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German Pages 271 Year 1997
AXEL SCHACK
Gruppenarbeit, Mitarbeitsverhältnis und die Arbeitsrechtsordnung
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 154
Gruppenarbeit, Mitarbeitsverhältnis und die Arbeitsrechtsordnung Auswirkungen der Einführung von Gruppenarbeit unter besonderer Berücksichtigung eines Mitarbeitsverhältnisses und gesellschaftlicher Elemente im Arbeitsverhältnis
Von Axel Schack
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schack, Axel: Gruppenarbeit, Mitarbeitsverhältnis und die Arbeitsrechtsordnung : Auswirkungen der Einführung von Gruppenarbeit unter besonderer Berücksichtigung eines Mitarbeitsverhältnisses und gesellschaftlicher Elemente im Arbeitsverhältnis I von Axel Schack. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 154) Zug!.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08997-9
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-08997-9
e
Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Vorwort Unsere Organisationen gleichen immer weniger jenen Maschinen, in denen wohldefinierte Teile in genau geplanter Weise ineinandergreifen. Das zutreffende Bild ist immer häufiger jenes lebender Organismen, die sich in ständiger Auseinandersetzung mit einem immer vielfältigeren und sich immer rascher verändernden Umfeld selbst immer rascher wandeln und ausdifferenzieren. Christian Lutz: Arbeiten in der Zukunft
Diese Organismen bestehen aus Zellen, die unter arbeitsorganisatorischen Gesichtspunkten, insbesondere in ,,Lean-Production-Systemen", als Teams oder teilautonome bzw. selbststeuernde Arbeitsgruppen bezeichnet werden können. Sie setzen sich aus Mitarbeitern zusammen, die kraft ihrer Bedeutung für den Erfolg des arbeitgebenden Unternehmens am globalisierten Markt als "Unternehmer am Arbeitsplatz" bezeichnet werden. Diese Arbeit beleuchtet Charakter, Konstruktion und Bedeutung dieser Zellen und stellt eine Verbindung her zwischen diesen und den dogmatischen Grundlagen der deutschen Arbeitsrechtsordnung, insbesondere unter dem Aspekt gesellschaftsrechtlicher Elemente im Arbeitsverhältnis. Untersucht werden hierfür insbesondere die immaterielle und materielle Beteiligung der Arbeitnehmer, die Struktur der arbeitsrechtlichen Regelungsmaterie, die funktionelle Sichtweise der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung und die Parität der Arbeitsvertragsparteien. Bei alledem wird, soweit notwendig, insbesondere auf die Wirtschaftswissenschaften zurückgegriffen, da die Rechts- wie die Wirtschaftswissenschaften im Arbeitsvertrag ein gemeinsames Objekt finden und der unternehmerische Kombinationsprozeß als Ausgangs- und Zielpunkt der Arbeitsrechtsordnung zu charakterisieren ist. Dieser interdisziplinäre Ansatz wird für den Leser transparent und nachvollziehbar gestaltet, da in den Fußnoten sowie im Literaturverzeichnis zwischen rechts wissenschaftlichen und anderen Quellen differenziert wird. Im Gegensatz zu den rechtswissenschaftlichen Quellen werden die Quellen aus anderen Disziplinen durch Kursivdruck (z.B. Molitor, Lohn- und Arbeitsmarktpolitik) in den Fußnoten und im Literaturverzeichnis gekennzeichnet. Als Ergebnis wird ein Paradigmenwechsel vom "abhängigen Arbeitnehmer" zum "Unternehmer am Arbeitsplatz" festgestellt, der zu einer GesellschaftersteIlung kraft Arbeitsrechts führt und letztendlich ein Mitarbeitsverhältnis bedeutet. Dieses verbindet immaterielle Beteiligungsrechte der Mitarbeiter mit unternehmerischem Risiko und Erfolg. Das Mitarbeitsverhältnis versetzt die Unternehmen in
Vorwort
6
die Lage, Vergütung und unternehmerischen Erfolg zu harmonisieren; Unternehmenskrisen werden ohne den üblichen Personalabbau überstanden. Das Mitarbeitsverhältnis führt zu einem "automatischen Lohnregulator", der bereits um 1900 von Ernst Abbe (earl Zeiss-Stiftung, Jena) angeregt wurde. Diese Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Rechtstheorie, Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht von Prof. Dr. Klaus Adomeit an der Freien Universität Berlin. Sie wurde im Wintersemester 1994/95 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Mein verehrter Lehrer Prof. Dr. Klaus Adomeit hat diese Arbeit betreut und mich auf vielfältige Art wissenschaftlich und persönlich gefördert, wofür ich mich auch an dieser Stelle sehr herzlich bedanken möchte. Mein herzlicher Dank gilt auch Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Gitter, der mit seinem arbeitsrechtlichen Praktikerseminar an der Universität Bayreuth den Anstoß für diese Arbeit gegeben hat und mir den Weg nach Berlin eröffnete, sowie Herrn Prof. Dr. Lorenz Fastrich als Zweitgutachter und HeIT? Prof. Dr. Jochem Schmitt für wertvolle Anregungen. Herrn Prof. Dr. jur. h. c. Norbert Simon bin ich verbunden für die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Dank schulde ich ferner Monika Hoebbel, Barbara Rühle, Dr. Robert Weber, Dr. Bernd Kraus, Sebastian Prinzing und Dr. Horst Heitland, die durch ihre unermüdliche Diskussions- und Hilfsbereitschaft viel zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen haben. Mein Dank gilt darüber hinaus Herrn Dipl. Kaufmann Michael Lezius, Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft in der Wirtschaft e. V., Kassel, der mir u. a. die Arbeit in der Bibliothek der AGP ermöglichte. Nicht zuletzt muß ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fachbereichsbibliothek Abt. I des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin und insbesondere bei Herrn Gerald Scharf bedanken. Das Werden dieser Arbeit begleitete und ermöglichte meine Familie und B. S. An dieser Stelle sei ihnen noch einmal herzlich dafür gedankt. Wiesbaden, im Frühling 1997 Axel Schack
Inhaltsverzeichnis
§ 1 Einleitung, Ziel und Gang der Untersuchung
21
I. Vom Arbeitnehmer zum Gesellschafter? .....................................
21
II. Gruppenarbeit und das Mitarbeitsverhältnis ..................................
23
III. Ziel der Untersuchung .......................................................
24
IV. Gang der Untersuchung ......................................................
25
1. Kapitel
Die Grundzüge der Entwicklung des Arbeitsrechts und der Mitarbeiterbeteiligong bis zum Ende der Weimarer RepubUk § 2 Die Entstehung der Arbeitsrechtsordnung im Lichte der Mitarbeiterbeteili-
27
gong .............................................................................
27
I. Die Entwicklung bis zum Ende des 1. Weltkriegs ............................
28
1. Vom Status zum Kontrakt.............................................. . ..
28
a) Die Arbeitsschutzgesetzgebung .......................................
29
b) Die Gewerkschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
c) Die Arbeiterausschüsse ...............................................
31
2. Die Mitarbeiterbeteiligung ................................................
33
a) Die Ursprünge des Gewinnbeteiligungsgedankens .....................
34
b) Die Arbeitsgesellschaft und die Arbeitsteilhaberschaft .................
36
aa) Henry Briggs, Son & Co., Whitwood, Yorkshire ..................
38
bb) Neue Berliner Messingwerke, Actiengesellschaft, vormals W. Borehert jun., Berlin .................................................
39
c) Die Fabrik als Staat...................................................
40
8
Inhaltsverzeichnis 3. Alternative Entlohnungskonzepte ......... . . . ............... . . . ...........
42
a) Die Carl-Zeiss-Stiftung ...............................................
43
b) Der Lohnvertrag als partiarisches Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
4. Klassenkampf versus Kooperation ........................................
46
H. Die Entwicklung des Arbeitsrechts und des Gedankens der Mitarbeiterbeteiligung in der Weimarer Zeit ...................................................
48
I. Das Arbeitsrecht als selbständiges Rechtsgebiet ...........................
48
2. Die Mitarbeiterbeteiligung ................................................
49
a) Der 32. Deutsche Juristentag ..........................................
50
aa) Leitsatz A. I. und Begründung....................................
51
bb) Leitsatz A. 11. und Begründung ...................................
51
cc) Leitsatz A. 111. und Begründung
52
dd) Leitsatz A. IV. und Begründung
52
ee) Leitsatz A. V. und Begründung ...................................
53
Cf) Leitsatz A. VI. und Begründung ..................................
53
gg) Leitsatz A. VII., Begründung und verabschiedete Form ...........
54
hh) Das gesellschaftsrechtlich orientierte Arbeitsverhältnis in der Arbeitsgesellschaft ..................................................
55
ii) Leitsatz A. VIII. und Begründung ................................
57
b) Die Kommanditgesellschaft auf Arbeit................................
58
III. Ergebnis .....................................................................
59
2. Kapitel
Die Grundlagen der Untersuchung. Strukturierung der arbeitsrechtlichen Regelungsmaterie
61
§ 3 Die Arbeitsrechtsordnung und deren Regelungsmaterie .......................
61
I. Die Arbeitsrechtsordnung ....................................................
61
11. Die Regelungsmaterie des Arbeitsrechts .....................................
64
§ 4 Der unternehmerische Kombinationsprozeß ...................................
73
Inhaltsverzeichnis
9
§ 5 Die Ebenen der Mitbestimmung ................................. . ..............
77
1. Die Mitbestimmung auf der Ebene des Unternehmens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
II. Die Ebene des Betriebs im Lichte der unternehmerischen Mitbestimmung . . . .
79
III. Die Ebene des Arbeitsplatzes und der Arbeitsgruppe .........................
82
IV. Ergebnis zum zweiten Kapitel ...............................................
85
1. Ergebnis zu § 3 ...........................................................
85
2. Ergebnis zu §§ 4 und 5 ....................................................
86
3. Kapitel
Die Beteiligung der Arbeitnehmer auf der Ebene des Unternehmens, des Betriebs und am Arbeitsplatz, als Mitglieder einer Arbeitsgruppe
87
§ 6 Gruppenarbeit und selbststeuernde Arbeitsgruppen im Sinne des Konzepts
der ,,schlanken Fabrik" .........................................................
87
I. Die Gruppenarbeit in einer Betriebsgruppe ...................................
88
1. Beteiligungsrechte des Arbeitnehmers I der Gruppe bezüglich der Gruppenzusammensetzung .....................................................
