäldes Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre fort und informierte verschiedene Regierungen Europas, die sich mit der Rückführung der während des Zweiten Weltkriegs unrechtmäßig verlagerten Kulturgüter beschäftigten. Nach diesen anfänglichen Lokalisierungsbemühungen seitens des Eigentümers stellte die Wertheimer-Familie die Anstrengungen hinsichtlich des Verbleibs des Gemäldes jedoch ein und erkannte deshalb auch nicht, dass das Gemälde in einer New Yorker Kunstgalerie zwischen 1951 und 1954 zum Verkauf angeboten wurde. Der Käufer, ein Schweizer Einwohner und Staatsbürger, veräußerte das umstrittene Gemälde schließlich in einer Serie einzelner privater Veräußerungsgeschäfte an die beklagte Kunstgalerie im Jahre 1999. Obwohl der Großvater des Klägers zu diesem Zeitpunkt selbst in New York seinen Wohnsitz hatte, erlangte die Wertheimer-Familie weder Kenntnis von der öffentlichen Zurschaustellung des Kunstwerks noch von den einzelnen Veräußerungen seit Beginn der 1950er Jahre. Zudem unterließ die Familie weitere Lokalisierungsbemühungen des Gemäldes in der folgenden Zeit. Es wurde weder eine Registrierung des Kulturgutverlustes bei der Art Loss Registry noch eine Suchmeldung nach dem Kunstwerk bei einschlägigen Museen, Galerien, Kunsthändlern oder Auktionshäusern vorgenommen. Ausdrücklich bestimmte das Gericht, dass „[t]he Wertheimer family literally did nothing to recover the Pissarro painting since the early 1950s. … The painting apparently surfaced for a lengthy period, when it was advertised for sale by the Schoneman Galleries in New York City. Wertheimer was made aware by his grandmother in the early 1970s that some of the family property had been looted during the war. Plaintiff and his family did not report the Pissarro
93
Vgl. zu den tatsächlichen Angaben die Ausführungen bei Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291.
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1043
painting missing to the Art Loss Registry, or contact galleries or museums regarding the painting.“ Nach Ansicht des Gerichtes beruhte die Verzögerung bei Geltendmachung des Restitutionsanspruchs somit auf unsorgfältigen Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen des kulturellen Eigentümers. Aus diesen Gründen bestimmte das Gericht in der Wertheimer-Konstellation abschließend, dass die anfänglich seitens des ursprünglichen Eigentümers ausgeführten, später jedoch wieder aufgegebenen Bemühungen zur Bestimmung des Verbleibs des Pissarro-Gemäldes in Form der Registrierung in der sog. List of Property Removed from France During the War 1939–45 und der Inkenntnissetzung verschiedener Europäischer Regierungen, die eine Rückführung der während des Zweiten Weltkriegs unrechtmäßig verlagerten Kulturgüter vornehmen, nicht dem Verständnis angemessener Lokalisierungsbemühungen genügten und aufgrund der deshalb verzögerten Geltendmachung des Restitutionsanspruchs dem grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzer keine ausreichenden Beweismittel mehr zur Verfügung standen, um sich angemessen verteidigen zu können.94 Im Ergebnis wurde die Restitutionsklage somit aufgrund des Verwirkungseinwandes abgelehnt.
3.
Unzureichende Nacherforschungsbemühungen kultureller Eigentümer zur Bestimmung des Verbleibs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Unzureichend waren bspw. die seitens Gerda DeWeerth verfolgten Nacherforschungsbemühungen in der Entscheidung DeWeerth v. Baldinger 95, der in den Wirren des Zweiten Weltkrieg bzw. unmittelbar nach Ende der Kriegshandlungen ein Monet-Gemälde gestohlen wurde. Das Gemälde der grundsätzlich restitutionsberechtigten Klägerin wurde im Jahre 1981 von ihrem Neffen Peter von der Heydt in einem 1974 erschienenen Werksverzeichnis von Monet wiederentdeckt. Hier bestimmte der Federal Circuit Court for the Second Circuit 96, dass
94
95
96
Vgl. auch Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. DeWeerth v. Baldinger, 658 F. Supp. 688 (S.D.N.Y. 1987), revised 836 F. 2d 103 (2d Cir. 1987), cert. den. 108 S.Ct. 2823 (1988); sowie 804 F. Supp. 539 (SDNY 1992). Vgl. aus dem Schrifttum: Bolano, International Art theft Disputes: Harmonizing Common Law Principles with Article 7 (b) of the UNESCO Convention, Fordham International Law Journal, Volume 15 (1991–1992), Number 4, S. 129–173, S. 144; Epstein, The Lachses Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44–48, S. 44–45; Siehr, Gutgläubiger Erwerb von Kunstwerken in New York – DeWeerth v. Baldinger erneut vor Gericht, IPRax 1993, Heft 5, S. 339–340, S. 339; Mansel, DeWeerth v. Baldinger – Kollisionsrechtliches zum Erwerb gestohlener Kunstwerke, IPRax 1988, S. 268–271; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68, S. 57–59. DeWeerth v. Baldinger, 836 F. 2d 103 (2nd Cir. 1987); Mansel, DeWeerth v. Baldinger – Kollisionsrechtliches zum Erwerb gestohlener Kunstwerke, IPRax 1988, S. 268–271.
48
1044
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
die ursprüngliche Eigentümerin hinter den angemessenen Sorgfaltsanforderungen während der 24-jährigen Zeitspanne zwischen unrechtmäßiger Entziehung und Wiederentdeckung zurückblieb.97 Das Gericht stellte fest, dass der Bericht seitens der klagenden Partei bei der Militärverwaltung und einer westdeutschen Untersuchungsbehörde allein aus einer standardisierten Liste und einem einzeiligen Brief bestand, der Rechercheaufwand seitens der klagenden Mrs. DeWeerth an einen Rechtsanwalt und einen Kunstexperten zu generell war.98 Aufgrund der Tatsache, dass Mrs. DeWeerth es rechtzeitig versäumte, im Wege der Durchsicht aktueller Ausstellungskataloge und des Monet catalogue raisonné 99 ihren Monet aufzuspüren, hat das Gericht der Klägerin primär die auffallende Passivität der Nachforschung und Auffindung des gestohlenen Kunstwerkes in den Jahren 1945 bis 1981 vorgeworfen, bis diese erfahren hatte, dass sich Mrs. Baldinger im Besitz des Gemäldes befand. Da sich der Circuit Court der constructive discovery rule anschloss – „interpreting the term discovery as ‚constructive discovery‘, for example when she could have discovered the whereabouts of her painting“ 100 –, gelangten die Richter zu der Erkenntnis, dass im konkreten Fall die Herausgabeklage verjährt ist und dass das Gericht die Klage somit abzuweisen hat. 49
Als unzureichend qualifizierte auch der New York Supreme Court die Lokalisierungsbemühungen des Eigentümers in der Rechtssache Czartoryski-Borbon v. Turcotte 101. In diesem Fall klagte ein polnischer Prinz auf Restitution eines Gemäldes von Jan Mostaert, das angeblich bei der deutschen Invasion in Polen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs von den nationalsozialistischen Plünderungsbehörden völkerrechtswidrig entzogen worden sei. Obwohl der Streit um das Mostaert-Gemälde schließlich außergerichtlich beigelegt wurde, verweigerte das Gericht eine Restitution und verwies die Rechtssache an den trial court zur Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs auf Seiten des grundsätzlich restitutionsberechtigten Eigentümers, weil nicht geklärt werden konnte, warum der grundsätzlich restitutionsberechtigte Kläger nicht eine der zahlreichen Ressourcen zur Wiederentdeckung von unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern nutzte und damit eine frühere Rückführung hätte anstrengen können.
50
Das Gemälde stand ursprünglich im mehr als 100-jährigen Bestand der Czartoryski-Familie in einem nach der Familie benannten Museum in Krakau. 97 98 99
100
101
DeWeerth v. Baldinger, 836 F. 2d 103 (2nd Cir. 1987). DeWeerth v. Baldinger, 836 F. 2d 103 (2nd Cir. 1987). Wildenstein, Claude Monet. Bibliographie et catalogue raisonné, Vol. I, Lausanne/Paris, La bibliothèque des arts, 1974, S. 371, No. 595: „Vétheuil vu de l’île Saint-Martin“. Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 71. Czartoryski-Borbon v. Turcotte, Index No. 107958/97 (N.Y Sup. Ct. Apr. 15, 1999), N.YL.J., Apr. 28, 1999, at 27 col. 2 (Sup. Ct. N.Y County), appeal withdrawn, 264 A.D.2d 545, 697 N.Y.S.2d 228 (1st Dept 1999). Vgl. hierzu auch Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291; Weiser, Prince vs. Professor in a Legal Battle Over a Painting, The New York Times, Artikel vom 3. Mai 1997.
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1045
Während der Besetzung Polens seitens der deutschen Truppen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs wurde das Gemälde beschlagnahmt und im Nationalmuseum von Warschau aufbewahrt, bis dessen Bestände im April 1942 seitens der nationalsozialistischen Plünderungsbehörden verbracht wurden, ohne dass der Aufenthaltsort des umstrittenen Gemäldes dabei bekannt wurde. Die völkerrechtswidrige Entziehung des Gemäldes ist im Catalogue of Paintings Removed from Poland by German Occupation Authorities During 1939–1945 von Wladyslaw Tomkiewicz der Universität Warschau beschrieben und seitens der Reparationsabteilung des polnischen Ministeriums für Kultur und Kunst aufgelistet. Die Kunstgalerie M. Knoedler and Company veräußerte das Gemälde im Jahre 1963 an die Mutter des Beklagten, die das Gemälde in der Folge ihrem Sohn, dem potenziell restitutionsverpflichteten Prof. Turcotte, überließ. Die Czartoryski-Borbon-Familie erfuhr von dem Aufenthaltsort des Gemäldes im Jahre 1997, als der Beklagte das Gemälde bei Sotheby’s zur Versteigerung einlieferte. Die Kläger unternahmen sofort Anstrengungen zur Rückführung des Mostaert-Gemäldes und Sotheby’s informierte daraufhin den aktuellen Besitzer, der jedoch eine Restitution verweigerte. Da die völkerrechtswidrige Entziehung keinen Eigentumsverlust zur Folge hatte, nach der amerikanischen nemo dat-Regel kein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten möglich ist und entsprechend der im Bundesstaat New York anwendbaren demand and refusal rule kulturelle Restitutionsansprüche ohne Berücksichtigung des Sorgfaltsmaßstabs der grundsätzlich restitutionsberechtigten Eigentümer nach dem Ablauf einer Zeitspanne von drei Jahren nach Verweigerung der Rückführungsforderung des Eigentümers seitens des Besitzers verjähren, wäre ein Restitutionsanspruch nur noch dann ausgeschlossen, wenn sämtliche Voraussetzungen des Verwirkungseinwandes gegeben wären. Das Gericht wiederholte die in der Guggenheim-Entscheidung festgelegten Grundsätze und die Beweislast eines potenziell restitutionspflichtigen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter hinsichtlich eines unzureichenden Sorgfaltsmaßstabs auf Seiten des Eigentümers bei Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der möglichen Identifizierung des aktuellen Besitzers. Der Eigentümer machte vor diesem Hintergrund jedoch geltend, dass die Voraussetzungen eines Verwirkungseinwandes hier nicht gegeben seien, weil die zahlreichen Register und Auflistungen nationalsozialistisch bedingter Vermögensentziehungen für polnische Staatsbürger aufgrund der kommunistischen Herrschaftsform nicht zugänglich gewesen seien. Dieses Argument ging jedoch fehl, da der Prinz als Staatsbürger Großbritanniens zu keinem Zeitpunkt in Polen lebte und zahlreiche Familienmitglieder (darunter auch der Erblasser, der dem Prinzen das Gemälde als Rechtsnachfolger überließ) für den Zeitraum von mehr als 14 Jahren zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt und dem Erwerb des MostaertGemäldes in Westeuropa lebten. Diesbezüglich erklärte das Gericht, dass …
51
“… it would appear that plaintiff has not taken steps to research the whereabouts of the painting or to put the art world on notice of its claim since apparently Sotheby’s learned
52
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche of the claim only days before the scheduled auction. It is therefore unclear from the record before the court whether the Prince’s family exercised due diligence in pursuing their claim before defendant’s mother purchased the painting in 1959. At trial, the court will have the opportunity to consider whether, under all the circumstances, the Czartoryskis were diligent in pursuing their claim.” 102
53
Außergerichtliche Klärung fand auch das einst mit dem gerade beschriebenen Mostaert-Gemälde gepaarte ‚Portrait of a Courtier‘ (s. Abb. 38).
54
Das Kunstwerk befand sich seit 1949 bis zum Jahr 2005 in der Kollektion des Virginia Museum of Fine Arts. Das Porträt hatte dasselbe Schicksal wie das oben genannte Mostaert-Gemälde erlitten103 und wurde nach der nationalsozialistischen Plünderung im Jahre 1948 in einer New Yorker Kunstgalerie ausgestellt und im Jahre 1949 von Mrs. A. D. Williams erworben, die es ihrerseits im Jahre 1952 dem Virginia Museum of Fine Arts stiftete.
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Das Virginia Museum of Fine Arts identifizierte aufgrund der in ihren Beständen ausgeführten Provenienzerforschungen das Porträt als Kriegsbeute und informierte die polnische Botschaft über den Verbleib des Gemäldes. Nachdem Polen offiziell die Restitution des Gemäldes beanspruchte, übergab das Museum das Porträt der polnischen Botschaft, die nach Aufforderung zur Rückführung des Kunstwerks an die Erben der ursprünglichen Berechtigten Izabela Dzialyn´ska, geborene Czartoryska, dieses ihrerseits restituierten. Die Czartoryska-Familie schenkte das Gemälde wieder dem Czartoryski Museum in Krakau, sodass das Gemälde seine mehr als 60-jährige Reise wieder an seinem angestammten Ort beendete, ohne dass das Virginia Museum of Fine Arts sich auf unzulängliche Lokalisierungsbemühungen der Eigentümer berief. /
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Czartoryski-Borbon v. Turcotte, N.Y.L.J., Apr. 28, 1999, at 27 col. 2; vgl. auch Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. “The painting comes from a collection of artworks amassed by Izabela Dzial yn´ska nee Czartoryska in Paris during the second half of the 19th century for the Gol uchów Museum being created at the time. The collection was to be housed in a 16th century castle, former residence of the Leszczyn´ ski family, reconstructed by Dzial yn´ska. The painting, along with other 16th century portraits, mainly of the Dutch and French schools, adorned the duchess’ Renaissance bedroom. It was paired with the portrait of a lady, by the same painter, for years considered to be the portrait of Anne de Bretagne, the wife of Charles VIII. In the summer of 1939, Ludwika Maria Czartoryska nee Krasin´ska, the owner of the museum, decided to have the most precious items in the museum’s collections transported to Warsaw for safekeeping in the event of war. Among them were eight small 15th and 16th century paintings, notably including two portraits by Mostaert, which were kept at the duchess’ apartment in her house at 12 Kredytowa Street. At the end of September 1939, the paintings were seized by Germans and transported to the National Museum in Warsaw. On October 9th 1944, after the fall of the Warsaw Uprising, they were taken to Austria, where they were stored at Fischorn castle near Zell am See. There, all the paintings were stolen by the Germans themselves or by local inhabitants. The Portrait of a Courtier, unsuccessfully sought by the Republic of Poland for many years, was listed in the catalogue of war losses in the area of foreign painting, published by the Polish Ministry of Culture in 2002.” www.mfa.gov.pl/gallery/kultura/jan_mostaert_d.jpg. /
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3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
B.
1047
Nachteil, Schaden oder sonstige Beeinträchtigung (‚prejudice‘) auf Seiten des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als zweite Voraussetzung des laches-Einwandes
Während die Voraussetzungen an das Zeitmoment leicht einer Erklärung zugänglich sind, ist jedoch für die Beurteilung des laches-Einwandes die inhaltliche Ausgestaltung der Voraussetzung „injury or prejudice to the good-faith purchaser“ innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs ebenso wenig in der Rechtsdogmatik gesichert wie die konkrete Bestimmung des angemessenen Sorgfaltsmaßstabs des Eigentümers in der Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Allgemein werden zwei unterschiedliche kulturgüterunspezifische Kategorien erkannt, in denen die ungebührliche Verzögerung des Klägers zu einem Nachteil, Schaden oder einer Beeinträchtigung des Klagegegners führt:
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“There are two general categories of cognizable prejudice to support a defense of laches: (1) loss of evidence that would support the defendant’s position, such as lost documents, death of witnesses, or faded memories, and (2) a material change in the defendant’s position that would not have occurred but for the delay, including changes in the law, a change of title, or other intervening equities or harm caused by the plaintiff’s delay.” 104
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Dieses Verständnis fand in der Entscheidung Robins Island Preservation Fund, Inc. v. Southold Development Corp.105 durch den Second Circuit ausdrücklich judikative Bestätigung. Wörtlich bestimmte das Gericht, dass „[a] defendant may suffer prejudice either because it would be inequitable, in light of a change in defendant’s position, to allow plaintiff’s claim to proceed or because the delay makes it difficult to garner evidence to vindicate his or her rights.“ 106 Trotz wiederholter Applikation des laches-Einwandes innerhalb der amerikanischen Gerichtsentscheidungen, „… these more recent cases do not give much additional insight into what is necessary to assert a successful laches defense.“ 107 Insbesondere bleibt ein präzises Verständnis der Terminologie „prejudice“ für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr sowohl in den einzelnen Entscheidungen als auch in der Rechtsliteratur unbeantwortet. Außerhalb (erstens) der Beweisnot potenziell restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund des Verlustes etwaiger Kaufurkunden von Kunstwerken, Exportpapie-
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Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 67–68. Robins Island Pres. Fund, Inc. v. Southold Dev. Corp., 959 F.2d 409, 424 (2d Cir. 1992). Vgl. auch die Zitierung bei Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
ren oder sonstigen Schriftstücken zum Nachweis der Gutgläubigkeit des Erwerbers, des Todes entscheidender Zeitzeugen oder der unsicheren Erinnerungslage, und (zweitens) einer wesentlichen Änderung der Rechts- oder Tatsachenposition des potenziell restitutionspflichtigen Besitzers geben die einschlägigen kulturgüterspezifischen Gerichtsentscheidungen keine näheren Informationen, Beispiele oder Fakten „that would support a finding of prejudice as a result of an unreasonably long delay in bringing suit.“ 108 Neben diesen für sämtliche Konstellationen eines Verwirkungseinwandes geltenden Ausführungen ist jedoch innerhalb der Präklusion kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter an besondere Sachverhalte zu denken, in denen restitutionspflichtigen Besitzern die Berufung auf den Verwirkungseinwand aufgrund eines kulturgüterspezifischen Nachteils, Schadens oder einer Beeinträchtigung möglich sein sollte. 59
So könnte man bspw. daran denken, dass ein potenziell restitutionspflichtiges Museum dann den allgemeinen Verwirkungseinwand fruchtbar machen darf, wenn eine Konstellation sog. ‚lost opportunity costs‘ vorliegt. Dabei handelt es sich um eine Sachlage, in der ein Museum von dem Erwerb ähnlicher Kulturgüter wie dem in dem Restitutionsverfahren beanspruchten absah, weil es berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass es bereits mit dem in Streit stehenden Gut ein für die Klasse repräsentatives Werk in der Sammlung aufgenommen hat.109 Ob ein derartiger Einwand wirklich rechtlich erheblich wäre, kann sicherlich auch konträr beurteilt werden. Hier sind jedoch durchaus auch neue, auf den ersten Blick ungewöhnliche, kulturrestitutionsspezifische Verwirkungseinwände anzuerkennen, die sich in anderen Verfahren aus der Natur der Sache schon nicht ergeben können. Bspw. könnte sich der Einwand der Verwirkung auch dann hören lassen, wenn dem restitutionspflichtigen Beklagten deshalb ein rechtlicher Nachteil aus der verzögerten Restitutionsklage des ursprünglichen Eigentümers entstanden ist, weil sich der redliche, jedoch zur Restitution verpflichtete Erwerber des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts nicht mehr gegenüber seinem ursprünglichen Veräußerer aufgrund des Ablaufs einer besonders langen Zeitspanne schadlos halten kann. Dies gilt wohlgemerkt jedoch nur vor der Erkenntnis, dass der alleinige Zeitablauf, unabhängig wie lange, für sich genommen, seit der Lubell-Entscheidung nicht mehr zu einem Ausschluss der Klage aufgrund temporaler Präklusion führt. Konkrete Anhaltspunkte sind aus den einschlägigen Gerichtsentscheidungen innerhalb der kulturellen Restitutionsverfahren zu gewinnen, in denen der Verwirkungseinwand Rechtsrelevanz besaß.
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Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 68.
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
I.
Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut: keine Nachteile auf Seiten des restitutionspflichtigen Besitzers
Entsprechend dem allgemeinen Tenor der demand and refusal rule bestimmte der Second Circuit des United States Court of Appeals in der Entscheidung Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut 110 zunächst ausdrücklich, dass dem Eigentümer nicht vollständig die Last der Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und der Identifizierung der aktuellen Besitzer auferlegt werden darf: “Because art work can be both extremely valuable and highly marketable to an underground clientele, the difficulties original owners face in recovering missing art abound. Recognizing this dilemma, the New York Court of Appeals adopted a policy tailored to alleviate that burden.” 111 Aufgrund der Applikation der Guggenheim-Leitsätze 112 bestimmte das Gericht, dass „this case gives us an opportunity to implement what has become the law of the State of New York, namely, that there is no due diligence requirement affecting running of statute of limitations in actions for repossession of lost or stolen art.“ 113 Vor dem Hintergrund der Guggenheim-Entscheidung musste jedoch sichergestellt werden, dass der City of Stamford kein laches-Vorwurf zu machen war, nur dann konnten die Kunstwerke der Stadt Stamford zugesprochen werden. Hier war jedoch a priori fraglich, welchen Nachteil der potenziell restitutionsverpflichtete Besitzer aufgrund der Geltendmachung des Restitutionsanspruchs erst nach 18 Jahren nach dem Abhandenkommen der Kunstwerke erlitten haben könnte. In der Entscheidung bestimmte der Second Circuit des United States Court of Appeals jedoch, dass bei Annahme des Verwirkungseinwandes dem auf Restitution beklagten Besitzer ein unerwarteter und wohl auch unberechtigter kultureller und finanzieller Gewinn anheimfiele, der bei Abwägung mit den Interessen des Eigentümers keine Rechtfertigung finden dürfe. Ausdrücklich führte das Gericht aus, dass „[i]n the present case, though Hoelzer did not explicitly assert a defense of laches, he
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111 112
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Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut, 722 F. supp. 1106 (S.D.N.Y. 1989); bestätigt durch 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991). Hoelzer v. City of Stanford, Connecticut, 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991), S. 1138. “While the court in Lubell found due diligence has no impact on running of the statute of limitations in actions for replevin, it noted the doctrine’s relevance with regard to the affirmative defense of laches. A panel of this Court perceptively distinguished the defense of laches from one involving the statute of limitations in DeWeerth, noting: ‘Laches is an equitable defense that requires a showing of delay and prejudice to the defendant, whereas the reasonably prompt demand principle involved in this case is a legal doctrine based exclusively on an unexcused lapse of time.’ DeWeerth, 836 F.2d at 110. The doctrine of laches sufficiently safeguards the interests of a good faith purchaser of lost art by weighing in the balance of competing interests the owner’s diligence in pursuing her claim.” Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut, 722 F. supp. 1106 (S.D.N.Y. 1989); bestätigt durch 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991). Hoelzer v. City of Stanford, Connecticut, 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991), S. 1138.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
nonetheless would have failed to establish the prejudice necessary to sustain such a claim. The district court found that Hoelzer, who paid nothing for the murals and who never anticipated a propriety interest in them, would, in fact, receive a windfall were he granted title.“ 114
II.
Mangel an Zeugen mit persönlicher Kenntnis über den Diebstahl oder nachfolgende Veräußerungen als ‚prejudice‘ in Hutchinson v. Horowitz
61
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Verwirkungseinwand erfolgte in der Entscheidung Hutchinson v. Horowitz des New York Supreme Court vom 8. Januar 1999.115 In dieser Konstellation schloss der Verwirkungseinwand des potenziell restitutionspflichtigen Besitzers die replevin-Klage des Eigentümers aus. Das Gericht entschied, dass die unbegründete und unangemessene Verzögerung des Restitutionsanspruchs des kulturellen Eigentümers von nahezu 100 Jahren nach dem Entziehungsakt den restitutionspflichtigen Besitzer benachteiligte, da keine Zeugen mehr persönliche Auskunft über den unrechtmäßigen Entziehungsakt oder eine nachfolgende Veräußerung des betroffenen Gemäldes mehr geben können.
62
Im Gegensatz zu der Entscheidung Czartoryski-Borbon v. Turcotte, hatte der laches-Einwand des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers in der Rechtssache Hutchinson v. Horowitz Erfolg.116 Die Restitutionskläger sind Rechtsnachfolger des Künstlers Theodore Robinson und suchten mit einer Klage im September 1997 die Restitution des Gemäldes ‚Low Tide, Riverside Yacht Club‘ (1984) (s. Abb. 39), das die Beklagten im Jahre 1964 von den Parke-Bernet Galleries (heute Sotheby’s) erworben hatten.117
63
Die Kläger behaupteten vor Gericht, dass das Gemälde entweder im Jahre 1896 anlässlich einer Versteigerung des Nachlasses von Theodore Robinson oder auf einer Ausstellung ungefähr zum Zeitpunkt des Todes des Künstlers gestohlen
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Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut, 722 F. supp. 1106 (S.D.N.Y. 1989); bestätigt durch 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991). Hutchinson v. Horowitz, Hutchinson v. Horowitz, No. 604942/47 (N.Y Sup. Ct. Jan. 8, 1999). Hutchinson v. Horowitz, No. 604942/47 (N.Y Sup. Ct. Jan. 8, 1999). Vgl. auch Hutchinson v. Spanierman, 190 F.3d 815 (7th Cir. 1999) (holding plaintiff Thomas Hutchinson barred by laches from claiming an interest in certain Thomas Robinson works held by other descendants of the artist); Hutchinson v. Pfeil, 2000 U.S. App. LEXIS 6260 (10th Cir. 2000); Hutchinson v. Pfeil, 2000 U.S. App. LEXIS 6184 (10th Cir. 2000) (denying similar claims of Hutchinson). Vgl. hierzu Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. Vgl. zum Sachverhalt die Darstellung bei Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291.
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1051
worden war. Vier Jahre nach dem Erwerb des Gemäldes schrieb Horowitz an Robert Hutchinson, einen Rechtsnachfolger Theodore Robinsons, dass er Eigentümer des genannten Gemäldes sowie eines weiteren Kunstwerks des Künstlers und am Erwerb weiterer Gemälde des Künstlers interessiert sei. Robert Hutchinson starb im Januar 1997, bevor weitere Veräußerungen erfolgten. Seine Schwester Anne, die nach den Gemälden von Theodore Robinson recherchierte, war bereits zwei Jahre zuvor gestorben. Die Restitutionskläger, Kinder von Robert Hutchinson und dessen Bruder, verlangten in einem Brief vom 22. September 1994 die Rückführung des Gemäldes von Horowitz. Dieses Rückführungsbegehr wurde nur wenige Tage später verweigert, sodass am 26. September 1997 die Anspruchsteller Klage auf Restitution des Gemäldes erhoben. Der Restitutionsschuldner berief sich neben dem Einwand der Verjährung vornehmlich darauf, dass eine Restitutionsklage jedenfalls auch aufgrund des Verwirkungseinwandes ausgeschlossen sei. Den Verjährungseinwand betreffend machte der Beklagte geltend, dass die Rechtsnachfolger von Theodore Robinson bereits seit dem Jahre 1968 Kenntnis von dem Aufenthaltsort und dem Besitzer des Gemäldes besaßen, sodass eine Rückführungsaufforderung der Rechtsnachfolger im Jahre 1994 temporal präkludiert sein müsse. Die Kläger erwiderten der Einlassung von Horowitz, dass nicht sie selbst Kenntnis vom Verbleib des Kunstwerks besaßen, sondern dass der Brief des Jahres 1968 an den Rechtsnachfolger von Robinsons Bruder und nicht an sie selbst gesendet worden war. Darüber hinaus wandten die Kläger ein, dass weder der Brief des Jahres 1968 noch die zweijährige Verzögerung der Klage ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von dem Abhandenkommen des Gemäldes im Jahre 1992 bis zur Rückführungsforderung im Jahre 1994 als unverhältnismäßig bezeichnet werden könne. Die Kläger machten geltend, dass entsprechend der Guggenheim-Entscheidung keine Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer den Lauf der Verjährungsfrist beeinflussten, sodass die amerikanische statute of limitations keine Anwendung gegenüber anderen Personen als den Erben von Robert Hutchinson finden könne, weil dieser den Brief im Jahre 1968 empfangen habe. Der New York Supreme Court konnte von diesen Erwägungen jedoch nicht überzeugt werden und führte aus, dass „since all plaintiffs purportedly own[ed] the painting jointly … the knowledge of one [plaintiff] is imputed to all.“ 118 Entscheidungserheblich blieb in der Rechtssache Hutchinson v. Horowitz der Verwirkungseinwand des potenziell restitutionspflichtigen Besitzers. Die Kläger und deren Rechtsvorgänger beanspruchten weder innerhalb der 26-jährigen Zeitspanne zwischen der Kenntnis von dem Aufenthaltsort und von dem Besitzer des gestohlenen Robinson-Gemäldes noch innerhalb der einhundertjährigen Zeitspanne zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt und der Klage die Rück-
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Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut, 722 F. supp. 1106 (S.D.N.Y. 1989); bestätigt durch 933 F. 2d 1131 (2d Cir. 1991).
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
führung. Die Kläger erwiderten diesen Einwand zwar mit der Erwägung, dass ihnen die tatsächlichen Umstände für eine Klage bis ins Jahr 1992 bzw. 1994 nicht zur Verfügung standen, sodass ihnen für diese Zeit kein Vorwurf unangemessener Verzögerung gemacht werden könne. Unter Berufung auf die Grundsätze der Guggenheim-Entscheidung stellte der New York Supreme Court in seiner Entscheidung jedoch fest, dass nicht nur aktuelle, tatsächliche Kenntnis des Anspruchstellers zur Beurteilung des Verwirkungseinwandes Entscheidungsrelevanz besitze, sondern auch solche Umstände, die der kulturelle Restitutionskläger hätte wissen müssen.119 Im vorliegenden Fall bejahte das Gericht nicht nur eine ungebührliche Verzögerung der Rechtsvorgänger der Kläger in der Lokalisierung ihres gestohlenen Gemäldes, sondern erkannte auch einen Nachteil auf Seiten des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers. Die Kläger stützten sich zum Beweis des Diebstahls auf Urkunden und Dokumente aus dem Jahre 1926, ohne dass eine Erklärung dafür abgegeben werden konnte, warum seit Entdeckung des Diebstahls spätestens zu diesem Zeitpunkt keine Nacherforschungsbemühungen hinsichtlich des Verbleibs des gestohlenen Gemäldes seitens der Rechtsnachfolger des Künstlers über einen Zeitraum von nahezu 70 Jahren unternommen wurden. Aus diesem Grund bezeichnete der New York Supreme Court die Klage im Jahre 1997 als unangemessen spät. Das Gericht qualifizierte darüber hinaus den Mangel an Zeugen mit persönlicher Kenntnis über den Diebstahl oder die nachfolgenden Veräußerungen des Gemäldes als prejudice, d.h. als Nachteil des grundsätzlich restitutionspflichtigen Schuldners. Im vorliegenden Fall standen sowohl die Kenntnisse des unmittelbaren Rechtsnachfolgers des Künstlers als auch dessen Schwester Anne Hutchinson, die angeblich den Diebstahl als erste feststellte, nicht mehr zur Verfügung. Hätten die berechtigten Rechtsnachfolger ihre Ansprüche rechtzeitig verfolgt, wäre die Rechtsstreitigkeit um das Eigentum an dem Robinson-Gemälde nach Ansicht des New York Supreme Court bereits lange Zeit vor dem Erwerb des Gemäldes seitens des beklagten Horowitz im Jahre 1964 gelöst worden. Das Gericht lehnte damit den Restitutionsanspruch der Kläger aufgrund des Verwirkungseinwandes des Beklagten ab und bestimmte, dass „[t]o allow a claim now, a century after the alleged theft, would place an onerous burden on anyone owning old artwork … such [that it] could always be subject to claims by descendants of improper transfer.“120
119 120
Hutchinson v. Horowitz, No. 604942/47 (N.Y Sup. Ct. Jan. 8, 1999). Hutchinson v. Horowitz, No. 604942/47 (N.Y Sup. Ct. Jan. 8, 1999), auch zitiert bei Lerner/ Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291.
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
1053
III. Keine Möglichkeiten zum Nachweis eines gutgläubigen Eigentumserwerbs des grundsätzlich restitutionspflichtigen Beklagten als ‚prejudice‘ Vergleichbar mit der Rechtssache Hutchinson v. Horowitz stellte sich die Konstellation in Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s, Inc. aus dem Jahre 1999 121 dar. Hier ging das zur Entscheidung berufene Gericht davon aus, dass der Verwirkungseinwand des restitutionspflichtigen Besitzers die Durchsetzung des grundsätzlich bestehenden Anspruchs des Klägers auf Rückführung des gestohlenen Palimpsests aufgrund unzulänglicher due diligence-Anstrengungen des restitutionsberechtigten Eigentümers hinderte. Der Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem versäumte es von dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entziehung über einen Zeitraum von ungefähr 70 Jahren bis zur Wiederentdeckung des Kulturguts zu suchen. Aufgrund dieser ungebührlichen Verzögerung ist auf Seiten des grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers ein Schaden zu konstatieren, weil die 70-jährige Retardation des Restitutionsanspruchs die notwendige Beweisführung des aktuellen Besitzers hinsichtlich seiner etwaigen Eigentümerstellung unmöglicht machte, da entscheidungserhebliche Zeugen wie Dokumente nach einer so langen Zeitspanne unauffindbar waren und Erinnerung verblassten.
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Obwohl das Gericht bereits bei Applikation französischen materiellen Rechts – als die Rechtsordnung desjenigen Staates, in dem das Kulturgut zum Zeitpunkt des rechtserheblichen Transfers örtlich belegen ist (Grundsatz der lex rei sitae) –, einen Eigentumserwerb aufgrund des französischen Instituts der Ersitzung erkannte, wurde hinsichtlich der Rechtslage in dem amerikanischen Bundesstaat New York vom Gericht für Recht erkannt, dass der Anspruch auf Restitution des angeblich gestohlenen Manuskripts unabhängig von der Eigentumslage aus Gründen der Verwirkung ausgeschlossen sei. Für einen Verwirkungseinwand werden innerhalb der Rechtsordnung des Bundesstaates New York bekanntermaßen ein Zurückbleiben hinter dem notwendigen Nacherforschungsprogramm des Eigentümers hinsichtlich des Verbleibs eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts sowie ein Schaden auf Seiten des grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers aufgrund dieser ungebührlichen Retardation des Restitutionsanspruchs verlangt. Der Eigentümer muss somit zunächst unangemessen hinter den notwen-
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121
Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s, Inc., 1999 WL 673447, 1999 U.S. Dist. LEXIS 13257 (S.D.N.Y 1999). Vgl. das Schrifttum zum Verwirkungseinwand Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291; Epstein, The Lachses Defense in Art Theft Litigation, IFAR Journal 4 (2001), S. 44–48; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 172–173.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
digen Sorgfaltsanforderungen zurückgeblieben sein. Die vor Gericht dargelegten Umstände ließen darauf schließen, dass die Kläger trotz bereits zuvor erfolgter Entziehung aus der Metochion-Kollektion erst in den 1930er Jahren von dem Abhandenkommen des Manuskripts Kenntnis erlangten. Seit diesem Zeitpunkt bis zur Klage im Jahre 1998 unternahm der Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem jedoch keine Bemühungen zur Wiederentdeckung dieses oder anderer Metochion-Manuskripte und machte auf das Abhandenkommen auch zu keinem Zeitpunkt aufmerksam, obwohl der Anspruchsteller Kenntnis darüber besaß, dass diese Art der Manuskripte seit Beginn der 1930er und 1940er Jahre öffentlich als Eigentum beansprucht und als Teil der Kollektionen der Bibliothèque Nationale de France, der University of Chicago und des Cleveland Museum of Art ausgestellt wurde. Ebenso wenig zeigte die Klägerseite bei öffentlicher Ankündigung der Auktion ein Interesse an dem Manuskript. Aufgrund dieser Umstände ging das zur Entscheidung berufene Gericht davon aus, dass der Kläger vom Zeitpunkt der Kenntnis von dem unrechtmäßigen Entziehungsakt bis zu dem Moment der Klage über einen Zeitraum von 70 Jahren keine angemessenen Sorgfaltsanstrengungen zur Lokalisierung und Identifizierung des Palimpsests unternahm.122 67
“In the context of claims of lost or stolen works of art or cultural artefacts … the doctrine of laches … safeguards the interests if a good faith purchaser of lost or stolen art … by weighing in the balance of competing interests the owner’s diligence in pursuing his claim … . The question of whether the Patriarchate was sufficiently diligent in searching for the Palimpsest to defeat the defendant’s laches defense is easily answered. The patriarchate was not diligent at all. The only excuses the Patriarchate raised for its utter lack of diligence is that, as an order of monks, it could not be expected to search for a painting. Yet if the Patriarchate was able to retain counsel with impressive speed to bring the action the night before the Christie’s auction, it could have retained counsel to search for the Palimpsest, or at least make some inquiries, at some point during the previous seventy years.” 123
68
Neben der ungebührlichen Verzögerung der Restitutionsklage musste für einen Verwirkungseinwand jedoch noch zusätzlich ein Schaden, Nachteil oder eine Beeinträchtigung auf Seiten des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers eingetreten sein, sodass das Gericht zu untersuchen hatte, ob der „defendant may suffer prejudice either because it would be inequitable, in light of a change in defendant’s position, to allow plaintiff’s claim to proceed or because the delay
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Vgl. Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s, Inc., 1999 WL 673447, 1999 U.S. Dist. LEXIS 13257 (S.D.N.Y 1999), auch zitiert bei Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 15– 177, S. 172–173.
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
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makes it difficult to garner evidence to vindicate his or her rights.“ 124 In der vorliegenden Konstellation erkannte der United States District Court for the Southern District of New York in seiner Entscheidung vom 30. August 1999, dass dem grundsätzlich restitutionsverpflichteten Beklagten sowohl ein Nachteil in seiner Beweisführung als auch aufgrund der großen Distanz der Veräußerung (Konstantinopel, Paris bzw. an irgendeinem Ort dazwischen) entstand. Obwohl die beklagte Anna Guersan in dem Gerichtsverfahren keine Dokumente zum Nachweis der Gutgläubigkeit bei Erwerb des umstrittenen Manuskripts, keinen Kaufbeleg oder sonstige Nachweise für einen rechtswirksamen Erwerb vorweisen konnte, entschied das Gericht, dass die 70-jährige Verzögerung des Restitutionsanspruchs von Seiten des Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem den Nachweis des Eigentumserwerbs des beklagten Besitzers nahezu unmöglich machte. Insbesondere stellte das Gericht fest, dass der entscheidende Zeuge – der Vater der beklagten Anna Guersan – inzwischen bereits verstorben war, rechtsrelevante Erinnerungen verblasst und möglicherweise existente Dokumente und Urkunden mittlerweile verloren gegangen waren.125 Bestehen keine Möglichkeiten zum Nachweis eines gutgläubigen Eigentumserwerbs des grundsätzlich restitutionspflichtigen Beklagten unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – so der United States District Court for the Southern District of New York in seiner Entscheidung vom 30. August 1999 – sei es der beklagten Guersan nach dieser Zeitspanne nicht mehr zuzumuten und überschreite den Grad der Fairness gegenüber der beklagten Partei, wenn nach dieser Zeitspanne verlangt würde, dass diese den Nachweis erbringen müsste, dass das Manuskript ursprünglich von ihrem Vorfahren Anfang des letzten Jahrhunderts rechtmäßig derivativ erworben worden war. “The Patriarchate’s seventy-year delay in coming forward to claim ownership … renders it virtually impossible for the Guersans to prove ownership.” 126 Im Ergebnis wurde dem Klagebegehren somit nicht entsprochen und ein Restitutionsanspruch verneint. “In balancing the equities raised by defendants’ laches defense, the Court must also determine whether there is any prejudice suffered by defendants attributable to the Patriarchate’s delay in bringing its claim. … The Patriarchate emphasizes that Mme. Guersan has not “come forward with any proof surrounding [her] good faith acquisition of the manuscript” (Def. Mem. at 3), and that “[t]hey have no receipt, no contract, no bill of sale, no piece of evidence to support the valid purchase of such a valuable piece of history.” (Def. Mem. At 15.) As the Palimpsest was acquired so long ago, however, it is not unreasonable that the Guersan family no longer has such documents. The Patriarchate’s seventy-year delay in coming forward to claim ownership of the Patri-
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Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s, Inc., 1999 WL 673447, 1999 U.S. Dist. LEXIS 13257 (S.D.N.Y 1999), auch zitiert bei Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. Vgl. auch die Darstellung bei Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc., No. 98 Civ. 7664 (KMW), 1999 WL 673347 (S.D.N.Y. vom 30. August 1999).
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche archate renders it virtually impossible for the Guersans to prove ownership. As was the case in DeWeerth I, the critical witness (Mr. Sirieix) is deceased, memories have faded, and key documents, assuming they existed at all, are missing. … Thus “it is impossible for [defendant] to obtain witnesses or marshal evidence.” Robins Island, 959 F.2d at 424. Because the Patriarchate’s delay in bringing this action renders defendants’ case much more difficult to prove, the doctrine of laches bars this action. In sum, the Patriarchate waited almost seventy years after the Palimpsest was transferred to Mr. Sirieix to bring suit against his heirs. The passage of time renders trial of this matter virtually impossible; the Court would be confronted with the Patriarchate’s claim that it clearly possessed the Palimpsest at the beginning of this century against defendants’ claim that they clearly possess it at the end, with little or no evidence of what happened in between. As the Second Circuit concluded in Robins Island, “It is because this case turns on ancient and unascertainable facts that the law favors repose.” 127
70
Rechtsparallel entschied das Gericht in der Rechtssache Wertheimer v. Cirker’s Hayes Storage Warehouse, Inc.128. In dieser Fallkonstellation versuchte ein Erbe von Pierre Wertheimer das Gemälde ‚La Seine – la passerelle de L’Institut, au fond, les quais et le Louvre‘ von Camille Pissarro von Cirker’s Hayes Storage Warehouse, Inc. zurückzuholen, nachdem das Kunstwerk kürzlich in deren Depot in New York wieder aufgetaucht war. Die Wertheimer-Familie hatte das Gemälde bei ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten anlässlich der Invasion in Frankreich im Juni 1940 zurücklassen müssen. In der Folge wurde es von den deutschen Besatzungsbehörden weitertransferiert und wechselte bis heute mehrfach seinen Besitzer. Im Ergebnis stellte das Gericht die Präklusion der kulturellen Restitutionsklage aufgrund eines rechtserheblichen Verwirkungseinwandes fest, da der die Restitution begehrende ursprüngliche Eigentümer ungebührlich und unangemessen lange mit der gerichtlichen Geltendmachung einer Restitutionsklage des zuvor illegal transferierten Gemäldes gewartet habe. Die Verzögerung bei Geltendmachung des Restitutionsanspruchs beruhte jedoch nicht nur auf unsorgfältigen Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen des kulturellen Eigentümers, sondern führte in der vorliegenden Konstellation auch zu einem Nachteil auf Seiten des grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers des Pissarro-Gemäldes. Dem Restitutionsbeklagten war es aufgrund des langen Zeitablaufs zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt und dem Rückführungsverlangen und der Tatsache, dass keine der Parteien der ursprünglichen Transaktionen noch am Leben war, schlechterdings unmöglich, den Nachweis zu erbringen, dass einer seiner Rechtsvorgänger Eigentum an dem Kunstwerk erworben hatte. Obwohl der Kläger vor dem Ausgangsgericht geltend
127
128
The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc., No. 98 Civ. 7664 (KMW), 1999 WL 673347 (S.D.N.Y. vom 30. August 1999). Wertheimer v. Cirker’s Hayes Storage Warehouse, Inc., No. 105575/00, 2001 WL 1657237 (S. Ct. N.Y. Co. Sept. 28, 2001), aff’d 300 A.D. 2d 117, 752 N.Y.S. 2d 295 (1st Dep’t 2002). Vgl. Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, Fn. 69, S. 173.
3. Abschnitt: Voraussetzungen des amerikanischen laches-Einwandes
machte, dass Gründe für die Annahme bestünden, dass der aktuelle Besitzer von der unrechtmäßigen Entziehung des Gemäldes wusste oder hätte wissen müssen (entweder, weil der Besitzer diese Informationen von dem Rechtsvorgänger während des Zweiten Weltkriegs oder unmittelbar danach erhalten habe, oder, weil divergierende Provenienzangaben hinsichtlich des Gemäldes veröffentlicht wurden), bejahte das Ausgangsgericht auch eine Beeinträchtigung des grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers und lehnte im Ergebnis einen Rückführungsanspruch an die Wertheimer-Erben aufgrund des laches-Einwandes ab. Die Revisionsinstanz bestätigte die Entscheidung des Ausgangsgerichts und bestimmte, dass die sog. doctrine of unclean hands den Verwirkungseinwand des grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers vorliegend trotz der seitens des Restitutionsklägers behaupteten Kenntnis des Besitzers (und Restitutionschuldners) von der zweifelhaften Provenienz des Gemäldes und trotz der unzulänglichen Verifizierungsbemühungen desselben vor dem Erwerb nicht hindere.129 Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass das angebliche Zurückbleiben hinter dem geforderten Sorgfaltsmaßstab der restitutionspflichtigen Partei beim Erwerb des Pissarro-Gemäldes im Jahre 1999 und eine angeblich falsche Provenienzangabe bei der erneuten Veräußerung des Gemäldes zu keinem Nachteil für den Restitutionsgläubiger geführt habe. Aus diesen Gründen bestimmte das Gericht in der Wertheimer-Konstellation abschließend, dass die anfänglich seitens des ursprünglichen Eigentümers ausgeführten, später jedoch wieder aufgegebenen Bemühungen zur Bestimmung des Verbleibs des Pissarro-Gemäldes in Form der Registrierung in der sog. List of Property Removed from France During the War 1939–45 und der Inkenntnissetzung verschiedener Europäischer Regierungen, die eine Rückführung der während des Zweiten Weltkriegs unrechtmäßig verlagerten Kulturgüter vornehmen, nicht dem Verständnis angemessener Lokalisierungsbemühungen genügten und aufgrund der deshalb verzögerten Geltendmachung des Restitutionsanspruchs dem grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzer keine ausreichenden Beweismittel mehr zur Verfügung standen, um sich angemessen verteidigen zu können.130 Im Ergebnis wurde die Restitutionsklage somit aufgrund des Verwirkungseinwandes abgelehnt.
129
130
Die Gegenansicht vertritt hier die Auffassung, dass die Wertheimer-Konstellation falsch entschieden wurde: Minkovich, The Successful Use of Laches in World War II-Era Art Theft Disputes: It’s Only a Matter of Time, Colum. J. L. & Arts 27 (2004), S. 349 ff., S. 349. Vgl. auch die Entscheidung Sanchez v. Trs. of Univ. of Pa., No. 04 Civ. 1253 (S.D.N.Y 2005), wonach ein Verwirkungseinwand auch gegenüber einem Restitutionsanspruch aufrechterhalten wurde, welcher eine Kollektion präkolumbianischer Artefakte im Besitz der University of Pennsylvania betraf, die bereits vor dem Jahr 1920 gestohlen wurden. Vgl. auch Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291.
1057
4. Abschnitt Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche und spezielle Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer innerhalb des BGB? 71
Die kontinuierliche Applikation des laches-Einwandes potenziell restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber kulturellen Restitutionsansprüchen der ursprünglichen Eigentümer innerhalb der Rechtsordnung des Bundesstaates New York festigt den Grundsatz der Verwirkung als zivilrechtliches Rechtsinstrument der Regulation der widerstreitenden Interessen zweier grundsätzlich unschuldiger Parteien. Aktuelle Entscheidungen konsolidieren den beschriebenen, auf dem Grundsatz von Treu und Glauben basierenden Themenkomplex der rechtsmoralischen Limitation eines zivilrechtlichen Restitutionsanspruchs illegal transferierter Kulturgüter. Bei einer Durchsicht aktueller Rechtsstreitigkeiten mit dem Ziel der Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor amerikanischen Gerichten hatten sich die zur Entscheidung berufenen Richter in nahezu sämtlichen Fallkonstellationen mit dem Verwirkungseinwand auseinanderzusetzen. Die Beklagtenseite plädierte regelmäßig, dass der jeweils die Restitution beanspruchende Eigentümer den erforderlichen due diligence-Maßstab missachtete und deshalb der eigentlich restitutionspflichtige Besitzer einen Schaden, Nachteil oder eine sonstige Beeinträchtigung erfahren habe. So erfolgte dies bspw. auch in der aktuelleren Entscheidung Warin v. Wildenstein & Co.131, in der Francis Warin und En Memoire D’Alphonse Kann auf Herausgabe acht wertvoller und seltener mittelalterlicher, christlicher Manuskripte gegen Wildenstein & Co., Inc., Daniel Wildenstein, Alec Wildenstein und Guy Wildenstein klagten.132 Die Kläger machten geltend, dass diese Manuskripte 131
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Warin v. Wildenstein & Co., 740 N.Y.S. 2d 331, 2002 N.Y. App. Div. LEXIS 3835 (App. Div. 1st Dep’t 2002). Vgl. Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 173; Bazyler, Holocaust Justice – The Battle for Restitution in America’s Courts, 2003, S. 202–269, S. 238–239. “The case, Warin v. Wildenstein & Co., Warin v. Wildenstein & Co., No. 115413-99 (N.Y. Sup. Ct. July 27, 1999), involves eight rare medieval Christian manuscripts valued at approximately $15 million; and the parties are well-known personalities in the art world. The manuscripts are Books of Hours, compilations of devotional prayers that are hand-written on parchment with elaborately designed color illustrations of religious subjects. Commissioned by wealthy European families during the Middle Ages, they date back to the 15th through the 17th centuries. The manuscripts are now in the possession of Wildenstein & Co., a legendary Manhattan art gallery. The manuscripts allegedly belonged to Alphonse Kann, a renowned Jewish art collector in France. The lawsuit alleges that the manuscripts were part of Kann’s collection of twelve hundred artworks, stolen by the Nazis from his villa in 1940 on the outskirts of Paris, after Kann left France for England. The defendants in the New York litigation, then 81-year old (and now deceased) Daniel Wildenstein and his two sons, Alec and Guy, maintain that the manuscripts did not belong to Kann. Rather, the Wildensteins
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
1059
während des Zweiten Weltkrieges von einem Anwesen von Alphonse Kann im besetzten Frankreich im Oktober 1940 von Nationalsozialisten gestohlen und von den Beklagten zwischen 1949 und 1952 von der französischen Regierung erworben wurden, nachdem diese die Manuskripte wieder aus Deutschland zurückerlangt hatte, sodass Wildenstein & Co. weder ein rechtswirksames Besitznoch ein Eigentumsrecht besaßen. Die beklagte Gegenseite machte gegenüber dem Restitutionsbegehr jedoch geltend, dass die Klage bereits aus Gründen der Verjährung temporal und aus den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund Verwirkung rechtsmoralisch präkludiert sei. Im Ergebnis bestätigte die Appellate Division die Entscheidung des Ausgangsgerichts und wies die Klage aufgrund eines rechtserheblichen Verwirkungseinwandes ab. Aufgrund der außergewöhnlich großen Bedeutung der Rechtslage innerhalb des Bundesstaates New York für den (inter-)nationalen Kunsthandel stellt sich die Frage, ob das ausdrücklich für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr entwickelte zivilrechtliche Regulationsprogramm – genereller Ausschluss eines gutgläubigen derivativen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter entsprechend der nemo dat-Regel, kein originärer Erwerb entsprechend der Ersitzung, relativ kurze dreijährige Verjährungsfrist des Herausgabeanspruchs nach Verweigerung der Rückführungsaufforderung des Eigentümers durch den aktuellen Besitzer des Kunstwerks entsprechend der demand and refusal rule und Interessenwahrung der Bedürfnisse grundsätzlich restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mittels des Verwirkungsgrundsatzes mit kulturgüterspezifischen Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers im Hinblick auf Lokalisierung und Identifizierung der abhandengekommenen Kunstwerke –
oder einzelne Elemente hieraus auch als Ausgleich der widerstreitenden Interessen der unschuldigen Eigentümer an der Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter einerseits und der ebenfalls redlichen gutgläubigen Erwerber und Besitzer an dem fortwährenden Erhalt ihres kulturellen Bestandes andererseits für andere Rechtsordnungen Geltungskraft erlangen könnte. Aufgrund des ausdrücklichen Fairnessgehalts wechselseitiger Sorgfaltsanforderungen sowohl gutgläubiger Erwerber und Besitzer als auch der Eigentümer ist zu fragen, ob die Verwirkungsgrundsätze kultureller Restitutionsansprüche und die speziellen Sorg-
claim that the medieval prayer books were part of the personal collection of Georges Wildenstein, their family patriarch, also Jewish, whose Paris art gallery was likewise looted by the Nazis. While Alphonse Kann fled in 1940 from France to England, Georges Wildenstein came to New York, where he reestablished his art empire. In September 2001, Judge Marilyn Diamond of the New York Supreme Court, the trial judge presiding over the case, denied the defendants Wildenstein’s motion for summary judgment on the grounds that the action was time-barred. In April 2002, the appellate division affirmed her ruling. Warin v. Wildenstein & Co., Inc., 740 N.Y.S.2d 331 (2002). The case is now back before Judge Diamond proceeding through the pre-trial process.“ Bazyler/Scholz in ACLU International Civil Liberties Report, Holocust Restitution in the United States and Other Claims for Historical Wrongs – an Update, Quelle: http://www.aclu.org/FilesPDFs/iclr2002.pdf, S. 109 –110.
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1060
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
faltsanforderungen der Eigentümer bezüglich Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch außerhalb der Rechtsordnung Amerikas Allgemeingültigkeit besitzen. 73
Nicht alle Teile des Schrifttums sehen jedoch in der Applikation der Verwirkungsgrundsätze und spezieller due diligence-Anforderungen an kulturelle Eigentümer zur zivilrechtlichen Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs eine ausgewogene Verteilung der Gefahren des illegalen Kunsthandels zwischen gutgläubigem Besitzer und unschuldigem Eigentümer. So machen bspw. Lerner und Bresler in ihrem ‚Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists‘ darauf aufmerksam, dass die Rechtskonstruktion impliziert „a heavy evidentiary burden on the purchaser; as the crux of an investigation into delay focuses on its unreasonableness, rather than on its length, it may be difficult to amass documentary evidence as to a delay’s unreasonableness, since over the passage of, say, forty or fifty years, such evidence may well be lost or destroyed. Moreover, a court may be hard-pressed, as in the case of Guggenheim, to perceive any harm accruing to a purchaser who, because of the aggrieved original owner’s delay, enjoys protracted possession of and pleasure in a work of art.“ 133 Darüber hinaus wird die praktische Handhabung dieser Rechtskonstruktion in Frage gestellt. Aufgrund des „multi-factor balancing of all the equities“ 134 restitutionspflichtiger gutgläubiger Erwerber und Besitzer einerseits und der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter andererseits gibt eine Anwendung der laches-Doktrin keine präzise definierten Grundsätze, Standards oder objektiven Faktoren vor, sondern lässt erheblichen interpretatorischen Raum auf Seiten des zur Entscheidung berufenen Gerichts. Dies führt jedoch in der praktischen Konsequenz zu umfangreichen, langwierigen und kostenintensiven Gerichtsverfahren, die sich nachteilig für beide Parteien auswirken.135 Auch deshalb sind Lerner und Bresler der Ansicht, dass innerhalb der Rechtsordnung des Bundesstaates New York die Anwendung der demand and refusal rule in Kombination mit dem Verwirkungseinwand, der eher die Unangemessenheit der Verzögerung als die Zeit zwischen Entziehungsakt und Wiederentdeckung betont, „tilts the balance far too unfairly, it seems, in favor of an aggrieved original owner, particularly when such an owner is not diligent and the bona fide purchaser is.“ 136
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Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. Vgl. die Bezeichnung bei Bibas, The Case Against Statutes of Limitations for Stolen Art, 103 Yale Law Journal (1994), S. 2437 ff., S. 2446. Vgl. Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291, unter Rekurs auf Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 59.
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
1061
A. Kulturgüterspezifischer Verwirkungseinwand in rechtsvergleichender Sicht Bei einem rechtsvergleichenden Blick auf die speziellen, kulturgüterspezifischen internationalen Rechtsinstrumente zur Harmonisierung der Regeln des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs fällt auf, dass weder die UNESCO-Convention vom 14. November 1970 oder die UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 noch die EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 dem Eigentümer spezielle due diligence-Anforderungen zur Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung der aktuellen Besitzer oblegen. Während die UNESCO-Convention vom 14. November 1970 weder eine temporale noch eine auf den Grundsätzen der Verwirkung beruhende rechtsmoralische Präklusionsvorschrift kultureller Restitutionsansprüche in den Vertragstext aufgenommen und – nach umstrittener Rechtseinschätzung – dementsprechend zugunsten kultureller Restitutionsgläubiger keine Ausschlussbestimmungen festgeschrieben hat, statuieren die UNIDROIT-Convention und die EG-Richtlinie 93/7/EWG allein eine temporale Begrenzung kultureller Restitutionsansprüche: Die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 und die EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 unterscheiden allein zwischen dem Lauf einer sog. relativen Verjährungsfrist in Abhängigkeit von der subjektiven Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände seitens des Restitutionsgläubigers und einer sog. absoluten Höchstverjährungsfrist unabhängig von subjektiven Merkmalen, ohne dass innerhalb der subjektiven Komponente Nacherforschungsobliegenheiten der Anspruchsteller bestehen. Die Konventionen fokussieren damit nicht auf das Verhalten des Eigentümers zur Wiederentdeckung seiner abhandengekommenen Kulturgüter, sondern suchen den Ausgleich zwischen einerseits den Bestandswahrungsinteressen der potenziell restitutionsverpflichteten Besitzer und andererseits den Rückführungsinteressen seitens der Eigentümer bezüglich unrechtmäßig entzogener Kulturgüter allein aufgrund der temporalen Präklusion.
B.
74
Applikation des Verwirkungseinwandes kultureller Restitutionsansprüche innerhalb der deutschen Rechtsordnung
Sowohl in der Judikative als auch innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik blieb bislang ungeprüft, ob eine Zensur kultureller Restitutionsansprüche mittels eines Verwirkungseinwandes und das Postulat spezieller Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer hinsichtlich der Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung der aktuellen Besitzer auch inner-
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1062
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
halb der kontinental-europäischen Rechtsordnungen im Allgemeinen und des Anwendungsbereichs des deutschen BGB im Speziellen Anwendungskraft erlangen könnten. Grundsätzlich findet das Prinzip der Verwirkung aufgrund der Einzelfallregelungen wesentlich öfter im amerikanischen Common Law-Rechtskreis gerichtliche Anwendung als in vom Civil Law geprägten abstrakten Rechtssystemen.137 76
Dem Verwirkungseinwand gegenüber kulturellen Restitutionsansprüchen könnte jedoch auch innerhalb der deutschen Zivilrechtsordnung eine besondere Bedeutung als zivilrechtliches Instrument des Interessenausgleichs zwischen den Bedürfnissen beschwerter Eigentümer in der möglichst umfangreichen Rückführung unrechtmäßig aus ihrem Bestand entzogener Kulturgüter sowie redlicher Besitzer und gutgläubiger Erwerber in der Wahrung ihres aktuellen kulturellen status quo zukommen. Da es für die Verwirkung eines Anspruchs keine Rolle spielt, ob dieser der Verjährung unterliegt, können innerhalb der deutschen Rechtsordnung Verjährung und Verwirkung nebeneinander bestehen. Somit kann Verwirkung einerseits vor Ablauf der Verjährungsfrist eintreten, ihre Voraussetzungen können aber auch erst später vorliegen und nur deshalb relevant werden, weil sich der Schuldner nicht auf Verjährung beruft.138 Entscheidende Bedeutung würden die Grundsätze der Verwirkung für die deutsche Rechtsordnung jedoch erst dann erlangen, wenn die 30-jährige Verjährung von Herausgabeansprüchen aus Eigentum oder sonstigen dinglichen Rechten der speziellen Verjährungsregelung des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB aus den genannten systematischen, konstruktiven und teleologischen Erwägungen für kulturelle Restitutionsansprüche de lege ferenda annulliert würde. Erst wenn der deutsche Gesetzgeber diese Forderung erhört, sähe sich der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter keiner temporalen Präklusion seines kulturellen Herausgabeanspruchs ausgesetzt und könnte zeitlich unbegrenzt die Rückführung abhandengekommener Kulturgüter erreichen. Das Rechtsinstitut der Verwirkung könnte dann die Funktion einer rechtsmoralischen Begrenzung eines zu weitreichenden Restitutionsanspruchs nach Abwägung sämtlicher schutzwürdiger Belange sowohl des redlichen Eigentümers als auch des gutgläubigen Besitzers und Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter einnehmen.
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138
“… in countries with a civil law tradition the adverse possession … more or less excludes any equitable rule of forfeiture of ownership in favour of another person. In these countries laches is applied mainly in the field of contracts.” Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 69. Keinesfalls darf die Anspruchsverwirkung nach Verjährungseintritt nur auf Einrede des Schuldners hin Berücksichtigung finden, und zwar auch dann nicht, wenn der Schuldner trotz Kenntnis vom betreffenden Verjährungstatbestand die Verjährungseinrede nicht erhebt. Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 13–14.
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
1063
In den seltenen Situationen, in denen eine temporale Präklusion berechtigt scheint, würden die Verwirkungsgrundsätze die Fairness gegenüber dem grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzer bewirken. Da der redliche Erwerber das Eigentum an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern entweder unmittelbar mit der Übergabe derivativ oder, wenn dies wegen der Qualifikation als Abhandenkommen außerhalb des Anwendungsbereichs einer öffentlichen Versteigerung der Sache ausgeschlossen ist, originär durch Ersitzung 139 erwirbt 140, begünstigt die Verjährung des Vindikationsanspruchs im Fahrnisrecht prima facie nur Diebe und Hehler. Da im deutschen Sachenrecht somit bona fideErwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter grundsätzlich durch die gutgläubige derivative Akquisition nach §§ 932 bis 934 und § 935 Abs. 2 BGB und den originären Eigentumserwerb im Wege der Ersitzung nach den §§ 937 ff. BGB protegiert werden, schützt die Verjährung des Vindikationsanspruchs tatsächlich auch den unrechtmäßig Entziehenden kultureller Wertgegenstände (etwa den kulturellen Dieb!) und diejenigen, um den unrechtmäßigen Entziehungsakt wissenden Personen, denen das deutsche Zivilrecht im Grundsatz keinen rechtsgeschäftlichen oder mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung applizierten originären Gutglaubensschutz angedeihen lässt.141 Steht eindeutig die Bösgläubigkeit und Unredlichkeit des Besitzers und Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter fest, ist gegenüber diesen Personen eine Begrenzung kultureller Restitutionsansprüche der Eigentümer aus temporalen (Verjährung) oder rechtsmoralischen Gründen (Verwirkung) auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung kulturpolitisch nicht erwünscht und eine Rückführung sollte unbegrenzt möglich sein.
77
Es wurden jedoch seltene Situationen innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs ersichtlich, in denen eine Präklusion kultureller Restitutionsansprüche nach Feststellung aller Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der divergierenden Interessen der ursprünglichen Eigentümer einerseits und grundsätzlich restitutionspflichtiger Besitzer andererseits nach Ablauf einer nicht näher bestimmbaren Zeitspanne Rechtfertigung findet. In diesen Konstellationen verhindert das auf den Grundsätzen von Treu und Glauben beruhende Rechtsinstitut der Verwirkung unbillige Ergebnisse. Fraglich ist, um welche speziellen Sachverhalte es sich hier handeln kann. Gegner einer unbegrenzten
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Zu diesem Anwendungsgebiet der Ersitzung vgl. nur Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Motive III, S. 352. Vgl. die Darstellung dieser Ansicht auch bei Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399; Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung, NJW 1999, S. 2558–2564, S. 2563–2564. Vgl. Siehr, Verjährt ein Anspruch auf Herausgabe des Eigentums? Deutsches Verjährungsrecht vor englischem Gericht, in: Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., 2001, S. 53–75, S. 58–63.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
Herausgabepflicht unrechtmäßig entzogener Kulturgüter machen geltend, dass die Verjährung des Vindikationsanspruchs im Fahrnisrecht nur prima facie ausschließlich Diebe und Hehler zu begünstigen scheint, eigentlich jedoch auch gutgläubigen und redlichen Erwerbern zugute komme.142 Auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs ginge man deshalb sowohl aus rechtlichen wie praktischen Erwägungen von einem Trugschluss aus, wenn man die alleinige Funktion der Verjährung dinglicher Herausgabeansprüche in der Besserstellung bösgläubiger Person sehe. 79
So wurde erkannt, dass die Bestimmung der 30-jährigen Verjährungsfrist dinglicher Restitutionsansprüche im Wege der accessio temporis des § 198 BGB einerseits den gutgläubigen Rechtsnachfolger des bösgläubigen Besitzers schützt. Hatten der oder die bösgläubigen Rechtsvorgänger ein unrechtmäßig entzogenes Kulturgut länger als zwanzig Jahre im Besitz, tritt die Verjährung des kulturellen Restitutionsanspruchs des Eigentümers vor der Ersitzung und einem Rechtserwerb des gutgläubigen Eigenbesitzers ein, weil die Besitzzeit des bösgläubigen Besitzers nicht nach § 943 BGB angerechnet werden kann.143 Fraglich ist in dieser Fallkonstellation jedoch, ob es entgegen der sachenrechtlichen Wertung, dass erst nach einem zehnjährigen gutgläubigen Eigenbesitz ein Vertrauenstatbestand gebildet wird und ein originärer Eigentumserwerb erfolgt, einer zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter an den gutgläubigen Besitzer schon nach einer kürzeren Zeit mittels der Verjährungsgrundsätze bedarf. Die sachenrechtliche Wertung sieht den gutgläubigen Eigenbesitzer erst nach Ablauf einer Zeitspanne von zehn Jahren als schützenswert an und es sind keine plakativen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diesem unrechtmäßig entzogene Kulturgüter zulasten der ursprünglichen Eigentümer schon vor Ablauf dieser Zeit der Vertrauensbildung dauerhaft mittels der Verjährungsgrundsätze zugewiesen werden müssten. Hier überwiegen die Rückführungsinteressen der ursprünglichen Eigentümer weiterhin den Glauben an ein dauerhaftes Behaltendürfen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter.
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Es blieb deshalb allein die Fragestellung offen, ob das Rechtsinstitut der Verwirkung einen Schutz des Putativschuldners bei unverjährbaren Restitutionsforderungen als letztes fehlendes Fragment einer fairen und gerechten Verteilung der Risi-
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Vgl. hierzu und zum Folgenden Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Nach § 198 BGB kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute (sog. Verjährung bei Rechtsnachfolge), wenn eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten gelangt. Dies kann auch für den gutgläubigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter einen rechtserheblichen Vorteil darstellen. Vgl. Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399.
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
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ken des illegalen Kunsthandels innerhalb der Zivilrechtsordnung Deutschlands erreicht. Die temporale Präklusion des dinglichen Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter schützt nämlich auch den ursprünglich gutgläubigen Besitzer, der seine Gutgläubigkeit nicht mehr nachweisen kann. Da in dieser Konstellation – ebenso wie innerhalb der Darstellungen der amerikanischen Entscheidungen zu einem Verwirkungseinwand – jedoch im Grunde zwei unschuldige Parteien um den Verbleib unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in ihrem Bestand streiten (der Eigentümer ist als Opfer des unrechtmäßigen Entziehungsaktes und der redliche Besitzer und gutgläubige Erwerber ist aufgrund der Unkenntnis der dubiosen Provenienz ebenfalls schützenswert), sind sämtliche Umstände mit in die gerichtliche Betrachtung einzubeziehen.144 Dazu sollten die Provenienzerforschungs- und Verifizierungsbemühungen gutgläubiger Erwerber ebenso zählen wie die Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer bei Lokalisierung der unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und Identifizierung ihrer aktuellen Besitzer. Werden dabei nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne besondere Schwierigkeiten auf Seiten des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers in der Möglichkeit seiner Beweisführung ersichtlich, könnte das Rechtsinstitut der Verwirkung das Instrument einer gerichtlichen Abwägungsentscheidung darstellen, in der sämtliche entscheidungsrelevanten Umstände miteinzubeziehen sind. Fraglich ist, ob die rechtskonstruktive Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Verwirkung in Rechtsprechung und Literatur die Übernahme einer solchen Aufgabe innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs für die deutsche Rechtsordnung erlaubt. Die Verwirkung 145 umschreibt als „illoyal verspätete Geltendmachung“ 146 von Rechten innerhalb der deutschen Rechtsordnung einen Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung 147 und setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowohl ein Zeit- als auch ein Umstands-
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So ausdrücklich für den Verwirkungseinwand Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 13–14. Zur historischen Entwicklung eingehend Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 148 ff. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 13–14. So die ständige Rechtsprechung seit der Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 155, 148, S. 152; OLG Frankfurt, Entscheidung vom 16.05.1973, Az: 20 W 178/73, MDR 1974, S. 240; Oetker, Die Verjährung: Strukturen eines allgemeinen Rechtsinstituts, 1994, S. 46-47; BGH, Entscheidung des 5. Zivilsenats vom 30.04.1993, Az: V ZR 234/91, BGHZ 122, 308, S. 314, NJW 1993, S. 2178; BGH, Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 13.03.1996, Az: VIII ZR 99/94, BGH NJW-RR 1996, 949, S. 950. Vgl auch Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 13–14.
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1066
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
moment voraus 148, auf dem der „Schwerpunkt des Verwirkungsbegriffs“ 149 liegt. Erstens muss somit der Gläubiger über längere Zeit hinweg untätig geblieben sein, obwohl er sein Recht hätte geltend machen können, und zweitens muss sich der Schuldner auf Grund des gesamten Gläubigerverhaltens darauf eingerichtet haben und bei objektiver Beurteilung auch darauf eingerichtet haben dürfen, dass das Recht zukünftig nicht mehr geltend gemacht werde. Auch innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs muss somit für Anwendung eines Verwirkungseinwandes des grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber dem Rückführungsanspruch des Eigentümers, anders als bei der Verjährung, neben einem Zeitmoment zusätzlich ein Umstandsmoment vorliegen.
I.
Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers bei Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung der aktuellen Besitzer
82
Das Zeitmoment begrenzt einen Verwirkungseinwand zunächst temporal auf solche Fallkonstellationen, in denen der Restitutionsgläubiger und Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter über längere Zeit hinweg untätig geblieben ist, obwohl er die Rückführung gegenüber dem grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzer hätte geltend machen können. Besitzt der Eigentümer Kenntnis über den Verbleib der aus seinem Bestand unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter, d.h. er weiß positiv über den Aufenthaltsort und den aktuellen Besitzer und Restitutionsgegner Bescheid, und er unterlässt eine Geltendmachung seines Restitutionsanspruchs, ist die Voraussetzung des Zeitablaufs grundsätzlich gegeben. Hat – im Gegensatz hierzu – der grundsätzlich restitutionspflichtige Schuldner dem ursprünglichen Eigentümer etwa die Umstände um den Restitutionsanspruch verheimlicht oder trifft den Besitzer sonst der Vorwurf eines unredlichen bzw. die Belange des kulturellen Eigentümers und Restitutionsgläubigers außer Acht lassenden Verhaltens, kommen die Verwirkungsgrundsätze eindeutig nicht in Betracht.150
83
Fraglich ist innerhalb der deutschen Rechtsordnung jedoch die Konstellation, in der der kulturelle Eigentümer bei Anwendung angemessener Sorgfaltsanstrengungen hinsichtlich der Lokalisierung eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und 148
149
150
Vgl. m.w.N. BGH, Entscheidung des 6. Zivilsenats vom 27.03.2001, Az: VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535, S. 2537. Vgl. zu den Voraussetzungen der Verwirkung BAG, Entscheidung des 2. Senats vom 09.07.1958, Az: 2 AZR 438/56, BAGE 6, 165, S. 167 m.w.N. In Anlehnung an die kulturgüterunspezifischen Ausführungen bei Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 13–14, unter Rekurs auf BGH, Entscheidung des 2. Zivilsenats vom 27.06.1957, Az: II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, S. 53, NJW 1957, S. 1358.
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
1067
der Identifizierung seines Besitzers die Voraussetzungen einer Restitutionsklage hätte viel früher erreichen können. Dabei geht es um das Problem, ob innerhalb der deutschen Zivilrechtsordnung von dem Eigentümer, aus dessen Bestand ein Kulturgut unrechtmäßig entzogen wurde, verlangt werden sollte, sich aktiv hinsichtlich des Verbleibs des Kunstwerks von dem Moment der unrechtmäßigen Entziehung bis zur Wiederentdeckung zu bemühen. Nimmt man dies an und sollte der Eigentümer hinter dem angemessenen Sorgfaltsprogramm zurückbleiben, würde der Verwirkungseinwand den Verlust seiner Rechtsposition (d.h. des Anspruchs auf Restitution) bewirken, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen (d.h. dem grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzer ein Nachteil entstanden ist). Bei einer solchen Annahme wären die Sorgfaltsanforderungen zur Nacherforschung des Verbleibs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter keine Pflichten des Eigentümers i.S. der Terminologie des BGB, sondern als Obliegenheiten zu qualifizieren, deren Befolgung ein Gebot des eigenen Interesses des Restitutionsgläubigers und Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ist, damit der Restitutionsanspruch nicht der rechtsmoralischen Präklusion aufgrund der Verwirkung unterfällt. Fraglich ist jedoch, ob eine solche Obliegenheit auf Seiten des Restitutionsgläubigers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der deutschen Zivilrechtsordnung angenommen werden kann. Ebenso wie bei der Frage kulturgüterspezifischer Sorgfaltsanforderungen innerhalb einer bona fide-Akquisition nur dann die Voraussetzungen der Redlichkeit gutgläubiger Erwerber anzunehmen sind, wenn diese generell Provenienzerforschungsanstrengungen hinsichtlich des zu erwerbenden Kulturguts und Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers vornehmen, könnten auch aufgrund der besonderen verkehrstypischen Gefahrensituation innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs spezielle Anforderungen bei der Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der Identifizierung ihrer Besitzer auf Seiten der ursprünglichen Eigentümer bestehen. Für eine solche Interpretation könnte innerhalb des Rechtsinstituts der Verwirkung als Ausprägung der Grundsätze von Treu und Glauben und damit des Billigkeitsrechts Raum bestehen. Auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung könnten für den (inter-) nationalen Kulturgüterverkehr als besondere Geschäftsart und als spezielle Branche grundsätzlich Nachforschungsobliegenheiten auf Seiten des Eigentümers nach der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände angebracht sein, sodass ein Eigentümer in der Zeit zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt bis zu dem Moment der Wiederentdeckung stets angemessene Anstrengungen hinsichtlich des Verbleibs zu unternehmen hat, um nicht mit dem kulturellen Restitutionsanspruch präkludiert zu sein.151
151
So Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48.
84
1068
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
1.
Eigentum als umfassendes Herrschaftsrecht und Beschränkung durch die Grundsätze von Treu und Glauben
85
Ohne konkreten Verdacht hinsichtlich des Aufenthalts eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts hat der Eigentümer, nachdem ein beweglicher Gegenstand von ihm abhandengekommen ist, grundsätzlich keine bestimmten Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich des Verbleibs einzuhalten, um nicht seiner Rechte aus der Eigentumsposition verlustig zu gehen. Jeder Eigentümer kann grundsätzlich zuwarten, bis die Sache wieder aufgefunden wird, und dann die Herausgabe des Gegenstandes auf Grundlage seiner Eigentumsposition verlangen. Derjenige, der in diesen Fällen Überprüfungsobliegenheiten des Eigentümers formuliert, würde die Befugnisse des Eigentumsrechts als umfassendes Herrschaftsrecht an einer Sache und die negative Wirkung des § 903 BGB, die Einwirkung fremder auf die Sache auszuschließen, aushöhlen. Auch wenn somit grundsätzlich nicht von Nachforschungsobliegenheiten der Eigentümer nach Abhandenkommen beweglicher Gegenstände nach der Grundkonzeption des BGB auszugehen ist, könnten dennoch nach einer unrechtmäßigen Entziehung speziell kultureller Wertgegenstände aufgrund deren besonderer Sachqualität und der allgemeinen Gefahranfälligkeit des (inter-)nationalen Kunstmarktes Besonderheiten bestehen, die den Eigentümer zwar ebenso wenig wie den gutgläubigen Erwerber zu besonderen due diligence-Anforderungen verpflichten, jedoch bei Zurückbleiben hinter einem angemessenen Sorgfaltsprogramm dessen Rechte schmälern. Während ein Erwerber kultureller Wertgegenstände aufgrund der Provenienzerforschungsobliegenheit und der Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen bei einem Zurückbleiben hinter dem angemessenen Sorgfaltsprogramm nicht mehr als gutgläubig bezeichnet werden kann, könnte der Eigentümer seinen Restitutionsanspruch verwirken, wenn er bei angemessenen Sorgfaltsanstrengungen eine Lokalisierung eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und seines aktuellen Besitzers ausfindig gemacht und dementsprechend die Restitutionsklage bereits lange Zeit vorher hätte lancieren können (und dem restitutionspflichtigen Besitzer deshalb ein Nachteil erwachsen ist).
86
Innerhalb der Rechtsliteratur ist anerkannt, dass die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB eine Beschränkung der Eigentümerbefugnisse erlauben.152 Die Formulierung spezieller Sorgfaltsobliegenheiten auf Seiten des kulturellen Eigentümers nach einem unrechtmäßigen Entziehungsakt könnte sich dementsprechend ausnahmsweise für den Kunsthandel als bestimmte, verkehrstypische Gefahrensituation aus Billigkeitsgründen rechtfertigen lassen, wobei es innerhalb des Kunsthandels für die deutsche Rechtsordnung jedoch fraglich ist, ob eine solche Ausnahmesituation gegeben und die Qualifizierung des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs als verkehrstypische Gefahrensituation möglich 152
Vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl. 2008, § 903, Rdnr. 12.
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
1069
ist. Gegner könnten geltend machen, dass die Einschränkung der Eigentümerstellung aufgrund der Forderung nach einer generellen Nachforschungsobliegenheit hinsichtlich des Verbleibs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter das Eigentumsrecht zu sehr beschränkt und die Opfer kultureller Entziehungsakte noch stärker belastet, als dies ohnehin aufgrund des unverschuldeten Kulturgutverlustes schon eingetreten ist, sodass Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen auf Seiten kultureller Eigentümer keine hinreichende kulturpolitische Rechtfertigung finden könnten.
2.
(Inter-)nationaler Kulturgüterverkehr als besonders ‚gefahranfälliger‘ Geschäftsbereich
Der (inter-)nationale Kunsthandel zählt auch außerhalb des kulturgüterspezifischen Schrifttums als besonders anfälliger Gefahrenbereich. Diese Qualifikation des Kulturgüterverkehrs innerhalb der Frage spezieller Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber gilt allgemein und ist auch innerhalb der Suche nach besonderen due diligence-Anforderungen kultureller Eigentümer nach dem Entziehungsakt zu applizieren. So hat bspw. Quack innerhalb seiner Kommentierung des gutgläubigen Fahrniserwerbs im Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch den Kunsthandel ausdrücklich als Beispiel für eine verkehrstypische Gefahrensituation des illegalen Transfers unrechtmäßiger Gegenstände neben dem Gebrauchtwagenhandel aufgeführt.153 Auch Wiegand nennt innerhalb der Staudinger-Kommentierung zu der Frage der generellen Nachforschungsobliegenheiten gutgläubiger Erwerber kultureller Wertgegenstände den Kunsthandel als verkehrstypische Gefahrensituation exempli causa.154 Innerhalb des kulturgüterspezifischen Schrifttums bezeichnet bspw. Grell den Kunsthandel als „anfälligen Geschäftsbereich“ 155 und weist auf die Ähnlichkeit zum Gebrauchtwagenkauf hin: „Diese Ansicht wird auch durch die zahlreichen Diebstähle von Kunstwerken und durch die häufigen Fälle unrechtmässigen Handelns solcher Kunstwerke im Kunsthandel untermauert, die heute als allgemein bekannt vorausgesetzt werden dürfen.“ 156
87
Ebenso wie gutgläubigen Erwerbern zur Bekämpfung des illegalen Kulturgütertransfers besondere Sorgfaltsanforderungen in der Provenienzerforschung der kulturellen Erwerbsobjekte und der Verifizierung der Eigentümer- und Berech-
88
153
154 155
156
Ausdrücklich Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48. Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 132–133. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159, unter Berufung auf Urteil des Schweizer BGer vom 24.9.1987, BGE 113 II 397 (S. 399/4(X)). Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159, unter Berufung auf Urteil des Schweizer BGer vom 24.9.1987, BGE 113 II 397 (S. 399/4(X)).
1070
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
tigtenstellung der Veräußerer auferlegt werden können, finden spezielle Sorgfaltsanforderungen auf Seiten der Eigentümer zur Lokalisierung ihrer unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und deren Besitzer zur Schmälerung des kulturellen Schwarzmarktes zugunsten eines möglichst weitreichenden Kulturgüterschutzes in den Grundsätzen von Treu und Glauben Rechtfertigung. Es ist dem kulturellen Eigentümer zumutbar, die inzwischen hoch sensibilisierten und präzisierten Informationspools illegal transferierter Kulturgüter zu kontaktieren und unrechtmäßige Entziehungsakte kultureller Wertgegenstände zu reportieren. So fand bspw. die öffentliche Registrierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch den Eigentümer in der amerikanischen Entscheidung Czartoryski-Borbon v. Turcotte für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr ausdrückliche Erwähnung. Diese Datenbanken haben ohne großen finanziellen, personalen und temporären Aufwand für den Eigentümer eine weitreichende und praktisch weltweite Dokumentation unrechtmäßiger Entziehungsakte für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr übernommen.157 89
Entsprechend den generellen Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber könnte man somit auch die Einhaltung spezieller due diligence-Anforderungen auf Seiten der grundsätzlich restitutionsberechtigten Eigentümer fordern und die Registrierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei einer der international anerkannten Datenbanken als eine Mindestvoraussetzung des Eigentümers zur Bestimmung des Verbleibs abhandengekommener Kulturgüter ansehen. So macht bspw. Bersin hinsichtlich der Effektivität solcher Datenbanken geltend, dass „[t]he International Criminal Police Organization (INTERPOL) was established in 1923 for the purpose of coordinating the activities of law enforcement officers engaged in the prevention of international crime. INTERPOL is administered in each nation under the police structure of the host country. The INTERPOL General Secretariat publishes annually a compendium of items reported stolen or illicitly acquired. This list is then sent out to various other groups interested in the recovery of stolen art, such as the International Foundation for Art Research (“IFAR”) and the Art Dealers Association of America (“ADAA”). The coordinated efforts of these groups sometimes results in the recovery of cultural property and antiquities.“ 158 Wie bereits innerhalb der Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber ausführlich dargestellt, bestehen heute einfache, schnelle, praktikable und (verhältnismäßig) kostengünstige Möglichkeiten für die Eigentümer und Opfer unrechtmäßiger Kulturgutentziehungen, das Abhandenkommen in den genannten online-Registern publik zu machen und somit der Kunstwelt den Verlust eines Kulturguts mitzuteilen.
157 158
Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 318. Bersin, The Protection of Cultural Property and the Promotion of International Trade in Art, N.Y.L. Sch. J. Int’l & Comp. L. Vol. 13 (1992), S. 125 ff., S. 147–148.
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
3.
1071
Effektivität wechselseitiger Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber und Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Kampf gegen den kulturellen Schwarzmarkt
Die besondere Effektivität solcher Datenbanken wird jedoch erst bei der Statuierung wechselseitiger Sorgfaltsanforderungen sowohl auf Seiten der gutgläubigen Erwerber hinsichtlich der Provenienzerforschung und Verifizierung der Eigentümer- und Berechtigtenstellung des kulturellen Veräußerers und andererseits auf Seiten des beschwerten Eigentümers in der möglichst umfassenden Publikation seiner Kulturgutverluste erreicht. Es erklärt sich von selbst, dass die Nachforschungsobliegenheit auf Seiten des Erwerbers in solchen Datenbanken als Minimalvoraussetzung beim Erwerb kultureller Wertgegenstände nur dann Sinn macht, wenn eine entsprechende Registrierungsobliegenheit unrechtmäßig entzogener Kulturgüter seitens der Eigentümer besteht – und umgekehrt. Die Obliegenheit einer Provenienzerforschung gutgläubiger Erwerber und die Forderung nach Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung der aktuellen Besitzer stellen zwei Seiten ein und derselben Medaille dar. Eine Verlustmeldung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter seitens der Eigentümer stellt dabei eine zwingend notwendige Mindestmaßnahme dar. Dies wird einerseits mittels der Registrierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in den online verfügbaren Datenbanken und andererseits mittels jeder anderen Veröffentlichungsquelle erreicht.