91
2. Die Rechtsnatur der Betriebsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
3. Die Verfassung der Gruppe, Arbeitsgruppenbesprechung und -sprecher ...
93
H. Teilautonome Arbeitsgruppen, ,,Lean Production". Beispiele aus der Praxis ..
95
1. Begriff der teilautonomen Arbeitsgruppen ................................
95
2. Schlanke Produktion und Gruppenarbeit ..................................
98
3. Praxisbeispiele . . . .. . ..... .... . .... .. ... . . .. . . . ... . . . ... . ... . .. . .. . . .. . . . .. 101 a) Fertigungsinseln bei der Feiten & Guilleaume Energietechnik AG ..... 101 b) Gruppenarbeit bei der Adam Opel AG, Eisenach ...................... 102 c) Dezentrale Produktionseinheiten, IBM Deutschland Produktions GmbH ................................................................ 103 III. Der Mitarbeitscharakter der Gruppenarbeit in der "schlanken Fabrik" ........ 104
10
Inhaltsverzeichnis IV. Erfolgsorientierte Entlohnung bei Gruppenarbeit ...... ;...................... 105 V. Das Beteiligungspotential der Teams. .... . ..... . .... . . ... . .. ... . .... ..... .... 106
§ 7 Die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer gemäß dem Betriebsverfassungsge-
setz 1972 ................ , . .... . .... . .... . . .. . . .... ...... . . .... .... . . .... ........ . 110 I. Arbeitsgruppen versus Betriebsrat? .......................................... 110
11. Das Betriebsverfassungsgesetz 1972 ......................................... 113 1. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats ................................... 115
a) Die betrieblichen Mitwirkungsrechte .................................. 116 aa) Die Unterrichtungs- und Informationspflichten ................... 116 bb) Das Recht auf Anhörung und die Vorschlagsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 117 cc) Die Beratungsrechte .............................................. 117 dd) Die beschränkte Mitbestimmung ................................. 117 b) Die Mitbestimmung im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Die Mitbestimmung in allgemeinen personellen Angelegenheiten
119
bb) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ............... '.. 120 (a) Lage der Arbeitszeit.......................................... 121 (b) Dauer der Arbeitszeit ........................................ 122
(c) Technische Überwachungseinrichtungen ..................... 122 c) Die Initiativrechte ..................................................... 125 d) Die wirtschaftlichen Angelegenheiten................................. 125 2. Ergebnis.................................................................. 126
§ 8 Die mitbestimmte Aktiengesellschaft ........................................... 128
I. Der Aufsichtsrat............................................................. 128 11. Reichweite der Mitbestimmung .............................................. 130 1. Die Bestellung des Vorstands ............................................. 131
2. Überwachung der Geschäftsführung ...................................... 132 3. Zustimmung nach § 111 Abs. 3 Satz 2 AktG .............................. 133 4. Der lahresabschluß ....................................................... 134
Inhaltsverzeichnis
11
§ 9 Bewertung des arbeitnehmerseitigen Beteiligungspotentials in seiner Gesamt· heit im Hinblick auf seinen paritätsändernden Einfluß ........................ 134
1. Die Frage nach einer funktionellen Betrachtung der arbeitnehmerseitigen Be· teiligungsrechte .............................................................. 135 1. Kölner Gutachten versus Mitbestimmungsurteil ........................... 135
2. Stellungnahme............................................................ 136 11. Funktionelle Parität zwischen Unternehmensleitung und Arbeitnehmerschaft in einer mitbestimmten Aktiengesellschaft mit Gruppenarbeit und Betriebsrat 138 1. Der Einfluß der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer hinsichtlich des dispositiven Faktors ......................................................... 139 a) Die Planung des Leitbilds des Unternehmens.......................... 140 b) Die strategische Planung .............................................. 140 c) Die operative Planung................................................. 143 d) Das planungsbezogene arbeitnehmerseitige Beteiligungspotential ..... 143 aa) Die Beeinflussung der Unternehmensleitbildplanung, der strategischen und der operativen Planung durch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat................................................... 143 bb) Die Beeinflussung der Unternehmensleitbildplanung, der strategischen und der operativen Planung durch den Arbeitsdirektor...... 145 cc) Die Beeinflussung der Unternehmensleitbildplanung, der strategischen sowie der operativen Planung durch die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsbefugnisse ......................... 145 e) Der Einfluß der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer auf den Führungsprozeß in einer mitbestimmten Aktiengesellschaft auf der Ebene des Unternehmens, des Betriebs und der Arbeitsgruppe ................ 149 aa) Die Ebene des Unternehmens................... . ................. 149 bb) Die Ebene des Betriebs........................................... 153 cc) Die Ebene der Arbeitsgruppe ..................................... 153 t) Der Einfluß der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer hinsichtlich des
Teilprozesses Kontrolle ............................................... 154 2. Die menschliche (objektbezogene) Arbeit................................. 155 3. Die Betriebsmittel ........................................................ 156 4. Ergebnis .................................................................. 157
12
Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel
Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
159
§ 10 Die Ungleichgewichtigkeit im Arbeitsrecht..................................... 160
I. Die Privatautonomie und der Schutz des Schwächeren ....................... 160
TI. Die Privatautonomie im Arbeitsrecht......................................... 163 1. Das Produktivmitteleigentum des Arbeitgebers ........................... 164 2. Die intellektuelle Überlegenheit .......................................... 165 3. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt. .... .... . . .. . . .. ... . . . .. . . .. .. . ... .... 166 a) Die Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Gesichtspunkte im Arbeitsrecht.................................................................. 168 aa) Das Kündigungsschutzgesetz ..................................... 168 bb) Das Betriebsverfassungsgesetz ........................ . .......... 169 b) Arbeitsrecht und Wirtschaftswissenschaften........................... 169 4. Eingliederung in die betriebliche Organisation ............... . ............ 170 ITI. Ergebnis ..................................................................... 172
§ 11 Das Gutachten der Deregulierungskommission ................................ 173
I. Das Mehrheitsvotum zum Argument vorn Unterbietungswettbewerb ......... 174
11. Das Mehrheitsvotum zum Argument einer Abhängigkeit ..................... 176 III. Das Minderheitsvotum ............................... . ............ . .......... 177 IV. Zusammenfassung ........................................................... 178
§ 12 Elemente einer Parität der Arbeitsvertragsparteien ... . ....................... 179
I. Einordnung des Gutachtens der Deregulierungskommission und der arbeitsrechtlichen Dimension der Grundrechte ...................................... 179
1. Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit .................................. 181 2. Vermögensverhältnisse der Arbeitnehmer ................................. 183
Inhaltsverzeichnis
13
3. Beschäftigungsaltemativen ............................................... 184 a) Die unterschiedlichen Qualifikationsstufen ............................ 185 b) Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ................................... 186 H. Bewertung und Ergebnis ..................................................... 187
5. Kapitel
Zivilrechtliche Einordnung und dogmatische Folgerungen
§ 13 Gesellschaftsrechtliche Elemente im Arbeitsverhältnis
191
191
I. Der gemeinsame Zweck ..................................................... 193 1. Der Endzweck der Arbeitsvertragsparteien ................................ 194
a) Die Arbeitgeberposition ............ .. ...... .. ......................... 195 b) Die Arbeitnehmerposition ............................................. 196 c) Zwischenergebnis..................................................... 197 2. Die Gemeinsamkeit des Zwecks .......................................... 198 a) Die Gemeinsamkeiten der Arbeitsvertragsparteien bei der Realisierung der individuellen Endzwecke .......................................... 198 b) Fixes Arbeitsentgelt versus Gewinn- und Risikobeteiligung ........... 201 c) Die Liquidationskompetenz des Arbeitgebers.......................... 203 H. Die Förderung des Zwecks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 203 III. Gleichrangigkeit oder Abhängigkeit? ........................................ 204 1. Das Angewiesensein auf das Arbeitsentgelt und den Arbeitsplatz . . . . . . . . .. 204 2. Die arbeitsorganisatorische Abhängigkeit ................................. 205 a) Die Wirkung der funktionellen Parität ................................. 206 b) Die Unselbständigkeit am Arbeitsplatz................................ 206 aa) Schutz vor der Eingliederungssituation ........................... 207 bb) BetrVG versus Fremdbestimmung ................................ 207 cc) Gruppenarbeit versus Fremdbestimmung ... . ...... . ...... . ....... 209 IV. Ergebnis: Gesellschafterstellung kraft Arbeitsrechts. .. . . .. . ... . . . . .. . . .. . . ... 210
14
Inhaltsverzeichnis
§ 14 Die Risikobeteiligung des Arbeitnehmers ...................................... 211 I. Das Verhältnis von Mitbestimmung und unternehmerischem Risiko im Lichte der Rechtsprechung und Literatur............................................ 212
II. Die Folgenbetroffenheit der Herrschenden nach Zöllner ...................... 216 ill. Stellungnahme ............................................................... 217
IV. Möglichkeiten der Tragung des Gegenleistungsrisikos ....................... 219
1. Die Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer am arbeitgebenden Unternehmen ...................................................................... 220 2. Die klassische und die alternative Gewinnbeteiligung..................... 221 a) Die klassische Gewinnbeteiligung..................................... 221 aa) Die Gewinnbeteiligung als Unterfall der Erfolgsbeteiligung ....... 221 bb) Die klassische Bilanzgewinnbeteiligung .......................... 223 b) Gewinnbeteiligung als alternatives Lohnkonzept ...................... 224 V. Das Mitarbeitsverhältnis als Grundlage des Gegenleistungsrisikos . . . . . . . . . . .. 226 § IS Zusammenfassung .............................................................. 227
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 235 Namen- und Sachregister ............................................................ 259
Abkürzungsverzeichnis A.A., a.A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
abI.
ablehnend
Abs.
Absatz
AcP
Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift)
AFG
Arbeitsförderungsgesetz
AG
Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)
AktG
Aktiengesetz
ANBA
Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Nürnberg 1953 ff.
Anm.
Anmerkung
AnnDR
Annalen des Deutschen Reichs für Gesetzgebung, Verwaltung und Statistik
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts
AP
Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts)
AR-Blattei
Arbeitsrechts-B lattei
ArbRGegw
Das Arbeitsrecht der Gegenwart. Jahrbuch für das gesamte Arbeitsrecht und die Arbeitsgerichtsbarkeit
ArbR
Zeitschrift für das gesamte Arbeitsrecht der Angestellten und Beamten (Zeitschrift)
AR-Handbuch
Arbeitsrechts-Handbuch
ArbuR
Arbeit und Recht (Zeitschrift)
Art. AT AuA Aufl. AuR= ausf. BAßl BAG BAGE BB Bd. Beil. bestr.
Artikel Allgemeiner Teil Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Auflage ArbuR ausführlich Bundesarbeitsblatt (Zeitschrift) Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, Amtliche Sammlung Der Betriebsberater (Zeitschrift) Band Beilage bestritten
16 BetrVG
Abkürzungsverzeichnis Betriebsverfassungsgesetz vom 15. Januar 1972
BetrVR
Betriebsverfassungsrecht
BGB BGH
Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof
BGHZ B1StSozArbR
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, Amtliche Sammlung Blätter für Steuern, Sozialversicherung und Arbeitsrecht
BMWi
Bundesministerium für Wirtschaft
BR
Betriebsrat
BRG BSG BT-Drucks. BT-Prot.
Betriebsrätegesetz von 1920 Bundessozialgericht Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksachen Stenographische Berichte (Protokolle) über die Sitzungen des Deutschen Bundestages
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Amtliche Sammlung beziehungsweise
bzw. ca.
circa Computer Integrated Manufactoring
CIM CR
Computer und Recht ( Zeitschrift)
d. d. h.
der das heißt
DB
Der Betrieb (Zeitschrift) Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)
DBW ders.
derselbe
dies.
dieselben
Diss.
Dissertation
DIr
Deutscher Juristentag Deregulierungskommission Däubler I Kittner I Klebe I Schneider (Hrsg.), Kommentar zum BetrVG, 4. Aufl. 1994 (zitiert: DKKS I Däubler usw.)
Dk. DKKS DM DNU DRdA DRZ DZWir ebd. etc. eventl. f. ff. FG
Deutsche Mark Das Neue Unternehmen (Zeitschrift) Das Recht der Arbeit (österreichische Zeitschrift) Deutsche Rechtszeitschrift Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ebenda et cetera eventuell folgende fortfolgende Festgabe
Abkürzungsverzeichnis Fn. Friedr. FS GdA Gesamtmetall GG ggf. GK-BetrVG
GmbH GmbHG GMH grds. Gruchot GS GWB HBS H.C. h.L. h.M. Halbb. HdbStR HdbVerfR HGB Hrsg. hrsg. IAO IAT IGM i.V.m. lW-trends JA Jg. JR JuS JZ krit. KritV
2 Schack
17
Fußnote Friedrich Festschrift Zeitschrift des Gewerkschaftsbundes der Angestellten Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände e.v., Köln Grundgesetz gegebenenfalls Fabricius / Kraft / Thiele / Wiese / Kreutz, Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, Bd. I: §§ 1 -73, 4. Auf!. 1987, 5. Auf!. 1994, Bd. 2: §§ 74 - Schluß, 4. Auf!. 1990 (zitiert: Bearbeiter, GKBetrVG) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gewerkschaftliche Monatshefte (Zeitschrift) grundSätzlich Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts Großer Senat Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Hans-Böckler-Stiftung Hans earl herrschende Lehre herrschende Meinung Halbband Handbuch des Staatsrechts Handuch des Verfassungsrechts Handelsgesetzbuch Herausgeber herausgegeben Frauenhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation Institut für Arbeit und Technik Industriegewerkschaft Metall in Verbindung mit Quartalshefte zur Empirischen Wirtschaftsforschung des Instituts der deutschen Wirtschaft Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jahrgang Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) kritisch Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft
AbkÜfZungsverzeichnis
18 KSchG
Kündigungsschutzgesetz
KVP
kontinuierlicher Verbesserungsprozeß
LAG
Landesarbeitsgericht
MAß
Guski 1 Schneider, Mitarbeiter-Beteiligung, MAB, Handbuch für die Praxis, Loseblattausgabe, Stand: Oktober 11994 (zitiert: MAß 1 Bearbeiter)
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
Mio
Millionen
MitbestG
Mitbestimmungsgesetz
MitbestErgG
Mitbestimmungsergänzungsgesetz
Montan-MitbestG
Montan-Mitbestimmungsgesetz (= Mitbestimmungsgesetz Kohle und Eisen)
MünchArbR
Richardi 1 Wlotzke (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. I: §§ I - llO, Individualarbeitsrecht I, 1993, Bd. 3: §§ 233 - 383 Kollektives Arbeitsrecht (zitiert: MünchArbR 1 Bearbeiter)
MünchHdb. AG
Hoffmann-Becking (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4 Aktiengesellschaft, 1988 (zitiert: MünchHdb. AG 1 Bearbeiter)
MünchKomm
Münchener Kommentar
Nachw.
Nachweise
n.F.
neue Fassung
Nr.
Nummer
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
Ordo
Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft
RAG
Reichsarbeitsgericht
RAGE
Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts, Amtliche Sammlung
RdA
Recht der Arbeit (Zeitschrift)
RDV
Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift)
RG
Reichsgericht
RGRK
Reichsgerichtskommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, Amtliche Sammlung
Rn.
Randnummer
Rspr.
Rechtsprechung
Schmollers Jahrbücher
Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich
S.
Satz, Seite
s.
siehe
S.a.
siehe auch
s.o.
siehe oben
Sp.
Spalte
AbkÜfzungsverzeichnis s.u.
SAE SGB sog. SJZ SprAuG std. Rspr. TQM TVG
u. a. Übers. usw. v. VerrnBG vgl. Vorbem. WM z.B. ZfA ZGR Ziff. ZIP ZRP z.T. zust. ZVersWiss
siehe unten Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) Sozialgesetzbuch sogenannte Süddeutsche Juristenzeitung Sprecherausschußgesetz ständige Rechtsprechung Total Quality Management Tarifvertragsgesetz und andere, unter anderem Übersicht und so weiter vom Vermögensbildungsgesetz vergleiche Vorbemerkung Wertpapier - Mitteilungen (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Untemehmens- und Gesellschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil zustimmend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft
19
§ 1 Einleitung, Ziel und Gang der Untersuchung Die deutsche Zivilrechtsordnung, das Recht der vertraglichen Schuldverhältnisse, stellt den Bürgern zwei rechtliche Formen zur Verfügung, in denen die menschliche Arbeit erbracht werden kann. Diese kann als unselbständige Arbeit als Arbeitnehmer oder als unternehmerische Tätigkeit Selbständiger erfolgen. 1 Diesen beiden Grundtypen lassen sich bestimmte Rechtsgebiete zuordnen: dem Arbeitnehmer das Arbeitsrecht und dem Selbständigen das Recht der freien Dienstund Werkverträge. Da der Selbständige als Einzelperson oftmals nicht die Tätigkeit allein verrichten will oder kann, stellt ihm die Zivilrechtsordnung zwei Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, mit deren Hilfe dieser die Tätigkeit "anderer" dauerhaft der eigenen dienstbar machen kann. In der ersten wird der andere als Arbeitnehmer verpflichtet. 2 Die Rechtsgrundlage findet sich im Arbeitsvertrag. In der zweiten aber wird die Möglichkeit einer gemeinsamen Aktion durch die privatrechtliche Vereinigung von Personen realisiert? Dies ist der Gegenstand des Gesellschaftsrechts. 4 Der Gesellschaftsvertrag ist hierfür die Rechtsgrundlage, in dem sich die Gesellschafter gegenseitig verpflichten, "die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Art und Weise zu fördern" (§ 705 BGB).5
I. Vom Arbeitnehmer zum Gesellschafter? "Arbeitnehmer oder Arbeitsteilhaber?" ist eine Schrift des Marburger Forum Philippinum aus dem Jahr 1987 betitelt, in der sich mehrere Autoren aus vielfältigen Perspektiven mit Zustand und Zukunft des Arbeitsrechts beschäftigen. Lieb6 stellt dort die Frage: "Wandelt sich das Arbeitsverhältnis zum untemehmerischen Teilhaberverhältnis?"
Diese Frage findet ihren Grund in der ständigen Veränderung der Arbeitsverhältnisse, die durch das arbeitsrechtliche Schutzinstrumentarium7 von der klassischen 1 2
3 4
5 6
Vgl. Beuthien, FS E. Wolf, 1985, S. 18 ff.; Söllner, Arbeitsrecht, § 31 3. Vgl. etwa Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 111 2. Loritz, RdA 1992, S. 310 (310). Dazu etwa Kraft I Kreutz, Gesellschaftsrecht, A I. Dazu Kellermann, Zweck, S. 74 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 1I I. Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 41.
22
§ 1 Einleitung, Ziel und Gang der Untersuchung
Struktur des Arbeitsverhältnisses als Unterfall des Dienstvertrages der §§ 611 ff. BGB losgelöst wurden und weiterhin werden. Schon lange finden sich die arbeitsrechtlich relevanten Regelungen nicht mehr im Bürgerlichen Gesetzbuch allein, sondern auch in vielen einzelnen Gesetzen (z. B. dem Kündigungsschutzgesetz, dem Betriebsverfassungsgesetz 1972), wobei das sog. Richterrecht der höchstrichterlichen Rechtsprechung das Arbeitsrecht maßgeblich aus- wie neugestaltet. Aus dem Arbeitnehmer, der ohne jeden Schutz dem ManchestertumS ausgeliefert war, wurde und wird ein Arbeitnehmer, der durch wachsende berufliche Qualifizierung, fortwährende Lohnzuwächse, Bestands- und Sozialschutz und wachsende unternehmerische und I oder betriebliche Mitbestimmungsrechte nicht mehr dem klassischen Arbeitnehmer gleicht. 9 Des weiteren erkennen Rechtsprechung und herrschende Lehre eine Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers an 10, die als allgemeine Weiterbeschäftigungspflicht über eine im Streit befindliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses hinausreichen kann II . Das Arbeitsrecht hat das Urmodell des Arbeitsvertrages 12 verlassen, und es wird fraglich, ob sich das Arbeitsrecht im Gesellschaftsrecht auflöst und I oder seinen eigenen Grundvoraussetzungen untreu wird. 13 Diese Entwicklung wird von Adomeit zum Anlaß genommen, dem Arbeitsverhältnis gesellschaftsrechtliche Elemente zuzuschreiben. Er stellt die These auf, daß das Arbeitsverhältnis als gemischtes Rechtsverhältnis, bestehend aus dienstvertraglichen und BGB-gesellschaftlichen Elementen zu charakterisieren sei und damit den Weg zu einem Mitgliedschaftsverhältnis eingeschlagen habe. 14 Diese Konzeption wird überwiegend in der Literatur abgelehnt. 15 Die Arbeitsvertragsparteien würden weder einen gemeinsamen Zweck verfolgen, noch könne von einer Gleichrangigkeit zwischen diesen gesprochen werden. 16 Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 41. Dazu Kissel, RdA 1988, S. 193 (193); Schack, Liberalisierung, S. 28,47. 9 Vgl. Rüthers, Arbeitsmarkt, S. 525 ff.; ders., FS E. Wolf, 1985, S. 565; Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 41 f.; Beuthien, Wandel, S. 28. 10 Vgl. etwa MünchArbR I Blomeyer, § 93 Rn. 1; Schaub, AR-Handbuch, § 110 I 4; std. Rspr. des BAG, insbesondere 10. 11. 1955, 13.9. 1967, 19.8. 1976,27.2. 1985 AP Nr. 2, 3, 4 und 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht. 11 Vgl. etwa Staudinger I Richardi, § 611 Rn. 808 ff. 12 Beuthien, FS E. Wolf, 1985, S. 18. 13 Beuthien, FS E. Wolf, 1985, S. 32. 14 Adomeit, Elemente, S. 7 ff.; ders., JA 1988, S. 173 ff. (174); ders., 90er Jahre, S. 5 ff.; ders. zuletzt, Arbeitsrecht, E 10 b. 15 Jabornegg, DRdA 1991, S. 8 (11); Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 41 ff.; ders. Arbeitsrecht, § 1 n 3; MünchArbR I Richardi, § 8 Rn. 13; Preis, Grundfragen, S. 15 ff.; Steinmeyer, Altersversorgung, S. 55 ff.; Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 4 In 2 b. Vgl. auch Beuthien, Wandel, S. 29 ff. 16 Beuthien, FS E. Wolf, 1985, S. 27 ff.; ders., FS 25 Jahre BAG, 1979, S. 2 ff.; Brox, Arbeitsrecht, Rn. 15; Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 41 ff.; Jabornegg, DRdA 1991, S. 9 (11). 7
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§ 1 Einleitung, Ziel und Gang der Untersuchung
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Demgegenüber ist nach Wank!? der Arbeitnehmerbegriff unter dem Aspekt der Arbeitnehmerbeteiligungsrechte neu zu bestimmen und um gesellschaftsrechtliche Züge zu bereichern. Die Kombination von Arbeitsrecht und dem Recht der Mitbestimmung leide an einem "inneren Bruch,,!8, und zumindest der Mitarbeiter in einem existenzgefährdeten Unternehmen sei ein Arbeitnehmer mit gesellschaftsrechtlichem Einschlag. Auch Görg!9 sieht durch die Kontroll- und Mitbestimmungsrechte zumindest einen Wandel von einer rein schuldrechtlichen Austauschbeziehung hin zu einer mitgliedschaftlichen Beziehung im Rahmen einer partnerschaftlichen Kooperationsordnung mit verbandsrechtlichen Strukturen als vollzogen an, und nach Löwisch20 wird mit einer paritätischen Mitbestimmung strukturell der Übergang vom Arbeitsverhältnis zum Gesellschaftsverhältnis vollzogen.