90
Einer solchen Lösung widersprechen jedoch die Stimmen, die eine öffentliche Registrierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als kontraproduktiv in der Wiederentdeckung qualifizieren. Trotz einer tatsächlich möglichen digitalen Registrierung ist zunächst auffallend, dass zahlreiche Kunstdiebstähle erst gar nicht in der polizeilichen oder datenbanklichen Erfassung gestohlener Kulturgüter erscheinen. Dies hat teilweise in der bewussten Nichtplatzierung gestohlener Kunstwerke seitens der ursprünglichen Eigentümer seinen Grund, die aus Angst, das gestohlene Gut würde bei einer großen Publizität noch weiter in den Untergrund geraten und damit die Möglichkeit einer Rückführung an den ursprünglichen Eigentümer vollends ausschließen, keine offizielle Diebstahlsmeldung vornehmen. In diesem Sinne verweigerte bspw. die Restitutionsklägerin Georgia O’Keeffe in der Fallkonstellation O’Keeffe v. Snyder 159 eine Registrierung ebenso wie die Guggenheim Foundation hinsichtlich des gestohlenen Chagall-Gemäldes in der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell 160 aus Angst, eine öffentliche Suche würde zu einem endgültigen Verlust der Gemälde auf-
91
159 160
O’Keeffe v. Snyder, 416 A.2d 862, 865 (N J. 1980). Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 153 A.D. 2d 143; 550 N.Y.S. 2d 618 (App.Div. 1st Dept. 1990), leave to appeal granted 554 N.Y.S. 2d 992; affirmed 77 N.Y. 2d 311; 567 N.Y.S. 2d 623; 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991).
1072
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
grund einer noch intensiveren Verheimlichung seitens des Diebes führen. So berief sich bspw. in der letztgenannten Entscheidung die grundsätzlich restitutionsverpflichtete Besitzerin Mrs. Lubell darauf, in tatsächlicher Hinsicht unbestritten, dass das Guggenheim-Museum weder die UNESCO, ICOM, noch andere Museen, Galerien und Künstlerverbände noch die Polizei, das FBI oder Interpol über den Diebstahl des Chagall informiert hatte, obwohl dies aufgrund der engen Verknüpfung des Museums mit der Kunstwelt ein Leichtes gewesen wäre. Nach Angaben der Guggenheim Foundation war dies jedoch aus ‚taktischen Erwägungen‘ bewusst unterblieben, weil das Publikmachen des Diebstahls ihrer Ansicht nach das Gemälde noch weiter in den Untergrund geführt und die Wahrscheinlichkeit seines Wiederauftauchens verringert hätte.161 Der Court of Appeals of New York gab in der Guggenheim-Konstellation zu dem Einwand einer größeren Verheimlichungs- und Verdunkelungsgefahr keine endgültige Stellungnahme ab, sondern verwies an die Vorinstanz. 92
Bei einer Gesamtwürdigung erscheint jedoch die Angst des Eigentümers, eine öffentliche Suche nach Registrierung in einem entsprechenden online einsehbaren Register würde zu einem endgültigen Verlust der Gemälde aufgrund einer noch intensiveren Verheimlichung seitens des Diebes führen, unbegründet. Dies lässt sich an der Motivation kultureller Entziehungsakte aufzeigen: Nur äußert selten handelt es sich bei einem kulturellen Diebstahl um den – praktisch nur in Kinofilmen realistischen – Versuch der dauerhaften Aneignung eines bestimmten Gemäldes aus Liebhabergründen. Illegale Ausfuhr und kultureller Diebstahl bezwecken nach empirischer Beobachtung in der überwiegenden Zahl der Fälle die sukzessive finanzielle Verwertung der Gegenstände auf dem kulturellen Schwarzmarkt. Die Verlust- und Veräußerungskette archäologischer Gegenstände beginnt bspw. bei dem illegalen Export meist mit einem lokalen Dorfbewohner an einer illegalen Ausgrabungsstätte, der ein Fundstück oft für einen nur geringen Gegenwert an einen lokalen Händler veräußert, der es seinerseits über zahlreiche Zwischenhändler aus dem kulturellen Ursprungsstaat ausführt, bis die Herkunft nicht mehr bestimmbar ist und es in den scheinbar legalen Antiquitätenmarkt kulturgutimportierender Zielstaaten gelangt. Auch in den Fällen der Raub- und Beutekunst bzw. allgemein zur Zeit des nationalsozialistischen Unrechtsregimes und des Zweiten Weltkriegs erfolgte meist Jahre oder Jahrzehnte später die finanzielle Verwertung der Gegenstände seitens der Rechtsnachfolger der ursprünglich entziehenden Personen – vgl. etwa den Fall des Quedlinburger Domschatzes. Besonders in den Fällen des kulturellen Diebstahls bezweckt der Entzugsakt nahezu ausnahmslos die finanzielle Verwertung der Gegenstände. In sämtlichen genannten Situationen gelangen die unrechtmäßig entzogenen Gegenstände in den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr und suchen einen möglichst gewinnbringenden Absatz. Die zivilrechtliche Regulation des ‚gefahranfälligen‘ 161
Vgl. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991), S. 428.
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
1073
Kunsthandels mittels der Statuierung spezifischer Nachforschungsobliegenheiten gutgläubiger Erwerber zum Nachweis der Redlichkeit einerseits und bestimmter Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer bei der Suche nach dem Verbleib ihrer Kulturgüter andererseits versucht diese Schwäche des kulturellen Schwarzmarktes – die finanzielle Verwertung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – aufzugreifen. So wie generelle Provenienzerforschungsbemühungen zur Bestimmung der Redlichkeit gutgläubiger Erwerber verlangt werden, versucht der Verwirkungseinwand des Besitzers bei unverhältnismäßigen Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen kultureller Eigentümer den Übergang unrechtmäßig entzogener Kulturgüter von der Illegalität in die Scheinlegalität zu verhindern. Ein generell geeignetes und probates Mittel hierzu kann in der Registrierung unrechtmäßiger Entziehungsakte kultureller Wertgegenstände gesehen werden. Adäquate Preise können für unrechtmäßig entzogene Kulturgüter nur dann erzielt werden, wenn diese in den seriösen Kunsthandel gelangen. Dies kann durch ein Registrierungssystem unrechtmäßig entzogener Kulturgüter praktisch leicht und mittels vieler weiterer Möglichkeiten einer tunlichst umfangreichen Inkenntnissetzung der Öffentlichkeit verhindert werden. Damit führt die Veröffentlichung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter entgegen der Rechtsansicht der auf Restitution klagenden Eigentümer in den Entscheidungen Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell und O’Keeffe v. Snyder eher zu einer Wiederentdeckung als zu einem endgültigen Verlust.
4.
Vereinfachte Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter seitens des Eigentümers aufgrund der kulturellen Unikatfunktion
Über bisher Gesagtes spricht für die Annahme spezieller due diligence-Anforderungen grundsätzlich restitutionsberechtigter Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auch die praktische Erwägung, dass Kulturgüter aufgrund ihrer Unikatfunktion leichter auffindbar als andere bewegliche Gegenstände sind, sodass (im Vergleich zu sonstigen Mobilien relativ) leicht eine Individualisierung durch den Eigentümer möglich ist. Trotz der Erkenntnis, dass zahlreiche vom Eigentümer unrechtmäßig entzogene Kulturgüter nach einem illegalen, oftmals Ländergrenzen passierenden Transfer ihre örtliche Belegenheit in Privatsammlungen finden, wurde dementsprechend allgemein die Rechtsposition eingenommen, dass gerade aufgrund der besonderen Qualifikation kultureller Güter und ihrer Einzigartigkeit ein hoher Wiedererkennungswert gewährleistet ist, der den Eigentümern abhandengekommener Kulturgüter eine erleichterte Lokalisierung ermöglicht.162 So genügten bspw. in der Rechtssache DeWeerth v. Baldin162
Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1082–1083.
93
1074
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
ger 163 zugegebenermaßen zwei öffentliche Ausstellungen von vier Tagen und einem Monat nicht aus, um die Voraussetzung des „sichtbaren und offenen Besitzes“ des Rechtsinstituts der adverse possession zu erfüllen.164 Jedoch auch wenn das Gericht davon ausging, dass die einfache Erkennbarkeit kultureller Wertgegenstände die implizit angewendete Doktrin der adverse possession rechtfertigen könne, führte der Second Circuit des United States Court of Appeals vor dem Hintergrund der besonderen Sachqualität kultureller Güter in der Entscheidung DeWeerth v. Baldinger aus, dass entsprechende Sorgfaltsanforderungen auf Seiten des ursprünglichen Eigentümers besonders zielführend zur Wiederentdeckung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sind: 94
“A rule requiring reasonable diligence in attempting to locate stolen property is especially appropriate with respect to stolen art. Much art is kept in private collections, unadvertised and unavailable to the public. An owner seeking to recover such property will almost never learn of its whereabouts by chance. Yet the location of stolen art may frequently be discovered through investigation. … (French and Italian authorities credit stolen art registries and investigation efforts for recovery rates as high as 75 %). Unlike many other items of stolen personal property, such as jewelry or automobiles, art loses its value if it is altered or disguised. Moreover, valuable works of art, unlike fungible items like stereo components, tend to be easily remembered by those who have seen them. Thus, the owner of stolen art has a better chance than most owners of stolen property in tracking down the item he has lost. In light of New York’s policy of favoring the good faith purchaser and discouraging stale claims and the approach to actions to recover property in other jurisdictions, we hold that under New York law an owner’s obligation to make a demand without unreasonable delay includes an obligation to use due diligence to locate stolen property.” 165
95
Der besondere Nutzen von Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und deren Besitzer seitens der Eigentümer wird auch innerhalb des kulturgüterspezifischen Schrifttums proklamiert, ohne dass dies bisher einer schlüssigen Begründung zugeführt wurde. So wird bspw. ausdrücklich vom „bestohlenen Eigentümer … entsprechend dem Gedanken der Verwirkung verlangt, daß er umgehende und umfassende Anstrengungen zur Nachforschung bei den zur Verfügung stehenden Informationsstellen über den Verbleib seines Kulturgutes unternimmt, damit er seine Ansprüche nicht verliert.“ 166 Explizit sind auch nach Einschätzung Asams Fälle denkbar, „in denen
163 164 165 166
DeWeerth v. Baldinger, 658 F. Supp. 688, 697 (S.D.N.Y.). DeWeerth v. Baldinger 836 F.2d 103, S. 109. DeWeerth v. Baldinger, 836 F.2d 103 (2d Cir. 1987). Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 200, unter Verweis auf Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 41–68, S. 64 ff; Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz – Eingriffsnormen und der internationale Kunsthandel, in: Pfister/Will, Festschrift für Werner Lorenz zum siebzigsten Geburtstag, 1992, S. 525–542, S. 535–536; Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung – Vom Kulturgüterschutz zur internationalen kulturellen Kooperation, 1992, S. 159; Walter, Rückführung von Kulturgut im Internationalen Recht, 1988, S. 198–199. Kritisch hierzu Hanisch, Der Fall des
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
1075
sich der gutgläubige Erwerber von Kulturgut, der größte Anstrengungen zur Klärung der Herkunft und der Eigentumslage unternommen hat, gegenüber dem lange zuwartenden Eigentümer, der nichts zur Offenlegung und Publizierung des Abhandenkommens seines Eigentums beigetragen hat, ausnahmsweise auf den Einwand der Verwirkung berufen kann.“ 167
5.
Öffentlich zugängliche Informationsquellen und Maßnahmen für den Eigentümer bei der Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Die Registrierungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter durch den Eigentümer in den bekannten Datenbanken und sonstigen Verlustverzeichnissen sowie bei staatlichen und internationalen Strafverfolgungsbehörden stellen probate Lokalisierungsmittel dar und sind generell vom Eigentümer zu verlangen, möchte er sich nicht einem Verwirkungseinwand des aktuellen Besitzers ausgesetzt sehen. Neben den genannten Informationspools, die auch nicht professionell in der Kunst beschäftigten Laien zur Verfügung stehen und ohne großen finanziellen, sachlichen, personellen oder zeitlichen Aufwand eine Wiederentdeckung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ermöglichen, zählen als weitere Möglichkeiten der Lokalisierung abhandengekommener Kunstwerke die traditionellen Informationsquellen des Kunsthandels: Praktisch standen vor Einführung der großen Datenbanken unrechtmäßig entzogener und illegal transferierter Kulturgüter nur papiergebundene Lösungen zur Verfügung, die dem inzwischen gewachsenen internationalen Kunstmarkt weder im Transfervolumen noch in der -geschwindigkeit mithalten konnten. Kunstwerke wurden nun nicht mehr dauerhaft in Sammlungen integriert, sondern als Investitionsanlage erkannt und oft über zahlreiche Zwischenhändler veräußert. Fachzeitschriften und traditionelle Veröffentlichungen in Spezialzeitschriften können nur noch eingeschränkt Informationen hinsichtlich des Verbleibs und der aktuellen Besitzlage vermitteln, sind jedoch auch heute im Zeitalter der Digitalisierung besonders für die professionell im Kunsthandel tätigen Personen noch als wichtige Informationsquelle anzusehen. Auch die Werkverzeichnisse der Künstler, in denen in der Regel der Versuch unternommen wird, die Provenienz eines jeden Objektes des Künstlers vom Zeitpunkt der Schaffung an zu dokumentieren, können dementsprechend dem schnelllebigen Kunstmarkt und Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als Mittel der Lokalisierung der abhandengekommenen Gegenstände und
167
Liotard und die nationale Zuordnung eines Kunstwerks, in: Frank, Recht und Kunst – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstags von Wolfram Müller-Freienfels, 1996, S. 19–36, S. 36; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 347. Asam, Rechtsfragen des illegalen Handels mit Kulturgütern – Ein Überblick, in: Mansel/ Pfeiffer/Kronke/Kohler/Hausmann, Festschrift für Erik Jayme, 2004, S. 1651–1668, S. 1667– 1668.
96
1076
6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
der Identifizierung der aktuellen Besitzer nur noch eingeschränkt dienen, da aufgrund der papiergebundenen Darstellungsform nur unzureichend die notwendige Aktualität gewahrt werden kann. Professionell im Kunsthandel tätige Personen wie Kunsthistoriker, Kuratoren und Händler sowie Galerien und Kunstauktionshäuser sind jedoch traditionell mit den ehemals weitverbreiteten ‚catalogues raisonnés‘ vertraut und setzen auch heute – zu Recht – auf die detaillierte Auflistung der bekannten Kunstwerke eines Künstlers, die auch Informationen über den möglichst aktuellen Aufenthaltsort und die Sammlung eines Werkes enthalten.168 Sie gelten daher auch heute uneingeschränkt als Ansatz in der Informationsbeschaffung, können jedoch – je nach gegebener Sachlage – möglicherweise weitere Nacherforschungsbemühungen des Eigentümers notwendig machen, wenn der letzteingetragene Besitzer das unrechtmäßig entzogene Kulturgut wieder weiterveräußert hat. Auch Interpol und die entsprechenden staatlichen Polizeibehörden profitierten durch den Einsatz der modernen Datenbanken enorm, können doch seitdem die relevanten Datensätze ohne tatsächliche Schwierigkeiten zeitnah, kostengünstig und aktuell eingesehen und modifiziert werden. 97
Besondere Maßnahmen kultureller Eigentümer bei der Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bestehen auch in der Inkenntnissetzung internationaler im Kulturgüterschutz tätiger Organisationen, wie UNESCO, den International Council of Museums, den International Council of Museums and Sites sowie Europa Nostra als europäische Organisation zur Erhaltung und Konservierung des architektonischen Erbes Europas (etwa bei der illegalen Ausfuhr archäologischer Gegenstände) und in der Inkenntnissetzung staatlicher Organisationen über den Kulturgutentzug, wie bspw. die United Nations oder den Europarat. Darüber hinaus hat sich die Inkenntnissetzung kultureller Institutionen wie Museen und Kunstsammlungen ebenso als besonders vorteilhaft erwiesen wie ein Report an die national wie international führenden Auktionshäuser wie bspw. Christie’s und Sotheby’s. In gleichem Maße, wie die Mitarbeiter führender Museen besonders im Antikenhandel in zahlreichen Fallkonstellation die Illegalität ihnen zum Kauf angebotener Kunstwerke entdeckten, haben besonders auch die Meldungen der international tätigen Auktionshäuser über die Veräußerung bestimmter Kulturgüter an deren vermutete Ursprungsstaaten viele illegalen Kulturgutexporte ans Tageslicht befördert. Zielführend ist des Weiteren die Inkenntnissetzung der speziellen Fachkreise wie etwa archäologischer Wissenschaftler, Konservatoren oder Restauratoren und spezieller in diesem Feld tätiger Institute, die in zahlreichen Fällen zur Begutachtung der zu veräußernden Kulturgüter herangezogen werden. Auf konkrete Kulturgutverluste kann besonders seitens der professionell im Kunsthandel
168
Collin, The Law and Stolen Art, Artifacts and Antiquities, Howard Law Journal 36 (1993), S. 17 ff., S. 28.
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
1077
tätigen Museen, Galeristen, Kunsthändler und Auktionshäuser auf Fachsymposien, Kongressen und sonstigen Informationsveranstaltungen hingewiesen und somit auch der Kenntnis des betroffenen Fachpublikums zugeführt werden. In Fällen des illegalen Exports national bedeutsamer Kulturgüter steht bspw. auch den einzelnen Ursprungsstaaten eine Informationsverbreitung mittels ihrer auswärtigen Dienste zur Verfügung: So könnten bspw. die einzelnen Botschaften kultureller Quellenstaaten in besonders wichtigen kulturgutimportierenden Zielstaaten Informationskampagnen zur Wiederentdeckung besonders bedeutender Bestände eines nationalen Kulturpatrimoniums lancieren. Dieses nichtabschließende Maßnahmenprogramm der ursprünglichen Eigentümer stellt in Abhängigkeit von der Art des entzogenen Kulturguts, dem besonderen kulturellen wie materiellen Wert des Gegenstandes, der Art der Entziehung und sonstigen bestimmenden Faktoren alternative oder kumulative Möglichkeiten zur Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und deren Besitzer dar. Welche speziellen Sorgfaltsanforderungen im konkreten Fall dem angemessenen due diligence-Maßstab Genüge tun, kann nicht allgemein im Voraus bestimmt werden und liegt im Ermessen des zur Entscheidung berufenen Richters.
6.
Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs restitutionsberechtigter Eigentümer in Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter
Ebenso wie innerhalb der amerikanischen Entscheidung Erisoty v. Rizik 169, in der eine Unterscheidung hinsichtlich der subjektiven Möglichkeiten individueller Privatpersonen und professionell am (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr beteiligter Sammler, Museen, Händler und Auktionshäuser innerhalb der Suche nach abhandengekommenen Kunstwerken vorgenommen wurde, könnte auch innerhalb der deutschen Zivilrechtsordnung aufgrund der Verankerung der speziellen Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer bei Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb des Verwirkungsgrundsatzes eine Subjektivierung des due diligence-Maßstabs restitutionsberechtigter Eigentümer erfolgen. Ist man etwa der Meinung, dass eine generelle Obliegenheit der Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und deren Besitzer im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr den Eigentümer über Gebühr belastet, kann eine Unterscheidung nach der Person des kulturellen Eigentümers getroffen werden. Damit würde sich der Grad der einzuhaltenden Sorgfalt nach dem speziellen Erfahrungsstand eines ohnehin aufgrund des unrechtmäßigen Entziehungsaktes belasteten Eigentümers bestimmen und ein angemessener due diligence-Maßstab könnte erreicht werden. Im Ergebnis würden dann unterschiedliche Anforderungen einerseits an Kaufleute, Händler und 169
Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996).
98
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
sonstige beruflich im Kunsthandel tätige Personen und andererseits an Privatpersonen ohne berufliches Sonderwissen und Nachforschungsmöglichkeiten gestellt werden. Damit würde sowohl eine Milderung des Sorgfaltsmaßstabs nichtprofessionell im Kunstmarkt agierender Personen als auch eine Steigerung der Nachforschungsobliegenheiten auf Seiten der Kunsthändler, Galeristen und Museen erreicht. Gründe der subjektiven und individuellen Fairness sprechen für die Annahme variabler Sorgfaltsanforderungen für die Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, wodurch nicht nur eine situationsbedingte, sondern auch subjektivierte und an den beteiligten Personen ausgerichtete Determination des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs bei der Suche nach unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern im Einzelfall vorgenommen wird. 99
Während bei kulturell unbedeutenden und materiell nicht sonderlich wertvollen Kunstwerken Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer nur selten zu einer Wiederentdeckung führen werden und dementsprechend seitens nicht im Kunsthandel unmittelbar beteiligter Eigentümer nur minimale Nacherforschungsbemühungen – etwa in Form einer Diebstahlsanzeige bei den örtlichen Polizeibehörden oder der Registrierung in einer der verschiedenen online verfügbaren Datenbanken – verlangt werden, müssen professionell im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr beteiligte Museen, Kunsthändler, Galeristen, Auktionshäuser und Sammler bei unrechtmäßiger Entziehung kulturell bedeutender bzw. materiell wertvoller Kulturgüter alle möglichen und zur Verfügung stehenden Lokalisierungs- und Identifizierungsmöglichkeiten nutzen, um Informationen hinsichtlich des Verbleibs der Kunstwerke zu erhalten. Hierzu wird meist der Report des unrechtmäßigen Entziehungsaktes bei einer lokalen Polizeibehörde nicht genügen, sondern es müssen kumulativ weitergehendere Möglichkeiten der Lokalisierung in Betracht gezogen werden – wie etwa neben dem generell notwendigen Eintrag in einem der bekannten Register unrechtmäßig entzogener Kulturgüter die Inkenntnissetzung internationaler wie innerstaatlicher kultureller Institutionen.
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Diese Belastung der im Kunstgewerbe beteiligten Kreise zugunsten eines möglichst weitreichenden Kulturgüterschutzes wird damit gerechtfertigt, dass es dem im Kunsthandel beteiligten Personenkreis als durchaus zumutbar auferlegt wird, die inzwischen hoch sensibilisierten und präzisierten Informationspools illegal transferierter Kulturgüter zu kontaktieren und dort einen Report der unrechtmäßigen Entziehung zu platzieren. Diese Datenbanken haben bekanntermaßen ohne großen finanziellen, sachlichen, personalen und temporären Aufwand des durch den Entziehungsakt bereits belasteten Eigentümers eine weitreichende Dokumentation des unrechtmäßigen Kulturgüterverkehrs nahezu weltweit übernommen.170
170
Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 318.
4. Abschnitt: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche innerhalb des BGB?
Andererseits ist aber auch von einem im Kunsthandel unbedarften Laien eine Mindestsorge um das abhandengekommene Kulturgut zu verlangen, wenn das Kaufobjekt kulturell besonders bedeutsam bzw. wertvoll ist. Auch für ihn und für Privatsammler stellt es keine Überforderung dar, nach einem unrechtmäßigen Entziehungsakt kulturell bedeutsamer und außergewöhnlich wertvoller Kulturgüter die Polizei oder Interpol zu kontaktieren und eine Eintragung in einer der thematisch passenden Datenbanken zu erreichen. Auch die wiederholte Einsichtnahme in den catalogue raisonné des Künstlers kann von im Kunstmarkt unbedarften Laien vorgenommen werden, ohne dass der ursprüngliche Eigentümer über Gebühr belastet würde. Selbstredend sind hier die Grenzen nicht eindeutig zu ziehen, jedoch durch den Richter im Einzelfall durchaus bestimmbar. Für professionell im Kunsthandel tätige Personen genügt hingegen innerhalb der Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen der Eigentümer die Meldung eines unrechtmäßigen Entziehungsaktes kultureller Wertgegenstände bei den lokalen Polizeibehörden und die Platzierung eines Reports innerhalb einer der bekannten Datenbanken in der Regel wohl nicht, um sich nicht dem Vorwurf unangemessener due diligence-Bemühungen hinsichtlich des Verbleibs abhandengekommener Kulturgüter ausgesetzt zu sehen. Für Galeristen, Kunsthändler, Auktionshäuser, Museen und sonstige kulturelle Institutionen stehen (relativ leicht zugängliche) weitergehende Möglichkeiten zur Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und zur Identifizierung ihrer aktuellen Besitzer offen. So können bspw. zusätzliche Informationen innerhalb der Nachforschungsbemühungen in Werksverzeichnissen von Künstlern 171 und Bestandsverzeichnissen von Museen und kulturellen Institutionen gewonnen werden, es müssen – in verhältnismäßigem Umfang, sodass die Informationskosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert des Kulturguts stehen 172 – intern institutionelle Mühen zur Wiederentdeckung abhandengekommener Kunstwerke aufgewendet und externe Experten zu Rate gezogen werden, wenn die eigenen Möglichkeiten dem konkret angemessenen Sorgfaltsmaßstab nicht genügen. Nur vor dem Hintergrund dieser variablen Bestimmung der notwendigen Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter scheinen die Interessen grundsätzlich restitutionspflichtiger gutgläubiger Besitzer und die Rückführungsinteressen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter wohl tariert, materiell-rechtlich harmonisch und ausgewogen.
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Bei wichtigen Werken ist jedenfalls eine Überprüfung anhand der Verzeichnisse gestohlener Kunst erforderlich. Vgl. Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159. So Grell, Entartete Kunst – Rechtsprobleme der Erfassung und des späteren Schicksals der sogenannt Entarteten Kunst, 1999, S. 146–159.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
II.
Unzumutbarkeit einer vorwerfbar verspäteten Rückführungsforderung für den grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzer
102
Damit ein Verwirkungseinwand des grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erfolgreich der Restitutionsforderung des Eigentümers entgegengesetzt werden kann, müssen neben dem Zeitmoment auch noch die Voraussetzungen eines sog. Umstandsmoments als zweiter Bedingung eines Verwirkungseinwandes innerhalb der deutschen Rechtsordnung erfüllt sein.173 Der Zeitablauf allein reicht nicht aus. Ansonsten würde über das Institut der Verwirkung eine Art neues Verjährungsrecht geschaffen.174 Da die Verwirkung einen Unterfall der Kategorie des widersprüchlichen Verhaltens darstellt, gelten die für dieses Rechtsinstitut allgemein geltenden Grundsätze auch innerhalb der Verwirkung. Eine unzulässige Rechtsausübung kommt dann in Betracht, wenn durch ein Verhalten des Rechtsinhabers ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage bei der Gegenpartei hervorgerufen wurde.
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Der Einwand der Verwirkung hat dementsprechend innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs nur dann den Verlust des Restitutionsrechts des Eigentümers auf Rückführung seiner unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter zur Folge, wenn sich zusätzlich zu dem Zeitmoment der restitutionsverpflichtete Besitzer in schutzwürdiger Weise darauf einrichten durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.175 Es müssen somit besondere Umstände vorliegen, sodass sich die Geltendmachung des Rechts durch den Gläubiger als widersprüchlich erweist.176 Dafür müssen zu dem einfachen Zeitablauf prognostische Umstandselemente hinzutreten, die den grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter darauf vertrauen lassen, dass er nicht (mehr) mit einer Restitutionsforderung des kulturellen Eigentümers zu rechnen hat.177 Wenn sich schon allgemein für eine solche Annahme keine festen Kriterien 173
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Vgl. Looschelders/Olzen in Staudinger – BGB: Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Einl zu §§ 241 ff., 241–243, 2005, § 242, Rdnr. 302. Looschelders/Olzen in Staudinger – BGB: Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Einl zu §§ 241 ff., 241–243, 2005, § 242, Rdnr. 308. Vgl. BGH, Entscheidung des 2. Zivilsenats vom 27.06.1957, Az: II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, S. 52–53, NJW 1957, S. 1358. Vgl. BGH, Entscheidung des 6. Zivilsenats vom 26.05.1992, Az: VI ZR 230/91, BGH NJW-RR 1992, S. 1240–1241 zu Beweisschwierigkeiten nach längerem Zeitablauf als Verwirkungsgrund (Leitsatz: „Beweisschwierigkeiten, denen der Schuldner ausgesetzt ist, wenn der Gläubiger nach längerer Zeit Ansprüche geltend macht, vermögen den Einwand der Verwirkung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen; anderes kann allerdings gelten, wenn der Schuldner im Vertrauen darauf, daß der Gläubiger nach Ablauf eines längeren Zeitraumes mit Ansprüchen nicht mehr hervortreten werde, Beweismittel vernichtet hat.“). So die Formulierung in BAG, Entcheidung des 5. Senats vom 25.04.2001, Az: 5 AZR 497/99, BAG NJW 2001, 2907, S. 2908 („Leitsatz: 1. Der Tatbestand der Verwirkung setzt voraus,
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1081
innerhalb der Rechtsdogmatik und Judikatur gebildet haben, scheint es insbesondere innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs fraglich, wann sich die spätere Geltendmachung des Restitutionsanspruchs des Eigentümers als mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Illoyalität des Eigentümers bei der Rückführung seiner unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter darstellt.178 Allgemein wird dies jedoch dann anzunehmen sein, wenn die vorwerfbar verspätete Rückführungsforderung gegenüber dem grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzer für diesen unzumutbar ist.179 „Im Sinne einer solchen Unzumutbarkeit ist es, wie allgemein beim venire contra factum proprium, erforderlich und genügend, dass das Verhalten des Berechtigten, hier die längere Untätigkeit, bei der Gegenpartei einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat oder aus anderen Gründen die nachfolgende Ausübung des Rechts mit der früheren Untätigkeit unvereinbar erscheint.“ 180 Letztlich geht es bei der Feststellung der illoyalen Verspätung der Rückführungsforderung des grundsätzlich restitutionsberechtigten Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der entsprechenden Unzumutbarkeit auf Seiten des Besitzers um eine Abwägung der divergierenden Interessen zweier im Grundsatz (scheinbar) unschuldiger Parteien – der gutgläubigen Besitzer einerseits und der aufgrund des unrechtmäßigen Entziehungsaktes belasteten Eigentümer kultureller Wertgegenstände andererseits. Die konkreten Umstände zusammen mit der abgelaufenen Zeit müssen für eine Höherbewertung der Interessen des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers sprechen, um die Folge der Verwirkung eines grundsätzlich bestehenden Restitutionsanspruchs des Eigentümers zu rechtfertigen.181
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daß neben das Zeitmoment das Umstandsmoment tritt. Es müssen besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. 2. Wer keine Kenntnis von einem möglichen Anspruch eines Dritten hat, kann auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen.“). Vgl. Looschelders/Olzen in Staudinger – BGB: Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Einl zu §§ 241 ff., 241–243, 2005, § 242, Rdnr. 308. Vgl. Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 305. BGH, Entscheidung des 2. Zivilsenats vom 27.06.1957, Az: II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, S. 52–53, NJW 1957, S. 1358. Vgl. auch Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 305. Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 306. „Für diese Bewertung spielen objektive Gegebenheiten im Verhältnis der beiden Parteien wie auch subjektive Merkmale in bezug auf jede der beiden Parteien eine Rolle. Man darf also das Umstandsmoment weder zu sehr subjektivieren noch schlechthin objektivieren. So ist ein sehr gewichtiges subjektives Element das tatsächliche Vertrauen der Gegenseite darauf, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr ausüben wird.“ Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 306.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
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Es müssen jedoch über die vorwerfbare Verspätung des Restitutionsanspruchs des Gläubigers hinaus weitere Umstände hinzukommen, die in einer Gesamtbeurteilung der Interessenlage die einschneidende Folge des Verwirkungseinwandes und damit das von Amts wegen zu beachtende Erlöschen der Rückführungsforderung des Eigentümers rechtfertigen bzw. im Interesse der Gegenpartei geboten erscheinen lassen.182 Das Umstandsmoment des Verwirkungseinwandes macht es somit erforderlich, sowohl das Verhalten des grundsätzlich restitutionsberechtigten Gläubigers und Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als auch das des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers und Schuldners in die Gesamtbetrachtung einer Abwägungsentscheidung einzubeziehen.183 Die allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen der Verwirkung bilden dergestalt ein bewegliches System, sodass die Untätigkeitsdauer auf Gläubigerseite umso kürzer auszufallen braucht, je ausgeprägter sich der Vertrauenstatbestand auf Schuldnerseite darstellt, wie auch umgekehrt die Anforderungen an das Zeitmoment bei eher gemäßigtem Umstandsmoment ansteigen.184 Das bedeutet für den (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr, dass die besonderen Umstände auf Seiten des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers dann auch dafür maßgeblich sind, welcher Zeitablauf im Einzelfall als erforderlich und genügend angesehen wird, „d.h. es besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist.“ 185 Konkret bedeutet dies das Folgende:
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Im Grundsatz muss davon ausgegangen werden, dass ein Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter diese an den ursprünglichen Eigentümer rückzuführen hat. Der gutgläubige Erwerber findet regelmäßig zunächst in dem Rechtsinstitut des gutgläubigen derivativen Erwerbs nach §§ 932 ff. BGB Schutz, wobei jedoch unrechtmäßig entzogene und dementsprechend abhandengekommene Kulturgüter nur in der Ausnahmesituation der öffentlichen Versteigerung i.S.d. §§ 935 Abs. 2 i.V.m. 383 Abs. 3 BGB gutgläubig erworben werden können. Unrechtmäßig entzogene und abhandengekommene Kunstwerke werden jedoch nach Ablauf der zehnjährigen Ersitzungszeit nach § 937 BGB originär vom gutgläubi182
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Vgl. die kulturgüterunspezifische Darstellung bei Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 301. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 13–14. Vgl. Looschelders/Olzen in Staudinger – BGB: Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Einl zu §§ 241 ff., 241–243, 2005, § 242, Rdnr. 308; Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 13–14. Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 301.
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gen Eigenbesitzer zu Eigentum erworben, sodass grundsätzlich nach spätestens zehn Jahren gutgläubige Erwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach der deutschen Rechtsordnung keiner Restitutionsforderung mehr unterfallen. Nach einer in der Zukunft notwendigen Reform des deutschen Verjährungsrechts und der Abschaffung der 30-jährigen Befristung von Eigentumsherausgabeansprüchen besonders für die Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sollte auch grundsätzlich gegenüber nachweisbar bösgläubigen Besitzern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter unabhängig von dem konkreten Zeitablauf und den applizierten Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer ein genereller Restitutionsanspruch bestehen. Gegenüber nachweisbar bösgläubigen Besitzern überwiegen die Rückführungsinteressen des aufgrund eines unrechtmäßigen Entziehungsaktes belasteten Eigentümers grundsätzlich. Auch innerhalb eines Verwirkungseinwandes spricht dementsprechend schon die Erwägung gegen die Schutzwürdigkeit grundsätzlich restitutionsverpflichteter Besitzer, dass diese aufgrund ihrer Bösgläubigkeit selbst gut oder besser als der Restitutionsberechtigte in der Lage waren, die Sach- und Rechtslage zu überblicken.186 Wenn restitutionsverpflichtete Besitzer etwa positiv von dem unrechtmäßigen Entziehungsakt wissen oder davon ausgehen müssen, dass der Restitutionsgläubiger sein Rückführungsrecht deswegen nicht geltend macht, weil er weder Kenntnis von dem Aufenthaltsort des Kunstwerks noch von dessen Besitzer hat, besteht schon keine schutzwürdige Vertrauenssituation auf Seiten eines grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers und die Berufung auf den Verwirkungseinwand sollte selbst bei ungebührlichen Sorgfaltsanstrengungen kultureller Eigentümer in Lokalisierung und Identifizierung abhandengekommener Kunstwerke ausgeschlossen sein.187
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Gegen die Schutzwürdigkeit grundsätzlich restitutionsverpflichteter Besitzer und damit gegen die Applikation des Verwirkungseinwandes spricht auch, wenn der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen einer Restitutionsforderung kennt, d.h. von seinem Recht nichts weiß.188 „In vielen Fällen wird die subjektive Einschätzung der Situation durch den Berechtigten ebenfalls berücksichtigt und mangels einer subjektiven Zurechenbarkeit der Verspätung zu ihm – Extremfall: nicht zu vertretende Unkenntnis seines Rechts – auch ein tatsächliches Vertrauen der Gegenseite
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Vgl. die kulturgüterunspezifische Darstellung bei Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 308. Vgl. die kulturgüterunspezifische Darstellung bei Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 308. Vgl. Looschelders/Olzen in Staudinger – BGB: Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Einl zu §§ 241 ff., 241–243, 2005, § 242, Rdnr. 311.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
nicht geschützt.“ 189 Dies gilt für die Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter insbesondere, wenn er diese Unkenntnis nicht zu vertreten hat190 und trotz angemessener due diligence-Anforderungen hinsichtlich des Verbleibs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und derer aktuellen Besitzer keine Lokalisierung und Identifizierung erreichen konnte. Gegen die Schutzwürdigkeit grundsätzlich restitutionsverpflichteter Besitzer spricht weiterhin, wenn dieser die Unkenntnis oder Untätigkeit des Eigentümers auf unredliche Weise selbst verursacht hat.191 Für die Position des grundsätzlich restitutionsberechtigten Eigentümers spricht deshalb der Umstand, dass er zur Ausübung seines Rückführungsanspruchs nicht in der Lage war.192 109
Da gutgläubige Erwerber und Eigenbesitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der deutschen Rechtsordnung grundsätzlich Schutz vor Restitutionsansprüchen der Eigentümer erfahren und bösgläubige Besitzer prinzipiell einem Rückführungsanspruch abhandengekommener Kulturgüter unterfallen sollen, bleibt nach dem bisher Gesagten praktisch nur noch eine Konstellation, in der eine wirkliche Abwägungsentscheidung vorzunehmen ist. Diejenigen Stimmen, die sich gegen eine Abschaffung der 30-jährigen Verjährungsfrist dinglicher Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aussprechen, weisen nämlich darauf hin, dass eine temporale Präklusion des dinglichen Herausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nur prima facie ausschließlich Diebe und Hehler zu begünstigen scheint, in Wahrheit aber gerade auch dem Schutz ursprünglich gutgläubiger Besitzer dient, weil der gutgläubige Besitzer durch die Verjährung des auf der Eigentumsposition ruhenden kulturellen Restitutionsanspruchs der Gefahr der Tatsachenfeststellung im Rahmen der Bestimmung der Gutgläubigkeit des Ersitzenden innerhalb des § 937 Abs. 2 BGB und damit eines erheblichen Prozessrisikos enthoben wird.193 Praktische Bedeutung kommt dem Verwirkungseinwand des Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber dem Restitutionsanspruch des Eigentümers dementsprechend innerhalb der deutschen Rechtsordnung allein in den Konstellationen zu, in denen aufgrund des einem Eigentümer vorwerfbaren langen Zeitablaufs dem mög-
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Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 307. Vgl. Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 307. Vgl. BGH, Entscheidung des 2. Zivilsenats vom 27.06.1957, Az: II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, S. 52–53, NJW 1957, S. 1358. Vgl. Looschelders/Olzen in Staudinger – BGB: Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Einl zu §§ 241 ff., 241–243, 2005, § 242, Rdnr. 311. Vgl. Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 328. Vgl. BT-Drucksache 14/7052, S. 179, darauf verweisend auch Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399.
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licherweise restitutionsverpflichteten Besitzer deshalb ein Nachteil oder Schaden entstanden ist, weil er aus oben genanntem Grund die Voraussetzungen für einen gutgläubigen derivativen oder originären Eigentumserwerb nicht mehr nachweisen und dementsprechend sich gegenüber einer Restitutionsforderung nicht mehr verteidigen kann. Bei Anwendung dieser wechselseitigen Sorgfaltsanforderungen auf Seiten kultureller Eigentümer und potenziell restitutionspflichtiger Besitzer würde man sich in harmonischem Einklang mit der Rechtslage der Vereinigten Staaten von Amerika befinden, die – je nach bundesstaatlicher Ausgestaltung nach der constructive discovery rule oder der demand and refusal rule – im Ergebnis spezielle Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers und Restitutionsgläubigers mit in die richterliche Abwägungsentscheidung der Schutzbedürftigkeit redlicher Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der grundsätzlich restitutionsberechtigten Eigentümer einbezieht. Interessanterweise würde die deutsche Ausgestaltungsweise auch insbesondere mit der Rechtslage im amerikanischen Bundesstaat New York und damit mit dem zentralen Weltkunsthandelszentrum harmonieren, die ebenfalls einen Verwirkungseinwand grundsätzlich restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber einem Rückführungsanspruch des kulturellen Eigentümers anerkennt, wenn aufgrund einer ungebührlichen Verzögerung des Restitutionsanspruchs dem Besitzer ein Schaden, Nachteil oder eine Beeinträchtigung („prejudice“) als „Umstandsmoment“ entstanden ist. Innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs zählt nach New Yorker Rechtslage hierzu vornehmlich die Beweisnot potenziell restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund des Verlustes etwaiger Kaufurkunden von Kunstwerken, Exportpapiere oder sonstiger Schriftstücke zum Nachweis der Gutgläubigkeit des Erwerbers, des Todes entscheidender Zeitzeugen oder der unsicheren Erinnerungslage.
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Auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung müssen somit besondere Umstandsmomente auf Seiten des grundsätzlich restitutionspflichtigen Besitzers für die Annahme eines Verwirkungseinwandes vorliegen, damit die allgemeinen Gefahren des illegalen Kulturgüterverkehrs von dem grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzer auf den Eigentümer verschoben werden. Da hierzu bis dato jedoch noch keine diesbezügliche Rechtsprechung ergehen konnte und einschlägige Fallkonstellationen bislang an den Verjährungsgrundsätzen (auch gegenüber bösgläubigen Besitzern und Erwerbern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter) scheiterten, ohne dass die besonderen Umstände des Einzelfalls Beachtung finden konnten, kann zur inhaltlichen Ausgestaltung des deutschen Umstandsmomentes rechtsvergleichend auf die entsprechenden Erwägungen eines Verwirkungseinwandes innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten zurückgegriffen werden.
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Da auch innerhalb des deutschen Verwirkungseinwandes zunächst immer allgemein gefragt werden sollte, ob das Vertrauen des Schuldners schutzwürdig ist,
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
und im Rahmen der dazu erforderlichen Abwägung auch subjektive Umstände beachtlich sind,194 fallen somit innerhalb der zivilrechtlichen Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs typische Beweisschwierigkeiten für eine Verwirkung ins Gewicht.195 Als Ergebnis bleibt damit Folgendes festzuhalten: Hat der Eigentümer (erstens) nicht in angemessenem Maße nach dem Verbleib seiner unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter gesucht und ist damit hinter dem notwendigen due diligence-Programm zurückgeblieben und ist (zweitens) dem Besitzer aufgrund dieser ungebührlich langen Verzögerung des Rückführungsanspruchs ein Nachteil aufgrund der besonderen Beweisschwierigkeiten entstanden, kommt dem Klagegegner der Verwirkungseinwand zugute. Dieser versagt dem Rechteinhaber die Ausübung seines (weiterhin bestehenden) Rechts, d.h. dem eigentlich restitutionsberechtigten Eigentümer die Rückführungsforderung, wobei die Verwirkung im Gegensatz zur Verjährung von Amts wegen zu berücksichtigen ist.196
§ 19 Ergebnis: Verwirkung bei ungebührlich später Forderung der Restitution und Beweisnot des Putativschuldners 113
Nach diesen Feststellungen kann die Ausgangsfrage, ob das Rechtsinstitut der Verwirkung nach den Vorgaben der amerikanischen Rechtsprechung auch innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in Deutschland einen Schutz des Putativschuldners bei unverjährbaren Restitutionsforderungen erreichen kann, ohne weiteres mit „Ja“ beantwortet werden. Prämisse der voranstehenden Untersuchungen war, dass allein der Schutz eines Putativschuldners vor einer Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen ein zu rechtfertigender Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der Verjährung blieb. Erst nach Eintritt der Verjährung konnte der schutzwürdige gutgläubige Erwerber oder Eigenbesitzer sicher sein, dass ihm niemand mehr seine Rechte streitig macht. Das Risiko, dem wahren gutgläubigen Erwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bösen Glauben entgegenzuhalten, ist nicht von der Hand zu weisen: Nach Abschaffung der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche de lege ferenda hat aufgrund der Provenienzerforschungsobliegenheit und der Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Berechtigtenposition des Veräußerers der potenzielle Restitutionsschuldner seine Gutgläubigkeit auch noch nach mehr als 30 Jahren nachzuweisen. Da der Erwerber kultureller Wertgegenstände aufgrund der Vermutung der Bösgläubigkeit zusätzlich auch den Nach194
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Vgl. Looschelders/Olzen in Staudinger – BGB: Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Einl zu §§ 241 ff., 241–243, 2005, § 242, Rdnr. 311. So ausdrücklich OLG München, Entscheidung des 19. Zivilsenats vom 17.11.2005, Az: 19 U 2487/05, ZIP 2006, S. 1439, WM 2006, 523–526. Vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1 Allgemeiner Teil, 1. Halbband: §§ 1–240, ProstG, 5. Aufl. 2006, Vor § 194, Rdnr. 13–14.
§ 19 Ergebnis: Verwirkung: verspätete Forderung und Beweisnot des Schuldners
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weis seiner Gutgläubigkeit vor Gericht zu erbringen hat, verstärkt sich die Gefahr einer Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen. Für diese Ausnahmesituation fehlender Beweismöglichkeiten bietet jedoch nicht das Rechtsinstitut der Verjährung, sondern die richtig verstandene Anwendung der Grundsätze der Verwirkung eine angemessene Abwägungsentscheidung, in der nicht nur die Redlichkeit des potenziell restitutionspflichtigen Erwerbers und Besitzers in die Entscheidungsfindung eingestellt wird, sondern auch die Mindestverhaltensanforderungen an den Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Beachtung finden, wenn dieser ungebührlich lange mit seiner Restitutionsforderung zuwartete. Eingangs der voranstehenden Untersuchungen wurde festgestellt, dass in kulturellen Restitutionsverfahren in steigendem Maße auch auf Seiten der ursprünglichen Eigentümer kulturgüterspezifische due diligence-Anforderungen in Form von Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen verlangt werden, möchten diese nicht der Gefahr einer rechtsmoralischen Präklusion ihrer Restitutionsansprüche begegnen. Die aktuelle Tendenz – bspw. innerhalb des amerikanischen Rechtsraums als mit Abstand stärkstem Kunsthandelsplatz der Welt – entwickelt sich immer deutlicher in Richtung einer judikativen Abwägungsentscheidung als „multi-factor balancing of all the equities“ 197, in die sowohl das Verhalten der gutgläubigen Erwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als auch der restitutionsberechtigten Eigentümer eingestellt werden muss: So hat bspw. der Court of Appeals of New York in der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell zur Anwendung des Verwirkungseinwandes bestimmt, dass „[t]he conduct of both the appellant and the museum will be relevant to any consideration of this defense at the trial level“198.
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Diese Rechtseinschätzung in den Vereinigten Staaten von Amerika wurde erst jüngst wieder in der am 28.5.2009 vor dem United States District District Court of Massachusetts entschiedenen Rechtssache Museum of Fine Arts, Boston v. Dr. Claudia Seger-Thomschitz hinsichtlich der Restitutionsforderung des Oskar Kokoschka-Gemäldes ‚Two Nudes‘ (1913) (s. Abb. 40) bestätigt, das den Künstler mit seiner Geliebten, Alma Mahler, der Witwe des Komponisten Gustav Mahler, darstellt. Das Kunstwerk wurde von Oskar Reichel 1914–1915 direkt vom Künstler erworben und von diesem auf zahlreichen Ausstellungen gezeigt. In den 1920er und 1930er Jahren wurde das Gemälde erfolglos der Neuen Galerie in Wien (Inhaber Otto Kallir) zur Veräußerung anvertraut, später mit vier weiteren Kokoschka-Werken der von dem emigrierten Kallir 1938 in Paris eröffneten Galerie St. Etienne übersandt, der die Gemälde später für einen Gegenwert an die Söhne Raimund und Hans Reichel in Südamerika und den Vereinigten Staaten nach
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197
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Vgl. Bibas, The Case Against Statutes of Limitations for Stolen Art, 103 Yale Law Journal (1994), S. 2437 ff., S. 2446. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991).
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
New York verbrachte – eine mögliche Zwangs-, Drohungs- oder Gewalteinwirkung auf die Entscheidung Reichels konnte bis heute nicht nachgewiesen werden. Das Gemälde wurde an zwei weitere Galerien in New York und 1947 oder 1948 an Sarah Reed Blodgett (später bekannt als Sarah Reed Platt) veräußert, die das Gemälde ihrerseits im Jahre 1973 dem Museum of Fine Arts in Boston als Nachlass vermachte. Seit diesem Zeitpunkt wurde das Gemälde in zahlreichen Publikationen veröffentlicht und nahezu durchgängig in dem Museum öffentlich ausgestellt, ohne dass das Gemälde von den Söhnen Reichels zurückgefordert wurde. Dr. Seger-Thomschitz, eine Nichte Raimund Reichels, forderte im März 2007 (d.h. 68 Jahre nach der Veräußerung an Kallir) die Restitution des Gemäldes. 116
Der United States District District Court of Massachusetts bestätigte die ständige Rechtsprechung und bestimmte, dass das Museum of Fine Arts nicht zur Restitution des Gemäldes verpflichtet ist und Eigentum an den Objekt innehat. Das Gericht stellte in seiner Entscheidung insbesondere heraus, dass anzunehmen sei, dass die Nachfahren Oskar Reichels schon Jahrzehnte vor der Rückgabeaufforderung Dr. Seger-Thomschitzs im Jahre 2007 die Restitution des Gemäldes verlangt hätten, wenn diese davon ausgegangen wären, dass Gründe für eine Infragestellung der im Jahre 1939 erfolgten Veräußerung vorgelgen hätten. Aus diesen Gründen hindere die statute of limitations eine Restitutionsforderung heute. Das Gericht begründete seine Entscheidung außerdem damit, dass Dr. Seger-Thomschitz selbst zu lange mit ihrer Rückgabeaufforderung gegenüber dem Museum zuwartete, nachdem sie von den Tatsachen erfuhr, die möglicherweise eine Restitution begründen könnte. So führte das Gericht aus, dass „although the Reichel family never claimed compensation for any of the Kokoschka works that had been transferred to Kallir for sale, it did claim restitution for artwork and property that had been stolen by the Nazis. … [T]he Reichel family never attempted to recover the painting after WWII, and there is no evidence that it believed the transfer was not legitimate. … The evidence is undisputed that the members of the Reichel family had sufficient knowledge of Reichel’s ownership and transfer of the painting. … Dr. Seger-Thomschitz also waited more than three years to assert her claim after she was on inquiry notice of her possible right to the Painting. … The information necessary to pursue her claim was readily available to both [Dr. Seger-Thomschitz] and her counsel at that time. … [T]he delay in bringing suit will prejudice the MFA because all of the witnesses with actual knowledge of the transfer are deceased. … Any claim by Dr. Seger-Thomschitz that Oskar Reichel was misled when he transferred the painting to Otto Kallir in 1939 was pure speculation.“ 199
199
Zitiert bei http://www.mfa.org/dynamic/sub/ctr_link_url_8434.pdf.
§ 19 Ergebnis: Verwirkung: verspätete Forderung und Beweisnot des Schuldners
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Auch wenn internationale, kulturgüterspezifische Rechtsinstrumente bisher auf die Rechtsgedanken der Verwirkung und spezieller due diligence-Anforderungen kultureller Eigentümer noch nicht Rekurs nehmen, dürfen auch innerhalb des deutschen Rechtskreises spezielle Sorgfaltsbemühungen auf Seiten der ursprünglichen Eigentümer als wirksames Rechtsinstrument zur Balance der widerstreitenden Interessen zwischen zwei prinzipiell redlichen Parteien heute nicht mehr unberücksichtigt bleiben. Hat der Eigentümer seine speziellen Sorgfaltsanforderungen zur Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und deren Besitzer nicht angemessen gewahrt und stellt sich die verspätete Geltendmachung des Restitutionsanspruchs des Eigentümers deshalb als mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Illoyalität des Eigentümers gegenüber dem grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzer dar, hat der Eigentümer seinen Restitutionsanspruch verwirkt. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung verlangt ein Verwirkungseinwand damit erstens eine längere Zeit der Untätigkeit des Eigentümers, obwohl er sein Recht hätte geltend machen können, und zweitens muss die Geltendmachung der Rechtsposition für den Schuldner auf Grund des gesamten Gläubigerverhaltens unzumutbar sein.
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Gewiss hat der Eigentümer ohne konkreten Verdacht im Grundsatz keine bestimmten Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich des Verbleibs ‚seiner‘ Kulturgüter einzuhalten, um nicht der Rechte aus seiner Eigentumsposition verlustig zu gehen. Jeder Eigentümer kann nämlich grundsätzlich zuwarten, bis die Sache wieder aufgefunden wird, und dann die Herausgabe des Gegenstandes auf Grundlage seiner Eigentumsposition verlangen. Überprüfungsobliegenheiten des Eigentümers höhlen eigentlich die Befugnisse des Eigentumsrechts als umfassendes Herrschaftsrecht an einer Sache und die negative Wirkung des § 903 BGB, die Einwirkung Fremder auf die Sache auszuschließen, aus. Es ist jedoch anerkannt, dass die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB eine Beschränkung der Eigentümerbefugnisse erlauben. Entsprechend der Begründung spezieller Provenienzerforschungsanforderungen auf Seiten gutgläubiger Erwerber lässt sich auch für den kulturellen Eigentümer nach einem unrechtmäßigen Entziehungsakt die Formulierung spezieller Sorgfaltsobliegenheiten ausnahmsweise zugunsten des Kulturgüterschutzes und der Lauterkeit des deutschen Kunsthandelsplatzes aus Billigkeitsgründen rechtfertigen. Der (inter-)nationale Kulturgüterverkehr zählt bekanntlich sowohl in den allgemeinen zivilrechtlichen Kommentierungen als auch in der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik als besonders gefahranfälliger Geschäftsbereich.200 Auch ist es dem kulturellen Eigentümer
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So hat Quack innerhalb seiner Kommentierung des gutgläubigen Fahrniserwerbs im Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch den Kunsthandel ausdrücklich als Beispiel für eine verkehrstypische Gefahrsituation des illegalen Transfers unrechtmäßiger Gegenstände neben dem Gebrauchtwagenhandel bezeichnet (ausdrücklich Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 6 Sachenrecht: §§ 854–1296, 4. Aufl. 2004, § 932, Rdnr. 41–48). Auch Wiegand nennt innerhalb der Staudinger-Kommentierung zu
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
zumutbar, die inzwischen hoch sensibilisierten und präzisierten Informationspools illegal transferierter Kulturgüter zu kontaktieren und eine einfache, schnelle, praktikable und (verhältnismäßig) kostengünstige Registrierung und Verlustmeldung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vorzunehmen. 119
Die besondere Effektivität solcher Datenbanken wird erst bei der Statuierung wechselseitiger Sorgfaltsanforderungen sowohl auf Seiten der gutgläubigen Erwerber hinsichtlich der Provenienzerforschung und andererseits auf Seiten der Eigentümer in der möglichst umfassenden Publikation kultureller Verluste erreicht. Darauf weisen auch Reutter und Wieser hin: „Im Gegenentwurf zum [Schweizer] Kulturgütertransfergesetz wurde vorgeschlagen, dass ein Erwerber vor dem Kauf eines Kulturgutes zu einem 25.000 Franken übersteigenden Preis bei einer zu bezeichnenden Auskunftsstelle nachzufragen habe, ob das Kulturgut als gestohlen gemeldet sei. Im Falle der Unterlassung der Nachfrage wäre dem Erwerber der gute Glaube abgesprochen worden; als Folge davon hätte das Kulturgut zeitlich unbeschränkt und ohne Entschädigungspflicht abgefordert werden können. Eine analoge Bestimmung fehlt im neuen Kulturgütertransfergesetz. Würde aber eine Pflicht des Käufers, sich über die Herkunft des Kulturgutes zu informieren, mit der Pflicht des Eigentümers verknüpft, einen Diebstahl an dieselbe Auskunftsstelle zu melden, könnte eine Vielzahl der sich in Zukunft wohl stellenden Probleme vermieden werden. Dass weder die eine noch die andere Pflicht in das Kulturgütertransfergesetz Eingang gefunden hat, ist zu bedauern. Es wird sich zeigen, ob die Nachfrage bei einer Datenbank, wie sie auch in anderen internationalen Übereinkommen enthalten ist, durch die Praxis der Gerichte einen höheren Stellenwert erhält. Unabhängig davon ist jedem Erwerber eines Kulturgutes eine Nachfrage bei einem solchen Register zu empfehlen, da dies später für den Nachweis der Gutgläubigkeit hilfreich sein kann.“ 201 Für ein Register für Kunstgegenstände plädiert auch Schack, in das sich auf freiwilliger Basis die Eigentümer wertvoller Kunstgegenstände eintragen lassen könnten. Ziel sei danach nicht, die Übertragung des Eigentums von einer zwingenden Registereintragung abhängig zu machen (wie etwa für das deutsche Grundbuch § 873 BGB), sondern allein den guten Glauben desjenigen zu zerstören, der die Sache von einem nicht als Eigentümer Eingetragenen erworben hat.202
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der Frage der generellen Nachforschungsobliegenheiten gutgläubiger Erwerber kultureller Wertgegenstände den Kunsthandel als verkehrstypische Gefahrensituation exempli causa (Wiegand in Staudinger – BGB: Buch 3 Sachenrecht, 2004, § 932, Rdnr. 132–133). Reutter/Wieser, Der Handel mit der Gutgläubigkeit, Schweizer Monatshefte, Nr. 3/4 (2005), S. 29–34, S. 34. Vgl. Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1441.
§ 19 Ergebnis: Verwirkung: verspätete Forderung und Beweisnot des Schuldners
In zahlreichen Fallkonstellationen wurde ersichtlich, dass eine Meldung der unrechtmäßigen Entziehung und die Einhaltung von Mindestsorgfaltsanforderungen der im (inter-)nationalen Kunsthandel Beteiligten einen illegalen Transfer verhindert hätte.203 Innerhalb der Rechtssache Kunstsammlungen zu Weimer v. Elicofon 204 wäre die Eigentumsstellung der Kunstsammlungen zu Weimer an den beiden Dürer-Porträts, die von einem amerikanischen Soldaten auf deutschem Territorium zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gestohlen wurden, bei Einsichtnahme in den Katalog deutsche Kulturgutverluste aufgrund des Zweiten Weltkriegs, der heute innerhalb der Historic Art Theft Database von Trans-Art durchsucht werden kann, erkennbar gewesen. Darin war auch ein Paradeschild aus dem 16. Jahrhundert verzeichnet, das während Andauer des Zweiten Weltkriegs aus einem italienischen Museum abhandenkam und im Jahre 1996 aus dem Bestand des Museum of Modern Art in New York herausverlangt wurde.205 Bei Einsichtnahme in den Katalog deutsche Kulturgutverluste aufgrund des Zweiten Weltkriegs bzw. in die Historic Art Theft Database von Trans-Art wäre bereits frühzeitig und nicht erst anlässlich einer Auktion bei Sotheby’s im Jahre 1997 erkannt worden, dass ein Gemälde von Tischbein einem deutschen Museum während der Besetzung Deutschlands innerhalb des Zweiten Weltkriegs abhandengekommen war.206 Das Gesagte gilt auch für den Erwerb eines BoticelliGemäldes, das zur Zeit des Zweiten Weltkriegs aus dem Bestand eines jüdischen Sammlers unrechtmäßig entzogen wurde.207 Auch wäre dem Metropolitan Museum of Art in New York beim Erwerb eines Gemäldes aus dem 15. Jahrhundert nach Anfrage bei der Historic Art Theft Database bekannt geworden, dass das Gemälde zur Zeit des Zweiten Weltkriegs aus dem Bestand eines staatlichen Museums Belgiens abhandengekommen war und in einem Verzeichnis belgischer Kulturgutverluste aufgrund des Zweiten Weltkriegs vermerkt war.208 Innerhalb der Rechtssache Autocephalous Greek Church v. Goldberg 209 hätte eine Nachfrage bei Museen mit vergleichbaren zypriotischen Mosaiksammlungen, bei Experten byzantinischer Mosaiken und bei internationalen Kunstjournalisten hinsichtlich der Eigentumsstellung des Veräußerers der wertvollen Mosaiken zu der Erkenntnis geführt, dass diese aus einer Kirche im nördlichen Teil Zyperns einige Jahre
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Vgl. die im Folgenden beispielhafte Auflistung unter http://www.bentoni.com/ta/web7_ certificate.html. Kunstsammlungen Zu Weimer v. Elicofon, 536 F.Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981). Vgl. Art Newspaper, December 1996 at 35. Vgl. Span, A bird in the Hand: Stolen German Work Returned After 50 Years, The Washington Post, February 5, 1997, C1. Vgl. Robinson, An Ignominious Legacy: Evidence Grows of Plundered Art in U.S., The Boston Globe, April 25, 1997, A1. Vgl. Robinson, An Ignominious Legacy: Evidence Grows of Plundered Art in U.S., The Boston Globe, April 25, 1997, A1. Autocephalous Greek Church v. Goldberg, 717 F.Supp. 1374 (S.D. Ind. 1989), aff’d 917 F.2d 278 (7th Cir. 1990).
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
zuvor gestohlen worden waren. Aufgrund der Nachfrage eines Kunsthändlers bei Mozart- und Wagner-Experten beim Erwerb von seltenen Manuskripten Mozarts und Wagners, die zuvor aus der New York Public Library durch einen Angestellten gestohlen worden waren, stellte sich der Diebstahl heraus und die Dokumente konnten an die New York Public Library rückgeführt werden.210 Ohne diese Nachfrage durch den Händler wären diese wertvollen Manuskripte möglicherweise gänzlich im Schwarzmarkt verschwunden. Auch in dem Fall der Restitutionsbemühungen des Phillips Museums hinsichtlich eines bereits 37 Jahre zuvor erfolgten Diebstahls eines Paul Klee-Gemäldes aus dem Bestand eines gutgläubigen Erwerbers hätte dieser beim Erwerb des Kunstwerks die Nichtberechtigung des Veräußerers durch Nachfrage bei der Paul Klee-Stiftung erfahren, die als führende Informationsquelle im Zusammenhang mit Klee-Gemälden gilt und bei der der Diebstahl gemeldet worden war. Auch das Seattle Art Museum hätte bei Annahme der Schenkung des Matisse-Gemäldes ‚Odalisque‘ auf Nachfrage bei der Matisse-Stiftung als führende Expertin von Werken dieses Künstlers davon erfahren, dass das Kunstwerk dem jüdischen Eigentümer Paul Rosenberg während der Besetzung des französischen Territoriums zur Zeit des Zweiten Weltkriegs durch die deutschen Truppen unrechtmäßig entzogen worden war.211 Das Gesagte gilt entsprechend auch für den Erwerb illegal exportierter Kulturgüter: So hätte das Boston Museum of Fine Arts beim unentgeltlichen Erwerb archäologischer Artefakte der Maya-Kultur aufgrund einer Nachfrage bei der Regierung des Ursprungsstaates Guatemala oder bei einem Maya-Experten erfahren, dass die Gegenstände als Teil des guatemaltekischen Kulturpatrimoniums galten und bei Kenntnis der Regierung zurückgefordert werden.212 Innerhalb der Rechtssache Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell 213 hätte eine Verifizierungsbemühung in Form der Einsichtnahme in den catalogue raisonné von Chagall zur Zuordnung des Gemäldes an das Guggenheim Museum bereits vor Abschluss des Kaufvertrags schon vor 25 Jahren geführt. Bei einer Anfrage bei dem Art Loss Register wäre innerhalb der Fallkonstellation der Entscheidung Erisoty v. Rizik 214 für den Erwerber schon vor der Akquisition ersichtlich geworden, dass das Gemälde bereits 25 Jahre zuvor gestohlen worden war. Das Auktionshaus Christie’s in New York hätte bei einer Provenienzanfrage an das Art Loss Register oder die Active Search Database der Thesaurus Group schon vor
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Vgl. hierzu Weiser, Library Porter Charged in Theft of Rare Documents, The New York Times, February 6, 1998 at A22. Vgl. Dobryzynski, A Matisse Looted in ‘41 Turns Up, The New York Times, October 21, 1997 at E2. Vgl. Yemma/Robinson, Questionable Collection, The Boston Globe, December 4, 1997 at A1. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 550 N.Y.S2d 618 (Sup. Ct. 1990), aff’d 569 N.E.2d 426 (N.Y. 1991). Erisoty v. Rizik, (E.D.PA 1995) No. 93-6215, 1995 U.S. Dist. Lexis 2096, aff’d No. 95–1807 (3rd Cir. 1996).
§ 19 Ergebnis: Verwirkung: verspätete Forderung und Beweisnot des Schuldners
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Aufnahme in den Auktionskatalog erfahren, dass der von einem amerikanischen Kunsthändler eingelieferte antike Spieltisch zuvor aus Irland gestohlen worden war.215 Ebenso wäre dem Metropolitan Museum of Art in New York bei Erwerb eines Gemäldes von Monet nach Anfrage beim Art Loss Register erkenntlich geworden,216 dass das Gemälde schon im Erwerbszeitpunkt darin als kriegsbedingt abhandengekommen verzeichnet war, im Eigentum eines individuellen Privatsammlers stand und dementsprechend nicht vom Berechtigten zum Erwerb angeboten wurde. Die Chancen der Wiederauffindung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter stehen bei wechselseitigen Sorgfaltsanforderungen in Registrierung nach dem Entzugsakt seitens des Eigentümers und Provenienzerforschung seitens gutgläubiger Erwerber durch die zentrale Registrierung der Schäden gut: Für die Effektivität des Art Loss Registers macht bspw. Seegers das Folgende geltend: „Die Datenbank bildet die Grundlage für eine systematische Überprüfung internationaler Handelsware. So werden nicht nur die Kataloge internationaler Auktionshäuser vor der Verauktionierung Los für Los mit dem ‚Negativ‘-Bestand abgeglichen (etwa jedes 4.500ste Los mündet in die Überführung gestohlener Kunst), sondern auch Ad-hoc-Anfragen zu konkreten Objekten seitens der Öffentlichkeit beantwortet (durchschnittlich jede 10. Recherche führt zu einem als gestohlen oder vermisst registrierten Gegenstand). Auch der Abgleich von Exponaten internationaler Kunstmessen mit dem Datenbankbestand, der oft innerhalb der MessejuryKommission stattfindet, steht im Kontext der Provenienzprüfung. Seit seiner Gründung konnte ALR auf diese Weise zur Identifizierung gestohlener Kunst im Gesamtwert von mehr als $ 100 Mio. beitragen.“ 217 Über bisher Gesagtes hinaus spricht für die Annahme spezieller Sorgfaltsanforderungen auch die praktische Erwägung, dass Kulturgüter aufgrund ihrer Unikatfunktion einen hohen Wiedererkennungswert besitzen und dementsprechend (manchmal erst nach einem Ablauf einer sehr langen Zeitspanne) leichter auffindbar als andere bewegliche Gegenstände sind.218
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Während einerseits gegenüber nachweisbar bösgläubigen Besitzern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter unabhängig von dem konkreten Zeitablauf und den applizierten Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer Restitutionsansprüche
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Vgl. Lewis, Stolen Klee Returned to Phillips, The Washington Post, June 18, 1997 at A1. Vgl. Robinson/Goggin, Stolen Art Claims Shake N.Y Museum, The Boston Globe, July 24, 1997 at A1. Seegers, Überprüfung von Kunstwerken und Kulturgütern: Status und Provenienz, in: Holzweißig, Sorgfaltspflichten im Kunsthandel – Qualifizierungsworkshop November 2002, 2002, S. 8. Eisen, The Missing Piece: A Discussion of Theft, Statutes of Limitations, and Title Disputes in the Art World, Journal of Criminal Law and Criminology 81 (1991), S. 1067–1101, S. 1082–1083.
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
bestehen 219 und andererseits gutgläubige Erwerber und Eigenbesitzer nach den §§ 932 ff. und 937 BGB bei Nachweis ihrer Provenienzerforschungs- und Verifizierungsobliegenheiten grundsätzlich Schutz vor Restitutionsansprüchen der Eigentümer nach spätestens zehn Jahren erfahren, ist eine wirkliche Abwägungsentscheidung praktisch nur noch dann vorzunehmen, wenn aufgrund des dem Eigentümer und Anspruchsteller vorwerfbaren langen Zeitablaufs ein Putativschuldner die Voraussetzungen für einen gutgläubigen derivativen oder originären Eigentumserwerb nicht mehr nachweisen und dementsprechend sich gegenüber einer Restitutionsforderung nicht mehr wirksam verteidigen kann.220 Dann ist die verspätete Geltendmachung des Restitutionsanspruchs mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, illoyal 221 und für den Restitutionsschuldner unzumutbar 222. Gerät der kulturelle Restitutionsschuldner aufgrund eines vorwerfbar langen Zeitablaufs des Eigentümers in Beweisnöte, sollte der Schutz des Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter überwiegen. Letztlich geht es dabei um die Abwägung der divergierenden Interessen zweier im Grundsatz (scheinbar) unschuldiger Parteien – des gutgläubigen Besitzers einerseits und des aufgrund des unrechtmäßigen Entziehungsaktes belasteten Eigentümers kultureller Wertgegenstände andererseits. Die konkreten Umstände zusammen mit der abgelaufenen Zeit müssen für eine Höherbewertung der Interessen des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers sprechen, um die Folge der Verwirkung eines grundsätzlich bestehenden Restitutionsanspruchs des Eigentümers zu rechtfertigen. 123
Bei Anwendung dieser wechselseitigen Sorgfaltsanforderungen kultureller Eigentümer und potenziell restitutionspflichtiger Besitzer befindet man sich übrigens in harmonischem Einklang mit der Rechtslage innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika, die – je nach bundesstaatlicher Ausgestaltung nach der construc-
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Gegenüber nachweisbar bösgläubigen Besitzern – unabhängig von den konkreten Sorgfaltsanforderungen der kulturellen Eigentümer – überwiegen die Rückführungsinteressen eines aufgrund eines unrechtmäßigen Entziehungsaktes belasteten Eigentümers grundsätzlich. Auch innerhalb eines Verwirkungseinwandes spricht dementsprechend schon die Erwägung gegen die Schutzwürdigkeit grundsätzlich restitutionsverpflichteter Besitzer, dass diese aufgrund ihrer Bösgläubigkeit selbst gut oder besser als der Restitutionsberechtigte in der Lage waren, die Sach- und Rechtslage zu überblicken. Vgl. die kulturgüterunspezifische Darstellung bei Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 308. Vgl. BT-Drucksache 14/7052, S. 179, darauf verweisend auch Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006, S. 393–399. Vgl. Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 305. BGH, Entscheidung des 2. Zivilsenats vom 27.06.1957, Az: II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, S. 52–53, NJW 1957, S. 1358. Vgl. auch Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241–432, 5. Aufl. 2007, § 242, Rdnr. 305.
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tive discovery rule innerhalb der Bestimmung des Verjährungsbeginns oder der demand and refusal rule innerhalb eines Verwirkungseinwandes – spezielle Sorgfaltsanforderungen an den Eigentümer und Restitutionsgläubiger mit in die richterliche Abwägungsentscheidung der Schutzbedürftigkeit redlicher Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und der grundsätzlich restitutionsberechtigten Eigentümer einbezieht. Interessanterweise würde die deutsche Ausgestaltungsweise auch insbesondere mit der Rechtslage im amerikanischen Bundesstaat New York und damit mit dem zentralen Weltkunsthandelszentrum harmonieren, die ebenfalls einen Verwirkungseinwand grundsätzlich restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber einem Rückführungsanspruch des kulturellen Eigentümers anerkennt, wenn aufgrund einer ungebührlichen Verzögerung des Restitutionsanspruchs dem Besitzer ein Schaden, Nachteil oder eine Beeinträchtigung („prejudice“) entstanden ist.223 Da innerhalb der deutschen Rechtsordnung und zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter über das Rechtsinstitut der Verwirkung keine Erfahrungswerte, Gerichtsentscheidungen und bislang keine rechtsdogmatische Auseinandersetzung stattgefunden haben, kann indiziell auf die Befunde der amerikanischen Rechtsordnung zurückgegriffen werden. Dort ist grundsätzlich der gutgläubige rechtsgeschäftliche und originäre Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ausgeschlossen (während innerhalb der deutschen Rechtsordnung der Besitzer seine Gutgläubigkeit aufrund bestehender Provenienzerforschungs- und Verifizierungsobliegenheiten nachweisen muss, um dann spätestens nach zehn Jahren Eigentum an den Kulturgütern zu erwerben) und kulturelle Restitutionsansprüche unterliegen keiner Verjährung (so die Forderung de lege ferenda auch für Deutschland), sodass das Rechtsinstitut der Verwirkung eine mit der deutschen Rechtsordnung vergleichbare Funktion der Präklusion zu weitreichender Restitutionsforderungen übernimmt. Die entscheidenden Elemente des amerikanischen Verwirkungseinwandes sind die ungebührliche Verzögerung des Klägers in der Geltendmachung einer möglichen Rechtsposition, die zu einem Nachteil, Schaden oder einer Beeinträchtigung des Schuldners geführt hat („laches as unreasonable delay by the plaintiff resulting in significant prejudice to the defendant“ 224). Die Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell 225 hat bei Anwendung der 223
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Innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs zählt nach New Yorker Rechtslage hierzu vornehmlich die Beweisnot potenziell restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund des Verlustes etwaiger Kaufurkunden von Kunstwerken, Exportpapieren oder sonstigen Schriftstücken zum Nachweis der Gutgläubigkeit des Erwerbers, des Todes entscheidender Zeitzeugen oder der unsicheren Erinnerungslage. Drum, DeWeerth v. Baldinger: Making New York a Haven for Stolen Art, New York University Law Review 64 (1989), S. 909–945, S. 913–914. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 153 A.D. 2d 143; 550 N.Y.S. 2d 618 (App.Div. 1st Dept. 1990), leave to appeal granted 554 N.Y.S. 2d 992; affirmed 77 N.Y. 2d 311; 567 N.Y.S. 2d 623; 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991).
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
demand and refusal rule bestimmt, dass mangelnde Sorgfalt des Eigentümers zwar keinen Einfluss auf den Verjährungsbeginn des Restitutionsanspruchs hat, jedoch unangemessene Lokalisierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und nachlässige Identifizierungsanstrengungen der Besitzer als Verwirkungseinwand entsprechend der defense of laches als Ausprägung des allgemeinen estoppel-Grundsatzes zu berücksichtigen sind. 125
Interessante Vorgaben für die deutsche Rechtsordnung hält zunächst die Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabs restitutionsberechtigter Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter parat („determining whether a delay is unreasonable“): Innerhalb der Bestimmung einer ungebührlichen Verzögerung kultureller Restitutionsansprüche und eines dementsprechenden Zurückbleibens hinter dem angemessenen Sorgfaltsmaßstab kultureller Eigentümer fokussierten die amerikanischen Gerichte weniger auf den Ablauf einer Zeitspanne als auf die Adäquanz der Lokalisierungsbemühungen. Das zur Entscheidung über einen laches-Einwand angerufene Gericht hat bei der Abwägung in Betracht zu ziehen, welche Maßnahmen der Eigentümer von dem Zeitpunkt der Entziehung bis zur Wiederentdeckung eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts tatsächlich zur Lokalisierung und Identifizierung unternommen hat, in welchem Maße der Eigentümer theoretisch hätte Erkundigungen einziehen können und welche Nachforschungsanstrengungen mindestens zu erwarten gewesen wären.226 Ebenso wie innerhalb der Bestimmung der konkreten Verhaltensanforderungen gutgläubiger Erwerber erfolgte auch in der Rechtssache Erisoty v. Rizik 227 innerhalb der notwendigen Sorgfaltsanforderungen kultureller Eigentümer eine Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs der professionell bzw. laienhaft am (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr Beteiligten. Zur Wahrung des Restitutionsanspruchs ist somit der spezielle Status des restitutionsberechtigten Eigentümers zu berücksichtigen. Das Gericht stellte fest: “[W]hat efforts are reasonable for an individual who is relatively unfamiliar with the art world may not be reasonable for a savvy collector, a gallery, or a museum.” 228
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Darüber hinaus halten die amerikanischen Gerichtsentscheidungen auch Anhaltspunkte für die deutsche Rechtsprechung zur Bestimmung der Unzumutbarkeit eines Restitutionsanspruchs gegenüber dem Besitzer bereit. Vergleichbare Erwägungen stellen die amerikanischen Gerichte in der Feststellung eines Nachteils, Schadens oder einer sonstigen Beeinträchtigung auf Seiten des grundsätzlich 226
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Hawkins/Rothman/Goldstein, A Tale of Two Innocents: Creating an Equitable Balance between the Rights of Former Owners and Good-Faith Purchasers of Stolen Art, Fordham Law Review 64 (1995), S. 49–96, S. 67; Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 278–291. Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996). Erisoty v. Rizik, No. Civ. A. 93-6215, 1995 WL 91406 (E.D. Pa. 1995), aff’d without opionion, 1996 U.S. App. LEXIS 14999 (3d Cir. May 7, 1996).
§ 19 Ergebnis: Verwirkung: verspätete Forderung und Beweisnot des Schuldners
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restitutionsverpflichteten Besitzers an: Eine Beweisnot potenziell restitutionspflichtiger Besitzer ist aufgrund des Verlustes etwaiger Kaufurkunden von Kunstwerken, Exportpapiere oder sonstiger Schriftstücke zum Nachweis der Gutgläubigkeit des Erwerbers, des Todes entscheidender Zeitzeugen oder der unsicheren Erinnerungslage anzunehmen. Ein Mangel an Zeugen mit persönlicher Kenntnis über den Diebstahl oder nachfolgende Veräußerungen wurde als ‚prejudice‘ in Hutchinson v. Horowitz erkannt.229 Weil eine 70-jährige Retardation des Restitutionsanspruchs die notwendige Beweisführung des aktuellen Besitzers hinsichtlich seiner etwaigen Eigentümerstellung verunmöglichte, entscheidungserhebliche Zeugen wie Dokumente nach einer so langen Zeitspanne unauffindbar waren und Erinnerungen verblassten, qualifizierte auch das Gericht in der Rechtssache Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s, Inc.230 fehlende Möglichkeiten zum Nachweis eines gutgläubigen Eigentumserwerbs des grundsätzlich restitutionspflichtigen Beklagten als ‚prejudice‘. Eine Beeinträchtigung ist darüber hinaus bei einer wesentlichen Änderung der Rechts- oder Tatsachenposition des potenziell restitutionspflichtigen Besitzers anerkannt. Möglicherweise könnte auch die Konstellation sog. ‚lost opportunity costs‘ innerhalb des deutschen Verwirkungseinwandes als Nachteil qualifiziert werden. Eine Restitutionsforderung wäre dann unzumutbar, wenn ein Museum von dem Erwerb ähnlicher Kulturgüter – wie der in dem Restitutionsverfahren beanspruchten – absah, weil es berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass es bereits mit dem in Streit stehenden Gut ein für die Klasse repräsentatives Werk in der Sammlung aufgenommen hat. Bspw. könnte sich der Einwand der Verwirkung auch dann hören lassen, wenn dem restitutionspflichtigen Beklagten deshalb ein rechtlicher Nachteil aus der verzögerten Restitutionsklage des ursprünglichen Eigentümers entstanden ist, weil sich der redliche, jedoch zur Restitution verpflichtete Erwerber des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts gegenüber seinem ursprünglichen Veräußerer aufgrund des Ablaufs einer besonders langen Zeitspanne nicht mehr schadlos halten kann. Das Rechtsinstitut der Verwirkung erreicht damit auch innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in Deutschland einen angemessenen Schutz des Putativschuldners bei unverjährbaren Restitutionsforderungen. Dabei sollte die Beweislast angemessener und verhältnismäßiger Sorgfaltsanstrengungen des Eigentümers in Lokalisierung ‚seiner‘ unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und in Identifizierung der aktuellen Besitzer auf Seiten des Restitutionsgläubigers und Eigentümers liegen, da nur dieser ausreichende tatsächliche Möglichkeiten zu diesem Nachweis besitzt – nur er kann sein Verhalten hinreichend vor Gericht plausibel machen. Der potenziell restitutions-
229 230
Hutchinson v. Horowitz, No. 604942/47 (N.Y Sup. Ct. Jan. 8, 1999). Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s, Inc., 1999 WL 673447, 1999 U.S. Dist. LEXIS 13257 (S.D.N.Y 1999).
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6. Teil: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche
pflichtige Besitzer hat somit vor Gericht allein darzulegen, dass der Eigentümer Lokalisierungs- und Identifizierungsanstrengungen aufgrund der Entziehung eines Kulturguts vorzunehmen hat, während der Letztgenannte dann seine Sorgfaltsbemühungen nachzuweisen hat. Damit ist ein System erreicht, das sich an den tatsächlichen Möglichkeiten orientiert und einen fairen Ausgleich zur Nachweispflicht der Redlichkeit des gutgläubigen Erwerbers schafft – ein ausgewogenes System ohne Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Intervention! Die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ermöglicht so eine faire Risikoverteilung der Gefahren des illegalen Kunsthandels (vgl. zu einer ausführlichen Zusammenfassung der sich den professionell und laienhaft im Kunsthandel Tätige stellenden Risiken sogleich den 7. Teil).
7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel Jedem professionell im (inter-)nationalen Kunsthandel beteiligten Museum, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshaus muss ebenso wie jedem individuellen Privatsammler deutlich gemacht werden, welchen gravierenden Risiken sich die Beteiligten bei einem Zurückbleiben hinter dem notwendigen Verhaltensprogramm aussetzen.1 Bei den Gefahren des illegalen Kulturgüterverkehrs geht es an dieser Stelle weniger um den präventiven Schutz eigener Sammlungen vor rechtswidrigen Entziehungsakten aus praktischen Gesichtspunkten, sondern in erster Linie um das Risiko des Erwerbs zuvor unrechtmäßig entzogener und in der Folge illegal transferierter Kulturgüter und um die aus der Einordnung solcher Gegenstände in die eigenen Sammlungen resultierenden Konsequenzen.2 Für alle im Kunstmarkt Beteiligten ist der Erwerb solcher Objekte mit gravierenden wirtschaftlichen wie rechtlichen Folgen behaftet, die wiederholt anhand der Fallkonstellation der gestohlenen Engel innerhalb der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.3 aus dem Jahre 1990 dargestellt werden.
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In der Entscheidung mussten die angerufenen Gerichte bekanntermaßen zu den fraglichen Eigentumsverhältnissen an vier kulturell wie materiell außerordentlich wertvollen byzantinischen Mosaiken Stellung nehmen, die aus einer griechisch-orthodoxen Kirche im nördlichen und von der Türkei besetzten Gebiet der Republik Zypern von den Wänden einer außer Dienst gestellten Kirche gelöst, von dort gestohlen, anschließend entgegen den zypriotischen Kulturschutzbestimmungen nach Deutschland transferiert und später in der Freihandelszone des Genfer Flughafens an die Kunsthändlerin Peg Goldberg aus Indiana veräußert wurden. Die Beklagte Peg Goldberg transferierte daraufhin die byzantinischen Mosaike auf das Territorium der Vereinigten Staaten, um sie später dort zu veräußern. Damit steht die Konstellation der gestohlenen Engel
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Vgl. auch Dugot, Restitution and the art market: Partners in the ongoing challenge, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Verantwortung wahrnehmen. NS-Raubkunst – Eine Herausforderung an Museen, Bibliothek und Archive (Symposium am 11. und 12. Dezember 2008), 2009, S. 247–270; Tatzkow, Raubkunst im Kunsthandel, in: Schoeps/Ludewig, Eine Debatte ohne Ende? Raubkunst und Restitution im deutschsprachigen Raum, 2007, S. 59–82. Schönenberger, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstwerke? – Ein rechtsvergleichender Überblick; in: Kunst & Recht: Schwerpunktthemen für den Kunstsammler, Schriftenreihe der AXA Art Versicherung AG, 2007, S. 43–51, S. 44. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc., 717 F. Supp. 1374, auf S. 1393 ff.; 917 F. 2d 278 (7th Cir. 1990) auf S. 286 ff.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
stellvertretend für unzählige weitere, sich tagtäglich ereignende Erwerbungen archäologischer Objekte. Die im (inter-)nationalen Kunstmarkt beteiligten Museen, Galeristen, Kunsthändler, Auktionshäuser und Privatsammler müssen sich bei jeder Transaktion archäologischer Artefakte und sonstiger Kunst- und Kulturgüter die Frage stellen und gefallen lassen, ob sie sich beim Erwerb redlich verhielten. Bleiben sie hinter dem notwendigen Sorgfaltsprogramm zurück, drohen zahlreiche Gefahrsituationen für die Beteiligten, die sehr unterschiedliche Sanktionen nach sich ziehen können. Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
Restitutionspflicht unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach unsorgfältigem Erwerb
Recht auf Kompensationszahlung innerhalb eines sog. Lösungsrechts nach der Restitution illegal transferierter Kulturgüter
Gefahr wirtschaftlicher Entwertung illegal transferierter Kulturgüter und großer Reputationsverluste kultureller Institutionen
Sorgfältige Provenienzerforschung schützt vor der Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen bei Weiterveräußerung
Mindestverhaltensanforderungen schützen vor strafrechtlichen Sanktionen beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter
Bußgeldbewehrte Mindestverhaltensanforderungen, Sorgfalts- und Aufzeichnungspflichten der professionell am Kunsthandel Beteiligten
Erfüllung der selbstauferlegten Erwerbsregeln und Verhaltensstandards bei Einhaltung der notwendigen Sorgfaltsanforderungen
Ausschluss kultureller Restitutionsansprüche bei unsorgfältigem Verhalten der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter?