11. Gruppenarbeit und das Mitarbeitsverhältnis Die Frage nach gesellschaftsrechtlichen Elementen im Arbeitsverhältnis wird durch die vermehrte Einführung von arbeitsgruppenbezogenen Arbeitsorganisationen im Sinne der schlanken Fabrik eine wachsende Bedeutung erlangen. Den Arbeitnehmern in diesen Gruppen werden weitergehende Befugnisse und Aufgaben zur autonomen Ausführung übertragen, die vorher vom Arbeitgeber oder seinen Vertretern wahrgenommen wurden. 2! Auf diese Weise erhalten die Gruppenmitglieder neben den gesetzlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten weitere Kompetenzen zugesprochen. Das Beteiligungspotential dieser Gruppen ist insbesondere hinsichtlich der tarifvertraglichen ,,Mitbestimmung von außen,,22 von besonderer Bedeutung. Die Industriegewerkschaft Metall legte in ihrer "Tarifrefonn 2000" bereits Vorschläge über weitergehende Beteiligungsrechte von Arbeitnehmern oder Betriebsräten bei Gruppenarbeit vor. 23 Diese Vorschläge werden von der Arbeitgeberseite als falsch abgelehnt. 24 In der Arbeitsrechtswissenschaft werden bereits erste Musterregelungen über Tarifverträge vorgestellt, in denen die Gruppenbildung, die Arbeitsaufgabe der
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Wank, Arbeitnehmer, S. 363 ff. Wank, Arbeitnehmer, S. 368. Görg, Entschädigung, S. 117 f.; vgl. auch Vollmer, Unternehmensverfassungen, S. 14. Löwisch, Mitbestimmung, S. 139, 152; a.A. Mayer, Mitbestimmung, S. 54 ff. S.u. § 6 II. Vgl. dazu grundSätzlich Beuthien, ZfA 1983, S. 141 ff.; ders., ZfA 1984, S. I ff. Vgl. Lang 1 Unterhinninghofen, RdA 1992, S. 179 (184). Vgl. Kirchner, Unternehmen und Gesellschaft Nr. 7/1992, S. 13 (16 f.).
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§ 1 Einleitung, Ziel und Gang der Untersuchung
Gruppe und die Gruppenorganisation etwa zum Gegenstand tariflicher Regelungen gemacht werden. 25 Ein Ausbau der Mitbestimmung auf betrieblicher oder untemehmerischer Ebene soll aber gesellschaftsrechtskonform nicht möglich sein, ohne die arbeitnehmerseitigen Mitverwaltungsrechte mit Mitrisikotragungspflichten zu verbinden. 26 Für die Risikobeteiligung der Arbeitnehmer bietet sich das Mitarbeitsverhältnis an, für das Adomeit plädiert. Dieses soll zwischen dem Arbeits- und dem Gesellschaftsverhältnis stehen. Die Basis des Mitarbeitsverhältnisses bildet das Unternehmensergebnis, das durch die Arbeit des Arbeitgebers wie der Arbeitnehmer realisiert wird und von dem beide profitieren. Das Arbeitseinkommen soll als Beteiligung, " ... sobald es glücklich das bürgerliche Durchschnittseinkommen überschreitet, im Verhältnis zum Unternehmensgewinn gestaltet werden ... ", so daß die " ... Mitarbeiter ihr Geld teils als Gehalt, teils als Dividende beziehen ...
",z7
Diese neue Art der Zusammenarbeit fand schon positiven Anklang im Schrifttum. 28
111. Ziel der Untersuchung Diese Untersuchung soll Aufschluß darüber geben, ob und inwieweit im Arbeitsverhältnis gesellschaftsrechtliche Elemente vorhanden sind. Hierbei wird das Arbeitsrecht als Untersuchungsgegenstand dienen, und zwar unter Berücksichtigung der arbeitsorganisatorischen und arbeitsgruppenbezogenen Entwicklungen im Sinne einer schlanken Fabrik. Darüber hinaus soll ein Bezug zwischen der Theorie von den gesellschaftsrechtlichen Elementen im Arbeitsverhältnis mit dem Konzept eines Mitarbeitsverhältnisses und der erfolgsabhängigen Entlohnung im Rahmen einer Beteiligung hergestellt werden. Kreßel, RdA 1994, S. 23 (31 f.). Ramm, Bestandsaufnahme, S. 232 f.; Zöllner, FS 25 Jahre BAG, 1979, S. 763 ff.; ders., AG 1981, S. 13 (17 f.); Wank, Arbeitnehmer, S. 369; a.A. Däubler, Bericht, S. 266 f.; vgl. auch G. Müller, DB 1969, S. 1794 (1794), nach dem unternehmerische Mitbestimmung mit aufrechterhaltenem oder fortentwickeltem Arbeitsrecht in der Sache gegen Treu und Glauben verstoßen dürfe. Nach Reuter, BB 1986, S. 385 (387) enthält die Rechtsordnung ein nicht zuletzt in Art. 3 Absatz I GG fußendes Gebot zur Konsistenz, weIches verbiete, von schutzbedürftigen Arbeitnehmern auszugehen, wenn diese eigentlich von der Interessenlage her (mitarbeitenden) Gesellschaftern oder Genossen entsprächen. Für Lieb, Arbeitsrecht, § 1 11 3, sind dem weiteren Ausbau der betriebsverfasungsrechtlichen und unternehmerischen Mitbestimmung strukturelle Grenzen gesetzt. 27 Adomeit, Wen schützt, S. 185 (These 29); grundlegend schon in: Der Arbeitgeber 1985, S. 76 (78). 28 Rüthers, Arbeitsmarkt, S. 576 f. 25
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§ I Einleitung, Ziel und Gang der Untersuchung
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IV. Gang der Untersuchung Die Untersuchungsinhalte lassen sich zunächst in drei Bereiche untergliedern: einen arbeitsrechtlichen, einen gesellschaftsrechtlichen sowie einen Bereich hinsichtlich einer Risikobeteiligung des Arbeitnehmers. Im ersten Kapitel werden die drei Bereiche insgesamt rechtshistorisch untersucht, um einen Überblick über die Entwicklungsgrundlagen und die möglichen Querverbindungen zu gewinnen. Das zweite Kapitel widmet sich der Regelungsmaterie und dem Lebenssachverhalt des Arbeitsrechts (§ 3) sowie den unternehmerischen Steuerungs- und Kombinationsprozessen im Unternehmen (§ 4). Des weiteren erfolgen in § 5 eine Untersuchung der Ebenen der Mitbestimmung und eine Einordnung der Gruppenarbeit in deren Stufenfolge. Für die Frage nach dem gemeinsamen Zweck der Arbeitsvertragsparteien und deren Gleichrangigkeit ist von Bedeutung 29 , welche Wirkung den arbeitnehmerseitigen Beteiligungsrechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz und dem Mitbestimmungsgesetz zukommen und inwieweit im Rahmen der Gruppenarbeit ein weiteres Beteiligungspotential geschaffen wird. Dementsprechend wird im dritten Kapitel, unter Verwendung der Ergebnisse aus dem zweiten Kapitel, nach der Reichweite der unternehmerischen und betrieblichen Beteiligung der Arbeitnehmer auch hinsichtlich der Gruppenarbeit gefragt. Als Untersuchungsobjekt hinsichtlich der Wirkungen der unternehmerischen Mitbestimmung fungiert eine mitbestimmte Aktiengesellschaft und bezüglich des BetrVG ein Betrieb, in dem in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Die arbeitsgruppenbezogene Arbeitsorganisation im Sinne einer schlanken Fabrik wird unter Berücksichtigung der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur und einiger Praxisbeispiele soweit möglich begutachtet. Das dritte Kapitel (§ 9) findet seinen Abschluß in der Beantwortung der Frage, ob und inwieweit die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer insgesamt zu einer gleichgewichtigen Teilnahme der Arbeitnehmer an den unternehmerischen Kombinationsprozessen im Unternehmen und im Betrieb führen und wie dies rechtstechnisch zu erfassen ist. Im vierten Kapitel wird nach den möglichen Grundlagen einer Abhängigkeit des Arbeitnehmers geforscht. Diese ist als dogmatische Grundlage des Arbeitsrechts zu bezeichen und kann insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Einordnung des Arbeitsverhältnisses entgegenstehen. Die Klärung der letztgenannten Problemstellungen eröffnet die Möglichkeit, die Frage nach der Gleichordnung der Arbeitsvertragsparteien und des gemeinsamen Zwecks im Sinne des § 705 BGB im fünften Kapitel unter gesellschaftsrechtlichen 29
Vgl. Brox, Arbeitsrecht, Rn. 15; Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 47.
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§ I Einleitung, Ziel und Gang der Untersuchung
Aspekten zu beantworten. Darüber hinaus werden auch die weitergehenden Argumente, die gegen die gesellschaftsrechtliche Einordnung des Arbeitsverhältnisses vorgebracht werden, erörtert. Zum Abschluß des fünften Kapitels werden die verschiedenen Möglichkeiten einer materiellen Mitarbeiterbeteiligung untersucht und in Beziehung zu dem Mitarbeitsverhältnis gestellt.
1. Kapitel
Die Grundzüge der Entwicklung des Arbeitsrechts und der Mitarbeiterbeteiligung bis zum Ende der Weimarer Republik Die Aufgabenstellung dieser Untersuchung setzt die Beschäftigung mit dem historischen Hintergrund voraus. Das Arbeitsrecht erscheint als Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung und wird erst durch die Darstellung dieser transparent und verständlich. 1 Ebensolches hat auch für die Idee einer Mitarbeiterbeteiligung zu gelten.
§ 2 Die Entstehung der Arbeitsrechtsordnung im Lichte der Mitarbeiterbeteiligung Die Wurzeln vieler Arbeitsrechtsordnungen lassen sich in anderen Epochen der Rechtsentwicklung feststellen. Dies gilt im besonderen Maße für die deutsche Arbeitsrechtsordnung. Deren Ursprung findet sich im deutschen Kaiserreich. 2 Der Monarchie standen in täglich steigender Zahl aufgeklärte Bürger und Werktätige gegenüber3, wobei die industrielle Revolution das gesamte Gesellschaftssystem verwandelte. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs und mit der Entstehung der Weimarer Republik wurden den Arbeitnehmern mehr Rechte und Freiheiten zugebilligt4 , die ihnen in der Zeit des Nationalsozialismus wieder entzogen wurden5 • Im folgenden werden die Meilensteine der Arbeitsrechtsentwicklung dargestellt und eine kurze Geschichte der Mitarbeiterbeteiligung referiert. Wobei letzterem mehr Raum verbleibt, während für das Arbeitsrecht der Zeitraum bis 1918 ausführlicher dargestellt wird als der folgende. Die Zeit des Nationalsozialismus soll hier mangels Relevanz völlig ausgespart bleiben. So MünchArbR / Richardi, § 2 Rn. 1. Vgl. etwa Konzen, ZfA 1991, S. 379 (bes. 380, m.w.N in Fn. 7); Ramm, FS Mallmann, 1978, S. 191. 3 Vgl. etwa Kaufhold, ZfA 1991, S. 277 ff.; zur deutschen Arbeitsverfassung in der Zeit von 1815 bis 1848 (Vormärz) Ramm, Freundesgabe Söllner, 1990, S. 422 ff. 4 Konzen, ZfA 1991, S. 379 (386 f., 389). 5 Vgl. etwa Kroeschell, Rechtsgeschichte, S. 101 ff. 1
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen
I. Die Entwicklung bis zum Ende des 1. Weltkriegs Der Ausgangspunkt der Entwicklung des Arbeitsrechts und der Mitarbeiterbeteiligung liegt im 18. Jahrhundert und dessen weitreichenden und tiefgreifenden Veränderungen auf dem Gebiet der Politik, der Wirtschaft und der Wissenschaft.
1. Vom Status zum Kontrakt
Die Geburtsstunde des modernen, deutschen Arbeitsrechts 6 wurde von gesellschaftlichen wie technologischen Umwälzungen eingeleitet. Den Zunftverfassungen, die als Grundlage für die Regelungen der Arbeitsbedingungen dienten, wurden dabei Sinn und Berechtigung wie Anerkennung entzogen. 7 Die ständische Ordnung löste sich auf, und an die Stelle der reglementierenden Zunftverfassung trat die Vertragsfreiheit. 8 Die Regelungen der Arbeitsbedingungen wurden der freien Übereinkunft der Arbeiter und Gewerbetreibenden überantwortet. Die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vorn 21. Juli 18699 legte dies in § 105 endgültig fest. Der Wirtschaftsliberalismus prägte die damalige Zeit. 10 Der freie Arbeitsvertrag sollte die Freiheit und Gleichheit aller Individuen verwirklichen. 11 Dieser Schritt vorn Status zum Vertrag 12 brachte mit der Freiheit auch den Zwang für den Arbeitnehmer mit sich, als Mitglied des freien Marktes seine Arbeitsleistung als Ware anbieten zu können und zu müssen l3 , wollte er nicht sich und seine Familie dem 6 Mit der Regelungsmaterie "menschliche Arbeit im Dienste eines anderen" entstand das Arbeitsrecht, dazu Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 3 I ff., m.w.N.; Söllner, Arbeitsrecht, § 2 I ff. Vgl. auch Mestitz, Wirkungsgeschichte, S. I ff., m.w.N. Zur "Entfesselung der Arbeitskraft" Steindl, Entfesselung, S. 30 ff. Zu den Anfangen des modemen Arbeitsrechts Roscher, Anfänge. Eine .Geschichte des Arbeitsrechts selbst wurde noch nicht geschrieben, einen Überblick vermitteln die vorgenannten Werke und neuerdings etwa MünchArbR I Richardi, §§ 2 ff. 7 Reuter, Re-Individualisierung, S. 29, m.w.N.; Buttler, Regulierung, S. 80; ders., Arbeitsbeziehungen, S. 44; Picker, ZfA 1986, S. 199 (248 f.); Steindl, Entfesselung, S. 31; Gitter, Arbeitsrecht, S. 6; MünchArbR I Richardi, § 2 Rn. 2 ff. 8 Dazu etwa Staudinger I Richardi, Vorbem. 667 f. zu §§ 611 ff. 9 Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1869, S. 245 ff. 10 Dazu etwa Roscher, Anfänge, S. 378 ff.; Hönn, Kompensation, S. 9 f. Kritisch zum Verhältnis des Wirtschaftsliberalismus zu der damaligen Gesetzgebung Benöhr, ZfA 1977, S. 187 ff. 11 Dazu etwa Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 313; Picker, ZfA 1986, S. 199 (248); Hönn, Kompensation, S. 9 f. 12 "From status to contract" als gebräuchliche Formulierung seit Henry Sumner Maine, Ancient Law, zitiert nach Picker, ZfA 1986, S. 199 (251 Fn. 130), dazu m.w.N. Rehbinder, Festschrift Hirsch, 1968, S. 143. Vgl. aber auch Alonso, Hörigkeit, S. 1 ff. 13 V gl. statt aller Picker, ZfA 1986, S. 199 (250).
§ 2 Arbeitsrechtsordnung und Mitarbeiterbeteiligung
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Hungertod preisgeben. 14 Aus dieser Notwendigkeit heraus veränderte sich das Verhältnis der Arbeitnehmer zu dem Arbeitgeber. Der übermächtige Unternehmer sah sich in der Lage, aus dem großen Potential der Arbeitsuchenden Arbeitswillige auszusuchen und die Arbeitsbedingungen zu diktieren. Die gewonnene Freiheit der Arbeitnehmer war nur eine formale, die an den realen Gegebenheiten des damaligen Arbeitslebens scheiterte. 15 Die fortschreitende Industriealisierung war mit der stetigen Expansion von Industrieanlagen verbunden. An die Stelle von kleinen Gewerbebetrieben traten unüberschaubare und anonyme Fabriken und Großbetriebe. 16 Die Arbeitnehmer tauchten regelmäßig nur noch auf den Lohnlisten auf. Die fortschreitende Arbeitsteilung vereinfachte die Arbeitsschritte, so daß aus der Vielzahl VOn Arbeitswilligen jederzeit neue und andere Arbeitnehmer an Stelle der alten Arbeitnehmer traten. 17 Die Industriealisierung bedingte zudem einen stetig anwachsenden Kapitalbedarf, denn es galt, den Maschinenpark auf dem neuesten Stand der Technik zu halten. Jetzt war der Kapitalismus geboren. 18 Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts wuchsen die Betriebe weiter an. Es kam zur Massenproduktion. 19 In diesen Zeiten bedeutete Arbeitslosigkeit kein Brot für sich und die Familie. Die Arbeit wiederum aber brachte vielfältige Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers mit sich. Die Verelendung der Bevölkerung, das Problem der Massenarmut, deren Anfänge im 16. Jahrhundert liegen 20 , setzten sich fort. Die "Soziale Frage,,21 entwickelte sich, nahm täglich an Bedeutung zu. So stellte Hegel 22 schon 1833 "das Übennaß der Armut" fest, und Marx23 widmete die eigene Arbeit der" Verelendungskonkurrenz" in der Arbeiterschaft.
a) Die Arbeitsschutzgesetzgebung
Zum Schutz des Arbeitnehmers vor den alltäglichen Gefahren des Arbeitslebens entwickelten sich Strukturen und Normen, deren wichtigste Aufgabe in der Sicherung des Faktors Arbeit lag. 24 Das preußische Regulativ über die Beschäftigung 14 Vgl. v. Mohl, Archiv der politischen Ökonomie und der Polizeiwissenschaften, Bd. 2 (1835), S. 141 (145). 15 Picker, ZfA 1986, S. 199 (251). 16 Vgl. Reuter, Re-Individualisierung, S. 29. 17 Diese Gefahr sieht schon v. Mohl, Archiv der politischen Ökonomie und der Polizeiwissenschaften, Bd. 2 (1835), S. 141 (143). 18 Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 3 I 2. 19 Homburg, Geschichte und Gesellschaft 1978, S. 170 (171 f.). 20 Dazu Abel, Massenannut, S. 14,302 ff. 21 Steindl, Entfesselung, S. 31; Picker, ZfA 1986, S. 199 (251 ff.); Buttler, Regulierung, S.80. 22 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, ed. Gans 1833, § 245, dazu Adomeit, FS Walter, 1991, S. 13 ff. 23 Marx, Das Kapital, 1. Bd., S. 320.
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen
jugendlicher Arbeiter in den Fabriken vom 9. März 1839 bildete den Anfang der staatlichen Arbeiterschutzgesetzgebung. 25 1890 fand eine erste Internationale Arbeiterschutzkonferenz in Berlin statt?6 Die Novelle zur Reichsgewerbeordnung vom 1. Juni 1891 27 , das sog. Arbeitsschutzgesetz, realisierte einen Arbeiterschutz, dessen Nonnen auch heute noch den Kernbestand des Arbeitsrechts 28 bilden. 29 b) Die Gewerkschaften
Die legislatorischen Antworten auf die Situation der Zeit bildeten aber nur eine Säule der neuen Ordnung. Der Zwang zur "Selbsthilfe der Beteiligten ,,30 führte zu der Arbeiterbewegung, und schon 1848 wurde in Berlin die "Arbeiterverbrüderung,,31 gegründet. Die Ursprünge der Zusammenschlüsse lassen sich in den Gesellenverbänden des Zunftwesens finden. 32 Die Arbeitnehmer schlossen sich in den Gewerkschaften zusammen 33 und konnten so eine Gegenrnacht zu den übermächtigen Arbeitgebern bilden. Das Verbot von Arbeiterassoziationen 34 wurde durch die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21. Juli 186935 in § 152 Abs. 1 beseitigt, in dem alle Sanktionen wegen Verabredung und Vereinigung zur Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen aufgehoben wurden (Koalitionsfreiheit). 36 Aber erst nach der Aufuebung der Sozialistengesetze 1890, die auch die als Richtungsgewerkschaften anzusehenden Arbeiterzusammenschlüsse betrafen, emanzipierten sich diese von den politischen Bewegungen. 37 24 Vgl. etwa Schaub, AR-Handbuch, § 152, m.w.N.; Mestitz, Wirkungsgeschichte, S. I ff., 10 ff.; grundlegend Herschel, der den Arbeitsschutz als Urquelle des modemen deutschen Arbeitsrechts bezeichnet, RdA 1978, S. 69 (69). 25 Vgl. etwa Kaufhold, AuR 1989, S. 225 (225 ff.). 26 V gl. dazu die Beiträge der Tagung über die erste Internationale Arbeiterschutzkonferenz, abgehalten am 15. und 16. März 1991 an der Freien Universität in Berlin, ZfA 1991, S. 273 ff., u. a. Kaujhold, ZfA 1991, S. 277 ff.; Konzen, ZfA 1991, S. 379 ff. 2? Gesetz vom 1. 6. 1891, RGBI. 1891, S. 261 ff. Sog. Lex Berlepsch nach dem damaligen Reichskanzler v. Berlepsch, MünchArbR I Richardi, § 2 Rn. 24. 28 Konzen, ZfA 1991, S. 379 (381), mit Nennung der einzelnen Regelungen. 29 Vgl. etwa Kaufhold, ZfA 1991, S. 277 (277, 305 ff.); Konzen, ZfA 1991, S. 379 (379 ff.); MünchArbR I Richardi, § 2 Rn. 23. 30 Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. I, § 311. 31 Fülberth, Entwicklung, S. 19. 32 Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 311 2. 33 Zur Entwicklung der deutschen Gewerkschaften zu einer Massenbewegung Ritter I Tenfelde, Durchbruch, S. 55 ff. 34 Vgl. Albrecht, Fachverein, S. 33 ff. 35 Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1869, S. 245 ff. 36 Dazu Neumann, RdA 1990, S. 257 (257); Bender, Strukturen, S. 259; Kroeschell, Rechtsgeschichte, S. 29 f.