Schema 15 – Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
1. Abschnitt Restitutionspflicht unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach unsorgfältigem Erwerb Größte Gefahr beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter stellt für alle professionell wie laienhaft im (inter-)nationalen Kunstmarkt Beteiligten die Pflicht zur Restitution unrechtmäßig entzogener Gegenstände an den wahren Eigentümer dar. Es droht also die Gefahr, dass bei der Veräußerung illegal transferierter Kulturgüter vom Erwerber nur die Besitzposition erlangt wird, jedoch kein Eigentumserwerb erfolgt und sich die ursprünglichen Eigentümer somit auch weiterhin auf ihre fortbestehende Rechtsposition gegenüber einem Besitzer berufen können. Der Erwerb bedeutsamer Kulturgüter ist regelmäßig mit großen Kosten verbunden und nach einer Restitution eines Kulturguts an den wahren Berechtigten bleibt der Erwerber häufig auf seinem Schaden sitzen. Über den finanziellen Nachteil hinaus ist der kulturelle Verlust für einzelne Museen und Sammler teilweise noch schwieriger zu verkraften. Ordnen somit die am Kunstmarkt Beteiligten zuvor unrechtmäßig entzogene Kulturgüter in ihre Sammlungen ein oder wollen sie diese im internationalen Kunstmarkt weiterveräußern, droht regelmäßig die Gefahr, ihres Gutes verlustig zu gehen, wenn der wirklich Berechtigte, der ursprüngliche Eigentümer oder der kulturelle Ursprungsstaat, von dem Aufenthaltsort des Werkes Kenntnis erlangt und die Restitution aufgrund seiner fortbestehenden Rechtsposition gegenüber dem Erwerber verlangt, der möglicherweise nur den Besitz, nicht jedoch die Eigentumsposition erlangte. Auch innerhalb der Konstellation der gestohlenen Engel lag ein Anspruch der griechisch-orthodoxen Kirche Zyperns sowie des griechisch-zypriotischen Staates der Republik Zypern auf Herausgabe der Panagía Kanakariá-Mosaiken zugrunde, die aus dem sechsten Jahrhundert n. Chr. stammten und die Apsis der Kirche der Panagia Kanakaria in Lythrankomi im türkisch besetzten nördlichen Teil Zyperns vor ihrem Diebstahl schmückten.4
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Die Einhaltung der notwendigen Sorgfaltsanforderungen übernimmt bereits präventiv die Funktion, vor dem Erwerb ‚belasteter‘ und mit dem Makel der Illegalität behafteter Kunstwerke zu schützen und bewahrt vor den weiteren negativen Folgen. Darüber hinaus können den Sorgfaltsanforderungen aber auch konkrete rechtliche Folgen zukommen. In einigen Rechtsordnungen ist der Erwerb auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter möglich, wenn der Käufer redlich agierte und die – je nach der jeweiligen Rechtsordnung notwendigen – Sorgfaltsanforderungen wahrte. Das hat zur Folge, dass unter Geltung solcher Grundsätze nur
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Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 554.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
der unredliche Erwerber der Gefahr einer Restitution ‚seiner‘ neu erworbenen Kunstwerke ausgesetzt ist, während der Gutgläubige vor etwaigen Rückforderungsansprüchen gefeit ist. Dabei ist unerheblich, über welches konkrete Rechtskonstrukt innerhalb der anwendbaren Zivilrechtsordnung die sachenrechtliche Zuordnung erfolgt. Während – sehr stark verallgemeinert – innerhalb des Civil Law-Rechtskreises bspw. die Zuordnung auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter regelmäßig mittels der Rechtsinstitute des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs oder der originären Eigentumsersitzung erfolgt, lösen bspw. die Zivilrechtsordnungen der Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika den Widerstreit zwischen den Interessen der ursprünglichen Eigentümer und der gutgläubigen Erwerber über die Rechtsgrundsätze der Verjährung und Verwirkung und fragen dort nach der Redlichkeit der beteiligten Personen. In praktisch allen Gerichtsentscheidungen, die Fragen der Restitution zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter betrafen, – unabhängig davon, ob die Richter den Grundsätzen des Civil oder Common Law-Rechtskreises folgten – wurde eine Entscheidung über die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erst nach einer Untersuchung der Verhaltensweisen der betroffenen Parteien und der Redlich- sowie Gutgläubigkeit getroffen. 5
Auch innerhalb der Konstellation der gestohlenen Engel wurde den Ausführungen entsprechend eine Untersuchung der Redlichkeit der Erwerberin Goldberg notwendig: Eigentümerin der Mosaiken war innerhalb der vorliegenden Beispielskonstellation ursprünglich die Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus, deren Rechtsposition weder durch das Ablösen der Mosaiken von den Wänden noch durch den Diebstahl und illegalen Export aus dem Territorium Nordzyperns beeinträchtigt wurde. Nach den Sachenrechtsregeln zahlreicher Staaten ist eine zivilrechtliche Restitution jedoch nur dann möglich, wenn der ursprüngliche Eigentümer seine Rechtsposition an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut nicht durch einen derivativen oder originären Eigentumserwerb im Wege der Ersitzung verloren hat und der kulturelle Restitutionsanspruch auf der Basis der fortbestehenden Eigentumsposition nicht verjährt ist. In dem Fall der gestohlenen Engel erlangte somit die Frage des Eigentumsverlustes der Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus einmal aufgrund einer möglichen Ersitzung der Mosaiken nach dem Transfer aus dem Territorium Nordzyperns nach München aufgrund eines gutgläubigen zehnjährigen Eigenbesitzes als auch bei der Veräußerung innerhalb der Freihandelszone des Genfer Flughafens nach den Regeln des gutgläubigen derivativen Erwerbs der Schweizer Rechtsordnung rechtliche Relevanz.5 Sowohl der rechtsgeschäftliche als auch der originäre
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In den Konstellationen der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände ist das Kulturgut in aller Regel entsprechend den Ausführungen zur deutschen Rechtsordnung dem Eigentümer abhandengekommen, da der unmittelbare Besitzer ohne seinen Willen den Besitz an dem entzogenen Kulturgut verloren hat. In diesen Fällen sieht das schweizerische Recht
1. Abschnitt: Restitutionspflicht unrechtmäßig entzogener Kulturgüter?
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Eigentumserwerb setzen jedoch immer die Gutgläubigkeit des Erwerbers bzw. Eigenbesitzers voraus, sodass die Einhaltung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs der Erwerberin Goldberg über die Frage der Restitution oder das Behaltendürfen der Mosaiken entscheidet. Hier musste dementsprechend untersucht werden, welche Sorgfaltsanforderungen im Speziellen an die Redlichkeit gutgläubiger Erwerber gestellt werden. Das Gericht hatte zu fragen, ob Goldberg in der vorliegenden Konstellation auf den Rechtsschein des Besitzes der Veräußerer und deren Ausführungen hätte vertrauen dürfen, oder ob nicht weitergehendere Provenienzerforschungsanstrengungen vorzunehmen gewesen wären. Bevor Goldberg die Mosaiken erwarb, erkundigte sie sich bei der UNESCO sowie der International Foundation for Art Research, einer privaten Organisation, die Informationen über gestohlenes Kulturgut sammelt, sowie bei den amerikanischen, deutschen, Schweizer und türkischen Zollbehörden, die allesamt keine negative Provenienz der Mosaiken auf telefonische Nachfrage feststellen konnten. Schriftliche Nachweise für diese Bemühungen fehlten vor Gericht. Fraglich war für die Richter auch, ob Goldberg aufgrund ihrer Händlereigenschaft möglicherweise weitergehendere Sorgfaltsanstrengungen hinsichtlich der Eigentümerstellung des Veräußerers zu unternehmen hatte, um als gutgläubig zu gelten. Goldberg unterließ jedoch weitere Erkundigungen bei der (griechischen) Republik Zypern, der griechisch-orthodoxen Kirche oder dem im Nordteil gegründeten türkischen Teilstaat.6 Vor Gericht könnte es aber beachtlich sein, dass Goldberg wusste, dass die Mosaiken aus dem von Kriegswirren heimgesuchten Zypern stammten, dass Mosaiken, die an Wänden angebracht wurden, im Allgemeinen äußerst selten im internationalen Kunsthandel aufzufinden sind, dass der Unterschied zwischen dem Erwerbspreis von US-$ 1,08 Millionen und dem von Goldberg auf US-$ 6 Millionen geschätzten tatsächlichen Wert und dem bei der versuchten Weiterveräußerung geforderten Kaufpreis von US-$ 12 Millionen der Mosaiken hätte Verdacht erregen müssen, dass die Person des türkischen Veräußerers Dikmen sehr verdachtserregend war, dass auch die Mittelmänner, insbesondere der in Frankreich vorbestrafte Händler van Rijn, im Zusammenhang mit dem illegalen Kulturgüterverkehr ste-
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den Bestandsschutz des Eigentümers als wesentlich an, sodass selbst ein gutgläubiger Erwerber an solchen Mobilien im Grundsatz kein Eigentum begründen kann. Hat der rechtmäßige Eigentümer eines Kulturgutes somit den Besitz unfreiwillig verloren, so erwirbt der gutgläubige Erwerber dieses Objekt nach Art. 934 Abs. 1 ZGB erst nach einer Verwirkungsfrist von fünf Jahren. Damit ist der Erwerber noch für einen Zeitraum von fünf Jahren der Fahrnisbzw. Besitzrechtsklage des Eigentümers ausgesetzt. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55. Vgl. Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 554.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
hen, und dass die übertriebene Hast, mit der das Geschäft in der Freihandelszone des Genfer Flughafens abgewickelt wurde, zu Zweifeln an der legalen Herkunft der Mosaiken Anlass hätte geben müssen.7
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Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 559.
2. Abschnitt Recht auf Kompensationszahlung innerhalb eines sog. Lösungsrechts nach der Restitution illegal transferierter Kulturgüter Nachdem beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter zunächst im 1. Abschnitt für alle professionell wie laienhaft im (inter-)nationalen Kunstmarkt Beteiligten die Pflicht zur Restitution unrechtmäßig entzogener Gegenstände an den wahren Eigentümer als größte Gefahr unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kulturgüterverkehr erkannt wurde, entscheidet das Einhalten eines Mindestpflichtenprogramms auch über das Recht auf Kompensationszahlung innerhalb eines sog. Lösungsrechts nach der Restitution illegal transferierter Kulturgüter. Fragen des guten Glaubens und der Einhaltung notwendiger Sorgfaltsanforderungen und gewisser Mindestverhaltensstandards stellen sich so auch innerhalb eines sog. Lösungsrechts und des Rechts auf Kompensationszahlung des Besitzers nach der Restitution illegal transferierter Kulturgüter. Einen fairen Ausgleich zwischen dem sachlichen Bestandswahrungs- und Erhaltungsinteresse in specie des ursprünglichen Eigentümers (auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter) auf der einen und dem Akquisitionsinteresse eines gutgläubigen Erwerbers sowie dem Bedürfnis eines möglichst uneingeschränkten Warenverkehrs auf der anderen Seite suchen einige Rechtsordnungen und internationale Rechtsinstrumente des Kulturgüterschutzes in der Institutionalisierung eines sog. Lösungsrechts gutgläubiger Erwerber. Dem Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter steht danach im Grundsatz auch gegenüber einem gutgläubigen Erwerber ein Anspruch auf Restitution zu, jedoch nur bei finanzieller Kompensation der Interessen des gutgläubigen Erwerbers.
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Hier führen die Gutgläubigkeit des Erwerbers und die Einhaltung der notwendigen Sorgfaltsanforderungen nicht zu einem derivativen oder originären Eigentumserwerb an den unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern und dementsprechend zu einem Ausschluss einer möglichen Restitutionsverpflichtung an den ursprünglichen Eigentümer, sondern nur zu einem finanziellen Kompensationsanspruch gegen den Restitutionsberechtigten. Da generell der gutgläubige Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ausgeschlossen ist, werden die Interessen gutgläubiger Restitutionsschuldner somit mittels einer Entschädigungszahlung gewahrt. Heute ist die Konstruktion eines kulturellen Lösungsrechts zugunsten des Restitutionsverpflichteten im internationalen Kulturgüterrecht wohl bekannt und fand in Form der ‚payment of just compensation‘ nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970, mittels der ‚payment of fair and reasonable compensation‘ nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegal-
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
ly Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 völkervertragsrechtlich sowie in Form einer ‚angemessenen Entschädigungszahlung‘ nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 innerhalb des innereuropäischen Kulturgüterverkehrs positiv-rechtliche Fundierung. 9
Nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 sind die Vertragsstaaten zu einer Rückführung von i.S.d. Art. 7 (b) (i) unrechtmäßig transferierten Kulturgütern8 an die kulturellen Ursprungsstaaten nur unter der Maßgabe verpflichtet, dass der die Rückführung ersuchende Vertragsstaat einem gutgläubigen Erwerber oder einer Person mit einem gültigen Rechtsanspruch an dem Gut eine angemessene Entschädigung zahlt. Soweit ersichtlich, wurde die aus der UNESCO-Convention originierende Kompensationszahlungspflicht des Restitutionsschuldners bisher noch nicht vor nationalen Gerichten hinterfragt, sodass vieles hier noch im Unklaren ist. Unter Abkehr von der allgemeinen Gutglaubensvermutung zahlreicher nationaler Zivilrechtssysteme wurde auch innerhalb der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 dem Restitutionsschuldner sowohl für gestohlene als auch illegal exportierte Kulturgüter die Aufgabe der Provenienzerforschung auferlegt, möchte dieser nicht von der Möglichkeit zur Wahrung seiner zumindest finanziellen Interessen ausgeschlossen sein. Da die Gewährung einer angemessenen Entschädigung nur denjenigen schützen soll, der auch wirklich guten Glaubens ist, nicht aber denjenigen, der nachlässig ist, die Augen vor verdächtigen Umständen verschließt oder einfach keine Nachforschungen anstellt,9 statuiert die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 zum Zweck der besseren Kontrolle des Kunsthandels stark erhöhte Sorgfaltspflichten für den Kauf von Kunst- und Kulturgegenständen.10 Entsprechendes gilt für den innereuropäischen Verkehr mit i.S.d. Richtlinie unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern: Nach Art. 9 der EG-Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 gewährt das zuständige Gericht des
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Vgl. Art. 7 lit. b (ii) UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970 bezieht sich dabei nur auf die in Art. 7 lit. b (i) genannten Kulturgüter. Vgl. Turner, Das Restitutionsrecht des Staates nach illegaler Ausfuhr von Kulturgütern, 2002, S. 220; MüllerKatzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 92, unter Hinweis auf die französische Fassung. Vgl. Raschèr, Die Situation in der Schweiz. Zur Unidroit-Konvention über gestohlene und rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter, in: Flashar, Bewahren als Problem – Schutz archäologischer Kulturgüter, 2000, S. 137; Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 149–158. Vgl. Thorn, Internationaler Kulturgüterschutz nach der UNIDROIT-Konvention, 2005, S. 105–106.
2. Abschnitt: Verlust eines Kompensationszahlungsanspruchs?
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ersuchten Mitgliedstaats bei Anordnung der Rückgabe dem Eigentümer in der Höhe, die es im jeweiligen Fall als angemessen erachtet, eine Entschädigung, sofern es davon überzeugt ist, dass der Eigentümer beim Erwerb mit der „erforderlichen Sorgfalt“ vorgegangen ist. In der Richtlinie wird bewusst nicht der Begriff der ‚Gutgläubigkeit‘, sondern der ‚erforderlichen Sorgfalt‘ gebraucht, da nicht die innerhalb der nationalen Zivilrechtsordnungen unterschiedlich ausgeformte präjudizielle Wirkung der Terminologie ‚Gutgläubigkeit‘ in die Entschädigungsleistung übertragen werden sollte. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung konnten die genannten kulturgüterspezifischen Regelwerke auf die Erfahrungen bspw. der französischen und Schweizer Rechtsordnung zurückgreifen: Zwar ermöglicht Art. 2279 Abs. 1 des Code civil français entsprechend dem Grundsatz „en fait de meubles la possession vaut titre“ den sofortigen gutgläubigen Eigentumserwerb an beweglichen Sachen vom Nichtberechtigten kraft Gesetzes.11 Eine Ausnahme besteht jedoch nach Art. 2279 Abs. 2 des Code civil français für den Fall, dass der (kulturelle) Gegenstand dem Eigentümer unfreiwillig entzogen („désaisissement involontaire“) wurde. In diesem Fall muss auch der gutgläubige Erwerber das zuvor unrechtmäßig entzogene Kulturgut während einer Frist von drei Jahren an den ursprünglichen Eigentümer wieder herausgeben, während für einen bösgläubigen Besitzer die gewöhnliche 30-jährige Verjährungsfrist für Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter12 nach Art. 2262 des Code civil français 13 gilt.14 Ist der aktuelle Besitzer jedoch zur Restitution eines (Kultur-)Guts verpflichtet, dann bietet ihm das französische Recht für den Fall des Erwerbs unter besonders vertrauenerweckenden, privilegierten Umständen die Möglichkeit, nach Art. 2280 Abs. 1 des Code civil français ein Lösungsrecht (sog. ‚droit de remboursement‘) zu erwerben,15 wodurch die genannte Herausgabepflicht des gutgläubigen Erwerbers während
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Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. So Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. Art. 2262 Code civil français: Toutes les actions, tant réelles que personnelles, sont prescrites par trente ans, sans que celui qui allègue cette prescription soit obligé d’en rapporter un titre ou qu’on puisse lui opposer l’exception déduite de la mauvaise foi. Nach der überwiegenden Rechtsbeurteilung ist der maßgebliche Zeitpunkt dabei allein der Abschluss des Erwerbsgeschäfts, sodass spätere Bösgläubigkeit nach dem Grundsatz ‚mala fides superveniens non nocet‘ unschädlich ist. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
der Dauer von drei Jahren wieder eingeschränkt wird.16 Wurde ein gestohlener oder abhandengekommener Gegenstand auf einer Messe („foire“) oder einem Markt („dans un marché“), bei einer öffentlichen Versteigerung („dans une vente publique“) oder bei einem Kaufmann, der mit Waren dieser Art handelt („d’un marchand vendant des choses pareilles“), (d.h. im Handelsverkehr) erworben, wird dem Erwerber ein Lösungsrecht eingeräumt, währenddessen er die Sache dem Eigentümer nur gegen Erstattung des von ihm geleisteten Kaufpreises herausgeben muss.17 Wichtigste Voraussetzung ist jedoch auch hier die Gutgläubigkeit des Erwerbers. Nur wenn dieser mit der angemessenen Sorgfalt handelte und eine der in Art. 2280 1. Halbs. des Code civil français abschließend aufgezählten privilegierten Erwerbssituationen vorliegt, die generalisierend an besonders vertrauenerweckende Erwerbsumstände anknüpft, entsteht das Lösungsrecht.18 11
Entsprechendes gilt auch innerhalb der Schweizer Privatrechtsordnung: Art. 714 Abs. 2 ZGB erlaubt zwar generell den gutgläubigen Mobiliarerwerb und damit auch den Eigentumstransfer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Hat der rechtmäßige Eigentümer eines Kulturgutes jedoch den Besitz unfreiwillig durch Diebstahl, kriegsbedingte Entziehung, eine formal ‚freiwillige‘ Veräußerung bei gleichzeitiger Drohungs-, Zwangs- oder Gewaltlage bzw. nach einer der Formen der unrechtmäßigen Verstaatlichung verloren, so erwirbt der gutgläubige Erwerber dieses Objekt nach Art. 934 Abs. 1 ZGB erst nach einer Verwirkungsfrist von fünf Jahren.19 Liegen dabei die Voraussetzungen des Art. 934 Abs. 2 ZGB und eine der Situationen des privilegierten Erwerbs in einer öffentlichen Versteigerung, „auf dem Markt“ oder „durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt“ vor, besteht nur dann eine Rechtspflicht des gutgläubigen Erwerbers auf Herausgabe der gestohlenen Mobilien gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer, wenn letzterer dem gutgläubigen Erwerber denjenigen Preis zahlt, den dieser selbst für den Erwerb des Gegenstandes zu zahlen hatte. Wichtigste Voraussetzung für ein Lösungsrecht ist auch hier wiederum die Gutgläubigkeit des Erwerbers. Ebenso wie innerhalb der französischen Rechtsordnung entsteht das Lösungsrecht nur dann, wenn der Erwerber mit der angemessenen Sorgfalt handelte und eine der abschließend aufgezählten privilegierten Erwerbssituationen vorliegt.
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Vgl. Geyrhalter, Das Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers – Ein „vergessener“ Kompromiß und die Auswirkungen auf das heutige deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts, 1996, S. 41–46. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. Vgl. Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 59–62. Vgl. Francini/Heuss/Kreis, Fluchtgut – Raubgut: Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, 2001, S. 54–55.
2. Abschnitt: Verlust eines Kompensationszahlungsanspruchs?
Bei hypothetischer Anwendbarkeit der UNESCO-Convention vom 14.November 1970, der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 bzw. der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 auf die Entscheidung Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. oder bei hypothetischer Belegenheit der zypriotischen Wertgegenstände bspw. innerhalb der französischen oder Schweizer Rechtsordnung wäre gewiss die Rückführung an den kulturellen Ursprungsstaat Zypern und die Autocephalous Greek Orthodox Church erfolgt. Wäre dabei jedoch die Gutgläubigkeit der amerikanischen Kunsthändlerin Peg Goldberg festgestellt worden, hätte Zypern eine angemessene Kompensationszahlung an die restitutionsverpflichtete Kunsthändlerin zahlen müssen, um die Rückführung verlangen zu dürfen. Die Fragen der Gutgläubigkeit und der Einhaltung angemessener Sorgfaltsanstrengungen als Voraussetzung eines redlichen Erwerbs sind somit die wichtigsten Voraussetzungen für das Entstehen eines Lösungsrechts und damit von erheblichem finanziellen Interesse für die im internationalen Kunstmarkt Beteiligten.
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3. Abschnitt Gefahr wirtschaftlicher Entwertung illegal transferierter Kulturgüter und großer Reputationsverluste kultureller Institutionen 13
In dem Moment, in dem ohne rechtmäßige Ausfuhrerlaubnis exportierte Kulturgüter auf dem Parkett des internationalen Kunstmarktes erscheinen, droht bei einer Einverleibung des Objektes in eine Privatsammlung oder bei dem Versuch einer weiteren Veräußerung innerhalb des internationalen Kulturgüterverkehrs in den meisten Konstellationen der definitive Verlust des Kulturguts für das nationale Kulturerbe des Ursprungsstaates. Auch wenn die Kulturgüterschutzgesetze zur Bewahrung und Erhaltung national bedeutsamer Kulturgüter grenzüberschreitend keinen effektiven Schutz erlangen, hat sich jedoch gezeigt, dass den Ursprungsstaaten dennoch eine interessante Handlungsmöglichkeit offensteht: Sie können nämlich versuchen, eine wirtschaftliche Entwertung von mit einem Makel der Rechtswidrigkeit behafteten Kunstwerken aufgrund ihrer praktischen Unveräußerbarkeit vor ausländischen Zivilforen zu erreichen. Auch wenn außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates keine Restitution allein aufgrund der unrechtmäßigen Ausfuhr erreichbar ist, hat eine gerichtliche Feststellung der unrechtmäßigen Ausfuhr eine Stigmatisierung solcher Kulturgüter mit dem Makel der Illegalität und damit zugleich auch einen erheblichen Wertverlust zur Folge: Kulturgüter mit ‚belasteter‘ Provenienz besitzen nur noch einen Bruchteil des Marktwertes vergleichbarer legal ausgeführter Kulturgüter. Sarah Jackson, Historic Claims Director bei dem Art Loss Register, verdeutlicht dies hinsichtlich Beute- und Raubkunst, kulturellem Fluchtgut und entarteter Kunst:
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“The current problems in relation to the Holocaust pose very significant issues for the art trade who may well find themselves holding looted items which should be restituted on moral if not legal grounds. The effect of buyers not wishing to purchase an item once its Holocaust origins become known, the value decreasing, or the work becoming unsaleable on the open market are key issues that the art trade needs to confont.”20
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Die Reichweite der Stigmatisierungswirkung unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter durch die gerichtliche Inkenntnissetzung der Öffentlichkeit über die Illegalität kultureller Transferleistungen kann an der britischen Gerichtsentscheidung Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd.21 aus dem Jahre 1986 verdeutlicht werden.22
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Vgl. auch Jackson, Provenance Research – Looking for Looted Art, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 19. Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd., (1986) 1 W.L.R. 1120 (Ch.D.). Vgl. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 182–183; Jayme, Die Nationalität des Kunstwerks als Rechtsfrage, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener
3. Abschnitt: Gefahr wirtschaftlicher Entwertung /Reputationsverlust?
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In der sog. Marquesa de Santa Cruz-Konstellation ging es um das 1805 entstandene Goya-Porträt der ‚Marquesa de Santa Cruz‘ (s. Abb. 41). Ursprünglich besaß Señora Valdes das Gemälde, das schon unzählige Kunstsammler unwiderstehlich anzog: als Lousine Havemeyer, die ihre und die Kunstsammlung ihres Mannes dem Metropolitan Museum of Art in New York vermachte, im Jahre 1909 Spanien bereiste und den Duke of Alba, den damaligen Eigentümer des Gemäldes fragte, ob das Kunstwerk zum Verkauf anstünde, antwortete dieser aufrichtig: “I cannot sell my grandmother, can I?”23 Ein dreiviertel Jahrhundert später wurde das Gemälde innerhalb von drei Jahren vier Mal veräußert, war Streitgegenstand einer der spektakulärsten Gerichtsentscheidungen des Kunstrechts und fand schließlich seinen (vorerst) letzten Ausstellungsort im Museo del Prado in Madrid. Im Jahre 1983 veräußerte Señora Valdes das Goya Porträt an Saorin Bosch für US-$ 180.000, ein im Vergleich zu den vorherigen Angeboten für das Gemälde unvergleichbar niedriger Kaufpreis. Nachdem das Bild nach Zürich transferiert wurde, veräußerte dieser das Porträt an die Khamsin Ltd. für ungefähr US-$ eine Million, welche ihrerseits das Gemälde unmittelbar an die Overseas Art Investment Ltd. veräußerte, eine Gesellschaft, die in Liberia gegründet und auf den British Virgin Islands ihren Geschäftssitz hat. Diese wiederum bot Goyas Porträt dem J. Paul Getty Museum in Malibu in Kalifornien an, wo es während des Sommers 1983 bereits ausgestellt wurde, zum Kaufpreis in Höhe von US-$ zwölf Millionen. Nun stellte sich jedoch heraus, dass das Bild entgegen den spanischen Exportbeschränkungen aufgrund gefälschter Ausfuhrlizenzen illegal aus Spanien exportiert worden war, woraufhin das J. Paul Getty Museum einen Erwerb ablehnte und das Gemälde spurlos verschwand. Im Januar 1986 bot die Overseas Art Investment Ltd. der spanischen Regierung das Gemälde ebenfalls zu einem Kaufpreis in Höhe von US-$ zwölf Millionen an, welche jedoch einen Erwerb ablehnte. Unmittelbar danach wurde in der Presse verlautbart, dass Goyas Porträt der „Marquesa de Santa Cruz“ bei Christie, Manson & Woods Ltd. am 11. April 1986 in London versteigert werden sollte.
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Ziel der spanischen Regierung war die Unterlassung der Versteigerung durch Christie, Manson & Woods Ltd., um einen weiteren Handel auf dem illegalen Kunstmarkt zu unterbinden. Wissend um den Ausgang der vor englischen Ge-
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Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 7–30, S. 15; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 88–90, S. 183 und 308–310; Roellecke, Warum schützen wir Kulturgüter?, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 31–32; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), S. 167–168 und 196–200; Spaun, Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2003, S. 152–153. Havemeyer/Stein, Sixteen to sixty: memoirs of a collector, 1993, S. 172; Siehr, International Art Trade and the Law, Hague Academy of International Law, Volume 243 (1993-VI), Fn. 599, S. 196.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
richten ergangenen Entscheidung Attorney General of New Zealand v. Ortiz, dass eine Klage auf Restitution des aus spanischem Territorium illegal exportierten Kulturgutes aufgrund der Nichtanwend- und -durchsetzbarkeit spanischer öffentlich-rechtlicher Ausfuhrregularien vor englischen Foren keinen Rechtserfolg zeitigen werde, klagte das Königreich Spanien gegen das Auktionshaus Christie, Manson & Woods Ltd. allein auf die gerichtliche Feststellung, dass das Bild mit gefälschten Exportpapieren das Territorium Spaniens verlassen habe.24 Bei einer Klage auf Feststellung der illegalen Ausfuhr kultureller Güter erfolgt keine Rechtsfolgenanordnung des ausländischen öffentlichen Rechts, da allein der Sachverhalt zu ermitteln und unter den Tatbestand der einschlägigen ausländischen Norm zu subsumieren ist, ohne dass deren imperativer Teil in den Subsumtionsvorgang miteinzubeziehen wäre. Hierfür bedarf es keines kollisionsrechtlichen Anwendungsbefehls, sondern lediglich der Feststellung hinsichtlich des räumlich-sachlichen Anwendungswillens der ausländischen Normen25, weshalb auch solche Rechtsregeln, die wegen ihrer Qualifikation als ausländisches öffentliches Recht keinen unmittelbaren Anwendungsbefehl mittels einer international-privatrechtlichen Kollisionsnorm erhalten, zumindest extraterritoriale Berücksichtigung finden.26 24
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Klageziel war somit folgende gerichtliche Erklärung: “1. That the first of the above mentioned instruments [purporting to be official documents of the Government of Spain authorizing the export of the picture from Spain] is false in that it purports to have been altered on 30 March 1983 by the addition of stamps and seals purporting to be of a department of the Government of Spain, namely the Ministerio de Cultura, Dirección General del Patrimonio Artistico Archivos y Museos (which was in March 1983 called Dirección General de Bellas Artes y Archivos), and by the addition of the signature of the Secretary General thereof, whereas no person had authority to or did make the said alterations on behalf of the Government of Spain and the signature is not that of the said Secretary General. 2. That the second of the above mentioned instruments is false in the same respects as the first of the above mentioned documents. 3. That the third of the above mentioned instruments is false in that it purports to have been made signed and sealed on the authority of the Ministerio de Comercio of the Government of Spain on 5 April 1983 whereas no person had authority to or did make or sign the said document on behalf of the Government of Spain on the said date or at all, the seal is not that of the Ministerio de Comercio (of which the correct name was in March 1983 Ministerio de Economía y Hacienda Secretaria de Estado de Comercio) and the signature is not that of any signatory thereof. 4. That the export from Spain of the oil painting known as ‘La Marquesa de Santa Cruz’ by Goya was in violation of the laws of Spain.” Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd., (1986) 1 W.L.R. 1120 (Ch.D.), S. 1121–1122. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 309. Die geforderte Unterlassung der Versteigerung sollte nach Ansicht der klagenden spanischen Regierung im Falle der gerichtlichen Feststellung, dass das Bild mit gefälschten Ausfuhrpapieren das Territorium Spaniens verlassen habe und deshalb illegal exportiert wurde, auch deshalb möglich sein, weil sich die britischen Kunsthändler und -versteigerer entsprechend Art. 2 des damaligen Dealers Code of Practice dazu verpflichteten, keinen Transfer illegal exportierter Kulturgüter vorzunehmen: “1. In view of the world-wide concern expressed over the traffic in stolen antiques and works of art and the illegal export of such objects, the UK fine art and antiques trade wishes to codify its standard practice as follows: 2. Members of the UK fine art and antiques trade undertake, to the best of their ability, not to import,
3. Abschnitt: Gefahr wirtschaftlicher Entwertung /Reputationsverlust?
Mit der ganzen Erfindungskraft, die einem Richter des Common law zu Gebote steht27, entschied das Gericht, dass Spanien ein „equitable right“28 zustehe, eine von Billigkeitsgründen getragene Rechtsposition, eine solche Feststellung zu verlangen, um die für das spanische Kulturpatrimonium unerlässlich wichtigen Kunstwerke zu schützen. Das Gericht berief sich bei diesem Urteil auf das Präjudiz Emperor of Austria v. Day and Kossuth29 aus dem 19. Jahrhundert, in dem der ungarische Flüchtling Kossuth in England ungarische Geldnoten drucken ließ, was Österreich zu untersagen beantragte, weil dem Staat durch die Fertigung von Falschgeld ein Schaden zugefügt würde. Hier wurde festgestellt, dass ein ausländischer Staat vor englischen Gerichten klagen darf, wenn er auf diese Weise einen geldwerten Schaden von sich oder seinen Einwohnern abwehren kann.30 Auch innerhalb der sog. Marquesa de Santa Cruz-Konstellation waren die spanische Nation und ihre kulturelle Identität so stark betroffen, dass den handelnden Stellen offenbar keine andere Wahl blieb. Der ununterbrochene Gebrauch gefälschter Exportdokumente entwertete die rechtmäßig für spanische Kulturgüter ausgestellten Ausfuhrlizenzen und damit die darin (auch zukünftig) erfassten Kunstwerke. Außerdem würden dadurch die Kosten des spanischen Staates für den Rückkauf seiner Kulturgüter, gleichzeitig die Attraktivität des illegalen Exports und damit auch der zu erwartende Schaden für Spanien erhöht.31 Im Ergebnis stellte das Gericht somit die unrechtmäßige Ausfuhr des Goya-Gemäldes fest und stigmatisierte damit das Kunstwerk mit dem Makel der Illegalität. Dies führte dazu, dass der spanische Staat später das Gemälde für
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export or transfer the ownership of such objects where they have reasonable cause to believe: … (b) That an imported object has been acquired in or exported from its country of export in violation of that country’s laws … 4. Where a member of the UK fine art and antiques trade comes into possession of an object that can be demonstrated beyond reasonable doubt to have been illegally exported from its country of export and the country of export seeks its return within a reasonable period, that member, if legally free to do so, will take responsible steps to co-operate in the return of that object to the country of export. Where the code has been breached unintentionally, satisfactory reimbursement should he agreed between the parties.” Die beklagte Christie, Manson & Woods Ltd. hingegen versah Art. 2 (b) des damaligen Dealers Code of Practice vielmehr mit derjenigen Bedeutung, dass das in den selbstauferlegten Verhaltensregeln niedergeschriebene Transferverbot zuvor illegal aus einem Ursprungsstaat exportierter Kulturgüter doch nur dann zur Anwendung berufen sei, wenn der Veräußerer selbst die rechtswidrige Ausfuhr vorgenommen habe, keinesfalls jedoch dann, wenn dieser ein irgendwann einmal illegal exportiertes Kulturgut viele Jahre später selbst gutgläubig und unverschuldet erworben habe. Jayme, Die Nationalität des Kunstwerks als Rechtsfrage, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 7–30, S. 15. Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd., (1986) 1 W.L.R. 1120 (Ch.D.), S. 1121– 1122. Emperor of Austria v. Day and Kossuth, (1861) 3 D.F. & J. 217. Zitiert bei Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, Fn. 144, S. 89. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 89.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
882 Millionen Peseten (ungefähr US-$ sechs Millionen) zurückerwerben konnte. Durch die gerichtliche Stigmatisierung bestimmter kultureller Gegenstände als illegal transferiert wird das internationale Marktverhalten im Kunsthandel ausgenutzt: Nur für Kulturgüter mit einer unbelasteten Provenienz werden Maximalpreise erzielt. Bei einem Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter muss regelmäßig eine eingeschränkte internationale Transferierbarkeit durch den Erwerber hingenommen werden, da bei einem späteren Import in fremde Staaten immer mit einer möglichen Beschlagnahme und einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu rechnen ist. Diese Auswirkungen machte sich somit die spanische Regierung in der Rechtssache Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd. zunutze, um aufgrund der eingeschränkten Marktgängigkeit derart stigmatisierter Kulturgüter einen nur geringen Ablösepreis zum eigenen Erwerb aufbringen zu müssen. 19
Allgemein gilt, dass die Gefahr der Stigmatisierung und der infolgedessen eintretenden wirtschaftlichen Entwertung illegal transferierter Kulturgüter für den internationalen Kunstmarkt nicht nur innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens besteht. Deshalb sollten die am internationalen Kunstmarkt beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser ebenso wie die individuellen Privatsammler beim Erwerb kultureller Wertgegenstände immer mit der notwendigen Sorgfalt versuchen, unrechtmäßig ausgeführte Kulturgüter zu erkennen und von einem Erwerb Abstand zu nehmen.32 So stellt bspw. auch Peter Marks, Kunsthändler und ehemaliger President der National Association of Dealers in Ancient, Oriental, and Primitive Art, fest, dass „[m]any clients who visit my gallery, particularly museum directors and curators, ask about provenance before they even look seriously at an object. If provenance information appears to be inadequate, the object ceases to exist for them.“33 Zusätzlich wahren die im Kunstmarkt aktiven Personenkreise bei Einhaltung angemessener Sorgfaltsanforderungen auch ihren Ruf und werden nicht in Verbindung zu dem kulturellen Schwarzmarkt gesetzt – dies stellt in dem sensiblen Kunstmarkt eine häufig unterschätzte wirtschaftliche Komponente dar.
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“For a museum, an antiquity without provenance is a potential time bomb. It may have been in circulation for decades, which would make it a legitimate acquisition. It may have been first obtained secretly through clandestine excavation, which would make it unidentifiable and therefore a safe, if unethical, acquisition. However, it may also have been stolen from a preexisting collection, which would make it traceable. At any moment, new evidence may come to light that exposes the true nature of a piece. Public embarrassment, and possibly financial loss, will follow when the museum is forced to return the piece to
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Vgl. Gerstenblith, Acquisition and Deacquisition of Museum Collections and the Fiduciary Obligations of Museums to the Public, Cardozo Journal of International and Comparative Law 11 (2003), S. 409 ff. Marks, Provenance: A Dealer’s View, in: International Foundation for Art Research (IFAR), Provenance & Due Diligence – Proceedings of Workshop/Conference: April 29, 2000, S. 37.
3. Abschnitt: Gefahr wirtschaftlicher Entwertung /Reputationsverlust?
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its country of origin. In the United States, at least, by law, museum trustees have a fiduciary responsibility towards the institutions they serve, and it has been argued that they are in breach of this responsibility if they do not ensure acquisitions policies and diligence procedures that guard against such eventualities.”34
Diese Erkenntnisse finden auch in der Fallkonstellation der gestohlenen Engel in der Entscheidung Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. über die Herausgabe der vier byzantinischen Mosaiken Stütze. Nach Bekanntwerden der illegalen Ausfuhr bot die amerikanische Kunsthändlerin Peg Goldberg die Mosaiken dem J. Paul Getty Museum zum Kauf an. Wie bereits erwähnt, erkannte eine Mitarbeiterin jedoch deren Makel (auch ohne gerichtliche Feststellung) und setzte entsprechend den selbstauferlegten Erwerbsregeln und Verhaltensstandards des Museums, nach Andienung der Mosaiken zum Erwerb durch Goldberg, ohne zu zögern, die Regierung Zyperns über den Verbleib der in der Gerichtsentscheidung betroffenen Mosaiken in Kenntnis. Kulturgüter mit ‚belasteter‘ Provenienz (wie die Mosaiken) sind praktisch unverkäuflich und Goldberg hatte im Ergebnis den finanziellen Schaden zu tragen.
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Brodie, An Archaeologist’s View of the Trade in Unprovenanced Antiquities, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 52–63, S. 56.
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4. Abschnitt Sorgfältige Provenienzerforschung schützt vor der Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen bei Weiterveräußerung – am Beispiel zweier Matisse-Gemälde 22
Der Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter birgt über bisher Gesagtes hinaus besonders für Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser die Gefahr, als Verkäufer illegal transferierter Kunstwerke etwaige Garantien für die Freiheit von Rechtsmängeln der Verkaufsobjekte zu verletzen und sich dementsprechend aufgrund der kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln gegenüber gutgläubigen Erwerbern schadensersatzpflichtig zu machen. Praktisch jede Zivilrechtsordnung verlangt, dass ein Kaufgegenstand nicht mit einem Mangel behaftet ist, d.h. bspw. für den deutschen Rechtskreis, dass der tatsächliche Zustand der Kaufsache nicht von dem Zustand abweicht, den die Vertragsparteien bei Abschluss des Kaufvertrages gemeinsam, gegebenenfalls auch stillschweigend, vorausgesetzt haben und diese Abweichung den Wert der Kaufsache oder ihre Eignung zum vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch herabsetzt oder beseitigt. Diese als ‚Marktgängigkeit‘ oder ‚merchantability‘ bezeichnete Voraussetzung hat – wie die Beispielskonstellation der gestohlenen Engel schon zeigte – regelmäßig zur Folge, dass illegal transferierte Kulturgüter an Museen und ähnliche kulturelle Institutionen weder veräußert noch gestiftet werden können. Dies wiederum bedingt, dass sich Erwerber illegal transferierter Kulturgüter (trotz möglicherweise redlich erworbenem Eigentumstitel aufgrund des Zusammenspiels unterschiedlicher nationaler Zivilrechtsordnungen und des international-privatrechtlich einheitlich anerkannten Grundsatzes der lex rei sitae) aufgrund der fehlenden Marktgängigkeit an ihre Veräußerer wenden und die Rückabwicklung des Geschäfts verlangen können. Die Brandmarkung illegal transferierter Kulturgüter führt aufgrund der gesellschaftlichen Missbilligung eines zweifelhaften Eigentumstitels regelmäßig zu erheblichen Wertminderungen.35
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Unter Rekurs auf die Sachverhaltskonstellation der Entscheidung Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. wären diese Fragestellungen bspw. auch dann relevant geworden, wenn dem J. Paul Getty Museum bei Andienung der Kunstwerke durch die amerikanische Kunsthändlerin Peg Goldberg die Provenienz der aus der Panagía KanakariáKirche in Nordzypern von den Wänden gelösten, gestohlenen und anschließend
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Vgl. O’Keefe, Museum Acquisition Policies and the 1970 UNESCO Convention, Museum International (UNESCO), No. 197 (Vol. 50 No. 1 1998), S. 20–24, S. 22–23.
4. Abschnitt: Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen nach Weiterveräußerung?
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unrechtmäßig aus dem Territorium Nordzyperns ausgeführten Mosaiken unbemerkt geblieben wäre und diese zur Vervollständigung der eigenen Bestände und Sammlungen erworben worden wären. Bekanntermaßen mindert der Makel der Illegalität bei kulturellen Wertgegenständen regelmäßig deren Marktwert, da sich gestohlene, unrechtmäßig ausgeführte, völkerrechtswidrig in Krieg und während der Besetzung verlagerte Kulturgüter sowie die unterschiedlichen Kategorien unrechtmäßig verstaatlichter Objekte im legalen Kunsthandel überhaupt nicht oder nur unter sehr großen Werteinbußen verkaufen lassen. Neben einer gravierenden Rufschädigung der Besitzer illegal transferierter Kulturgüter müssen die Erwerber regelmäßig auch mit der Möglichkeit der Beschlagnahme und anschließenden Restitution oder auch der finanziellen Inanspruchnahme durch den kulturellen Herkunftsstaat bzw. den Eigentümer rechnen. Die amerikanische Kunsthändlerin Peg Goldberg hätte sich dementsprechend in der Konstellation der gestohlenen Engel auch bei einer Veräußerung erheblichen finanziellen Risiken ausgesetzt, die sie durch die Anwendung von Mindestverhaltensstandards und speziellen Sorgfaltsanforderungen zwar nicht gänzlich hätte beseitigen, zumindest jedoch drastisch minimieren können.
A. Illegaler Export als „breach of implied warranty of title“ innerhalb der Rechtssache Jeanneret v. Vichy Dass die Inanspruchnahme von Kunsthändlern, Galeristen und Auktionshäusern als Verkäufer illegal transferierter Kunstwerke aufgrund der Gewährleistungsregeln des Kaufrechts praktische Relevanz zeitigt, kann an der Entscheidung Jeanneret v. Vichy aus dem Jahre 198236 exemplarische Darstellung erfahren.37 Anna Vichy, Tochter des bedeutenden italienischen Kunstsammlers Frua De Angeli, erbte nach dem Tod ihres Vater das Matisse-Gemälde ‚Visage sur Fond Jaune‘ (1952) (s. Abb. 42). Das Gemälde wurde über die Schweiz nach New York gebracht und dort von der Schweizer Kunsthändlerin Marie Louise Jeanneret erworben. Mittlerweile erhob der italienische Staat Ansprüche auf das 36 37
Jeanneret v. Vichy, 541 F.Supp. 80 (S.D.N.Y. 1982), 693 F.2d 259 (2d Cir. 1982). Vgl. hierzu Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 147–148, S. 186–187 und S. 212–213; Jayme, Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 2004, S. 35 ff., S. 45–46, Jayme, Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, in: Dominicé/Patry/Reymond, „Études de droit international en l’honneur de Pierre Lalive“, 1993, S. 717–731, S. 726–727; Jayme, Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz, 1991, S. 16–17; Jayme, Die Nationalität des Kunstwerks als Rechtsfrage, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990, 1992, S. 7–30, S. 15–16; Buranich, The Art Collecting Countries and Their Export Restrictions on Cultural Property: Who Owns Modern Art?, California Western International Law Journal 19 (1988), S. 153–172, S. 166–168.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
Gemälde als Bestandteil des italienischen Kulturpatrimoniums. Die italienische Regierung machte geltend, dass das Kunstwerk nicht ohne Genehmigung hätte ausgeführt werden dürfen, nachdem das italienische Kulturministerium das Werk zum nationalen Kulturgut erklärt hatte. Nachdem Jeanneret erfuhr, dass das Matisse-Gemälde ohne gültige Exportlizenz aus Italien unrechtmäßig ausgeführt worden war, machte sie als Käuferin Schadensersatzansprüche gegen die Verkäuferin Vichy geltend. Die Kunsthändlerin verlangte den Kaufpreis zurück und forderte außerdem Schadensersatz für entgangenen Gewinn, da das Gemälde schlichtweg unverkäuflich sei. Als professionelle Kunsthändlerin verbiete es sich ihr zudem, unrechtmäßig ausgeführte Kunstwerke in ihrer eigenen Galerie zum Verkauf anzubieten.38 25
Das New Yorker Eingangsgericht hatte dabei in erster Linie die Frage zu beantworten, ob das italienische Recht im Rahmen der Section 2-312 des Uniform Commercial Code („breach of implied warranty of title“) in der Weise zu berücksichtigen sei, dass Mrs. Jeanneret deshalb Gewährleistungsansprüche zustünden, weil eine „implied warranty“ von der Verkäuferin Mrs. Vichey verletzt worden war. Im Ergebnis gab das erstinstanzliche Gericht der Klage wegen „breach of implied warranty of title“ und „breach of contract“ statt39 und entschied, dass Verkäufer unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter ihre Garantie für die Freiheit von Rechtsmängeln der Verkaufsobjekte verletzen und sich aus diesen Gründen gegenüber gutgläubigen Erwerbern schadensersatzpflichtig machen.40 Das Bundesgericht hielt es in seiner Begründung für maßgebend, dass der Verstoß gegen ausländische Exportbestimmungen den Marktwert eines Kunstwerks mindere, da es sich im legalen Kunsthandel nicht mehr ohne weiteres verkaufen lasse, außerdem der gute Ruf des Besitzers eines solchen Objektes geschädigt würde und er der Möglichkeit der zoll-, zivil- und strafrechtlichen Beschlagnahme ebenso wie einer möglichen finanziellen Inanspruchnahme kultureller Ursprungsund Herkunftsstaaten ausgesetzt sei.41
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Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung zwar wieder aufgehoben und zur Neuverhandlung zurückverwiesen42, jedoch allein wegen tatsächlicher Unklar-
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Vgl. Jayme, Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 2004, S. 35 ff., S. 45– 46, Jayme, Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, in: Dominicé/Patry/Reymond, „Études de droit international en l’honneur de Pierre Lalive“, 1993, S. 717–731, S. 726–727. Vgl. Jeanneret v. Vichey, 541 F.Supp. 80 (1982). Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 186–187. Jeanneret v. Vichy, 541 F. Supp. 80 (S.D.N.Y. 1982), S. 84–86; siehe Buranich, The Art Collecting Countries and Their Export Restrictions on Cultural Property: Who Owns Modern Art?, California Western International Law Journal 19 (1988), S. 153–172, S. 166–167; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 186–187. Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 147–148.
4. Abschnitt: Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen nach Weiterveräußerung?
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heiten im Bezug auf das Alter des streitigen Matisse-Gemäldes und offener Fragen der Anwendbarkeit der italienischen Exportbestimmungen auch auf ein eher als „französisch“ zu bezeichnendes Gemälde. Nicht nur dem Court of Appeals erschien es unschlüssig 43, dass Italien ein Gemälde von Henri Matisse, einem französischen Staatsbürger, beanspruchte, der das Porträt zusätzlich auch in Frankreich malte.44 Zwar konnte nicht eindeutig geklärt werden, wie lange sich das Kunstwerk auf dem Territorium Italiens befand, jedoch erscheint es unwahrscheinlich, dass die Regierung Italiens rechtmäßigerweise das Gemälde als Teil des italienischen Kulturpatrimoniums aufgrund seines spezifischen kulturellen Wertes für Italien beanspruchen sollte. In diesem Sinne führt auch Buranich aus, dass das Alter eines Kulturgutes bzw. die Zeit der örtlichen Belegenheit in dem Territorium eines Staates kein rechtlich anerkennenswerter Parameter innerhalb der Zuordnung kultureller Wertgegenstände an einen Staat sei: “A Renoir which is handed down from generation to generation in an American family for a century does not make it an American painting. It remains the work of a French citizen created in France and reflective of a period of French history.”45 Auch der Court of Appeals gelangte zu der Ansicht, dass „embargoes as broad as Italy’s should be discouraged“46. Die nationale Zuordnung eines Bildes von Matisse an Italien könne nämlich nicht – so aber die italienischen Behörden47 – dadurch gerechtfertigt werden, dass es auf der Biennale in Venedig gezeigt worden sei und außerdem einer in italienischen Sammlungen selten vertretenen europäischen Stilrichtung angehöre, die auf Motive der Klassik und Renaissance zurückgreift:48 „Matisses Porträt sur Fond Jaune bore no such relation to Italy as a Raphael or a Bellini Madonna.“49 Auch wenn somit nur solche nationalen Kulturgüterschutzgesetze „mit grenzüberschreitender Anerkennung und unter Umständen auch Durchsetzung rechnen können, die eine international konsensfähige Zuordnung von Kulturgut vor-
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Vgl. Buranich, The Art Collecting Countries and Their Export Restrictions on Cultural Property: Who Owns Modern Art?, California Western International Law Journal 19 (1988), S. 153–172, S. 167. Vgl. auch Jayme, Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 2004, S. 35 ff., S. 45–46, Jayme, Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, in: Dominicé/Patry/Reymond, „Études de droit international en l’honneur de Pierre Lalive“, 1993, S. 717–731, S. 726–727; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 147–148. Buranich, The Art Collecting Countries and Their Export Restrictions on Cultural Property: Who Owns Modern Art?, California Western International Law Journal 19 (1988), S. 153– 172, S. 170. Vgl. Jeanneret v. Vichy, 693 F. 2d 259 (2d Cir. 1982), S. 263–264. Vgl. Jeanneret v. Vichy, 693 F. 2d 259 (2d Cir. 1982), S. 263–264. Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 147–148. Vgl. Jeanneret v. Vichy, 693 F. 2d 259 (2d Cir. 1982), S. 267.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
nehmen“50, änderte diese Entscheidung nichts an der richtigen Einschätzung des Ausgangsgerichtes: Verkäufer unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter verletzen ihre Garantie für die Freiheit von Rechtsmängeln der Verkaufsobjekte und machen sich aus diesen Gründen gegenüber gutgläubigen Erwerbern schadensersatzpflichtig. Dies wurde auch von dem Court of Appeals bestätigt und für die vorliegende Konstellation ausgeführt, dass die Richter „… find it somewhat hard to reject the commonsensical view of the district judge that an art dealer who has bought a painting whim, according to the usages of her trade, she cannot sell through ordinary channels is under a heavy cloud, indeed.“ 51 Durch diese Rechtsprechung erfolgt nach Einschätzung Müller-Katzenburgs eine empfindliche Einengung des Marktes für illegal transferierte Kulturgüter sämtlicher Kategorien. Die eingeschränkte Marktfähigkeit führt ihrerseits zu der Konsequenz, dass der Marktwert sinkt oder sogar ganz verloren geht.52 John Tancock, Vizepräsident des Auktionshauses Sotheby Parke Bernet, führte als Zeuge in der Entscheidung Jeanneret v. Vichy aus, dass das Gemälde ohne den Makel der illegalen Ausfuhr wohl einen Marktwert von US-$ 750.000 besaß, ohne rechtmäßige Ausfuhrdokumente der von einer Ausfuhr betroffenen Staaten jedoch unverkäuflich sei: „No reputable auction house or dealer would be prepared to handle it.“53 Dies hätte zur Folge, dass „on the legitimate market its value is zero.“54 Graham Leader, ein unabhängiger Kunsthändler, erwartete eine Veräußerung des Gemäldes in Höhe von mehr als einer Million Schweizer Franken an einen Interessenten, verweigerte jedoch nach eigenen Worten die Transaktion „from the moment that I learned that the painting had been clandestinely exported from Italy by its former owner, Mme. Vichey-Frua DeAngeli and that it could thus be subject to suit by any authority.“55 Die zahlreichen Erklärungen von Museen, kein illegal exportiertes Kulturgut erwerben zu wollen, wurden innerhalb der Entscheidung nicht berücksichtigt, da sich sowohl die Klägerin als auch die drei Kunsthändler und das Gericht in ihren Ausführungen ausschließlich auf das Erwerbsverhalten der Auktionshäuser und Kunsthändler bezogen. In Anbetracht der selbstauferlegten Erwerbsregeln innerhalb der Verhaltensstandards der Museen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass nicht nur die Auktionshäuser und Kunsthändler davon Abstand nehmen, ein illegal exportiertes Gemälde zu erwerben, sondern auch die Museen.56
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Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 147–148. Vgl. Jeanneret v. Vichy, 693 F. 2d 259 (2d Cir. 1982), S. 268. Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 147–148. Zitiert in Jeanneret v. Vichy, 693 F. 2d 259 (2d Cir. 1982). Zitiert in Jeanneret v. Vichy, 693 F. 2d 259 (2d Cir. 1982). Zitiert in Jeanneret v. Vichy, 693 F. 2d 259 (2d Cir. 1982). Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 212–213.
4. Abschnitt: Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen nach Weiterveräußerung?
B.
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‚Belastete‘ Provenienz eines Kulturguts als „breach of implied warranty of title“ innerhalb der sog. Odalisque-Konstellation
Eine sorgfältige Provenienzerforschung hätte auch in der sog. Odalisque-Konstellation vor der Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen bei Weiterveräußerung eines Kunstwerks mit ‚belasteter‘ Provenienz geschützt, nachdem das Seattle Art Museum das Matisse-Gemälde (s. Abb. 43) an die Rechtsnachfolger des französischen Kunsthändlers Paul Rosenberg restituieren musste.57
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Nach Einmarsch deutscher Truppen in Frankreich flüchtete Paul Rosenberg, einer der führenden französischen Galeristen, im Juni 1940 nach Spanien und emigriert kurz darauf in die Vereinigten Staaten von Amerika. Nach ‚Arisierung‘ seiner Kunstgalerie und der Beschlagnahme sämtlicher in seinem Schloss Floirac verwahrten Kunstgegenstände im September 1940, übergab das VichyRegime den nationalsozialistischen Plünderungsorganisationen und Besatzern im September 1941 weitere 162 Kunstwerke, insbesondere französische Impressionisten, aus dem Tresor einer Bank in Libourne im unbesetzten Teil Frankreichs. Im Jeu de Paume im Louvre wurden die bisher genannten Gemälde zusammen mit Werken aus der Pariser Wohnung Rosenbergs, aus weiteren Banktresoren und 300 aus einem Verkaufslager bei Paris deponierten Kunstwerke eingelagert und verwahrt. Die in Frankreich für das nationalsozialistische Besatzungsregime tätigen deutschen Kunsthändler verwerteten zahlreiche impressionistische Arbeiten. Andere Werke wurden von französischen Museen und Sammlungen, Schweizer und ausländischen Kunsthändlern erworben. Unter anderem hat – aller Wahrscheinlichkeit nach – der deutsche Kunsthändler Gustav Rochlitz im Juli 1942 im Jeu de Paume auch das Matisse-Gemälde ‚Odalisque‘ erworben. Bis zum Juli 1954 verliert sich nun die Spur des Gemäldes, bis es aus dem Besitz der Pariser Galerie Drouant-David für US-$ 10.000 an die New Yorker Kunstgalerie Knoedler & Co. veräußert wurde. Diese transferierte das Gemälde im selben Jahr an die in der Nähe von Seattle wohnende Kunstsammlerin Virginia Bloedel, die es unter Ausschluss der Öffentlichkeit in ihrem Privathaus verwahrte und im Jahre 1991 dem Seattle Art Museum schenkte.
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Dort entdeckten die Rechtsnachfolger Paul Rosenbergs im Jahre 1997 das Kunstwerk und forderten von dem Seattle Art Museum die Rückgabe. Nachdem eine
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Vgl. zu den tatsächlichen Angaben in dieser Konstellation Bazyler, Holocaust Justice – The Battle for Restitution in America’s Courts, 2003, S. 202–269, S. 222–226; Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 341–342; Lerner/Bresler, Art Law – The Guide for Collectors, Investors, Dealers and Artists, 2005, S. 747 ff.; Feliciano, Das verlorene Museum – Vom Kunstraub der Nazis, 1998, S. 163 ff.; Presseveröffentlichung Seattle Art Museum vom 14.06.1999.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
Rückführung seitens des Museums verweigert wurde, erhoben sie vor dem Federal District Court in Washington im Jahre 1998 Herausgabeklage. Als auf Anfrage des Seattle Art Museum das in Washington gegründete Holocaust Kunstrückerstattungsprojekt HARFE als unabhängige Forschungsorganisation die Rückführung des Gemäldes an die Erben empfohlen hatte, restitutierte das Museum im Oktober 2000 die Matisse-‚Odalisque‘ wegen NS-verfolgungsbedingtem Vermögensverlust. Die Rosenberg Erben konnten sich, soweit die tatsächlichen Angaben stimmen, gegenüber dem Museum auf ihre fortbestehende Eigentumsposition stützen. Durch den Entziehungsakt der nationalsozialistischen Plünderungsbehörden auf französischem Territorium – der Beutekunstnahme – erfolgte kein Eigentumsverlust Rosenbergs. Auch im Jeu de Paume konnte schon nach allgemeinen Zivilrechtsregeln seitens des deutschen Kunsthändlers Gustav Rochlitz im Juli 1942 kein Eigentum an dem Gemälde erworben werden, da diesem der Beutekunstcharakter bewusst sein musste. Im Übrigen war der Verkauf nach den in den 1940er Jahren in Frankreich erlassen Nichtigkeitsbestimmungen von Rechtsgeschäften mit deutschen Staatsbürgern unwirksam. Auch die derzeit nicht geklärte Veräußerung an die Pariser Galerie dürfte nach französischem Zivilrecht unwirksam sein. Die im Jahre 1954 erfolgte Veräußerung unter Geltung der amerikanischen Rechtsordnung konnte aufgrund des nemo dat quod non habet-Grundsatzes keinen Eigentumstransfer begründen, da innerhalb des Common law-Rechtskreises (fast) generell der gutgläubige Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für die unentgeltliche Überlassung des Gemäldes von Virginia Bloedel an das Seattle Art Museum im Jahre 1991. Eine Ersitzung ist nach amerikanischem Recht nicht anerkannt und da das Gemälde unter Ausschluss der Öffentlichkeit verwahrt wurde, ist auch nach Ablauf eines Zeitraumes von 40 Jahren nach amerikanischem Recht der Bundesstaaten keine Verjährung eingetreten.58 31
Von besonderem Interesse ist jedoch an dieser Stelle, dass das Seattle Art Museum im Oktober 2000 eine Forderung auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des aktuellen, noch zu ermittelnden Verkehrswertes des Matisse-Bildes gegenüber der New Yorker Kunstgalerie Knoedler & Co. geltend machte. Das Museum berief sich in ihrer Schadensersatzforderung darauf, dass die Galerie bei dem Verkauf im Jahre 1954 nicht in gutem Glauben gehandelt habe und zum damaligen Zeitpunkt hätte aufklären müssen, dass die Matisse-‚Odalisque‘ als Beutekunst und folglich als NS-verfolgungsbedingt abhandengekommen zu qualifizieren war. Dies wiederum hätte zur Folge gehabt, dass die Galerie das Gemälde unter keinen Umständen hätte an die Erwerberin Virginia Bloedel veräußern dürfen. Eine gerichtliche Entscheidung wurde vermieden, weil die Kunstgalerie Knoedler & Co. den gegen sie gerichteten Schadensersatzanspruch anerkannte
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Vgl. auch Schnabel/Tatzkow, Nazi Looted Art – Handbuch Kunstrestitution weltweit, 2007, S. 341–342.
4. Abschnitt: Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen nach Weiterveräußerung?
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und in einem Vergleich bereit war, angemessenen Ersatz an das Museum zu leisten. Virginia Bloedel, die Kunstgalerie Knoedler & Co. und das Museum einigten sich, dass die Galerie dem Museum als Schadensausgleich Kunstwerke vergleichbarer Qualität unentgeltlich übereignet oder die Zahlung des Verkehrswertes des Matisse-Bildes leistet. Auch wenn die Situation deutlich macht, welchen Gefahren sich Kunsthändler am Markt aussetzen, wenn sie Kulturgüter ohne sorgfältige Provenienzrecherche erwerben, hätte in der vorliegenden Situation seitens der Kunstgalerie Knoedler & Co. jedoch auch darauf hingewiesen werden, dass auch das Seattle Art Museum bei Annahme der Schenkung des MatisseGemäldes ‚Odalisque‘ bei Nachfrage der Matisse-Stiftung als führender Expertin von Werken dieses Künstlers davon erfahren hätte, dass das Kunstwerk dem jüdischen Eigentümer Paul Rosenberg während der Besetzung des französischen Territoriums zur Zeit des Zweiten Weltkriegs durch die deutschen Truppen unrechtmäßig entzogen worden war.59 Wie dem auch sei, die Konstellation Jeanneret v. Vichy aus dem Jahre 1982 und die Restitution der ‚Odalisque‘ von Matisse im Jahre 2000 lehren vornehmlich die professionell im Kunstmarkt beteiligten Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser ebenso wie die laienhaft im Kunstmarkt als Verkäufer auftretenden Privatsammler, erhöhte Sorgfaltsanforderungen an den Tag zu legen, um nicht Kunstwerke anzubieten, die eine ‚belastete‘ Provenienz aufweisen und dementsprechend mit dem Makel der Illegalität behaftet sind. Verkäufer sollten alles daran setzen, nur Kunstwerke makelloser Herkunft zu veräußern, um sich nicht selbst der Gefahr von Schadensersatzansprüchen der Erwerber ausgesetzt zu sehen. Hierfür bietet eine detaillierte Provenienzrecherche im Vorfeld eines jeden Erwerbs ein probates Mittel.
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Vgl. Dobryzynski, A Matisse Looted in ’41 Turns Up, The New York Times, October 21, 1997 at E2.
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5. Abschnitt Mindestverhaltensanforderungen schützen vor strafrechtlichen Sanktionen beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter 33
Darüber hinaus sehen sich Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter regelmäßig auch strafrechtlichen Sanktionen und dem Vorwurf des Verstoßes gegen Diebstahl-, Hehlerei- und Geldwäschetatbestände ausgesetzt, sodass die Einhaltung gewisser Mindestverhaltensanforderungen beim Erwerb kultureller Wertgegenstände und eine Bestimmung der Provenienz zu erwerbender Objekte regelmäßig vor einer strafrechtlichen Inanspruchnahme schützen werden.60 Dies wird beispielhaft in den beiden Musterprozessen in Italien seit dem 16. November 2005 und Griechenland gegen die abwesende Marion True deutlich. Marion True, ehemalige Kuratorin für Kunst der Antike am J. Paul Getty Museum, ist des unerlaubten Handels und der Hehlerei mit national bedeutsamen Kulturgütern angeklagt („conspiracy to receive stolen goods and archeological artefacts“). Ihr wird vorgeworfen, innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren im Auftrag des Getty Museums etwa 200 archäologische Objekte aus Raubgrabungen erworben und mittels gefälschter Provenienzangaben illegal nach Amerika transferiert zu haben.61
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Der Öffentlichkeit ist bewusst, dass indirekt nicht nur die 57-jährige Amerikanerin, sondern die gesamte Museumswelt und der Antikenhandel auf der Anklagebank sitzt.62 „Denn in Marion True, einer Spezialistin für antike Kunst, wird der ganzen Branche stellvertretend der Prozess gemacht. Schließlich geht es um die Schattenseite der glänzenden Kunstwelt, um Raubgrabungen, Schwarzmärkte und Schmuggel. Es geht um die Frage, wie weit Museen gehen dürfen, um ihre
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Vgl. ausführlich hierzu Watson, Convicted Dealers – What We Can Learn, in: Brodie/Kersel/ Luke/Tubb, Archaeology, Cultural Heritage, and the Antiquities Trade, 2006, S. 68–92, S. 93–97; Waxman, Loot – The Battle over the Stolen Treasures of the Ancient World, 2008, S. 135 ff. und S. 279 ff.; Gerstenblith, Recent Developments in the Legal Protection of Cultural Heritage, in: Brodie/Kersel/Luke/Tubb, Archaeology, Cultural Heritage, and the Antiquities Trade, 2006, S. 68–92, S. 75–76. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Artikel vom 27.01.2008, S. 23, berichtet, dass Anfang des Jahres 2008 vier Museen aus Kalifornien wegen des Verdachts von „unsauberen“ Geschäften mit Kunstwerken aus Thailand, Burma und China von den amerikanischen Behörden durchsucht wurden. So steht u.a. ein Galeristenehepaar aus Los Angeles im Mittelpunkt der seit fünf Jahren laufenden Ermittlungen. Dabei sollen geraubte Kunstwerke mittels eines Zwischenhändlers eingeführt worden seien. Die Kunstwerke wurden dann von Dritten als Schenkung an Museen gegeben, wobei die Schenker die Schenkung steuerlich geltend machen konnten. Quelle: www.ifkur.de. Ulrich, Kunstschmuggel – Eine für alle, SZ vom 17.11.2005, Quelle: http://www. sueddeutsche.de/kultur/artikel/450/64386.
5. Abschnitt: Strafrechtliche Sanktionen?
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Sammlungen zu bereichern, und es geht darum, ob sich ein Land wie Italien gegen die Plünderung seines künstlerischen Erbes wehren kann.“63 In diesem Zusammenhang fordert der italienische Staat, dem seit Erlass der Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 sämtliche auf italienischem Boden gefundenen archäologischen Gegenstände zu Eigentum zufallen, über vierzig Kunstwerke vom Getty Museum zurück. Am 2. September 2007 schloss das Getty Museum mit Italien einen Vergleich, der die Rückgabe von 40 der insgesamt 52 umstrittenen Kunstgegenstände bis zum Jahr 2010 beinhaltet, gleichzeitig aber das Museum aus weiterer Haftung entließ. Der Versicherungswert der Kulturgüter beträgt ca. 300 Mill.Euro. Die Statue der Aphrodite tritt erst 2010 den Heimweg an. Nach einer mehr als zehn Jahre andauernden Ermittlungstätigkeit italienischer Polizeibehörden der Beziehungen zwischen Marion True als Ankäuferin für das Getty Museum, dem Schweizer Antikenhändler Robert Hecht und Giacomo Medici wurden in einem Freihafen in Genf nahezu 4.000 archäologische Artefakte sichergestellt. In dem daraufhin gegen Medici geführten Strafverfahren wurde dieser als Kopf eines weltweit tätigen Netzwerks zum Vertrieb illegal ausgegrabener archäologischer Objekte mit Beziehungen zu den führenden Museen, Galerien und Auktionshäusern enttarnt und im Jahre 2004 zu einer zehnjährigen Haftstrafe und einer Geldstrafe von zehn Millionen Euro verurteilt. Marion True und der amerikanische Kunsthändler Robert Hecht beteuern hingegen dauerhaft ihre Unschuld und machten vor dem Tribunale Ordinario di Roma geltend, dass sie nicht wussten, dass 42 etruskische, griechische und römische Kunstschätze im Wert von mehr als US-$ 20 Millionen, die True einst mit Hilfe Hechts für das J. Paul Getty Museum erwarb, (aller Voraussicht nach) aus Raubgrabungen in Italien stammten.64 Die Prozesse gegen True und Hecht aufgrund des illegalen Transfers der Preziosen aus Bronze, Fresken, bemalten Gefäßen und Marmorstatuen dauern noch immer an.65
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Auch innerhalb unserer Beispielskonstellation der gestohlenen Engel der Rechtssache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. fragt sich, ob sich der türkische Veräußerer Aydin Dikmen in der Freihandelszone des Genfer Flughafens eines Diebstahls oder die amerikanische Kunsthändlerin Peg Goldberg beim Erwerb der vier byzantinischen Mosaiken, die zuvor aus Panagía Kanakariá-Kirche im nördlichen und von der Türkei
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Ulrich, Kunstschmuggel – Eine für alle, SZ vom 17.11.2005, Quelle: http://www. sueddeutsche.de/kultur/artikel/ 450/64386. Ulrich, Kunstschmuggel – Eine für alle, SZ vom 17.11.2005, Quelle: http://www. sueddeutsche.de/kultur/artikel/450/64386. Dagegen hat die griechische Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Marion True wegen Verjährung eingestellt. Gegenstand des Verfahrens war der Raub eines ca. 2.500 Jahre alten mazedonischen goldenen Kranzes. Quelle: Die Welt, Artikel vom 27. November 2007, S. 27.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
besetzten Gebiet der Republik Zypern von den Wänden gelöst, gestohlen und anschließend entgegen den zypriotischen Kulturschutzbestimmungen nach Deutschland transferiert wurden, aufgrund eines unzureichenden Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb der Mosaiken der Hehlerei schuldig machten.66 Heute gilt es bspw. als gesicherte Rechtsprechung, dass innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten unter bestimmten Voraussetzungen sowohl die unrechtmäßige Ausfuhr als auch der inneramerikanische Transfer solchermaßen exportierter Kulturgüter einem strafrechtlichen Unrechtsverdikt unterfallen. 37
Innerhalb der Rechtssache United States v. Hollinshead 67 wurde bereits im Jahre 1974 festgestellt, dass ohne rechtmäßige Ausfuhrgenehmigung aus Guatemala illegal exportierte präkolumbianische Kulturgüter, die nach dem Kulturgüterschutzgesetz im Staatseigentum Guatemalas standen, als „stolen“ im Sinne des National Stolen Property Act (NSPA) der Vereinigten Staaten von Amerika anzusehen sind.68 Hollinshead und die weiteren Angeklagten wurden des konspirativen Transfers gestohlener Wertgegenstände im zwischenstaatlichen Güterverkehr entsprechend den Vorschriften des NSPA für schuldig gesprochen. Im Verhältnis zu fremden Kulturgüterschutzgesetzen interpretierte das Gericht die Terminologie „stealing“ als „all felonious takings with an intent to deprive another of his property“69. Der Ninth Circuit Court of Appeals führte hierzu aus, dass der Angeklagte keine Kenntnis von der Rechtslage am Diebstahlsort und der Legaldesignation sämtlicher archäologischer Artefakte zu Eigentum des kulturellen Ursprungsstaates besitzen muss, sondern dass es genügt, dass der Angeklagte über die tatsächlichen Fakten Bescheid wusste: “Appellant’s knowledge of Gua66
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Zum Sachverhalt auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 162; Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 400; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 415–416; Knott, Neue Tendenzen im Recht des internationalen Kunsthandels in den USA, RIW 1991 (Heft 7), S. 553–559, S. 554. United States v. Hollinshead, 495 F. 2d 1154 (9th Cir. 1974). Vgl. auch das folgende Schrifttum: Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 254–255; Goldrich, Balancing the Need for Repatriation of Illegally Removed Cultural Property with the Interests of Bona Fide Purchasers: Applying the UNIDROIT Convention to the Case of the Gold Phiale, Fordham International Law Journal, Volume 23 (1999), S. 118–164, S. 146–147; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 388–389. Title 18 Sec. 2314 United States Code: Transportation of stolen goods, securities, moneys, fraudulent State tax stamps, or articles used in counterfeiting: Whoever transports, transmits, or transfers in interstate or foreign commerce any goods, wares, merchandise, securities or money, of the value of $5,000 or more, knowing the same to have been stolen, converted or taken by fraud; … shall be fined under this title or imprisoned not more than ten years, or both. Blass, Legal Restrictions on American Access to Foreign Cultural Property, Fordham Law Review 46 (1978), S. 1177–1204, S. 1186.
5. Abschnitt: Strafrechtliche Sanktionen?
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temalan law is relevant only to the extent that it bears upon the issue of knowledge that the stele was stolen.” Um dies zu vermeiden, müssen sich Kuratoren der Museen, Vertreter der Kunsthändler und Galeristen ebenso wie Auktionshäuser und Privatsammler um die Herkunft der zu erwerbenden Gegenstände sorgen und eine diesbezügliche Provenienzerforschung vornehmen. Hollinshead wurde seitens des amerikanischen Strafgerichts zu Recht ein Verstoß gegen die Mindestverhaltensanforderungen der im Kunsthandel Beteiligten vorgeworfen: Innerhalb der gerichtlichen Tatsachenermittlung stellte sich heraus, dass der Angeklagte sich vor Ort befand, als guatemaltekische Verwaltungsbeamte für die Ausfuhr der Stele bestochen wurden und die archäologischen Güter aus Guatemala in die Vereinigten Staaten von Amerika verschifft wurden. Aus diesen Gründen entschied auch der Ninth Circuit Court of Appeals, dass die Verurteilung rechtmäßig erfolgte.70 In zahlreichen weiteren, im Kunstrecht inzwischen weltweit bekannten Entscheidungen wurden die Käufer von zu Eigentum des kulturellen Ursprungsstaates designierten archäologischen Artefakten bei einem Zurückbleiben hinter dem geforderten Mindestverhaltenssoll strafrechtlich zu Haft- und Geldstrafen verurteilt. Schutz bietet allein die Bestimmung der Provenienz eines jeden zu erwerbenden Gegenstandes. Während es sich bei der Machaquilá-Stele Nr. 2 in der Rechtssache United States v. Hollinshead noch um ein archäologisches Gut handelte, das bereits gefunden, ausgegraben, in einem behördlichen Verzeichnis dokumentiert und den Verwaltungsträgern Guatemalas als bekannt galt (Guatemala hatte somit zum Schutz des Artefakts „done all that it could possibly do to make effective its ownership“), wurden inzwischen Fallkonstellationen ersichtlich, in denen eine strafrechtliche Verurteilung erfolgte, nachdem amerikanische Kunsthändler präkolumbianische Artefakte in südamerikanischen Staaten erwarben und anschließend auf das Territorium der Vereinigten Staaten von Amerika transferierten.71 Die verschiedenen Entscheidungen innerhalb der Rechtssache United States v. McClain72 stellen dabei ohne Zweifel die sog. leading
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Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 165. United States v. Hollinshead, 495 F. 2d 1154 (9th Cir. 1974); United States v. McClain, 545 F. 2d 988 (5th Cir. 1977), 551 F. 2d 52 (5th Cir. 1977), 593 F. 2d 658 (5th Cir. 1979), 62 L. Ed.2. 173 (5th Cir. 1979); Government of Peru v. Johnson et al., 720 F. Supp. 810 (C.D.Cal. 1989), 1991 U.S. App. LEXIS 10385 (9th Cir. 1991); Republic of Turkey v. Metropolitan Museum of Art, 762 F. Supp. 44 (S.D.N.Y. 1990); Republic of Lebanon v. Sotheby’s, 167 A.D. 2d 142, 561 N.Y.S. 2d 566 (Sup. Ct. 1990). United States v. McClain, 545 E 2d 998 (5th Cir.) [McClain I], rehearing denied, 551 F. 2d 52 (5th Cir. 1977) (per curiam); US v. McClain, 593 F. 2d 658 (5th Cir.) [McClain II], cert. denied, 444 US 918 (1979).
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
cases73 in der strafrechtlichen Verurteilung von im Kunsthandel beteiligten Personen dar, die sich am internationalen Transfer unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter beteiligen.74 In diesem Fall hatte Patty McClain zusammen mit vier anderen Amerikanern präkolumbianische archäologische Grabungsfunde (Terrakottafiguren, Keramiken, Perlen und einige Stuckarbeiten) ohne die nach mexikanischem Recht erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen von Mexiko in die USA geschmuggelt und dort zu verkaufen versucht. 39
Nach nationalem mexikanischem Recht wurden präkolumbianische Kulturgüter zwingend als im Staatseigentum befindlich normiert. Ebenso wie in der Gerichtssache United States v. Hollinshead wurden auch in der McClain-Konstellation die Angeklagten des konspirativen Transfers und Empfangs gestohlener Mobilien – hier präkolumbianischer Artefakte aus dem Territorium Mexikos – im zwischenstaatlichen Güterverkehr entsprechend den Vorschriften des NSPA für schuldig gesprochen. Die in Streit stehenden Kulturgüter wurden als „stolen“ im Sinne des NSPA angesehen. Dadurch wurde nicht nur außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates anerkannt, dass Mexico sich aufgrund seines nationalen Kulturgüterschutzgesetzes als Eigentümer sämtlicher archäologischer sowohl
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Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 165. Vgl. Blass, Legal Restrictions on American Access to Foreign Cultural Property, Fordham Law Review 46 (1978), S. 1177–1204, S. 1183–1188; Borodkin, The Economics of Antiquities Looting and a Proposed Legal Alternative, Columbia Law Review 95 (1995), S. 377–417, S. 395; Church, Evaluating the Effectiveness of Foreign Laws on National Ownership of Cultural Property in U.S. Courts, Columbia Journal of Transnational Law, Volume 30 (1992), S. 180–229, S. 185–191; DeAngelis, How much Provenance Is Enough? Post-Schultz Guidelines for Art Museum Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, Fn. 17, S. 400; Forbes, Securing the Future of Our Past: Current Efforts to Protect Cultural Property, The Transnational Lawyer 9 (1996), S. 235–272, S. 255; Fox, The UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects: An Answer to the World Problem of Illicit Trade in Cultural Property, American University International Law Review 9 (1993), S. 225–267, S. 234–236; Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 165–166; Goldrich, Balancing the Need for Repatriation of Illegally Removed Cultural Property with the Interests of Bona Fide Purchasers: Applying the UNIDROIT Convention to the Case of the Gold Phiale, Fordham International Law Journal, Volume 23 (1999), S. 118–164, S. 147–151; Kenety, Who Owns the Past? The Need for Legal Reform and Reciprocity in the International Art Trade, Cornell International Law Journal, Volume 23 (1990), S. 1–46, S. 19–21; Kennon, Take A Picture, It May Last Longer if Guggenheim Becomes the Law of the Land: The Repatriation of Fine Art, St. Thomas Law Review 8 (1995), S. 373–422, S. 389–393; McAlee, From the Boston Raphael to Peruvian Pots: Limitation on the Importation of Art into the United States, Dickinson Law Review 85 (1981), S. 565–605, S. 578–598; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 68.
5. Abschnitt: Strafrechtliche Sanktionen?
entdeckter als auch unentdeckter Artefakte betrachtete,75 sondern darüber hinaus von dem Gericht bestimmt, dass der in dem NSPA normierte Begriff „stolen“ nicht als enger Kunstbegriff anzusehen, sondern einer breiten Auslegung zugänglich und diesem eine weitreichende Bedeutung beizumessen sei. Der Fifth Circuit stütze die Verurteilung darauf, dass die Angeklagten hinter dem Minimalverhaltenskodex beim Erwerb der archäologischen Artefakte zurückblieben und Kenntnis von der Verletzung mexikanischen und amerikanischen Rechts besaßen: “In the absence of compelling evidence of prejudice, we would be loath to reverse a conviction such as this where the evidence of guilt and of intent to violate both foreign and domestic law is near overwhelming. We believe, nonetheless, that reversal of at least the substantive count is required here ….”76 Auch wenn das Gericht später seine Entscheidung wieder aus tatsächlichen Gründen revidierte, ist die strafrechtliche Relevanz der McClain-Konstellation für den amerikanischen Kunsthandel außergewöhnlich bedeutsam. Der Import kultureller Wertgegenstände, die durch das nationale Kulturgüterschutzgesetz des kulturellen Ursprungsstaates zu dessen Eigentum designiert wurden, ist strafrechtlich mit dem Handel ‚gestohlener‘ Kulturgüter gleichzusetzen. Von rechtsdogmatischem Interesse ist in der Entscheidung trotz der strafrechtlichen Nichtverurteilung somit die Erkenntnis, dass – unter extraterritorialer Anerkennung der staatlichen Designation bestimmter kultureller Güter auch ohne tatsächliche Sachherrschaft zu Staatseigentum – ein illegaler Export von Kulturgütern im Eigentum des Staates und deren Weiterveräußerung strafrechtlich als Diebstahl, Unterschlagung und Hehlerei zu werten ist. Folglich gilt aufbauend auf dieser Entscheidung, dass jede Person innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika, die Kulturgüter in Besitz hat und weiß, dass diese aus einem Staat
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Die Angeklagten beriefen sich in ihrer Verteidigung darauf, dass sie sich bloß eines „illegalen Exports“ nach den Gesetzen Mexikos schuldig gemacht hätten, was jedoch keinesfalls die Applikation des NSPA zur Folge haben könne. Das Gericht unterschied in dieser Fallstudie zwischen bloßen ausländischen Kulturexportverboten („export prohibitions“), die dem Ursprungsstaat kultureller Objekte keine Eigentumsstellung zuweisen, und solchen Gesetzen, die dem kulturellen Urpsrungsstaat eine Eigentumsposition an bestimmten Kulturgütern verschaffen („sovereign ownership laws“). Weiterhin merkte das Gericht bezüglich dieser Unterscheidung an, dass bloße Kulturexportverbote keine dingliche Rechtsänderung bewirken, wohingegen „sovereign ownership laws“ mit der Designation bestimmter kultureller Güter zu Staatseigentum ein Merkmal der Staatshoheit des kulturellen Ursprungsstaats darstellen, und dass aus diesen Gründen der illegale Export solcher Kulturgüter als Diebstahl innerhalb des Bedeutungsbereichs des NSPA anzusehen sei. Zur Präzision und letztendlich Einschränkung des weiten Anwendungsbereichs dieses Rechtskonstruktes führte das Gericht in der Folge aus, dass nicht jegliche Designation kultureller Güter zu Staatseigentum als ausreichend für eine Verurteilung nach den Rechtsregeln des NSPA anzusehen sei. Vielmehr müsse aus dem Wortlaut der ausländischen Protektionsvorschrift des nationalen Kulturerbes hervorgehen „with sufficient clarity to survive translation into terms understandable and binding upon American citizens.“ McClain I, US v. McClain, 545 E 2d 998 (5th Cir.), rehearing denied, 551 F. 2d 52 (5th Cir. 1977) (per curiam). US v. McClain, 593 F. 2d 658 (5th Cir.) [McClain II], cert. denied, 444 US 918 (1979).