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Die Hauptaufgabe der Gewerkschaften lag darin, die individuelle Machtlosigkeit des einzelnen Arbeitnehmers durch die Stärke einer kollektiven Interessenvertretung zu ersetzen. 38 Die so erlangte Macht ermöglichte es wiederum, bei Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen den Interessen der Arbeitnehmer mit Nachdruck zum Erfolg zu verhelfen. Als Kampfmittel diente und dient dabei der Streik als kollektive Niederlegung der Arbeit. 39 In der Zeit entwickelte sich auch das Tarifvertragswesen, und der Tarifvertrag als Regelungsinstrument fand zunehmend Beachtung. Der Tarifvertrag im Buchdruckergewerbe machte den Anfang40 , und im Jahre 1913 gab es fast 13 000 Tarifverträge, die allerdings nur 10% der Arbeitnehmer, das waren 1,8 Mio., erfaßten. 41 Dem einseitigen Diktat der Arbeitsbedingungen durch die Arbeitgeber konnte mit Abschluß der Tarifverträge entgegengewirkt werden. 42 In den Tarifverträgen realisierte sich somit die älteste Form der Mitbestimmung. 43 c) Die Arbeiterausschüsse
Das Arbeitsschutzgesetz enthielt nicht allein individualrechtliche Vorschriften. Vielmehr fand sich in den Vorschriften über die Arbeiterausschüsse die dritte Säule einer modemen Arbeitsrechtsordnung. Diese Normen können als die "Keimzelle der betrieblichen Mitbestimmung,,44 bezeichnet werden. 45 Die Errichtung der Ausschüsse war allerdings nicht zwingend. 46 Eine Aufgabe war diesen aber bei der Errichtung oder Abänderung der vorgeschriebenen Arbeitsordnung (§§ 134a, 134b GewO) zugewiesen: Der hierbei vorgeschriebenen Pflicht zur Anhörung der Arbeiter war auch durch eine Anhörung des Arbeiterausschusses Genüge getan (§ 134d Abs. 2 GewO). Des weiteren war die Zustimmung des Arbeiterausschusses bei Regelungen notwendig, die die Benutzung von Wohlfahrtseinrichtungen und das außerbetriebliche Verhalten minderjähriger Arbeiter betrafen (§ 134b Abs. 3 Satz 2 GewO).47
MünchArbR I Richardi, § 2 Rn. 35. Vgl. Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 3 IV. Einen Überblick gibt etwa: Bender, Strukturen, S. 259 ff., m.w.N. 39 Vgl. etwa Picker, ZfA 1986, S. 199 ff.; Adomeit, Arbeitsrecht, C III. 40 Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. I, § 3 IV. 41 Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 3 11 2. 42 Biedenkopf, Grenzen, S. 6 ff.; Däubler, Grundrecht, S. 8, m.w.N.; Flume, DB 1967, S. 294 (296); Hueck, Probleme, S. 10; v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 111 1; a.A. Thomssen, Mitbestimmung, S. 7. 43 Däubler, Grundrecht, S. 8 44 MünchArbR I Richardi, § 2 Rn. 26. 45 Teuteberg, Geschichte, S. 385. 46 Vgl. Friedrich, Deutschland, S. 24. 47 Zu dem historischen Hintergrund, Teuteberg, Geschichte, S. 376 ff. 37
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen
Gesetzentwürfe für Fabrikausschüsse fanden sich schon davor in Deutschland. 1848 beschäftigte sich im Zuge der Revolution von 1848/49 der Volkswirtschaftliche Ausschuß der Frankfurter Nationalversammlung mit einer Gewerbeordnung für Deutschland. 48 Die Beratungen und Entwürfe widmeten sich dabei auch Fragen der Mitbestimmung. Der Ausschuß entschied sich aber für einen Hauptentwurf, der die Mitbestimmung auf die Verfassung der handwerklichen Innungen beschränkte. 49 Allein der sog. Minoritätsentwurf von Degenkolb, Lette, Veit und Becker beschäftigte sich in den §§ 42 f. mit der Mitbestimmung im Betrieb. Als Organ sollte ein Fabrikausschuß gewählt werden, der etwa die Fabrikordnung zu entwerfen und beaufsichtigen hatte. Es lassen sich durchaus Ähnlichkeiten mit dem heutigen Betriebsverfassungsgesetz feststellen 5o, so daß davon ausgegangen werden kann, daß die Anfänge der betrieblichen Mitbestimmung in diesem Minderheitsentwurf zu erblicken sind. 51 Schon vor dem Arbeitsschutzgesetz fanden sich zahlreiche Arbeiterausschüsse in Deutschland, wie sich den Schriften des Vereins für Sozialpolitik entnehmen läßt. Für diesen gab Sering 52 bereits 1890 eine Arbeit über die Arbeiterausschüsse in der deutschen Industrie heraus, in der Gutachten, Berichte und die Statuten der einzelnen Betriebe enthalten sind. Sering führte hierbei 40 verschiedene Statuten aus dem Bergbau, der Metallindustrie, der Textilindustrie, der Keramischen Industrie bis hin zur Chemischen Industrie auf. 53 Die Arbeiterausschüsse, die in Ältesten-Kollegien, Vertrauensmänner-Konferenzen und Beratungskommissionen unterschieden wurden, bedeuteten nach Ansicht Se rings eine fortbildende Veränderung der Verfassung des industriellen Großbetriebs, weil die Arbeiterschaft " ... als solche in weiterem oder engerem Umfange an der Verwaltung desselben teilnimmt. ,,54 An der technischen wie kaufmännischen Leitung der Betriebe hatten die Arbeiter keinen Anteil. Die Ausschüsse wurden als "Selbstverwaltungsbehörden für Arbeiterangelegenheiten " verstanden und an den Regelungen der Arbeitsverhältnisse, an den Wohlfahrtseinrichtungen, an den Regelungen der Arbeitsdisziplin usw. beteiligt. Der Ursprung der betrieblichen Arbeiterselbstverwaltung lag in den genossenschaftlichen Unterstützungskassen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die ihren Mitgliedern Mitspracherechte einräumten. Fortsetzung fand dies in den Fabrikkrankenkassen, deren Vorstände von den Kassenmitgliedern gewählt wurden. 55 Das Arbeitsschutzgesetz von 1891 verdeutlicht diese Entwicklung der be48 Dazu ausführlich mit Abdruck der Entwürfe Klaßen, Mitverwaltung, S. 25 ff., 101 ff., 105 ff.; vgl. auch Milert / Tschirbs, Von den Ausschüssen, S. 27, m.w.N. 49 Dazu Klaßen, Mitverwaltung, S. 182 ff. 50 Klaßen, Mitverwaltung, S. 207. 51 V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 2 I 1. 52 Sering, Arbeiterausschüsse, S. 1 ff.; dazu und zum folgenden etwa Costas, Anfänge, S.337. 53 Sering, Arbeiterausschüsse, S. 27 ff. 54 Sering, Arbeiterausschüsse, S. 1. 55 Teuteberg, Geschichte, S. 115 f.