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
transferiert wurden, der sämtliche kulturellen Werte zu Staatseigentum designierte, einer strafrechtlichen Verfolgung unterworfen werden kann.77 40
Das urteilende Gericht selbst wusste um die Auswirkungen der Entscheidung auf die Profession des Kunsthandels: “Museum directors, art dealers, and innumerable private collectors throughout this country must have been in a state of shock when they read the news – if they did – of the convictions of the five defendants in this case”78. Anders als in der Entscheidung United States v. Hollinshead – hier war das gestohlene Kulturgut derart weit in der Öffentlichkeit bekannt, dass dem Kunsthändler die Herkunft und somit der illegale Transfer hätten bewusst sein müssen und die Beteiligung Hollinshead an dem illegalen Transfer selbst war in tatsächlicher Hinsicht undiskutabel bestätigt, sodass „[i]t would have been astonishing if the jury had found that they did not know the stele was stolen“ 79 – kam die Entscheidung, den National Stolen Property Act auf Fallkonstellationen des illegalen Exports kultureller Güter anzuwenden, in der Tat völlig unerwartet von der Öffentlichkeit und wurde einer intensiven Diskussion zugeführt. Aus diesem Grunde ist jede Person, die mit einem national geschützten und zu Staatseigentum designierten archäologischen Gut ohne explizite Erlaubnis seitens der mexikanischen Regierung oder solcher Staaten mit vergleichbaren Kulturgüterschutzgesetzen Handel treibt, als unrechtmäßiger Besitzer anzusehen, der den Wertgegenstand dem ursprünglichen Eigentümer, d.h. hier dem mexikanischen Staat, illegal entzieht. Dies muss den am Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäusern ebenso bekannt sein wie individuellen Privatsammlern, um hohe Haft- wie Geldstrafen zu vermeiden. Die professionell am internationalen Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser müssen auch ebenso sorgfältig wie individuelle Privatsammler die Provenienz zu erwerbender präkolumbianischer Altertumsfunde sowie vergleichbarer archäologischer Artefakt bspw. Griechenlands, Ägyptens und der Türkei untersuchen und feststellen, ob diese bei Ausfuhr dem kulturellen Ursprungsstaat zu Eigentum zugewiesen sind, um sich nicht dem Strafvorwurf des Handels mit gestohlenen Gegenständen ausgesetzt zu sehen. Auch innerhalb des Strafrechts werden damit spezielle Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb archäologischer Kulturgüter verlangt und Erwerber solcher Gegenstände müssen die Provenienz jedes zu erwerbenden Objektes bestimmen, um nicht die genannten Strafrisiken einzugehen. Zu Recht wird in zahlreichen Kommentaren zu den beiden Entscheidungen bildhaft von einer Schockwelle gesprochen, die sich durch den amerikanischen Kunsthandel bewege.80 77
78 79 80
Blass, Legal Restrictions on American Access to Foreign Cultural Property, Fordham Law Review 46 (1978), S. 1177–1204, S. 1284. United States v. McClain, 545 F. 2d 988 (5th Cir. 1977), S. 991. United States v. Hollinshead, 495 F. 2d 1154 (9th Cir. 1974), S. 1155–1156. Macrory, The International Protection of Cultural Property, in: American Society of International Law (ASIL), Proceedings of the 71st Annual Meeting, 1977, S. 200–202: “The decision
5. Abschnitt: Strafrechtliche Sanktionen?
Der United States Court of Appeals for the 2nd Circuit 81 bestätigte am 25. Juni 2003 innerhalb der Entscheidung United States of America v. Frederick Schultz82 durch die Verurteilung des bekannten New Yorker Kunsthändlers Frederick Schultz aufgrund des konspirativen Handels mit gestohlenen Kulturgütern die bisherige Rechtsprechung. Aufgrund dieser Entscheidung fand die inzwischen 25 Jahre zuvor in den McClain- und Hollinshead-Urteilen proklamierte Tendenz aktuelle Bestätigung, dass amerikanische Gerichte nationale Kulturgüterschutzgesetze ausländischer Staaten, die bestimmte Kulturgüter zu Eigentum des Ursprungsstaates erklären, auch innerhalb des Territoriums der Vereinigten Staaten anerkennen und unrechtmäßig ausgeführte Kulturgüter als „stolen“ nach dem NSPA charakterisieren. Damit brachte das Gericht die am internationalen Kulturgüterverkehr professionell beteiligten Kunst- und Antiquitätenhändler und -galeristen ins Zittern:83 “The collateral damage of the Frederick Schultz case to the reputations of legitimate dealers and collectors pales in comparison to the legal repercussions of that decision, in which a foreign law nationalizing antiquities was treated as an ownership law under the National Stolen Property Act. This decision potentially places title to thousands of objects in US museums and private collections in question and renders the safe harbour for objects long held in the United States under the Cultural Property Implementation Act meaningless.”84
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sent shock waves throughout the museum community.”; Vgl. Auch den ‚amicus curiae‘ Brief der American Association of Dealers in Ancient, Oriental, and Primitive Art, im Extrakt zitiert in United States v. McClain, 545 F. 2d 988 (5th Cir. 1977), Fn. 1, S. 991; Merryman, Thinking about the Elgin Marbles, Michigan Law Review Vol. 83 (1985), S. 1881–1923, S. 1890–1891; Merryman/Elsen, Law, Ethics and the Visual Arts, 4. Aufl. 2004; Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990, S. 98–99; Kenety, Who Owns the Past? The Need for Legal Reform and Reciprocity in the International Art Trade, Cornell International Law Journal, Volume 23 (1990), S. 1–46, S. 35 ff.; Berufungsargument von McClain in United States v. McClain, 545 F. 2d 988 (5th Cir. 1977), S. 994. United States of America v. Frederick Schultz, 178 F. Supp 2d 445, 2002 US Dist. Lexis 15. Vgl. hierzu das Schrifttum: Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 160 und 167; DeAngelis, How much Provenance Is Enough? Post-Schultz Guidelines for Art Museum Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 398–408; Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kuturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 44–51. Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 160. Kate Fitz-Gibbon, zitiert in Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 160.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
Der United States Attorney for the Southern District of New York legte Frederick Schultz, einem prominenten Kunst- und Antiquitätenhändler aus New York City, im Juli 2001 zur Last, entgegen dem NSPA zwischen 1990 und 1996 gestohlene Kulturgüter erhalten, besessen und verkauft zu haben. Bei den gestohlenen Kulturgütern handelte es sich um unterschiedliche archäologische Objekte Ägyptens, die entgegen den Grundsätzen der ägyptischen Loi n° 117 portant promulgation de la loi sur la protection des antiquités vom 6. August 1983 illegal durch einen englischen Restaurator namens Jonathan Tokeley Parry aus Ägypten ausgeführt wurden. Die Loi n° 117 vom 6. August 1983 bestimmt, dass alle unentdeckten Kulturgüter nach dem Jahre 1983 ipso jure im Eigentum des ägyptischen Staates stehen und nur nach der Erteilung einer offiziellen Genehmigung ausgeführt werden dürfen. Um die illegale Ausfuhr zu verheimlichen, restaurierte Jonathan Tokeley Parry diese Güter im Stil der zwanziger Jahre und gründete zusammen mit Frederick Schultz die fiktive Thomas Alcock Collection von 1920. Dadurch sollte der Schein erweckt werden, dass die Gegenstände bereits lange Zeit vor Geltung der ägyptischen Loi n° 117 vom 6. August 1983 außer Landes transferiert worden waren und die Schutzvorschriften somit nicht anwendbar seien.85 Frederick Schultz wurde entsprechend dem Regelungsprogramm des amerikanischen NSPA der konspirative Empfang und Besitz gestohlener beweglicher Gegenstände vorgeworfen. Die Anklageschrift legte Schultz den konspirativen Schmuggel archäologischer Objekte aus Ägypten entgegen der ägyptischen Loi n° 117 portant promulgation de la loi sur la protection des antiquités vom 6. August 1983 zur Last, wonach sich sämtliche archäologischen Gegenstände Ägyptens, die über einhundert Jahre alt sind und von archäolo-
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“Frederick Schultz, a New York dealer and owner and president of the Frederick Schultz Ancient Art Gallery, arranged to purchase smuggled antiquities from a British restorer by the name of Jonathan Tokeley-Parry. Tokeley-Parry reportedly smuggled more than 3.000 antiquities out of Egypt during the early 1990s. His method was to make the objects look like cheap reproductions by covering them in plastic and then applying gold leaf and black paint. After an object cleared British customs, he restored and sold them on the international art market with Mr. Schultz’s help. Ultimately, Tokeley-Parry was caught by New Scotland Yard, convicted in 1997, and served three years in jail. It was Tokeley-Parry who led investigators to Schultz by identifying him as his co-conspirator. The facts uncovered by investigators unveiled a scheme worked out by the Schultz/Tokeley-Parry team to create fake documentation for the objects as originating from an old collection, called the Thomas Alcock Collection, dating from the 1920s. Labels for the collection were dipped in tea to give them an aged appearance. Thomas Alcock was one of Tokeley-Parry’s deceased relatives. That relationship allowed Tokeley-Parry to present himself as Alcock’s heir for purposes of selling the collection. Correspondence between Schultz and Tokeley-Parry indicated clearly that the co-conspirators were intentionally giving objects a fake provenance that placed them outside of Egypt and in Great Britain before applicable domestic and foreign laws were enacted.” DeAngelis, How much Provenance Is Enough? Post-Schultz Guidelines for Art Museum Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 400.
5. Abschnitt: Strafrechtliche Sanktionen?
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gischer und historischer Bedeutung sind, seit 1983 im Staatseigentum Ägyptens befinden. Schultz beantragte die Abweisung der Klage und Einstellung des Verfahrens vornehmlich86 aufgrund des Einwandes, er habe nicht gewusst, dass seine Handlungen innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika als Diebstahl gewertet würden.87 Die Einlassung des Nichtwissens von der Strafbarkeit fand jedoch keine judikative Beachtung. Nach der Ansicht des United States Court of Appeals for the 2nd Circuit genügt es für eine strafrechtliche Verurteilung, dass Schultz sämtliche relevanten Fakten wusste, sodass seine Berufung, er kenne nicht die Strafbarkeit seines Verhaltens, ihm keine Entschuldigung biete, „given that ignorance of the law is no excuse“.88 Vielmehr machte das Gericht 86
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DeAngelis, How much Provenance Is Enough? Post-Schultz Guidelines for Art Museum Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, Fn. 18, S. 400: “Schultz also argued that the enactment of the Convention on Cultural Property Implementation Act (CPIA) that implemented the UNESCO Convention in the United States shows that Congress did not intend the NSPA to apply to objects such as the ones at issue. On appeal, the Second Circuit rejected this argument and affirmed Schulz’s conviction, holding that CPIA provides a mechanism by which the United States may recognize export controls of other nations, and does prevent criminal prosecution for theft of objects stolen from foreign nations. Because the CPIA is only a civil Customs statute, other types of theft would go unpunished if U.S. law enforcement were limited to the narrow category of cultural objects stolen from museums and cultural sites specified in the CPIA. Congress’s intention to do so would have had to be expressed clearly, which the court found was not the case. 333 F.3d 393, 408. The Archeological Institute of America, the American Anthropological Association, the Society of American Archeology, the Society of Historical Archaeology, and the U.S. Committee for the International Council on Monuments and Sites filed amicus briefs arguing that applying the NSPA this way would go a long way in protecting archeological sites worldwide.”. Zusätzlich begründete Schultz eine Abweisung der Klage mit folgenden Überlegungen: “(i) Law 117, despite its assertion of state ownership, is really more in the nature of a licensing and export regulation, the violation of which does not constitute theft of property in the sense covered by § 2315; (ii) that, assuming Law 117 really does work an expropriation of property by Egypt, the special kind of property thereby vested in that foreign state does not give rise to interests entitled to protection under United States law; and (iii) that even if such foreign interests might sometimes be entitled to such protection, Congress, in enacting the Cultural Property Implementation Act of 1983, 19 USC §§ 2601 et seq., chose to substitute a civil enforcement regime for criminal prosecution.”. Darüber hinaus argumentierte die Staatsanwaltschaft, dass der Zweck des Cultural Property Implementation Acts aus dem Jahre 1983 primär in der Verbesserung des Schutzes ausländischer archäologischer Objekte, keinesfalls jedoch in dem Ausschluss strafrechtlicher Bestimmungen gegenüber solchen Personen bestand, die sich am illegalen Kulturgüterverkehr beteiligen. Die Gegenansicht berief sich jedoch einerseits darauf, dass die rechtsdogmatisch zugrundeliegende McClain-Entscheidung im Generellen keine Rechtsgültigkeit mehr beanspruchen könne, und andererseits auf die gänzliche Präklusion der Rechtsanerkennung- und -durchsetzung ausländischer Kulturtransferregularien innerhalb des NSPA aufgrund der Statuierung des Cultural Property Implementation Acts aus dem Jahre 1983, dessen sowie weitere allgemeine kulturpolitische Rechtsgrundsätze anderweitig unterlaufen würden. Darüberhinaus berief sich Schultz auf die Wirkungslosigkeit des ägyptischen Kulturtransferregulativs
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darauf aufmerksam, dass das Verhalten von Schultz keinesfalls als unschuldig, sondern vielmehr als betrügerisch anzusehen sei. Schultz musste die Illegalität seiner Handlungen aufgrund der Fälschung von Dokumenten und der Diskussion der Strafwürdigkeit seiner konspirativen Handlungen mit Tokeley Parry bewusst sein. 44
Der United States Federal District Court for the Southern District of New York verurteilte Schultz schließlich zu 33 Monaten Gefängnis, US-$ 50.000 Geldstrafe und zur Rückgabe der Güter an Ägypten. Alle Beteiligten im internationalen Kunsthandel mit illegal exportierten Kulturgütern aus Staaten, die ihre archäologischen Schätze zu Eigentum des kulturellen Ursprungsstaates erklärten, sind dementsprechend zu erhöhter Vorsicht und Sorgfalt aufgerufen, um sich nicht einem Strafvorwurf ausgesetzt zu sehen. “The effect of recent legal developments will be to place a greater burden of due diligence on the good faith purchaser. This greater burden on purchasers does not necessarily relieve foreign claimants of the difficult evidentiary burden to overcome.” 89 Seitens der Vertreter restriktiver Kulturgüterschutzgesetze ist die Schultz-Rechtsprechung „a victory for the preservation of the full cultural record of the past“, wohingegen für Vertreter eines kulturellen Internationalismus und eines möglichst weitreichenden Kulturgüteraustauschs „the Schultz case represents a victory for cultural nationalism by aiding source countries to embargo all cultural objects within their borders.“90 Unabhängig von der zutreffenden rechtspolitischen Einschätzung
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vor amerikanischen Gerichten wegen fehlender Klarheit und Präzision des Gesetzeswortlauts aufgrund folgender Kriterien: “Among the factors these courts have considered in analyzing a foreign law’s purported declaration of ownership are: whether the law declared the state’s ownership in clear and unambiguous language; whether the law explicitly or implicitly recognized the right to private ownership; whether the nation actually sought to exercise its ownership rights such that, in practice, the statute acted as an export restriction; whether private citizens who possessed objects could transfer them by gift, bequest or intestate succession; and whether a designated government department had to make a determination of the object’s artistic, archaeological or historical value in deciding the government’s ownership interest. Applying these factors here demonstrates that Egypt’s law does not withstand scrutiny.” Zitiert bei Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 167. Im Ergebnis entschied das Gericht in sämtlichen Fragestellungen gegen die Argumentation Schultz’ und stellte fest, dass Schultz seine Behauptungen hinsichtlich der fehlenden Präzision und Rechtsklarheit des ägyptischen Kulturtransferregulativs nicht hinreichend darzulegen vermochte, sodass im konkreten Fall, jeglichen Zweifeln erhaben, davon auszugehen sei, dass Ägypten aufgrund des Gesetzes Nr. 117 Eigentum an den archäologischen Kulturgütern innehatte. Hoffman, International Art Transactions and the Resolution of Art and Cultural Property Disputes: A United States Perspective, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 159–177, S. 167. DeAngelis, How much Provenance Is Enough? Post-Schultz Guidelines for Art Museum Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 401.
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der Schultz-Rechtsprechung muss man aus der Gerichtsentscheidung lernen, „that ignorance of a foreign law vesting ownership in the foreign government will not be excused for experts in the field.“91 Alle am Kunstmarkt Beteiligten müssen erhöhte Sorgfaltsanstrengungen in der Provenienzerforschung an den Tag legen, um sich nicht einem Strafvorwurf ausgesetzt zu sehen.92 Auch innerhalb Europas besteht die Gefahr der strafrechtlichen Verurteilung beim Handel mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern. Dabei spielt es auch keine Rolle, welche Kategorie unrechtmäßiger Kulturgutentziehung vorliegt, sodass strafrechtliche Sanktionen nicht nur beim Diebstahl und illegalen Export von zu Staatseigentum designierten Kulturgütern erfolgt. Besonders auch hinsichtlich der Frage der strafrechtlichen Verfolgung unterstreichen jüngste Fälle in Frankreich und England die Wichtigkeit des guten Glaubens und der verkehrsüblichen Sorgfalt auf Seiten des Kunsthändlers, der Galeristen, Auktionshäuser und Privatsammler ebenso wie auf Seiten der Museumsdirektoren und -kuratoren bei der Erforschung eines zum Verkauf offerierten Werks. Der dramatischste der jüngsten Fälle betrifft ein Frans Hals-Porträt, das aus der bekann-
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DeAngelis, How much Provenance Is Enough? Post-Schultz Guidelines for Art Museum Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art, in: Hoffman, Art and Cultural Heritage – Law, Policy and Practice, 2006, S. 402. Nachdem sich die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika in der sog. Poussin-Affaire geweigert hatte, dem diplomatischen Gesuch Frankreichs um Beschlagnahme und Rückgabe des Gemäldes ‚Die heilige Familie auf den Stufen‘ von Nicolas Poussin nachzukommen (der von Frankreich geltend gemachte Exportverstoß wurde vom Cleveland Museum, das das Gemälde 1981 erworben hatte, unter Berufung auf die unklare französische Rechtslage bestritten), erließ Frankreich im Jahre 1984 einen Haftbefehl gegen den Direktor des Cleveland Museums, den es jedoch wieder aufhob, nachdem sich die französische Regierung und das Museum 1987 dahingehend verglichen hatten, dass das Eigentum des Museums anerkannt werden und letzteres den ‚Poussin‘ dem Louvre 25 Jahre zur Ausstellung überlassen sollte. “Compare the acquisition of a Poussin painting by the Cleveland Museum and the reaction of the French government, culminating in a French warrant for the arrest of the then Director of the Museum, Sherman Lee. An ambiguous provision in French law made it arguable that no permit was required for export of the Poussin. Mr. Lee, on advice of counsel, had adopted that interpretation, but the French government disagreed. The case remained unresolved for several years: the painting remained in Cleveland and Mr. Lee remeined at liberty, though he probably thought twice about visiting France. The matter was finally resolved in March, 1987, by an agreement between the Louvre and the Cleveland Museum recognizing the latter’s ownership of the Poussin but agreeing to extensive loan of it to the Louvre over a twenty-five year period.” Merryman, Cultural Property Export Controls, UFITA, Band 111 (1989), S. 63–99, Fn. 15, S. 68. Vgl. hierzu ausführlich auch Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, Fn. 497, S. 188–189; Merryman, The Retention of Cultural Property, U. C. Davis Law Review 21 (1988), S. 477 ff., S. 483 Fn. 15, S. 484–486; Nilson, Dispute over Cleveland Poussin Flares Again, ARTnewsletter vom 10.7.1984, S. 3; Nilson, Poussin’s Holy Family Feud, ARTnews, Feb. 1982, S. 78; Kenety, Who Owns the Past? The Need for Legal Reform and Reciprocity in the International Art Trade, Cornell International Law Journal, Volume 23 (1990), S. 1–46, S. 7; Merryman, Cultural Property Export Controls, UFITA, Band 111 (1989), S. 63–99, S. 68–71.
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ten französischen Schloss-Kollektion in Paris im Jahre 1943 seitens der deutschen Besatzungsbehörden unrechtmäßig entzogen worden war.93 Das Gemälde war in der Nachkriegszeit zwischen 1967 und 1989 viermal auf öffentlichen Auktionen veräußert worden. Zuletzt im Jahre 1989 erwarb ein New Yorker Kunsthändler das Gemälde, der es seinerseits nach Frankreich verschickte, damit es auf der Pariser Biennale im September 1990 ausgestellt werden konnte. Dort wurde das Gemälde von der französischen Polizei auf Betreiben der Erben der Schloss-Kollektion beschlagnahmt. Neben der Rückführungspflicht hatte der Fall aber auch strafrechtliche Sanktionen für den amerikanischen Händler, obwohl das Gemälde während eines Zeitraumes von mehr als zwanzig Jahren viermal öffentlich veräußert wurde. Im Sommer 2001 wurde der Händler von einem französischen Strafgericht für schuldig befunden, wissentlich mit gestohlenen Gütern zu handeln. Er hätte wissen müssen, dass das Gemälde als Kriegsbeute zu qualifizieren war und deshalb kein Eigentumsverlust der Erben der Schloss-Kollektion eingetreten sei, sodass der Erwerb und die Veräußerung auch noch heute mit einem Strafrechtsverdikt zu belegen waren. Der amerikanische Kunsthändler erhielt eine Gefängnisstrafe von acht Monaten auf Bewährung und eine geringfügige Geldstrafe. Er wurde angewiesen, das Gemälde den Erben zu übergeben.94 Der Fall unterstreicht in besonders deutlicher Manier die Tatsache, dass man sich (in keiner Rechtsordnung) heute mehr darauf verlassen kann, dass einem Kunstwerk, das bereits mehrfach auf dem öffentlichen Markt gehandelt worden ist, dadurch der Makel der Sittenwidrigkeit und die ‚belastete‘ Provenienz genommen werden kann. Die öffentliche Veräußerung allein ist keine Garantie dafür, dass es frei von Ansprüchen ist.95 46
Bei vorsätzlichem Handel mit Objekten aus illegalen Grabungen oder sonstigen unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern kommt auch innerhalb Deutschlands eine Strafbarkeit wegen Diebstahl, Unterschlagung oder Hehlerei in Betracht. Speziell in Bezug auf irakische Kulturgüter existieren seit dem Jahr 2003 zusätzliche, strengere Regelungen, wonach sich ein Händler ggf. gem. § 34 AWG i.V.m. Art. 3 93
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Vgl. ausführlich hierzu Simmons, Verkehrsübliche Sorgfalt bei Untersuchungen der Herkunft: Die Sichtweise eines Auktionshauses, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 162–175, S. 170. Vgl. Simmons, Verkehrsübliche Sorgfalt bei Untersuchungen der Herkunft: Die Sichtweise eines Auktionshauses, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 162–175, S. 170. Vgl. Simmons, Verkehrsübliche Sorgfalt bei Untersuchungen der Herkunft: Die Sichtweise eines Auktionshauses, in: Ministerium für Kultur der Russischen Föderation u.a., Das schwierige Schicksal von Kulturgütern – Materialien der internationalen Konferenz Privatrecht und Probleme der Restitution von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern, Moskau, 27. und 28. Mai 2002, 2002, S. 162–175, S. 170.
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der sog. Irak-Verordnung 96 strafbar macht. Darüber hinaus bestehen das Europarat-Übereinkommen aus dem Jahr 195997 und das Europarat-Übereinkommen aus dem Jahr 199098 des Europarates, aufgrund derer Objekte aus Straftaten (bspw. einer Fundunterschlagung) beschlagnahmt und in den Herkunftsstaat zurückgebracht werden können. Nur die Einhaltung von Mindestsorgfaltsanforderungen, die Bestimmung der Provenienz eines jeden zu erwerbenden Kunstwerks und die Akquisition allein ‚unbelasteter‘ Kulturgüter schützen somit sicher vor einer strafrechtlichen Sanktion. Ein Beispiel hierfür stellt das Restitutionsbegehr der Republik Irak hinsichtlich eines Gefäßes aus Goldblech aus dem Jahr 2009 dar, das die deutschen Zollbehörden dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz zur Verwahrung übergaben.99 Als die Münchener Münzhandlung Hirsch Nachfolger das Gefäß 2005 versteigerte, wurde Strafanzeige wegen des Handels mit illegaler Raubgrabung gestellt, die zuständige Staatsanwaltschaft in München stellte die Ermittlung wegen Verdachts der Hehlerei wenig später jedoch zunächst ein, ohne zuvor ein wissenschaftliches Gutachten über die Herkunft des Objektes eingeholt zu haben. Nach Angaben des Archäologen Müller-Karpe „stammt das Goldgefäß aus dem Irak und ist die mutmaßliche Beute von Raubgräbern, die in den vergangenen Jahren den berühmten Königsfriedhof der mesopotamischen Stadt Ur geplündert haben – und zwar so gründlich, dass das Areal auf Satellitenbildern vollständig durchlöchert aussieht. Die Grabräuber sind im ganzen Land aktiv. Viele ihrer Beutestücke sind seit dem Sturz des Saddam-Hussein-Regimes im Jahr 2003 außer Landes geschafft worden und bei deutschen Kunstauktionen aufgetaucht.“100 Da im Irak seit 1869, als das Gebiet noch zum Osmanischen Reich gehörte, ein Ausfuhrverbot existiert und die Republik archäologische Objekte zu Staatseigentum deklariert, liegt es nahe, dass das Gefäß – stammt es tatsächlich aus dem Gebiet des Iraks – nicht nur illegal ausgeführt wurde, sondern die Verletzung des irakischen Kulturgüter- und Denkmalschutzrechts nach der Eigentumszuweisung an die Republik Irak in Deutschland einem Diebstahl gleichgestellt werden kann. Die Geschäftsführerin des Auktionshauses bezweifelt dagegen die Herkunft des Gefäßes. Obwohl dieses anstatt der ersteigerten 1.200 Euro dann mehr als eine Million Euro wert wäre – und dies mit gutem Grund: Am 12. Juni erstattete die Republik Irak aufgrund der neuen Aktenlage Strafanzeige gegen die Geschäftsführerin des Auktionshauses wegen Hehlerei.
96 97 98 99
100
Verordnung (EG) Nr. 1210/2003 des Rates vom 07.07.03., ABl. L 169 vom 08.07.03, S. 6–23. BGBl. 1964 II, S. 1369. BGBl. 1998 II, S. 520. Vgl. ausführich hierzu und zu den folgenden tatsächlichen Angaben die Ausführungen bei Gerlach, Hehlerei mit Kunstschätzen – Aus Ur oder aus Troja?, FAZ, Artikel vom 29.06. 2009. Gerlach, Hehlerei mit Kunstschätzen – Aus Ur oder aus Troja?, FAZ, Artikel vom 29.06.2009.
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Dass sich dabei auch insbesondere die Auktionshäuser und Kunsthändler der besonderen Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt sehen, lässt sich anhand der Auktion des Hauses Hampel am 8. Dezember 2007 ersehen, in dessen Vorfeld die Strafverfolgungsbehörden ein eingeliefertes Werk Jan Brueghels des Jüngeren, ‚Vor der Dorfschänke‘ aus dem Jahre 1641 (s. Abb. 44) mit einem Marktwert 60.000 bis 80.000 Euro, zur Eigentümerfeststellung, im Rahmen der nach der StPO möglichen Rückgewinnungshilfe für Opfer von Straftaten, sicherstellte. Immer dann, wenn Auktionshäuser Gegenstände erhalten, deren Provenienz zweifelhaft ist, steht ihnen nach ihren AGB typischerweise das Recht zu, Dritte mit entsprechender Expertise einzuschalten, um sowohl kunsthistorische wie eigentumsrechtliche Fragen zu klären. „Ergibt die Nachforschung, dass ein anderer als der Einlieferer Eigentümer ist, stellt sich die Frage, ob das Auktionshaus berechtigt oder gar verpflichtet ist, den wahren Eigentümer zu benachrichtigen. Möglicherweise erwächst eine entsprechende Pflicht aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis bzw. aus der deliktischen Sonderverbindung zwischen Eigentümer und besitzendem Auktionshaus. Andererseits ist das Auktionshaus gegenüber dem Einlieferer mindestens nach § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme in Gestalt der Verschwiegenheitspflicht gegenüber Dritten verpflichtet.“101 Fest steht allerdings für den Fall, dass die durch die Provenienzrecherche gewonnenen Erkenntnisse auf Straftaten schließen lassen, dass der Straftatbestand der Hehlerei nach § 259 StGB für jeden im Raum steht, der die rechtswidrige Lage perpetuiert.
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Das Gemälde galt bislang den Dresdner Kunstsammlungen in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verschollen.102 Seit Ende der 1970er Jahre war aber nach Auskunft des Werkverzeichnisses von Ertz bekannt, dass das Gemälde im belgischen Handel und 1986 Christie’s angeboten worden war (die das Objekt jedoch ablehnten). Im Jahr 1989 soll Scottland Yard der Londoner DDR-Botschaft das Auftauchen des Bilds im amerikanischen Kunsthandel gemeldet haben.103 Der Einlieferer des Bildes gab an, das Gemälde in den 1990er Jahren von dem angesehenen Münchner Kunsthändler Bernheimer rechtmäßig erworben zu haben. Die Katalogbearbeiter des Auktionshauses hätten in einer solchen Konstellation den brisanten Einträgen nachgehen müssen und im Fall des Brueghels die Dresdner Kunstsammlungen ansprechen müssen. Welche Auswirkungen die Gefahr der Inkorporation unrechtmäßig entzogener Werke in den Verkauf für den Kunst-
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Weller, Pflicht des Auktionshauses zur Anzeige gegenüber dem wahren Eigentümer?, Latest News, Internetseite des Instituts für Kunst und Recht, Artikel vom 5.12.2007, www.ifkur.de. Vgl. ausführlich zum Folgenden Altmann, Vor dem Staatsanwat statt „Vor der Dorfschänke“, Art – Das Kunstmagazin, Artikel vom 7.12.2007, Quelle: http://www.artmagazin.de/kunstmarkt/2823/jan_brueghel_dresdner_kunstsammlungen; Sachs, Gefeit ist niemand (Kunst und Recht), F.A.Z., Artikel vom 01.12.2007, Nr. 280/S. 45. Vgl. Sachs, Gefeit ist niemand (Kunst und Recht), F.A.Z., Artikel vom 01.12.2007, Nr. 280/ S. 45.
5. Abschnitt: Strafrechtliche Sanktionen?
handel darstellt, beschreibt Scheublein vom Auktionshaus Neumeister: Keiner von uns ist in diesem Bereich hundertprozentig gefeit“, sodass „man vor allem die Literatur sorgfältig prüfe und – wo möglich – die Verfasser von Werkverzeichnissen kontaktiere. Außerdem schicke man jeden Katalog ans Landeskriminalamt, das dann seine Diebstahllisten durchforstet. Wer klug ist, schaut auch in die staatliche Datenbank „lostart.de“.“104 Im vorliegenden Fall verständigten die Dresdner Kunstsammlungen das bayerische Landeskriminalamt, sodass sich das Gemälde seit November 2007 in Polizeigewahrsam befindet und Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens gegen Unbekannt ist, Tatbestand der Hehlerei.
104
So das Zitat bei Sachs, Gefeit ist niemand (Kunst und Recht), F.A.Z., Artikel vom 01.12.2007, Nr. 280/S. 45.
1139
6. Abschnitt Bußgeldbewehrte Mindestverhaltensanforderungen, Sorgfalts- und Aufzeichnungspflichten der professionell am Kunsthandel Beteiligten 50
Neu eingeführt in den Kunsthandel wurden in den letzten Jahren spezielle gesetzliche Mindestverhaltensanforderungen, Sorgfaltspflichten und diesen entsprechende Aufzeichnungspflichten seitens der professionell am (inter-)nationalen Kunsthandel Beteiligten, um dem illegalen Kunsthandel einen weiteren Riegel vorzuschieben.105 In zahlreichen Fachbeiträgen wurde auf die speziellen Umstände des Erwerbs kultureller Wertgegenstände aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass der (inter-)nationale Kunstmarkt insgesamt, aber auch die einzelnen kulturellen Transaktionen von einem ‚geheimnisvollen Schleier‘ der Verschwiegenheit umhüllt werden. Selbst Museen in staatlicher Trägerschaft suchten in Einzelfällen, die Herkunft ihrer Neuerwerbungen zu verschleiern und nicht zu offenbaren – ein klarer Verstoß gegen die einhellige Meinung innerhalb der selbstauferlegten Verhaltensstandards der Museen. Nicht selten erfolgte dies auch deshalb, um dem öffentlichen Bewusstsein zu verschweigen, dass (meist archäologische) Kulturgüter, die aus kulturellen Ursprungsstaaten widerrechtlich ausgeführt wurden (d.h. unter Verstoß gegen die Ausfuhrkontrollvorschriften der nationalen Kulturgüterschutzgesetze), im Inland von Museen und ähnlichen Einrichtungen erworben wurden. Die besondere ‚Stimmung‘ des internationalen Kunsthandels – legal wie illegal – wird von Conley treffend beschrieben:
51
“Art deals are frequently shrouded in secrecy. Nonchalance concerning a piece’s provenance or history, facilitates the attitude among some dealers and buyers that a piece’s origins do not matter. Covert transactions and a complex web of international laws effectively blur the boundaries between legitimate and illegitimate transactions. Trails of stolen art are obscured by their easy movement. The wall of silence maintained in the world of art dealers creates a perfect haven in which the less scrupulous can sell their wares.”106
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Kunsthändler und -galerien sind ebenso zurückhaltend in der Preisgabe näherer Informationen über Veräußerer und Erwerber kultureller Wertgegenstände und den Fundort sowie die Angabe des kulturellen Ursprungsstaates wie auch über die gehandelten Objekte selbst, sodass im internationalen Kulturgüterverkehr eine Atmosphäre der Verschwiegenheit und Heimlichkeit zu konstatieren ist. Müller-Karpe weist exemplarisch für den Transfer mit archäologischen Objekten darauf hin, dass in einem Auktionskatalog eines Versteigerungshauses im Februar 2006
105
Vgl. für die Schweizer Rechtsordnung Grell/Plutschow, Sorgfaltspflichten gemäss Kulturgütertransfergesetz (KGTG) – Anleitung mit praktischen Tipps, 2005.
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
1141
„909 Objekte [aufgeführt sind], von denen [nur] 18 Objekte mit einer Fundortangabe versehen sind. Bei anderen ist vage vom östlichen Mittelmeerraum, Vorderasien oder Nordafrika die Rede. Nehmen wir einmal die Aegyptiaca beiseite, die stammen aus Ägypten. Aber bei 98 Prozent, also bei praktisch allen Objekten, die in diesem Katalog angeboten sind, gibt es keinen Herkunftsstaat, der seine Eigentumsrechte geltend machen könnte, weil er nicht nachweisen kann, dass tatsächlich das spezielle Objekt von seinem Territorium stammt. Das Imperium Romanum hat 30 Nachfolgestaaten. Keiner der 30 Nachfolgestaaten kann im konkreten Fall in aller Regel nachweisen, dass ein Raubgrabungsfund aus einer undokumentierten Raubgrabung tatsächlich von seinem Territorium und nicht vom Nachbarland stammt. Also nehmen wir einmal diesen Katalog. Konkret, könnte in diesem Fall bei 98 Prozent der Funde kein rechtmäßiger Eigentümer Eigentumsforderungen … geltend machen.“107
53
Die Verschwiegenheit innerhalb des (inter-)nationalen Kunst- und Antiquitätenhandels hat freilich auch sachliche Gründe und Versteigerungshäuser wie Kunsthändler wollen in der Öffentlichkeit nicht ihre Quellen kultureller Güter nennen, die sie am Markt anbieten, um nicht durch Konkurrenten am weiteren Absatz gehindert zu werden. In diesem Zusammenhang wird in den Analysen des illegalen Kunstmarktes aber auch nicht selten der Bogen zu dem größten illegalen Schwarzmarkt, dem Drogenhandel gespannt, der den internationalen Kunsthandel nicht mehr nur als Markt zum Erwerb kultureller Statussymbole erkennt, sondern durchaus zweckgerichtet in kulturelle Güter investiert, nicht zuletzt – geprägt durch das auktionale Verkaufswesen und die häufig anzutreffenden Barzahlungen –, um eine weitere Möglichkeit der Geldwäsche zu eröffnen.108
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Diesem ‚geheimen Schleier‘ der Verschwiegenheit aller im Kunstmarkt Beteiligten soll bspw. innerhalb der Rechtsordnungen der Schweiz und Deutschlands durch die Einführung spezieller Sorgfaltsanforderungen, Verhaltensstandards und entsprechender Aufzeichnungspflichten der professionell im Kunsthandel Beteilig-
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Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 492. Michael Müller-Karpe (Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz): Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Protokoll Nr. 16/18, Ausschuss für Kultur und Medien, Wortprotokoll, 18. Sitzung, Berlin, den 27.09.2006. Jochimsen, Abgeordnete der Partei DIE LINKE: Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Protokoll Nr. 16/18, Ausschuss für Kultur und Medien, Wortprotokoll, 18. Sitzung, Berlin, den 27.09.2006, weist auf eine vergleichbare Situation hin: „Ich habe gerade hier einen nicht ganz aktuellen, aber aus dem Frühjahr 2006 stammenden Antikenauktionskatalog aus München. Ich habe mir den genau angeschaut. Da sind 109 Objekte zur Auktion angeboten und nur bei 18 Objekten von 109 sind Fundorte angegeben. Das ist also sozusagen die augenblickliche Situation und Realität. Meine Frage: Wie kann durch das neue Gesetz möglicherweise wirklich verhindert werden, dass diese Situation fortgesetzt wird? Greift das Gesetz da oder müssen wir davon ausgehen, dass wir Kataloge sehen mit dem Reichtum riesiger Kulturschätze, Plastiken, Schmuck, Vasen, alles Mögliche? Wie gesagt, von über 109 Objekten gibt es nur 18 Fundorte. Müssen wir davon ausgehen, dass die große Mehrzahl dieser Objekte im Grunde genommen nicht legal auktioniert oder weitervertrieben wird?“. Conley, International Art Theft, Wisconsin International Law Journal 13 (1995), S. 493–512, S. 496–497.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
ten entgegengewirkt werden. Konkreter Anlass dieser neu eingeführten Gesetzesbestimmungen ist die innerstaatliche Umsetzung einzelner Vorgaben der UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970 in den beiden Vertragsstaaten. Spezielle Mindestverhaltensanforderungen, Sorgfaltspflichten und diesen entsprechende Aufzeichnungspflichten seitens der professionell am (inter-)nationalen Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser sind in Art. 7 (a) und in Art. 10 (a) Alt. 2 der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 als vertragsstaatliche Vorgaben formuliert: 56
UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970: Art 7: The States Parties to this Convention undertake: (a) To take the necessary measures, consistent with national legislation, to prevent museums and similar institutions within their territories from acquiring cultural property originating in another State Party which has been illegally exported after entry into force of this Convention, in the States concerned. Whenever possible, to inform a State of origin Party to this Convention of an offer of such cultural property illegally removed from that State after the entry into force of this Convention in both States; … Art. 10: The States Parties to this Convention undertake: (a) … , as appropriate for each country, oblige antique dealers, subject to penal or administrative sanctions, to maintain a register recording the origin of each item of cultural property, names and addresses of the supplier, description and price of each item sold and to inform the purchaser of the cultural property of the export prohibition to which such property may be subject; …
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Nach Art. 7 (a) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 verpflichten sich die Vertragsstaaten, im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Museen und ähnliche Einrichtungen in ihrem Hoheitsgebiet am Erwerb von Kulturgut zu hindern, das aus einem anderen Vertragsstaat stammt und nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für die betreffenden Staaten widerrechtlich ausgeführt worden ist. Darüber hinaus sollen die Vertragsstaaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen Ursprungsstaat, der Vertragspartei ist, darüber unterrichten, wenn solches Kulturgut angeboten wird, das nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für beide Staaten widerrechtlich aus jenem Staat entfernt worden ist. Nach Art. 10 (a) Alt. 2 der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 verpflichten sich die Vertragsstaaten darüber hinausgehend dazu, je nach den Gegebenheiten eines jeden Landes, den Antiquitätenhändlern unter Androhung von Kriminal- oder Ordnungsstrafen aufzuerlegen, erstens ein Verzeichnis zu führen, aus dem der Ursprung jedes einzelnen Kulturguts, Name und Anschrift des Lieferanten sowie die Beschreibung und der Preis jedes verkauften Gegenstands hervorgehen, und zweitens potentielle Erwerber solcher archäologischen oder kulturellen Objekte über möglicherweise bestehende Ausfuhrverbote und Schutzvorschriften nationaler Kulturgüterschutzgesetze zu unterrichten. Art. 10 der UNESCO-Conven-
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
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tion vom 14. November 1970 verpflichtet die Vertragsstaaten zu weiteren schutzbezogenen internen Maßnahmen, dem Erlass sanktionierter Aufzeichnungs- und Informationspflichten für den Kunst- und Antiquitätenhandel (Buchstabe (a) 2. Halbsatz). Die zwingende Einführung von Mindestverhaltensstandards für den Kunst- und Antiquitätenhandel stellt eine zentrale Bestimmung des Übereinkommens dar und soll verhindern, dass Objekte illegaler Herkunft unter sog. „Legenden“109 durch den legalen Handel geschleust werden. Selbst in dem Fall, dass unrechtmäßig entzogene Kulturgüter in den legalen Kunstmarkt gelangen, kann aufgrund dieser speziellen Sorgfalts- und Aufzeichnungspflichten zumindest ihr Weg zurückverfolgt werden. Eine weitere von Art. 10 der UNESCOConvention vom 14. November 1970 vorgesehene Forderung verlangt, dass professionelle Kunst- und Antiquitätenhändler ebenso wie Galeristen und Auktionshäuser mögliche Erwerber über eventuell für das betreffende Kulturgut bestehende Ausfuhrverbote des kulturellen Ursprungsstaates unterrichten, um schon eine mögliche Ausfuhr ohne rechtsgültige Exportlizenz zu verhindern. Die UNESCO-Convention fordert zur Umsetzung dieser Verhaltensstandards, dass Verstöße gegen diese Pflichten seitens der Mitgliedstaaten angemessen sanktioniert werden, um die Wirksamkeit des Verbots zu gewährleisten.110
A. Sorgfaltsanforderungen kultureller Institutionen des Bundes, im Kunsthandel und Auktionswesen nach dem Schweizer Kulturgütertransfergesetz Von rechtserheblichem Interesse sind in diesem Zusammenhang zunächst die in Art. 15 Abs. 1 und 16 Abs. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003111 normierten Übertragungsverbote illegal transferierter Kulturgüter speziell seitens kultureller Institutionen des Bundes sowie der professionell am Kunstgewerbe beteiligten Personen und Unternehmen.112 109
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Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1372 vom 4.5.2006. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1372 vom 4.5.2006. Vgl. Raschèr/Bauen/Fischer/Zen-Ruffinen, Cultural Property Transfer, 2005, S. 211 ff., insb. S. 258 ff.; Grell/Plutschow, Sorgfaltspflichten gemäss Kulturgütertransfergesetz (KGTG) – Anleitung mit praktischen Tipps, 2005. Vgl. hierzu und zur folgenden Kommentierung des Art. 16 Abs. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer vom 20. Juni 2003: Botschaft 01.077 über die UNESCO-Konvention 1970 und das Bundesgesetz über den internationalen Kultur-
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
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Art. 15 Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003: Übertragung an Institutionen des Bundes: (1) Institutionen des Bundes dürfen keine Kulturgüter erwerben oder ausstellen, die: a) gestohlen worden sind, gegen den Willen der Eigentümerin oder des Eigentümers abhanden gekommen sind oder rechtswidrig ausgegraben worden sind; b) Teil des kulturellen Erbes eines Staates sind und rechtswidrig aus diesem ausgeführt worden sind. (2) Die Institutionen des Bundes, denen solche Güter angeboten werden, benachrichtigen unverzüglich die Fachstelle. Art. 16 Abs. 1 Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003: Sorgfaltspflichten: Im Kunsthandel und im Auktionswesen darf Kulturgut nur übertragen werden, wenn die übertragende Person nach den Umständen annehmen darf, dass das Kulturgut: a) nicht gestohlen worden ist, nicht gegen den Willen der Eigentümerin oder des Eigentümers abhanden gekommen ist und nicht rechtswidrig ausgegraben worden ist; b) nicht rechtswidrig eingeführt worden ist.
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Im internationalen Kulturgüterverkehr haben die kulturellen Institutionen des Bundes113 besondere Vorschriften über die Einfuhr und den Erwerb kultureller Güter zu beachten. Zusätzlich werden den im Kunsthandel professionell beteiligten Personen und den Auktionshäusern114 besondere Pflichten beim Transfer (d.h. Erwerb und Veräußerung) kultureller Güter auferlegt. Innerhalb der Erwerbskontrolle des neuen Schweizer Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003 sind somit vier unterschiedliche Konstellationen zu unterscheiden:
113
114
gütertransfer (KGTG) im Namen des Schweizerischen Bundesrates vom 21. November 2001 (Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung der UNESCO-Konvention vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCO-Konvention 1970) sowie den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) mit dem Antrag auf Zustimmung). Art. 1 Verordnung über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransferverordnung, KGTV) vom 13. April 2005: Begriffe: … c. Institutionen des Bundes: 1. das Schweizerische Landesmuseum mit seiner Zweigstelle und den Aussenstellen, 2. die Schweizerische Landesbibliothek sowie das Schweizerische Literaturarchiv und das Centre Dürrenmatt, 3. die Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» in Winterthur, 4. das Museo Vela in Ligornetto, 5. die Graphische Sammlung der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, 6. die Kunst- und Kulturgütersammlung der Eidgenössischen Gottfried Keller-Stiftung, 7. die Bundeskunstsammlung (Kunst und Design), 8. die Bestände des Eidgenössischen Archivs für Denkmalpflege; … . Art. 1 Verordnung über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransferverordnung, KGTV) vom 13. April 2005: Begriffe: … e. im Kunsthandel und im Auktionswesen tätige Personen: 1. natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz, die zum Eintrag in das Handelsregister verpflichtet sind und die entweder Kulturgüter zum Zwecke des Wiederverkaufs für eigene Rechnung erwerben oder den Handel mit Kulturgütern für fremde Rechnung besorgen, 2. natürliche Personen mit Wohnsitz im Ausland und Gesellschaften mit Sitz im Ausland, die in einem Kalenderjahr mehr als zehn Handelsgeschäfte mit Kulturgütern tätigen und dabei einen Umsatz von mehr als 100 000 Franken erzielen und die entweder Kulturgüter zum Zwecke des Wiederverkaufs für eigene Rechnung erwerben oder den Handel mit Kulturgütern für fremde Rechnung besorgen; ….
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
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Erwerbskontrolle des schweizer Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003
Übertragung kultureller Güter an Institutionen des Bundes (Art. 15 Abs. 1)
Erwerb gestohlener und illegal ausgegrabener Kulturgüter (Abs. 1 a))
Erwerb illegal ausgeführter Kulturgüter des nationalen Kulturerbes (Abs. 1 b))
Übertragung kultureller Güter im Kunst- u. Auktionswesen (Art. 16 Abs. 1)
Transfer gestohlener und illegal ausgegrabener Kulturgüter (Abs. 1 a))
Transfer rechtswidrig eingeführter Kulturgüter (Abs. 1 b))
Schema 16 – Erwerbskontrolle des Schweizer Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003
Die Reichweite der Erwerbskontrolle gestohlener und illegal ausgegrabener Kulturgüter erstreckt sich beim Erwerb kultureller Institutionen des Bundes einerseits und dem Transfer innerhalb des Kunsthandels und Auktionswesens andererseits gleich weit. Im Gegensatz dazu erfolgt eine Kontrolle des Erwerbs kultureller Institutionen des Bundes bei dem Erwerb illegal ausgeführter Kulturgüter (Art. 15 Abs. 1 b)), wohingegen die Kontrolle der im Kunsthandel und Auktionswesen tätigen Personen bei einem Transfer illegal auf das Territorium der Schweiz eingeführter Kulturgüter (Art. 16 Abs. 1 b)) des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 erfolgt. Da das Erwerbsverbot allein für die im Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003 bezeichneten kulturellen Institutionen des Bundes in staatlicher Trägerschaft zählt, ist in Art. 15 kein generelles Erwerbsverbot normiert.115 Nichtsdestotrotz unterliegen sämtliche private Museen und kulturelle Institutionen, die sich dem ICOM-Code of Ethics for Museums vom 8. Oktober 2004 selbstverpflichtend unterworfen und dem International Council of Museums (ICOM) angeschlossen haben, inhaltlich entsprechenden Erwerbsregeln, die jedoch aufgrund ihrer Rechtsnatur als selbstauferlegte Verhaltensregeln keine gerichtliche Durchsetzung erfahren. Diese privaten Museen und kulturellen Institutionen folgen jedoch darin inhaltlich den gleichen ethischen Grundregeln, wie sie in dem Europäischen Übereinkommen über den Schutz des archäologischen Kulturgutes vom 16. Januar 1992 (Malta-Konvention) verankert sind. Am 27. März 1996 hat die Schweiz die Konvention ratifiziert und am 28. September 1996 trat sie in Kraft. Die im Privatverkehr üblichen internationalen Standards entsprechend dem ICOM-Code of Ethics for Museums vom
115
Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 21–25.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
8. Oktober 2004 werden nun durch Art. 15 und 16 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 ins Bundesrecht aufgenommen und auf die genannten kulturellen Institutionen des Bundes und die professionell am Kunst- und Auktionshandel beteiligten Personen ausgedehnt, sodass Art. 15 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 an sich keine neuen Sorgfaltspflichten definiert.116 62
Die Verpflichtung aus Art. 7 (a) der UNESCO Convention vom 14. November 1970 wird durch Art. 15 Abs. 1 b) des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 für die Institutionen des schweizerischen Bundes sinngemäß umgesetzt. Vorausgesetzt wird, dass die Sache zum kulturellen Erbe eines Staates zählt und ein Verstoß gegen eine ausländische Ausfuhrbestimmung vorliegt. Nicht erfasst werden private Museen und sich nicht in öffentlicher Trägerschaft befindliche kulturelle Institutionen,117 die weiterhin ungehindert unrechtmäßig aus einem kulturellen Ursprungsstaat ausgeführte Güter erwerben können.118 Da es im Gegensatz zu Art. 15 Abs. 1 b) (kulturelle Institutionen des Bundes) bei Art. 16 Abs. 1 b) (im Kunsthandel und Auktionswesen tätige Personen) nur darauf ankommt, ob das Kulturgut illegal i.S.v. Art. 2 Abs. 5 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 in die Schweiz eingeführt wurde, beeinträchtigen die mangelnde Verletzung des Exportgesetzes des betroffenen kulturellen Ursprungsstaates sowie die fehlende Zugehörigkeit zu dessen kulturellem Erbe die Schutzwirkung von Art. 16 Abs. 1 b) des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 nicht (es spielt also keine Rolle, ob es sich um einen Teil des kulturellen Erbes des betreffenden Staates handelt).119 Da es somit im Unterschied zu Art. 15 Abs. 1 b) des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 nach Art. 16 Abs. 1 b) im Kunsthandel und Auktionswesen zusätzlich darauf ankommt, dass das Kulturobjekt illegal in die Schweiz eingeführt wurde, richtet sich der Verstoß gegen die kulturgüterspezifischen Importkontrollbestimmungen der Schweiz und nicht allein gegen ausländische Exportvorschriften. So darf bspw. ein Auktionshaus in der Schweiz kein irakisches Kunstwerk versteigern, das weder zum
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Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 21–25. Der Gesetzgeber des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 zielte darauf ab, den Kunsthandel möglichst wenig zu belasten. Dies stellt nach Ansicht Siegfrieds eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers dar, um das Gesetz nicht als Ganzes zu gefährden. Einem Erwerb eines betreffenden Kulturguts durch eine bundesfremde Institution steht demzufolge das Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003 nicht entgegen. Vgl. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 21–25. Vgl. auch Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 41. Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 41.
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
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Teil des irakischen kulturellen Erbes gehört, noch nach dessen Exportvorschriften geschützt wird, aber durch die Verordnung über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber der Republik Irak vom 28. Mai 2003 des Bundes nicht in die Schweiz eingeführt werden darf.120 Als rechtswidrige Einfuhr gilt bekanntlich nach Art. 2 Abs. 5 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 eine Einfuhr, die eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 7 (Situation der Importbeschränkung aufgrund bi- oder multilateraler Vereinbarungen zwischen der Schweiz und einem Vertragsstaat der UNESCO Convention vom 14. November 1970) oder eine Maßnahme im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 a) (Situation der Importbeschränkungen zur Schadensprävention bei Gefahr für das kulturelle Erbe eines Staates wegen außerordentlicher Ereignisse) verletzt. Die Verletzung einer Bestimmung des Art. 16 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 zieht strafrechtliche Sanktionen nach Art. 25 Abs. 1 a) nach sich.121 Somit sind die professionell im Kunsthandel und Auktionswesen Berufstätigen dazu verpflichtet, bei einem Transfer kultureller Güter erhöhte Sorgfalt und Aufmerksamkeit walten zu lassen. Die besondere Sorgfaltspflicht rechtfertigt sich im Kunsthandel und Auktionswesen zunächst durch den Umstand, dass ein erhöhtes Risiko besteht, dass Objekte dubioser Provenienz angeboten werden. Traditionell wurden kulturelle Veräußerungsgeschäfte in der Vergangenheit in größter Diskretion ausgeführt und nicht selten durch die Einschaltung von Mittelsmännern und Agenten ohne Offenlegung der an dem Kunstdeal beteiligten Rechteinhaber vollzogen, sodass in den seltensten Fällen eine verlässliche Provenienzbestimmung erfolgte bzw. überhaupt erst erfolgen konnte. Andererseits ist aber auch davon auszugehen, dass die im Kunsthandel und Auktionswesen aktiv tätigen Personen in Fragen des Kunsthandels über besondere Kenntnisse und spezielles Wissen verfügen und zudem mit der Branche vertraut sind. Völlig zu Recht beruft sich somit die schweizerische Begründung des Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer vom 20. Juni 2003 (sog. Botschaft) auf die in Rede stehenden besonderen Kenntnisse, das Spezialwissen und die Branchenvertrautheit als subjektive, das Maß der Sorgfaltspflicht qualifizierende Eigenschaften und verbietet die rechtsgeschäftliche Übertragung illegal transferierter Kulturgüter speziell seitens der professionell im Kunsthandel beteiligten Personen und
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Siegfried, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz – Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG), 2007, S. 41. Art. 25 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Übertretungen: (1) Sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit höherer Strafe bedroht ist, wird mit Busse bis zu 20 000 Franken bestraft, wer im Kunsthandel oder Auktionswesen: a. die Sorgfaltspflichten missachtet (Art. 16); b. die Kontrolle vereitelt (Art. 17). (2) Versuch und Gehilfenschaft sind strafbar. (3) In leichten Fällen kann von der Bestrafung abgesehen werden.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
Unternehmen.122 Ergänzung fand das genannte schweizerische Regelungsprogramm der professionell im Kunsthandel tätigen Personen und Unternehmen in der Bestimmung, dass die im Kunsthandel und Auktionswesen tätigen Personen gegenüber ihrer Kundschaft verpflichtet sind, diese über sowohl schweizerische als auch ausländische Ein- und Ausfuhrregelungen zu unterrichten: 64
Art. 16 Abs. 2 b. des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Die im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen sind verpflichtet: … b. ihre Kundschaft über bestehende Ein- und Ausfuhrregelungen von Vertragsstaaten zu unterrichten; …
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Das Pendant hierzu findet sich in Art. 18 Buchstabe e. des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003123, das dem Kunsthandel, dem Auktionswesen sowie weiteren interessierten Kreisen ermöglicht, sich bei der Fachstelle über diesbezügliche Fragestellungen zu informieren. Die Nichteinhaltung dieser Pflichten zieht strafrechtliche Sanktionen nach sich.124
B.
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Aufzeichnungspflichten der professionell im Kunsthandel Beteiligten als Ausdruck der Notwendigkeit eines gesteigerten Sorgfaltsmaßstabs
In neueren Kulturgüterschutzgesetzen wird die Normierung besonderer, über die allgemeinen buchführungsrechtlichen Aufzeichnungspflichten der professionell am Kunstgewerbe beteiligten Personen und Unternehmen hinausgehender Registrierungspflichten als probates Mittel der Bekämpfung des illegalen Kultur122
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Damit wird die erhöhte Sorgfaltspflicht nach Art. 16 Abs. 1 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 mit den analogen zivilrechtlichen Anforderungen an den Kunsthandel und an das kulturelle Auktionswesen auch ins öffentliche Recht übertragen. Vgl. Botschaft 01.077 über die UNESCO-Konvention 1970 und das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG) im Namen des Schweizerischen Bundesrates vom 21. November 2001 (Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung der UNESCO-Konvention vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCOKonvention 1970) sowie den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) mit dem Antrag auf Zustimmung). Art. 18 e. des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Fachstelle: Für den Vollzug dieses Gesetzes bezeichnet der Bund eine Fachstelle, die namentlich folgende Aufgaben übernimmt: … e. sie erteilt den im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen sowie weiteren interessierten Kreisen Auskünfte in Fragen des Kulturgütertransfers; … . Art. 25 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Übertretungen: (1) Sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit höherer Strafe bedroht ist, wird mit Buße bis zu 20.000 Franken bestraft, wer im Kunsthandel oder Auktionswesen: a. die Sorgfaltspflichten missachtet (Art. 16); b. die Kontrolle vereitelt (Art. 17). (2) Versuch und Gehilfenschaft sind strafbar. (3) In leichten Fällen kann von der Bestrafung abgesehen werden. Art. 26 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Widerhandlung in Geschäftsbetrieben: Für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben gelten die Art. 6 und 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 19748 über das Verwaltungsstrafrecht.
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
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gütertransfers angesehen. Vorbildcharakter übernahm in diesem Zusammenhang die französische Rechtsordnung: Seit Erlass des Art. 2 des Décret Nr. 68– 786 relatif à la police du commerce de revendeur d’objets mobilier vom 29.8.1969, modifiziert durch das Décret Nr. 70–788 vom 27.8.1970, ist jeder Antiquitätenund Kunsthändler dafür verantwortlich, dass ein präzises Register125 geführt wird, in welches sämtliche Käufe und Verkäufe detailliert eingetragen werden und welches regelmäßig einer staatlichen Kontrolle zugeführt wird. Sinn und Zweck dieser Rechtsvorschriften der besonderen Kontrolle der professionell am Kunstgewerbe beteiligten Personenkreise und Unternehmen liegt in der Festschreibung einer möglichst weitreichenden Publizität der innerhalb des Kunstgewerbes vorgenommenen Transaktionen, die – bekanntermaßen – traditionell in größter Diskretion ausgeführt wurden und nicht selten durch die Einschaltung von Mittelsmännern und Agenten ohne Offenlegung der an dem Kunstdeal beteiligten Rechteinhaber verliefen, ohne dass eine verlässliche Provenienzbestimmung erfolgte bzw. erfolgen konnte.
I.
Aufzeichnungspflichten der im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen innerhalb des Schweizer Kulturgütertransfergesetzes
Von exemplarischem Interesse ist hierfür die in Art. 16 Abs. 2 und 3 des schweizerischen Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003 normierte Aufzeichnungspflicht der im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen,126 die nach Art. 16 Abs. 2 der Verordnung zu dem Kulturgütertransfergesetz (KGTV) vom 13. April 2005 nur für Kulturgüter gelten, deren Ankaufspreis oder, bei Geschäften für fremde Rechnung, Schätzwert eines Kulturguts mindestens 5.000 Franken beträgt.
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Art. 16 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Sorgfaltspflichten: (2) Die im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen sind verpflichtet: a. die Identität der einliefernden Personen oder der Verkäuferin oder des Verkäufers festzustellen und von diesen eine schriftliche Erklärung über deren Verfügungsberechtigung über das Kulturgut zu verlangen; … c. über die Beschaffung von Kulturgut Buch zu
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Uhl, Der Handel mit Kunstwerken im europäischen Binnenmarkt – Freier Warenverkehr versus nationaler Kulturgutschutz, 1993, S. 84–85. Vgl. hierzu und zur folgenden Kommentierung des Art. 16 Abs. 2 und 3 des schweizerischen Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer vom 20. Juni 2003: Botschaft 01.077 über die UNESCO-Konvention 1970 und das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG) im Namen des Schweizerischen Bundesrates vom 21. November 2001 (Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung der UNESCO-Konvention vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCO-Konvention 1970) sowie den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) mit dem Antrag auf Zustimmung).
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel führen und namentlich den Ursprung des Kulturgutes, soweit er bekannt ist, und den Namen und die Adresse der einliefernden Person oder der Verkäuferin oder des Verkäufers, die Beschreibung sowie den Ankaufspreis des Kulturguts aufzuzeichnen; d. der Fachstelle alle nötigen Auskünfte über die Erfüllung dieser Sorgfaltspflichten zu erteilen. (3) Die Aufzeichnungen und Belege sind während 30 Jahren aufzubewahren. Art. 962 Absatz 2 des Obligationenrechts gilt sinngemäss. Art. 17 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Kontrolle: (1) Um die Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu kontrollieren, hat die Fachstelle Zutritt zu den Geschäftsräumen und Lager der im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen. (2) Wenn sie begründeten Verdacht hat, dass eine strafbare Handlung nach diesem Gesetz vorliegt, erstattet die Fachstelle der zuständigen Strafverfolgungsbehörde Anzeige. Art. 16 Verordnung über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransferverordnung, KGTV) vom 13. April 2005: Geltungsbereich der Artikel 15–17 KGTG (1) Die Artikel 15–17 KGTG finden Anwendung auf: a. die Institutionen des Bundes; b. die im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen, soweit sie Kulturgüter in der Schweiz übertragen. (2) Liegt der Ankaufspreis oder, bei Geschäften für fremde Rechnung, der Schätzwert eines Kulturguts unter 5000 Franken, so entfallen die Pflichten nach den Artikeln 15–17 KGTG. (3) Die Ausnahme nach Absatz 2 gilt nicht für den Handel mit Kulturgütern folgender Kategorien: a. Ergebnisse archäologischer oder paläontologischer Ausgrabungen oder Entdeckungen; b. Teile zerstückelter künstlerischer oder geschichtlicher Denkmäler oder von Ausgrabungsstätten; c. ethnologische Gegenstände, insbesondere solche, die im Zusammenhang mit sakralen oder profanen Riten in Gebrauch sind.
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Danach sind die im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen zur Buchführung über die Beschaffung kultureller Güter verpflichtet. Die Bestimmung gilt ausschließlich für den gewerbsmäßigen Handel mit Kulturgütern im Sinne des Art. 2 Abs. 1127, d.h. mit archäologischen und paläontologischen Bodenfunden, Teilen von Denkmälern, sakralen Bauwerken oder archäologischen Stätten, mit Objekten von ethnologischer oder kultischer Bedeutung, mit sakralen Gegenständen sowie mit historisch oder kulturell bedeutendem Archivgut.128 In den Aufzeichnungen sind der Ursprung des Kulturguts (also Herkunft und Vorgeschichte, soweit diese zu eruieren sind), Name und Adresse der einliefernden Person bzw. der Verkäuferin oder des Verkäufers (unter Beilage einer Kopie eines Ausweispapiers) sowie die Beschreibung und der Ankaufspreis 127
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Art. 2 Abs. 1 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Begriffe: Als Kulturgut gilt ein aus religiösen oder weltlichen Gründen für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft bedeutungsvolles Gut, das einer der Kategorien nach Art. 1 der UNESCO-Konvention 1970 angehört. Vgl. Botschaft 01.077 über die UNESCO-Konvention 1970 und das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG) im Namen des Schweizerischen Bundesrates vom 21. November 2001 (Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung der UNESCO-Konvention vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCOKonvention 1970) sowie den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) mit dem Antrag auf Zustimmung).
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
des Kulturguts aufzunehmen. Die Aufzeichnungen und Belege müssen nach Art. 16 Abs. 3 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 während 30 Jahren aufbewahrt werden. Diese dreißigjährige Pflicht zur Aufbewahrung der Bücher ist insbesondere im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 4 und 5 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003129 sowie mit den speziell kulturelle Güter betreffenden Ergänzungen des schweizerischen Zivilgesetzbuches in Art. 728 Abs. 1ter [neu] ZGB130 und Art. 934 Abs. 1bis [neu] ZGB131 zu sehen. Darin werden sowohl die Ersitzungsfrist für Kulturgüter als auch die absolute Verjährungsfrist des Rückforderungsrechts für abhandengekommene Kulturgüter auf 30 Jahre erhöht. Dementsprechend erfüllt die Aufbewahrungspflicht der Bücher nach Art. 16 Abs. 3 des Kulturgütertransfergesetzes ihren eingangs beschriebenen Zweck nur dann, wenn ihre Frist ebenfalls auf 30 Jahre festgelegt wird.132 Auch die Nichteinhaltung dieser Aufzeichnungspflichten zieht strafrechtliche Sanktionen nach sich.133 129
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Art. 9 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Rückführungsklagen auf Grund von Vereinbarungen: (4) Die Rückführungsklage des Staats verjährt ein Jahr nachdem seine Behörden Kenntnis erlangt haben wo und bei wem sich das Kulturgut befindet, spätestens jedoch 30 Jahre nachdem das Kulturgut rechtswidrig ausgeführt worden ist. (5) Wer das Kulturgut in gutem Glauben erworben hat und es zurückgeben muss, hat im Zeitpunkt der Rückführung Anspruch auf eine Entschädigung, die sich am Kaufpreis und an den notwendigen und nützlichen Aufwendungen zur Bewahrung und Erhaltung des Kulturguts orientiert. Art. 728 ZGB: Ersitzung: (1) Hat jemand eine fremde bewegliche Sache ununterbrochen und unangefochten während fünf Jahren in gutem Glauben als Eigentum in seinem Besitze, so wird er durch Ersitzung Eigentümer. (1bis) Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, beträgt die Frist zwei Monate. (1ter) Unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen beträgt die Ersitzungsfrist für Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 30 Jahre. (2) Unfreiwilliger Verlust des Besitzes unterbricht die Ersitzung nicht, wenn der Besitzer binnen Jahresfrist oder mittels einer während dieser Frist erhobenen Klage die Sache wieder erlangt. (3) Für die Berechnung der Fristen, die Unterbrechung und den Stillstand der Ersitzung finden die Vorschriften über die Verjährung von Forderungen entsprechende Anwendung. Art. 934 ZGB: Bei abhanden gekommenen Sachen: … (1bis) Das Rückforderungsrecht für Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003, die gegen den Willen des Eigentümers abhandengekommen sind, verjährt ein Jahr, nachdem der Eigentümer Kenntnis erlangt hat, wo und bei wem sich das Kulturgut befindet, spätestens jedoch 30 Jahre nach dem Abhandenkommen. … . Vgl. Botschaft 01.077 über die UNESCO-Konvention 1970 und das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG) im Namen des Schweizerischen Bundesrates vom 21. November 2001 (Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung der UNESCO-Konvention vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCO-Konvention 1970) sowie den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) mit dem Antrag auf Zustimmung). Art. 25 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Übertretungen: (1) Sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit höherer Strafe bedroht ist, wird
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1152
7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
II.
70
Aufzeichnungspflichten im Kunst- und Antiquitätenhandel sowie im Versteigerungsgewerbe nach dem Kulturgüterrückgabegesetz vom 18. Mai 2007
Die Bundesrepublik Deutschland hat am 30. November 2007 nach fast vierzigjährigem Ringen mit sich selbst und einem kontroversen Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung das UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. November 1970 ratifiziert, so dass nach Art. 21 S. 2 das Übereinkommen für Deutschland am 28. Februar 2008 in Kraft getreten ist. Zum selben Zeitpunkt sind Zustimmungs- und Umsetzungsgesetz wirksam geworden.134 Auch innerhalb § 18 des deutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007135 wurden spezielle Aufzeichnungspflichten statuiert, da die für den Kunstund Antiquitätenhandel sowie das Versteigerungsgewerbe allgemein geltenden Sorgfalts- und Aufzeichnungspflichten aus dem Handelsrecht, dem Steuerrecht und der Versteigererverordnung vom 24. April 2003136 nicht ausreichten137, um dem Sinn und Zweck aus Art. 10 (a) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 gerecht zu werden.138
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mit Buße bis zu 20.000 Franken bestraft, wer im Kunsthandel oder Auktionswesen: a. die Sorgfaltspflichten missachtet (Art. 16); b. die Kontrolle vereitelt (Art. 17). (2) Versuch und Gehilfenschaft sind strafbar. (3) In leichten Fällen kann von der Bestrafung abgesehen werden. Art. 26 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003: Widerhandlung in Geschäftsbetrieben: Für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben gelten die Art. 6 und 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht. Art. 2 Abs. 1 Zustimmungsgesetz; Art. 5 Abs. 1, 2 Ausführungsgesetz. Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (Kulturgüterrückgabegesetz – KultGüRückG), Artikel 1 G. v. 18.05.2007, BGBl. I S. 757, 2547. Versteigererverordnung vom 24. April 2003, BGBl. I S. 547. Anderer Meinung etwa: Müller-Katzenburg, Ausschuss für Kultur und Medien, 6. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 053 vom 1. September 2006, Anhörung des Kulturausschusses zur UNESCO-Konvention von 1970: Fragenkatalog: „Insofern sei noch einmal auf das britische Beispiel verwiesen: Großbritannien hat bei der Annahme der Konvention auch keine zusätzlichen Aufzeichnungspflichten für Kunsthändler eingeführt, sondern darauf verwiesen, dass die dort bestehenden steuerrechtlichen Buchführungspflichten völlig genügen, um die Vorgaben von Art. 10 (a) der Konvention zu erfüllen. Die Briten haben aber keine strengeren Aufzeichnungspflichten, als sie derzeit in Deutschland existieren! Auch im Hinblick auf die Vermeidung zusätzlicher Wettbewerbsverzerrungen wäre es daher wünschenswert, wenn im Zuge der Umsetzung der UNESCO-Konvention auf übertriebene „deutsche Gründlichkeit“ verzichtet werden könnte – und das auch ganz im Sinne der aktuellen Bemühungen um Bürokratieabbau … “. Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Über-
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
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Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (Kulturgüterrückgabegesetz – KultGüRückG) vom 18. Mai 2007: § 18 Aufzeichnungspflichten im Kunst- und Antiquitätenhandel sowie im Versteigerergewerbe. (1) Der Betreiber eines Kunst- oder Antiquitätenhandels oder eines Versteigerungsunternehmens hat bei Erwerb und Veräußerung von Kulturgut gemäß Absatz 2 folgende Aufzeichnungen zu machen: 1. eine zur Feststellung der Identität des Kulturgutes geeignete Beschreibung, 2. die Angabe seines Ursprungs, soweit bekannt, 3. Name und Anschrift des Veräußerers, des Einlieferers, des Erwerbers und des Auftraggebers sowie 4. Preise für den An- und Verkauf. Dabei hat er die einliefernde Person und den Erwerber zu identifizieren. Die Aufzeichnungen mit den dazugehörigen Unterlagen und Belegen sind in den Geschäftsräumen für die Dauer von zehn Jahren aufzubewahren. (2) Als Kulturgut im Sinne von Absatz 1 Satz 1 gilt ein Gegenstand im Wert von mindestens 1 000 Euro, 1. der zu einer der Kategorien gehört, die in Teil A des Anhangs zur Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern (ABl. EG Nr. L 395 S. 1, 1996 Nr. L 267 S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 806/ 2003 des Rates vom 14. April 2003 (ABl. EU Nr. L 122 S. 1) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung aufgeführt sind, und 2. dessen Wert mindestens den in Teil B des Anhangs zur Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 aufgeführten Wertgruppen entspricht. (3) Eine Aufzeichnungspflicht nach Absatz 1 entfällt, soweit bereits auf Grund allgemeiner Buchführungspflichten nach dem Handelsgesetzbuch oder der Abgabenordnung Aufzeichnungen geführt und aufbewahrt werden, die den in Absatz 1 bezeichneten Anforderungen entsprechen.
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Durch diese Vorgaben werden – auch für den Internethandel – Aufzeichnungspflichten geschaffen, die erheblich über die bisherigen handels- und steuerrechtlichen Bestimmungen hinausgehen, sodass sich für die Unternehmen ein beträchtlicher Zusatzaufwand ergibt.139 Da Art. 10 (a) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 die Führung eines „Verzeichnisses“ fordert, aus dem sich der Ursprung des Kulturgutes und die Daten über die Lieferanten und Käufer ergeben, wurde bei der Fassung des deutschen Umsetzungsgesetzes davon ausgegangen, dass nach Sinn und Zweck der Vorschrift allein ein gesondertes Verzeichnis, aus dem sich die geforderten Angaben ohne große Schwierigkeiten entnehmen lassen, die zwischenstaatliche Verpflichtung erfüllt. Die Gesetzesbegründung stellte dabei klar, dass dem Einwand der betroffenen Kunst- oder Antiquitätenhändler, die bereits bestehenden Buchführungs- und Inventarisierungspflichten würden diese Funktion bereits übernehmen, nicht zu folgen sei: Während die handelsrechtliche Buchführungspflicht sich nach § 239 Abs. 4 HGB schon durch
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139
einkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601371.pdf. Ivens, Kulturgüterübereinkommen – Von nun an wird alles aufgezeichnet, FAZ Nr. 69 vom 22. März 2008, S. 45.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
eine geordnete Ablage von Belegen erfüllen lässt und je nach Art und Umfang des Handelsgeschäftes keine weiteren gesonderten und kontinuierlichen Aufzeichnungen erfordert, wird das handelsrechtliche Inventar nach § 240 HGB den Anforderungen eines gesonderten und zu jedem Zeitpunkt aktuellen Verzeichnisses nicht gerecht, da es nur am Ende eines Geschäftsjahres nach einer Inventur aufzustellen ist. Es enthält Angaben zu Art, Menge und Wert einzelner Vermögensgegenstände, die nach Inventurvereinfachungsverfahren im Sinne des § 241 HGB ermittelt werden können, nicht jedoch die nach Art. 10 (a) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 erforderlichen Angaben zu Ursprung, Lieferanten und Beschreibung der Kulturgüter. Auch wenn § 143 AO vorsieht, dass gewerbliche Unternehmen den Wareneingang gesondert aufzeichnen müssen, kann auch das Steuerrecht die aus der UNESCO-Convention notwendigen Aufzeichnungspflichten nicht erfüllen, da nach § 143 Abs. 3 AO die steuerrechtlichen Aufzeichnungen nicht alle der in Art. 10 (a) der UNESCOConvention geforderten Angaben enthalten: Über die Aufzeichnung der Namen und Anschriften der Lieferanten sowie der handelsüblichen Bezeichnung und des Preises der Kulturgüter hinaus fehlen die besonders zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels und des Transfers mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern notwendigen und in Art. 10 (a) der UNESCO-Convention geforderten Angaben über den Ursprung und eine über die Bezeichnung hinausgehende Beschreibung jedes einzelnen Kulturgutes.140 73
Aus den genannten Gründen wurden mit dem neuen § 18 des deutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 Aufzeichnungspflichten geschaffen, die über die im Handelsrecht, Steuerrecht und in der Versteigererverordnung vom 24. April 2003 normierten Berichtspflichten hinausgehen.141 Da hierdurch seitens der Bundesregierung zwar unbezifferbare, jedoch spürbare Mehrkosten für den Kunst- und Antikenhandel sowie das Versteigerungsgewerbe entstehen142
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Vgl. zu den schon vor Erlass des Kulturgüterrückgabegesetzes in Deutschland bestehenden Aufzeichnungspflichten den Entwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/ 013/1601371.pdf. Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601371.pdf. „Ob bei den Regelungsadressaten infolgedessen einzelpreiswirksame Kostenschwellen überschritten werden, die sich erhöhend auf deren Angebotspreise auswirken, und ob die Regelungsadressaten ihre Kostenüberwälzungsmöglichkeiten in Abhängigkeit von der konkreten Wettbewerbssituation auf ihren Teilmärkten einzelpreiserhöhend ausschöpfen, lässt sich zwar nicht abschätzen, aber auch nicht ausschließen. Gleichwohl dürften die möglichen
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
und in der Praxis zahlreiche Einwände aufgrund tatsächlicher Praktikabilitätsgründe gegen eine vollumfassende Aufzeichnungspflicht erhoben wurden, beschränkte das Kulturgüterrückgabegesetz vom 18. Mai 2007 diese auf „bedeutsame Kulturgüter“ von einem Mindestwert in Höhe von 1.000 Euro.143 Mit dieser sog. Bagatellgrenze soll ein bürokratischer Aufwand bei nur geringwertigen Gegenständen, wie Münzen, die in hoher Auflage existieren, vermieden werden.144 Nichtsdestotrotz ist mit einem beträchtlichen Mehraufwand für die professionell am Kunsthandel Beteiligten zu rechnen, da die Schwellenwerte leicht überschritten werden.145 Seitens des Kunsthandels wird dementsprechend auch regelmäßig darauf hingewiesen, dass die aufwendige und kostspielige Aufzeichnungspflicht auch eine Vielzahl von Kulturgütern erfasst, die letztlich nicht als national bedeutsam einzustufen sind und in ihrem sachlichen Umfang des-
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geringfügigen Einzelpreisänderungen aufgrund ihrer Gewichtung (geringer Wägungsanteil in den jeweiligen Preisindices) jedoch nicht ausreichen, um messbare Effekte auf das Preisbzw. Verbraucherpreisniveau zu induzieren. Die möglichen Belastungen für die öffentlichen Haushalte infolge der Neuregelung erfordern keine Gegenfinanzierung, von der mittelbare preisrelevante Auswirkungen ausgehen.“ Gesetzentwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip. bundestag.de/btd/16/013/1601371.pdf. Müller-Katzenburg wies während der Diskussion um die sachliche Erfassung des deutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 zu den Ausführungen des Regierungsentwurfes (der noch keine 1.000 Euro-Grenze enthielt) darauf hin, dass der Münzhandel eigenständigen Regelungen unterworfen sein sollte: „Dazu habe ich die Angaben vom Verband der Deutschen Münzvereine. In diesem Verband sind Händler, private Sammler sowie Wissenschaftler und Museumsvertreter organisiert. Also nicht nur der Handel ist beteiligt. Die Auswertung – ich kann die Zahlen nachher gerne herumgeben – hat ergeben, dass 80 % aller dort versteigerter Münzen unter 500 Euro lagen. Davon sind wiederum 32 % sogar unter 100 Euro. Nur 0,33 % der Münzen lagen über 10.000 Euro. Insgesamt lagen nur 15 % überhaupt über 500 Euro. Wenn bei allen Münzen, die unter 100 Euro wert sind, schon die Aufzeichnungspflichten greifen, dann ist das Unsinn. Nach dem jetzigen Stand greifen sie, denn nach § 18 des Gesetzentwurfes sind der Name und die Anschrift des Veräußerers, des Erwerbers und des Auftraggebers aufzuschreiben. Bei jeder einzelnen dieser Münzen muss sowohl beim Ankauf als auch beim Verkauf der Personalausweis des Käufers und dann des Verkäufers vorgelegt werden, selbst wenn die Münze nur 20, 40, 50 oder meinetwegen 200 Euro kostet. Das ist gar nicht praktikabel, das geht gar nicht. Dann gibt es diese Versteigerungen nicht mehr. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass im Handel insgesamt 90 – 95 % der Münzen unter 500 Euro gehandelt werden.“ Müller-Katzenburg (Juristin Arbeitskreis Deutscher Kunsthandelsverbände, Frankfurt/Main): Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Protokoll Nr. 16/18, Ausschuss für Kultur und Medien, Wortprotokoll, 18. Sitzung, Berlin, den 27.09.2006. Vgl. Ivens, Kulturgüterübereinkommen – Von nun an wird alles aufgezeichnet, FAZ Nr. 69 vom 22. März 2008, S. 45. Vgl. Ivens, Kulturgüterübereinkommen – Von nun an wird alles aufgezeichnet, FAZ Nr. 69 vom 22. März 2008, S. 45.
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halb erheblich über das hinausgeht, was bislang handels- oder steuerrechtlich gefordert war.146 74
Außerhalb der 1.000 Euro Bagatellgrenze ist ein Gegenstand dann ein bedeutsames Kulturgut, wenn er in eine Kategorie des Teils A des Anhangs zur Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern fällt und sein Wert mindestens die zugehörige Wertgrenze in Teil B desselben Anhangs erreicht. Der Anhang beschreibt die betroffenen Gegenstände hinreichend konkret, um ihn zur Abgrenzung der aufzeichnungspflichtigen Gegenstände zu nutzen.
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Anhang Teil A. Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 DES RATES über die Ausfuhr von Kulturgütern vom 9. Dezember 1992: 1. Mehr als 100 Jahre alte archäologische Gegenstände aus – Grabungen und archäologischen Funden zu Lande oder unter Wasser – archäologischen Stätten – archäologischen Sammlungen 2. Bestandteile von Kunst- und Baudenkmälern oder religiösen Denkmälern, die aus deren Aufteilung stammen und älter sind als 100 Jahre 3. Bilder und Gemälde, die vollständig von Hand auf und aus allen Stoffen hergestellt sind (Die älter sind als 50 Jahre und nicht ihren Urhebern gehören.) 4. Mosaike, die nicht unter die Kategorien 1 oder 2 fallen, und Zeichnungen, die vollständig von Hand auf und aus allen Stoffen hergestellt sind (Die älter sind als 50 Jahre und nicht ihren Urhebern gehören.) 5. Original-Radierungen, -Stiche, -Serigraphien, und -Lithographien und lithographische Matrizen sowie Original-Plakate (Die älter sind als 50 Jahre und nicht ihren Urhebern gehören.) 6. Nicht unter die Kategorie 1 fallende Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst und Kopien, die auf dieselbe Weise wie das Original hergestellt worden sind (Die älter sind als 50 Jahre und nicht ihren Urhebern gehören.) 7. Photographien, Filme und die dazugehörigen Negative (Die älter sind als 50 Jahre und nicht ihren Urhebern gehören.) 8. Wiegendrucke und Handschriften, einschließlich Landkarten und Partituren, als Einzelstücke oder Sammlung (Die älter sind als 50 Jahre und nicht ihren Urhebern gehören.) 9. Bücher, die älter sind als 100 Jahre, als Einzelstücke oder Sammlung 10. Gedruckte Landkarten, die älter sind als 200 Jahre 11. Archive aller Art, mit Archivalien, die älter sind als 50 Jahre, auf allen Trägern 12. a) Sammlungen (Im Sinne des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache 252/84: „Sammlungsstücke im Sinne der Tarifnummer 97.05 des GZT sind Gegenstände, die geeignet sind, in eine Sammlung aufgenommen zu werden, das heißt Gegenstände, die verhältnismäßig selten sind, normalerweise nicht ihrem ursprünglichen Verwendungszweck gemäß benutzt werden, Gegenstand eines Spezialhandels außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen sind und einen hohen Wert haben.“) und Einzelexemplare aus zoologischen, botanischen, mineralogischen oder anatomischen Sammlungen b) Sammlungen (Im Sinne des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache 252/84: „Sammlungsstücke im Sinne der Tarifnummer 97.05 des GZT sind Gegenstände, die
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Vgl. Ivens, Kulturgüterübereinkommen – Von nun an wird alles aufgezeichnet, FAZ Nr. 69 vom 22. März 2008, S. 45.