§ 2 Arbeitsrechtsordnung und Mitarbeiterbeteiligung
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trieblichen Arbeitnehmervertretung. Dort konnten die Vorstände der Betriebs-(Fabrik-)Krankenkassen als ständige Arbeiterausschüsse bestellt werden, soweit die Vorstandsmitglieder in ihrer Mehrheit von den Arbeitern gewählt wurden (§ 134h Nr. 1 GewO). In den von Se ring untersuchten Statuten fungierten die aus gewählten Vertretern der Arbeiter bestehenden Arbeitsausschüsse zum einen als Vermittlungsinstanz zwischen der Betriebsleitung und der Arbeitnehmerschaft. 56 Hierbei sollte innerbetrieblichen Streitigkeiten vorgebeugt und dauernde Fühlung mit den Arbeitern wiedererlangt werden s7 , die mit der Entstehung der großen Produktionsstätten verlorengegangen war. Zum anderen trat neben die Vermittlungs- die Verwaltungsfunktion. 58 Der Arbeiterausschuß übernahm die Disziplinargewalt, die Überwachung der Lehrlinge und etwa die Verwaltung der Arbeiterkassen. Der Ausschuß erschien nun nicht mehr allein als Vertreter der Arbeitnehmerinteressen, sondern stieg zum Organ des Unternehmens auf. Er erhielt einen Anteil an der Herrschaft des Arbeitgebers eingeräumt59 , wobei Sering 60 damit jeden Bezug zur Genossenschaftsidee ablehnte. Eine breitere Ausdehnung der Arbeiterausschüsse erfolgte zum Anfang des 20. Jahrhunderts, da die Gewerkschaften ihre ablehnende Position aufgaben und sich für die Ausschüsse einsetzten. 61 1900 wurden in Bayern und 1905 in Preußen obligatorische Ausschüsse im Bergbau eingeführt. 62 Der I. Weltkrieg brachte dann auf Reichsebene einen Durchbruch. Die Notwendigkeiten der Kriegswirtschaft führten zu einer Anerkennung der Gewerkschaften. 63 In dem "Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst" vom 2. Dezember 1916 wurden ihnen weitergehende Rechte eingeräumt, betrieblich wie überbetrieblich. 64 Und in den Hilfsdienstbetrieben mit mehr als 50 Arbeitern waren nunmehr Arbeiterausschüsse obligatorisch. 65
2. Die Mitarbeiterbeteiligung Wenn auch das Arbeitsrecht im 19. und frühen 20. Jahrhundert aus der heutigen Perspektive als einzig mögliche Antwort auf die auftretenden sozialen Fragen erSering, Arbeiterausschüsse, S. 6 f.; Friedrich, Deutschland, S. 17. Sering, Arbeiterausschüsse, S. 7 f. 58 Friedrich, Deutschland, S. 17, 19. 59 Sering, Arbeiterausschüsse, S. 2. 60 Sering, Arbeiterausschüsse, S. 11. 61 Friedrich, Deutschland, S. 31. Die allgemeine damalige Einstellung gegenüber Arbeiterausschüssen wird bei Costas, Anfänge, S. 342 ff., 358 f., wiedergegeben. 62 Milert I Tschirbs, Von den Arbeiterausschüssen, S. 33 ff. 63 Teuteberg, Geschichte, S. 508 ff. 64 Milert I Tschirbs, Von den Arbeiterausschüssen, S. 38. 65 § 11 Hilfsdienstgesetz; zu Geschichte, Inhalt und Bedeutung des Hilfsdienstgesetzes Teuteberg, Geschichte, S. 508 ff. 56 57
3 Schack
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen
scheint, so darf der folgende Gesichtspunkt nicht außer Betracht bleiben. Die Beteiligung der Arbeitnehmer am Erfolg und I oder Kapital des arbeitgebenden Unternehmens hat in der zeitgenössischen sozialreformerischen Literatur, in den Wirtschaftswissenschaften wie in der Wirtschaft nicht unerhebliche Aufmerksamkeit hervorgerufen. Wie zu zeigen sein wird, wurde hierbei die materielle Komponente partiell mit einer Beteiligung der Arbeitnehmer an den Entscheidungen in den Unternehmen verbunden. Dieser Art der Beteiligung der Arbeitnehmer, die späterhin auch als Mitarbeiterbeteiligung bezeichnet wird, war durchaus eine Rolle bei der Lösung der sozialen Frage zugewiesen worden. 66 Im folgenden werden die Entwicklungslinien nachgezeichnet und die maßgeblichen Unternehmensformen und Vorschläge vorgestellt, wobei der Schwerpunkt bei den Grenzbereichen der immateriellen und materiellen Beteiligung liegt. a) Die Ursprünge des Gewinnbeteiligungsgedankens In Frankreich widmete man der Idee einer Gewinnbeteiligung seit Anfang des 19. Jahrhunderts ein Augenmerk. Schon am 15. Oktober 1812 soll Napoleon in einem Beschluß die Schauspieler der Comedie Franc;aise am Gewinn des Theatre Franc;aise beteiligt haben. 67 1820 beschloß die Compagnie d' Assurances Nationales Franc;aises einen Gewinnbeteiligungsplan. 68 Die weitere Entwicklung der Gewinnbeteiligung hat aber der Pariser Gebäudemaler Leclaire maßgeblich beeinflußt, der bereits 1842 die Beteiligung seiner Arbeiter am Gewinn einführte. 69 Die ersten "Betriebsversammlungen " allerdings, die Zusammenkünfte der Arbeiter, in denen die jeweilige Gewinnbeteiligung besprochen werden sollte, verbot der damalige Polizeipräfekt von Paris. 70
In literarischer Form finden sich die Vorschläge zu einer Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer bereits bei dem Cambridger Mathematiker Babbage. 71 1832 hatte dieser ein Werk über die technische Rationalisierung herausgegeben, das bereits 66 Dieses Verständnis von dem Begriff der Mitarbeiterbeteiligung entspricht auch der gebräuchlichen Einordnung, die von drei Instrumenten betrieblicher MAß ausgeht, der Erfolgs-, der Kapitalbeteiligung und der Partnerschaftsentwicklung, unter welcher letztendlich eine Kooperation durch immaterielle Beteiligung zu verstehen ist, vgl. Juntermann, Mitarbeiter-Beteiligung, Stichwortart. "betriebliche Mitarbeiterbeteiligung" u. ,,Partnerschaftsentwicklung"; Burian, Mitarbeiterbeteiligung, S. 13 ff. 67 Einaudi, Lezione di Politica Sociale, 1950, zitiert nach Caesarino, FS Nipperdey, Bd. 2, 1965, S. 132 (Fn. 3). 68 Caesarino, FS Nipperdey, Bd. 2, 1965, S. 132. 69 In der Regel wird dieser als der Vorreiter bezeichnet, vgl. etwa Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 29; Zwiedineck-Südenhorst, Artikel Gewinnbeteiligung, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 4, S. 1150 (Il50). 70 Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 30 f. Das damalige Modell wird bei Böhmert, a. a. 0., S. 312 ff., erläutert. 71 Dazu etwa Teuteberg, Geschichte, S. 31; Putensen, Problem, S. 32.
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1833 in Berlin übersetzt und veröffentlicht wurde. 72 In dem Werk schlug der Autor vor, eine "Cooperativ-Gesellschaft" zu bilden und den Arbeitern einen Teil des unternehmerischen Reingewinns zuzubilligen. 73 Bereits 1835 wurde in Deutschland die Idee einer Gewinnbeteiligung von dem Sozialreformer v. Mohz7 4 im Zusammenhang mit einer betrieblichen Arbeitnehmervertretung erörtert. Ausgangspunkte waren für den Reformer die Nachteile der Fabrikarbeit für die Arbeitnehmer und die gesamte bürgerliche Gesellschaft. v. Mohl wollte mit eigenen Vorschlägen die Lebenssituation des Fabrikarbeiters positiv beeinflussen und ein besseres und freundliches Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herstellen. 75 Hierfür sei neben der Abschaffung von Unterdrükkung und Mißhandlung eine Gewinnbeteiligung notwendig, um den giftigen Samen von Feindschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern auszurotten. 76 Bei der Gewinnberechnung solle eine von den Arbeitern gewählte Abordnung beigezogen werden, der die Einsicht in die Bücher zu gestatten sei. 77 Die Gewinnbeteiligung wiederum sei zum Jahresende in einer Summe an alle Fabrikarbeiter auszuwerfen, um den Arbeiter mit einer größeren Summe auszustatten, die er leichter anlegen oder auf andere Art nutzen könne. Für den Ausschluß" Unwürdiger" von der Gewinnbeteiligung schlug v. Mohz7 s dabei ein von den Arbeitern zu bildendes Geschworenengericht vor. Ob v. Mohl daran gedacht hatte, daß die Arbeiter die Gewinne mit festsetzen oder nur Beratungs- und Kontrollrechte besitzen sollten, ist aus dem Wortlaut seiner Ausführungen nicht ersichtlich. Sicher ist nur, daß er den Arbeitern mangels Intelligenz nicht Einfluß auf die Betriebsleitung einräumen wollte. 79 Die Idee einer Beteiligung der Arbeitnehmer an diesen Fragestellungen fand v. Mohl augenscheinlich in einer anonymen Schrift, die Wohlwill sO zugeschrieben wird. In dieser wurde bereits 1834, um der Lohndrückerei zu wehren, eine "obrig72 Babbage, On the Economy of Machinery and Manufactures, London 1832; Über Maschinen und Fabrikwesen. Übersetzung von G. Friedenberg, zitiert nach Putensen, Problem,
S.32.
In dem Kapitel: A New System of Manufacturing, zitiert nach Putensen, Problem, S. 32. v. Mohl, Archiv der politischen Ökonomie und der Polizeiwissenschaften, Bd. 2 (1835), S. 141 ff., dazu und zu den anderen Sozialreformern im Vormärz Teuteberg, Geschichte, S. 1 ff., 24 ff. 75 v. Mohl, Archiv der politischen Ökonomie und der Polizeiwissenschaften, Bd. 2 (1835), S. 141 (173 ff.). 76 v. Mohl, Archiv der politischen Ökonomie und der Polizeiwissenschaften, Bd. 2 (1835), S. 141 (179). 77 v. Mohl, Archiv der politischen Ökonomie und der Polizeiwissenschaften, Bd. 2 (1835), S. 141 (179). 78 v. Mohl, Archiv der politischen Ökonomie und der Polizeiwissenschaften, Bd. 2 (1835), S. 141 (180). 79 Vgl. Teuteberg, Geschichte, S. 27. 80 Teuteberg, Geschichte, S. 19, m.w.N. 73
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keitliche Festsetzung des Lohns der Arbeiter unter Zuziehung von Geschworenen aus der Zahl der letzteren ,,81 verlangt. v. Mohl besprach diese im Anschluß an seine Abhandlung überwiegend positiv.
1843 dann erfuhren diese Ideen eine selbständige Weiterführung durch den österreichischen Politiker und Juristen Perthaler. 82 Er wollte der Übermacht des Fabrikherrn wehren und dessen Verhältnis zum Arbeiter organisieren. Die Fabrik sei ein Zentralpunkt, um den sich die Fabrikarbeiter sammeln würden, wobei die Trennung zwischen Arbeiter und Fabrikherr aufgehoben werden müsse. Die Arbeiter sollten deshalb neben dem Lohn auch einen entsprechenden Teil am Gewinn des Unternehmens erhalten, einem Arbeiterausschuß seien dabei die Rechnungen vorzulegen. Für Perthaler83 ergab sich aus der Beteiligung: "Der Arbeiter wird den Vortheil der engeren Verbindung leicht gewahr werden, er ist dann nicht mehr der Maschine gleich und mit dieser dem Unternehmer als auszubeutende, bewegende Kraft gegenübergestellt; er ist in die Kategorie der Wesen gehoben, die in der ganzen Unternehmung als Zweck darstehen."
In Deutschland begründete v. Thünen bereits am 15. April 1847 auf seinem Gut Tellow bei Teterow in Mecklenburg eine Gewinnbeteiligung für die Landarbeiter. 84 b) Die ArbeitsgesellschaJt und die ArbeitsteilhaberschaJt
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zeichnete sich in Großbritannien die Entwicklung zu dem Modell einer "Labour Co-Partnership" ab. 85 Konsumvereinsverbände (Versorgung der angegliederten Konsumvereine) oder einzelne Arbeiter gründeten Produktionsbetriebe in Form von Produktionsgenossenschaften oder Produktivabteilungen. 86 Die Arbeiterrnitglieder in diesen erhielten, kraft ihrer Eigenschaft als Beschäftigte, über den Lohn und ihren Genossenschaftsanteil hinaus 81 v. Mohl, Archiv der politischen Ökonomie und der Polizeiwissenschaften, Bd. 2 (1835), S. 141 (179). 82 Perthaler, Ein Standpunct zur Vermittlung socialer Mißstände im Fabriksbetriebe, Teuteberg, Geschichte, S. 36 (Fn. 3). 83 Teuteberg, Geschichte, S. 37. 84 Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 2, S. 1 ff. 85 Vgl. Bernstein, Archiv für Soziale Gesetzgebung und Statistik, 1899, S. 406 (406 ff.); Huber, Kapital- und Verwaltungsbeteiligung, S. 11 ff. Entsprechend der AufgabensteIlung der Arbeit kann hier nur ein Grundriß vermittelt werden; zu den Arbeiter-, Gewinnbeteiligungsausschüssen in Großbritannien, Friedrich, Großbritannien, S. 32 ff., m.w.N. aus dem nationalen und internationalen Schrifttum und den amtlichen Publikationen, auch zur immateriellen Beteiligung der Arbeitnehmer in Großbritannien, a. a. 0., S. 32 (Fn. 7); ein Überblick über die Entwicklung des Beteiligungsgedankens (materiell) findet sich auch bei Siegier, DBW 1979, S. 143 ff. 86 Huber, Kapital- und Verwaltungsbeteiligung, S. 11 ff., 32 ff., 45 ff. (Darstellung der verschiedenen Genossenschaften).