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
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geeignet sind, in eine Sammlung aufgenommen zu werden, das heißt Gegenstände, die verhältnismäßig selten sind, normalerweise nicht ihrem ursprünglichen Verwendungszweck gemäß benutzt werden, Gegenstand eines Spezialhandels außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen sind und einen hohen Wert haben.“) von historischem, paläontologischem, ethnographischem oder numismatischem Wert 13. Verkehrsmittel, die älter sind als 75 Jahre 14. Sonstige Antiquitäten, die nicht unter die Kategorien A1 bis A13 fallen a) zwischen 50 und 100 Jahre alte Antiquitäten – Spielzeug, Spiele – Gegenstände aus Glas – Goldschmiedearbeiten – Möbel und Einrichtungsgegenstände – optische, photographische und kinematographische Instrumente – Musikinstrumente – Uhrmacherwaren – Holzwaren – keramische Waren – Tapisserien – Teppiche – Tapeten – Waffen b) über 100 Jahre alte Antiquitäten Die Kulturgüter, die unter die Kategorien A1 bis A14 fallen, wurden von der vorliegenden Verordnung nur erfaßt, wenn ihr Wert mindestens den in Teil B aufgeführten Wertgruppen entspricht. Anhang Teil B. Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 DES RATES über die Ausfuhr von Kulturgütern vom 9. Dezember 1992: Wertgruppen, die bestimmten in Teil A genannten Kategorien entsprechen (in Ecu): Wert: 0 (Null): 1 (archäologische Gegenstände), 2 (Aufteilung von Denkmälern), 8 (Wiegendrucke und Handschriften), 11 (Archive) 15 000: 4 (Mosaike und Zeichnungen), 5 (Radierungen), 7 (Photographien), 10 (gedruckte Landkarten) 50 000: 6 (Bildhauerkunst), 9 (Bücher), 12 (Sammlungen), 13 (Verkehrsmittel), 14 (sonstige Gegenstände) 150 000: 3 (Bilder)
Während eine weitergehendere sachliche Aufzeichnungspflicht zu unverhältnismäßigen Belastungen der professionell am Kunsthandel Beteiligten führen würde, wäre es andererseits nicht gerechtfertigt gewesen, Aufzeichnungspflichten allein auf im Verzeichnis nach § 14 Abs. 2 genannte nationale Kulturgüter zu beschränken, da mit diesen Kulturgütern – wenn sie überhaupt rechtmäßig nach Deutschland verbracht worden sind – nur in Ausnahmefällen legal gehandelt werden darf.147
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Das Problem des sachlichen Anwendungsbereichs dieser Aufzeichnungspflichten berührt jedoch nicht nur die Interessen des Kunst- oder Antiquitätenhandels oder der Versteigerungsunternehmen, sondern auch Aspekte des Kulturgüterschutzes: Innerhalb der Expertenanhörung des Ausschusses für Kultur und Medien vom 27.9.2006 vor Erlass des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 hat bspw. Prof. Henrik R. Hanstein, Geschäftsführender Gesellschafter des Kunsthauses Lempertz in Köln, die Frage aufgeworfen, „was macht das für einen
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Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601371.pdf.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
Sinn, wenn ich 100 Jahre nach dem Fund einer provinzialrömischen Ölfunzel, die unter jedem Haus in Köln gefunden wird, weiß, wo die gefunden wurde. Prof. Dr. Siehr hat natürlich völlig Recht – eine Münze, selbst mit Wert Null, kann interessant sein, wenn ich weiß, wo sie gefunden wurde. Wir wissen zum Beispiel jetzt durch den Fund der Münze nördlich von Osnabrück –, die im Handel nahezu wertlos sind – dass dort die Varusschlacht stattgefunden hat. Niedersachsen wird bedeutender dadurch. Da sind wir jetzt schlauer geworden. Wir dachten ja immer, die Schlacht wäre im Teutoburger Wald gewesen. Wir haben die Varusschlacht aus Nordrhein-Westfalen nunmehr an Niedersachsen abgetreten. Das ist also ganz interessant.“148 78
Das Kulturgüterrückgabegesetz hat durch den Verweis auf den gegenständlichen Anwendungsbereich des Anhangs zur Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 eine ausgewogene Regelung gefunden: Durch den Rekurs auf Kulturgüter, die in eine Kategorie des Teils A des Anhangs zur Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 fallen und deren Wert mindestens die zugehörige Wertgrenze in Teil B desselben Anhangs erreichen, wird zwar nicht ausdrücklich an die Kategorien aus Art. 1 der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 angeknüpft, es werden jedoch inhaltlich dieselben Objekte erfasst. „Die Wertgrenzen, die der Anhang darüber hinaus für einzelne Kategorien aufstellt, sind unentbehrlich, um eine Abgrenzung zu Gegenständen zu ermöglichen, bei deren Kauf die Aufzeichnungspflichten außer Verhältnis stünden und auch nicht erforderlich sind, weil diese Objekte regelmäßig weniger bedeutsam sein werden.“149 Ausweislich der Gesetzesbegründung hat die Konstruktion zusätzlich den Vorteil eines einheitlichen sachlichen Anwendungsbereichs des deutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007, da die Betreiber eines Kunst- oder Antiquitätenhandels oder eines Versteigerungsunternehmens sich nicht mit zwei Abgrenzungskatalogen befassen müssen, sondern dass für die Frage der Notwendigkeit einer Ausfuhrgenehmigung und für die Frage der Aufzeichnungspflicht der Anhang zur EWGVerordnung Nr. 3911/92 Auskunft gibt.150
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Hanstein (Geschäftsführender Gesellschafter Kunsthaus Lempertz Köln): Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode, Protokoll Nr. 16/18, Ausschuss für Kultur und Medien, Wortprotokoll: 18. Sitzung, Berlin, den 27.09.2006. Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601371.pdf. Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601371.pdf.
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
Die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 des deutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 innerhalb der Aufzeichnungspflicht erforderlichen Feststellungen zur Identität des Gegenstandes anhand einer Beschreibung sind nach den Erläuterungen des Gesetzgebers insbesondere dann getroffen, wenn Angaben über den Objekttyp, die Epoche oder das Kreationsdatum, den Urheber bzw. die Urheberin, den Titel, das Material, die Masse, über Inschriften, Markierungen und besondere Merkmale, bspw. Schäden und Reparaturen, gemacht sind.151 Im Einzelfall können weitere Fakten anzugeben sein. In einer Empfehlung des Deutschen Bundesrates wurde zusätzlich gefordert, dass obligatorisch eine Fotografie Bestandteil der Aufzeichnungspflicht sein müsse152 – dies wurde im Ergebnis jedoch nicht in die endgültige Fassung übernommen. Soweit jedoch die Möglichkeit besteht, das Kulturgut fotografisch zu beschreiben, kann und sollte auch diese Möglichkeit genutzt werden. Die nach Nr. 2 notwendigen Angaben hinsichtlich des Ursprungs umfassen die Nennung des aktuellen Eigentümers, vormaliger Eigentümer sowie ggf. des Fundorts des Gegenstands.153 In der gemeinsamen Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Kunstversteigerer e.V. (BDK) und des Deutschen Kunsthandelsverbandes e.V. (DK) wird es als sachgerecht erkannt, dass Angaben zum Ursprung des Kulturguts nur aufzuzeichnen sind, „soweit bekannt“, d.h. den Betroffenen diesbezüglich keine Nachforschungspflichten aufgebürdet werden, die kaum oder gar nicht erbringbar wären.154 Hier leichtfertig
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Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601371.pdf. „Zu Artikel 1 (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 KultGüRückG): In Artikel 1 ist § 18 wie folgt zu ändern: a) In Absatz 1 Satz 1 sind die Wörter „bedeutsamen Kulturgutes“ durch die Wörter: „von Kulturgut gemäß Absatz 2“ zu ersetzen und nach dem Wort „Beschreibung“ die Wörter „und eine Fotografie“ einzufügen … . Begründung: … Neben der Beschreibung des Kulturgutes ist eine Fotografie für die Identitätsfeststellung unverzichtbar. Sie ist ohne großen technischen und finanziellen Aufwand herstellbar und wird außerdem auch für einen Ausfuhrantrag nach der VO (EWG) 3911/92 verlangt.“ Quelle: Bundesrat Drucksache 155/1/06 vom 27.03.06, Empfehlungen der Ausschüsse: zu Punkt K – R der 821. Sitzung des Bundesrates am 7. April 2006: Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG). Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601371.pdf. Gemeinsame Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Kunstversteigerer e.V. (BDK) und des Deutschen Kunsthandelsverbandes e.V. (DK) zum Regierungsentwurf eines Ausführungsgesetzes zum UNESCO-Kulturgutübereinkommen vom 17.11.1970 (KGÜAG) vom 15. März 2006.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
eine Berufung auf Unwissen zu erlauben, würde jedoch den Sinn von § 18 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 umkehren. Die nach § 18 Abs. 1 S. 2 notwendige Identifizierung des Einlieferers und des Erwerbers wird regelmäßig durch Vorlage des Personalausweises erfolgen können.155 Um den Betroffenen nicht überflüssigen doppelten Aufwand aufzuerlegen, stellt § 18 Abs. 3 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 klar, dass die Pflicht zur Führung gesonderter Aufzeichnungen entfällt, soweit in Anknüpfung an handels- oder steuerrechtliche Bestimmungen schon Aufzeichnungen vorliegen, die über den dort verlangten Umfang hinausgehen und den Vorgaben des Abs. 1 entsprechen.156 80
Besonders heftig diskutiert wurde die Aufbewahrungsdauer der Aufzeichnungen von zehn Jahren. Dabei wurde leider Praktikabilitätsanliegen und den „Erfordernissen der Wirtschaftspraxis“157 der Vorzug vor einer sinnvollen Gesamtlösung gewährt. Der Gesetzgeber folgte durch die Normierung der zehnjährigen Aufbewahrungspflicht der notwendigen Aufzeichnungen den Forderungen der professionell am Kunstmarkt Beteiligten, wie etwa das Dafürhalten der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunsthandel zeigt: „Wir betonen nachdrücklich, daß die Frist von 10 Jahren – wie sie den in Deutschland ohnedies vergleichsweise langen handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen entspricht – ausreichend, angemessen und vernünftig ist. Es ist mit Händen zu greifen, daß längere Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten zu erheblichen Mehrbelastungen führen würden. Der bürokratische Zusatzaufwand (unter den Vorzeichen des propagierten Bürokratieabbaus!) wäre nicht nur für Versteigerer, wo dies ganz evident ist, sondern auch für den Kunsthandel unzumutbar, vor allem für die dort überwiegende Zahl der kleineren Händler, die oft außer dem Inhaber und seiner
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„Den Einlieferer allerdings so zu identifizieren, wie es etwa der Anforderung nach dem Geldwäschegesetz für einen völlig anderen Sachverhalt entspräche, würde jedenfalls beim Auktionator auf eine praxisferne und unzumutbare Überspannung der Pflichten hinauslaufen.“ Gemeinsame Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Kunstversteigerer e.V. (BDK) und des Deutschen Kunsthandelsverbandes e.V. (DK) zum Regierungsentwurf eines Ausführungsgesetzes zum UNESCO-Kulturgutübereinkommen vom 17.11.1970 (KGÜAG) vom 15. März 2006. Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601371.pdf. So die Formulierung in der Gemeinsamen Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Kunstversteigerer e.V. (BDK) und des Deutschen Kunsthandelsverbandes e.V. (DK) zum Regierungsentwurf eines Ausführungsgesetzes zum UNESCO-Kulturgutübereinkommen vom 17.11.1970 (KGÜAG) vom 15. März 2006.
6. Abschnitt: Verstoß gegen bußgeldbewehrte öffentl.-rechtl. Verhaltensanforderungen?
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Familie über kein weiteres Personal verfügen.“158 Heftige Kritik159 ernteten Versuche der Einführung einer längeren Aufbewahrungspflicht auch seitens MüllerKatzenburgs, die als Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunsthandel argumentierte: „Eine Aufbewahrungsdauer von 6 bis 10 Jahren entspricht der im Handelsrecht (vgl. § 257 Abs. 4 HGB) und Steuerrecht (§ 147 Abs. 3 AO) üblichen Aufbewahrungsfrist. Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen ist weder erforderlich noch zumutbar, zumal bei der derzeitigen Situation im deutschen Kunst- und Antiquitätenhandel viele Geschäfte noch vor Ablauf dieses Zeitraums schon nicht mehr existieren. … Bessere Schutzvorkehrungen vor Ort (einschließlich echter Korruptionsbekämpfung vor Ort!) ist ein sehr viel effektiveres Mittel für einen wirksameren Kulturgüterschutz als dies etwa zusätzliche Aufzeichnungspflichten für den Handel darstellen können, erst Recht wenn letztere nur hier gelten. Bei der Auswahl der Mittel hat der Gesetzgeber
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Antworten der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunsthandel zum Fragenkatalog des Ausschusses für Kultur und Medien zu den Gesetzesentwürfen der Bundesregierung zu dem UNESCO-Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, BTDrucks. 16/1371 und 16/1372. Besonders für den Münzhandel findet eine längere Bereithaltungspflicht der Aufzeichnungen Kritik: „Die Aufzeichnungspflicht von zehn Jahren halten wir für mehr als ausreichend. Sie ist wegen der Koppelung an Aufzeichnungspflichten gegenüber der Finanzverwaltung praktikabel und obendrein bei einem Einsatz elektronischer Speichermedien (deren Lebensdauer unerprobt ist) auch realistisch. Vor einer Einführung einer solchen Regelung halten wir es aber für unabdingbar, festzustellen, ob bereits Erfahrungen gesammelt sind und ob ein Rückgriff auf Daten, die zehn Jahre und älter sind, bei entsprechenden Strafverfahren bzw. Ermittlungen bisher notwendig war. Zudem sollte man bedenken, daß künftig auch Privatsammler die Provenienzen ihrer Objekte dokumentieren müssen und eine alte Münze wohl nur noch „mit Stammbaum“ verkäuflich sein wird …. Höchst problematisch ist indes, daß durch eine solche Regelung auch eine Verpflichtung zur Datenspeicherung über Münzen einschließen soll, die wegen ihrer massenhaften Verbreitung als Sammlermünzen nun wirklich keine Kulturgüter nationalen Ranges sein können, wie Medaillen, Marken, Gedenkmünzen und Kurantmünzen von mehr als 100 Jahren Alters. Gerade diese Regelungen sind geeignet, den Münzhandel nachhaltig zu schädigen. Daher ist eine Differenzierung der Aufzeichnungspflichten für Münzen unbedingt nötig … .“ Deutsche Numismatische Gesellschaft, Verband der deutschen Münzvereine e.V.: Übernahme der UNESCO-Konvention zum Schutz des Kulturgutes in deutsches Recht – Hier: Stellungnahme vom 16.09.2006 für die Anhörung des Bundestagskulturausschusses am 27.9.2006. So auch: International Association of Professional Numismatists: International Trade Committee/Comité Commerce international: „Generelle Aufbewahrungszeiten für alle relevanten Geschäftsunterlagen von über 10 Jahren sind nach unserer Meinung für den Einzelhandel mit Münzen nicht zu bewältigen, die Auktionskataloge für Münzen, auch von nicht mehr bestehenden Auktionshäusern, sind aber als Referenzkataloge seit weit über hundert Jahren in Verwendung und werden immer wieder zur wissenschaftlichen Auswertung herangezogen.“ „Eine Verlängerung der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist ist unzumutbar. Da viele der geforderten Nachweise, wie Fotomaterial, Ankaufsquittungen u.a. Gegenstand der normalen Buchhaltung sind, die aber nach Ablauf von 10 Jahren vernichtet werden kann, sind Aufbewahrungspflichten, die 10 Jahre überschreiten nicht realisierbar und würden den bürokratischen Aufwand noch einmal um ein unerträgliches Maß steigern.“ Verband der deutschen Münzenhändler e.V. (VddM): Öffentliche Anhörung zum Beitritt Deutschlands zur UNESCO-Konvention 1970 – Beantwortung des Fragenkataloges.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel immer das Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Effizienz zu beachten. Von daher ist von ihm auch zu beachten, dass die Auferlegung erheblicher zusätzlicher Pflichten für den gesamten deutschen Kunst- und Antiquitätenhandel für den seriösen Händler unverhältnismäßige Mehrbelastungen nach sich ziehen, die teilweise (wie zum Beispiel zusätzliche Aufzeichnungspflichten) noch nicht einmal dazu geeignet sind, Raubgrabungen und andere illegale Praktiken im Kulturgüterverkehr wirklich zu bekämpfen (Raubgräber führen keine Bücher!).“160
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Die Besinnung auf die kurze zehnjährige Aufbewahrungszeit dient jedoch nur vordergründig dem Interesse des Kunst- und Antiquitätenhandels sowie dem Versteigerungsgewerbe. Die Verlängerung der Aufbewahrungszeit der Aufzeichnungen auf 30 Jahre hätte nicht nur rechtssystematische Vorteile gebracht, sondern sogar in direktem Nutzen der Aufzeichnungspflichtigen gestanden. So wie innerhalb der Schweizer Rechtsordnung nach Artikel 16 Abs. 3 des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003 dieselben Aufzeichnungen dreißig Jahre lang aufzubewahren sind und ein Verkäufer von Kulturgütern nach Artikel 196a des schweizerischen Obligationenrechts dreißig Jahre lang auf Gewährleistung wegen allfälliger Rechtsmängel haftet,161 verjähren innerhalb der deutschen Rechtsordnung Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten nach § 197 BGB in dreißig Jahren. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass § 18 des deutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 nicht nur im Verhältnis zu Vertragsstaaten der UNESCO-Convention vom 14. November 1970, sondern auch für den innereuropäischen Kunsthandel gilt, und ein Rückgabeanspruch nach § 11 Abs. 1 S. 3 des deutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 spätestens dreißig Jahre nach der unerlaubten Ausfuhr erlischt. „Wer sich auf diesen Grund des Erlöschens von Ansprüchen beruft, hat die Voraussetzungen für das Erlöschen zu beweisen, also auch die Tatsache, dass der betreffende Gegenstand schon vor mehr als dreißig Jahren den Herkunftsstaat verlassen hat. Diese Tatsache lässt sich leicht dadurch beweisen, dass der Kunsthändler für sich und seine Kunden mit Vorlage der Aufzeichnungen gemäß … [§ 18 des deutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007] nachweist, dass der Gegenstand schon vor mehr als dreißig Jahren im Inland war, also mindestens ebenso lange den Ursprungsstaat verlassen haben muss.“162 Vor diesem Hintergrund die Aufbewahrungs- und Aufzeichnungsfrist auf zehn Jahre zu begrenzen, erscheint wenig sinnvoll, da nach Ablauf der zehn Jahre und ggf. Vernichtung der Aufzeichnungen die Beweisführung erheblich 160
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Müller-Katzenburg, Ausschuss für Kultur und Medien, 6. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16 (22) 053 vom 1. September 2006, Anhörung des Kulturausschusses zur UNESCO-Konvention von 1970: Fragenkatalog. Vgl. Siehr, Stellungnahme zum Fragenkatalog des BT-Ausschusses für Kultur und Medien zum Gesetz zur Ausführung des UNESCO Übereinkommens, Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 050 vom 24.8.2006. Siehr, Stellungnahme zum Fragenkatalog des BT-Ausschusses für Kultur und Medien zum Gesetz zur Ausführung des UNESCO Übereinkommens, Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 050 vom 24.8.2006.
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erschwert wird.163 Es sollte hier vielmehr analog den zivilrechtlichen wie verwaltungsrechtlichen Verjährungsfristen eine Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren gesetzlich vorgesehen werden.164 Es erscheint dementsprechend „unverständlich, wieso sich ein Kunsthändler dieser Beweismöglichkeit entledigen will. Denn er muss das Erlöschen beweisen und nicht die andere Seite. Er muss daran interessiert sein, seinen Erlöschenseinwand nachweisen zu können und nicht der Rückgabegläubiger. Deshalb ist es im Interesse des Kunsthandels, die Aufzeichnungen möglichst lange aufzubewahren.“165 Dies erkannte auch der Gesetzgeber des schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003, das regelmäßig als gutes Beispiel für eine liberale Kunsthandelspraxis angeführt wird.166 Besser wäre somit die Normierung einer 30-jährigen Aufbewahrungsfrist gewesen.167 § 21 des deutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007: Bußgeldvorschriften: (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 18 Abs. 2 eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht oder 2. entgegen § 18 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 18 Abs. 2 eine Aufzeichnung nicht oder nicht für die vorgeschriebene Dauer aufbewahrt. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
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Die Verletzung der Aufzeichnungspflichten des deutschen Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 wird in § 21 Abs. 1 als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet. Die Gesetzesbegründung sieht die Höhe der angedrohten Geldbuße dann als gerechtfertigt, wenn man die erheblichen Vermögenswerte berücksichtigt, um die es im Kunst- und Antiquitätenhandel häufig geht.168
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Vgl. Schauerte, Stellvertretender Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin – SPK, Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 051. Vgl. Schauerte, Stellvertretender Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin – SPK, Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 051. Siehr, Stellungnahme zum Fragenkatalog des BT-Ausschusses für Kultur und Medien zum Gesetz zur Ausführung des UNESCO Übereinkommens, Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 050 vom 24.8.2006. Vgl. Schauerte, Stellvertretender Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin – SPK, Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 051. „In der Beziehung kann man nur sagen, dass jede anständigere Dokumentation, noch anständiger als wir sie haben, zu befördern ist. Sie schützt jeden: den Kunsthandel, die Eigentümer, die Museen. Entsprechend kann ich nur sagen, wir können uns selbst nur einen Gefallen damit tun, wenn wir es so gut machen wie irgend möglich.“ Schauerte (stellv. Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz): Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode, Protokoll Nr. 16/18, Ausschuss für Kultur und Medien, Wortprotokoll, 18. Sitzung, Berlin, den 27.09.2006. Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Deutscher Bundestag (16. Wahlperiode), Drucksache 16/1371 vom 4.5.2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG), Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601371.pdf.
7. Abschnitt Erfüllung der selbstauferlegten Erwerbsregeln und Verhaltensstandards bei Einhaltung der notwendigen Sorgfaltsanforderungen 85
Auch innerhalb der sog. Codes of Ethics und Erwerbsregeln finden sich regelmäßig spezielle Sorgfaltsanforderungen für die professionell im Kunsthandel Beteiligten. Sowohl innerhalb staatlicher Richtlinien zum Erwerb kultureller Wertgegenstände, innerhalb der Verhaltensstandards und Erwerbsregeln von Museumsverbänden und einzelnen Museen sowie professionellen Kunsthändlern, Galeristen und deren Interessenverbänden als auch innerhalb der Veräußerungsbedingungen des Auktionswesens wurden zahlreiche, vergleichbare Regelungen getroffen, die besondere Anforderungen beim entgeltlichen oder unentgeltlichen Erwerb kultureller Wertgegenstände formulieren. Regelmäßig werden dabei auch spezielle Maßnahmen zur Bestimmung der Provenienz der zu erwerbenden Objekte vor der Akquisition bzw. eine intensive Prüfung der Berechtigung zum Verkauf und der Eigentümerposition innerhalb des Versteigerungsgewerbes verlangt. Die Erwerbsregeln zielen dabei teilweise generell auf die Verhinderung der Akquisition von Kunstwerken ‚aus dem illegalen Kunsthandel‘. Die Veräußerung kultureller Güter ist dann mit einem Rechtswidrigkeitsverdikt und dem Makel der Illegalität behaftet, wenn die Provenienzangaben Lücken aufweisen und somit die Eigentumsposition des Veräußerers nicht ad hoc eindeutig feststellbar ist. Teilweise werden aber auch spezielle Verhaltensanforderungen zum Schutz vor gestohlenen, illegal exportierten oder im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg bzw. mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern statuiert und es wird eine Unterscheidung nach den unterschiedlichen Kategorien des illegalen Kunsthandels vorgenommen.
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Die Erfüllung dieser Verhaltensstandards kann in Ausnahmefällen trotz der Qualifizierung als Selbstregulierung konkrete Sanktionen für Zuwiderhandlungen normieren und bestimmen, dass ein Pflichtverstoß bspw. verbandsinterne Auswirkungen nach sich zieht. Die Confédération Internationale des Négociants en Œuvres D’Art hat bspw. angedroht, Verstöße gegen die CINOA-Codes of Ethics „rigoros“ zu verfolgen.169 Dieselbe Reichweite besitzt der englische Code of Practice of UK Fine Art and Antiques Trade Members.170 Auch der Verhaltenskodex
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Vgl. Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 207–208. Der Code of Pradice of UK Fine Art and Antiques Trade Members ist abgedruckt in Lalive, International Sales of Works of Art – Volume I – Geneva Workshop 11–13 April 1985, 1988, Annexes 677.
7. Abschnitt: Verstoß gegen selbstauferlegte Verhaltensstandards?
des Bundesverbandes des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels171 schreibt unter Punkt 8 vor, dass „Verstöße gegen diesen Verhaltenskodex … von den unterzeichneten Verbänden mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, ohne Ansehen der Person, verfolgt“ werden. Damit sind verbandsrechtliche Sanktionen gemeint, von denen nach Auskunft von Herrn Dr. Specht des BDKA jedoch bislang noch kein Gebrauch gemacht wurde. Müller-Katzenburg relativiert diesen Einwand jedoch und erklärt, dass in verschiedenen Gesetzen ausdrücklich auf die „Gebräuche des Handels“ und die tatsächlich bindende Kraft der dort bestehenden „Gepflogenheiten“ verwiesen werde und deshalb eine mittelbare rechtliche Bindungskraft zu konstatieren sei.172 Tatsächlich ist dies bspw. in § 346 HGB oder auch nach Art. 9 Abs. 1 UN-Kaufrecht der Fall, wonach „[d]ie Parteien … an die Gebräuche, mit denen sie sich einverstanden erklärt haben, und an die Gepflogenheiten gebunden [sind], die zwischen ihnen entstanden sind“. Darüber hinaus weist sie auf einen Fall vor dem Landgericht Berlin hin, in dem die Verfahrensbeteiligten die Einhaltung bestimmter Verpflichtungen einklagten, die durch die Zugehörigkeit zu der International League of Antiquarian Booksellers173 und deren Verhaltenskodex entstanden waren.174 Die Gefahr verbandsinterner Sanktionen besteht danach wie folgt: „Der Ausschluss aus dem Verband etwa ist eine unter Kunsthändlern gefürchtete Sanktion und bringt erheblichen Imageschaden sowie auch Konsequenzen für die Möglichkeit der Beteiligung an Kunstmessen mit sich.“175
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Quelle: http://www.kunst-antiquitaeten-hessen.de/de/nodes/info. Vgl. hierzu auch Streinz, Handbuch des Museumsrechts – Band 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, 1998. Vgl. Müller-Katzenburg, Anhörung des Kulturausschusses zur UNESCO-Konvention von 1970, Fragenkatalog Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 053 vom 1. September 2006. Die International League of Antiquarian Booksellers oder „Internationale Liga der Antiquare“ (ILAB) vertritt 20 nationale Verbände, 30 Länder und 2000 führende Antiquare auf der ganzen Welt. Quelle: www.ilab.org. Vgl. Müller-Katzenburg, Anhörung des Kulturausschusses zur UNESCO-Konvention von 1970, Fragenkatalog Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16 (22) 053 vom 1. September 2006: LG Berlin Az. 18 O 303/04. Konkret ging es in diesem Fall um die Durchsetzung bestimmter in dem Code of Ethics des Internationalen Verbandes der Antiquare (ILAB-LILA) enthaltene Verhaltensnormen. Vgl. Müller-Katzenburg, Anhörung des Kulturausschusses zur UNESCO-Konvention von 1970, Fragenkatalog Ausschuss für Kultur und Medien, 16. Wahlperiode, Ausschussdrucksache Nr. 16(22) 053 vom 1. September 2006.
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8. Abschnitt Ausschluss kultureller Restitutionsansprüche bei unsorgfältigem Verhalten der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter? 87
Fokussiert man im Gegensatz zu den bisherigen Fragestellungen nicht ausschließlich auf das Verhalten der Erwerber kultureller Wertgegenstände, stellt sich die Frage, ob auch der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter spezifische Sorgfaltsanforderungen einzuhalten hat. So könnte man sich vorstellen, dass eine Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne alleine schon deshalb ausgeschlossen sein könnte, weil der (ursprüngliche) Eigentümer nicht angemessen nach seinen Kulturgütern suchte und dementsprechend weder eine Lokalisierung der gestohlenen, unrechtmäßig exportierten oder auf sonstige Art und Weise illegal transferierten Kulturgüter noch eine Identifizierung des aktuellen Besitzers erreichte. Somit ist zwischen der Redlichkeit gutgläubiger Erwerber einerseits und der Notwendigkeit spezieller due diligence-Anstrengungen kultureller Eigentümer in Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung des aktuellen Besitzers andererseits zu unterscheiden. Seit die höchsten Zivilgerichte innerhalb verschiedener amerikanischer Bundesstaaten besondere due diligenceAnforderungen auf Seiten der durch den unrechtmäßigen Entziehungsakt beschwerten Eigentümer kultureller Wertgegenstände diskutierten, vergrößerte sich in der jüngeren Vergangenheit auch innerhalb Europas die Unsicherheit auf Seiten kultureller Eigentümer und Verwaltungsträger, ihrer Rechtspositionen verlustig zu gehen, wenn diese nach dem Entziehungsakt oder nach einer gewissen Zeit nach bspw. einem Diebstahl einfach zuwarteten, ohne spezielle Sorgfaltsanforderungen in der Lokalisierung und Identifizierung im Hinblick auf unrechtmäßig entzogene Kulturgüter zu unternehmen.
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Die Implikation von Sorgfaltsanforderungen auf Seiten der Eigentümer ist nach richtigem Verständnis auch innerhalb der Rechtsordnung Deutschlands über die Anwendung der Grundsätze der Verwirkung zu erreichen. In die verwirkungsrechtliche Abwägungsentscheidung176 ist dabei nicht nur die Redlichkeit des 176
Die aktuelle Tendenz im (inter-)nationalen Kulturgüterrecht – bspw. innerhalb des amerikanischen Rechtsraums als mit Abstand stärkstem Kunsthandelsplatz der Welt – entwickelt sich immer deutlicher in Richtung einer judikativen Abwägungsentscheidung als „multi-factor balancing of all the equities“ (Bibas, The Case Against Statutes of Limitations for Stolen Art, 103 Yale Law Journal (1994), S. 2437 ff., S. 2446) zwischen zwei grundsätzlich unschuldigen Parteien. So hat bspw. der Court of Appeals of New York in der Entscheidung Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell zur Anwendung des Verwirkungseinwandes im Rechtsbereich des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs bestimmt, dass „[t]he conduct of both the appellant and the museum will be relevant to any consideration of this defense at the trial level“. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 569 N.E. 2d 426 (N.Y. 1991).
§ 20 Ergebnis: Inauguration spezieller Sorgfaltsanforderungen
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potentiell restitutionspflichtigen Erwerbers und Besitzers, sondern auch die Erfüllung von Mindestverhaltensanforderungen der Eigentümer einzubeziehen, wenn diese ungebührlich lange mit einer Restitutionsforderung zuwarteten.177 Nur auf diese Weise ist zwischen zwei grundsätzlich unschuldigen Parteien Einzelfallgerechtigkeit zu erlangen. Hat der Eigentümer seine speziellen due diligence-Anforderungen in Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nicht angemessen gewahrt178 und stellt sich deshalb die verspätete Geltendmachung des Restitutionsanspruchs als mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Illoyalität des Eigentümers gegenüber dem grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzer dar, kann der Eigentümer seinen Restitutionsanspruch verwirkt haben.
§ 20 Ergebnis: Inauguration spezieller Sorgfaltsanforderungen und guter Glaube als Heilverfahren des illegalen Kunsthandels Innerhalb des 7. Teils wurde für die Praxis zusammenfassend dargestellt, in wie vielen unterschiedlichsten Bereichen die Forderung nach speziellen Sorgfaltsanforderungen Eingang in den Kulturgüterverkehr fand und damit eine Umsetzung ethischer Mindestverhaltensstandards sucht, um dem Kunsthandel und dem Sammelwesen die notwendige Lauterkeit und Redlichkeit zu verschaffen. Es wird rechtsordnungen- und rechtsebenenübergreifend von den professionell wie laienhaft im Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändlern, Galeristen, Auktionshäusern und Privatsammlern die Einhaltung kulturgüterspezifischer Mindestverhaltensstandards erwartet und es werden bei einem Zurückbleiben hinter dem geforderten Soll zivilrechtliche, bußgeldbewehrte öffentlich-rechtliche oder mit Freiheits- bzw. Geldstrafe bewehrte pönale Sanktionen verhängt. Darüber hinaus drohen – zumindest theoretisch – bei einer Nichteinhaltung des geforderten Verhaltensprogramms selbstauferlegter Codes of Ethics der professionell am
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Das Rechtsinstitut der Verwirkung übernimmt auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung nach der Reform des Verjährungsrechts die Funktion einer rechts-moralischen Begrenzung eines temporal unbegrenzten Restitutionsanspruchs nach Abwägung der Belange sowohl des redlichen Eigentümers als auch des gutgläubigen Besitzers und Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Auch wenn internationale, kulturgüterspezifische Rechtsinstrumente bisher auf die Rechtsgedanken der Verwirkung und spezieller due diligence-Anforderungen kultureller Eigentümer noch nicht Rekurs nehmen, dürfen innerhalb des deutschen Rechtskreises spezielle Sorgfaltsbemühungen auf Seiten der ursprünglichen Eigentümer als wirksames Rechtsinstrument zur Balance der widerstreitenden Interessen zwischen zwei prinzipiell redlichen Parteien innerhalb kultureller Restitutionsverfahren heute nicht mehr unberücksichtigt bleiben. Ebenso wie die Nachforschungsbemühungen gutgläubiger Erwerber innerhalb des § 932 Abs. 2 BGB sind die Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen kultureller Eigentümer als Obliegenheiten zu qualifizieren, deren Befolgung ein Gebot des eigenen Interesses des Restitutionsgläubigers und Eigentümers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ist, damit der Restitutionsanspruch nicht der rechts-moralischen Präklusion aufgrund Verwirkung unterfällt.
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
Kunsthandel Beteiligten verbandsinterne Sanktionen. Während die Frage nach dem Ausschluss kultureller Restitutionsansprüche bei unsorgfältigem Verhalten der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nur kursorische Darstellung fand, stehen vornehmlich die Sorgfaltsanforderungen bei der Akquisition und Weiterveräußerung kultureller Wertgegenstände im Zentrum des Interesses. 90
Praktische Relevanz erlangt die Einhaltung notwendiger Sorgfaltsanforderungen – außerhalb kultureller Restitutionsverfahren – bspw. bei der Frage nach der Zahlung einer Kompensation an den restitutionspflichtigen Besitzer innerhalb eines sog. Lösungsrechts. In den Rechtsordnungen und -instrumenten, die eine finanzielle Entschädigung nach Rückgabe unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gewähren, erfolgt die Kompensationszahlung generell nur bei Einhaltung strenger Sorgfaltsanforderungen der Erwerbenden (vgl. den 2. Abschnitt). Darüber hinaus verringert die Einhaltung von Mindestsorgfaltsanforderungen die Gefahr einer wirtschaftlichen Entwertung illegal transferierter Kulturgüter und eines großen Reputationsverlustes kultureller Institutionen (vgl. den 3. Abschnitt). Innerhalb der britischen Gerichtsentscheidung Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd. wurde ersichtlich, dass kulturellen Ursprungsstaaten trotz der Unanwendbarkeit ausländischer öffentlich-rechtlicher Kulturgüterschutzgesetze zumindest eine Klage auf Feststellung des illegalen Exports offensteht und bei positiver Entscheidung die wirtschaftliche Entwertung eines Kunstwerks mit ‚belasteter‘ Provenienz eintritt. Über den finanziellen Verlust hinaus fürchten die professionell im (inter-)nationalen Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser den Imageschaden und Reputationsverlust, der beim Erwerb oder der Veräußerung von mit dem Makel der Illegalität behafteten Kulturgütern mit einhergeht, wie der Teufel das Weihwasser.
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Überdies schützt eine sorgfältige Provenienzerforschung vor der Inanspruchnahme von Schadensersatzforderungen bei Weiterveräußerung aufgrund eines Rechtsmangels (vgl. hierzu den 3. Abschnitt). Der Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter birgt über bisher Gesagtes hinaus besonders für Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser die Gefahr, als Verkäufer illegal transferierter Kunstwerke etwaige Garantien für die Freiheit von Rechtsmängeln der Verkaufsobjekte zu verletzen und sich dementsprechend aufgrund der kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln gegenüber gutgläubigen Erwerbern schadensersatzpflichtig zu machen. Die Möglichkeit einer solchen Schadensersatzklage wurde innerhalb der Rechtssache Jeanneret v. Vichy aus dem Jahre 1982 aufgezeigt, sodass professionell am Kunsthandel Beteiligte erhöhte Vorsichtsmaßnahmen und Sorgfaltsanstrengungen unternehmen müssen, keine ‚belasteten‘ Kunstwerke zu veräußern. Von großem praktischen Interesse ist auch, dass die Einhaltung von Mindestverhaltensanforderungen vor strafrechtlichen Sanktionen bei Erwerb und Veräußerung illegal transferierter Kulturgüter schützt (vgl. den 5. Abschnitt). Innerhalb der Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika wurde wiederholt ein Strafrechtsverdikt über Händler verhängt, die
§ 20 Ergebnis: Inauguration spezieller Sorgfaltsanforderungen
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wissentlich mit illegal ausgegrabenen und in der Folge unrechtmäßig ausgeführten präkolumbianischen Objekten Handel trieben. Auch die laufenden Strafverfahren in Italien und Griechenland gegen Marion True, ehemalige Kuratorin für Kunst der Antike am J. Paul Getty Museum, zeigen, wie akut eine strafrechtliche Verurteilung im Handel mit unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern ist. Höchst aktuell sind auch die Einführung bußgeldbewehrter Mindestverhaltensanforderungen sowie Sorgfalts- und Aufzeichnungspflichten der professionell am Kunsthandel Beteiligten auch aufgrund der Umsetzung der Vorgaben von Art. 7 (a) und Art. 10 (a) Alt. 2 der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 innerhalb der Schweizer und deutschen Rechtsordnung (vgl. den 6. Abschnitt), um dem illegalen Kunsthandel einen weiteren Riegel vorzuschieben. In zahlreichen Fachbeiträgen wurde auf die speziellen Umstände des Erwerbs kultureller Wertgegenstände aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass der (inter-) nationale Kunstmarkt insgesamt, aber auch die einzelnen kulturellen Transaktionen von einem ‚geheimnisvollen Schleier‘ der Verschwiegenheit umhüllt werden. Selbst Museen in staatlicher Trägerschaft suchten in Einzelfällen, die Herkunft ihrer Neuerwerbungen zu verschleiern und nicht zu offenbaren – ein klarer Verstoß gegen die selbstauferlegten Verhaltensstandards der Museen. Nicht selten erfolgte dies auch deshalb, um dem öffentlichen Bewusstsein zu verschweigen, dass (meist archäologische) Kulturgüter, die aus kulturellen Ursprungsstaaten widerrechtlich ausgeführt wurden (d.h. unter Verstoß gegen die Ausfuhrkontrollvorschriften der nationalen Kulturgüterschutzgesetze), im Inland von Museen und ähnlichen Einrichtungen erworben wurden. Diesem ‚geheimen Schleier‘ der Verschwiegenheit aller im Kunstmarkt Beteiligten soll bspw. innerhalb der Rechtsordnungen der Schweiz und Deutschlands durch die Einführung spezieller Sorgfaltsanforderungen, Verhaltensstandards und entsprechender Aufzeichnungspflichten der professionell im Kunsthandel Beteiligten entgegengewirkt werden. Insbesondere deren kulturgüterspezifischen Aufzeichnungspflichten sind Ausdruck der Notwendigkeit eines gesteigerten Sorgfaltsmaßstabs. Rechtspolitische Funktionen sind die erleichterte Rückverfolgung illegal aus dem kulturellen Ursprungsstaat innerhalb des internationalen Kunstmarktes transferierter Kulturgüter, die Identifikation rechtswidriger Einfuhren kultureller Güter auf das eigene Staatsgebiet und eine gesteigerte Kontrolle des weltweiten Kunsthandels mit solchen Objekten, die in zahlreichen Rechtsordnungen einem speziellen Rechtsregime unterfallen (wie dies bspw. einerseits bei sakralen Gegenständen und solchen aus geistlichen Gebäuden gestohlenen Kultgegenständen oder andererseits bei illegal ausgegrabenen archäologischen Artefakten anerkannt ist). Durch die Offenlegung der Provenienz der einzelnen Kulturgüter soll eine publizierte Separation legal transferierter Objekte von unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern ermöglicht werden. Der Vorteil einer generellen Aufzeichnungspflicht wirkt sich vor allem auch auf die Rückverfolgung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter positiv aus. Angesichts des stetig
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7. Teil: Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel
steigenden Volumens des illegalen Kunsthandels erscheint eine möglichst weitreichende Aufzeichnungspflicht aller zur Verfügung stehenden Informationen sowohl hilfreich als auch verhältnismäßig. 93
Die überwiegende Zahl der renommierten Berufsverbände hält bereits seit vielen Jahren ihre Mitglieder innerhalb ihrer Codes of Ethics sowie sonstigen Erwerbsund Verhaltensregeln dazu an, die Identität der Veräußerer festzuhalten und abzuklären, ob ein Objekt zuvor von dem berechtigten Eigentümer unrechtmäßig entzogen wurde. Die Aufzeichnungspflicht ist somit als institutionelle Verstärkung und ‚Verrechtlichung‘ der vom Kunsthandel bereits heute initiierten Verhaltenskodizes zu verstehen. Eine weitreichende Aufzeichnungspflicht sämtlicher kultureller Transaktionen kommt jedoch nicht nur dem Anliegen des Kulturgüterschutzes im Kampf gegen den illegalen Kunsthandel zugute, sondern auch den professionell am Kunsthandel beteiligten Händlern und Galeristen sowie dem kulturellen Auktionswesen selbst: Für die am Markt Beteiligten wird es – bei Einhaltung der geforderten Aufzeichnungspflichten – ein Leichtes sein, den Nachweis ihrer Gutgläubigkeit zu erbringen und gegebenenfalls darzulegen, dass alles getan wurde, um die Herkunft eines Kulturguts zu überprüfen, somit als gutgläubig gelten und die in zahlreichen Rechtsordnungen normierten Vorteile der Redlichkeit nutzen zu können.
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An vorderster Stelle haben jedoch die Untersuchung nach dem guten Glauben beim Eigentumserwerb von Kulturgütern und die Inauguration spezieller Sorgfaltsanforderungen in der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu stehen. Die Frage nach dem guten Glauben im Kunsthandel ist das Mittel zur Umsetzung ethischer Mindestverhaltensanforderungen in den Handlungsfeldern von Museen, Kunsthändlern, Galeristen, Auktionshäusern und Privatsammlern. Es geht einerseits um die Präventivwirkung: Die im Kunstmarkt Beteiligten werden sich nur dann einem Mindestverhaltensprogramm unterwerfen, wenn der Verlust von in die eigenen Sammlungen integrierten, jedoch zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern droht. Sorgfaltsanforderungen werden somit nur dann eine praktische Umsetzung erfahren, wenn sich die im (inter-)nationalen Kunsthandel Beteiligten der Gefahr ausgesetzt sehen, ‚ihre‘ Kulturgüter wieder zu verlieren: „Nur wenn das Risiko für den Käufer wächst, das Eigentum nicht zu erwerben, lässt sich manchen Unsitten des internationalen Kunsthandels wirksam begegnen und das Eigentum des Bestohlenen besser schützen.“179
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Andererseits verkörpert die zivilrechtliche Sachzuordnung auch eine Repressivwirkung: Beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter besteht grundsätz-
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Schack, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1446.
§ 20 Ergebnis: Inauguration spezieller Sorgfaltsanforderungen
lich eine zivilrechtliche Restitutionspflicht. Beim unsorgfältigen Erwerb kultureller Wertgegenstände besteht somit die Gefahr, dass die Erwerber nur die Besitzposition erlangen, jedoch kein Eigentumserwerb erfolgt, sich die ursprünglichen Eigentümer weiterhin auf ihre fortbestehende Rechtsposition gegenüber den Besitzern berufen können und eine Restitution fordern. In praktisch allen Gerichtsentscheidungen, die Fragen der Restitution zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter betrafen, – unabhängig davon, ob die Richter den Grundsätzen des Civil oder Common Law-Rechtskreises folgten – wurde eine Entscheidung über die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erst nach einer Untersuchung der Verhaltensweisen der betroffenen Parteien und deren Gutgläubigkeit getroffen. Dabei hat sich regelmäßig gezeigt, dass ein unredlicher Erwerber generell der Gefahr einer Restitution ‚seiner‘ neu erworbenen Kunstwerke ausgesetzt ist, während der Gutgläubige eher vor etwaigen Rückforderungsansprüchen gefeit war.
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8. Teil: Synopsis: Internationaler Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht Das Gesamtergebnis der voranstehenden Kommentierung des Kulturgüterschutzes und der Kunstrestitution im Zivilrecht ist für Laien ebenso überraschend wie für Juristen! Das deutsche Zivilrecht und die inzwischen mehr als einhundertjährigen Sachenrechtsregeln des BGB halten – bis auf eine einzige, vom Gesetzgeber zu modifizierende Ausnahme (die Frage der Verjährung!) – ein faires, gerechtes und ausgewogenes System der Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Spannungsverhältnis von internationalem Kunsthandel und Kulturgüterschutz bereit. Dass das Zivilrecht als Resolutionsmethode zur Regulation des internationalen Kulturgüterverkehrs fungiert, sollte aber – auch aus Sicht der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik – keine Überraschung sein, stellt doch die Ordnung des Güterverkehrs zwischen Privaten eine der ureigensten Aufgaben des Zivilrechts im Allgemeinen und die dingliche Zuordnung beweglicher Gegenstände an den Berechtigten primäre Funktion des Sachenrechts im Besonderen dar. Man hat also Erfahrung in der Sachzuordnung beweglicher Gegenstände!
1
Die Dimensionen des heutigen Kunsthandels als weltweites Milliardengeschäft zwingen damit zu der (für einige im Kulturgüterschutz schwierigen) Anerkenntnis einer seit Jahrtausenden geübten Praxis: Kunstwerke sind Handelsgegenstände, und zwar besonders begehrte! Indessen gebietet die besondere Sach- und Objektqualität kultureller Wertgegenstände auch die (für einige im Kunsthandel schwierige) Anerkenntnis, dass Kulturgüter nicht nur Handelsgegenstände sind, wenn auch besonders begehrte! Aufgrund der kulturellen Unikatfunktion ist jedes Kulturgut einmalig und nicht mit anderen Konsumgütern des allgemeinen Warenverkehrs zu vergleichen, die theoretisch unbegrenzter Reproduktion fähig sind oder deren Verlust durch finanzielle Kompensation einen adäquaten Ausgleich findet. Bei Kulturgütern geht es um das individuelle Objekt und die Zuordnung in specie und nicht in compensationem! Ebenso wie der ‚Kulturgutschützer‘ anerkennen muss, dass es einen legalen Kunstmarkt gibt, in dem Kulturgüter grenzüberschreitend transferiert und weltweit gesammelt werden, hat der Kunsthandel zu akzeptieren, dass ein aus einem Museum gestohlenes Meisterwerk nicht mit dem in der Eisenbahn vergessenen Regenschirm über ein und denselben Leisten1 geschlagen werden darf und in bestimmten Situationen
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1
Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 26.
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8. Teil: Synopsis: Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht
einer eigenen rechtlichen Behandlung wert ist – Kulturgüter sind als res sui generis anzuerkennen! Die zivilrechtliche Sachzuordnung befindet sich dabei inmitten des Spannungsverhältnisses von Kunsthandel und Kulturgüterschutz und löst diesen Interessenwiderstreit durch eine synkritische Anwendung der allgemeinen Zivilrechtsinstitute mit kulturgüterspezifischen Wertentscheidungen. Die kulturgüterunspezifischen Regeln des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs, der originären Eigentumsersitzung redlicher Eigenbesitzer sowie der Verjährung und Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche und deren wertausfüllungsbedürftige, unbestimmte Rechtsbegriffe lassen ausreichend Raum zur Implikation spezieller Wertungen des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts.
§ 21 Zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – das kulturelle Restitutionsverfahren 3
Da die Effektivität jeder Rechtsordnung erst außerhalb regelkonformen Verhaltens der subordinierten Normadressaten zum Schwur kommt, wurde geprüft, ob die zivilrechtliche Sachzuordnung ein effektives System der repressiven Wiedergutmachung unrechtmäßiger Kulturgutentziehungen parat hält – und dies tut sie, sogar mit Bravour und de lege lata (und zumindest in noch absehbarer Zeit) effektiver als alle anderen Rechtsordnungen, -ebenen und -instrumente! Das Zivilrecht sieht den Eigentümer kultureller Wertgegenstände als den Berechtigten an. Ist dieser der Meinung, dass ein Kulturgut unrechtmäßig aus seiner Sammlung entzogen wurde, kann er vom Besitzer die Restitution verlangen. Die repressive Kontrolle des Kulturgüterverkehrs erfolgt somit innerhalb des Zivilrechts durch die Möglichkeit kultureller Restitutionsverfahren. In den voranstehenden Untersuchungen hat sich gezeigt, dass die zur Entscheidung berufenen Richter darüber befinden müssen, wem die Eigentumsposition zuzuweisen ist. Bei der zivilrechtlichen Sachzuordnung ist dann regelmäßig zu fragen, ob der ursprüngliche Rechteinhaber seiner Eigentumsposition durch den unrechtmäßigen Entzugsakt, den Handel im internationalen Kunstmarkt oder aus sonstigen Gründen verlustig ging. Dabei wurde erkannt, dass in erster Linie durch die Implikation spezieller Sorgfaltsanforderungen auf Seiten der im Kunsthandel hauptbeteiligten Akteure, durch eine den natürlichen Gegebenheiten des Kulturgüterverkehrs entsprechende faire Beweislastverteilung sowie eine gesetzliche Modifikation der Verjährungsgrundsätze eine gerechte Risikoverteilung der Gefahren und eine effektive Reduktion des illegalen Kunsthandels erreichbar sind. Das Zivilrecht erlaubt eine konsolidierte rechtliche Rezeption ethischer Mindestverhaltensanforderungen seitens der Museen, Kunsthändler, Galeristen, Auktionshäuser und Privatsammler und erreicht mittels des Rechtsinstituts des Eigentums – im Gegensatz zu den alternativ anwendbaren Rechtsmethoden – eine international anerkennenswerte und in allen Rechtsstaaten vor deren nationalen Zivilgerichten durchsetzbare Sachzuordnung kultureller Wertgegenstände an den Eigentümer.
8. Teil: Synopsis: Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht
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In kulturellen Restitutionsverfahren sind nach den Erkenntnissen der vorliegenden Studie in der Regel folgende Prüfungsschritte zur Zuordnung kultureller Wertgegenstände an die dauerhaft Berechtigten im Zivilrecht vorzunehmen:2 Zunächst muss der Anspruchsteller seine ursprüngliche Eigentümerstellung an dem Objekt nachweisen können. Dies kann bspw. durch Zeugenaussagen, Fotos, Urkunden oder auf sonstige Art und Weise (wie bspw. in der positiv-Registrierung in einer der online zur Verfügung stehenden Datenbanken) erfolgen. An dieser Voraussetzung scheiterte in der Rechtssache Schoeps vs. Andrew Lloyd Webber Art Foundation vor dem U.S. District Manhattan federal court im November 2007 bspw. die Restitutionsklage bezüglich des Picasso-Gemäldes ‚Portrait de Angel Fernandez de Soto/The Absinthe Drinker‘ (1903) (s. Abb. 45) mit einem Schätzwert von 40 bis 60 Millionen US Dollar von Julius H. Schoeps, dem Direktor des Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrums, gegen die Kunststiftung des britischen Musical-Komponisten Andrew Lloyd Webber, die damalige Besitzerin des Gemäldes.
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Die Andrew Lloyd Webber’s art foundation beabsichtigte die Versteigerung des Gemäldes bei Christie’s Ende des Jahres 2006. Schoeps hinderte die Versteigerung mittels eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens einen Tag vor dem geplanten Termin vor dem amerikanischen Gericht und klagte danach auf Rückführung des Gemäldes. Darin machte er geltend, dass er Erbe des jüdischen Bankiers Paul von Mendelssohn-Bartholdy sei, der „as a consequence of Nazi persecution“ im Jahre 1934 zu einer Veräußerung des Gemäldes gezwungen worden sei (sog. „forced sale“). Er legte dar, dass Mendelssohn-Bartholdy „never sold any works from his private collection until after the Nazis came to power.“ Erst danach wurde er zu Veräußerungen aus seiner Kunstsammlung gezwungen. Unabhängig davon, ob das Kunstwerk unrechtmäßig seitens des NS-Unrechtsregimes entzogen wurde, wies das Gericht die Klage aus formalen Gründen zurück. Es sei – so das Gericht – „abundantly clear“, dass der Anspruchsteller zu der Klage nicht berechtigt sei, da nicht klar werde, ob er der rechtmäßige Erbe wäre. Schoeps stehe nicht das Recht für eine Klage zu, ohne als persönlicher Vertreter des Vermögens seines Großonkels legitimiert zu sein. Dieser habe das Bild in seinem Testament nicht erwähnt, sodass es für das Gericht keineswegs evident sei, dass er zum Zeitpunkt seines Todes noch der Besitzer des Gemäldes gewesen sei. „It is well established in New York that a person who has not obtained letters as personal representative lacks standing or the legal capacity to commence an action on behalf of an estate“, so Richter Acosta des Supreme Court. Außerdem habe das Gemälde seit dem Tod des jüdischen Bankiers im Jahr 1935 allein in New York viermal den Besitzer gewechselt und wurde zuletzt von Andrew Lloyd Webber’s art foundation im Jahr 1995 für etwa 29 Millionen US Dollar erworben.
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Vgl. auch Prott/O’Keefe, Law and the Cultural Heritage – Volume 3: Movement, 1989, S. 611– 666.
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8. Teil: Synopsis: Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht
Damit gab das Gericht grünes Licht für eine zukünftige Versteigerung des Gemäldes. 6
Zusätzlich obliegt dem Anspruchsteller der Nachweis, dass durch den Kulturgutverlust kein Eigentumsverlust eingetreten ist. Die zivilrechtlichen Auswirkungen des Entzugsaktes bestimmen sich nach der Rechtsordnung der örtlichen Belegenheit nach den Grundsätzen der lex rei sitae. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung zeitig(t)en bspw. der kulturelle Diebstahl, der illegale Export von zu Staatseigentum designierten Kulturgütern (mittels sog. umbrella statutes und sog. automatic ownership oder rhetorical statutes), die Beutekunstnahme, die Veräußerung kulturellen Fluchtguts unter den genannten Voraussetzungen und die Verstaatlichung der Raubkunst, entarteten Kunst, russischen Trophäenkunst sowie der sog. DDR-Kunst keine Auswirkungen auf die Rechtsposition des Eigentümers. Auch nach dem unrechtmäßigen Entziehungsakt kann der Eigentümer von dem jeweiligen Besitzer die Herausgabe verlangen.
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In einem zweiten Prüfungsschritt ist zu fragen, ob der Eintritt solchermaßen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in den internationalen Kunsthandel einen rechtsgeschäftlichen Verlust der Eigentumsposition zur Folge hat. Da innerhalb der verschiedenen Zivilrechtsordnungen inhaltlich stark divergierende Sachregeln bestehen, kommt der Rechtswahl besondere Bedeutung zu.3 Während an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern innerhalb des Common Law-Rechtskreises grundsätzlich kein gutgläubiger Erwerb möglich ist und die deutsche Rechtsordnung nur ausnahmsweise im Wege einer öffentlichen Versteigerung nach §§ 935 Abs. 2 i.V.m. 383 Abs. 3 BGB den Erwerb vom Nichtberechtigten erlaubt, bestimmen andere Rechtsordnungen, wie bspw. diejenige Italiens, generell einen gutgläubigen Erwerb zugunsten eines freien (Kultur-)Güterverkehrs. Schließlich stellt der Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei gleichzeitiger Kompensationszahlung an den gutgläubigen Besitzer einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Rechtsordnungen in internationalen Konventionen und bspw. in den Privatrechtsordnungen Frankreichs und der Schweiz dar. Kulturgüterspezifische Sondervorschriften der Extrakommerzialität kultureller Wertobjekte sind bei einer Veräußerung innerhalb des kulturellen Ursprungsstaates und einem schlichten Statutenwechsel zu beachten.
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In denjenigen Rechtsordnungen, die einen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb grundsätzlich ausschließen, ist in einem dritten Prüfungsschritt festzustellen, ob eine originäre Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter des gutgläubigen Eigenbesitzers erfolgte. Da inhaltlich stark divergierende Sachregeln innerhalb der verschiedenen Zivilrechtsordnungen bestehen, kommt der präzisen Rechtswahl besondere Bedeutung zu. Das situs-Prinzip bestimmt auch hier die Anwendung der Sachenrechtsregeln derjenigen Rechtsordnung, inner3
Vgl. ausführlich hierzu Band 3: Internationales Kulturgüterprivatrecht.
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halb deren Territoriums der gutgläubige Eigenbesitz während einer bestimmten Zeitspanne erfolgte. Sowohl innerhalb des rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs als auch der originären Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter werden in der Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabs hinsichtlich des guten Glaubens und der Redlichkeit aufgrund der besonderen Sachqualität der Kulturgüter regelmäßig spezielle Anforderungen verlangt: Gegenüber Erwerbern und Besitzern von Kunstwerken bestehen in der Regel spezielle Provenienzerforschungsobliegenheiten hinsichtlich des Pedigrees des einzelnen Kulturguts und Verifizierungsobliegenheiten hinsichtlich der Berechtigtenposition des Veräußerers, deren Einhaltung seitens der Restitutionsverpflichteten regelmäßig vor Gericht auch nachgewiesen werden muss. Zur Bestimmung der Gutgläubigkeit kann inzwischen auf ein Sammelsurium unterschiedlichster Kriterien zurückgegriffen werden. Hat der Eigentümer seine Rechtsposition an einem Kulturgut weder durch den Entziehungsakt, noch durch den Eintritt ‚seines‘ Kulturguts in den internationalen Kunsthandel im Wege der rechtsgeschäftlichen Veräußerung und auch nicht durch eine originäre Eigentumsersitzung verloren, ist schließlich in einem vierten Schritt zu prüfen, ob der kulturelle Restitutionsanspruch des Eigentümers verjährt ist. Verjährungsregeln werden, da sie Auswirkungen auf das Entscheidungsergebnis zeitigen und damit streitentscheidend sind, innerhalb der deutschen Kollisionsregeln materiell-rechtlich qualifiziert. Im Gegensatz dazu ordnet der Common Law-Rechtskreis die Verjährung und Ausschlussfristen (limitation of action wie Verwirkung) regelmäßig als prozessrechtlich ein und unterstellt sie der lex fori. Da einige Rechtsordnungen (wie bspw. in Österreich, Italien und der Schweiz) und internationale Rechtsinstrumente des Kulturgüterschutzes (bspw. die UNESCO-Convention vom 14. November 1970) keine Verjährung kultureller Restitutionsansprüche unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erlauben, andere spezielle Ausgleichsmodelle bspw. eine kurze, kenntnisbezogene relative und eine lange, kenntnisunabhängige absolute Verjährung (so bspw. die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 bzw. die EG-Richtlinie 93/7/EWG aus dem Jahre 1993) oder bspw. die Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche gegenüber dem Dieb und bösgläubigen Erwerber (Common Law-Rechtskreis) bestimmen, und schließlich Rechtsordnungen wie diejenige Deutschlands bestehen, in denen nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne generell die Verjährung eintritt, hat der Rechtsanwender auch hier in der Bestimmung der anwendbaren Rechtsordnung besonderes Augenmerk auf die richtige Rechtswahl zu legen.
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Schließlich ist in kulturellen Restitutionsstreitigkeiten in einem fünften Prüfungsschritt zu untersuchen, ob der Rückführungsanspruch des Eigentümers verwirkt ist, weil er nach dem Entziehungsakt lediglich zuwartete, ohne spezielle Sorgfaltsanforderungen zur Lokalisierung seiner unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und Identifizierung der aktuellen Besitzer zu unternehmen. Seit die höchsten Zivilgerichte innerhalb verschiedener amerikanischer Bundesstaaten
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besondere due diligence-Anforderungen an den durch den unrechtmäßigen Entziehungsakt beschwerten Eigentümer kultureller Wertgegenstände diskutieren, vergrößerte sich in der jüngeren Vergangenheit auch innerhalb Europas die Unsicherheit auf Seiten kultureller Eigentümer und Verwaltungsträger, ihrer Rechtspositionen aufgrund eines Verwirkungseinwandes verlustig zu gehen.
§ 22 Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht – 50 Thesen Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zum guten Glauben im internationalen Kunsthandel und der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sind in den folgenden 50 Thesen zusammenzufassen: Illegaler Kulturgüterverkehr 1. Ebenso wie der legale Handel mit Kulturgütern in den letzten Dekaden trotz zahlreicher internationaler Finanzkrisen Jahr für Jahr weltweite Rekordumsätze in Milliardenhöhe erreichte, steigerte sich in demselben Maße auch der illegale Kunstmarkt, der inzwischen den Rang des illegalen Waffenhandels als zweitgrößter Schwarzmarkt hinter dem Drogenhandel übernahm. Der illegale Kunsthandel gilt heute als besorgniserregender Handelssektor: Über den Transfer kultureller Güter über sog. free transition ports werden die divergierenden nationalen Rechtssysteme seitens der professionell organisierten ‚Kunstschmugglerbanden‘ gezielt zugunsten skrupelloser Geschäfte ausgenutzt. Places of bargaining shopping fungieren als Einfallstor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in einen legalen Kunstmarkt und nutzen die Möglichkeit der bewussten Manipulation des Lageorts: Im Wege des sog. forum shopping ‚waschen‘ Schmugglerbanden unrechtmäßig entzogene und illegal außer Landes verbrachte Kulturgüter durch einen bewussten Transfer in eine bestimmte Rechtsordnung, die den Erwerb auch gestohlener und unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erlaubt. 2. Die Illegalität kultureller Verkehrsgeschäfte und die Zugehörigkeit eines Kulturguttransfers zu dem Geschäftskreis des kulturellen Schwarzmarktes sind immer als rechtliche Wertungskriterien zu betrachten, sodass die Charakterisierung als legaler oder illegaler Transfer kultureller Güter relativ und entsprechend den konkret einschlägigen nationalen oder internationalen Vorschriften ein Rechtswidrigkeitsverdikt immer abhängig von Zeit und Raum ist. So sind innerhalb der deutschen Rechtsordnung divergierende Kategorien unrechtmäßiger Entziehungstatbestände kultureller Wertgegenstände zu unterscheiden, die keine Auswirkungen auf die zivilrechtliche Sachzuordnung und damit die Rechtsposition des Eigentümers zeitigen: • Der kulturelle Diebstahl bedingt selbstredend keine Änderung der Rechtslage, sodass der Eigentümer seine weiterhin bestehende Rechtsposition gegen jeden unrechtmäßigen Besitzer im Wege einer Vindikationsklage nach § 985 BGB geltend machen kann.
8. Teil: Synopsis: Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht • Auch der illegale Export kultureller Wertgegenstände entgegen den nationalen, öffentlichrechtlichen Kulturgüterschutzgesetzen zur Bewahrung des nationalen Kulturerbes innerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungsstaates kann in bestimmten Situationen als unrechtmäßigen Entziehungsakt gewertet werden. Sog. umbrella statutes nehmen schon im Vorfeld eine generelle Zuweisung des Eigentums einer bestimmten Klasse kultureller Güter (bspw. archäologischer Objekte) an den kulturellen Ursprungsstaat vor, unabhängig davon, ob diese bereits entdeckt oder ausgegraben worden sind. Dieselbe Rechtswirkung erzielen sog. automatic forfeiture clauses bzw. auch sog. rhetorical ownership statutes, die eine Eigentumszuweisung kulturell bedeutsamer Güter an den kulturellen Ursprungsstaat in dem Moment und der Situation der illegalen Ausfuhr vornehmen, d.h. noch bevor die öffentlich-rechtlich geschützten Gegenstände das Territorium und die Staatsgewalt des Ursprungsstaates verlassen haben. Nach einer illegalen Ausfuhr in einen kulturellen Zielstaat liegt somit nicht nur ein Rechtswidrigkeitsverdikt aufgrund des unrechtmäßigen Exports, sondern zusätzlich aufgrund des kulturellen Diebstahls vor, und der kulturelle Ursprungsstaat kann seine Eigentumsposition im Importstaat ebenso geltend machen, wie jeder andere Eigentümer. • Auch die Verlagerung der sog. Beutekunst (sowohl die sog. nazi looted art als auch die sog. Trophäenkunst) als staatlich zurechenbare Entziehung kultureller Wertgegenstände außerhalb des eigenen Territoriums während des Krieges oder im Zustand der Besetzung wirkt sich aufgrund des vertrags- und gewohnheitsrechtlichen Völkerrechtswidrigkeitsverdikts nicht auf die Rechtsposition des Eigentümers aus. • Unberührt bleibt die Rechtsposition des Eigentümers auch bei der formal ‚freiwilligen‘ Veräußerung sog. kulturellen Fluchtguts verfolgter (jüdischer) Personengruppen unter Drohung, Zwang und Gewalt zur Zeit des Nationalsozialismus. Diese Veräußerungen waren nach § 138 BGB sittenwidrig und mit Wirkung ex tunc nichtig, wenn das Rechtsgeschäft ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus nicht abgeschlossen worden wäre bzw. die Notlage des Verfolgten zum eigenen Vorteil ausgenutzt worden war. • Die Sicherstellungen der ‚entarteten‘ Kunst im Privateigentum und deren Designation zu Staatseigentum mittels des Gesetzes über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai 1938 sowie die Enteignungen der sog. Raubkunst als die direkte staatliche Beschlagnahme kultureller Wertgegenstände aus dem Bestand jüdischer Personen innerhalb des deutschen Territoriums durch die nationalsozialistischen Behörden entfalteten aufgrund der Qualifizierung als ‚gesetzliches Unrecht‘ entsprechend der sog. Unerträglichkeitsthese Radbruchs keine Rechtswirkungen. • Die Verstaatlichung der nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf russisches Territorium verlagerten Trophäenkunst aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands durch das russische Kulturgütergesetz vom 15. April 1998 verstößt sowohl gegen die Grundsätze des internationalen als auch des nationalen ordre public, sodass der Eigentumszuweisung vor ausländischen Gerichten keine Rechtswirkung zuzuerkennen ist. • Schließlich können auch die Verstaatlichungen kultureller Wertgegenstände zur Zeit der Unrechtsherrschaft des DDR-Regimes unter bestimmten Voraussetzungen als formell und materiell ordre public-widrig qualifiziert werden.
Spannungsverhältnis zwischen Kunsthandel und Kulturgüterschutz 3. Es besteht ein dringendes Bedürfnis für einen effektiven Kulturgüterschutz: Es wurde erkannt, dass die Auswirkungen kultureller Entziehungsakte und des illegalen Kulturgüterverkehrs desaströs sind. Kulturgüter erfüllen wichtige gesellschaftliche Funktionen, indem sie aufgrund ihrer Einzigartigkeit unwiederbringliche Zeugnisse geistiger und kultureller Vergangenheit darstellen. Darüber hinaus bereichern die ‚schönen Künste‘ durch ihren ästhetischen
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Wert auch das menschliche Dasein und spiegeln die schöpferisch-kreative Leistung einer Bevölkerung wider. Als Testimonium fremder Zivilisationen und vergangener Epochen fungieren sie aber auch als Medium der wissenschaftlichen Forschung sowie der Bildung der Allgemeinheit und dienen als Vorbild der Kunstschaffenden. Aus ethnologischer Sicht verkörpern Kulturgüter die kulturellen Leistungen eines Volkes und erwachsen so zu Symbolen der nationalen Identität. Die Rechtsregeln des Kulturgüterschutzes zielen deshalb nicht nur auf die Bewahrung kultureller Wertgegenstände vor Substanzverletzungen, sondern vornehmlich auch auf die Erhaltung der Bindungen solcher Objekte zu ihren kulturellen Zuordnungssubjekten. Als plakatives Exempel für die ‚innere‘ Konnexität zwischen Territorium und Kulturgut wurde nach den Grundsätzen der sog. Kontextarchäologie bspw. der Fundort bei archäologischen Kulturgütern oder die Kultstätte bei sakralen Kulturgütern erkannt. 4. Die unrechtmäßige Entziehung kultureller Wertgegenstände und der illegale Kunsthandel dürfen diese Bindung grundsätzlich weder tatsächlich noch rechtlich lösen. Da Kulturgüter anders als Konsumgüter einerseits nicht zum Verbrauch geschaffen wurden und andererseits aufgrund ihrer Einzigartigkeit auch nach Ablauf einer langen Zeitspanne seitens der ursprünglich Berechtigten wiedererkannt werden können, sind Kulturgüter als ‚ewige‘ Objekte mit einer speziellen Sachqualität zu qualifizieren und eigenen Regeln zu unterwerfen. Die überwiegende Zahl internationaler wie innerstaatlicher Kulturgüterschutzvorschriften erweist sich jedoch als ‚Papiertiger‘: Trotz einer – im wahrsten Sinne des Wortes – unübersehbaren gesetzgeberischen, judikativen wie rechtsdogmatischen Flutwelle kulturgüterspezifischer Resolutionsmethoden zur Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs wurde bislang kein effektives System zur Einhaltung der Mindeststandards des Kulturgüterschutzes geschaffen. Der Schutz der inneren Konnexität und Bindung von Kulturgütern an ihre kulturellen Zuordnungssubjekte konnte bislang rechtlich nicht effektiv abgebildet werden. Die spezifischen Rechtsvorschriften zum Schutz kultureller Wertgegenstände können die notwendigen Aufgaben der Bewahrung und Erhaltung der Objekte (noch) nicht erfüllen, sodass der Kulturgüterschutz bislang nicht ‚greift‘ und der Therapie bedarf! • Zusätzlich zu dem Handel mit gestohlenen und illegal exportierten Kulturgütern sieht sich der Markt heute auch mit der Gefahr des Erwerbs von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst konfrontiert. Die möglichen Problemkonstellationen und beteiligten Interessen haben sich potenziert und die rechtliche Abbildung von Lösungsalternativen hat sich in gleichem Maße erschwert. Die diesbezüglich statuierten spezifischen Rechtsinstrumente des ausgehenden Jahrtausends 4 zeitigen heute nur ein einge-
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Etwa die Washington Conference Principles on Nazi-Confiscated Art vom 3. Dezember 1998 und deren nationale Umsetzungsakte wie bspw. die Gemeinsame Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-
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schränktes Wirkungsfeld. Der kulturpolitische Elan des ausgehenden Jahrtausends konnte leider nicht in ein effektives und rechtswirksames, international einheitliches Sonderrechtsmodell zur Resolution dieser besonders emotionalen Rechtsstreitigkeiten transformiert werden. Die genannten Spezialinstrumente begründen keine Verbindlichkeit für private Institutionen, professionell am Kunstmarkt Beteiligte und Privatsammler. Auch gegenüber Museen und kulturellen Institutionen in öffentlicher Trägerschaft kann die Effektivität zur Streitentscheidung im Einzelfall gering sein und stark vom Ermessen der jeweiligen musealen Entscheidungsträger abhängen. Die völkerrechtlichen Resolutionsmechanismen finden nur eine eingeschränkte repressive Anwendung in der Regulation des internationalen Kulturgüterverkehrs. Während einige internationale Rechtsinstrumente zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels mit gestohlenen und illegal exportierten Kulturgütern wie bspw. die non-self executing UNESCO-Convention vom 14. November 1970 zu unpräzise sind, um harmonisierte Rechtskörper zur Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs zu schaffen, sind andere zwischenstaatliche Übereinkommen wie die UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 zur Vereinheitlichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften für zahlreiche kulturelle Importstaaten (leider noch) nicht konsensfähig und es wird regelmäßig die Übervorteilung kultureller Ursprungsstaaten kritisiert. Darüber hinaus mangelt es dem Friedensvölkerrecht im Generellen – ebenso wie dem kulturellen Kriegsvölkerrecht – an effektiven Rechtsverfolgungsmöglichkeiten, sodass bestehende Anspruchsgrundlagen aufgrund des eingeschränkten zwischenstaatlichen Sanktionensystems lediglich theoretische Rechtspositionen bleiben. Auch die nationalen Kulturgüterschutzgesetze zur Bewahrung und Erhaltung bedeutsamer Kulturgüter innerhalb des kulturellen Ursprungsstaates zeitigen nur eine eingeschränkte Wirkung: Öffentlich-rechtliche Resolutionsmethoden können sedes materiae nur Ausschnitte der gesamten Rechtsproblematik des illegalen Kunsthandels aufgreifen und finden bis dato dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip entsprechend aufgrund der Staatssouveränität nur innerhalb der Grenzen des eigenen Staatsgebietes umfängliche Anwendung. Strafrechtliche Resolutionsmethoden können keine systematische Regulation des Kulturgüterverkehrs erreichen, wirken vornehmlich in präventiven Bahnen als Therapierungsmöglichkeit des fehlenden Unrechtsbewusstseins und sind nur eingeschränkt als repressives Rechtsinstrument zur kulturgüterspezifischen Sachzuordnung illegal transferierter Kulturgüter zu instrumentalisieren. Auch selbstauferlegte ethische Mindestverhaltensstandards und Erwerbsrichtlinien seitens der professionell am Kunsthandel Beteiligten erreichen keine effektive Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs und dienen damit nur eingeschränkt der Bekämpfung des illegalen Kunsthandels. Sie verkörpern schlussendlich nicht mehr als gut gemeinte Willenserklärungen, die für den zwischenstaatlichen Kulturgüterschutz so gut wie keine rechtliche Relevanz und lediglich außerrechtliche Sanktionen besitzen. Verhaltenskodizes können vom Staat nicht durchgesetzt werden und Verletzungen auf Seiten der Museen, des Handels und der Auktionshäuser ziehen keine rechtliche Verantwortlichkeit nach sich. Die in der Öffentlichkeit kundgemachten Verhaltensrichtlinien bleiben damit im Ernst- und Streitfall ohne Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten und sind vor nationalen Gerichten nicht justiziabel.
5. Nachdem erkannt wurde, dass der illegale Kunsthandel trotz zahlreicher Rettungsversuche auch heute noch eine gewisse Therapieresistenz besitzt, kristal-
verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, vom Dezember 1999, die Vilnius Forum Declaration vom 5. Oktober 2000 und die Resolution 1205 of the Council of Europe vom 5. November 1999.
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lisierte sich als wichtigste Voraussetzung für eine konsensfähige internationale Rechtsharmonisierung und für die Neukonzeption des Spannungsverhältnisses von Kulturgüterschutz und (inter-)nationalem Kunsthandel die innerstaatliche Epigenese vergleichbarer kulturpolitischer Wertentscheidungen und ethischer Mindestverhaltensstandards aller am Kunstmarkt Beteiligten als Ausgleich der häufig diametral verlaufenden Bedürfnisse heraus. Durch die Implikation spezieller Sorgfaltsanforderungen wird die Hoffnung auf die Konstituierung einheitlicher ethischer Mindestverhaltensstandards innerhalb des Kunsthandels genährt. Diese blieben bislang innerhalb der Rechtsdogmatik systematisch unaufgearbeitet und in der Praxis des Kunsthandels unverstanden. Es bedarf einer neuen ‚Kultur des Kulturguterwerbs‘. 6. Damit liegt die vorliegende Studie auch im Trend der Zeit: Die Forderung nach speziellen Sorgfaltsanforderungen und die Umsetzung ethischer Mindestverhaltensstandards fanden in den letzten Jahren unaufhaltsam Eingang in den Kulturgüterverkehr, um dem Kunsthandel und dem Sammelwesen die bislang fehlende, aber dringend notwendige Lauterkeit und Redlichkeit zu verschaffen. Es wird rechtsordnungen- und -ebenenübergreifend von den professionell wie laienhaft am Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändlern, Galeristen, Auktionshäusern und Privatsammlern die Einhaltung spezieller Mindestverhaltensstandards erwartet und bei einem Zurückbleiben hinter dem geforderten Soll werden zivil-, bußgeldbewehrte öffentlich-rechtliche oder mit Freiheits- bzw. Geldstrafe bewehrte pönale Sanktionen verhängt oder es drohen – zumindest theoretisch – bei einer Nichteinhaltung des geforderten Verhaltensprogramms selbstauferlegter Codes of Ethics der professionell am Kunsthandel Beteiligten verbandsinterne Sanktionen. Heute knüpfen zahlreiche rechtliche Folgen an ein Zurückbleiben hinter dem beim Erwerb kultureller Wertgegenstände geforderten Mindestverhaltensprogramm an, sodass sich sämtliche im Kunstmarkt tätige Professionelle (Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser) ebenso wie private Sammler einem erhöhten zivilrechtlichen, aber auch straf- und ordnungswidrigkeitsbewehrten Gefahrenpotenzial ausgesetzt sehen: • Bei unsorgfältigem Verhalten des Erwerbers kultureller Wertgegenstände erfolgt keine Kompensationszahlung an den restitutionspflichtigen Besitzer nach Rückgabe eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts innerhalb eines sog. Lösungsrechts als finanzieller Ausgleich für den Verlust der Sache selbst. • Darüber hinaus verringert die Einhaltung von Mindestsorgfaltsanforderungen die Gefahr einer wirtschaftlichen Entwertung illegal transferierter Kulturgüter aufgrund deren Unverkäuflichkeit im internationalen Kunstmarkt, nachdem diese teuer erworben wurden und danach eine ‚belastete‘ Provenienz festgestellt wurde – hier zahlt sich eine Vorsorge finanziell aus! Damit geht regelmäßig auch ein großer Reputationsverlust kultureller Institutionen und professioneller Kunsthändler wie Auktionshäuser einher. • Überdies schützt eine sorgfältige Provenienzerforschung beim Erwerb kultureller Wertgegenstände auch vor der Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen bei Weiterveräußerung an einen Dritterwerber aufgrund eines Rechtsmangels, sollte sich später herausstellen,
8. Teil: Synopsis: Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht dass das Kulturgut zuvor unrechtmäßig entzogen war und somit eine ‚belastete‘ Provenienz aufweist. • Darüber hinaus schützt die Einhaltung von Mindestverhaltensanforderungen vor strafrechtlichen Sanktionen bei Erwerb und Veräußerung illegal transferierter Kulturgüter. Die Pönalisierung des Handels mit unrechtmäßig entzogenen und illegal transferierten Kulturgütern breitet sich stetig aus und vornehmlich kulturelle Quellenstaaten wie bspw. Italien, Griechenland und die Türkei greifen immer häufiger auf strafrechtliche Verfahren zur Abschreckung der Beteiligten des Kunstmarktes zurück und verhängen hohe Geld- wie Freiheitsstrafen! Inzwischen wird aber auch in zahlreichen Rechtsordnungen der Handel mit Kulturgütern strafrechtlich sanktioniert, die zur Zeit des Nationalsozialismus bzw. des Zweiten Weltkrieges unrechtmäßig geplündert wurden. Heute ist somit beim Handel mit illegal transferierten Kulturgütern erhöhte Vorsicht geboten, damit keine strafrechtlichen Folgen drohen. • Schließlich erfolgte bspw. innerhalb der Schweizer und deutschen Rechtsordnung im Rahmen der Umsetzung der Vorgaben von Art. 7 (a) und Art. 10 (a) Alt. 2 der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 die Einführung bußgeldbewehrter Mindestverhaltensanforderungen sowie der Sorgfalts- und Aufzeichnungspflichten der professionell am Kunsthandel Beteiligten, um dem illegalen Kunsthandel einen weiteren Riegel vorzuschieben.
7. An vorderster Stelle steht jedoch die Bedeutung des guten Glaubens beim Eigentumserwerb von Kulturgütern und der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Es geht einerseits um die Präventivwirkung: Die am Kunstmarkt Beteiligten werden sich nur dann einem Mindestverhaltensprogramm unterwerfen, wenn der Verlust der in die eigenen Sammlungen integrierten, jedoch zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter droht. Die Einhaltung spezieller Sorgfaltsanforderungen erfährt somit dann eine effektive praktische Umsetzung, wenn sich die am (inter-)nationalen Kunsthandel Beteiligten der Gefahr ausgesetzt sehen, ‚ihre‘ Kulturgüter wieder zu verlieren. Andererseits verkörpert die zivilrechtliche Sachzuordnung auch eine Repressivwirkung: Beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter besteht grundsätzlich eine zivilrechtliche Restitutionspflicht. Besonders dann, wenn der Erwerber bösgläubig oder nicht gutgläubig handelte, besteht die Gefahr, dass nur die Besitzposition erlangt wird, jedoch kein Eigentumserwerb erfolgt, sich die ursprünglichen Eigentümer weiterhin auf ihre fortbestehende Rechtsposition gegenüber den Besitzern berufen können und eine Restitution fordern. In praktisch allen Gerichtsentscheidungen, die Fragen der Restitution zuvor unrechtmäßig entzogener Kulturgüter betrafen – unabhängig davon, ob die Richter den Grundsätzen des Civil oder Common LawRechtskreises folgten –, wurde eine Entscheidung über die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erst nach einer Untersuchung der Verhaltensweisen der betroffenen Parteien und deren Gutgläubigkeit getroffen. Dabei hat sich regelmäßig gezeigt, dass ein unredlicher Erwerber generell der Gefahr einer Restitution ‚seiner‘ neu erworbenen Kunstwerke ausgesetzt ist, während der Gutgläubige eher vor etwaigen Rückforderungsansprüchen gefeit war.
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Zivilrecht als integrativer Motor des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts und als Katalysator ethischer Mindestverhaltensstandards 8. Als Ergebnis der Propädeutik zum Spannungsverhältnis von Kunsthandel und Kulturgüterschutz wurde festgestellt, dass die Integration eines effektiven und international durchsetzbaren Kulturgüterschutzes in die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter heute unabdingbar ist. Die privatrechtliche Sachzuordnung verkörpert ein für den Kulturgüterschutz notwendiges international durchsetzbares Rechtsfolgen- und Sanktionensystem, das auch nach einem unrechtmäßigen Entziehungsakt korrigierend auf eine rechtswidrige Verlagerung kultureller Güter einwirkt und somit auch international eine Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gewährleistet. Damit halten die nationalen Zivilrechtsordnungen und die zivilrechtliche Sachzuordnung kultureller Wertgegenstände an ihre Eigentümer als einziges Rechtsgebiet ein effektives, repressiv wirkendes Regulationssystem parat, das auch außerhalb kultureller Ursprungsstaaten Anwendung findet. Das Völkerrecht und die öffentlich-rechtlichen Kulturgüterschutzgesetze formulieren dabei regelmäßig die Tatbestände des Kulturgüterschutzes, während das Zivilrecht die Basis für deren Rechtsdurchsetzung bildet. Nachdem die Anfänge des Kulturgüterschutzes im Kriegsvölkerrecht liegen und internationale Rechtsinstrumente im völkerrechtlichen Friedensrecht zusammen mit nationalen Kulturgüterschutzgesetzen in der Folge spezifische Verhaltensstandards für die Protektion kultureller Güter formulierten, spielt die Musik innerhalb des Kulturgüterschutzes heute im Zivilrecht! 9. Das Zivilrecht dient als integrativer Motor des Kulturgüterschutzes und als Katalysator ethischer Mindestverhaltensstandards im Kunsthandel. Über das Mittel der dinglichen Sachzuordnung kultureller Wertgegenstände zu den ‚richtigen‘ Zuordnungssubjekten wird das Zivilrecht so lange noch eine wichtige Aufgabe innerhalb des Kulturgüterschutzes übernehmen, wie die Forderung nach internationaler Rechtsvereinheitlichung im Kulturgüterschutzrecht (noch) absurd ist. Solange noch kein internationaler Konsens erreichbar ist, müssen und werden sich – zumindest in absehbarer Zeit – Rechtsdogmatik und Judikative zwangsläufig an die meist kulturgüterunspezifischen Eigenmittel der nationalen Zivilrechtsordnungen zur Regulation des internationalen Kulturgüterverkehrs wenden und diese als Instrumentarium zur Umsetzung zwingend notwendiger Mindestverhaltensanforderungen im Kunsthandel nutzen. Die Implikation spezieller Mindestverhaltensstandards innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter stellt damit die zweite Säule eines modernen Kulturgüterschutzes dar. 10. Weiterhin wurde erkannt, dass die praktische Streitentscheidung in Kunstrestitutionsverfahren mit Berührungspunkten zu mehr als einer Rechtsord-
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nung erheblich von der Beantwortung der Frage abhängt, welche nationale Zivilrechtsordnung über die materielle Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu entscheiden hat. Das angerufene Gericht darf somit in kulturellen Streitigkeiten mit einer Verbindung zu einer weiteren Rechtsordnung als der eigenen nicht unmittelbar die eigenen Kulturgüterschutzvorschriften und Privatrechtsregeln anwenden, sondern hat zunächst mittels der (eigenen) Kollisionsnormen der lex fori eine Entscheidung darüber zu fällen, welchem nationalen Recht es die materiell-rechtlichen Vorschriften zu entnehmen hat. Dies ist Aufgabe des Bandes 3: Internationales Kulturgüterprivat- und Zivilverfahrensrecht – Strafrecht: Diese Bezeichnung war bislang kein feststehender terminus technicus, jedoch haben die internationalprivatrechtlichen Fragestellungen über das auf kulturgüterschutz- und kunstrestitutionsrechtliche Sachverhalte mit Berührungspunkten zu mehr als einer Rechtsordnung anwendbare Recht und über die Bestimmung derjenigen Rechtsordnung, die die zivilrechtliche Zuweisung der dinglichen Sachherrschaft an kulturellen Wertobjekten vorzunehmen hat, innerhalb der letzten Jahrzehnte eine so starke rechtsdogmatische, normative und judikative Aufarbeitung erfahren, dass die Einführung dieser Terminologie und dieses Teilrechtsgebietes Rechtfertigung findet. In internationalen Sachverhalten des Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrechts ist somit stets die Frage zu beantworten, welche Rechtsordnung dazu berufen ist, die genannte sachrechtliche Anbindung eines Kulturguts an das ‚richtige‘ Zuordnungssubjekt über die allgemeinen, kulturgüterunspezifischen Zivilrechtsinstitute vorzunehmen und über die Fragen des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs und der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sowie der Verjährung und Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche zu entscheiden. Da diese materiell-rechtlichen Sachzuordnungsregeln in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, erlangt die Frage, welche Rechtsordnung bei einer internationalen Streitigkeit Anwendung erlangen soll, in der konkreten Situation buchstäblich fallentscheidenden Einfluss, sodass das internationale Kulturgüterprivatrecht und die diesbezüglichen Ausführungen in Band 3 eine nicht zu unterschätzende praktische Bedeutung in der Entscheidung kultureller Restitutionsstreitigkeiten einnehmen und zu Recht als „die Grundlage des internationalen Kulturgüterrechts“ 5 bezeichnet werden. 11. Die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter erfolgt im internationalen Kunsthandel in erster Linie mittels des gutgläubigen derivativen Erwerbs, der originären Eigentumsersitzung sowie der temporalen Präklusion nach Verjährung und der rechtsmoralischen Verwirkung der Restitutionsansprüche. Innerhalb dieser Rechtsinstitute lassen sich wirksame
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Turner, Das Restitutionsrecht des Staates nach illegaler Ausfuhr von Kulturgütern, 2002, S. 66–67.
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und zugleich flexible Lösungen erreichen, innerhalb derer die widerstreitenden Interessen der im internationalen Kunsthandel beteiligten Parteien einen systemimmanenten Ausgleich finden. An diesen wertausfüllungs- und auslegungsbedürftigen Rechtsbestimmungen wird das Verhalten der professionell wie laienhaft am (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr Beteiligten gemessen und es ist immer eine Wertentscheidung vorzunehmen, die den Widerstreit zwischen dem Erhaltungs- und Bewahrungsinteresse des (ursprünglichen) Eigentümers einerseits und den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs, der Rechtssicherheit und dem Erwerbsinteresse gutgläubiger Erwerber und Besitzer andererseits auflösen muss. Durch die Implikation guten Glaubens, spezieller Sorgfaltsanforderungen und ethischer Mindestverhaltensstandards ‚brechen‘ die kulturgüterspezifischen Wertentscheidungen zur Sachzuordnung kultureller Güter an ihre rechtmäßigen Zuordnungssubjekte ins kulturgüterunspezifische Privatrecht ein. Für den Zivilrechtler wird es dabei regelmäßig eine neue Erkenntnis sein, dass sich in vielen Situationen die Interessen des Kulturgüterschutzes mit denen der (ursprünglichen) Eigentümer kultureller Wertgegenstände verbinden und gemeinsam zu einer Einschränkung der Verkehrsinteressen führen. Die außergewöhnliche Sachqualität kultureller Wertgegenstände als res sui generis aufgrund ihrer kulturellen Unikatfunktion und die besondere kulturpolitische Bedeutung von Kunstwerken für die Gesellschaft verlangen dabei regelmäßig eine Revision des bisher geltenden Rechtsempfindens, ohne jedoch der Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Intervention zu bedürfen. Rechtsgeschäftlicher Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 12. Der Einwand des gutgläubigen Erwerbs des potenziell restitutionspflichtigen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter findet in nahezu jeder kulturellen Restitutionsstreitigkeit rechtliches Gehör. Bei einer rechtsgeschäftlichen Einwirkung auf ein Kulturgut ist zu untersuchen, ob durch die Veräußerung nicht ein Eigentumserwerb des gutgläubigen Erwerbers und damit ein Eigentumsverlust des (ursprünglichen) Eigentümers eingetreten ist, sodass eine Restitutionsklage materiell ausgeschlossen ist. Dabei ist für jeden einzelnen Kulturguttransfer die anwendbare Rechtsordnung nach den Grundsätzen der lex rei sitae zu bestimmen: Die Rechtsordnung desjenigen Staates, in dessen Territorium die Veräußerung erfolgte, entscheidet, ob ein Eigentumsübergang erfolgte oder der Erwerber allein den Besitz an dem Kulturgut erlangte, ob der ursprüngliche Eigentümer somit weiterhin dinglich Berechtigter ist und theoretisch die Restitution verlangen könnte. Während die Frage der Rechtswahl weltweit einheitlich nach den Regeln der lex rei sitae erfolgt, wurden in der innerstaatlichen Ausgestaltung der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs weitreichende materiell-rechtliche Unterschiede ersichtlich.
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13. Analysiert man die einzelnen Rechtsordnungen nach der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, vermengen sich die Grenzen zwischen den Common und Civil Law-Rechtskreisen, da auch zahlreiche Rechtsordnungen der Civil Law-Staaten einen grundsätzlichen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter aufgrund deren Qualifizierung als gestohlen und abhandengekommen annehmen, während auch Rechtsordnungen aus dem Common LawRechtskreis einen gutgläubigen Erwerb sogar unrechtmäßig entzogener Kulturgüter billigen, wenn diese bspw. im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebes verkauft werden oder etwa entsprechende Voraussetzungen der früheren britischen sog. market overt-Regel vorliegen. Es wurden drei idealtypische Lösungen hinsichtlich einer bona fide-Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter unterschieden: Zwischen den beiden Extrempositionen (erstens) des grundsätzlichen Ausschlusses eines gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zum absoluten Schutz des ursprünglichen Eigentümers innerhalb des Common Law-Rechtskreises 6 und bspw. der Rechtsordnung Deutschlands 7 und (zweitens) der generellen Approba6
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Für den Common Law-Rechtskreis (sowohl in den Zivilrechtsordnungen der einzelnen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika als auch für die Rechtsordnung Großbritanniens) wurde festgestellt, dass innerhalb kultureller Restitutionsklagen der Einwand des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter des potenziell restitutionspflichtigen Besitzers in aller Regel kein Gehör findet und auch bei mehrgliedrigen Veräußerungsketten der ursprüngliche Eigentümer nach dem Grundsatz nemo dat quod non habet weiterhin seine Rechtsposition behält. Es ist jedoch ergänzend für den Common Law-Rechtskreis anzumerken, dass der Konflikt zwischen dem ursprünglichen Eigentümer und dem gutgläubigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nicht über das Rechtsinstitut des gutgläubigen derivativen Erwerbs, sondern über die Auswirkungen der Verjährungs- bzw. Verwirkungsgrundsätze geregelt wird – dies ist bei der Rechtsvergleichung im internationalen Kulturgüterverkehr stets zu beachten! Innerhalb der deutschen Rechtsordnung ist ein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener und damit zugleich abhandengekommener Kulturgüter i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB im Grundsatz ausgeschlossen, nur ausnahmsweise kann ein redlicher Erwerber an abhandengekommenen Kulturgütern im Fall der öffentlichen Versteigerung nach §§ 935 Abs. 2, 383 Abs. 3 BGB jedoch vom Nichtberechtigten zulasten eines ursprünglichen Rechtsinhabers Eigentum erwerben: Der individuelle Diebstahl (kultureller) Güter ist in § 935 Abs. 1 BGB ausdrücklich als Variante des Abhandenkommens aufgeführt, sodass gestohlene Kulturgüter grundsätzlich nicht gutgläubig zu erwerben sind. Das Gleiche gilt zweifelsohne für die kulturelle Beutenahme. Der illegale Export kultureller Wertgegenstände wird ex lege dem kulturellen Diebstahlstatbestand gleichgestellt und als Abhandenkommen qualifiziert, wenn die einzelnen Gegenstände vor der unrechtmäßigen Ausfuhr innerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungsstaates durch das jeweilige nationale Kulturgüterschutzgesetz und die dort normierten umbrella statutes bzw. rhetorical ownership statutes dinglich dem kulturellen Ursprungsstaat zugeordnet worden waren. Die formal ‚freiwilligen‘ Veräußerungen sog. kulturellen Fluchtguts unter Drohung, Zwang und Gewalt sind ebenso wie die unterschiedlichen Kategorien der unrechtmäßigen Verstaatlichung kultureller Güter als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB zu qualifizieren. Die den Gutglaubensvorschriften des deutschen Zivilrechts zugrunde liegende These, der vom Besitz bzw. seiner Verschaffungsmacht ausgehende Rechtsschein rechtfertige das Vertrauen eines
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tion des gutgläubigen Erwerbs zum absoluten Schutz des gutgläubigen Erwerbers bspw. innerhalb der Rechtsordnung Italiens 8, findet sich (drittens) bspw. innerhalb der Rechtsordnungen Frankreichs und der Schweiz ebenso wie innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsinstrumente der UNESCO-Convention vom 14. November 1970, der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 sowie der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 in der Konstruktion eines sog. Lösungsrechts eine ausgleichende materiell-rechtliche Kompromisslösung zwischen dem Schutzbedürfnis des ursprünglichen Eigentümers und des gutgläubigen Erwerbers.9
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gutgläubigen Erwerbers von Kunstwerken, gilt somit nicht zuungunsten eines Eigentümers einer der Kategorien der unrechtmäßigen Entziehung kultureller Wertgegenstände. Die Untersuchungen haben zur Folge, dass in diesen Konstellationen der Eigentümer kultureller Wertgegenstände ebenso wie sonstiger Mobilien grundsätzlich als schutzwürdiger qualifiziert wird als ein möglicher gutgläubiger Erwerber, sodass ein bona fide-Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter prinzipiell ausgeschlossen ist. Der Bestandsschutz des Eigentums hat somit auch innerhalb des Anwendungsbereichs des BGB grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs. Einzige Ausnahme des rechtsgeschäftlichen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bleibt innerhalb der deutschen Rechtsordnung der gutgläubige Erwerb auf einer sog. ‚öffentlichen Versteigerung‘ unter den Voraussetzungen der §§ 935 Abs. 2 i.V.m 383 BGB: Hier verliert der Eigentümer seine Rechtsposition an einen redlichen Erwerber, sodass er mit einer Restitutionsklage gegenüber dem Besitzer erfolglos ist. Demgegenüber ermöglicht die Sachenrechtsordnung Italiens in Art. 1153, 1154 des Codice civile italiano uneingeschränkt einen gutgläubigen Erwerb auch an gestohlenen oder sonstigen unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern. Solche Rechtssysteme priorisieren allein die Interessen eines möglichst uneingeschränkten Wirtschaftsverkehrs (auch mit kulturellen Gütern) und erlauben dementsprechend auch eine bona fide-Akquisition im rechtsgeschäftlichen Warenverkehr an gestohlenen und anderen unrechtmäßig entzogenen (Kultur-)Gütern. Es wurde nachgewiesen, dass vergleichbare Rechtskonstruktionen beim Schutz kultureller Wertgegenstände desaströse Folgen zeitigen, da eine Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in specie regelmäßig nach einer Veräußerung ausscheidet. Restitutionsfreudig sind hingegen solche Rechtsordnungen ausgestaltet, die ein sog. Lösungsrecht als Ausgleich zwischen den Interessen gutgläubiger Erwerber und Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in ihren nationalen Sachenrechtsordnungen integrierten. Beispiele sind der ‚droit de remboursement‘ innerhalb der französischen Rechtsordnung und das Lösungsrecht der Schweizer Rechtsordnung. Für den Code civil français gilt Folgendes: Wurde ein gestohlenes oder abhandengekommenes Kulturgut auf einer Messe („foire“) oder einem Markt („dans un marché“), bei einer öffentlichen Versteigerung („dans une vente publique“) oder bei einem Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt („d’un marchand vendant des choses pareilles“), (d.h. im Handelsverkehr) erworben, ist zwar kein sofortiger gutgläubiger Erwerb möglich, jedoch wird dem Erwerber während der Verwirkungsfrist von drei Jahren ein Lösungsrecht eingeräumt, in der er die Sache dem Eigentümer nur gegen Erstattung des von ihm geleisteten Kaufpreises herausgeben muss. Das Schweizer Lösungsrecht beim gutgläubigen Erwerb unrechtmäßig entzogener (kultureller) Güter setzt ebenso eine der unterschiedlichen Situationen des privilegierten Erwerbs (kultureller) Güter in einer öffentlichen Versteigerung, „auf dem Markt“ oder „durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt“ voraus: Liegen die Voraussetzungen einer der genannten Situationen vor, besteht nur dann eine Rechtspflicht des gutgläubigen Erwerbers auf Herausgabe der gestohlenen Mobilien gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer, wenn letzterer dem gutgläubigen Erwer-
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14. Da unrechtmäßig entzogene Kunstwerke innerhalb der deutschen Rechtsordnung häufig Verkaufsgegenstand auf ‚öffentlichen Versteigerungen‘ sind und deshalb ausnahmsweise ein gutgläubiger Erwerb unter den Voraussetzungen der §§ 935 Abs. 2 i.V.m. 383 BGB auch vom Nichtberechtigten möglich ist, wird aus Gründen des Kulturgüterschutzes in der Regel gefordert, dass de lege ferenda ein genereller Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter eingeführt wird. Kulturgüter sollen danach aufgrund der besonderen Sachqualität innerhalb des deutschen Rechtskreises aus dem Anwendungsbereich von § 935 Abs. 2 BGB und international von der Möglichkeit einer bona fide-Akquisition generell ausgenommen werden. Dies ist uneingeschränkt zu unterstützen! Für eine Gesetzesänderung und die Einführung spezieller Gutglaubensvorschriften beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als res sui generis sprechen gute Gründe. Nach der Entscheidung des deutschen Gesetzgebers und dem Erlass des Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 18.5. 2007 besteht zur Zeit jedoch keine Hoffnung auf Umsetzung dieser Forderung, da das Anliegen innerhalb der Beratungen vermehrt geäußert, jedoch bewusst nicht in Gesetz gegossen wurde. Andererseits ist dies aber auch nicht so dramatisch: Die deutschen Sachenrechtsregeln und allgemeinen Rechtsgrundsätze – so wird sich zeigen – belassen bereits de lege lata ausreichend Raum zum Schutz des ursprünglichen Eigentümers aufgrund der hohen Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab und der richtigen Beweislastverteilung! 15. Eine kulturgüterspezifische Besonderheit des Ausschlusses eines gutgläubigen Erwerbs wurde in der Extrakommerzialität kultureller Wertgegenstände ersichtlich, die eine Verkehrsunfähigkeit bestimmter (meist in Staatseigentum stehender) Kulturgüter zur Folge hat und dementsprechend zu einem Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs innerhalb des kulturellen Ursprungsstaates führt. Kulturgüter sind aus rechtsvergleichender Sicht immer dann
ber denjenigen Preis zahlt, den dieser selbst für den Erwerb des Gegenstandes zu zahlen hatte. Heute ist die kulturgüterspezifische Konstruktion eines Lösungsrechts zugunsten des restitutionsverpflichteten Besitzers illegal transferierter Kulturgüter für den internationalen Kulturgüterverkehr wohl bekannt und fand in Form der ‚payment of just compensation‘ nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970, mittels der ‚payment of fair and reasonable compensation‘ nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 sowie in Form einer ‚angemessenen Entschädigungszahlung‘ nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 innerhalb des innereuropäischen Kulturgüterverkehrs positiv-rechtliche Fundierung.
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als res extra commercium und damit als verkehrsunfähig zu bezeichnen, wenn (erstens) die Objekte nicht rechtsgeschäftlich erworben werden können (d.h. unveräußerlich sind), (zweitens) wenn kein Eigentumsverlust im Wege der originären Eigentumsersitzung eintritt (d.h. die Kulturgüter unersitzbar sind) und (drittens) Herausgabeansprüche der Eigentümer keiner temporalen Präklusion unterfallen (d.h. die Restitutionsansprüche unverjährbar sind). Dies kann aus rechtskonstruktiver Sicht in zweierlei Ausgestaltungsformen der Fall sein. Einmal wurde erkannt, dass in einigen Rechtsordnungen Kulturgüter als domaniale Objekte angesehen werden (wie bspw. innerhalb der Rechtsordnung Frankreichs als domaine public oder Italiens als demanio pubblico), die ausdrücklich per Gesetz oder per Gewohnheitsrecht zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben außerhalb des Rechtsverkehrs stehen und keiner Eigentumsposition individueller Privatpersonen zugänglich sind. Diese Ausgestaltungsform kann als Extrakommerzialität im engeren Sinne bezeichnet werden. Darüber hinaus kann die Verkehrsunfähigkeit – wie bspw. innerhalb der Rechtsordnung Frankreichs – aber auch per Gesetz innerhalb des nationalen Kulturgüterschutzrechts bestimmt werden. Diese Extrakommerzialität im weiteren Sinne ist dann anzunehmen, wenn ein nationales Kulturgüterschutzgesetz ausdrücklich bestimmt, dass Kulturgüter unveräußerlich und unersitzbar sind und der Restitutionsanspruch des staatlichen Verwaltungsträgers nicht verjährt. 16. Nach den Entscheidungen zum sog. Hamburger Stadtsiegel-Fall steht für die deutsche Rechtsordnung unbestritten fest, dass deutsche Kulturgüter nicht außerhalb des Rechtsverkehrs stehen und deshalb auch nach einem unrechtmäßigen Entziehungsakt veräußerlich sind. Da in Deutschland keine spezialgesetzlichen Regelungen eine Extrakommerzialität kultureller Wertgegenstände im weiteren Sinne anordnen, hatten die insgesamt sieben Gerichte zu prüfen, ob die sog. ‚öffentlichen Kulturgüter‘ im Eigentum der öffentlichen Verwaltungsträger per Gewohnheitsrecht unveräußerlich, unersitzbar und unverjährbar waren. Sowohl nach Ansicht des Bundesgerichtshofs als auch des Bundesverwaltungsgerichts konnte sich jedoch kein diesbezügliches Gewohnheitsrecht feststellen lassen und es wurde bestimmt, dass eine Einschränkung der Eigentumsposition und der Regelungen des gutgläubigen Erwerbs allein per Gesetz möglich ist. Solange der deutsche Gesetzgeber somit nicht explizit bestimmt, dass ‚deutsche‘ Kulturgüter im Staatseigentum nicht gutgläubig rechtsgeschäftlich oder originär erworben werden können und der Herausgabeanspruch des kulturellen Verwaltungsträgers nicht verjährt, ist innerhalb der deutschen Rechtsordnung nicht von der Extrakommerzialität kultureller Güter auszugehen. 17. Die Designation kultureller Güter als res extra commercium dient nur bedingt als ‚Allzweckwaffe‘ im Kampf gegen den illegalen Kunsthandel. Bei der Schutzwirkung kultureller Güter als res extra commercium ist zwischen
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der Konstellation (erstens) einer Veräußerung unter Geltung der Rechtsordnung des kulturellen Ursprungsstaates, der die Extrakommerzialität bestimmte, (zweitens) einer Veräußerung im kulturellen Ursprungsstaat und anschließendem sog schlichten Statutenwechsel und (drittens) einer Veräußerung außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates unter Geltung einer neuen lex rei sitae (sog. Konstellation eines qualifizierten Statutenwechsels) zu unterscheiden. Ein schlichter Statutenwechsel liegt dann vor, wenn der sachenrechtliche Erwerbstatbestand (d.h. die Veräußerung des Kulturguts) nach den Voraussetzungen des alten Statuts (d.h. des kulturellen Ursprungsstaates) vollendet war und nach einer Ausfuhr des Kulturguts aus dem kulturellen Ursprungsstaat keine sachenrechtserhebliche Einwirkung mehr auf das Eigentumsrecht erfolgte. In den beiden erstgenannten Konstellationen (d.h. bei einer Veräußerung eines eigentlich unveräußerlichen Kulturguts an einen gutgläubigen Erwerber innerhalb des kulturellen Ursprungsstaates und einem sog. schlichten Statutenwechsel) kann der kulturelle Ursprungsstaat – wohl unbestritten – innerhalb seines Forums trotz einer Veräußerung des unveräußerlichen Kulturguts und nach einem schlichten Transfer in eine neue Rechtsordnung vor den Gerichten des neuen Forums seine Eigentumsposition gegenüber dem Besitzer geltend machen. Bei einer Veräußerung extrakommerzialer Kulturgüter außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates unter Geltung einer neuen lex rei sitae (sog. Konstellation eines qualifizierten Statutenwechsels) hat die bisherige Gerichtspraxis jedoch gezeigt, dass selbst in denjenigen Staaten, die für ihre eigenen Kulturgüter in etwa der Art und dem vergleichbaren Ausmaß des kulturellen Ursprungsstaates eine Extrakommerzialität anerkennen, keine Unveräußerlichkeit für ausländische Kulturgüter angenommen wurde. Auch unveräußerliche Kulturgüter können demnach bei gutem Glauben und Redlichkeit des Erwerbers außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates im internationalen Kunsthandel gutgläubig rechtsgeschäftlich erworben werden. 18. Neben einer privatrechtlichen Ausgestaltung der Extrakommerzialität bestimmter, der Öffentlichkeit zugänglicher Kulturgüter in Staatseigentum (sog. privatrechtliche Lösung) wird für die deutsche Rechtsordnung de lege ferenda auch ein spezielles öffentlich-rechtliches Resolutionsmodell der Extrakommerzialität ‚öffentlicher Kulturgüter‘ gefordert. Trotz des nur eingeschränkten Schutzumfangs außerhalb spezieller zwischenstaatlicher Rechtsinstrumente intensivieren beide Lösungsmodelle der Extrakommerzialität de lege ferenda den Schutz von Kulturgütern öffentlicher Kulturverwaltungsträger. Mittels des sog. bürgerlich-rechtlichen Lösungsmodells, das dem öffentlichen Kulturverwaltungsträger eine dauerhafte privatrechtliche Rechtsposition an dem ‚öffentlichen Kulturgut‘ zuordnet, können die Vorteile der zivilrechtlichen Resolutionsmethoden nicht nur im nationalen, sondern gerade auch im internationalen illegalen Kulturgüterverkehr fruchtbar ge-
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macht werden. Der große Vorteil der privatrechtlichen Lösung besteht darin, dass sie nach dem Grundsatz der lex rei sitae vor ausländischen Foren so lange zu einer erfolgreichen Durchsetzung des dinglichen Herausgabeanspruchs führen wird, bis eine weitere Transaktion über das illegal transferierte Kulturgut im Ausland vorgenommen wird. Auch wenn dies bei der öffentlich-rechtlichen Lösung wegen des Grundsatzes der Nichtanerkennung ausländischen öffentlichen Rechts nicht der Fall sein wird, zeitigt die sog. öffentlich-rechtliche Lösung vor allem innerhalb des nationalen illegalen Kulturgüterverkehrs positive Rechtswirkungen. Rechtlichen Vorteil stellen hier vor allem die verwaltungsrechtlichen Besonderheiten dar, die aus dem Subordinationsverhältnis individueller Privatpersonen gegenüber dem Staatswesen bei der Durchsetzung des Herausgabeanspruchs im Inland aufgrund der verwaltungsrechtlichen Besonderheiten, insbesondere des Verwaltungszwangsverfahrens, entspringen. Für eine Einführung der Extrakommerzialität kultureller Güter sprechen somit gute Gründe! Nach dem Erlass des Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 18.5.2007 besteht jedoch keine Hoffnung auf eine zeitnahe Umsetzung dieser Forderung. Andererseits ist dies aber auch nicht so gravierend! Die richtig verstandene Anwendung der (deutschen) Sachenrechtsregeln und allgemeinen Rechtsgrundsätze – so wird sich zeigen – belassen bereits de lege lata ausreichend Raum zum Schutz des staatlichen Kulturguts aufgrund der hohen Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab des Erwerbers und der richtigen Beweislastverteilung! Auch an dieser Stelle wird wieder ersichtlich, dass die Gutgläubigkeit des Erwerbers über die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter entscheidet. Der nächste Schritt des vorliegenden Diskurses musste somit die Beantwortung der Fragestellung vornehmen, wann ein Erwerber sich redlich verhält. Bislang blieb der notwendige Sorgfaltsmaßstab gutgläubiger Erwerber systematisch unaufgearbeitet und unbeantwortet. Guter Glaube im internationalen Kunsthandel: Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber 19. Das Zivilrecht hält durch die Implikation spezieller Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb von Kunstwerken auch für den Kulturgüterschutz und die Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ein effektives Instrumentarium bereit, um den divergierenden Interessen Gehör zu verschaffen. Die Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der Gutgläubigkeit im internationalen Kulturgüterverkehr ist zur eigentlichen Schlüsselfrage und zum Regulierungsinstrument des Rechtsinstituts des Kulturguterwerbs vom Nichteigentümer im Generellen geworden. Der Sorgfaltsmaß-
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stab redlicher Erwerber in der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 nimmt eine Vorbildfunktion ein und gibt den für den internationalen Kulturgüterverkehr notwendigen Standard vor, an dem sich nationale Rechtsordnungen messen müssen. Die Konvention unterscheidet bei der Frage nach dem redlichen Verhalten eines Erwerbers zwischen den beiden Konstellationen gestohlener und illegal ausgeführter Kulturgüter: • Art. 4 Abs. 1 verlangt im Falle gestohlener Kulturgüter, dass „the possessor neither knew nor ought reasonably to have known that the object was stolen and can prove that it exercised due diligence when acquiring the object“. Bei der Beurteilung der Gutgläubigkeit des Erwerbers und der Frage, ob der Besitzer mit gebührender Sorgfalt gehandelt hat, wird zur Präzisierung in Art. 4 Abs. 4 ein nicht abschließender Kriterienkatalog der Gutgläubigkeit genannt, wonach alle für den Erwerb erheblichen Umstände berücksichtigt werden müssen, namentlich die Eigenschaften der Parteien und das gezahlte Entgelt sowie die Tatsache, ob der Besitzer in einem vernünftigerweise zugänglichen Verzeichnis gestohlener Kulturgüter nachgeschlagen hat, sowie sonstige diesbezügliche Auskünfte eingeholt und Unterlagen eingesehen hat, die er vernünftigerweise hätte erlangen können, und ob er Organisationen zu Rate gezogen hat, zu denen er Zugang haben konnte, und ob er jeden anderen Schritt unternommen hat, den eine vernünftige Person unter denselben Umständen unternommen hätte. Die Konvention statuiert somit eine Notwendigkeit aktiver Provenienzerforschungsbemühungen. • Dabei ist die Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium bei der Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs wesentlich, sodass von professionell im Kunsthandel tätigen Personen ein gesteigertes Sorgfaltsprogramm verlangt wird. Die UNIDROIT-Convention auferlegt dem Anspruchsteller einer Kompensationszahlung den Nachweis seiner Gutgläubigkeit. • Nicht ganz so weit reicht das Verhaltensprogramm im Falle des Erwerbs illegal exportierter Kulturgüter: Nach Art. 6 Abs. 1 wird als Voraussetzung der Gutgläubigkeit bestimmt, dass „the possessor neither knew nor ought reasonably to have known at the time of acquisition that the object had been illegally exported“. Der Vertragstext deutet darauf hin, dass der Sorgfaltsmaßstab für eine Kompensationszahlung bei gestohlenen Kulturgütern höher zu qualifizieren ist als im Rahmen (nur) illegal ausgeführter Kunstwerke und es ist innerhalb der Rechtsdogmatik umstritten, wie hier die Beweislastverteilung vorzunehmen ist.
20. Besonders rechtsprägend zeigt sich innerhalb der Bestimmung des notwendigen due diligence-Maßstabes auf Seiten gutgläubiger Erwerber die amerikanische Rechtsprechung, die anhand zahlreicher Entscheidungen einen speziellen Katalog von Sorgfaltsanforderungen im internationalen Kunsthandel bestimmte. Provenienzerforschungs- und Verifizierungsbemühungen (auch auf Seiten nichtprofessionell im Kunstmarkt tätiger Privatsammler) sowie der Nachweis der Gutgläubigkeit des Besitzers sind conditio sine qua non in der Begründung der Gutgläubigkeit der Erwerber.10 Damit steht allgemein
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Während zunächst in der Entscheidung Menzel v. List eine positive Erkundigungspflicht (‚inquiry of status of title‘) seitens professionell im Kunsthandel tätiger Personen bestimmt wurde, genügte ‚commercial indifference‘ von Kunsthändlern als Kriterium der Bösgläubigkeit in der Entscheidung Porter v. Wertz. Innerhalb der Konstellation Taborsky v. Maroney wurde bestimmt, dass kein gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mög-
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fest, dass innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung ein Mindestmaß an Provenienzerforschung sowohl von professionell wie auch laienhaft im Kunsthandel tätigen Personen erwartet wird. Spezielles Fachwissen der professionell am internationalen Kunstmarkt Beteiligten ist als subjektives Kriterium in besonderem Maße zu berücksichtigen und es werden gesteigerte Voraussetzungen an Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser gestellt. Dabei nimmt die amerikanische Zivilrechtsordnung schon außerhalb kulturgüterspezifischer Sondererwägungen eine der UNIDROITConvention vom 24. Juni 1995 entsprechende Beweislastverteilung vor und auferlegt einem Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter den Beweis seiner Gutgläubigkeit. Es bleibt festzuhalten: Die Zivilrechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika ist ein restitutionsfreudiges System. Die rechtlichen Anforderungen an die Gutgläubigkeit sind beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter hoch und es bestehen aufgrund der Beweislastverteilung und der Pflicht zum Nachweis der Gutgläubigkeit durch den Erwerber auch aus tatsächlichen Gründen starke Anreize für ursprüngliche Eigentümer, innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten eine Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter anzustreben. 21. Bis dato fehlten in der deutschen Judikatur und Rechtsdogmatik systematische Anhaltspunkte für die Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs und der Gutgläubigkeit beim Erwerb kultureller Güter. So erstaunlich die Ergebnisse der voranstehenden Analyse des Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb des Systems der deutschen Sachenrechtsregeln klingen, – auch die deutsche Rechtsordnung kann mit den Forderungen der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik, dem Vorbild der UNIDROIT-Conven-
lich ist, „when a merchant buyer closes his eyes to the danger signals and elects to consummate the transaction without initiating even a nominal inquiry“. Die bisherige Rechtsprechung hinsichtlich der Provenienzerforschungsobliegenheit von Kunsthändlern wurde in den Entscheidungen Howley v Sotheby’s und Cantor v. Anderson aus dem Jahre 1986 bestätigt. Heute kann durch die gerichtliche Entscheidungspraxis für den amerikanischen Kunstmarkt eine Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs erkannt werden: Die Richter der Sache Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. bestimmten verdächtige Umstände, unzulängliche Nachforschungen und positive Kriterien zum Nachweis der Gutgläubigkeit von professionell im Kunsthandel tätigen Personen. Das Gericht erkannte zunächst verdächtige Umstände des Kulturguterwerbs, qualifizierte die von Goldberg ausgeführten Sorgfaltsanforderungen als unzureichend und bestimmte positiv, welche Kriterien im vorliegenden Fall zur Begründung eines gutgläubigen Erwerbs auch unrechtmäßig entzogener Kulturgüter notwendig gewesen wären. Schließlich ergibt sich mittelbar aus der Rechtssache Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, dass auch seitens privater Kunstsammler Bemühungen zur Bestimmung der rechtmäßigen Eigentumsposition beim Erwerb kultureller Wertgegenstände zum notwendigen Sorgfaltsmaßstab eines gutgläubigen Erwerbers gehören.
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tion und dem in zahlreichen Gerichtsentscheidungen bestätigten strengen Sorgfaltsmaßstab innerhalb der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika Schritt halten, – auch deutsche Gerichte erkennen ebenso wie amerikanische Richter die Notwendigkeit von Verifizierungs- und Provenienzerforschungsbemühungen innerhalb des internationalen Kunsthandels, – auch der notwendige Sorgfaltsmaßstab nach dem BGB lässt ausreichend Raum für die Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium bei der Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabes und – die Beweislastverteilung des deutschen Zivilrechtssystems verträgt schon de lege lata eine Modifikation der im Civil Law-Rechtskreis sonst weit verbreiteten Gutglaubensvermutung und eine Hinwendung zu einer Pflicht zum Nachweis der Gutgläubigkeit durch den Erwerber. 22. Die Erwartungen des Kulturgüterschutzes an die kulturgüterunspezifische Zivilrechtsordnung Deutschlands lassen so ohne die Notwendigkeit einer gesetzlichen Intervention ein effektives Sorgfaltsprogramm auf Seiten des gutgläubigen Erwerbers zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels erkennen! Im Einzelnen gilt Folgendes: Nach der Legaldefinition des § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nur in den beiden Fällen der Kenntnis vom Nichteigentum des Veräußerers und der grob fahrlässigen Unkenntnis von der wahren Rechtslage bösgläubig. Die Kenntnis des Nichteigentums bereitet in der Charakterisierung nur wenige Schwierigkeiten: Weiß der Erwerber, dass der Veräußerer ein Kunstwerk bspw. gestohlen hat, ist ihm dessen Nichteigentum bekannt und ein gutgläubiger Erwerb ausdrücklich des Wortlauts des § 932 Abs. 2 Alt. 1 BGB ausgeschlossen. Als das eigentliche Schlüsselproblem erweist sich jedoch die Frage nach der grob fahrlässigen Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Veräußerers i.S.d. § 932 Abs. 2 Alt. 2 BGB. 23. Eine ‚grob fahrlässige Unkenntnis‘ ist zunächst dann anzunehmen, wenn der Erwerber signifikante Hinweise nicht beachtet hat, die darauf hindeuten, dass der Veräußerer ein zuvor unrechtmäßig entzogenes Kulturgut anbietet. Hierfür müssen dem Erwerber bei der Akquisition Umstände bekannt werden, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprechen, dass der Verkäufer nicht Eigentümer der Kunstwerke war. ‚Grob fahrlässige Unkenntnis‘ liegt aber auch dann vor, wenn der Erwerber gebotene Nachforschungen über die Eigentumsposition und Berechtigung des Veräußerers unterlässt. Gewiss findet nach der gesetzlichen Konzeption die Forderung nach aktiven Provenienzerforschungsbemühungen gutgläubiger Erwerber grundsätzlich keine gesetzliche Legitimation, da nach der Gutglaubensvermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet wird, dass er auch Eigentümer ist. Derjenige, der in diesen Fällen Überprüfungsobliegenheiten formuliert, würde die negative Anforderung des Gesetzes (Abwesenheit von Bösgläubigkeit) durch eine positive (Gutgläubig-
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keit, Redlichkeit) ersetzen. Innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs sind dennoch zwei Fallgruppen ersichtlich, in denen aufgrund der außergewöhnlichen Umstände gutgläubige Erwerber aktive Provenienzerforschungsbemühungen hinsichtlich des Pedigrees eines Kunstwerks und Verifizierungsanstrengungen hinsichtlich der Berechtigtenposition des Veräußerers kultureller Wertgegenstände unternehmen müssen, um gutgläubig zu sein. 24. Spezielle Verifizierungsbemühungen werden zunächst dann verlangt, wenn der durch die Besitzverschaffungsmacht ausgelöste Rechtsschein durch andere Elemente erheblich beeinträchtigt wird. Besteht eine konkrete Verdachtssituation der unrechtmäßigen Entziehung, sollte grundsätzlich eine Nachforschungsobliegenheit des gutgläubigen Erwerbers angenommen werden. Richtigerweise sollte beim gutgläubigen Erwerb kultureller Wertgegenstände darüber hinausgehend auch von einer generellen Provenienzerforschungsobliegenheit auf Seiten der Erwerber ausgegangen werden. Entgegen der gesetzlichen Grundkonzeption des § 1006 BGB findet eine ausnahmslose Einschränkung der Verkehrsfähigkeit kultureller Wertgegenstände durch generelle Nachforschungsobliegenheiten gutgläubiger Erwerber zugunsten des Kulturgüterschutzes und der Lauterkeit des deutschen Kunsthandelsplatzes Rechtfertigung. Der internationale Kulturgüterverkehr stellt aufgrund der besonderen Sachqualität der Handelsgegenstände einen Handelszweig dar, der keine gewöhnlichen Umsatzgeschäfte zum Inhalt hat und aufgrund der kulturellen Unikatfunktion der Kaufobjekte sich nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich vom Handel mit Gebrauchtwaren und sonstigen Konsumgütern unterscheidet. Es ist dem im Kunsthandel beteiligten Personenkreis auch durchaus zumutbar, die inzwischen hoch sensibilisierten und präzisierten Informationspools illegal transferierter Kulturgüter zu kontaktieren, die ohne großen finanziellen, personalen und zeitlichen Aufwand eine weitreichende Dokumentation des unrechtmäßigen Kulturgüterverkehrs nahezu weltweit übernommen haben. Ebenso wie beim Erwerb gestohlener PKW werden im Kunsthandel regelmäßig Verdachtsmomente beiseite geschoben und selbstverständliche Vorsichtsmaßnahmen unterlassen. Wer Augen und Ohren verschließt, um sich ein günstiges Angebot nicht entgehen zu lassen, der mag sein Gewissen mit der Vorstellung beruhigen: „Wenn ich nicht kaufe, kaufen die anderen.“ Doch selbst wenn dieser niedrige Standard im Kunsthandel üblich sein sollte, gibt diese Einstellung nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt entsprechend dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab der groben Fahrlässigkeit wieder.11 Zur Bekämpfung des kul-
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Vgl. Schack, Haimo, Gutgläubiger Erwerb gestohlener Kunstgegenstände, in: Nakamura, Hideo u.a., Festschrift für Kostas E. Beys – Dem Rechtsdenker in attischer Dialektik, Zweiter Band, 2003, S. 1425–1446, S. 1444.
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turellen Schwarzmarktes ist es unumgänglich, ein Mindestmaß an Aufklärungsbemühungen seitens der Erwerber von Kunstwerken zu verlangen. Kunstgegenstände sind aufgrund des großen Wertes mindestens ebenso gefahranfällig, als Hehlerware auf dem Schwarzmarkt vertrieben zu werden, wie gestohlene Personenkraftwagen. 25. Da starre Provenienzerforschungsobliegenheiten den privaten Kunsthandel sehr hemmen, scheint es vor dem Hintergrund der Vorgaben der deutschen Rechtsordnung sinnvoll, eine Subjektivierung der due diligence-Anforderungen vorzunehmen. Einerseits bewirkt dies eine Milderung des Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb kultureller Güter durch Personen, die, ohne zur Profession des Kunstgewerbes zu gehören, als Privatsammler erwerben. Andererseits wird aber auch eine Steigerung des Sorgfaltsmaßstabs für solche Personengruppen betont, die im Rahmen ihrer Profession ein berufsspezifisches Sonderwissen und vertiefte Provenienzerforschungsmöglichkeiten tatsächlich besitzen bzw. zumindest beherrschen sollten. Zusätzlich determiniert sich der notwendige Sorgfaltsmaßstab durch die Charakterisierung kultureller Wertgegenstände als kulturell unbedeutend und materiell nicht sonderlich wertvoll bzw. kulturell bedeutsam sowie materiell wertvoll. Wenn vor der Akquisition kultureller Wertgegenstände keine speziellen Nachforschungsbemühungen des Käufers hinsichtlich der Eigentums- und Berechtigtenposition des Veräußerers unternommen werden, muss nach dem deutschen Sorgfaltsmaßstab auf den Erwerb des Kulturguts verzichtet werden. Verzichtet ein Käufer gleichfalls nicht und hofft, dass alles gut geht, ist grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der Nichtberechtigung und der fehlenden Eigentumsposition des Veräußerers innerhalb der deutschen Rechtsordnung anzunehmen. Im Einklang mit dem internationalen Trend verlangt somit auch die deutsche Rechtsordnung Provenienzerforschungsanstrengungen und Verifizierungsbemühungen gutgläubiger Erwerber. Durch die Implikation eines variablen Sorgfaltsmaßstabs erfolgt auch innerhalb des BGB eine Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium. 26. Auch die deutsche Ausgestaltung der Beweislastverteilung bleibt nicht hinter dem internationalen Trend im Kulturgüterschutz zurück: Nach § 932 Abs. 1 S. 1 BGB hat im Grundsatz der Eigentümer, der den Rechtserwerb angreift und bestreitet, die Unredlichkeit des Erwerbers zu beweisen. Damit befindet sich die deutsche Rechtsordnung im Einklang mit zahlreichen weiteren europäischen Zivilrechtsregeln, da sich vergleichbare Gutglaubensvermutungen zugunsten des Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bspw. in Art. 2268 des französischen Code civile, in Art. 3 des schweizerischen ZGB, in Art. 2002 des niederländischen B.W., in Art. 1147 des italienischen Codice civile sowie in Art. 434 des spanischen Código civil wiederfinden. Anders verhält sich aber bspw. die Rechtsordnung der Vereinigten
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Staaten von Amerika und auch innerhalb der genannten europäischen Rechtsordnungen wird der konkret anzuwendende Sorgfaltsmaßstab zunehmend strenger. Zahlreiche Kommentatoren beginnen auch hier unter Verweis auf die Umkehrung der Beweislast innerhalb der UNIDROIT Konvention aus dem Jahre 1995 zu zweifeln, ob eine Gutglaubensvermutung noch immer eine faire und gerechte Beweislastverteilung innerhalb des (inter-) nationalen Kulturgüterverkehrs darstellt.12 Ein weiterer Ansatz für eine rechtsebenenübergreifende Lossagung von der bislang einheitlich vertretenen Gutglaubensvermutung eines Erwerbers kultureller Wertgegenstände kann für den internationalen Kunstmarkt auch innerhalb des Strafrechts und dessen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter beobachtet werden. So vermutet bspw. ein französisches Strafgericht die Bösgläubigkeit eines Erwerbers kultureller Wertgegenstände: Wenn schon das Strafrecht mit gravierenden pönalen Sanktionen wie Freiheits- und Geldstrafe eine Provenienzerforschung und den Nachweis der Gutgläubigkeit eines Erwerbers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter dem angeklagten Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter auferlegt, darf das Zivilrecht nicht zurückbleiben, droht doch ‚nur‘ der Verlust des Objektes, grundsätzlich ohne finanziellen Schaden, da sich ein Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei seinem Veräußerer aufgrund Rechtsmängelhaftung schadlos halten kann. 27. Zur Überraschung vieler wurde jedoch erkannt, dass auch die inzwischen mehr als einhundertjährigen kulturgüterunspezifischen Beweislastregeln des BGB bei richtig verstandener Anwendung keinen Millimeter hinter dem internationalen Trend zurückbleiben und auch in Fragen der richtigen Beweislastverteilung ausreichend Spielraum für die Umsetzung notwendiger Kulturgüterschutzerwägungen lassen. Das Beweislastsystem des BGB erlaubt, dem gutgläubigen Erwerber und potenziell restitutionspflichtigen Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter die Beweislast für seine Gutgläubigkeit und Redlichkeit aufzuerlegen. Die Festschreibung einer generellen Nachforschungsobliegenheit gutgläubiger Erwerber im internationalen Kunsthandel zeitigt nämlich auch für die Beweislast zwingende rechtliche Folgen: Behauptet der ursprüngliche Eigentümer und Anspruchsteller der Restitutionsforderung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, dass der restitutionspflichtige Besitzer beim Erwerb grob fahrlässig handelte, weil er keine hinreichende Provenienzerforschung vorgenommen hat, hat der Eigentümer
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Vgl. Lalive, La Convention d’UNIDROIT sur les biens culturels volés ou illicitement exportés (du 24 juin 1995), SZIER, 7. Jahrgang (1997), S. 13–56, S. 30 und S. 38; Renold, Stolen Art: The Ubiquitous Question of Good Faith, in: The International Bureau of the Permanent Court of Arbitration, Resolution of Cultural Property Disputes – Papers emanating from the seventh PCA International Law Seminar May 23, 2003, S. 260–263.
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und Anspruchsteller nur die tatsächlichen Umstände zu beweisen, aus denen sich die Verantwortung und Notwendigkeit des Erwerbers zu Nachforschungen ergibt. Da innerhalb der deutschen Rechtsordnung gutgläubige Erwerber im internationalen Kunsthandel generell Mindesterkundigungen über die Provenienz eines Kulturguts und die Berechtigtenposition des Veräußerers einholen müssen, hat innerhalb eines gutgläubigen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bei Geltung der deutschen Zivilrechtsordnung ein Erwerber zu beweisen, dass er bei der Akquisition angemessene Maßnahmen zur Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts getroffen und Mindesterkundigungen über die Berechtigtenposition des Veräußerers eingeholt hat. Kann er diesen Beweis nicht führen, so scheitert der Eigentumserwerb ohne Rücksicht darauf, ob eventuelle Erkundigungen zur Aufklärung der wahren Rechtslage geführt hätten. 28. Aufgrund der tatsächlichen Dimensionen des illegalen Kunsthandels erscheint die hier vertretene Auslegung der Beweisgrundsätze auch aus kulturpolitischen Gründen dringend geboten: Durch die Beweispflicht des Erwerbers, dass bei der Akquisition angemessene Maßnahmen zur Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts getroffen und Mindesterkundigungen über die Berechtigtenposition des Veräußerers eingeholt wurden, wird positiv auf die Erwerbsmentalität im Kunsthandel eingegriffen. Darüber hinaus kann der Erwerber in der Regel auch wesentlich leichter seine Gutgläubigkeit beweisen, als dem ursprünglichen Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter der Nachweis der Bösgläubigkeit des Erwerbers gelingt. Die deutsche Beweislastverteilung scheint damit ebenso wie der konkret notwendige Sorgfaltsmaßstab durch die Implikation einer Provenienzerforschungsobliegenheit im internationalen Kunsthandel ausgewogen und liegt mithin vollständig im internationalen, rechtsnormen- und -ebenenübergreifenden Trend der richtigen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. 29. Das theoretische Konzept des guten Glaubens nach den deutschen Rechtsregeln hält einem Vergleich mit den internationalen Standards des Kulturgüterschutzes stand und erweist sich als modernes Konstrukt im internationalen Kunsthandel! Die kulturgüterunspezifischen Rechtsregeln des inzwischen mehr als einhundertjährigen BGB verlangen als konkreten Sorgfaltsmaßstab grundsätzlich eine angemessene Provenienzerforschung. Die Berücksichtigung speziellen Fachwissens als subjektives Kriterium fordert einen variablen Maßstab in der Beurteilung der konkret notwendigen Verifizierungsbemühungen bei der Bestimmung der Provenienz eines Kulturguts und der Berechtigung des Veräußerers. Schließlich bedingt die Notwendigkeit genereller Provenienzerforschung, dass ein gutgläubiger Erwerber seine Redlichkeit vor Gericht zu beweisen hat. Nachdem die abstrakte Systematik der Gutglaubensregeln des BGB für einen effektiven Kulturgüterschutz als tauglich erkannt wurde, musste den Fragen und Bedürfnissen der Praxis Rech-
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8. Teil: Synopsis: Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht
nung getragen werden: Die Checkliste zur Bestimmung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit eines Erwerbers gestohlener Kulturgüter mit objektiven Verdachtsmomenten hinsichtlich des kulturellen Veräußerungsgeschäfts und subjektiven Verdachtsmomenten hinsichtlich des Veräußerers beinhaltet generelle Fragen, die sich jeder Erwerber kultureller Wertgegenstände stellen sollte, um illegale Objekte von legalen innerhalb des internationalen Kunstmarktes zu unterscheiden. Spezielle Checklisten zum Schutz eines Erwerbers vor der Akquisition (erstens) illegal exportierter Kulturgüter und (zweitens) von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst gehen darüber hinaus und beinhalten weitergehendere Indizien zur Bestimmung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit von Museen, Kunsthändlern, Galeristen, Auktionshäusern und individuellen Privatsammlern. 30. Bei der Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter wurde insbesondere festgestellt, dass sich die internationale Rechtsgemeinschaft zur Zeit in einer Entwicklungsphase neuer Anforderungen für die am internationalen Kunsthandel Beteiligten zum Schutz vor dem Erwerb illegal exportierter Kulturgüter befindet. Sowohl die rechtlich unverbindlichen Richtlinien des britischen Department for Culture, Media and Sport (DCMS) aus dem Jahre 2005 als auch der völlig neu überarbeitete Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 bestimmen die zeitliche Grenze des Jahres 1970 und den Erlass der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 als Schlüsseljahr für eine ethische Annäherung an das Problem des illegalen Kunsthandels und als den Zeitpunkt gesteigerter Sorgfaltsanforderungen. Seitdem erfolgte international eine Sensibilisierung der Weltgemeinschaft für den Schutz des nationalen Kulturerbes innerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungsstaates und es wird verlangt, dass die am Kunsthandel Beteiligten darüber Bescheid wissen, dass spezielle Sorgfaltsanforderungen notwendig sind, um nicht unrechtmäßig exportierte Kulturgüter zu erwerben. Es scheint, dass sich diese Tendenz am Verfestigen ist und für die Zukunft Aussicht auf eine gesetzliche Umsetzung dieser zur Zeit noch rechtlich unverbindlichen Richtlinien besteht.13 13
Ein Erwerb kultureller Güter eines ausländischen kulturellen Ursprungs ist danach nur noch dann rechtmäßig, wenn nachweislich feststeht, dass der Gegenstand bereits vor dem Jahr 1970 innerhalb des zur Entscheidung berufenen Forums belegen war und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass zuvor eine illegale Ausfuhr aus dem kulturellen Ursprungsstaat erfolgt war. Eine zweite Möglichkeit des richtlinienkonformen Erwerbs liegt dann vor, wenn das Kulturgut nachweislich schon vor der Zeitgrenze des Jahres 1970 aus dem kulturellen Ursprungsstaat ausgeführt worden war (aber nicht in das Territorium des Forumstaates) und der Beweis dafür erbracht werden kann, dass der nachfolgende Export in das Territorium des Forumstaates im Einklang mit den Rechtsvorschriften des Exportstaates erfolgte. Schließlich dürfen kulturelle Güter nur noch dann ruhigen Gewissens erworben werden, wenn sich das Kulturgut nach der zeitlichen Grenze des Jahres 1970 noch innerhalb des Territoriums des kulturellen Ursprungs-
8. Teil: Synopsis: Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht
31. Bei der Bestimmung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst wurde insbesondere festgestellt, dass für die Annahme der Bösgläubigkeit und für einen Ausschluss eines gutgläubigen Erwerbs ein Erwerber wissen muss oder grob fahrlässig nicht weiß, (erstens) um die Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers vor der unrechtmäßigen Entziehung, (zweitens) um den tatsächlichen Entziehungsakt und (drittens) der Erwerber darüber Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis besitzen muss, dass der Entziehungsakt keinen Eigentumsverlust des ursprünglichen Eigentümers zur Folge hatte. Dabei wurde jedoch erkannt, dass sich das Wissen um die Entzugstatbestände während des inzwischen fast 75-jährigen Zeitablaufs mehrmals verändert hat. Das hat unmittelbar zur Folge, dass heute jeder einzelne Kulturguttransfer mit Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst und entarteter Kunst nach dem konkreten Wissens- und Erkenntnisstand der jeweiligen Zeit und des jeweiligen Erwerbers bei Vornahme des Rechtsgeschäfts zu untersuchen ist. Dabei sind bei einer zivilrechtlichen Restitutionsklage zur Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft und des Zweiten Weltkrieges unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sämtliche Erwerbsakte einer mehrgliedrigen Veräußerungskette nach dem genauen Zeitpunkt des Kulturguttransfers und nach dem jeweils gültigen Kenntnisstand hinsichtlich der Gutgläubigkeit des Erwerbers zu untersuchen. • Leicht feststellbar war, dass zwischen einerseits der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit und andererseits seit Beginn der Provenienzrecherchen im internationalen Kunsthandel mit Beginn der 1990er Jahre (in der sog. Zwischenzeit) weltweit kein Bewusstsein für die im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft widerrechtlich entzogenen Kulturgüter bestand, sodass weder professionell am Kunsthandel beteiligte Erwerber noch Privatsammler um den Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- oder entarteten Kunstcharakter hätten wissen müssen. • Ganz im Gegensatz hierzu konnte ebenso sicher geklärt werden, dass von einer allgemeinen Sensibilisierung des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs auszugehen ist, sodass
staates befand, jedoch feststeht, dass der Gegenstand den Voraussetzungen des Kulturgüterschutzgesetzes des kulturellen Ursprungsstaates entsprechend ausgeführt worden war. Diese Voraussetzungen haben zur Folge, dass sich Museen, Kunsthändler, Galeristen und Privatsammler vollständig der Rechtslage innerhalb potenzieller kultureller Ursprungsstaaten bewusst sein müssen, sowohl vor der zeitlichen Grenze des Jahres 1970, als auch danach. Es wird somit (zumindest für die professionell Tätigen) nach dieser Rechtskonstruktion seitens der im Kunsthandel Beteiligten erwartet, dass diese selbst die Prüfung vornehmen, dass ein Kulturgut nicht unrechtmäßig aus dem Territorium ausgeführt wurde. Kann der Veräußerer keine hinreichenden Provenienzangaben bezüglich des zu erwerbenden Kulturguts treffen, dann haben das potenziell erwerbsfreudige Museum, der Kunsthändler, die Galerie, unter Umständen auch ein einzelner Privatsammler, selbstständig die notwendigen Recherchen vorzunehmen, bevor eine Akquisition in Frage kommt. Bestehen am Ende dieser Untersuchungen Zweifel über den ethischen Status des zu erwerbenden Kulturguts, sollte Abstand von einem Erwerb genommen werden.
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8. Teil: Synopsis: Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht zeitgenössische professionell wie laienhaft im Kunsthandel tätige Erwerber grundsätzlich eine besondere Prüfung hinsichtlich eines möglichen Beutekunst-, kulturellen Fluchtgut-, Raubkunst- oder entarteten Kunstcharakters der Erwerbsgegenstände und generell diesbezügliche Provenienzbestimmungen vornehmen müssen. • Als wesentlich schwieriger hat sich jedoch die Frage nach der Bösgläubigkeit kultureller Erwerber in der Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit herausgestellt. Für den Bereich der Beutekunst steht mit großer Sicherheit fest, dass mit Erlass und der breiten Veröffentlichung der sog. Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 eine zeitliche Zäsur erfolgte und ab diesem Zeitpunkt ein gesteigerter Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb an den Tag gelegt werden musste, um nicht beide Augen vor der sich aufdrängenden Sachlage zu verschließen. Innerhalb der Kategorie des kulturellen Fluchtguts wird wohl über das Ziel hinausgeschossen, ohne besondere Umstände den Erwerbern auf einer der zahlreichen Judenauktionen während der Zeit des Nationalsozialismus Kenntnis bzw. Kennenmüssen von der zivilrechtlichen Nichtigkeit der formal und äußerlich ‚freiwillig‘ erfolgten Veräußerung aufgrund Sittenwidrigkeit zu unterstellen. Besonders kontrovers zeigte sich auch die Beurteilung der Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst. Hier befindet man sich sicherlich an einer Glaubensfrage: Wohl überzeugender ist die Lösung, wonach bei Kenntnis des Erwerbers um die ursprüngliche Eigentumsposition und die judenfeindlichen Gesetze zur Verstaatlichung der Kulturgüter nicht beide Augen unter dem Deckmantel staatlichen Handelns hätten verschlossen bleiben dürfen, sodass – Ausnahmen sind hier immer begründbar – grundsätzlich von der Notwendigkeit spezifischer Nachforschungsanforderungen und von Bösgläubigkeit auszugehen ist. Es kommt aber immer auf den Einzelfall an und es verbieten sich standardisierte Lösungen in diesem Bereich.
32. Schließlich wurde am Ende des 2. Teils dem Bedürfnis der Praxis der am (inter-)nationalen Kunsthandel beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen und Auktionshäuser ebenso wie Privatsammler Rechnung getragen und ein Überblick über die möglichen Dokumentationsquellen innerhalb der Provenienzrecherche eines Erwerbers kultureller Wertgegenstände verschafft. Während noch vor einigen Jahren geeignete Provenienzerforschungsbemühungen allein von spezialisierten Kunsthistorikern durchgeführt werden konnten, stehen heute zahlreiche Informationspools auch den nicht professionell in der Kunst beschäftigten Laien zur Verfügung, die ohne großen finanziellen, sachlichen oder zeitlichen Aufwand eine Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Eigentümer- oder Berechtigtenposition von Veräußerern kultureller Güter ermöglichen. Ebenso wie sich Mediziner über die neuesten Forschungsergebnisse und Juristen über die aktuelle Rechtsprechung und neueste Gesetzesänderungen von Berufs wegen in Kenntnis setzen müssen, ist auch von Museen, Auktionshäusern, Galeristen und Kunst- wie Antiquitätenhändlern sowie von solchen Personen, die als Erwerber im Kunsthandel mehr oder weniger professionell auftreten, zu erwarten, sich auf diesem Wege zu einer Mindestinformation über den eigenen Geschäftsbereich veranlasst zu sehen. Neben den umfassenden Online-Datenbanken unrechtmäßig entzogener und illegal transferierter Kulturgüter stehen bereits traditionell die Informationsvermittlung in Fachbeiträgen und traditionellen Veröffentlichungen in Spezialzeit-
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schriften, die Werkverzeichnisse der Künstler (catalogues raisonnés), die Verzeichnisse von Interpol und den entsprechenden staatlichen Polizeibehörden sowie die Recherchemöglichkeiten in Bundes-, Landes- und Kommunal- sowie musealen und sonstigen Archivbeständen zur Provenienzerforschung zur Verfügung. 33. In diesem Zusammenhang wurde die Forderung nach Einführung eines sog. ‚Kunstobjekt-Briefs‘ ähnlich dem Kraftfahrzeugschein im KFZ-Handel unterstützt, der die ursprüngliche Herkunft eines Kulturguts, dessen Pedigree und damit alle weiteren Erwerbsvorgänge authentisch bezeugt. Gutgläubigkeit eines Erwerbers wäre dementsprechend nur noch dann anzunehmen, wenn der Veräußerer als Eigentümer oder zur Veräußerung Berechtigter innerhalb des ‚Kunstobjekt-Briefs‘ eingetragen wäre. Würde der Erwerber eine Einsichtnahme in diese Dokumentation unterlassen, würde er seiner Provenienzerforschungsobliegenheit nicht gerecht werden, wäre als grob fahrlässig im Sinne des Gutglaubensschutzes zu erachten, eine Qualifizierung als gutgläubig müsste ausscheiden und der Eigentümer würde seine Rechtsposition an dem Kulturgut nicht im Wege des derivativen oder originären gutgläubigen Erwerbs verlieren. Eigentumsersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 34. Neben der rechtsgeschäftlichen bona fide-Akquisition unrechtmäßig entzogener Kulturgüter, die zu einem Rechtserwerb auf Seiten des gutgläubigen Erwerbers und dem Eigentumsverlust des ursprünglichen Rechteinhabers führt, schränken aus rechtsvergleichender Sicht vornehmlich temporale Präklusionsvorschriften die zivilrechtlichen Restitutionsmöglichkeiten abhandengekommener Kulturgüter ein. Hat der Eigentümer seine Rechtsposition an einem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut weder durch den rechtswidrigen Entziehungsakt noch mittels eines rechtsgeschäftlichen gutgläubigen Erwerbs verloren, könnte das Eigentum jedoch im Wege der Ersitzung auf den aktuellen Besitzer oder einen Rechtsvorgänger übergegangen sein oder die kulturellen Restitutionsansprüche nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne aufgrund Verjährung und Verwirkung ausgeschlossen sein. Die Eigentumsersitzung wirkt damit ebenso wie die Verjährung und Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche auf die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ein! 35. Eine Unterscheidung der Institute wurde zunächst nach den unterschiedlichen Rechtsfolgen vorgenommen: Während die Ersitzung durch den Ablauf einer gewissen Zeitspanne einen neuen Erwerbstitel begründet, schließen die Verjährung und die Verwirkung die Geltendmachung einer grundsätzlich bestehenden Rechtsposition des Eigentümers aufgrund langen Zeitablaufs aus, sodass ein grundsätzlich bestehendes Recht hinfällig bzw. undurchsetz-
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bar wird. Darüber hinaus wurde eine Unterscheidung nach den einzelnen Voraussetzungen der Ersitzung, Verjährung und Verwirkung vorgenommen: Gemeinsam ist allen der Ablauf einer gewissen Zeitspanne zwischen dem unrechtmäßigen Entziehungsakt kultureller Wertgegenstände und der Geltendmachung des Eigentumsherausgabeanspruchs. Bei der Ersitzung müssen für den Rechtserwerb jedoch zusätzlich noch weitere Umstandsmomente auf Seiten des Erwerbers vorliegen, um den Eigentumserwerb auf Seiten des Ersitzenden zu rechtfertigen. Demgegenüber müssen bei der Verwirkung noch zusätzliche Umstandsmomente auf Seiten des Eigentümers vorliegen, um eine Präklusion des Eigentumsherausgabeanspruchs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und damit eine Einschränkung der Eigentumsrechte rechtfertigen zu können. Die Interessen des restitutionsberechtigten Eigentümers zielen auf eine möglichst lange und uneingeschränkte Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und widerstreben damit temporalen und auf den Grundsätzen von Treu und Glauben basierenden Präklusionsvorschriften im internationalen Kulturgüterverkehr. Anders liegen die Erwartungen gutgläubiger Besitzer und (potenzieller) Restitutionsschuldner: Der Ablauf einer bestimmten Zeitspanne macht eine Rechtsverfolgung derart mühsam, dass die Aufrechterhaltung der materiell-rechtlichen Anspruchslage unfair gegenüber dem Beklagten wird. Ersitzung, Verjährung und Verwirkung dienen deshalb in erster Linie dem Schutz des aktuellen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen. Darüber hinaus spricht auch die Perspektive der Allgemeinheit für die Anwendung temporaler Präklusionsvorschriften im internationalen Kulturgüterverkehr. Rechtsfriede und Rechtssicherheit schaffen klare Verhältnisse und bewahren den Kunstmarkt vor einer Verdunkelung der Rechtslage. 36. Die Möglichkeit der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter stellt innerhalb der deutschen Rechtsordnung das entscheidende Mittel des Eigentumserwerbs nach gescheiterter rechtsgeschäftlicher Übereignung dar. Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, erwirbt das Eigentum, wenn er beim Eigentumserwerb im guten Glauben war (keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der fehlenden Eigentümerstellung des Veräußerers) und auch während der zehnjährigen Besitzzeit keine positive Kenntnis erhalten hat, dass ihm das Eigentum nicht zusteht. Voraussetzung ist somit, dass der Eigentümer glaubt, er habe von dem Verkäufer wirksam das Eigentum erworben und besitzt das Kulturgut als sein ‚eigenes‘, d.h. mit Eigentümer- und Eigenbesitzerwillen. Da innerhalb der deutschen Rechtsordnung aufgrund der Qualifizierung des unrechtmäßigen Entziehungsaktes als Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB ein gutgläubiger Erwerb grundsätzlich ausgeschlossen und nur ausnahmsweise im Wege einer öffentlichen Ver-
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steigerung i.S.d. § 935 Abs. 2 i.V.m. § 383 Abs. 3 BGB möglich ist, beseitigt das Rechtsinstitut der Ersitzung in erster Linie die aufgrund eines Mangels im Erwerb der Sache bewirkte Diskrepanz zwischen Besitz- und Eigentumslage und ergänzt damit die Rechtssicherheit zugunsten der Umlauffähigkeit der Objekte im internationalen Kulturgüterverkehr. 37. Die Studie verglich die deutsche Ausgestaltung der Ersitzung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter mit alternativen Regelungsvarianten und stellte zunächst fest, dass die zehnjährige Ersitzungsfrist aus rechtsvergleichender Sicht für einen gutgläubigen Erwerb von unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern relativ kurz ist. Diese Erkenntnis wurde im Jahre 2003 auch seitens der Schweizer Rechtsordnung nachgezeichnet: Seit Erlass des Art. 32 Ziff. 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003, in Kraft seit 1. Juni 2005, gelten für Kulturgüter spezielle Regeln: Für solche Objekte (im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003), die aus religiösen oder weltlichen Gründen für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft als bedeutungsvolle Gegenstände zu qualifizieren sind und einer der Kategorien nach Art. 1 der UNESCO-Konvention aus dem Jahre 1970 angehören, beträgt nach Art. 728 Abs. 1 ter ZGB unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen die Ersitzungsfrist entgegen der allgemeinen Regelung nicht fünf, sondern 30 Jahre. In Abweichung von den allgemeinen Regelungen für bewegliche Gegenstände im Generellen erfolgte somit innerhalb der Schweizer Zivilrechtsordnung zum Schutz der besonderen Klasse kultureller Wertgegenstände eine Erhöhung der Ersitzungsfrist auf 30 Jahre. 38. Dementsprechend wurde auch vor dem deutschen Gesetzgeber aufgrund der Unikatfunktion kultureller Güter und der diesbezüglichen res sui generisStellung der Forderung nach einer Prolongation der Ersitzungszeit unrechtmäßig entzogener Kulturgüter für den deutschen Rechtsraum Gehör verschafft. Nach Erlass des Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 18.5.2007 besteht jedoch keine berechtigte Hoffnung auf Umsetzung dieser Forderung, da das Anliegen innerhalb der Beratungen vermehrt geäußert, jedoch nicht in Gesetz gegossen wurde. Zugleich wurde dadurch auch die Chance, die ‚öffentlichen Kulturgüter‘ der deutschen Museen und kulturellen Institutionen in staatlicher Trägerschaft einem besonderen Schutz zu unterstellen und nach den Beispielen Frankreichs und Italiens aufgrund der Extrakommerzialität als unersitzbar zu qualifizieren, vertan! Auch nach Erlass des Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 18.5.2007 schlägt die deutsche Zivilrechtsordnung (leider) weiterhin ein „aus einem [deutschen] Museum gestohlene[s] Meisterwerk mit dem in der Eisenbahn vergessenen Regenschirm über ein und denselben Leis-
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ten“14. Andererseits ist dies – ebenso wie die vergebliche Forderung nach Abschaffung des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – aber auch nicht so folgenschwer: Die deutschen Sachenrechtsregeln und allgemeinen Rechtsgrundsätze lassen bereits de lege lata ausreichend Raum zum Schutz des ursprünglichen Eigentümers aufgrund der hohen Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab! Ebenso wie innerhalb des rechtsgeschäftlichen Erwerbs kultureller Wertgegenstände besteht auch innerhalb des originären Eigentumserwerbs aufgrund der Provenienzerforschungsobliegenheit gegenüber kulturellen Wertgegenständen und der Notwendigkeit von Verifizierungsanstrengungen hinsichtlich der eigenen Eigentümerstellung entgegen der grundsätzlichen Regel des § 937 Abs. 2 BGB keine Vermutung der Gutgläubigkeit und der Eigenbesitzer muss seine Gutgläubigkeit hinsichtlich der eigenen Rechtsposition vor Gericht nachweisen können. Die Ausführungen innerhalb des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs gelten für die originäre Akquisition mutatis mutandis. Bei Anwendung eines strengen Sorgfaltsmaßstabs und einer Nachweispflicht einer hinreichenden Provenienzbestimmung des Kulturguts und einer Verifizierungsbemühung der eigenen Eigentümerstellung des Eigenbesitzers werden die Auswirkungen einer kurzen Ersitzungsfrist deshalb meist kuriert. Hierzu bedarf es keiner Gesetzesänderung und der zur Entscheidung berufene Richter kann bei richtig verstandener Anwendung der geltenden Gesetzeslage eine faire Entscheidung treffen. Verjährung kultureller Restitutionsansprüche 39. Über die Ersitzung hinaus hatte der nachfolgende Diskurs festzustellen, ob im Spannungsverhältnis von Kunsthandel und Kulturgüterschutz an dem kulturgüterunspezifischen Interessenausgleich durch das Rechtsinstitut der Verjährung innerhalb der Rechtsordnung Deutschlands festzuhalten ist. Es wurde erkannt, dass die Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB dem Restitutionsschuldner nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne das Recht gewährt, die Herausgabe unrechtmäßig entzogener Kulturgüter zu verweigern. Da kulturelle Restitutionsansprüche regelmäßig als Eigentumsherausgabeansprüche nach § 985 BGB zu qualifizieren sind, tritt seit Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 die Verjährung nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB in 30 Jahren ein. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 200 BGB mit Anspruchsentstehung, d.h. in dem Moment, in dem der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut erlangt und diesem kein Recht zum Besitz zusteht. 14
Mußgnug, Europäischer und nationaler Kulturgüter-Schutz, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes: Beiträge zur Reform des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 1955 und seiner Angleichung an den europäischen Kulturgüterschutz, 1998, S. 11 ff., S. 26.
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40. Damit bleibt das deutsche Verjährungsrecht weit hinter dem Schutz der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im internationalen Rechtsvergleich zurück! Zum einen erfolgt innerhalb der nationalen Zivilrechtsordnungen bspw. der Staaten Österreich, Italien und der Schweiz15 keine Verjährung zivilrechtlicher Herausgabeansprüche beweglicher Gegenstände im Interesse der ursprünglichen Eigentümer und Restitutionsgläubiger. Ein kulturgüterspezifischer Ausschluss der allgemeinen Verjährungsvorschriften erfolgt auch in kulturellen Ursprungsstaaten (wie bspw. Frankreich, Italien und anderen südamerikanischen Staaten), die zur Bewahrung ihres Kulturerbes die Extrakommerzialität kultureller Güter bestimmen. Eine andere Variante sucht einen Ausgleich zwischen einerseits den Bestandswahrungsinteressen der potenziell restitutionsverpflichteten Besitzer und andererseits den Rückführungsinteressen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter seitens der Eigentümer. Dies wird bspw. innerhalb der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 und der EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 erreicht, die zwischen dem Lauf einer kurzen sog. relativen Verjährungsfrist in Abhängigkeit von der subjektiven Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände seitens des Restitutionsgläubigers und einer langen sog. absoluten Höchstverjährungsfrist unabhängig von subjektiven Merkmalen unterscheiden. Einen vergleichbaren Kompromiss stellt auch die Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche gegenüber dem Dieb und bösgläubigen Erwerber unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Rechtsordnung Großbritanniens dar. 41. Für eine absolute temporale Präklusion kultureller Restitutionsansprüche nach Ablauf von 30 Jahren bestehen auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung keine rechtfertigenden Gründe. Neben der Tatsache, dass die systematisch widersprüchliche Konstruktion eines dominum sine re geschaffen wird, sprechen vornehmlich funktionelle Erwägungen gegen eine Verjährung von Restitutionsansprüchen: Da unrechtmäßig entzogene Kulturgüter de lege lata über Jahrzehnte hinweg versteckt und nach Ablauf der Verjährungsfrist rechtmäßig verkauft oder ausgestellt werden können, schützt die Verjährung des Vindikationsanspruchs allein bösgläubige Restitutionsschuldner, denen das deutsche Zivilrecht keinen rechtsgeschäftlichen oder mittels des Rechtsinstituts der Ersitzung applizierten originären Gutglaubensschutz angedeihen lassen möchte. Entsprechend entschied auch Justice Moses per obiter dictum in der Rechtssache City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A. des Londoner High Court zum deutschen Verjährungsrecht, dass ein englisches Gericht die deutsche 30-jährige Verjährungsfrist nicht anwenden werde, wenn dies dazu führe, dass sie einem Dieb oder einem bösgläubigen
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Hier bestehen jedoch kulturgüterspezifische Sonderverjährungsvorschriften.
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Besitzer, der seinen Besitz von ihm ableitet, zugute komme.16 Steht die Bösgläubigkeit des kulturellen Besitzers fest, wäre es rechtspolitisch und -moralisch untragbar, dem wahren (bspw. jüdischen) Eigentümer die Geltendmachung seines Herausgabeanspruchs unter Berufung auf seine fortbestehende Eigentumsposition an dem unrechtmäßig entzogenen Kulturgut (bspw. an Beutekunst, kulturellem Fluchtgut und Raubkunst) allein aufgrund Zeitablaufs zu verwehren. Die zeitliche Befristung kultureller Restitutionsansprüche verkehrt hier ihr eigentliches Regelungsanliegen – den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit – in ihr Gegenteil, sodass zumindest gegenüber bösgläubigen Besitzern keine temporale Präklusion kultureller Vindikationsansprüche anzunehmen ist. Hier bedarf es der dringenden Modifikation durch den Gesetzgeber! Bis dahin sollten deutsche Richter eine Berufung auf die Einrede der Verjährung seitens des bösgläubigen Restitutionsschuldners trotz der hiergegen geäußerten Bedenken wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB unterbinden. Ausländischen Gerichten steht eine Instrumentalisierung des Rechtsinstituts des ordre public offen. 42. Schritt für Schritt hat sich so ein ausgewogenes und systematisch widerspruchsfreies Bild eines effektiven Kulturgüterschutzes innerhalb der kulturgüterunspezifischen Rechtsvorschriften des Zivilrechts abgezeichnet. Es fragt sich jedoch, ob mit den bisherigen Erkenntnissen der Spagat zwischen Kulturgüterschutz und Kunsthandel einer angemessenen Lösung zugeführt wurde und die Spannung der widerstreitenden Interessen eine Entschärfung fand. Eine richtig verstandene Applikation der Gutglaubensvorschriften des BGB und der Ausschluss der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche bieten innerhalb der deutschen Rechtsordnung bislang jedoch nur fast eine faire Risikoverteilung der Gefahren des illegalen Kunstmarktes. Sicher ist zum einen, dass der nachweislich bösgläubige Besitzer generell der Rückführungspflicht unrechtmäßig entzogener Kulturgüter unterliegen muss, ohne dass eine Präklusion des Restitutionsanspruchs Rechtfertigung finden könnte. Zum anderen steht für die deutsche Rechtsordnung fest, dass ein gutgläubiger Erwerber entweder nach einem redlichen rechtsgeschäftlichen Erwerb im Wege der öffentlichen Versteigerung nach §§ 935 Abs. 2, 383 Abs. 3 BGB oder spätestens nach Ablauf der zehnjährigen Ersitzungsfrist des § 937 BGB keiner Restitutionsforderung mehr unterfällt, wenn er den für die Gutgläubigkeit notwendigen Sorgfaltsmaßstab wahrte und eine ange16
Der bestohlene Eigentümer habe Vorrang auch vor dem gutgläubigen Besitzer, gleich wie viel Zeit vergangen ist, wenn Zweifel an den Zwischenverfügungen bestehen. City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A., High Court of Justice – Queen’s Bench Division, Case No. 1993 C 3428; Case No. 1997 G 185, Entscheidung vom 9. September 1998, in der deutschen Übersetzung aus dem Englischen von Weiland und Carl, wiedergegeben in: German Law Archive, Quelle: www.iuscomp.org.
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messene Provenienzerforschung zur Bestimmung des Pedigrees des Kulturguts sowie eine Verifizierung der Berechtigtenposition des Veräußerers nachweisen kann. 43. Besteht jedoch eine non liquet-Situation, ist die Gutgläubigkeit des Erwerbers und Besitzers unklar und kann nicht durch Beweis oder Gegenbeweis erhellt werden, war der restitutionsverpflichtete Besitzer bislang spätestens nach Ablauf der Verjährungsfrist von 30 Jahren vor Restitutionsansprüchen gefeit und brauchte keine Sorge mehr dafür zu tragen, seine Gutgläubigkeit vor Gericht nachweisen zu müssen. Erst nach Eintritt der Verjährung konnte der schutzwürdige gutgläubige Erwerber oder Eigenbesitzer sicher sein, dass ihm niemand mehr seine Rechte streitig macht. Nach Derogation der deutschen Verjährungsvorschriften bei kulturellen Restitutionsansprüchen de lege ferenda bestünde ohne andere sachliche Begrenzung des Restitutionsrechts eines Eigentümers von lange Zeit zuvor unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern sogar die zeitlich unbegrenzte Pflicht des Besitzers, für seine Redlichkeit beim Erwerb kultureller Wertgegenstände Beweis erbringen zu müssen. Da der Erwerber kultureller Wertgegenstände aufgrund der Vermutung der Bösgläubigkeit zusätzlich auch den Nachweis seiner Gutgläubigkeit vor Gericht zu erbringen hat, verstärkt sich die Gefahr einer Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen. Aus den genannten Erwägungen ergibt sich, dass das Zivilrecht für eine gerechte und faire Verteilung der Risiken des illegalen Kunstmarktes und für eine Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Kulturgüterschutz und Kunsthandel auch für die Situation Vorsorge tragen muss, dass ein Erwerber seine Gutgläubigkeit nicht mehr nachweisen kann: Urkunden gehen verloren, Erinnerungen verblassen und Zeugen werden unerreichbar. Es geht somit um den Schutz eines Putativschuldners, der bislang über die Verjährung gesichert wurde. Da nach deren Abschaffung de lege ferenda der Restitutionsschuldner seine Gutgläubigkeit aufgrund der Provenienzerforschungsobliegenheit und der Notwendigkeit von Verifizierungsbemühungen hinsichtlich der Berechtigtenposition des Veräußerers auch noch nach mehr als 30 Jahren nachweisen muss, ist das Risiko, einem wahren gutgläubigen Erwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bösen Glauben entgegenzuhalten, nicht von der Hand zu weisen. Allein aus Gründen des Schutzes eines Putativschuldners dürfen kulturelle Restitutionsansprüche gegenüber bösgläubigen Besitzern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter jedoch nicht absolut ausgeschlossen sein. Bei unverjährbaren Restitutionsforderungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter stellt somit der Schutz eines Putativschuldners das letzte fehlende Fragment einer fairen und gerechten Verteilung der Risiken des illegalen Kunsthandels im Allgemeinen und der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Besonderen dar.
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Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche 44. Bei dem Schutz des Putativschuldners geht es im Kern um die Frage, welcher von zwei prinzipiell unschuldigen Parteien das Kulturgut nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne sachlich zugeordnet werden soll – dem ursprünglichen Eigentümer und Opfer des unrechtmäßigen Entziehungsaktes einerseits oder dem vermeintlich bzw. unnachweisbar gutgläubigen Besitzer andererseits. Für die Ausnahmesituation fehlender Beweismöglichkeiten der Gutgläubigkeit eines Erwerbers bzw. Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter bietet jedoch nicht das Rechtsinstitut der Verjährung, sondern die richtig verstandene Anwendung der Grundsätze der Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche eine angemessene Abwägungsentscheidung, in der nicht nur die Redlichkeit des potenziell restitutionspflichtigen Erwerbers und Besitzers in die Entscheidungsfindung eingestellt wird, sondern auch die Mindestverhaltensanforderungen an Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter Beachtung finden, wenn dieser ungebührlich lange mit seiner Restitutionsforderung zuwartete. Die aktuelle Tendenz – bspw. innerhalb des amerikanischen Rechtsraums als mit Abstand stärkstem Kunsthandelsplatz der Welt – entwickelt sich immer deutlicher in Richtung einer judikativen Abwägungsentscheidung als „multi-factor balancing of all the equities“, in die sowohl das Verhalten der gutgläubigen Erwerber und Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter als auch der restitutionsberechtigten Eigentümer eingestellt werden muss, um eine faire Entscheidung zwischen kulturellem Eigentümer und Putativschuldner zu erreichen. Das Zusammenspiel von Verjährung, Verwirkung und speziellen Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor amerikanischen Gerichten kann der deutschen Rechtsordnung dabei als Vorbild dienen. 45. Da innerhalb des amerikanischen Rechtskreises aufgrund des nemo datGrundsatzes auch nach mehrgliedrigen Veräußerungsketten kein gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Erwerb an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern erfolgen kann, weil der Nichtberechtigte keine bessere Rechtsposition übertragen kann, als er selbst innehat, gleichzeitig aber auch keine originäre Eigentumsersitzung im klassischen Verständnis der europäischen Rechtsordnungen innerhalb des Common Law-Rechtskreises bekannt ist, könnte der ursprüngliche Eigentümer ohne sachliche Begrenzung die Rückführung ‚seiner‘ Kulturgüter von jedem gutgläubigen Besitzer und Erwerber verlangen. Aber auch innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung hat nicht generell die Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter ohne Einschränkung zu erfolgen. Die amerikanische Zivilrechtsordnung wahrt die notwendige Balance zwischen dem Interesse potenziell restitutionspflichtiger Besitzer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und dem Bedürfnis nach Rückführung abhandengekommener Kunstwerke an die rechtmäßigen Eigentümer mittels der allgemeinen Verjährungsvorschriften (sog. statutes of limitations)
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und der Verwirkungsgrundsätze (sog. laches). Dementsprechend kann der Eigentümer nur solange die Rückführung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter gegenüber dem aktuellen Besitzer verlangen, bis der Restitutionsanspruch – je nach Rechtsprechung der höchsten Gerichte der einzelnen Bundesstaaten – entweder verjährt ist oder die Geltendmachung einen Verstoß gegen die allgemeinen Prinzipien von Treu und Glauben (sog. estoppel) darstellt und dementsprechend verwirkt ist. Die Dauer der Verjährungsfristen variiert zwischen zwei und zehn Jahren, es wird jedoch keine Bestimmung des Beginns der Verjährungsperiode festgelegt. Dementsprechend ist zwischen den höchsten Zivilgerichten der einzelnen amerikanischen Bundesstaaten umstritten, zu welchem Zeitpunkt der Lauf der Verjährung beginnen soll. Praktische Relevanz erlangen dabei vornehmlich zwei Theorien: 17 Die meisten Bundesstaaten wenden die sog. constructive discovery rule an. Danach beginnt der Lauf der Verjährung, sobald der ursprüngliche Eigentümer die Lokalisierung seiner unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und die Identifizierung des aktuellen Besitzers bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erreichen müssen. Der Lauf der Verjährung ist somit von speziellen Sorgfaltsanforderungen auf Seiten des Eigentümers abhängig: In 17
Neben der constructive discovery rule und der demand and refusal rule stehen noch folgende Theorien zur Diskussion: Nach der sog. traditional actual rule beginnt der Zeitraum, innerhalb dessen ein Anspruch auf Restitution unrechtmäßig entzogener Kulturgüter von dem ursprünglichen Eigentümer platziert werden muss, in dem Moment zu laufen, in dem der Restitutionsanspruch entstanden ist. Da kulturelle Restitutionsansprüche nach der amerikanischen Rechtsordnung als deliktsrechtliche Klagen ausgestaltet sind, entstehen die Rückführungsansprüche regelmäßig zu dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Entziehung des Kulturguts aus dem Bestand des Eigentümers. Auch wenn die sog. doctrine of fraudulent concealment den Lauf der Verjährungsfrist unterbricht, wenn der bewegliche Gegenstand durch den Besitzer vor dem Eigentümer arglistig verschwiegen wird, werden kulturelle Restitutionsansprüche bei Anwendung dieser Doktrin jedoch bereits regelmäßig präkludiert sein, wenn der Eigentümer Kenntnis von dem Aufenthaltsort und dem Besitzer des Kulturguts erlangt. Anders die adverse possession-Theorie, die nach Ablauf der Verjährungsfrist einen Eigentumserwerb auch an unrechtmäßig entzogenen Kulturgütern bestimmt. Danach wird über die Grundsätze der erlöschenden Verjährung hinaus nicht nur die Geltendmachung des Anspruchs ausgeschlossen, sondern zusätzlich der originäre Eigentumserwerb des aktuellen Besitzers bestimmt. Voraussetzung eines Eigentumserwerbs mittels der adverse possession als ersitzungsähnliches Rechtsinstitut ist, dass der Besitz über einen bestimmten Zeitraum „hostile, actual, visible, exclusive, and continuous“ ist. Da auch hier in zahlreichen Konstellationen bereits eine Verjährung eingetreten sein wird, bevor der Eigentümer das unrechtmäßig entzogene Kulturgut zu lokalisieren vermag, wird die Doktrin in der Regel nicht angewandt. Einen weiterreichenderen Schutz des Restitutionsgläubigers und Eigentümers gewährt die sog. actual discovery rule. Danach beginnt die Verjährung, sobald der ursprüngliche Eigentümer die Lokalisierung des unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und die Identifizierung des aktuellen Besitzers positiv festgestellt hat – d.h. der Lauf der Verjährungsfrist eines unrechtmäßig entzogenen Kulturguts beginnt erst zu dem Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisgewinnung von den anspruchsbegründenden Umständen (der unrechtmäßigen Entziehung und dem Aufenthaltsort des Kulturguts, sowie des aktuellen Besitzers als Restitutionsschuldner).
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dem Moment, in dem der Eigentümer ‚seine‘ Kulturgüter bei Anwendung eines angemessenen Sorgfaltsmaßstabs hätte lokalisieren und den aktuellen Besitzer identifizieren können, beginnt der Lauf der Verjährungsfrist, unabhängig von dessen tatsächlicher Kenntnis. Einen weiterreichenderen Schutz des Restitutionsgläubigers und Eigentümers gewährt jedoch die Rechtsordnung des Bundesstaates New York – als weltweit bedeutendster Handelsplatz für Kulturgüter: Die sog. demand and refusal rule fokussiert auf die Verweigerung der Rückführungsforderung des Eigentümers durch den Besitzer. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt danach in dem Moment, in dem der Restitutionskläger und Eigentümer das unrechtmäßig entzogene Kulturgut von dem Besitzer und Anspruchsgegner einer kulturellen Restitutionsklage herausverlangt (demand) und letztgenannter die Forderung der Rückführung zurückgewiesen hat (refusal). Diese Regelung ist für den Restitutionsgläubiger besonders günstig. Die spezielle Ausgewogenheit der Entscheidung und die Wahrung der Interessen gutgläubiger Erwerber werden hier jedoch dadurch gesucht, dass die zur Restitution verpflichtete Partei ein zu zögerliches Verhalten bei den Lokalisierungsbemühungen auf Seiten des klagenden Eigentümers mittels des allgemeinen Verwirkungseinwandes bemängeln kann, wenn eine Rechtsbeeinträchtigung bzw. ein Schaden bei der beklagten Partei aufgrund der schuldhaften Verzögerung der Geltendmachung des Restitutionsanspruchs auf Klägerseite zu konstatieren ist. Unangemessene Lokalisierungsbemühungen unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und nachlässige Identifizierungsanstrengungen der Besitzer werden dementsprechend als Verwirkungseinwand (sog. defense of laches als Ausprägung des allgemeinen estoppel-Grundsatzes) berücksichtigt. 46. Die Lösungsansätze der amerikanischen Rechtsordnung geben Hinweise und Anregungen für die deutsche Rechtsordnung und die Auflösung des Interessenwiderstreits zwischen Putativschuldner und Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter. Da beide Parteien an der Dilemmasituation grundsätzlich unschuldig und in gleichem Maße schutzwürdig sind, haben die Untersuchungen der amerikanischen Rechtsordnung gezeigt, dass auch innerhalb der zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in Deutschland das Rechtsinstitut der Verwirkung einen Schutz des Putativschuldners bei unverjährbaren Restitutionsforderungen erreichen kann. Auch innerhalb des deutschen Rechtskreises sind spezielle Sorgfaltsbemühungen auf Seiten des ursprünglichen Eigentümers zu fordern. Hat dieser seine speziellen Sorgfaltsanforderungen zur Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter sowie Identifizierung deren Besitzer nicht angemessen gewahrt und stellt sich die infolgedessen verspätete Geltendmachung des Restitutionsanspruchs des Eigentümers als mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Illoyalität des Eigentümers gegenüber dem grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzer dar, hat der Eigentümer seinen Restitutions-
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anspruch verwirkt. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung verlangt ein Verwirkungseinwand damit erstens eine längere Zeit der Untätigkeit des Eigentümers, obwohl er sein Recht hätte geltend machen können, und zweitens muss die Geltendmachung der Rechtsposition für den Schuldner auf Grund des gesamten Gläubigerverhaltens unzumutbar sein. 47. Freilich hat der Eigentümer ohne konkreten Verdacht im Grundsatz keine bestimmten Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich des Verbleibs ‚seiner‘ Kulturgüter einzuhalten, um nicht der Rechte aus der Eigentumsposition verlustig zu gehen. Jeder Eigentümer kann grundsätzlich zuwarten, bis die Sache wieder aufgefunden wird, und dann die Herausgabe verlangen. Überprüfungsobliegenheiten des Eigentümers höhlen eigentlich die Befugnisse des Eigentumsrechts als umfassendes Herrschaftsrecht an einer Sache und die negative Wirkung des § 903 BGB, die Einwirkung Fremder auf die Sache auszuschließen, aus. Es ist jedoch anerkannt, dass die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB eine Beschränkung der Eigentümerbefugnisse erlauben. Entsprechend der Begründung spezieller Provenienzerforschungsanforderungen auf Seiten gutgläubiger Erwerber lässt sich auch für den kulturellen Eigentümer nach einem unrechtmäßigen Entziehungsakt die Formulierung spezieller Sorgfaltsobliegenheiten ausnahmsweise zugunsten des Kulturgüterschutzes und der Lauterkeit des deutschen Kunsthandelsplatzes aus Billigkeitsgründen rechtfertigen. Der (inter-)nationale Kulturgüterverkehr zählt bekanntlich sowohl in den allgemeinen zivilrechtlichen Kommentierungen als auch in der kulturgüterspezifischen Rechtsdogmatik als besonders gefahranfälliger Geschäftsbereich. Auch ist es dem kulturellen Eigentümer zumutbar, die inzwischen hoch sensibilisierten und präzisierten Informationspools illegal transferierter Kulturgüter zu kontaktieren und eine einfache, schnelle, praktikable und (verhältnismäßig) kostengünstige Registrierung und Verlustmeldung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vorzunehmen. Die besondere Effektivität solcher Datenbanken wird erst bei der Statuierung wechselseitiger Sorgfaltsanforderungen sowohl auf Seiten der gutgläubigen Erwerber hinsichtlich der Provenienzerforschung und andererseits auf Seiten der Eigentümer in der möglichst umfassenden Publikation kultureller Verluste erreicht. Über bisher Gesagtes spricht für die Annahme spezieller Sorgfaltsanforderungen auch die praktische Erwägung, dass Kulturgüter aufgrund ihrer Unikatfunktion einen hohen Wiedererkennungswert besitzen und dementsprechend (manchmal erst nach einem Ablauf einer sehr langen Zeitspanne) leichter auffindbar als andere bewegliche Gegenstände sind. 48. Einerseits bestehen gegenüber nachweisbar bösgläubigen Besitzern unrechtmäßig entzogener Kulturgüter unabhängig von dem konkreten Zeitablauf und den applizierten Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer Restitutionsansprüche. Andererseits erfahren gutgläubige Erwerber und Eigenbesitzer
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nach den §§ 932 ff. und 937 BGB bei Nachweis ihrer Provenienzerforschungsund Verifizierungsobliegenheiten grundsätzlich Schutz vor Restitutionsansprüchen der Eigentümer nach spätestens zehn Jahren. Deshalb ist eine wirkliche Abwägungsentscheidung praktisch nur noch dann vorzunehmen, wenn aufgrund des dem Eigentümer und Anspruchsteller vorwerfbaren langen Zeitablaufs ein Putativschuldner die Voraussetzungen für einen gutgläubigen derivativen oder originären Eigentumserwerb nicht mehr nachweisen und dementsprechend sich gegenüber einer Restitutionsforderung nicht mehr wirksam verteidigen kann. Dann ist die verspätete Geltendmachung des Restitutionsanspruchs mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, illoyal und für den Restitutionsschuldner unzumutbar. Gerät der kulturelle Restitutionsschuldner aufgrund eines vorwerfbar langen Zeitablaufs des Eigentümers in Beweisnöte, sollte der Schutz des Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter überwiegen. Letztlich geht es dabei um die Abwägung der divergierenden Interessen zweier im Grundsatz (scheinbar) unschuldiger Parteien – des gutgläubigen Besitzers einerseits und des aufgrund des unrechtmäßigen Entziehungsaktes belasteten Eigentümers kultureller Wertgegenstände andererseits. Die konkreten Umstände zusammen mit der abgelaufenen Zeit müssen für eine Höherbewertung der Interessen des grundsätzlich restitutionsverpflichteten Besitzers sprechen, um die Folge der Verwirkung eines grundsätzlich bestehenden Restitutionsanspruchs des Eigentümers zu rechtfertigen. 49. Das Rechtsinstitut der Verwirkung erreicht somit auch in Deutschland einen angemessenen Schutz des Putativschuldners bei unverjährbaren Restitutionsforderungen und die zivilrechtliche Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter verwirklicht insgesamt eine faire Risikoverteilung der Gefahren des illegalen Kunsthandels. Dabei sollte die Beweislast angemessener und verhältnismäßiger Sorgfaltsanstrengungen des Eigentümers in Lokalisierung ‚seiner‘ unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter und in Identifizierung der aktuellen Besitzer auf Seiten des Restitutionsgläubigers und Eigentümers liegen, da nur dieser ausreichende tatsächliche Möglichkeiten zu diesem Nachweis besitzt – nur er kann sein Verhalten hinreichend vor Gericht plausibel machen. Der potenziell restitutionspflichtige Besitzer hat somit vor Gericht allein darzulegen, dass der Eigentümer Lokalisierungs- und Identifizierungsanstrengungen aufgrund der Entziehung eines Kulturguts vorzunehmen hat, während der Letztgenannte dann seine Sorgfaltsbemühungen nachzuweisen hat. Damit ist ein System erreicht, das sich an den tatsächlichen Möglichkeiten orientiert und einen fairen Ausgleich zur Nachweispflicht der Redlichkeit des gutgläubigen Erwerbers schafft – auch hier ein ausgewogenes System ohne Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Intervention!
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Synopsis 50. Eine richtig verstandene Anwendung der Vorschriften über den gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerb und die originäre Eigentumsersitzung zusammen mit der Verjährung und Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche bieten über die Implikation spezieller Verhaltensanforderungen an die im Kunsthandel beteiligten Personenkreise auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung eine faire Risikoverteilung der Gefahren des illegalen Kunstmarktes. Die Beispiele New York und London zeigen, dass die wechselseitige Implikation strenger Sorgfaltsanforderungen seitens der im internationalen Kunsthandel Beteiligten auch keine Auswirkungen auf die Funktionalität des Kunsthandelsplatzes Deutschland zeitigt. Die häufig seitens des Kunsthandels vorgezeichnete Apokalypse eines Zusammenbruchs des deutschen Kunstmarktes bei Implikation strenger Sorgfaltsanforderungen bei der Bestimmung des guten Glaubens und der Notwendigkeit von Provenienzerforschungsanstrengungen, bei Vermutung der Bösgläubigkeit eines Erwerbers kultureller Wertgegenstände und bei Unverjährbarkeit kultureller Restitutionsansprüche ist fehl am Platze. Es muss erkannt werden, dass die Funktion und Wirtschaftlichkeit eines legalen Kunstmarktes in weit geringerem Maße von den Vorschriften des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen und originären Eigentumserwerbs sowie den Regeln der Verjährung und Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche als von steuer- und zollrechtlichen Fragestellungen abhängen. Die weltweit wichtigsten Kunsthandelsplätze New York und London werden von Rechtsordnungen regiert, die keinen gutgläubigen rechtsgeschäftlichen oder originären Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter anerkennen, den Nachweis der Gutgläubigkeit seitens des restitutionspflichtigen Besitzers verlangen und deren Restitutionsansprüche gegenüber bösgläubigen Erwerbern nicht verjähren. Die amerikanischen Zivilrechtsordnungen verlangen explizit auch spezifische Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer in Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und in Verifizierung der aktuellen Besitzer (entweder innerhalb der Frage des Verjährungsbeginns oder des Problems der Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche), ohne dass der Kunstmarkt in sich zusammengebrochen ist. Während die praktischen Auswirkungen der in der Studie beschriebenen zivilrechtlichen Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter somit für den legalen Kunsthandel nicht überschätzt werden dürfen, zeitigen die vorstehend aufgeführten 50 Thesen jedoch gravierende Rechtsfolgen gegenüber dem illegalen Kunstmarkt und einer effektiven Bekämpfung des kulturellen Schwarzmarktes. Die allgemeinen, kulturgüterunspezifischen Zivilrechtsinstitute des BGB dienen somit nach Abschaffung der absoluten Präklusion kultureller Restitutionsansprüche nach 30 Jahren de lege ferenda zugleich auch einer Eindämmung des kulturellen Schwarzmarktes in nicht unerheblichem Ausmaße. Das Spannungs-
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verhältnis zwischen Kulturgüterschutz und freiem Kulturgüterverkehr hat somit auch innerhalb der deutschen Rechtsordnung durch die Implikation wechselseitiger Sorgfaltsanforderungen und Verhaltensstandards der im Kunstmarkt beteiligten Museen, Kunsthändler, Galeristen, Auktionshäuser und Privatsammler eine faire und gerechte Auflösung gefunden, ohne dass die Notwendigkeit umfassender gesetzgeberischer Intervention besteht, die innerhalb Deutschlands auf absehbare Zeit ohnehin keine Aussicht auf Umsetzung erfahren würde. Nach Derogation der 30-jährigen Verjährung kultureller Restitutionsansprüche meistert das BGB den Spagat zwischen den Bedürfnissen eines effektiven Kulturgüterschutzes und den Interessen des internationalen Kunsthandels aufs Beste!
Verzeichnis der Schemata Schema 1 – Sachenrechtliche Zuordnungsregeln unrechtmäßig entzogener und abhandengekommener Kunstwerke im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr Schema 2 – Divergierende materiell-zivilrechtliche Zuordnungsregeln unrechtmäßig entzogener Kunstwerke im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr bei rechtsvergleichender Analyse Schema 3 – Zivilrechtliches Prüfungsschema in Fällen des Kunstraubs (nach dem deutschen BGB) Schema 4 – Ursachen der Extrakommerzialität kultureller Güter Schema 5 – Formen öffentlichen Eigentums kultureller Güter innerhalb der französischen Rechtsordnung Schema 6 – Formen öffentlichen Eigentums kultureller Güter innerhalb der italienischen Rechtsordnung Schema 7 – Begriff der ‚öffentlichen Kulturgüter‘ innerhalb der deutschen Rechtsordnung Schema 8 – Rechtsrelevante Fragestellungen innerhalb der Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen gutgläubiger Erwerber im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr Schema 9 – Sorgfaltsmaßstab innerhalb der deutschen Rechtsordnung Schema 10 – Voraussetzungen der Bösgläubigkeit des Erwerbers der im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig entzogenen Kulturgüter Schema 11 – Divergierende subjektive Anforderungen und temporale Kriterien in der Bestimmung der Gut- oder Bösgläubigkeit beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder entarteter Kunst Schema 12 – Dokumentationsquellen innerhalb der Provenienzrecherche gutgläubiger Erwerber Schema 13 – Unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen der Verjährung kultureller Restitutionsansprüche Schema 14 – Divergierende Theorien zum Beginn des Verjährungslaufs innerhalb der amerikanischen Bundesstaaten Schema 15 – Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel Schema 16 – Erwerbskontrolle des Schweizer Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003
Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 1 – Albrecht Dürer (1471–1528) – ‚Hans Tucher‘ (1499), Öl auf Panel, 28 × 24 cm, Schlossmuseum Weimar, Quelle: www.zeno.org Abbildung 2 – Albrecht Dürer (1471–1528) – ‚Felicitas Tucher, née Rieter‘ (1499), Öl auf Panel, 28 × 24 cm, Schlossmuseum Weimar, Quelle: Quelle: www.zeno.org Abbildung 3 – August Macke (1887–1914) – ‚Waldrand‘ (1910) Abbildung 4 – Georges Seurat (1859–1891) – ‚Un Dimanche à la Grande Jatte‘ (1884–1886) Abbildung 5 – ‚IV. Hamburger Stadtsiegel‘ – Quelle: Eckardt, Stationen eines Stempels – Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel, 1995, Titelblatt Abbildung 6 – Marc Chagall (1887–1985) – ‚L’Échelle de Jacob‘, © VG BildKunst, Bonn 2009 Abbildung 7 – Erzengel des Panagía Kanakariá-Mosaiks (links) / Jesuskind des Panagía Kanakariá-Mosaiks (rechts) – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus, Quelle: Hofstadter, Goldbergs Engel – Die Geschichte eines Kunstraubs, Insel Verlag, 1998 Abbildung 8 – Matthäus des Panagía Kanakariá-Mosaiks (links) / Jakobus des Panagía Kanakariá-Mosaiks (rechts) – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus, Quelle: Hofstadter, Goldbergs Engel – Die Geschichte eines Kunstraubs, Insel Verlag, 1998 Abbildung 9 – Marc Chagall (1887–1985) – ‚Le Marchand de Bestiaux‘ © VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 10 – Frans Hals (1581/85–1666) – ‚Portrait du Pasteur Adrianus Tegularius‘, 28,5 × 23,5 cm Abbildung 11 – Gustav Klimt (1862–1918) – ‚Die Erfüllung‘, Quelle: www.zeno.org Abbildung 12 – Peter Paul Rubens (1577–1640) – ‚Tarquinius und Lukretia‘ (1610), © Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Abbildung 13 – Euphronios Krater, Terracotta; H. 18 in. (45,7 cm), Diam. 21 11/16 in. (55,1 cm), Foto: Jaime Ardiles-Arce, Quelle: www.wikipedia.de Abbildung 14 – Wassily Kandinsky (1866–1944) – ‚Zwei schwarze Flecke‘ (1923), © VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 15 – Edgar Degas (1834–1917) – ‚Madame Camus am Klavier‘ (1869), Öl auf Leinwand, 139 × 94 cm, früher Sammlung von Alphonse Kann, heute Stiftung Sammlung E.G. Bührle (Zürich), Quelle: www.buehrle.ch Abbildung 16 – Edgar Degas (1834–1917) – ‚Tänzerinnen im Foyer‘ (um 1889), Öl auf Leinwand, 41,5 × 92 cm, Lemoisne, III, 996, früher Sammlung von Alphonse Kann, heute Stiftung Sammlung E.G. Bührle (Zürich), Quelle: www.buehrle.ch Abbildung 17 – Max Liebermann (1847–1935) – ‚Kornfeld am Wannseegarten nach Westen‘ (1917)
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Verzeichnis der Abbildungen
Abbildung 18 – Edgar Degas (1834–1917) – ‚Landscape with Smokestacks‘ (1890) Abbildung 19 – Giuseppe Zocchi (Kupferstecher) – ‚Florentinisches Mosaik mit Allegorie des Tast- und Geruchssinns‘ (1751) Abbildung 20 – Kommode aus dem Bernsteinzimmer Abbildung 21 – ‚Archimedes Palimpsest‘, Quelle: http://www.archimedespalimpsest.org Abbildung 22 – Francis Newton Souza (1924–2002) – ‚Head of a Portuguese Navigator‘ (1961), © VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 23 – Francis Newton Souza (1924–2002) – ‚Chalice with Host‘ (1953), © VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 24 – Paul Klee (1879–1940) – ‚Sumpflegende‘ (1919, 163), Ölfarbe und Feder auf Karton, 47 × 40,8 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, Gabriele Münter und Johannes Eichner-Stiftung und Städtische Galerie, © VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 25 – Joachim Anthonisz Wtewael (1566–1638) – ‚Holy Family with Saints and Angels‘ (1603) Abbildung 26 – Conrad Felixmüller (1897–1977) – ‚Selbstbildnis‘ (1934), Öl auf Leinwand, 22 × 15 cm; © VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 27 – Georgia O’Keeffe (1887–1986) – ‚Seaweed‘ (1923), © Georgia O’Keeffe Museum/VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 28 – Georgia O’Keeffe (1887–1986) – ‚Ranchos Church‘, © Georgia O’Keeffe Museum/VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 29 – Georgia O’Keeffe (1887–1986) – ‚My Backyard‘, © Georgia O’Keeffe Museum/VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 30 – Alphonse Mucha (1860–1939) – ‚Quo Vadis‘, © Mucha Trust/VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 31 – Corrado Giaquinto (1694–1765) – ‚Winter‘ (1740/1750) Abbildung 32 – Vincent Willem van Gogh (1853–1890) – ‚Vue de l’Asile et de la Chapelle de Saint-Remy‘ (1889), Quelle: www.zeno.org Abbildung 33 – Maxfield Parrish (1870–1966) – ‚Dingleton Farm‘ (1956), © Maxfield Parrish Family Trust/VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 34 – Lucas Cranach der Ältere (1520–1540) – ‚Adam‘ und ‚Eva‘ Abbildung 35 – Claude Monet (1840–1926) – ‚Champs de blé à Vétheuil‘ bzw. ‚Wheat Field‘ (1881) Abbildung 36 – Paul Gauguin – ‚Straßenszene in Tahiti‘ (1891), Öl auf Leinwand, 115 × 85 cm Abbildung 37 – Vincent Willem van Gogh – ‚Die Grabenden‘ (1889), 65,1 × 50,2 cm Abbildung 38 – Jan Mostaert (1475–1555) – ‚Portrait of a Courtier‘ Abbildung 39 – Theodore Robinson (1852–1896) – ‚Low Tide, Riverside Yacht Club‘ (1894) Abbildung 40 – Oskar Kokoschka (1886–1980) – ‚Liebespaar‘ (1913), © Fondation Oskar Kokoschka/VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 41 – Francisco de Goya (1746–1828) – ‚Retrato de la Marquesa de Santa Cruz‘ (1805) Abbildung 42 – Henri Matisse (1869–1954) – ‚Visage sur fond jaune‘ (1952), © Succession H. Matisse/VG Bild-Kunst, Bonn 2009
Verzeichnis der Abbildungen
Abbildung 43 – Henry Matisse (1869–1954) – ‚Odalisque‘ (1928), © Succession H. Matisse/VG Bild-Kunst, Bonn 2009 Abbildung 44 – Jan Brueghel des Jüngeren – ‚Vor der Dorfschänke‘ (1641) Abbildung 45 – Picasso – ‚Pablo Angel Fernandez de Soto‘ (1903), © Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2009
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Sachregister Abhandenkommen – Besitzverlust 2 50 – Bestandsschutz des Eigentums 2 48 – Beutekunstnahme 2 68 ff. – direkte Beutekunstnahme durch Beschlagnahme 2 69 ff. – Einführung 2 47 ff., 52, 53 ff. – entartete Kunst 2 97 – Export, illegaler 2 99 ff. – Fluchtgut, kulturelles 2 77 ff. – indirekte Beutekunstnahme nach formal ‚freiwilliger‘ Veräußerung unter Drohung, Zwang und Gewalteinwirkung 2 73 ff. – Kategorie des sog. ‚kulturellen Diebstahls‘ 2 54 ff. – Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 2 55 ff. – Nichtige kulturelle Verstaatlichung als Abhandenkommen umstritten 2 88 ff. – Raubkunst 2 93 ff. – Schweiz 2 146 ff. – Sperrmüll-Macke-Entscheidung des LG Bonn vom 25.6.2002 2 95 – Unfreiwilligkeit 2 50 – Unterscheidung zwischen Diebstahl und veruntreuender Unterschlagung 2 63 f. – Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzdiener 2 65 ff. – Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzmittler 2 61 f. – Verstaatlichung durch die öffentliche Gewalt als Problem des Besitzverlustes kraft öffentlichen Rechts 2 86 f. – Verstaatlichung kultureller Güter 2 84 ff. – Versteigerung, öffentliche 2 101 ff. acquisitive prescription: Dunbar v. SegerThomschitz hinsichtlich des Kokoschka-Gemäldes ‚Portrait of a Youth (Hans Reichel)‘ 5 202 Active Crime Tracking System 3 572 ff. actual discovery rule 5 259 ff.
– keine besonderen Sorgfaltsanforderungen in der Lokalisierung u. Identifizierung 5 259 – Naftzger v. The American Numismatic Society: Abkehr von dem ‚due diligence‘-Erfordernis der ‚constructive discovery rule‘ 5 260 ff. – progressiver Schutz des ursprünglichen Eigentümers 5 260 – Rückführung des Maxfield Parrish Gemäldes ‚Dingleton Farm‘ 5 268 f. – Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers nur als Verwirkung (laches) 5 267 – tatsächliche Kenntnis startet Lauf der Verjährungsfrist 5 265 ff. Addendum to the Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era 1933–1945 (American Association of Museums Directors, AAMD) vom 30. April 2001 im Mai 2007 3 535 ff. adverse possession: Rechtserwerb nach Besitz in „open, visible and notorious manner“ 5 189 ff. – Besserstellung des ursprünglichen Eigentümers 5 192 – Dunbar v. Seger-Thomschitz hinsichtlich des Kokoschka-Gemäldes ‚Portrait of a Youth (Hans Reichel)‘: acquisitive prescription 5 202 – ersitzungsähnliches Institut 5 189 ff. – O’Keeffe v. Snyder 5 193 ff., 200 (Abkehr von der Theorie) – originäre Eigentumserwerb des aktuellen Besitzers 5 191 – Wirkungen der adverse possessionDoktrin 5 199 American Association of Museums (AAM) – Code of Ethics for Museums 2000 3 344 ff. – Guidelines Concerning the Unlawful Appropriation of Objects During
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Sachregister
the Nazi Era aus dem Jahr 1999 (in der Fassung April 2001) 3 533 ff. – Standards Regarding Archaeological Material and Ancient Art vom 11. August 2008 3 348 ff. American Association of Museums Directors (AAMD) – Addendum to the Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era 1933–1945 vom 30. April 2001 im Mai 2007 3 535 ff. – Code of Ethics aus dem Jahr 2001 3 351 – Position paper Art Museums and the Identification and Restitution of Work Stolen by the Nazis 3 535 ff. – Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008: zeitliche Grenze 1970 verdachtsbegründend beim illegalen Export 3 315 ff., 351 ff. – Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era 1933–1945 vom 4. Juni 1998 3 535 ff. angemessene Entschädigungszahlung nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 2 224 ff. – → Kompensationshöhe – deutsche Umsetzung 2 229 f. – Hintergrund 2 224 ff. – Kompensationsberechtigung 2 231 ff. → Kompensationsberechtigung Anstaltsgebrauch 2 342 archäologische Kulturgüter – Fundort, Bedeutung 1 11 – Herkunft aus Afganistan, Irak generell verdachtsbegründend 3 281 – Kontextarchäologie 1 13 – Kykladenidol-Fall: archäologische Objekte generell verdachtsbegründend 3 280 – Quantität illegaler Objekte 1 14 – United States v. McClain: Transportspuren, Erde oder Strohreste verdachtsbegründend 3 280
Arbeitskreis Deutscher Kunsthandelsverbände (ADK) 3 374 Archivbestände 3 590 ff. Art Loss Register 3 561 ff. Art Newspaper 3 542 Artnet 3 587 f. artnet Magazin 3 542 artprice (früher ADEC On-Line) 3 589 Artsjournal 3 542 Assocs. v. Yerkes 6 17 Attorney General of New Zealand v. Ortiz – Kompensationsberechtigung bösgläubiger Erwerber eines Lösungsrechts 2 181 Auction Search Service 3 572 ff. Aufzeichnungspflichten der professionell im Kunsthandel Beteiligten 7 66 ff. – innerhalb des Schweizer Kulturgütertransfergesetzes 7 67 ff. – nach dem deutschen Kulturgüterrückgabegesetz vom 18. Mai 2007 7 70 ff. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. – angemessene Sorgfaltsanforderungen Zyperns 6 40 ff. – Applikation der Checkliste zur Bestimmung der Gutgläubigkeit bei gestohlenen Objekten 3 302 ff. – doctrine of fraudulent concealment 5 181 ff. – Fundort, Bedeutung 1 11 – Kriterien zum Nachweis der Gutgläubigkeit von professionell im Kunsthandel Beteiligten 3 98 ff. – nemo dat-Grundsatz 2 28 – Ort verdachtsbegründend 3 270 – Rezeption Datenbanken 3 558 – Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 393 – Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel 7 1 ff. – Risiko der Restitutionsverpflichtung 7 4 ff. – Sachverhalt 3 92 ff. – Sorgfaltsmaßstab, Konkretisierung und Inhalt 3 91 ff.
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– Spezifizierung der notwendigen due diligence-Anforderungen der constructive discovery rule 5 220 ff. – unzureichende Erfüllung der Provenienzerforschungsobliegenheit 3 97 – verdächtige Erwerbsumstände 3 96, 100 – voidable title 2 34 Belgien – Lösungsrecht 2 155 ff. Berliner Erklärung zu Leihgaben und Neuerwerbungen von archäologischen Objekten durch Museen aus dem Jahr 1988 3 362 f. Berliner Resolution vom 25. Mai 2003 3 364 ff. Bernsteinzimmerkommode 4 63 ff. Bernsteinzimmermosaik-Fall 4 51 ff. Beutekunst (nazi looted art, Trophäenkunst) – → Beweislastverteilung bei Restitution NS-bedingter Kulturgutverluste – → Checkliste Bösgläubigkeit beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entarteter‘ Kunst 3 406 ff. – → Demartini c. Williams vom 6. Juli 2001 – → NS-bedingte Kulturgutverluste, Sorgfaltsmaßstab – → NS-bedingte Kulturgutverluste, Verjährung – Abhandenkommen 2 68 ff. – direkte Entziehungstatbestände durch Beschlagnahme 2 69 ff. – Forderung nach einer Beweislastumkehr bei NS-bedingten Kulturgutverlusten im Schrifttum 3 175 – indirekte Entziehungstatbestände nach formal ‚freiwilliger‘ Veräußerung unter Drohung, Zwang und Gewalteinwirkung 2 73 ff. – ohne Auswirkung auf die Eigentumsposition 1 4 Beuys, Joseph – Filzanzug 3 181 Beweislastumkehr – → Beweislastverteilung innerhalb der deutschen Rechtsordnung
– Ersitzung 4 68 f. – Forderung nach einer Beweislastumkehr bei NS-bedingten Kulturgutverlusten im Schrifttum 3 175 – Forderung nach einer gesetzlichen Umkehr der Beweislast im Kunsthandel innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsliteratur 3 171 ff. – gesetzliche Konstruktion innerhalb des BGB 3 177 ff. – Gründe 3 176 – Vermutung der Bösgläubigkeit der Erwerber innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung 3 62 – Vermutung der Bösgläubigkeit nach Art. 4 Abs. 1 UNIDROIT Convention 1995 beim Erwerb gestohlener Kulturgüter 3 42 ff. – Vermutung der Bösgläubigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UNIDROIT Convention 1995 beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter umstritten 3 45 ff. Beweislastverteilung – → Beweislastumkehr – → Beweislastverteilung innerhalb der deutschen Rechtsordnung – → Gutglaubensvermutung – Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren gestohlener Kulturgüter 3 181 – Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren illegal exportierter Kulturgüter 3 180 – Darlegungs- und Beweislast angemessener und hinreichender Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen des Eigentümers (Verwirkung) 6 13 – erforderliche Sorgfalt nach Art. 9 der EG-Richtlinie vom 15. März 1993 nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats 3 53 – Ersitzung 4 68 f. – probatio diabolica-Doktrin 3 243 – Vermutung der Bösgläubigkeit der Erwerber innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung 3 62 – Vermutung der Bösgläubigkeit nach Art. 4 Abs. 1 UNIDROIT Convention
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1995 beim Erwerb gestohlener Kulturgüter 3 42 ff. – Vermutung der Bösgläubigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UNIDROIT Convention 1995 beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter umstritten 3 45 ff. Beweislastverteilung bei Restitution NS-bedingter Kulturgutverluste 3 183 ff. – Angemessenheit des Kaufpreises 3 198 f. – Bewertung der Beweislastverteilung 3 212 – Erschwerte Widerlegung der Vermutungsregelung ab dem 15.9.1935 3 202 ff. – fair purchase price (Angemessenheit des Kaufpreises) 3 198 f. – freie Verfügbarkeit des Kaufpreises 3 197, 200 ff. – Gemeinsame Erklärung 1999 3 185 – Handreichung zur Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung 2001/2007 3 185 – System wechselseitiger Vermutungen 3 185 – Ursachen für die Beweisschwierigkeiten der Antragsteller 3 184 – Vermögensverlust durch Zwangsverkauf, Enteignung oder auf sonstige Weise 3 188 ff. – Vermutung der Kollektivverfolgung 3 186 – Vermutung NS-bedingten Kulturgutverlusts nach Rechtsgeschäft 3 189 ff. – Widerlegung der Vermutungsregelung bei Veräußerungen bis zum 15.9.1935 3 196 ff. Beweislastverteilung innerhalb der deutschen Rechtsordnung 3 169 ff. – → Beweislastverteilung bei Restitution NS-bedingter Kulturgutverluste – Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren gestohlener Kulturgüter 3 181 – Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren illegal exportierter Kulturgüter 3 180 – Darlegungs- und Beweislastverteilung
zwischen Restitutionsgläubiger und -schuldner 3 178 – Ersitzung 4 68 f. – Erwerbsmentalität im Kunsthandel 3 172 – Forderung nach einer Beweislastumkehr bei NS-bedingten Kulturgutverlusten im Schrifttum 3 175 – Forderung nach einer gesetzlichen Umkehr der Beweislast im Kunsthandel innerhalb der kulturgüterspezifischen Rechtsliteratur 3 171 ff. – Gegenbeweis der erfolglosen Nacherforschung seitens des Restitutionsschuldners umstritten 3 179 – gesetzliche Konstruktion der Beweislastumkehr innerhalb des BGB 3 177 ff. – Gründe für eine Beweislastumkehr 3 176 – Gutglaubensvermutung als Ausgangspunkt 3 169, → Gutglaubensvermutung – Interessenverteilung 3 174 – Nachweis angemessener Maßnahmen zur Bestimmung der Provenienz seitens des Restitutionsschuldners 3 178 – Nachweis der Provenienzerforschungsobliegenheit im Kunsthandel seitens des Restitutionsgläubigers 3 178 – Prüfungsschema der Beweislast (Teil 1) 3 170 ff. – Schleier der Verschwiegenheit und Heimlichkeit 3 172 – Umstände des internationalen Kunsthandels 3 172 f. Bibliografie Beutekunst 3 542 Bibliothèque royale c. Charron hat die Cour de Paris am 3.1.1846 2 270 Bindungen kultureller Objekte zu Kulturgutträgern 1 11 Bodensee Kunstauktions-Entscheidung des BGH: Versteigerung für eigene oder für fremde Rechnung Indiz für Gut- bzw. Bösgläubigkeit 3 289 f. British Dealers Code of Practice aus dem Jahre 1986 – Provenienzerforschungspflichten 3 231 ff.
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British Museum: Policy on Acquisitions vom 24. April 2007 3 358 ff. British Museums Association: Code of Ethics For Museums 3 231 f. Brueghel, Jan des Jüngeren – Vor der Dorfschänke 7 48 ff. Bührle gegen Fischer – Bekanntheitsgrad der RosenbergSammlung verdachtsbegründend 3 469 ff. – Beteiligung NS-Kunsthändler verdachtsbegründend 3 492 ff. – Nummerierung der Gemälde verdachtsbegründend 3 477 – Zeitpunkt der Gutgläubigkeit 3 432 ff. Bundesverband des deutschen Kunstund Antiquitätenhandels (BDKA) 3 374 – Verhaltenskodex des Bundesverbandes Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler (BDKA) 3 374 ff. Bundesverband Deutscher Galerien und Editionen (BVDG) 3 374 Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer e.V. – Verhaltenskodex für den internationalen Handel mit Kunstwerken 3 385 ff. California Code of Civil Procedure 5 270 ff. – actual oder constructive discovery rule umstritten 5 273 ff. – progressiver Schutz der Eigentümer 5 272 – Society of California Pioneers v. Roger Baker vom 15. März 1996 5 273 f. – Verjährung von Restitutionsansprüchen von Kulturgütern 5 270 California Holocaust Art Recovery Statute 5 277 ff. – Anwendung auf „Holocaust-era artwork“ 5 279 – Marei von Saher v. Norton Simon Museum hinsichtlich der CranachGemälde ‚Adam‘ und ‚Eva‘: Verfassungswidrigkeit 5 281 ff. – spezielles Gesetz zur Rückführung NSbedingt entzogener Kulturgüter 5 277
– Verjährungszeit bis zum 31. Dezember 2010 5 279 Cantor v. Anderson 3 89 – Provenienzerforschungsobliegenheit von Kunsthändlern 3 89 Casa della cultura ecuadoriana c. Danusso 2 390 ff. catalogues raisonnés 3 544 City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A. – ordre public-Widrigkeit der 30-jährigen Verjährungsfrist kultureller Restitutionsansprüche 5 151 ff. – Verjährung bei Rechtsnachfolge 5 79 ff. Chagall, Marc – L’Échelle de Jacob – Le Marchand de Bestiaux Checkliste 3 168, 255 ff. – → Checkliste Beutekunst, kulturelles Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entartete‘ Kunst 3 406 ff. – → Checkliste gestohlene Kulturgüter 3 257 ff. – → Checkliste illegal exportierte Kulturgüter 3 308 ff. – Bestimmung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit des Erwerbers 3 255 – Indizien und Kriterien eines unrechtmäßigen Kulturgutverlustes 3 255 – spezielle tatsächliche Hinweiszeichen 3 257 – verdächtige Erwerbsumstände 3 257 Checkliste Beutekunst, kulturelles Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entartete‘ Kunst 3 406 ff., insb. 466 ff. – → NS-bedingte Kulturgutverluste, Sorgfaltsmaßstab – → Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb NSbedingt entzogener Kulturgüter – Addendum to the Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era 1933–1945 (American Association of Museums Directors, AAMD) vom 30. April 2001 im Mai 2007 3 535 ff. – Bührle gegen Fischer: Bekanntheitsgrad der Rosenberg-Sammlung verdachtsbegründend 3 469 ff.
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– Bührle gegen Fischer: Beteiligung NS-Kunsthändler verdachtsbegründend 3 492 ff. – Bührle gegen Fischer: Nummerierung der Gemälde verdachtsbegründend 3 477 – Etikettierung jüdischer Gemälde 3 478 – Fischer gegen die Eidgenossenschaft 3 497 ff. – Guidelines Concerning the Unlawful Appropriation of Objects During the Nazi Era (American Association of Museums, AAM) aus dem Jahr 1999 (in der Fassung April 2001) 3 533 ff. – Judenauktion als Hinweiszeichen auf den kulturellen Fluchtgutcharakter 3 506 ff. – jüdische Provenienz des zu erwerbenden Kunstwerks 3 467 ff. – Koerfer v. Goldschmidt: Versteigerung durch NS-Behörden verdachtsbegründend 3 513 ff. – Liste Auktionshäuser sog. Judenauktionen 3 509 f. – Liste beschlagnahmter Musikalien und Bibliotheken 3 474 f. – Liste Dienststellen und auf Kulturgutraub spezialisierte Organisationen der NS-Zeit 3 480 ff. – Liste jüdischer Privatsammler und Kunsthändler 3 472 ff. – Liste Kunst- und Kulturgutauktionen der Jahre 1933 bis 1945 3 509 – Liste NS-Aufbewahrungs- und Verbringungsorte geraubter Kulturgüter 3 519 – Liste NS-Kunsthändler 3 491 – Liste NS-Spezialsachverständige 3 517 – Liste NS-Transportfirmen/-organisationen 3 518 – Liste Signaturen der Eigentümer oder vergleichbare Kürzel 3 476 ff. – Miedl gegen Eidgenossenschaft: jüdische Provenienz des zu erwerbenden Kunstwerks 3 468 – NS-Dienststellen und Verantwortliche und deren Signaturen verdachtsbegründend 3 480 ff.
– NS-Kunsthändler-Beteiligung am Beispiel Liebermanns ‚Kornfeld am Wannseegarten nach Westen‘ 3 501 ff. – NS-Kunsthändler-Beteiligung bei Veräußerung entarteter Kunst verdachtsbegründend 3 500 ff. – NS-Kunsthändler-Beteiligung verdachtsbegründend 3 486 ff. – Pedigree verdachtsbegründend 3 471 – Position paper Art Museums and the Identification and Restitution of Work Stolen by the Nazis (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 535 ff. – Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era 1933–1945 (American Association of Museums Directors, AAMD) vom 4. Juni 1998 3 535 ff. – Restitutionsforderung GutmannErben gegen Daniel C. Searle und das Art Institute of Chicago hinsichtlich des Degas-Gemäldes ‚Landscape with Smokestacks‘ 3 529 ff. – Signaturen der Eigentümer oder vergleichbare Kürzel verdachtsbegründend 3 476 ff. – Signaturen und Kürzel der NS-Behörden verdachtsbegründend – Spezialsachverständigen-Beteiligung der NS-Zeit 3 516 ff. – Versteigerung durch NS-Behörden verdachtsbegründend 3 511 ff. – Zurschaustellung in öffentlichen Ausstellungen zur NS-Zeit 3 479 – Zusammenfassung 3 521 ff. Checkliste gestohlene Kulturgüter 3 257 ff. – archäologische Objekte besondere Objektqualität 3 280 – Art, Gestaltung und Inhalt des Kulturguttransfers 3 259 ff. – Auktion: Veräußerung für eigene oder für fremde Rechnung bedeutsam 3 287 ff. – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feld-
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man Fine Arts Inc.: Ort verdachtsbegründend 3 270 Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg: beispielhafte Applikation der Checkliste 3 302 ff Besitzdauer beim Veräußerer Indiz für Nichtberechtigung 3 283 Besitzverhältnisse Indizien für Nichtberechtigung 3 283 Bodensee Kunstauktions-Entscheidung des BGH: Versteigerung für eigene oder für fremde Rechnung bedeutsam 3 289 Desportes Still-life-Fall: Preis verdachtsbegründend 3 261 dingliche Eigenschaften verdachtsbegründend nach Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT Convention 3 281 Eile bei der Veräußerung verdachtsbegründend 3 284 Erisoty v. Rizik: Schäden am Objekt verdachtsbegründend 3 279 Erklärungen des Veräußerers verdachtsbegründend 3 295 ff. Erwerbsort und besondere Objektqualität 3 270 ff. Erwerbsumstände 3 259 Euphronios Krater-Fall: Erklärungen des Veräußerers verdachtsbegründend 3 296 Geschäftsgebaren des Veräußerers verdachtsbegründend 3 300 Gragnani-Geigen-Fall des OLG München: Ort verdachtsbegründend 3 271 ff. Hamburger Stadtsiegel-Fall: Veräußerung auf offener Straße verdachtsbegründend 3 274 f. Herkunft aus Afghanistan, Irak generell verdachtsbegründend 3 281 Jawlensky-Entscheidung des BGH: Versteigerung für eigene oder für fremde Rechnung bedeutsam 3 288 Kykladenidol-Fall des BGH: Gesamteindruck des Verkäufers auf den Erwerber 3 294 Kykladenidol-Fall des BGH: Wertvolle Objekte nur im Fachhandel, auf Ver-
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steigerungen oder von privaten Sammlern 3 292 Kykladenidol-Fall: archäologische Objekte generell verdachtsbegründend 3 280 Kykladenidol-Fall: Preis verdachtsbegründend 3 262 Legitimation des Veräußerers als subjektives Hinweiszeichen 3 292 ff. Manuskript des Marquis de Sade-Fall des Schweizer Bundesgerichts: Reputation des Händlers Indiz 3 293 objektive Indizien 3 258 ff. Objektqualität, außergewöhnliche, besonders verdachtsbegründend 3 282 Ort der Übergabe verdachtsbegründend 3 270 Persönlichkeit des Veräußerers im Allgemeinen 3 294 Preis des zu veräußernden Kulturguts 3 260 Reid v. Metropolitan Police Commissioner: Erwerbszeit verdachtsbegründend 3 269 Restitutionsbegehr des Rubens-Gemäldes ‚Tarquinius und Lucretia‘: Schäden am Objekt verdachtsbegründend 3 276 ff. Restitutionsklage Grünwald-Erben gegen Musée d’Art Moderne et Contemporain Strasbourg hinsichtlich Klimt-Gemälde ‚Die Erfüllung‘: Preis verdachtsbegründend 3 265 ff. Solidität Hinweis auf das Nichteigentum des Veräußerers 3 285 subjektive Indizien 3 291 ff. Taborsky v. Maroney: Preis verdachtsbegründend 3 263 Umstände der Kaufsache verdachtsbegründende Indizien 3 276 ff. United States v. McClain: Transportspuren, Erde oder Strohreste verdachtsbegründend 3 280 Urkunden als Indizien der Eigentümerstellung des Veräußerers 3 297 verkehrsübliche bzw. verkehrsunübliche Abwicklung objektive Indizien 3 285 ff.
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– Vermögenslage des Veräußerers verdachtsbegründend 3 300 – Versteigerung: Veräußerung für eigene oder für fremde Rechnung bedeutsam 3 287 ff. – Waffensammlung-Fall, Schweiz: angemessener Kaufpreis Gutgläubigkeit des Erwerbers 3 264 – Zusammenfassung 3 305 ff. Checkliste illegal exportierte Kulturgüter 3 308 ff. – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.: Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 393 – Berliner Erklärung zu Leihgaben und Neuerwerbungen von archäologischen Objekten durch Museen aus dem Jahr 1988 3 362 f. – Berliner Resolution vom 25. Mai 2003 3 364 ff. – Code of Ethics aus dem Jahr 2001 (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 351 – Code of Ethics for Museums (Ethische Richtlinien für Museen, ICOM) 3 331 ff. – Code of Ethics for Museums 2000 (American Association of Museums) 3 344 ff. – Code of Practice of UK Fine Art and Antiques Trade Members 3 390 ff. – Consignment Agreements von Sotheby’s in Art. 8 3 379 ff. – Consignor’s Representations and Warranties, Covenants and Indemnification von Christie’s in Art. 5 3 379 ff. – Department for Culture, Media and Sport (DCMS)-Richtlinien (Großbritannien) aus dem Jahre 2005: zeitliche Grenze 1970 3 315 ff. – Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005 (Department for Culture, Media and Sport, DCMS) 3 318 ff., 402 ff. – Ethical Code of Conduct (Confédéra-
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tion Internationale des Négociants en Œuvres D’Art, CINOA) 3 371 ff. Ethics of Acquisitions aus dem Jahr 1970 (ICOM) 3 331 ff. Ethische Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums, ICOM) 3 331 ff., 361 Fehlen einer Ausfuhrbescheinigung verdachtsbegründend 3 314 International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property aus dem Jahre 1999 (UNESCO) 3 368 ff. Jeanneret v. Vichy: Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 393 Kenntnis von der Kulturgüterschutzvorschrift beim Export 3 309 ff. Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd.: Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 390 ff. Policy on Acquisitions vom 24. April 2007 (British Museum) 3 358 ff. R. v. Yorke: Informationspflicht über eventuell bestehende Kulturgüterschutzgesetze 3 309 f. Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008: zeitliche Grenze 1970 3 315 ff. Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 315 ff., 351 ff., 401 Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards in Gerichtsentscheidungen 3 389 ff. Standards Regarding Archaeological Material and Ancient Art vom 11. August 2008 (American Association of Museums, AAM) 3 348 ff. Umstände des Erwerbs verdachtsbegründend 3 313 UNESCO-Convention vom 14. November 1970: gesteigerte Sorgfaltsanforderungen seit 1970 Verhaltenskodex des Bundesverbandes Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler (Bundesverband des deutschen
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Kunst- und Antiquitätenhandels, BDKA) 3 374 ff. – Verhaltenskodex für den internationalen Handel mit Kunstwerken (Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer e.V.) 3 385 ff. – Verhaltensrichtlinien vom 14. September 2001 (Deutscher Kunsthandelsverband e.V.) 3 377 ff. – Vorgaben der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 3 311 – zeitliche Grenze des Jahres 1970 zur Bestimmung der Gutgläubigkeit – Zusammenfassung 3 398 ff. Christie’s – Consignor’s Representations and Warranties, Covenants and Indemnification 3 379 ff. Cleveland Museum of Art – Vereinbarung der Rückführung von Antiken nach Italien 3 404 Code of Due Diligence for Dealers Trading in Fine Art, Antiques, Antiquarian Books, Manuscripts and Collectors Items (Council for the Prevention of Art Theft, CoPAT) – Provenienzerforschungspflichten 3 234 ff. Codes of Ethics → selbstauferlegte Verhaltensstandards Code of Ethics aus dem Jahr 2001 (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 351 Code of Ethics for Museums 2000 (American Association of Museums, AAM) 3 344 ff. Code of Ethics For Museums (British Museums Association) – Provenienzerforschungspflichten 3 231 f. – Sorgfaltsanforderungen 3 231 f. Code of Ethics for Museums (Ethische Richtlinien für Museen, ICOM) 3 331 ff. Code of Practice of UK Fine Art and Antiques Trade Members 3 390 ff. Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing
cultural material vom Oktober 2005 (Department for Culture, Media and Sport, DCMS) 3 318 ff. Confédération Internationale des Négociants en Œuvres D’Art, CINOA – Ethical Code of Conduct 3 371 ff. Consignment Agreements von Sotheby’s in Art. 8 3 379 ff. Consignor’s Representations and Warranties, Covenants and Indemnification von Christie’s in Art. 5 3 379 ff. constructive discovery rule 5 203 ff. – actual discovery 5 203 ff. – ausgleichende und balancierende Rechtsregel 5 206 – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg: Spezifizierung der notwendigen due diligence-Anforderungen 5 220 ff. – Bevorzugung der Besitzerinteressen systemwidrig 5 256 f. – constructive discovery 5 203 ff. – due diligence-Anforderungen an die Eigentümer: Lokalisierung der Objekte und Identifizierung der Besitzer 5 210, 212 ff. – Erisoty v. Rizik: Subjektivierung des notwendigen due diligence-Maßstabs des Eigentümers 5 232 ff. – Erkennbarkeit kultureller Wertgegenstände 5 212 – Förderung des kulturellen Schwarzmarkts 5 249 ff. – Gründe gegen eine Anwendung der ‚constructive discovery rule‘ 5 249 ff. – keine Präzisierung des notwendigen due diligence-Maßstabes 5 249 – konstruktive Vermischung von Verjährungs- und Verwirkungsfragen 5 250 – Lauf der Verjährungsfrist als Interessenmittler und Balance 5 210 f. – Mucha v. King: Verifikation der ‚discovery rule‘ 5 214 ff. – Neuentwicklung der ‚discovery rule‘ in der Rechtssache O’Keeffe v. Snyder 5 207 ff – O’Keeffe v. Snyder: Bestätigung der constructive discovery rule 5 200 ff., 203
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– Orkin v. Taylor: Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 5 239 ff. – Rechtsnachfolge unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 5 213 – Rechtsschutzgewährung zugunsten der belasteten Eigentümer 5 208 f. – Republic of Turkey v. OKS Partners: constructive discovery rule als Nachteil für Restitutionsgläubiger 5 205 – Restitutionsanspruch Martha NathanErben gegen das Detroit Institute of Art hinsichtlich des van Gogh-Gemäldes ‚Die Grabenden‘ 2007: Verjährung von Ansprüchen auf Herausgabe NSbedingter Kulturgutverluste 5 367 ff. – third-party cause of action 5 258 – Toledo Museum of Art v. Claude George Ullin et al. 2006: Verjährung von Ansprüchen auf Herausgabe NS-bedingter Kulturgutverluste 5 367 ff. – unvereinbar mit den allgemeinen Grundsätzen des Common Law 5 254 f. – Wiedererkennungswert kultureller Güter 5 212 Council for the Prevention of Art Theft, CoPAT – Code of Due Diligence for Dealers Trading in Fine Art, Antiques, Antiquarian Books, Manuscripts and Collectors Items 3 234 ff. Council of Europe: Resolution 1205 – Looted Jewish cultural property vom 5. November 1999 5 11 ff. Courbet, Gustave – Le réveil/Das Erwachen 3 438 Cranach, Lucas dem Älteren – Adam 5 281 ff. – Eva 5 281 ff. cultural common heritage of mankind 19 Czartoryski-Borbon v. Turcotte – Kriterien der Sorgfaltserfüllung kultureller Eigentümer 6 37 – unzureichende Nacherforschungsbemühungen des Eigentümers 6 49 ff.
Datenbanken mit öffentlicher Zugänglichkeit 3 555 ff. DDR-Kunst 1 6 De Préval v. Adrian Alan Ltd.: Sorgfaltsmaßstab gutgläubiger Erwerber 3 12 Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 – keine Extrakommerzialität 2 314 ff. – keine gesetzliche Anordnung der Unersitzbar- und Unverjährbarkeit 2 318 Degas, Edgar – Landscape with Smokestacks 3 529 ff. – Madame Camus am Klavier 3 492 ff. – Tänzerinnen im Foyer 3 492 ff. demand and refusal rule 5 285 ff. – Bedeutung weitreichend 5 287 ff. – Beginn der Verjährungsfrist mit Rückgabeverweigerung 5 301 – DeWeerth v. Baldinger: Neueinführung spezieller ‚due diligence‘-Anforderungen seitens des Eigentümers 5 307 ff. → DeWeerth v. Baldinger – General Stencils, Inc. v. Chiappa: principles of equitable estoppel ggü. einem Dieb o. bösgläubigem Besitzer 5 305 – Golden Budha Corp. v. Canadian Land Co. Of America: Bestätigung der demand and refusal rule 5 343 ff. – Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut: Bestätigung der demand and refusal rule 5 347 ff. – Inhalt 5 285 ff. – Kritik: Besserstellung eines Diebes und eines bösgläubigen sowie unredlichen Erwerbers gegenüber einem gutgläubigen 5 303 ff. – Kritik: keine Fairness gegenüber der beklagten Partei 5 350 f. – Kritik: Schutz des Gerichtssystems vor Klagewellen 5 350 – Kritik: Sinn und Zweck temporaler Ausschließlichkeitsgrundsätze 5 350 – Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon: rechtsdogmatische Konstruktion der demand and refusal rule 5 296 ff. – Menzel v. List: Neuentwicklung der demand and refusal rule 5 288 ff.
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– Re Estate of McCagg: Bestätigung der Menzel-Entscheidung 5 295 – Republic of Turkey v. Metropolitan Museum of Art: Bestätigung der demand and refusal rule 5 339 ff. – Rückgabeforderung und deren Verweigerung materiell-rechtliche Voraussetzungen des Restitutionsanspruchs 5 300 ff. – Solomon R. Guggenheim v. Lubell 5 324 ff. → Solomon R. Guggenheim v. Lubell – Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers nur als Verwirkungs-, jedoch nicht als Verjährungseinwand 5 294 ff. – substantive demand requirement 5 287 – tortfeasor for conversion 5 287 – vornehmlich im Bundesstaat New York 5 285 demanio pubblico der italienischen Rechtsordnung 2 277 ff. – absolute Verkehrsunfähigkeit 2 283 – Art. 53 Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 – beni demaniali 2 279 ff. – beni patrimoniali 2 286 ff. – beni patrimoniali indisponibili 2 288 – Einordnung im italienischen System ‚öffentlicher Sachen‘ 2 278 Demartini c. Williams vom 6. Juli 2001 3 246 ff. – Nachforschungspflicht gutgläubiger Erwerber im Strafrecht 3 248 ff. – Sachverhalt 3 247 Department for Culture, Media and Sport (DCMS)-Richtlinien (Großbritannien) – Combating Illicit Trade: Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005 – zeitliche Grenze des Jahres 1970 beim illegalen Export 3 315 ff., 318 ff. Deutscher Kunsthandelsverband e.V. – Verhaltensrichtlinien vom 14. September 2001 3 377 ff. Deutscher Museumsbund – Standards für Museen 3 231
Deutschland – → Beweislastverteilung innerhalb der deutschen Rechtsordnung – → Hamburger Stadtsiegel-Fall – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der deutschen Rechtsordnung – Abhandenkommen 2 47 ff. → Abhandenkommen – Extrakommerzialität 2 341 ff. – Gragnani-Geigen-Fall des OLG München vom 12.12.2002: Ort verdachtsbegründend 3 271 ff. – gutgläubiger Erwerb 2 45 ff. – Kykladenidol-Fall vom 10. Januar 1973 3 140 ff. – öffentliche Versteigerung kultureller Güter 2 49, 101 ff. → Versteigerung, öffentliche – Rheinstein-Bögen-Fall: Subjektivierung und Individualisierung 3 159 – Verjährung kultureller Vindikationsansprüche nach 30 Jahren 5 63 ff. DeWeerth v. Baldinger 5 307 ff. – 1987–1991: Geltung der constructive discovery rule im Bundesstaat New York 5 307 ff. – Chance der Wiedererlangung nur bei Lokalisierungsbemühungen des Eigentümers 5 321 ff. – Federal District Court for the Southern District of New York: demand and refusal rule 5 313 – Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen vor Entdeckung des Kulturguts 5 317 ff. – Neueinführung spezieller ‚due diligence‘-Anforderungen innerhalb der demand and refusal rule seitens des Eigentümers 5 307 ff., 311 ff. – Rechtskonstruktion der due diligenceVoraussetzungen 5 315 ff. – rechtspolitische Gründe der due diligence-Voraussetzungen 5 319 f. – Rückführungsforderung „ohne unbillige Verzögerung“ 5 317 ff. – Sachverhalt 5 308 f. – Second Circuit des United States Court of Appeals: Forderung nach due
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diligence-Voraussetzungen des Eigentümers in der Verjährung 5 314 – Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs kultureller Eigentümer 6 28 – unzureichende Nacherforschungsbemühungen des Eigentümers 6 48 Diebstahl, kultureller – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb gestohlener Kulturgüter 3 257 ff. – Abhandenkommen 2 54 ff. – Auswirkungen auf die Eigentumsposition 1 2 – Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren gestohlener Kulturgüter 3 181 – erhöhte Sorgfaltspflichten nach Art. 4 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 für gestohlene Kulturgüter 3 21 ff., 24 ff. – Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 2 55 ff. – Unterscheidung zwischen Diebstahl und veruntreuender Unterschlagung 2 63 f. – Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzdiener 2 65 ff. – Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzmittler 2 61 f. – Vermutung der Bösgläubigkeit nach Art. 4 Abs. 1 UNIDROIT Convention 1995 beim Erwerb gestohlener Kulturgüter 3 42 ff. doctrine of unclean hands 6 70 Dokumentationsquellen, Provenienzrecherche 3 538 ff. – Active Crime Tracking System 3 572 ff. – Art Loss Register 3 561 ff. – Art Newspaper 3 542 – Artnet 3 587 f. – artnet Magazin 3 542 – artprice (früher ADEC On-Line) 3 589 – Artsjournal 3 542 – Auction Search Service 3 572 ff. – Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.: Rezeption Datenbanken 3 558 – Bibliografie Beutekunst 3 542
– Bundes-, Landes- und Kommunalsowie museale und sonstige Archivbestände 3 590 ff. – catalogues raisonnés 3 544 – Datenbanken mit öffentlicher Zugänglichkeit 3 555 ff. – DVD on Stolen Works of Art (Interpol) 3 547 – Fachzeitschriften im Bereich der Kunsthistorik 3 540 – FBI 3 548 ff. – find stolen art 3 571 – Historic Art Theft Database 3 581 ff. – ICOM Red List als Informationsquellen illegal transferierter Kulturgüter 3 552 ff. – International Archive of Stolen Artefacts 3 586 – Interpol 3 546 ff. – Invaluable 3 587 – Kunstobjekt-Brief 3 595 ff. – Lost Art Internet Database der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste 3 569 ff. – Nachrichten Kunst 3 542 – National Stolen Art File (NSAF, FBI) 3 548 ff. – nationale Behörden 3 551 – O’Keefe v. Snyder: Rezeption Datenbanken 3 555 ff. – Object Identification (Object ID) Systems 3 596 – polizeiliche, ministerielle o. sonstige offizielle Informationsportale 3 550 – Register for Stolen Art and Artefacts (ROSA) 3 570 – Schriftenreihe ‚One Hundred Missing Objects‘ des International Council of Museums (ICOM) 3 541 – Staatliche Datenbanken zur Provenienzerforschung 3 570 ff. – Thesaurus Group 3 572 ff. – Trace Looted Art 3 574 ff. – Trace Magazine 3 572 ff. – Trans-Art International 3 581 ff. – Überblick 3 538 – unabhängige Wissenschaftler, Kunsthistoriker und Archäologen 3 543 – Verlustverzeichnisse von Museen,
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Galerien und privaten Kunstsammlern 3 545 – Werkkataloge 3 545 – Zusammenfassung 3 599 ff. domaine public der französischen Rechtsordnung 2 265 ff. – auch bewegliche Kulturgüter 2 269 ff. – Bibliothèque royale c. Charron hat die Cour de Paris am 3.1.1846 2 270 – Jean Bonnin c. Villes de Mâcon et de Lyon 2 270 – Kulturgüter einem öffentlichen Zweck gewidmet 2 269 ff. – Sieur Montagne c. Réunion des musées de France et autres 1963 2 272 ff. – Société Lyonnaise des eaux et de l’éclairage 1965 2 272 Draft Convention Providing a Uniform Law on the Acquisition in Good Faith of Corporeal Movables (LUAB) 1974 3 16 f. droit de remboursement: Lösungsrecht innerhalb der französischen Rechtsordnung 2 132 ff. – 30-jährige Verjährungsfrist bösgläubiger Besitzer 2 136 – achetée dans marché 2 138 ff. – achetée dans une foire 2 138 ff. – dessaisissement involontaire 2 134 ff. – Dreijahresfrist gutgläubiger Erwerber 2 136 – Einführung 2 132 ff. – en fait de meubles la possession vaut titre-Grundsatz 2 132 – marchand vendant des choses pareilles 2 139 f. – vente publique 2 139 f. Duc de Frias v. Baron Pichon aus dem Jahre 1886 2 393 – Extrakommerzialität nach einem qualifizierten Statutenwechsel 2 393 due diligence-Anforderungen → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005 (Department for Culture, Media and Sport, DCMS) 3 318 ff., 402 ff.
due diligence-Maßstab nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 3 26 ff. – autonome Auslegung der einzelnen Kriterien 3 28 – character of the parties 3 30 – Erwerbsumstände als Bewertungskriterien der Gutgläubigkeit im Hinblick auf gestohlene Kulturgüter 3 29 ff. – Kriterienkatalog, nicht abschließend 3 29 – Kritik im Schrifttum 3 35 – kulturpolitische Rechtfertigung des strengen Sorgfaltsmaßstabs 3 36 ff. – Legaldefinition 3 27 – Notwendigkeit aktiver Provenienzerforschung 3 32 ff. – other relevant information and documentation which it could reasonably have obtained 3 33 – took any other step that a reasonable person would have taken in the circumstances 3 34 due diligence-Maßstab nach Art. 6 Abs. 1 für illegal exportierte Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 3 21 ff., 39 ff. – Gegenstand des guten Glaubens 3 39 – Kriterien 3 41 – niedriger als beim Erwerb gestohlener Objekte 3 41 Dürer, Albrecht – Portrait der Felicitas Tucher 2 56 – Portrait des Hans Tucher 2 55 Dunbar v. Seger-Thomschitz hinsichtlich des Kokoschka-Gemäldes ‚Portrait of a Youth (Hans Reichel)‘: acquisitive prescription 5 202 en fait de meubles la possession vaut titre-Grundsatz (Frankreich) 2 132 entartete Kunst – → Beweislastverteilung bei Restitution NS-bedingter Kulturgutverluste – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entarteter‘ Kunst 3 406 ff.
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– → NS-bedingte Kulturgutverluste, Sorgfaltsmaßstab – → NS-bedingte Kulturgutverluste, Verjährung – Abhandenkommen 2 97 – Entziehungstatbestände 1 6 erforderliche Sorgfalt nach Art. 9 der EG-Richtlinie vom 15. März 1993 3 48 ff. – Beweislast nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats 3 53 – Gegenstand des Sorgfaltsmaßstabs: Rechtmäßigkeit der Verbringung aus dem kulturellen Ursprungsstaat 3 49 – innerdeutsche Umsetzung nach § 10 Kulturgüterrückgabegesetz vom 18. Mai 2007 3 51 f. Erisoty v. Rizik – Sachverhalt 5 233 ff. – Schäden am Objekt verdachtsbegründend für den Erwerber 3 279 – Subjektivierung des due diligenceMaßstabs der constructive discovery rule des Eigentümers 5 232 ff., 6 34 f. Ersitzungserwerb innerhalb der deutschen Rechtsordnung 4 33 ff. – Bernsteinzimmerkommode 4 63 ff. – Bernsteinzimmermosaik-Fall 4 51 ff. – Beweislastverteilung 4 68 f. – eigene Eigentümerstellung Bezugspunkt des guten Glaubens 4 42 ff. – Ersitzung durch den gutgläubigen Erben des bösgläubigen Besitzers umstritten 4 51 ff. – guter Glaube des Eigenbesitzers 4 42 ff. – Hamburger Stadtsiegel-Fall 4 37 – Landgericht Hannover: Nachforschungsobliegenheit für professionell am Kunsthandel beteiligte 4 44 ff. – mala fides superveniens 4 43 – Mittel des Eigentumserwerbs nach gescheiterter rechtsgeschäftlicher Übereignung 4 36 – Nachforschungs- und Verifizierungsbemühungen des Ersitzenden 4 44 ff. – OLG Celle: Nachforschungsobliegenheit für professionell am Kunsthandel Beteiligte 4 44 ff.
– persönliche Wissensumstände auf Seiten des Erwerbers unbeachtlich 4 41 – rechtserheblicher Zeitpunkt des guten Glaubens 4 43 – subjektive Kenntnis des Eigentümers unbeachtlich 4 41 – unrechtmäßig entzogene Kulturgüter taugliche Ersitzungsobjekte 4 37 – Verkehrsschutz 4 33 – Voraussetzungen 4 38 ff. – zehnjähriger fortgesetzter Eigenbesitz 4 39 ff. Ersitzungserwerb innerhalb der französischen Rechtsordnung 4 96 ff. – Eigenbesitz der Ersitzenden 4 100 – Ersitzungsfrist 4 101 ff. – Extrakommerzialität 4 97 ff. – praktisch nur untergeordnete Aufgabe 4 96 – Redlichkeit des Ersitzenden 4 103 ff. – Tauglichkeit kultureller Wertgegenstände Frankreichs als Ersitzungsobjekte 4 97 ff. – Vermutung des Eigenbesitzes 4 100 Ersitzungserwerb innerhalb der italienischen Rechtsordnung 4 89 ff. – Eigenbesitz des Ersitzenden 4 94 – Ersitzungsfrist 4 94 – mala fide: Ersitzungserwerb nach 20 Jahren 4 95 – Redlichkeit 4 94 – Tauglichkeit kultureller Wertgegenstände Italiens als Ersitzungsobjekte 4 90 ff. – The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc. 4 103 ff. – usucaptio, Einführung 4 89 ff. Ersitzungserwerb innerhalb der österreichischen Rechtsordnung 4 78 ff. – eigentliche Ersitzung 4 86 – Ersitzung des gutgläubigen Erben des bösgläubigen Erblassers 4 81 – Ersitzungsbesitz 4 79 ff. – Ersitzungsfrist 4 79 ff. – Gutgläubigkeit 4 87 f. – mala fides superveniens nocet 4 87 – national wertvolle Kulturgüter unersitzbar 4 78 – uneigentliche Ersitzung 4 86
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Ersitzungserwerb innerhalb der Schweizer Rechtsordnung 4 70 ff. – Ersitzungsbesitz 4 75 – Ersitzungsfrist 4 75, 77 – Gutgläubigkeit 4 75 – im Bundesverzeichnis aufgeführte Kulturgüter unersitzbar 4 74 – Mittel des Eigentumserwerbs nach gescheiterter rechtsgeschäftlicher Übereignung 4 70 – spezielle Regel für Kulturgüter: Art. 728 Abs. 1ter ZGB 4 76 Erwerb von einem Kaufmann 2 35 (USA), 39 (Großbritannien) Ersitzungserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 1 29 ff., 4 1 ff. – → Ersitzungserwerb innerhalb der deutschen Rechtsordnung – → Ersitzungserwerb innerhalb der französischen Rechtsordnung 4 96 ff. – → Ersitzungserwerb innerhalb der italienischen Rechtsordnung 4 89 ff. – → Ersitzungserwerb innerhalb der österreichischen Rechtsordnung 4 78 ff. – → Ersitzungserwerb innerhalb der Schweizer Rechtsordnung 4 70 ff. – Abgrenzung Verjährung und Ersitzung im internationalen Vergleich 4 9 ff. – Abgrenzung Verjährung und Verwirkung im internationalen Vergleich 4 15 ff. – Abgrenzung von Ersitzung, Verjährung und Verwirkung 4 5 ff., 8 – Auswirkungen des Faktors Zeit 4 4 – civil law-Rechtsinstitut 4 30 – Einführung 1 29 ff., 4 1 ff. – erlöschende (extinktive) Verjährung 4 6 – Ersitzung Ausgleich zwischen scheinbarer und wirklicher Rechtslage 4 29 – erwerbende (akquisitive) Verjährung 46 – Interessengegensätze in kulturellen Restitutionsverfahren 4 3, 18 ff. – Mittel des Eigentumserwerbs nach gescheiterter rechtsgeschäftlicher Übereignung 4 32 – Rechtsfrieden und Rechtssicherheit 4 22
– Schutz des aktuellen Besitzers vor Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen 4 20 – Schutz vor Beweisnot 4 20 f. – Terminologie Verjährung 4 5 – Terminologie Verwirkung 4 6 – unterschiedliche nationale Ausgestaltungsformen 4 28 ff. – usucapio 4 31 – Zeitmoment und Umstandsmoment 47 – Zusammenfassung 4 107 estoppel-Grundsatz 2 36 (USA), 38 (Großbritannien) Ethical Code of Conduct (Confédération Internationale des Négociants en Œuvres D’Art, CINOA) 3 371 ff. Ethics of Acquisitions aus dem Jahr 1970 (ICOM) 3 331 ff. Ethische Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums, ICOM) 3 331 ff. Euphronios Krater-Fall: Erklärungen des Veräußerers verdachtsbegründend 3 296 Export, illegaler – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter 3 308 ff. – Abhandenkommen 2 99 ff. – Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren illegal exportierter Kulturgüter 3 180 – Department for Culture, Media and Sport (DCMS)-Richtlinien (Großbritannien) aus dem Jahre 2005: zeitliche Grenze des Jahres 1970 beim illegalen Export 3 315 ff. – Entziehungstatbestände 1 2 – erhöhte Sorgfaltspflichten nach Art. 6 Abs. 1 für illegal exportierte Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 3 21 ff., 39 ff. – Vermutung der Bösgläubigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UNIDROIT Convention 1995 beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter umstritten 3 45 ff.
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Extrakommerzialität → res extra commercium Extrakommerzialität im engeren Sinn 2 258, 264 ff. Extrakommerzialität im weiteren Sinn 2 259, 289 ff. – Code du patrimoine vom 20. Februar 2004 in Frankreich 2 290, 291 ff. – Decreto Legislativo n. 42: Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 24. Februar 2004 in Italien 2 290, 310 ff. Extrakommerzialität kultureller Güter in Deutschland, 2 341 ff. – Abwägung zwischen der sog. privatrechtlichen und der sog. öffentlichrechtlichen Lösung 2 383 ff. – Annexkompetenz zu der dem öffentlichen Sachherrn verliehenen Befugnis 2 353 – Extrakommerzialität kultureller Güter innerhalb der deutschen Rechtsordnung de lege ferenda 2 362 ff. – gesetzliche Grundlage de lege ferenda 2 376 f. – Hamburger Stadtsiegel-Fall 2 345 ff. → Hamburger Stadtsiegel-Fall – kein öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch 2 356 ff. – keine Extrakommerzialität des Hamburger Stadtsiegels im Zivilrechtsweg 2 347 ff. – keine Extrakommerzialität kultureller Güter im Verwaltungsrechtsweg 2 347 ff. – keine gewohnheitsrechtliche Extrakommerzialität 2 356 ff. – kombinierte Applikation sowohl des privatrechtlichen als auch des öffentlich-rechtlichen Lösungsmodells 2 384 – Kulturgüter als ‚öffentliche Sachen‘ 2 342 ff. – Kulturgüter als res sacrae 2 342 – Lehre des öffentlichen Sachenrechts 2 353 – Lehre vom ‚öffentlichen Eigentum‘ 2 348 – Lehre vom modifizierten Privateigentum 2 348, 374 f.
– öffentliche Sachen im Gemeingebrauch 2 342 – öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch 2 342 – öffentliche Sachen im Anstaltsgebrauch 2 342 – öffentlich-rechtliche Lösung 2 372 ff. – öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Zuführung der Sache zu ihrem Widmungszweck 2 353 – privatrechtliche Lösung 2 366 ff. – Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes (E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 2 366, 374 ff. – Stadtsiegel als ‚öffentliche Sache‘ 2 345 ff. – Überblick 2 386 ff. – Vereinbarkeit mit Art. 12 GG 2 380 – Vereinbarkeit mit Art. 14 GG 2 379 – Vereinbarkeit mit dem Rechtssystem der Europäischen Union 2 381 – Widmung 2 343 FBI 3 548 ff. Felixmüller, Conrad – Selbstbildnis (i. Sportmütze vor der Staffelei) 5 110 ff. Filzanzug-Fallkonstellation 3 181 ff. find stolen art 3 571 Fluchtgut, kulturelles (Raubkunst der ersten Phase) – → Beweislastverteilung bei Restitution NS-bedingter Kulturgutverluste – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entarteter‘ Kunst 3 406 ff. – → NS-bedingte Kulturgutverluste, Sorgfaltsmaßstab – → NS-bedingte Kulturgutverluste, Verjährung – Abhandekommen 2 77 ff. – Entziehung ohne Auswirkung auf die Eigentumsposition 1 4 – Forderung nach einer Beweislastumkehr bei NS-bedingten Kulturgutverlusten im Schrifttum 3 175
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Fondation Abegg et Ville de Genève c. Mme. Ribes 1 10 Frankreich – → Demartini c. Williams vom 6. Juli 2001 – 30-jährige Verjährungsfrist bösgläubiger Besitzer 2 136 – achetée dans marché 2 138 ff. – achetée dans une foire 2 138 ff. – dessaisissement involontaire 2 134 ff. – domaine public der französischen Rechtsordnung 2 265 ff. → domaine public – Dreijahresfrist gutgläubiger Erwerber 2 136 – droit de remboursement 2 132 ff. – en fait de meubles la possession vaut titre-Grundsatz (Frankreich) 2 132 – Extrakommerzialität kultureller Güter 2 332 ff. – gutgläubiger Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 2 132 ff. – marchand vendant des choses pareilles 2 139 f. – Restitutionsklage Grünwald-Erben gegen Musée d’Art Moderne et Contemporain Strasbourg hinsichtlich Klimt-Gemälde ‚Die Erfüllung‘ 3 265 ff. – vente publique 2 139 f. Frans Hals-Entscheidung → Demartini c. Williams vom 6. Juli 2001 Fresques de Casenoves-Fall → Fondation Abegg et Ville de Genève c. Mme. Ribes Galerie Bernheim-Jeune gegen das Kunstmuseum Basel 3 440 Galerie Wildenstein gegen Kunstmuseum Bern 3 438 Gauguin, Paul – Straßenszene in Tahiti 5 367 gebührende Sorgfalt nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention → due diligence-Maßstab nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995
Gemeingebrauch 2 342 General Stencils, Inc. v. Chiappa – principles of equitable estoppel ggü. einem Dieb o. bösgläubigem Besitzer 5 305 – Verwirkungseinwand nur redlicher Besitzer 6 15 Getty Museum – Policy for Acquisitions 3 233 Giaquinto, Corrado – Winter 3 279 Glenesk v. Guidance Realty Corp. 6 17 Golden Budha Corp. v. Canadian Land Co. Of America: Bestätigung der demand and refusal rule 5 343 ff. Goya, Francisco de – Retrato de la Marquesa de Santa Cruz 7 15 ff. Gragnani-Geigen-Fall des OLG München vom 12.12.2002: Ort verdachtsbegründend 3 271 ff. Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc.: angemessene due diligence-Anforderungen restitutionsberechtigter Eigentümer 6 24 ff. Griechenland – Extrakommerzialität archäologischer Objekte 2 320 Großbritannien – Ausschluss der Verjährung ggü. dem Dieb und bösgläubigen Erwerber 5 38 ff. – De Préval v. Adrian Alan Ltd. in der Rechtsordnung Großbritanniens: Sorgfaltsmaßstab gutgläubiger Erwerber 3 12 – Erwerb von einem Kaufmann 2 39 – estoppel-Grundsatz 2 38 – Kurtha v. Marks vom 27. Februar 2008: Verjährung 5 47 ff. – market overt-Regel 2 40 – nemo dat quod non habet-Grundsatz des Common Law-Rechtskreises 2 29 ff. – Sales of Goods Act aus dem Jahre 1979 2 29 Guidelines Concerning the Unlawful Appropriation of Objects During the Nazi Era (American Association of
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Museums, AAM) aus dem Jahr 1999 (in der Fassung April 2001) 3 533 ff. guter Glaube – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber 3 1 ff. – an das Eigentum des Veräußerers 2 46 – an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers 2 46 Gutglaubenserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter im Rechtsgeschäft – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der deutschen Rechtsordnung – Ausschluss im Generellen de lege ferenda 2 118 – Deutschland → Deutschland – Einführung 1 24 ff. – Einwand des gutgläubigen Erwerbs in Restitutionsstreitigkeiten 2 1 – Frankreich 2 132 ff. → Frankreich – Großbritannien → Großbritannien – Hand wahre Hand-Grundsatz 2 8 – Interessengegensätze 2 4 ff., 43 – Italien 2 122 ff. → Italien – Konsensprinzip 2 3 – Lösungsrecht als Kompromiss zwischen Eigentümer und gutgläubigem Erwerber 2 130 ff. → Lösungsrecht – nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet-Grundsatz 2 8, 20 ff., → nemo dat quod non habetGrundsatz – rechtlicher Rahmen 2 2 ff. – rechtskonstruktive Ausgestaltung der Eigentumsübertragung 2 3 ff. – Schweiz 2 142 ff. → Schweiz – Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber 3 1 ff. → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber – Traditionsprinzip mit abstraktem Rechtsgrund 2 3 – Überblick 2 42 ff. – Unterschiede im Common und Civil Law 2 11 ff. – Vereinigte Staaten von Amerika → Vereinigte Staaten von Amerika – Versteigerung, öffentliche 2 101 ff. → Versteigerung, öffentliche – Zulässigkeit im Generellen 2 122 ff.
Gutglaubensvermutung – Art. 1147 des italienischen Codice civile 3 169 – Art. 2002 des niederländischen B.W. 3 169 – Art. 2268 des französischen Code civile 3 169 – Art. 3 des schweizerischen ZGB 3 169 – Art. 434 des spanischen Código civil 3 169 – Grundfall in Deutschland 3 169 Hague-Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict vom 14. Mai 1954 1 17 Hals, Frans – Portrait du Pasteur Adrianus Tegularius 3 246 ff. Hamburger Stadtsiegel-Fall 2 104 ff., 345 ff. – Annexkompetenz zu der dem öffentlichen Sachherrn verliehenen Befugnis 2 353 – BGH 2 350 – BVerwG 2 356 ff. – Extrakommerzialität deutscher Kulturgüter 2 345 ff. – Extrakommerzialität kultureller Güter innerhalb der deutschen Rechtsordnung de lege ferenda 2 362 ff. – kein öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch 2 356 ff. – keine Extrakommerzialität des Hamburger Stadtsiegels im Zivilrechtsweg 2 347 ff. – keine Extrakommerzialität kultureller Güter im Verwaltungsrechtsweg 2 347 ff. – keine gewohnheitsrechtliche Extrakommerzialität 2 356 ff. – Lehre des öffentlichen Sachenrechts 2 353 – Lehre vom ‚öffentlichen Eigentum‘ 2 348 – Lehre vom modifizierten Privateigentum 2 348 – Merkmal der öffentlichen Versteigerung 2 104
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– Merkmale einer öffentlichen Versteigerung 2 106 ff. – Oberlandesgericht Köln (OLG) 2 349 – öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Zuführung der Sache zu ihrem Widmungszweck 2 353 – OVG Nordrhein-Westfalen 2 356 ff. – Sachverhalt 2 105, 346 – Stadtsiegel als ‚öffentliche Sache‘ 2 345 ff. – unrechtmäßig entzogene Kulturgüter taugliche Ersitzungsobjekte 4 37 – Veräußerung auf offener Straße verdachtsbegründend 3 274 f. – Versteigerergewerbe 2 108 – Versteigerung, freiwillige 2 106 – Verwaltungsgericht Köln 2 352 ff. Handley Motor Co. v. Wood 2 23 Hand wahre Hand-Grundsatz 2 8 Historic Art Theft Database 3 581 ff. Hodler, Ferdinand – Waldinneres bei Reichenbach 3 331 Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut – Bestätigung der demand and refusal rule 5 347 ff. – keine Nachteile auf Seiten des restitutionspflichtigen Besitzers 6 60 ff. Howley v. Sotheby’s 3 88 – Provenienzerforschungsobliegenheit von Kunsthändlern in 3 88 Hutchinson v. Horowitz: Verwirkung des Restitutionsanspruchs 6 62 ff. ICOM-Kodex – Provenienzerforschungspflicht 3 231 – Red List als Informationsquellen illegal transferierter Kulturgüter 3 552 ff. – Schriftenreihe ‚One Hundred Missing Objects‘ des International Council of Museums (ICOM) 3 541 Illegaler Kulturgüterverkehr 1 1 ff. – Beutekunst (nazi looted art, Trophäenkunst) 1 4 – DDR-Kunst 1 6 – Diebstahl, kultureller 1 2 – entartete Kunst 1 6 – erhöhte Sorgfaltspflichten nach Art. 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 für illegal expor-
tierte Kulturgüter 3 21 ff., 39 ff. → due diligence-Maßstab Art. 6 Abs. 1 für illegal exportierte Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 – Erwerbsmentalität im Kunsthandel 3 172 – Export, illegaler 1 2 – Fluchtgut, kulturelles (Raubkunst der ersten Phase) 1 4 – Gefahren 1 37 – kulturgüter- und denkmalschutzgesetzwidriger Kulturgüterverkehr 1 2 f. – Kulturgüterverkehr als verkehrstypische Gefahrensituation 3 147 ff. – Kunsthandel als „anfälliger Geschäftsbereich“ 3 152 – Raubkunst (der zweiten Phase) 1 6 – Schleier der Verschwiegenheit und Heimlichkeit 3 172 – Tatbestände 1 2 ff. – tatsächliche Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren illegal exportierter Kulturgüter 3 180 – Trophäenkunst 1 6 – Übersicht 1 8 – Verstaatlichung kultureller Güter, unrechtmäßig 1 6 – zivilrechtliches Unrechtsverdikt 1 42 Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen bei Weiterveräußerung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 7 22 ff. – Jeanneret v. Vichy: illegaler Export als „breach of implied warranty of title“ 7 24 ff. – Marktgängigkeit/merchantability 7 22 – Odalisque-Konstellation: belastete‘ Provenienz als „breach of implied warranty of title“ 7 28 ff. innocent purchaser in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 3 16 ff. – Draft Convention Providing a Uniform Law on the Acquisition in Good Faith of Corporeal Movables (LUAB) 1974 3 16 ff. – Terminologie ‚innocent purchaser‘ 3 18 ff., 20
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Interessen im Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht 1 9 ff. – Auswirkungen kultureller Entziehungsakte und des illegalen Kulturgüterverkehrs 1 9 – Bedürfnisse des Rechtsverkehrs, der Rechtssicherheit und das Erwerbsinteresse gutgläubiger Erwerber und Besitzer 1 36, 2 4 ff. – Bindungen kultureller Objekte zu Kulturgutträgern 1 11 – cultural common heritage of mankind 19 – Erhaltungs- und Bewahrungsinteresse des (ursprünglichen) Eigentümers 1 36, 2 4 ff. – Fondation Abegg et Ville de Genève c. Mme. Ribes 1 10 – Fundort bei archäologischen Kulturgütern 1 11 – Interessen des Kulturgüterschutzes 1 37, 2 4 ff. – Interessenwiderstreit 1 36 ff., 42, 2 4 ff. – Kontextarchäologie 1 13 – Substanzverletzung 1 10 – zwei unschuldige Parteien 2 6 International Archive of Stolen Artefacts 3 586 International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property aus dem Jahre 1999 (UNESCO) 3 368 ff. Internationalismus, kultureller 1 18, 2 385 Interpol 3 546 ff. Invaluable 3 587 Italien, Gutglaubenserwerb – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der italienischen Rechtsordnung 3 228 ff. – demanio pubblico der italienischen Rechtsordnung 2 277 ff. → demanio pubblico – Extrakommerzialität kultureller Güter 2 129 ff. – Pretore di Milano vom 2.3.1987: keine Gutglaubensvermutung für Antiquitätenhändler 3 229 – Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini 2 128
– Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini vor dem Tribunale di Roma vom 27. Juni 1987: Gutglaubensvermutung 3 230 – Unveräußerlichkeit kultureller Güter 2 310 ff. – Verjährung kultureller Restitutionsansprüche ausgeschlossen 5 16 ff. – Winkworth v. Christie, Manson & Woods Ltd. 2 127 – Zulässigkeit des gutgläubigen Erwerbs im Generellen 2 122 ff. Jan van der Heyden-Entscheidung vom 8. Mai 1998: Verjährung auch ggü. dem bösgläubigen Erwerber 5 61 f. Jawlensky-Entscheidung des BGH: Veräußerung für eigene oder für fremde Rechnung Indiz der Gut- bzw. Bösgläubigkeit 3 287 ff. Jean Bonnin c. Villes de Mâcon et de Lyon 2 270 Jeanneret v. Vichy – illegaler Export als „breach of implied warranty of title“ 7 24 ff. – Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen bei Weiterveräußerung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 7 22 ff. – Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 393 Judenauktion 3 506 ff. Kandinsky, Wassily – Zwei schwarze Flecke 3 488 Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd. 3 390 – Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards vor Gericht 3 389 ff. – Stigmatisierung von Kulturgütern mit dem Makel der Illegalität 7 15 ff. – wirtschaftliche Entwertung illegal transferierter Kulturgüter 7 15 ff. Klee, Paul – Sumpflegende 5 72 Klimt, Gustav – Die Erfüllung/Study for Fulfilment 3 265 ff.
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Koerfer gegen Goldschmidt vom 13. Dezember 1968 3 216 ff. – Nachforschungspflicht bei Zweifeln an der Eigentumslage 3 218 – Sachverhalt 3 216 f. – Versteigerung durch NS-Behörden verdachtsbegründend 3 513 ff. Kokoschka, Oskar – Portrait of a Youth (Hans Reichel) 5 202 – Two Nudes 6 115 ff. kolonialbedingte Kulturgutverlagerungen – Code of Ethics for Museums (Ethische Richtlinien für Museen, ICOM) 3 339 ff. – kein zivilrechtliches Rechtswidrigkeitsverdikt 1 7 Kompensationsberechtigung eines Lösungsrechts – amerikanische Convention on Cultural Property Implementation Act vom 12. Januar 1983 2 175 f. – Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 2 199 ff. – Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 2 166 ff. – Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 2 231 ff. – Attorney General of New Zealand v. Ortiz 2 181 – bösgläubige Erwerber 2 181 – deutsches Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 2 180 ff. – Draft UNESCO-Convention aus dem Jahre 1939 2 172 ff. – nationale Umsetzungsvorschriften 2 175 ff. – Schweizer Rechtsordnung 2 177 ff. Kompensationsfähigkeit von Rückführungs- und Restaurierungskosten – Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 2 205 ff. – Webb v. A.-G. for Ireland 2 206 f. Kompensationshöhe eines Lösungsrechts – Art. 4 Abs. 1 UNIDROIT-Convention
vom 24. Juni 1995 bei gestohlenen Kulturgütern 2 200 ff. – Art. 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 bei illegal exportierten Kulturgütern 2 200 ff. – Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 2 182 ff. – Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 2 237 ff. – Auflockerung de lege ferenda 2 188 – Konkretisierung in nationalen Umsetzungsgesetzen 2 185 ff. – kultureller Spekulationsgewinn 2 182 ff. Konsensprinzip 2 3 Kontextarchäologie 1 13 Kulturgüter – ‚öffentliche Sachen‘ 2 342 ff. – als Hehlerware 3 147 – als res extra commercium → res extra commercium – öffentliche Sachen im Gemeingebrauch 2 342 – öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch 2 342 – öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch 2 342 – res sacrae 2 342 – res sui generis 1 35 – Stellung im Zivilrecht 1 33 ff. kulturgüter- und denkmalschutzgesetzwidriger Kulturgüterverkehr – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter 3 308 ff. – Abhandenkommen 2 99 ff. – Department for Culture, Media and Sport (DCMS)-Richtlinien (Großbritannien) aus dem Jahre 2005: zeitliche Grenze des Jahres 1970 beim illegalen Export 3 315 ff. – Entziehungstatbestände 1 2 f. – erhöhte Sorgfaltspflichten nach Art. 6 Abs. 1 für illegal exportierte Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 3 21 ff., 39 ff. – tatsächliche Beweisschwierigkeiten in Restitutionsverfahren illegal exportierter Kulturgüter 3 180
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– Vermutung der Bösgläubigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UNIDROIT Convention 1995 beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter umstritten 3 45 ff. Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht – Aufgabe 1 9 ff. – Defizite 1 15 ff. – kulturgüterspezifische Rechtsinstrumente 1 15 ff., 40 – kulturgüterunspezifisches Zivilrecht, Überblick 1 19 ff. 40 ff. – Papiertiger 1 18 Kunstobjekt-Brief 3 595 ff. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 2 27, 55 ff. – Abhandenkommen bei Besitzdienerschaft 2 60 – Abhandenkommen bei einem Besitzmittlungsverhältnis 2 60 – angemessene Sorgfaltsanforderungen der KzW 6 39 – Beginn der Verjährungsfrist mit Rückgabeverweigerung 5 301 – demand and refusal rule 5 296 ff. – Frage nach dem Abhandenkommen 2 59 ff. – Rückgabeforderung materiell-rechtliche Voraussetzung des Restitutionsanspruchs 5 300 – Sachverhalt 2 55 ff. – Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs kultureller Eigentümer 6 27 – Unterscheidung zwischen Diebstahl und veruntreuender Unterschlagung 2 63 f. – Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzdiener 2 65 ff. – Unterschlagung kultureller Güter durch einen Besitzmittler 2 61 f. – Zulässigkeit der Restitutionsklage 2 59 Kurtha v. Marks vom 27. Februar 2008 5 47 ff. Kykladenidol-Fall vom 10. Januar 1973 – archäologische Objekte generell verdachtsbegründend 3 280 – Gesamteindruck des Verkäufers auf den Erwerber verdachtsbegründend 3 294
– Nachforschungsobliegenheit 3 140 ff. – Preis des zu veräußernden Kulturguts verdachtsbegründend 3 262 – Wertvolle Objekte nur im Fachhandel, auf Versteigerungen oder von privaten Sammlern 3 292 L. AG gegen Compagnie D. vom 24. September 1987: Nachprüfungspflicht für branchenkundige Erwerber 3 220 L. contre Chambre d’accusation du canton de Genève vom 1. April 1997: im Antiquitätenhandel nicht ganz Unerfahrener erhöhte Sorgfalt 3 223 f. laches-Einwand innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika 6 14 ff. – → Verwirkung – Abgrenzung: Ersitzung, Verjährung, Verwirkung 6 14 – Adäquanz der Lokalisierungsbemühungen 6 23 – allgemeine Voraussetzungen des amerik. laches-Einwands 6 15 ff. – Assocs. v. Yerkes 6 17 – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.: angemessene Sorgfaltsanforderungen Zyperns 6 40 ff. – Beweislast des Verwirkungseinwandes auf Seiten des redlichen Erwerbers 6 21 – Beweisnot restitutionspflichtiger Besitzer 6 58 – Czartoryski-Borbon v. Turcotte: Kriterien der Sorgfaltserfüllung kultureller Eigentümer 6 37 – Czartoryski-Borbon v. Turcotte: unzureichende Nacherforschungsbemühungen 6 49 ff. – determining whether a delay is unreasonable 6 23 ff. – DeWeerth v. Baldinger: Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs kultureller Eigentümer 6 28 – DeWeerth v. Baldinger: unzureichende Nacherforschungsbemühungen 6 48 – Erisoty v. Rizik: Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs für einen Privatsammler 6 34
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– fact-sensitive inquiry that is made on a case-by-case basis 6 22 – General Stencils, Inc. v. Chiappa: Verwirkungseinwand nur redlicher Besitzer 6 15 – Glenesk v. Guidance Realty Corp. 6 17 – Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc.: angemessene due diligence-Anforderungen restitutionsberechtigter Eigentümer 6 24 ff. – Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s, Inc.: keine Möglichkeiten zum Nachweis eines gutgläubigen Eigentumserwerbs als ‚prejudice‘ 6 65 ff. – Hoelzer v. City of Stamford, Connecticut: keine Nachteile auf Seiten des restitutionspflichtigen Besitzers 6 60 ff. – Hutchinson v. Horowitz: Mangel an Zeugen als ‚prejudice‘ 6 62 ff. – kontinuierliche Überwachungs- und Lokalisierungsbemühungen umstritten 6 44 ff. – Kriterien der Sorgfaltserfüllung kultureller Eigentümer in Lokalisierung und Identifizierung 6 36 ff. – Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon: angemessene Sorgfaltsanforderungen der KzW 6 39 – Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon: Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs kultureller Eigentümer 6 27 – lost opportunity costs 6 59 – Mucha v. King: Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs kultureller Eigentümer 6 30 – multi-factor balancing of all the equities 6 22 – Museum of Fine Arts, Boston v. Dr. Claudia Seger-Thomschitz: Verwirkung (laches) der Restitutionsforderung 6 115 f. – O’Keefe v. Snyder: Kriterien der Sorgfaltserfüllung kultureller Eigentümer 6 37 – prejudice (Nachteil, Schaden oder sonstige Beeinträchtigung) des restitutionsverpflichteten Besitzers 6 56 ff. – Prouty v. Drake 6 17
– Republic of Turkey v. Metropolitan Museum of Art: Kriterien der Sorgfaltserfüllung kultureller Eigentümer 6 37 – Robins Island Preservation Fund, Inc. v. Southold Development Corp.: defense of laches 6 58 – Robinson-Erben ggü. Parke-Bernet Galleries auf Restitution des Gemäldes ‚Low Tide, Riverside Yacht Club‘: Mangel an Zeugen als ‚prejudice‘ 6 62 ff. – Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell als Präzedenz 6 14 ff. – Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell: Kriterien der Sorgfaltserfüllung kultureller Eigentümer 6 37 – Sorgfaltsmaßstab restitutionsberechtigter Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 6 23 ff. – Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs kultureller Eigentümer 6 26 ff. – United States v. Fireman’s Fund Insurance Co.: keine kontinuierliche Überwachungs- und Lokalisierungsbemühungen 6 44 – unzureichende Nacherforschungsbemühungen 6 48 ff. – Verwirkung als „illoyale Verspätung“ 6 14 – Voraussetzungen der Verwirkung höher als der Verjährung 6 21 – Voraussetzungen: Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell 6 17 ff. – Warin v. Wildenstein & Co.: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche 6 71 – Wertheimer v. Cirker’s Hayes Storage Warehouse, Inc.: doctrine of unclean hands 6 70 – Wertheimer v. Cirker’s Hayes Storage Warehouse, Inc.: ständige Überwachungs- und Lokalisierungsbemühungen 6 45 ff. Legge n. 1089: Tutela delle cose d’interesse artistico e storico vom 1. Juni 1939 – Extrakommerzialität 2 311
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Lehre vom modifizierten Privateigentum 2 348 Lehre vom ‚öffentlichen Eigentum‘ 2 348 lex rei sitae-Grundsatz 2 14, 45 Liebermann, Max – Kornfeld am Wannseegarten nach Westen 3 501 ff. Lösungsrecht, Kompromiss zwischen Eigentümer und gutgläubigem Erwerber – → Kompensationsberechtigung – → Kompensationsfähigkeit von Rückführungs- und Restaurierungskosten – → Kompensationshöhe – angemessene Entschädigungszahlung nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 innerhalb des innereuropäischen Kulturgüterverkehrs 2 224 ff. → angemessene Entschädigungszahlung nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 – Bedeutung 2 130 – Belgien 2 155 ff. – Bewertung 2 246 ff. – Code Napoléon 2 155 – droit de remboursement: Frankreich 2 132 ff. → Frankreich – Einführung 2 130 ff. – internationale Rechtsinstrumente, Überblick 2 161 ff. – Kritik 2 246 ff. – Louisiana in den Vereinigten Staaten von Amerika 2 155 ff. – Luxemburg 2 155 ff. – Monaco 2 155 ff. – payment of fair and reasonable compensation nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 2 189 ff. → payment of fair and reasonable compensation – payment of just compensation nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 2 163 ff., → payment of just compensation – Portugal 2 155 ff. – Provinz Québec in Kanada 2 155 ff. – Rechtsquellen 2 131 – Schweden 2 155 ff.
– Schweiz 2 142 ff. → Schweiz – Übersicht 2 157 ff. Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 3 425 ff. Lost Art Internet Database der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste 3 569 ff. lost opportunity costs 6 59 Louisiana in den Vereinigten Staaten von Amerika – Lösungsrecht 2 155 ff. Luxemburg – Lösungsrecht 2 155 ff. Macke, August – Waldrand 2 95 Manuskript des Marquis de Sade-Fall des Schweizer Bundesgerichts: Reputation des Händlers Indiz 3 293 Marei von Saher v. Norton Simon Museum: Verfassungswidrigkeit des California Holocaust Art Recovery Statute 5 281 ff. Margold. Inc v. Keeler 3 90 – Grenzen Nachforschungsobliegenheit von Kunsthändlern 3 90 market overt-Regel 2 40 Marquis de Sade, Alphonse Francois – Les 120 journées de Sodom 3 293 Martha Nathan-Erben gegen das Detroit Institute of Art hinsichtlich des van Gogh-Gemäldes ‚Die Grabenden‘ 2007: Verjährung von Ansprüchen auf Herausgabe NS-bedingter Kulturgutverluste 5 367 ff. Matisse, Henri – Odalisque 7 28 ff. – Visage sur fond jaune 7 24 ff. Menzel v. List 3 69 ff. – Nacherforschungspflicht des Erwerbers 3 69 – Neuentwicklung der demand and refusal rule 5 288 ff., 290 – Pflicht zur Provenienzerforschung 3 72 – Sachverhalt 3 70 ff., 5 288 ff. – Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers nur als Verwirkungs-, jedoch nicht als Verjährungseinwand 5 294 ff. – Verwirkung 6 4
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Mexiko – Extrakommerzialität 2 333 ff. Miedl gegen Eidgenossenschaft – jüdische Provenienz des zu erwerbenden Kunstwerks 3 468 Monaco – Lösungsrecht 2 155 ff. Monet, Claude – Champs de blé à Vétheuil/Wheat Field 5 307 ff. Mostaert, Jan – Portrait of a Courtier/Portrait of Charles VIII – King of France 6 53 Mucha, Alphonse – Quo Vadis/Petronius and Eunice 5 214 ff. Mucha v. King: – Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs kultureller Eigentümer 6 30 – Verifikation der ‚discovery rule‘ 5 214 ff. Museum of Fine Arts, Boston v. Dr. Claudia Seger-Thomschitz: Verwirkung (laches) der Restitutionsforderung 6 115 f. Museums of last resort → Repositories of last resort Nachforschungsobliegenheiten – → Beweislastverteilung innerhalb der deutschen Rechtsordnung – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der deutschen Rechtsordnung – De Préval v. Adrian Alan Ltd. in der Rechtsordnung Großbritanniens 3 12 – erhöhte Sorgfaltspflichten nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 3 21 ff., 24 ff. – erhöhte Sorgfaltspflichten nach Art. 6 Abs. 1 für illegal exportierte Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 3 21 ff., 39 ff. – Forderung nach Nachforschungsobliegenheiten im Schrifttum 3 10 ff. – Fragestellungen 3 6 ff.
– gegen Nachforschungsobliegenheiten im Schrifttum 3 8 ff. – innocent purchaser in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 3 16 ff. → innocent purchaser in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 – Interessengegensätze 3 13, 19 – Vorbildwirkung internationaler bzw. europäischer Rechtsinstrumente 3 15 Nachrichten Kunst 3 542 Naftzger v. The American Numismatic Society: Abkehr von dem ‚due diligence‘-Erfordernis der ‚constructive discovery rule‘ 5 260 ff. Nationalismus, kultureller 1 18, 2 385 National Stolen Art File (NSAF, FBI) 3 548 ff. Native American Graves Protection and Repatriation Act (sog. NAGPRA) 2 336 ff. nemo dat quod non habet-Grundsatz des Common Law-Rechtskreises 2 8, 20 ff., 23 ff. – Ausnahmen in den USA 2 30 ff. – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. 2 28, 34 – Erwerb von einem Kaufmann 2 35 (USA), 39 (Großbritannien) – estoppel-Grundsatz 2 36 (USA), 38 (Großbritannien) – Großbritannien 2 29 ff., 37 ff. – Handley Motor Co. v. Wood 2 23 – Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 2 27 – market overt-Regel 2 40 (Großbritannien) – Reid v. Metropolitan Police Commissioner 2 41 – Sales of Goods Act aus dem Jahre 1979 2 29 – Uniform Commercial Code (UCC) 2 24 ff. – Unterscheidung anvertraute und gestohlene Kulturgüter 2 25 ff. – Vereinigte Staaten von Amerika 2 24 ff., 31 ff.
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Sachregister
– voidable title 2 33 nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet-Grundsatz 2 8, 20 ff., 23 ff. → nemo dat quod non habet-Grundsatz Neupert gegen Eidgenossenschaft 3 436 Niederlande – Jan van der Heyden-Entscheidung vom 8. Mai 1998 5 61 f. – Verjährung auch ggü. dem bösgläubigen Besitzer 5 58 ff. NS-bedingte Kulturgutverluste, Sorgfaltsmaßstab – → Beutekunstnahme – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entarteter‘ Kunst 3 406 ff. – → entartete Kunst – → Fluchtgut, kulturelles – → Raubkunst (zweite Entziehungsphase) – Annahme von Bösgläubigkeit, theoretische Voraussetzungen 3 407 ff. – Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst, rechtserheblicher Zeitpunkt 3 449 ff. – Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst, Radbruch-Formel 3 456 ff. – Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst, Entziehungsgesetze als legitimierende Grundlage 3 456 ff. – Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst, Zusammenfassung 3 465 ff. – Bührle gegen Fischer: zeitliche Zäsur in Schweizer Raubgutbeschlüssen 3 432 ff. – Galerie Bernheim-Jeune gegen das Kunstmuseum Basel: zeitliche Zäsur 1943 vor ordentlichen Gerichten 3 440 – Galerie Wildenstein gegen Kunstmuseum Bern: zeitliche Zäsur 1943 vor ordentlichen Gerichten 3 438 – Kenntnis davon bzw. Kennenmüssen,
dass der Entziehungsakt keinen Eigentumsverlust zur Folge hatte 3 408 – Kenntnis bzw. Kennenmüssen um den kulturellen Fluchtgutcharakter, rechtserheblicher Zeitpunkt 3 442 ff. – Kenntnis bzw. Kennenmüssen um den tatsächlichen Entziehungsakt 3 408 – Kenntnis bzw. Kennenmüssen um die Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers vor der unrechtmäßigen Entziehung 3 408 – Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 3 425 ff. – Neupert gegen die Eidgenossenschaft: zeitliche Zäsur in Schweizer Raubgutbeschlüssen 3 436 – Raoul Meyer gegen Christoph Bernoulli: zeitliche Zäsur 1943 vor ordentlichen Gerichten 3 439 – verdächtige Erwerbsumstände 3 406 ff. – Zeitpunkt des gutgläubigen Erwerbs rechtserheblich 3 412 ff. – Zeitpunkt: nach der Provenienzrecherche mit Beginn der 1990er Jahre 3 418 ff. – Zeitpunkt: während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit 3 412 – Zeitpunkt: zeitliche Zäsur des Jahres 1943: Bestätigung vor ordentlichen Gerichten 3 437 ff. – Zeitpunkt: zeitliche Zäsur im Jahre 1943 beim Erwerb von Beutekunst 3 425 ff. – Zeitpunkt: Zwischenzeit: gutgläubiger Erwerb NS-bedingt entzogener Objekte nach der unmittelbaren Nachkriegszeit und vor Beginn der Provenienzrecherchen der 1990er Jahre 3 415 ff. NS-bedingte Kulturgutverluste, Verjährung – California Code of Civil Procedure 5 270 ff. – California Holocaust Art Recovery Statute 5 277 ff. – Martha Nathan-Erben gegen das Detroit Institute of Art hinsichtlich des van Gogh-Gemäldes ‚Die Grabenden‘ 2007: Verjährung von
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Ansprüchen auf Herausgabe NSbedingter Kulturgutverluste 5 367 ff. – Resolution 1205 of the Council of Europe – Looted Jewish cultural property vom 5. November 1999 5 11 ff. – Rosenthal-Forderung: temporale Präklusion von Restitutionsansprüchen 5 10 – Toledo Museum of Art v. Claude George Ullin et al. 2006: Verjährung von Ansprüchen auf Herausgabe NSbedingter Kulturgutverluste 5 367 ff. O’Keeffe, Georgia – Cliffs 5 193 ff. – Fragment of the Rancho de Taos Church 5 193 ff. – My Backyard 5 207 – Seaweed 5 193 ff. O’Keeffe v. Snyder – adverse possession: Rechtserwerb nach Besitz in „open, visible and notorious manner“ 5 193 ff. – Neuentwicklung der ‚discovery rule‘ 5 207 – rechtliche Rezeption von Datenbanken unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 3 555 ff. – Sachverhalt 5 194 Object Identification (Object ID) Systems 3 596 Ontario Museums – Statements of Principles and Policies an Ethics and Conduct 3 231 ordre public-Widrigkeit der 30-jährigen Verjährungsfrist kultureller Restitutionsansprüche 5 151 ff. Orkin v. Taylor: Lokalisierung und Identifizierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter nach der ‚constructive discovery rule‘ 5 239 Österreich – Ausschluss der Verjährung 5 16 ff. Panagía Kanakariá-Mosaik → Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. Parrish, Maxfield – Dingleton Farm 5 268 f.
payment of fair and reasonable compensation nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 2 189 ff. – Einführung 2 191 ff. – keine Kompensationszahlungspflicht für den bloßen Besitzverlust bei der Restitution illegal exportierter Kulturgüter 2 219 ff. – Kompensationsberechtigung 2 199 ff. → Kompensationsberechtigung – Kompensationsfähigkeit von Rückführungs- und Restaurierungskosten 2 205 ff. – Kompensationshöhe gestohlener Kulturgüter 2 200 ff. → Kompensationshöhe – Kompensationshöhe illegal exportierter Kulturgüter 2 220 ff. → Kompensationshöhe – Konstitutionalisierung eines gemeinsamen Fonds 2 208 – kulturpolitische Differenzen 2 193 – mögliche Ratifikation in Deutschland 2 197 – Regress für die Entschädigungssumme 2 211 – sachrechtliche Vereinheitlichung 2 195 – Unterscheidung zwischen gestohlenen und illegal exportierten Kulturgütern 2 199 ff., 212 ff. – Verfahren 2 209 ff. – Verhältnis zu nationalen Zivilrechtsordnungen 2 196 ff. – Voraussetzungen und Ausgestaltung eines Lösungsrechts bei der Restitution illegal exportierter Kulturgüter 2 216 ff. – Webb v. A.-G. for Ireland 2 206 f. payment of just compensation nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 2 163 ff. – amerikanische Convention on Cultural Property Implementation Act vom 12. Januar 1983 2 175 f. – angemessene Höhe der Entschädigungszahlung 2 182 ff. – Attorney General of New Zealand v. Ortiz 2 181
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– bösgläubige Erwerber 2 181 – deutsches Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 2 180 ff. – Draft Convention aus dem Jahre 1939 2 172 ff. – Kompensationsberechtigung → Kompensationsberechtigung – Kompensationsberechtigung umstritten 2 166 ff. – Kompensationshöhe → Kompensationshöhe – nationale Umsetzungsvorschriften 2 175 ff. – Schweizer Rechtsordnung 2 177 ff. Picasso, Pablo – Portrait de Angel Fernandez de Soto/The Absinthe Drinker 8 4 ff. Pissarro, Camille – La Seine – la passerelle de L’Institut, au fond, les quais et le Louvre 6 45 ff. Policy for Acquisitions (J. Paul Getty Museum) – Provenienzerforschungspflichten 3 233 Policy on Acquisitions vom 24. April 2007 (British Museum) 3 358 ff. Porter v. Wertz and Richard Feigen Gallery, Inc., Richard L. Feigen & Co., Inc., and Richard L. Feigen 3 73 ff. – Diskretion im Bereich des Kunsthandels 3 77 – erhöhte Sorgfaltspflichten der professionell im Kunsthandel Beteiligten 3 82 – reasonable commercial standards 3 80 Portugal – Lösungsrecht 2 155 ff. Position paper Art Museums and the Identification and Restitution of Work Stolen by the Nazis (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 535 ff. Pretore di Milano vom 2.3.1987: keine Gutglaubensvermutung für Antiquitätenhändler 3 229 probatio diabolica-Doktrin 3 243 Prouty v. Drake 6 17 Provenienzerforschung
– → Dokumentationsquellen – → Nachforschungsobliegenheiten Quadri c. Hôtel Brissago vom 15.2.1922: keine Verjährung kultureller Vindikationsansprüche 5 20 Québec in Kanada – Lösungsrecht 2 155 ff. Quedlinburger Domschatz-Fall 5 141 ff. R. v. Yorke: Informationspflicht über eventuell bestehende Kulturgüterschutzgesetze 3 309 f. Raoul Meyer gegen Christoph Bernoulli 3 439 Raubkunst (der zweiten Phase) – → Beweislastverteilung bei Restitution NS-bedingter Kulturgutverluste – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entarteter‘ Kunst 3 406 ff. – → NS-bedingte Kulturgutverluste, Sorgfaltsmaßstab – → NS-bedingte Kulturgutverluste, Verjährung – Abhandenkommen 2 93 ff. – Entziehungstatbestand 1 6 – Forderung nach einer Beweislastumkehr bei NS-bedingten Kulturgutverlusten im Schrifttum 3 175 – Sperrmüll-Macke-Entscheidung des LG Bonn vom 25.6.2002 2 95 Re Estate of McCagg: Bestätigung der Menzel v. List-Entscheidung 5 295 rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb – Konsensprinzip 2 3 – rechtlicher Rahmen 2 2 ff. – rechtskonstruktive Ausgestaltung der Eigentumsübertragung 2 3 ff. – Traditionsprinzip mit abstraktem Rechtsgrund 2 3 – Unterschiede im Common und Civil Law 2 11 ff. – Versteigerung, öffentliche 2 101 ff. → Versteigerung, öffentliche Referentenentwurf eines Rahmengesetzes zum Schutz nationalen Kulturgutes
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(E KultgSRG) vom 10. Oktober 1997 2 366 Register for Stolen Art and Artefacts (ROSA) 3 570 Reid v. Metropolitan Police Commissioner – Erwerbszeit verdachtsbegründend 3 269 – gutgläubiger Erwerb (market overt) 2 41 Repatriierung kolonialbedingter Kulturgutverlagerungen → kolonialbedingte Kulturgutverlagerungen Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 3 315 ff., 351 ff. Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era 1933–1945 (American Association of Museums Directors, AAMD) vom 4. Juni 1998 3 535 ff. Repositories of Last Resort – Code of Ethics for Museums (Ethische Richtlinien für Museen, ICOM) 3 336 – Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005 (Department for Culture, Media and Sport, DCMS) 3 327 ff. – Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 357 Republic of Turkey v. Metropolitan Museum of Art: – Bestätigung der Solomon R. Guggenheim-Entscheidung 5 339 ff. – Kriterien der Sorgfaltserfüllung kultureller Eigentümer 6 37 Republic of Turkey v. OKS Partners: constructive discovery rule als Nachteil für Restitutionsgläubiger 5 205 res communes omnium 2 256 res divini iuris 2 256 res extra commercium 2 253 ff. – Abgrenzung Veräußerungsverbot 2 253
– Abgrenzung Verfügungsbeschränkung 2 253, 325 – Ausschluss des derivativen (gutgläubigen) Erwerbs 2 324 ff. – Casa della cultura ecuadoriana c. Danusso 2 390 ff. – demanio pubblico der italienischen Rechtsordnung 2 277 ff. → demanio pubblico – Designation kultureller Güter zu ‚öffentlichen Sachen‘ 2 261 ff. – Deutschland, nicht 2 341 ff. → Extrakommerzialität kultureller Güter in Deutschland – domaine public der französischen Rechtsordnung 2 265 ff., → domaine public – domaniale Kulturgüter 2 264 ff. – Duc de Frias v. Baron Pichon aus dem Jahre 1886 2 393 – Einordnung in das Rechtssystem 2 254 – Extrakommerzialität im engeren Sinn 2 258, 264 ff. – Extrakommerzialität im weiteren Sinn 2 259, 289 ff. – Frankreich 2 332 ff. – Griechenland 2 320 – inhaltliche Ausgestaltung 2 321 ff., 326 ff. – intrinsische, dingliche Eigenschaft der Sache 2 322 – Mexiko 2 333 ff. – praktische Applikation der Extrakommerzialität kultureller Güter 2 331 ff. – Rechtsmethoden der Bestimmung kultureller Wertgegenstände als res extra commercium 2 257 ff. – römisches Privatrecht, Einordnung in 2 256 – Spanien 2 319 – Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini vom 27. Juni 1987 2 394 ff. – Statutenwechsel qualifiziert 2 391 ff. – Statutenwechsel, schlicht 2 389 ff. – Überblick 2 386 ff. – Unersitzbarkeit 2 328 ff., 329 – Unverjährbarkeit 2 328 ff., 330
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– Vereinigte Staaten von Amerika 2 336 ff. – Verjährung 5 21 ff. res extra patrimonium 2 256 res humani iuris 2 256 res publicae 2 256 res quarum commercium non est 2 256 res religiosae 2 256 res sacrae 2 256, 342 res sanctae 2 256 res sui generis – Argument für Nachforschungsbemühungen 3 132 ff. – Extrakommerzialität 2 255 – spezielle Sachqualität von Kunstgegenständen 3 132 – Unikatfunktion kultureller Güter 3 133 Restaurierungskosten, Kompensationsfähigkeit – Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 2 205 ff. – Webb v. A.-G. for Ireland 2 206 f. Rheinstein-Bögen-Fall, Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs 3 159 Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 – Kompensationsberechtigung 2 231 ff. → Kompensationsberechtigung – Eigentümer i.S.d. EG-Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 2 233 ff. – Kompensationshöhe 2 237 ff. → Kompensationshöhe – Spekulationsgewinn 2 239 ff. – Regress des die Restitution beanspruchenden Staates 2 245 – Ausgaben, die sich aus dem Vollzug der Entscheidung ergeben 2 245 – Gegenstand des Sorgfaltsmaßstabs: Rechtmäßigkeit der Verbringung aus dem kulturellen Ursprungsstaat 3 49 – innerdeutsche Umsetzung nach § 10 Kulturgüterrückgabegesetz vom 18. Mai 2007 3 51 f.
– Beweislast nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats 3 53 – angemessene Entschädigungszahlung nach Art. 9 der Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 2 224 ff. – Bedeutung 1 16 – erforderliche Sorgfalt nach Art. 9 der EG-Richtlinie vom 15. März 1993 3 48 ff. – Verjährung 5 2, 35 ff. Risiken unsorgfältigen Verhaltens im internationalen Kunsthandel 7 1 ff. – Ausschluss kultureller Restitutionsansprüche bei unsorgfältigem Verhalten der Eigentümer unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 7 87 ff. – bußgeldbewehrte Mindestverhaltensanforderungen, Sorgfalts- und Aufzeichnungspflichten der professionell am Kunsthandel Beteiligten 7 50 ff. – Einführung 7 1 ff. – Inanspruchnahme mit Schadensersatzansprüchen bei Weiterveräußerung 7 22 ff. – Pflicht zur Restitution unrechtmäßig entzogener Gegenstände an den wahren Eigentümer 7 3 ff. – Stigmatisierung von Kulturgütern mit dem Makel der Illegalität 7 13 ff. – strafrechtliche Sanktionen beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter 7 33 ff. – Übersicht 7 1 – verbandsinterne Sanktionen bei Verstößen gegen selbstauferlegte Verhaltensstandards 7 85 ff. – Verlust des Kompensationsrecht unredlicher Erwerber 7 7 ff. – wirtschaftliche Entwertung illegal transferierter Kulturgüter 7 13 ff. – Zusammenfassung 7 89 ff. Robins Island Preservation Fund, Inc. v. Southold Development Corp. 6 58 Robinson, Theodore – Low Tide, Riverside Yacht Club 6 62 ff. Robinson-Erben ggü. Parke-Bernet Galleries auf Restitution des Gemäldes ‚Low Tide, Riverside Yacht Club‘:
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Verwirkung des Restitutionsanspruchs 6 62 ff. Rubens, Peter Paul – Tarquinius und Lucretia 3 276 ff. Rückführungskosten, Kompensationsfähigkeit – Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 2 205 ff. – Webb v. A.-G. for Ireland 2 206 f. Sales of Goods Act aus dem Jahre 1979 – nemo dat quod non habet-Grundsatz 2 29 Schoeps vs. Andrew Lloyd Webber Art Foundation vor dem U.S. District Manhattan federal court im November 2007: Nachweis der ursprünglichen Eigentümerstellung 8 4 ff. Schweden – Lösungsrecht 2 155 ff. Schweiz – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der Schweizer Rechtsordnung – Abhandenkommen 2 146 ff. – gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Erwerb 2 142 ff. – Koerfer gegen Goldschmidt vom 13. Dezember 1968 3 216 ff., → Koerfer gegen Goldschmidt – L. AG gegen Compagnie D. vom 24. September 1987: Nachprüfungspflicht für branchenkundige Erwerber 3 220 – L. contre Chambre d’accusation du canton de Genève vom 1. April 1997: im Antiquitätenhandel nicht ganz Unerfahrener erhöhte Sorgfalt 3 223 f. – Lösungsrecht 2 142 ff., 152 ff. – privilegierter Erwerb in einer öffentlichen Versteigerung, „auf dem Markt“ oder „durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt“ 2 150 ff. – Sorgfaltsmaßstab 3 213 ff. → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der Schweizer Rechtsordnung
– spezielle Sorgfaltsanforderungen im Schweizer Kulturgütertransfergesetz 3 225 ff. – Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhandengekommenen Sachen 2 144 ff. – Verjährung kultureller Restitutionsansprüche ausgeschlossen 5 16 ff. – Versicherung X. gegen A. M. vom 5. März 1996: hohe Anforderungen an Erwerber mit Branchenkenntnissen 3 221 f. – Verwirkungsfrist von 5 Jahren 2 150 – Waffensammlung-Fall: angemessener Kaufpreis Gutgläubigkeit des Erwerbers 3 264 selbstauferlegte Verhaltensstandards – Addendum to the Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/World War II Era 1933–1945 (American Association of Museums Directors, AAMD) vom 30. April 2001 im Mai 2007 3 535 ff. – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.: Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 393 – Berliner Erklärung zu Leihgaben und Neuerwerbungen von archäologischen Objekten durch Museen aus dem Jahr 1988 3 362 f. – Berliner Resolution vom 25. Mai 2003 3 364 ff. – British Dealers Code of Practice aus dem Jahre 1986 3 231 – Code of Due Diligence for Dealers Trading in Fine Art, Antiques, Antiquarian Books, Manuscripts and Collectors Items (Council for the Prevention of Art Theft, CoPAT) 3 234 ff. – Code of Ethics aus dem Jahr 2001 (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 351 – Code of Ethics For Museums (British Museums Association) 3 231 f. – Code of Ethics for Museums (Ethische Richtlinien für Museen, ICOM) 3 331 ff.
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– Code of Ethics for Museums 2000 (American Association of Museums) 3 344 ff. – Code of Practice (UK Fine Art and Antiques Trade Members) 3 233 – Code of Practice of UK Fine Art and Antiques Trade Members 3 390 ff. – Consignment Agreements von Sotheby’s in Art. 8 3 379 ff. – Consignor’s Representations and Warranties, Covenants and Indemnification von Christie’s in Art. 5 3 379 ff. – Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005 (Department for Culture, Media and Sport, DCMS) 3 318 ff. – Einfluss auf die Ausgestaltung der Gesetzeslage 3 397 – Ethical Code of Conduct (Confédération Internationale des Négociants en Œuvres D’Art, CINOA) 3 371 ff. – Ethics of Acquisitions aus dem Jahr 1970 (ICOM) 3 331 ff. – Ethische Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums, ICOM) 3 331 ff., 361 – Fortentwicklung des internationalen Kulturgüterschutzrechts 3 397 – Guidelines Concerning the Unlawful Appropriation of Objects During the Nazi Era (American Association of Museums, AAM) aus dem Jahr 1999 (in der Fassung April 2001) 3 533 ff. – ICOM-Kodex 3 231, 331 ff. – International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property aus dem Jahre 1999 (UNESCO) 3 368 ff. – Jeanneret v. Vichy: Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 393 – Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd.: Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 390 ff. – Policy for Acquisitions (Getty Museum) 3 233 – Policy on Acquisitions vom 24. April 2007 (British Museum) 3 358 ff. – Position paper Art Museums and the Identification and Restitution of Work
Stolen by the Nazis (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 535 ff. – positive Effekte im internationalen Kunsthandel 3 387 ff. – Provenienzerforschungspflichten 3 231 ff. – Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 315 ff., 351 ff. – Report of the AAMD Task Force on the Spoliation of Art during the Nazi/ World War II Era 1933–1945 (American Association of Museums Directors, AAMD) vom 4. Juni 1998 3 535 ff. – Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards in Gerichtsentscheidungen 3 389 ff. – Standards für Museen (Deutscher Museumsbund) 3 231 – Standards Regarding Archaeological Material and Ancient Art vom 11. August 2008 (American Association of Museums, AAM) 3 348 ff. – Statements of Principles and Policies an Ethics and Conduct (Ontario Museums) 3 231 – Verhaltenskodex des Bundesverbandes Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler (Bundesverband des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels, BDKA) 3 374 ff. – Verhaltenskodex für den internationalen Handel mit Kunstwerken (Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer e.V.) 3 385 ff. – Verhaltensrichtlinien vom 14. September 2001 (Deutscher Kunsthandelsverband e.V.) 3 377 ff. Seurat, Georges – Un Dimanche à la Grande Jatte 2 273 Society of California Pioneers v. Roger Baker vom 15. März 1996 5 273 f. Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell 3 105 ff., 5 324 ff.
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– Appellate Division: unzureichende Sorgfaltsanstrengungen Frage der Verwirkung (laches-Grundsatz), nicht Verjährung 5 328 – Court of Appeals of New York: Entscheidung gegen spezielle due diligenceAnforderungen des Eigentümers 5 329 – Court of Appeals of New York: unangemessene Lokalisierungsbemühungen als Verwirkungseinwand (defense of laches) 5 335 ff. – Kriterien der Sorgfaltserfüllung kultureller Eigentümer 6 37 – notwendiger Sorgfaltsmaßstab privater gutgläubiger Erwerber 3 109 ff. – Präzedenz des laches-Einwands innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika 6 14 ff., 17 ff. – Provenienzrecherche für jeden gutgläubigen Erwerber 3 107 – rule that affords the most protection to the true owners of stolen property 5 331 – Sachverhalt 3 106 – taktische Erwägungen gegen Nachforschungsanstrengungen 5 326 – trial court: demand and refusal rule u. unzulängliche Nachforschungsanstrengungen 5 327 – unzureichende Nachforschungsanstrengungen der Solomon R. Guggenheim Foundation 5 324 ff. – Verifizierungsbemühungen auch privater Kunstsammler beim Erwerb 3 105 ff. Sorgfaltsanforderungen nach dem Schweizer Kulturgütertransfergesetz 7 58 ff. – kultureller Institutionen des Bundes, im Kunsthandel und Auktionswesen 7 58 ff. Sorgfaltsmaßstab 3 1 ff. – → Beweislastverteilung innerhalb der deutschen Rechtsordnung – → Checkliste Beutekunst, kulturelles Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entartete‘ Kunst 3 406 ff. – → Checkliste gestohlene Kulturgüter 3 257 ff.
– → Checkliste illegal exportierte Kulturgüter 3 308 ff. – → NS-bedingte Kulturgutverluste, Sorgfaltsmaßstab – → Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb gestohlener Kulturgüter – → Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter – → Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb NSbedingt entzogener Kulturgüter – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der deutschen Rechtsordnung – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der italienischen Rechtsordnung – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der Schweizer Rechtsordnung – De Préval v. Adrian Alan Ltd. in der Rechtsordnung Großbritanniens 3 12 – erforderliche Sorgfalt nach Art. 9 der EG-Richtlinie vom 15. März 1993 3 48 ff., → erforderliche Sorgfalt nach Art. 9 der EG-Richtlinie vom 15. März 1993 – erhöhte Sorgfaltspflichten nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 3 21 ff., 24 ff. – erhöhte Sorgfaltspflichten nach Art. 6 Abs. 1 für illegal exportierte Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 3 21 ff., 39 ff. – Forderung nach Nachforschungsobliegenheiten im Schrifttum 3 10 ff. – Fragestellungen 3 6 ff. – gegen Nachforschungsobliegenheiten im Schrifttum 3 8 ff. – innocent purchaser in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 3 16 ff. → innocent purchaser in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 – Interessengegensätze 3 13, 19
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– normative Konkretisierung des notwendigen Sorgfaltsmaßstabs gutgläubiger Erwerber 3 5 ff. – Vorbildwirkung internationaler bzw. europäischer Rechtsinstrumente 3 15 Sorgfaltsmaßstab Deutschland 3 113 ff. – → Beweislastverteilung innerhalb der deutschen Rechtsordnung – Bestimmung der Bösgläubigkeit 3 114 – Erfolg der Verifizierungsbemühungen nicht entscheidend 3 143 – Fahrlässigkeit 3 119 – Forderung nach Verifizierungsbemühungen im Schrifttum 3 129 – generelle Nachforschungsobliegenheit im kulturgüterspezifischen Schrifttum 3 152 ff. – generelle Nachforschungsobliegenheit im kulturgüterunspezifischen Schrifttum 3 150 ff. – generelle Nachforschungsobliegenheit innerhalb des (inter-)nationalen Kulturgüterverkehrs 3 144 ff., 147 ff. – generelle Nachforschungsobliegenheit zumutbar 3 154 – gewöhnliche u. ungewöhnliche Umsatzgeschäfte 3 131 – grobe Fahrlässigkeit 3 120, 123 – grobfahrlässige Unkenntnis von der wahren Rechtslage 3 114, 117 ff. – Grundkonzeption des BGB gegen Provenienzerforschung 3 128 – Kenntnis vom Nichteigentum des Veräußerers 3 114, 115 ff. – kultureller und materieller Wert als Variablen des Sorgfaltsmaßstabs 3 164 ff. – Kulturgüterverkehr als verkehrstypische Gefahrensituation 3 147 ff. – Kunsthandel als „anfälliger Geschäftsbereich“ 3 152 – Kykladenidol-Fall vom 10. Januar 1973 3 140 ff. – Milderung des Sorgfaltsmaßstabs 3 155 ff. – Nichtbeachtung signifikanter Hinweise 3 124 ff.
– Obliegenheit zur Provenienzerforschung in einer konkreten Verdachtssituation 3 135, 137 ff. – Prüfungsschema 3 121 – Rechtfertigung einer Provenienzerforschung 3 134 – rechtsdogmatischer Hintergrund 3 113 – Rechtsschein des Besitzes 3 114 – Rheinstein-Bögen-Fall: Subjektivierung und Individualisierung 3 159 – spezielle Sachqualität von Kunstgegenständen 3 132 – Steigerung des Sorgfaltsmaßstabs 3 160 ff. – Subjektivierung und Individualisierung des Sorgfaltsmaßstabs 3 122 f., 155 ff., 160 ff., 163 ff. – Systematik des gutgläubigen Fahrniserwerbs des historischen Gesetzgebers 3 130 – unbedarfte Privatperson und professionell im Kunsthandel Beteiligte als Variablen des Sorgfaltsmaßstabs 3 164 ff. – Unterlassen gebotener Nachforschungen 3 126 ff. – Unterscheidung „all transferees of cultural property“ und „sophisticated transferees“ im Schrifttum 3 156 f. – variabler Sorgfaltsmaßstab 3 163 ff. – Vergleich zum KFZ-Gebrauchtwagenkauf 3 139 – Vertrauen des Erwerbers auf die augenscheinliche Besitzlage 3 145 ff. – Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 BGB 3 168 Sorgfaltsmaßstab gestohlener Kulturgüter – → Checkliste gestohlene Kulturgüter – archäologische Objekte besondere Objektqualität 3 280 – Art, Gestaltung und Inhalt des Kulturguttransfers 3 259 ff. – Auktion: Veräußerung für eigene oder für fremde Rechnung bedeutsam 3 287 ff. – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.: Ort verdachtsbegründend 3 270
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– Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg: beispielhafte Applikation der Checkliste 3 302 ff – Besitzdauer beim Veräußerer Indiz für Nichtberechtigung 3 283 – Besitzverhältnisse Indizien für Nichtberechtigung 3 283 – Bodensee Kunstauktions-Entscheidung des BGH: Versteigerung für eigene oder für fremde Rechnung bedeutsam 3 289 – Desportes Still-life-Fall: Preis verdachtsbegründend 3 261 – dingliche Eigenschaften verdachtsbegründend nach Art. 4 Abs. 4 der UNIDROIT Convention 3 281 – Eile bei der Veräußerung verdachtsbegründend 3 284 – Erisoty v. Rizik: Schäden am Objekt verdachtsbegründend 3 279 – Erklärungen des Veräußerers verdachtsbegründend 3 295 ff. – Erwerbsort und besondere Objektqualität 3 270 ff. – Erwerbsumstände 3 259 – Euphronios Krater-Fall: Erklärungen des Veräußerers verdachtsbegründend 3 296 – Geschäftsgebaren des Veräußerers verdachtsbegründend 3 300 – Gragnani-Geigen-Fall des OLG München: Ort verdachtsbegründend 3 271 ff. – Hamburger Stadtsiegel-Fall: Veräußerung auf offener Straße verdachtsbegründend 3 274 f. – Herkunft aus Afghanistan, Irak generell verdachtsbegründend 3 281 – Jawlensky-Entscheidung des BGH: Versteigerung für eigene oder für fremde Rechnung bedeutsam 3 288 – Kykladenidol-Fall des BGH: Gesamteindruck des Verkäufers auf den Erwerber 3 294 – Kykladenidol-Fall des BGH: Wertvolle Objekte nur im Fachhandel, auf Versteigerungen oder von privaten Sammlern 3 292
– Kykladenidol-Fall: archäologische Objekte generell verdachtsbegründend 3 280 – Kykladenidol-Fall: Preis verdachtsbegründend 3 262 – Legitimation des Veräußerers als subjektives Hinweiszeichen 3 292 ff. – Manuskript des Marquis de Sade-Fall des Schweizer Bundesgerichts: Reputation des Händlers Indiz 3 293 – objektive Indizien 3 258 ff. – Objektqualität, außergewöhnliche, besonders verdachtsbegründend 3 282 – Ort der Übergabe verdachtsbegründend 3 270 – Persönlichkeit des Veräußerers im Allgemeinen 3 294 – Preis des zu veräußernden Kulturguts 3 260 – Reid v. Metropolitan Police Commissioner: Erwerbszeit verdachtsbegründend 3 269 – Restitutionsbegehr des Rubens-Gemäldes ‚Tarquinius und Lucretia‘: Schäden am Objekt verdachtsbegründend 3 276 ff. – Restitutionsklage Grünwald-Erben gegen Musée d’Art Moderne et Contemporain Strasbourg hinsichtlich Klimt-Gemälde ‚Die Erfüllung‘: Preis verdachtsbegründend 3 265 ff. – Solidität Hinweis auf das Nichteigentum des Veräußerers 3 285 – subjektive Indizien 3 291 ff. – Taborsky v. Maroney: Preis verdachtsbegründend 3 263 – Umstände der Kaufsache verdachtsbegründende Indizien 3 276 ff. – United States v. McClain: Transportspuren, Erde oder Strohreste verdachtsbegründend 3 280 – Urkunden als Indizien der Eigentümerstellung des Veräußerers 3 297 – verkehrsübliche bzw. verkehrsunübliche Abwicklung objektive Indizien 3 285 ff. – Vermögenslage des Veräußerers verdachtsbegründend 3 300 – Versteigerung: Veräußerung für eigene
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oder für fremde Rechnung bedeutsam 3 287 ff. – Waffensammlung-Fall, Schweiz: angemessener Kaufpreis Gutgläubigkeit des Erwerbers 3 264 – Zusammenfassung 3 305 ff. Sorgfaltsmaßstab illegal exportierte Kulturgüter – → Checkliste illegal exportierte Kulturgüter 3 308 ff. – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.: Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 393 – Berliner Erklärung zu Leihgaben und Neuerwerbungen von archäologischen Objekten durch Museen aus dem Jahr 1988 3 362 f. – Berliner Resolution vom 25. Mai 2003 3 364 ff. – Code of Ethics aus dem Jahr 2001 (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 351 – Code of Ethics for Museums (Ethische Richtlinien für Museen, ICOM) 3 331 ff. – Code of Ethics for Museums 2000 (American Association of Museums) 3 344 ff. – Code of Practice of UK Fine Art and Antiques Trade Members 3 390 ff. – Consignment Agreements von Sotheby’s in Art. 8 3 379 ff. – Consignor’s Representations and Warranties, Covenants and Indemnification von Christie’s in Art. 5 3 379 ff. – Department for Culture, Media and Sport (DCMS)-Richtlinien (Großbritannien) aus dem Jahre 2005: zeitliche Grenze 1970 3 315 ff. – Due diligence guidelines for museums, libraries and archives on collecting and borrowing cultural material vom Oktober 2005 (Department for Culture, Media and Sport, DCMS) 3 318 ff., 402 ff. – Ethical Code of Conduct (Confédération Internationale des Négociants en Œuvres D’Art, CINOA) 3 371 ff.
– Ethics of Acquisitions aus dem Jahr 1970 (ICOM) 3 331 ff. – Ethische Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums, ICOM) 3 331 ff., 361 – Fehlen einer Ausfuhrbescheinigung verdachtsbegründend 3 314 – International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property aus dem Jahre 1999 (UNESCO) 3 368 ff. – Jeanneret v. Vichy: Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 393 – Kenntnis von der Kulturgüterschutzvorschrift beim Export 3 309 ff. – Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd.: Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards 3 390 ff. – Policy on Acquisitions vom 24. April 2007 (British Museum) 3 358 ff. – R. v. Yorke: Informationspflicht über eventuell bestehende Kulturgüterschutzgesetze 3 309 f. – Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008: zeitliche Grenze 1970 3 315 ff. – Report of the AAMD Task Force on the Acquisition of Archaeological Materials and Ancient Art vom 4. Juni 2008 (American Association of Museums Directors, AAMD) 3 315 ff., 351 ff., 401 – Rezeption ethischer Mindestverhaltensstandards in Gerichtsentscheidungen 3 389 ff. – Standards Regarding Archaeological Material and Ancient Art vom 11. August 2008 (American Association of Museums, AAM) 3 348 ff. – Umstände des Erwerbs verdachtsbegründend 3 313 – UNESCO-Convention vom 14. November 1970: gesteigerte Sorgfaltsanforderungen seit 1970 – Verhaltenskodex des Bundesverbandes Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler (Bundesverband des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels, BDKA) 3 374 ff.
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– Verhaltenskodex für den internationalen Handel mit Kunstwerken (Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer e.V.) 3 385 ff. – Verhaltensrichtlinien vom 14. September 2001 (Deutscher Kunsthandelsverband e.V.) 3 377 ff. – Vorgaben der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 3 311 – zeitliche Grenze des Jahres 1970 zur Bestimmung der Gutgläubigkeit – Zusammenfassung 3 398 ff. Sorgfaltsmaßstab Italien 3 228 ff. – eingeschränkter Sorgfaltsmaßstab 3 228 ff. – Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini vor dem Tribunale di Roma vom 27. Juni 1987: Gutglaubensvermutung 3 230 – Pretore di Milano vom 2.3.1987: keine Gutglaubensvermutung für Antiquitätenhändler 3 229 Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb NSbedingt entzogener Kulturgüter – → Beutekunstnahme – → Checkliste Beutekunst, kulturelles Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entartete‘ Kunst 3 406 ff. – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entarteter‘ Kunst 3 406 ff. – → entartete Kunst – → Fluchtgut, kulturelles – → Raubkunst (zweite Entziehungsphase) – Annahme von Bösgläubigkeit, theoretische Voraussetzungen 3 407 ff. – Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst, rechtserheblicher Zeitpunkt 3 449 ff. – Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst, Radbruch-Formel 3 456 ff. – Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst, Entziehungsgesetze als legitimierende Grundlage 3 456 ff.
– Bösgläubigkeit beim Erwerb der Raubkunst und der entarteten Kunst, Zusammenfassung 3 465 ff. – Bührle gegen Fischer: zeitliche Zäsur in Schweizer Raubgutbeschlüssen 3 432 ff. – Galerie Bernheim-Jeune gegen das Kunstmuseum Basel: zeitliche Zäsur 1943 vor ordentlichen Gerichten 3 440 – Galerie Wildenstein gegen Kunstmuseum Bern: zeitliche Zäsur 1943 vor ordentlichen Gerichten 3 438 – Kenntnis davon bzw. Kennenmüssen, dass der Entziehungsakt keinen Eigentumsverlust zur Folge hatte 3 408 – Kenntnis bzw. Kennenmüssen um den kulturellen Fluchtgutcharakter, rechtserheblicher Zeitpunkt 3 442 ff. – Kenntnis bzw. Kennenmüssen um den tatsächlichen Entziehungsakt 3 408 – Kenntnis bzw. Kennenmüssen um die Rechtsposition des ursprünglichen Eigentümers vor der unrechtmäßigen Entziehung 3 408 – Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 3 425 ff. – Neupert gegen die Eidgenossenschaft: zeitliche Zäsur in Schweizer Raubgutbeschlüssen 3 436 – Raoul Meyer gegen Christoph Bernoulli: zeitliche Zäsur 1943 vor ordentlichen Gerichten 3 439 – verdächtige Erwerbsumstände 3 406 ff. – Zeitpunkt des gutgläubigen Erwerbs rechtserheblich 3 412 ff. – Zeitpunkt: nach den Provenienzrecherchen mit Beginn der 1990er Jahre 3 418 ff. – Zeitpunkt: während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit 3 412 – Zeitpunkt: zeitliche Zäsur des Jahres 1943: Bestätigung vor ordentlichen Gerichten 3 437 ff. – Zeitpunkt: zeitliche Zäsur im Jahre 1943 beim Erwerb von Beutekunst 3 425 ff. – Zeitpunkt: Zwischenzeit: gutgläubiger
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Erwerb NS-bedingt entzogener Objekte nach der unmittelbaren Nachkriegszeit und vor Beginn der Provenienzrecherchen der 1990er Jahre 3 415 ff. Sorgfaltsmaßstab Schweiz 3 213 ff. – generelle Nachforschungspflicht der professionell am Kunsthandel Beteiligten 3 219 ff. – Koerfer gegen Goldschmidt vom 13. Dezember 1968 3 216 ff. → Koerfer gegen Goldschmidt – L. AG gegen Compagnie D. vom 24. September 1987: Nachprüfungspflicht für branchenkundige Erwerber 3 220 – L. contre Chambre d’accusation du canton de Genève vom 1. April 1997: im Antiquitätenhandel nicht ganz Unerfahrener erhöhte Sorgfalt 3 223 f. – Legaldefinition des ‚guten Glaubens‘ in Art 3 ZGB 3 213 ff. – Nachforschungspflicht bei Zweifeln an der Eigentumslage 3 218 – spezielle Sorgfaltsanforderungen im Schweizer Kulturgütertransfergesetz 3 225 ff. – verdächtige Umstände führen zur Nachforschungspflicht 3 215 – Versicherung X. gegen A. M. vom 5. März 1996: hohe Anforderungen an Erwerber mit Branchenkenntnissen 3 221 f. Sorgfaltsmaßstab Vereinigte Staaten 3 59 ff. – ausnahmsweise gutgläubiger Erwerb innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung 3 59 – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg: Konkretisierung Sorgfaltsmaßstab 3 91 ff. → Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg – Cantor v. Anderson: Provenienzerforschungsobliegenheit von Kunsthändlern 3 89 – Howley v Sotheby’s: Provenienzerforschungsobliegenheit von Kunsthändlern 3 88 – Margold. Inc v. Keeler: Grenzen Nach-
forschungsobliegenheit von Kunsthändlern 3 90 – Menzel v. List: inquiry of status of title seitens professionell im Kunsthandel Beteiligter 3 69 ff. → Menzel v. List – Porter v. Wertz: commercial indifference von Kunsthändlern als Kriterium der Bösgläubigkeit 3 73 ff. – Provenienzerforschung seitens der professionell am Kunsthandel beteiligten Museen, Händler, Galeristen und Auktionshäuser 3 64 ff. – Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell: Verifizierungsbemühungen auch privater Kunstsammler 3 105 ff., → Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell – Taborsky v. Maroney: Gutglaubensausschluss „when a merchant buyer closes his eyes to the danger signals“ 3 83 ff. – United States of America v. an Original Manuscript: Schwierigkeiten in der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs 3 101 ff. – Vermutung der Bösgläubigkeit der Erwerber innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung 3 62 – Zusammenfassung 3 110 ff. Sotheby’s – Consignment Agreements 3 379 ff. Souza, Francis Newton – Chalice with Host 5 47 ff. – Head of a Portuguese Navigator 5 47 ff. Spanien – Extrakommerzialität 2 319 – Ley del Patrimonio Histórico Español vom 25. Juni 1985 2 319 Spekulationsgewinn eines Lösungsrechts 2 182 ff. Sperrmüll-Macke-Entscheidung des LG Bonn vom 25.6.2002 2 95 Standards für Museen (Deutscher Museumsbund) – Provenienzerforschungspflichten 3 231 Standards Regarding Archaeological Material and Ancient Art vom
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11. August 2008 (American Association of Museums, AAM) 3 348 ff. Statements of Principles and Policies an Ethics and Conduct (Ontario Museums) – Provenienzerforschungspflichten 3 231 Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini – Extrakommerzialität nach einem qualifizierten Statutenwechsel 2 394 ff. – Gutglaubensvermutung 3 230 – Gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Erwerb auch gestohlener Kulturgüter 2 128 Statutenwechsel, qualifiziert – Duc de Frias v. Baron Pichon aus dem Jahre 1886 2 393 – Extrakommerzialität 2 389 ff., 392 ff., 396 ff. – Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini vom 27. Juni 1987 2 394 ff. Statutenwechsel, schlicht 2 389 ff. – Casa della cultura ecuadoriana c. Danusso 2 390 ff. – Extrakommerzialität 2 389 ff. Stigmatisierung von Kulturgütern mit dem Makel der Illegalität 7 13 ff. – Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd. 7 15 ff. strafrechtliche Sanktionen beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter 7 33 ff. – Beschlagnahme Jan Brueghels Jüngeren-Gemäldes ‚Vor der Dorfschänke‘ durch die Staatsanwaltschaft 7 48 ff. – Musterprozesse in Italien und Griechenland gegen Marion True, ehemalige Kuratorin Getty Museum 7 33 ff. – Restitutionsbegehr der Republik Irak hinsichtlich eines Gefäßes aus Goldblech aus dem Jahr 2009 7 46 ff. – United States of America v. Frederick Schultz 7 41 ff. – United States v. Hollinshead 7 37 ff. – United States v. McClain 7 38 ff. Substanzverletzung 1 10
Synopsis: Internationaler Kunsthandel, Kulturgüterschutz und Kunstrestitution im Zivilrecht 8 1 ff. Taborsky v. Maroney 3 83 ff. – Gutgläubigkeit eines Kunsthändlers 3 83 ff. – Preis verdachtsbegründend 3 263 – Sachverhalt 3 84 – Untersuchungspflicht im (inter-)nationalen Kulturgüterverkehr 3 83 ff. Testo unico delle disposizioni legislative in materia di beni culturali e ambientali vom 29. Oktober 1999 – Extrakommerzialität 2 313 The Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem v. Christie’s Inc. 4 103 ff. Thesaurus Group 3 572 ff. Toledo Museum of Art v. Claude George Ullin et al. 2006: Verjährung von Ansprüchen auf Herausgabe NS-bedingter Kulturgutverluste 5 367 ff. Trace Looted Art 3 574 ff. Trace Magazine 3 572 ff. traditional accrual rule: unrechtmäßige Entziehung als frühest möglicher Verjährungsbeginn 5 175 ff. – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.: doctrine of fraudulent concealment 5 181 ff. – Bedeutung 5 175 – doctrine of fraudulent concealment: Unterbrechung der Verjährung bei arglistigem Verschweigen 5 180 ff. – Förderung der illegalen Marktgängigkeit abhandengekommener Kulturgüter 5 177 – Rechtssicherheit des kulturellen Güterverkehrs 5 176 – Rechtssicherheit für gutgläubige Erwerber 5 176 – Unausgewogenheit zulasten der Eigentümer 5 177 Traditionsprinzip mit abstraktem Rechtsgrund 2 3 Trans-Art International 3 581 ff. Trophäenkunst 1 6
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UK Fine Art and Antiques Trade Members – Code of Practice 3 233 UNESCO – International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property aus dem Jahre 1999 (UNESCO) 3 368 ff. – UNESCO Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970 → UNESCO Convention – Zwischenstaatliches Komitee zur Förderung der Rückgabe illegal erworbener Kulturgüter in ihre Ursprungsländer (UNESCO) 3 368 UNESCO Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property (Paris) vom 14. November 1970 – Bedeutung 1 16 – Draft Convention Providing a Uniform Law on the Acquisition in Good Faith of Corporeal Movables (LUAB) 1974 3 16 ff. – Einführung spezieller Sorgfaltsanforderungen, Verhaltensstandards und entsprechender Aufzeichnungspflichten der professionell im Kunsthandel Beteiligten 7 55 ff. – gesteigerte Sorgfaltsanforderungen beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter seit 1970 – innocent purchaser in Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 3 16 ff., 18 ff., 20 – keine Verjährungsbestimmung, keine temporale Präklusion 5 2, 14 ff. – Kompensationsberechtigung → Kompensationsberechtigung – Kompensationshöhe → Kompensationshöhe – payment of just compensation nach Art. 7 (b) (ii) der UNESCO-Convention vom 14. November 1970 2 163 ff. → payment of just compensation UNIDROIT Convention on Stolen or
Illegally Exported Cultural Objects (Rome) vom 24. Juni 1995 – → due diligence-Maßstab Art. 6 Abs. 1 für illegal exportierte Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 – → due diligence-Maßstab nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 – Abkehr der allgemeinen Gutglaubensvermutung zahlreicher nationaler Zivilrechtssysteme 3 22, 42 ff. – Bedeutung 1 16 – Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter 3 311 – erhöhte Sorgfaltspflichten nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene Kulturgüter 3 21 ff., 24 ff. – erhöhte Sorgfaltspflichten nach Art. 6 Abs. 1 für illegal exportierte Kulturgüter 3 21 ff., 39 ff. – erhöhte Sorgfaltsanforderungen auch für Erben und Schenkungstatbestände 3 23 – gebührende Sorgfalt nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention → due diligence-Maßstab nach Art. 4 Abs. 1 für gestohlene Kulturgüter nach der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 – Kompensationsberechtigung → Kompensationsberechtigung – Kompensationshöhe → Kompensationshöhe – konventionsautonome Begriff des due diligence-Maßstabs gutgläubiger Erwerber 3 26 – payment of fair and reasonable compensation nach Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 2 189 ff. → payment of fair and reasonable compensation – Verjährung von Restitutionsansprüchen 5 2, 26 ff. Uniform Commercial Code (UCC)
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– Erwerb von einem Kaufmann 2 35 – nemo dat quod non habet-Grundsatz 2 24 ff. – strenger Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung 3 58 ff. – voidable title 2 33 Unikatfunktion kultureller Güter 2 4 ff., 3 133 United States of America v. an Original Manuscript: Schwierigkeiten in der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs 3 101 ff. United States v. Fireman’s Fund Insurance Co.: keine kontinuierliche Überwachungs- und Lokalisierungsbemühungen des Eigentümers 6 44 United States v. Frederick Schultz – strafrechtliche Sanktionen beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter 7 41 ff. United States v. Hollinshead 7 37 f. – strafrechtliche Sanktionen beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter 7 37 f. United States v. McClain – strafrechtliche Sanktionen beim Erwerb illegal transferierter Kulturgüter 7 38 ff. – Transportspuren, Erde oder Strohreste verdachtsbegründend 3 280 Unterschlagung kultureller Güter – durch einen Besitzdiener 2 65 ff. – durch einen Besitzmittler 2 61 f. Utrillo, Maurice – Chateau de Lion-sur-Mer 3 73 ff. van Gogh, Vincent – Die Grabenden 5 368 – Vue de l’Asile et de la Chapelle de Saint-Remy 5 239 ff. Verband deutscher Antiquariate (VDA) 3 374 Vereinigte Staaten von Amerika – → Sorgfaltsmaßstab redlicher Erwerber innerhalb der amerikanischen Rechtsordnung
– → Verjährung in den Vereinigten Staaten von Amerika – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg: Konkretisierung Sorgfaltsmaßstab 3 91 ff. → Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg – Cantor v. Anderson: Provenienzerforschungsobliegenheit von Kunsthändlern 3 89 – Erwerb von einem Kaufmann 2 35 – estoppel-Grundsatz 2 36 – Extrakommerzialität kultureller Güter 2 336 ff. – Howley v Sotheby’s: Provenienzerforschungsobliegenheit von Kunsthändlern 3 88 – Margold. Inc v. Keeler: Grenzen Nachforschungsobliegenheit von Kunsthändlern 3 90 – Menzel v. List: inquiry of status of title seitens professionell im Kunsthandel Beteiligter 3 69 ff. → Menzel v. List – nemo dat quod non habet-Grundsatz des Common Law-Rechtskreises 2 8, 20 ff., 23 ff., 24 ff. – Porter v. Wertz: commercial indifference von Kunsthändlern als Kriterium der Bösgläubigkeit 3 73 ff. – Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell: Verifizierungsbemühungen auch privater Kunstsammler 3 105 ff. → Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell – strenger Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 3 58 ff. – Taborsky v. Maroney: Gutglaubensausschluss „when a merchant buyer closes his eyes to the danger signals“ 3 83 ff. – United States of America v. an Original Manuscript: Schwierigkeiten in der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs 3 101 ff. – Vermutung der Bösgläubigkeit der Erwerber 3 62 – voidable title 2 33
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Sachregister
Verhaltenskodex des Bundesverbandes Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler (Bundesverband des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels, BDKA) 3 374 ff. Verhaltenskodex für den internationalen Handel mit Kunstwerken (Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer e.V.) 3 385 ff. Verhaltenskodizes → selbstauferlegte Verhaltensstandards Verhaltensrichtlinien vom 14. September 2001 (Deutscher Kunsthandelsverband e.V.) 3 377 ff. Verjährung 1 31, 5 1 ff. – → Verjährung in den Vereinigten Staaten von Amerika – Abgrenzung Verjährung und Ersitzung im internationalen Vergleich 4 9 ff. – Abgrenzung Verjährung und Verwirkung im internationalen Vergleich 4 15 ff. – Abgrenzung von Ersitzung, Verjährung und Verwirkung 4 5 ff., 8 – absolute Verjährungsfrist 5 4, 29, 34, 37 – Ausschluss der Verjährung ggü. dem Dieb und bösgläubigen Erwerber: Großbritannien 5 38 ff. – Auswirkungen des Faktors Zeit 4 4 – Convention on the Protection of the Archaeological, Historical and Artistic Heritage of the American Nations vom 16. Juni 1976 5 15 – Deutschland: Verjährung nach 30 Jahren 5 63 ff. → Verjährung in Deutschland – Einführung 1 31 – erlöschende (extinktive) Verjährung 4 6, 5 1 – erwerbende (akquisitive) Verjährung 4 6, 5 1 – Extrakommerzialität kultureller Güter als Verjährungsausschluss 5 21 ff. – Großbritannien 5 38 ff. – institutionelle Trennung von Verjährung- und Verwirkung 5 7 – Interessengegensätze in kulturellen Restitutionsverfahren 4 3, 18 ff., 5 5, 55 ff.
– Italien: Ausschluss der Verjährung 5 16 ff. – Jan van der Heyden-Entscheidung vom 8. Mai 1998 5 61 f. – kulturgüterspezifische Rechtsinstrumente 5 2 – kulturgüterunspezifisches Zivilrecht 53 – Kurtha v. Marks vom 27. Februar 2008 5 47 ff. – national wertvolle Kulturgüter 5 30, 37 – Niederlande: Verjährung auch ggü. dem bösgläubigen Besitzer 5 58 ff. – Österreich: Ausschluss der Verjährung 5 16 ff. – Rechtsfrieden und Rechtssicherheit 4 22, 5 55 ff. – relative Verjährungsfrist 5 4, 29, 34, 37 – Resolution 1205 of the Council of Europe – Looted Jewish cultural property vom 5. November 1999 5 11 ff. – Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 5 35 ff. – Sakralgegenstände, Kultobjekte 5 30, 37 – Schutz des aktuellen Besitzers unrechtmäßig entzogener Kulturgüter vor Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen 4 20 – Schutz eines Putativschuldners 5 55 – Schutz vor Beweisnot 4 20 f. – Schweiz: Ausschluss der Verjährung 5 16 ff. – Terminologie Verjährung 4 5 – Terminologie Verwirkung 4 6 – Überblick 5 1 f. – Überblick 5 3 ff. – UNESCO Convention 1970 5 2, 14 ff. – UNIDROIT-Convention vom 24. Juni 1995 5 26 ff. – Vereinigte Staaten – Verjährung im Interesse der Restitutionsschuldner und des Rechtsfriedens 5 55 ff. – Verjährung: Ausgleichsmodelle 5 24 ff. – Verjährungsausschluss im Interesse der ursprünglichen Eigentümer 5 8 ff. – Verjährungsbeginn als rechtspolitische
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Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter 5 172 ff. – Zeitmoment und Umstandsmoment 47 Verjährung in den Vereinigten Staaten von Amerika 5 6 – → Verjährungsbeginn als rechtspolitische Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika 5 172 ff. – Gemengelage verjährungs- und verwirkungsrechtlicher Gedanken 5 6 – institutionelle Trennung von Verjährung- und Verwirkung 5 7 – praktische Bedeutung 5 5 – Überblick 5 5 f. Verjährung in Deutschland 5 63 ff. – alternative Lösungsansätze aus der Rechtsvergleichung 5 132 ff. – Anwendbarkeit des § 198 BGB umstritten, wenn der Nachfolger im Besitz den Besitz des Gemäldes mit Zustimmung des Vorbesitzers erlangt, jedoch dann unterschlägt 5 102 ff. – Beginn der Verjährungsfrist 5 69 – Begünstigung prima facie nur Diebe und Hehler 5 136 f. – Besitzmittlungsverhältnis als Rechtsnachfolge i.S.d. § 198 BGB umstritten 5 97 – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A.: ordre public-Widrigkeit der 30-jährigen Verjährungsfrist 5 151 ff. – City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A.: Verjährung bei Rechtsnachfolge 5 79 ff. – dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz 5 116 – dominum sine re 5 117 ff. 126 ff. – Dysfunktion einer 30-jährigen Verjährungsfrist dinglicher Restitutionsansprüche 5 149 ff. – Einwände gegen die 30-jährige Verjährungsregelung 5 126 ff. – Felixmüller ‚Selbstbildnis mit Sportmütze‘-Fall 5 110 ff. – finanzielle Schadenskompensation
nach Verjährung des Vindikationsanspruchs 5 110 ff. – Forderung nach Abschaffung der 30-jährigen Verjährung de lege ferenda 5 114 ff. – Fristen 5 65 ff. – funktionelle Erwägungen zur 30-jährigen Verjährungsfrist auch bösgläubiger Restitutionsschuldner 5 135 ff. – Gemeinsame Erklärung vom 14.12.1999 5 123 ff. – Hemmung des Fristenlaufs 5 70 ff. – kulturgüterspezifische Erwägungen gegen die Verjährung kultureller Restitutionsansprüche 5 138 ff. – Modifikation der 30-jährigen Verjährungsregelung de lege ferenda 5 123 ff. – ordre public-Widrigkeit der 30-jährigen Verjährungsfrist kultureller Restitutionsansprüche 5 151 ff. – peremptorische Einrede 5 64 – positiv-gesetzliche Regelung der Verjährbarkeit dinglicher Restitutionsansprüche 5 121 ff. – rechtskonstruktive Ausgestaltung 5 64 ff. – Rechtsstreit um Klees ‚Sumpflegende‘ 5 72 ff. – Restitutionsfall des Quedlinburger Domschatzes 5 141 ff. – Verjährungseinrede als Verstoß gegen Treu und Glauben 5 139 f. – Zusammenfassung 5 156 ff. Verjährungsbeginn als rechtspolitische Sachzuordnung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika 5 172 ff. – acquisitive prescription 5 202 – actual discovery rule 5 259 ff. → actual discovery rule – adverse possession: Rechtserwerb nach Besitz in „open, visible and notorious manner“ 5 189 ff. → adverse possession – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.: doctrine of fraudulent concealment 5 181 ff. – Bundesstaaten 5 173
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– California Code of Civil Procedure 5 270 ff. → California Code of Civil Procedure – California Holocaust Art Recovery Statute 5 277 ff. → California Holocaust Art Recovery Statute – constructive discovery rule 5 203 ff. → constructive discovery rule – demand and refusal rule 5 285 ff. → demand and refusal rule – doctrine of fraudulent concealment: Unterbrechung der Verjährung bei arglistigem Verschweigen 5 180 ff. – laches 5 172 – statutes of limitations 5 172 – traditional accrual rule: unrechtmäßige Entziehung als frühest möglicher Verjährungsbeginn 5 175 ff. → traditional accrual rule – Überblick 5 173 f. – Zusammenfassung 5 353 ff. Verlustverzeichnisse von Museen, Galerien und privaten Kunstsammlern 3 545 Vermutung der Bösgläubigkeit – amerikanische Rechtsordnung 3 62 – nach Art. 4 Abs. 1 UNIDROIT Convention 1995 beim Erwerb gestohlener Kulturgüter 3 42 ff. – nach Art. 6 Abs. 1 UNIDROIT Convention 1995 beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter umstritten 3 45 ff. Versicherung X. gegen A. M. vom 5. März 1996: hohe Anforderungen an Erwerber mit Branchenkenntnissen 3 221 f. Verstaatlichung kultureller Güter, unrechtmäßig – Abhandenkommen 2 84 ff. – Nichtige kulturelle Verstaatlichung als Abhandenkommen umstritten 2 88 ff. – ohne Auswirkung auf die Eigentumsposition 1 6 – Verstaatlichung durch die öffentliche Gewalt als Problem des Besitzverlustes kraft öffentlichen Rechts 2 86 f. Versteigerergewerbe 2 108
Versteigerung, öffentliche 2 101 ff. – Einführung 2 101 – Hamburger Stadtsiegel-Fall 2 104 ff. → Hamburger Stadtsiegel-Fall – Interessenverteilung 2 102 f. – Merkmale einer öffentlichen Versteigerung 2 106 ff. – Versteigerergewerbe 2 108 – Versteigerung, freiwillige 2 106 Verwaltungsgebrauch 2 342 Verwirkung 1 32, 4 3 ff., 18 ff., 6 1 ff. – Abgrenzung Verjährung und Ersitzung im internationalen Vergleich 4 9 ff. – Abgrenzung Verjährung und Verwirkung im internationalen Vergleich 4 15 ff. – Abgrenzung von Ersitzung, Verjährung und Verwirkung 4 5 ff., 8, 6 2 – Auswirkungen des Faktors Zeit 4 4 – Begrenzung der sonst zeitlich unbefristeten Rechtsverfolgung 6 3 – Darlegungs- und Beweislast angemessener und hinreichender Lokalisierungs- und Identifizierungsbemühungen 6 13 – Deutschland → Verwirkung Deutschland – Einführung 1 32 – Einwand unzureichender Sorgfaltsanforderungen der Eigentümer 6 6 ff. – erlöschende (extinktive) Verjährung 4 6 – erwerbende (akquisitive) Verjährung 46 – exceptio doli generalis 6 9 – institutionelle Trennung zwischen Verwirkungs- und Verjährungsgedanken 69 – Interessengegensätze in kulturellen Restitutionsverfahren 4 3, 18 ff., 6 1, 6 ff. – laches-Grundsatz als Ausprägung des estoppel-Prinzips 6 9 – multi-factor balancing of all the equities 6 3 – Rechtsfrieden und Rechtssicherheit 4 22 – Rechtskonstruktion aus rechtsvergleichender Sicht 6 9 ff. – Schutz des aktuellen Besitzers unrecht-
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mäßig entzogener Kulturgüter vor Inanspruchnahme aus unbegründeten, unbekannten oder unerwarteten Restitutionsforderungen 4 20 – Schutz des Putativschuldners bei unverjährbaren Restitutionsforderungen 65 – Schutz vor Beweisnot 4 20 f. – Terminologie Verjährung 4 5 – Terminologie Verwirkung 4 6 – Verbot des venire contra factum proprium 6 9 – Vereinigte Staaten von Amerika 6 14 ff. → laches-Einwand – Zeitmoment und Umstandsmoment 47 Verwirkung Deutschland 6 71 ff. – Abwägung der divergierenden Interessen zweier im Grundsatz (scheinbar) unschuldiger Parteien 6 104 ff. – Ausgangslage innerhalb des BGB 6 75 ff. – Beschränkung der Eigentumsposition durch die Grundsätze von Treu und Glauben 6 85 ff. – bewusste Nichtplatzierung gestohlener Kunstwerke in O’Keeffe v. Snyder und Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell 6 91 – Effektivität wechselseitiger Sorgfaltsanforderungen 6 90 – Empirie des illegalen Kunsthandels 6 92 – kulturelle Unikatfunktion: vereinfachte Lokalisierung und Identifizierung 6 93 ff. – Kulturgüterverkehr als besonders ‚gefahranfälliger‘ Geschäftsbereich 6 87 ff. – negative Wirkung des § 903 BGB 6 85 – öffentlich zugängliche Informationsquellen 6 96 – Prozessrisiko 6 109 – Publizitätsmittel: online-Register 6 89 – Registrierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter in Datenbanken 6 89 – Schutz des Putativschuldners bei unverjährbaren Restitutionsforderungen 6 79
– Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung 6 81 – Sorgfaltsanforderungen des Eigentümers bei Lokalisierung unrechtmäßig entzogener Kulturgüter und Identifizierung der aktuellen Besitzer 6 82 ff. – Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs restitutionsberechtigter Eigentümer 6 98 ff. – Unzumutbarkeit einer vorwerfbar verspäteten Rückführungsforderung 6 102 ff. – Verwirkungseinwand in rechtsvergleichender Sicht 6 74 ff. – Vorbildwirkung des amerikanischen laches-Einwandes 6 71 ff. – Zusammenfassung 6 113 ff. – zwei unschuldige Parteien 6 80 voidable title 2 33 von Saher v. Norton Simon Museum: Verfassungswidrigkeit der California Holocaust Art Recovery Statute 5 281 ff. Waffensammlung-Fall, Schweiz: angemessener Kaufpreis Gutgläubigkeit des Erwerbers 3 264 Warin v. Wildenstein & Co.: Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche 6 71 Webb v. A.-G. for Ireland 2 206 f. Werkkataloge 3 545 Wertheimer v. Cirker’s Hayes Storage Warehouse, Inc.: – doctrine of unclean hands 6 70 – gewisse ständige Überwachungsund Lokalisierungsbemühungen 6 45 ff. Wiedergutmachung NS-bedingter Kulturgutverluste durch Sondergesetze 15 Winkworth v. Christie, Manson & Woods Ltd. – Gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Erwerb auch gestohlener Kulturgüter 2 127 Wtewael-Fall → City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S. A.
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Zeitpunkt des gutgläubigen Erwerbs – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb gestohlener Kulturgüter 3 257 ff. – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb illegal exportierter Kulturgüter 3 308 ff. – → Checkliste zur Bestimmung der Bösgläubigkeit beim Erwerb von Beutekunst, kulturellem Fluchtgut, Raubkunst oder ‚entarteter‘ Kunst 3 406 ff. – → NS-bedingte Kulturgutverluste, Sorgfaltsmaßstab Zivilrecht – Ersitzungserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – eine Einführung 1 29 ff.
– international durchsetzbares Rechtsfolgen- und Sanktionensystem 1 21 ff. – kulturgüterspezifische Implikationen 1 33 ff., 38, 40 ff. – kulturgüterunspezifische Rechtsinstrumente, Bedeutung 1 19 ff., 44 – rechtsgeschäftlicher Gutglaubenserwerb unrechtmäßig entzogener Kulturgüter – eine Einführung 1 24 ff. – Verjährung kultureller Restitutionsansprüche – eine Einführung 1 31 – Verwirkung kultureller Restitutionsansprüche – eine Einführung 1 32 Zwischenstaatliches Komitee zur Förderung der Rückgabe illegal erworbener Kulturgüter in ihre Ursprungsländer (UNESCO) 3 368
Abb. 1. Albrecht Dürer (1471–1528) – ‚Hans Tucher‘ (1499), Öl auf Panel, 28 × 24 cm, Schlossmuseum Weimar, Quelle: www.zeno.org.
Abb. 2. Albrecht Dürer (1471–1528) – ‚Felicitas Tucher, née Rieter‘ (1499), Öl auf Panel, 28 × 24 cm, Schlossmuseum Weimar, Quelle: Quelle: www.zeno.org.
Abb. 3. August Macke (1887–1914) – ‚Waldrand‘ (1910).
Abb. 4. Georges Seurat (1859–1891) – ‚Un Dimanche à la Grande Jatte‘ (1884–1886).
Abb. 5. ‚IV. Hamburger Stadtsiegel‘ – Quelle: Eckardt, Stationen eines Stempels – Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel, 1995, Titelblatt.
Abb. 6. Marc Chagall (1887–1985) – ‚L’Échelle de Jacob‘, © VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 7. Erzengel des Panagía Kanakariá-Mosaiks (links) / Jesuskind des Panagía Kanakariá-Mosaiks (rechts) – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus, Quelle: Hofstadter, Goldbergs Engel – Die Geschichte eines Kunstraubs, Insel Verlag, 1998.
Abb. 8. Matthäus des Panagía Kanakariá-Mosaiks (links) / Jakobus des Panagía Kanakariá-Mosaiks (rechts) – Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus, Quelle: Hofstadter, Goldbergs Engel – Die Geschichte eines Kunstraubs, Insel Verlag, 1998.
Abb. 9. Marc Chagall (1887–1985) – ‚Le Marchand de Bestiaux‘ © VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 10. Frans Hals (1581/85–1666) – ‚Portrait du Pasteur Adrianus Tegularius‘, 28,5 × 23,5 cm.
Abb. 11. Gustav Klimt (1862–1918) – ‚Die Erfüllung‘, Quelle: www.zeno.org.
Abb. 12. Peter Paul Rubens (1577–1640) – ‚Tarquinius und Lukretia‘ (1610), © Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.
Abb. 13. Euphronios Krater, Terracotta; H. 18 in. (45,7 cm), Diam. 21 11/16 in. (55,1 cm), Foto: Jaime Ardiles-Arce, Quelle: www.wikipedia.de.
Abb. 14. Wassily Kandinsky (1866–1944) – ‚Zwei schwarze Flecke‘ (1923), © VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 15. Edgar Degas (1834–1917) – ‚Madame Camus am Klavier‘ (1869), Öl auf Leinwand, 139 × 94 cm, früher Sammlung von Alphonse Kann, heute Stiftung Sammlung E.G. Bührle (Zürich), Quelle: www.buehrle.ch.
Abb. 16. Edgar Degas (1834–1917) – ‚Tänzerinnen im Foyer‘ (um 1889), Öl auf Leinwand, 41,5 × 92 cm, Lemoisne, III, 996, früher Sammlung von Alphonse Kann, heute Stiftung Sammlung E.G. Bührle (Zürich), Quelle: www.buehrle.ch.
Abb. 17. Max Liebermann (1847–1935) – ‚Kornfeld am Wannseegarten nach Westen‘ (1917).
Abb. 18. Edgar Degas (1834–1917) – ‚Landscape with Smokestacks‘ (1890).
Abb. 19. Giuseppe Zocchi (Kupferstecher) – ‚Florentinisches Mosaik mit Allegorie des Tast- und Geruchssinns‘ (1751).
Abb. 20. Kommode aus dem Bernsteinzimmer.
Abb. 21. ‚Archimedes Palimpsest‘, Quelle: http://www.archimedespalimpsest.org.
Abb. 22. Francis Newton Souza (1924–2002) – ‚Head of a Portuguese Navigator‘ (1961), © VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 23. Francis Newton Souza (1924–2002) – ‚Chalice with Host‘ (1953), © VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 24. Paul Klee (1879–1940) – ‚Sumpflegende‘ (1919, 163), Ölfarbe und Feder auf Karton, 47 × 40,8 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, Gabriele Münter und Johannes Eichner-Stiftung und Städtische Galerie, © VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 25. Joachim Anthonisz Wtewael (1566–1638) – ‚Holy Family with Saints and Angels‘ (1603).
Abb. 26. Conrad Felixmüller (1897–1977) – ‚Selbstbildnis‘ (1934), Öl auf Leinwand, 22 × 15 cm; © VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 27. Georgia O’Keeffe (1887–1986) – ‚Seaweed‘ (1923), © Georgia O’Keeffe Museum/VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 28. Georgia O’Keeffe (1887–1986) – ‚Ranchos Church‘, © Georgia O’Keeffe Museum/VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 29. Georgia O’Keeffe (1887–1986) – ‚My Backyard‘, © Georgia O’Keeffe Museum/VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 30. Alphonse Mucha (1860–1939) – ‚Quo Vadis‘, © Mucha Trust/VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 31. Corrado Giaquinto (1694–1765) – ‚Winter‘ (1740/1750).
Abb. 32. Vincent Willem van Gogh (1853–1890) – ‚Vue de l’Asile et de la Chapelle de SaintRemy‘ (1889), Quelle: www.zeno.org.
Abb. 33. Maxfield Parrish (1870–1966) – ‚Dingleton Farm‘ (1956), © Maxfield Parrish Family Trust/VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 34. Lucas Cranach der Ältere (1520–1540) – ‚Adam‘ und ‚Eva‘.
Abb. 35. Claude Monet (1840–1926) – ‚Champs de blé à Vétheuil‘ bzw. ‚Wheat Field‘ (1881).
Abb. 36. Paul Gauguin – ‚Straßenszene in Tahiti‘ (1891), Öl auf Leinwand, 115 × 85 cm.
Abb. 37. Vincent Willem van Gogh – ‚Die Grabenden‘ (1889), 65,1 × 50,2 cm.
Abb. 38. Jan Mostaert (1475–1555) – ‚Portrait of a Courtier‘.
Abb. 39. Theodore Robinson (1852–1896) – ‚Low Tide, Riverside Yacht Club‘ (1894).
Abb. 40. Oskar Kokoschka (1886–1980) – ‚Liebespaar‘ (1913), © Fondation Oskar Kokoschka/VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 41. Francisco de Goya (1746–1828) – ‚Retrato de la Marquesa de Santa Cruz‘ (1805).
Abb. 42. Henri Matisse (1869–1954) – ‚Visage sur fond jaune‘ (1952), © Succession H. Matisse/VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 43. Henry Matisse (1869–1954) – ‚Odalisque‘ (1928), © Succession H. Matisse/VG Bild-Kunst, Bonn 2009.
Abb. 44. Jan Brueghel des Jüngeren – ‚Vor der Dorfschänke‘ (1641).
Abb. 45. Picasso – ‚Pablo Angel Fernandez de Soto‘ (1903), © Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2009.