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einen Gewinnanteil, eine sog. "Lohndividende", die jeweils im Verhältnis zu den bezogenen Löhnen stand. 87 Dazu trat die Idee einer Arbeitnehmerselbstverwaltung. 88 Die Produktivgenossenschaften gaben sich eine Verfassung, die die Beteiligung der Genossen, auch der Arbeitermitglieder, an der Verwaltung festlegte. 89 Hierfür wählte die Generalversammlung ein Verwaltungskomitee, das sich auch aus Arbeitern zusammensetzen konnte und das wiederum den Geschäftsführer bestellte. Der Genossenschaftsbewegung liegt die Idee der Selbsthilfe zugrunde. 9o Sie kann, wie das Arbeitsrecht, als eine Antwort auf den Manchesterkapitalismus verstanden werden. Die Idee einer Partnerschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerschaft aufgrund einer Beteiligung an Gewinn, Eigentum und Leitung blieb aber nicht allein auf die kooperativen Betriebe und deren Verfassung beschränkt. 91 Vielmehr schlug sich diese Idee auch in einzelnen "kapitalistischen" Unternehmen nieder. 92 Diese Arten wurden in der zeitgenössischen Literatur als "Industrial Partnership" oder auch als "Co-Partnership" bezeichnet93 und haben, wie zu zeigen sein wird, Deutschland nicht unbeeinflußt gelassen. Gemeint war damals mit dem Begriff "Co-Partnership" eine "Arbeiterteilhaberschajt,,94, deren Basis sich in einer Beteiligung am Kapital, am Gewinn und an der Verwaltung niederschlagen sollte, wobei sich in der Literatur genossenschaftliche wie kapitalistische Formen finden lassen95 • Die Arbeiterteilhaberschaft stellte sich als Weiterentwicklung des Systems einer Gewinnbeteiligung dar. 96 Die kapitalistische Form der Teilhaberschaft wurde als Möglichkeit gesehen, den mit den Produktionsgenossenschaften verbundenen Mängeln eine kapitalistisch orientierte Alternative gegenüberzustellen, die funktionsfähiger sein sollte. 97 Vgl. Bauer, Einleitung, S. V. Huber, Kapital- und Verwaltungsbeteiligung, S. 8. 89 Grundlage war hier eine Genossenschaftsverfassung, die die "Co-Operative Productive Federation" erlassen hatte, dazu und im folgenden Huber, Kapital- und Verwaltungsbeteiligung, S. 32 ff. 90 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 411 b. Zur Genossenschaft als Typ einer Unternehmung, Draheim, Genossenschaft, S. 77 ff. 91 Totomianz, Schmollers Jahrbücher Bd. 51 (1927), S. 561 (561); Williams, Co-Partnership, S. 12 f., 16,54,92 f. 92 Huber, Kapital- und Verwaltungsbeteiligung, S. 14; Bernstein, Archiv für Soziale Gesetzgebung und Statistik, 1899, S. 406 (407). 93 Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 41. 94 Vgl. Bauer, Einleitung, S. X; Bernstein, Archiv für Soziale Gesetzgebung und Statistik, 1899, S. 407 (407). 95 Vgl. Bernstein, Archiv für Soziale Gesetzgebung und Statistik, 1899, S. 406 (407); Huber, Kapital- und Verwaltungsbeteiligung, S. 14; Totomianz, Schmollers Jahrbücher Bd. 51 (1927), S. 53 (54 ff.). 96 Totomianz, Schmollers Jahrbücher Bd. 51 (1927), S. 53 (53). 97 Dies wird deutlich etwa bei Engel, Der Arbeiterfreund 1867, S. 129 (145). 87
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Gerade dem wirtschaftlichen Interesse des Unternehmers wurde dabei ein hoher Stellenwert eingeräumt. 98 Die Aufgabe, die den Co-Partnerships und der Gewinnbeteiligung zugemessen wurde, lag darin, den Gegensatz von Kapital und Arbeit abzubauen99 und eine Gleichberechtigung zu erreichen 100. Die autokratischen Strukturen in den Fabriken sollten demokratischen weichen und der Arbeiter an dem Kapital, das die Grundlage seiner Arbeit bildete, beteiligt werden. 101 Die Grundlage eines "Industrial Partnership " bildete der teilweise oder vollständige Verkauf des Unternehmens (Fabrik, Bergwerk) an die Arbeiter. 102 Die Realisierung erfolgte nach unterschiedlichen Modellen in divergierenden Partnerschaftsformen. Zwei wichtige Beispiele seien hier vorgestellt. 103 aa) Henry Briggs, Son & Co., Whitwood, Yorkshire ~::: ~~~~piel der Steinkohlenbergwerke von Henry Briggs, Son & Co. in Whitwood, Yorkshire, hat auch die deutsche Entwicklung beeinflußt. I04
Die Bergwerke in Whitwood waren von einem schlechten Arbeitsklima beherrscht. 105 Die Bergarbeiter lebten im Streit mit den Eigentümern und legten oftmals die Arbeit nieder. 1865 wandelten die Eigentümer die Bergwerke in eine Aktiengesellschaft um und führten ein Gewinnbeteiligungssystem ein, um das Verhältnis zu den Bergarbeitern zu verbessern und damit die Produktivität der Gruben zu erhöhen. Zwei Drittel der Aktien behielten die Eigentümer, und ein Drittel wurde den Angestellten und Arbeitern und nach diesen den Kunden offeriert. Die Herren Briggs legten einen Gewinnverteilungsplan fest, nach dem 10%, später 13%, des Reingewinns als Kapitalzinsen ausgeschüttet wurden. Nachdem Mittel für einen Reservefonds abgezogen worden waren, der der Unterstützung der ArbeitnehBrentano,Industrial-Partnership-System, S. 31. Huber, Kapital- und Verwaltungsbeteiligung, S. 8 f. 100 Brentano, Industrial-Partnership-System, S. 17. 101 Williams, Co-Partnership, S. V; Brentano, Industrial-Partnership-System, S. 31, sah in der Beteiligung der Arbeitnehmer an der Verwaltung zum einen eine Kontrollinstanz und zum anderen eine Möglichkeit, die Arbeitnehmer an die Leitung eines Unternehmens heranzuführen. 102 Engel, Der Arbeiterfreund 1867, S. 129 (146); Huber, Kapital- und Verwaltungsbeteiligung, S. 158 ff., anhand von Beispielen; Brentano, Industrial-Partnership-System, S. 3 ff., mit verschiedenen Beispielen; Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 41 ff. und 227 ff. ("Gewinnbetheiligung der Arbeitnehmer mit Antheil am Geschäft"). 103 Weitere Beispiele finden sich vor allem bei Huber, Kapital- und Verwaltungsbeteiligung, S. 158 ff.; Brentano, Industrial-Partnership-System, S. 6 ff. 104 Dies wird deutlich etwa bei Engel, Der Arbeiterfreund 1867, S. 129 (145); Brentano, Industrial-Partnership-System, S. 3 ff. 105 Vgl. hierzu und im folgenden Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 229 ff. (Statuten 237 f.); Brentano, Industrial-Partnership-System, S. 3 ff.; Einhauser, Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft 1898 (54. Jg.), S. 120 (184 ff.). 98 99
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mer dienen sollte, kam die Hälfte des übrigen Gewinns der Belegschaft zugute. Hierbei erhielten Arbeitnehmer, die zugleich Aktionäre geworden waren, um die Hälfte mehr als die Nichtaktionäre. Berechnungsgrundlage waren jeweils die individuellen Lohnjahreszahlungen. Eine Rechnungskontrolle durch die Arbeiter existierte nicht. 106 Voraussetzung für die Gewinnauszahlung war der Kauf eines Lohnbüchleins zu einem Penny, das bereits 186680% der Arbeitnehmer erworben hatten und in das die Lohnzahlungen eingetragen werden sollten. Die Resonanz auf die Kapitalbeteiligung war bei den Arbeitnehmern nicht sehr groß. Von etwa 1000 Arbeitnehmern hatten 1869 nur 144 Arbeiter 178 Aktien im Gesamtwert von 1.780 Pfund erworben. 107 Im gleichen Jahre wurde den Arbeitnehmeraktionären die Möglichkeit eingeräumt, aus ihrer Mitte einen Vertreter in den siebenköpfigen Verwaltungsrat als gleichberechtigten Direktor zu wählen. lOS Im August 1875 ist das Gewinnbeteiligungssystem abgeschafft worden, da es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Belegschaft und Leitung gekommen war. 109 bb) Neue Berliner Messingwerke, Actiengesellschaft, vormals W. Borchert jun., Berlin Borchert jun. unternahm zum Jahresende 1867 den Versuch, die Idee eines "Industrial Partnership" in Deutschland zu realisieren. lIo Unterstützt wurde er von Engel 111 , der dem Begriff "Partnership " den deutschen Namen "Arbeitsgesellschaft" verlieh. In dieser sah Engel ll2 die Lösung der sozialen Frage. Borchert ll3 teilte seine gesamte Fabrik, deren Wert mit 300.000 Thlr. (900.000 Mark) veranschlagt wurde, in 6.000 vollbezahlte Anteilsscheine 50 Thlr. (150 Mark), die auf den Namen lauten sollten. Alle Arbeitnehmer, die zu Beginn des ersten Jahres (1868) mehr als ein Jahr beschäftigt waren, konnten insgesamt 600 Anteile erwerben (= 90.000 Mark). Die übrigen Anteile hielt Borchert weiterhin.
a
Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 232. Einhauser, Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft 1898 (54. Jg.), S. 120 (185). 108 Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. I, S. 239 ff. und ausführlich Einhauser, Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft 1898 (54. Jg.), S. 120 (186 f.). 109 Was die Meinungsverschiedenheiten hervorgerufen hatte, ist umstritten, dazu Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 236. 110 Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 57, 244 ff.; Brentano, Industrial-PartnershipSystem, S. 17 ff., dort findet sich auch, S. VII ff., die Rede von Borchert jun. an die Belegschaft, in der er auf das von einigen großen englischen Fabrikbesitzern gegebene Beispiel verweist; Engel, Der Arbeiterfreund 1867, S. 129 (153 ff.). 111 Engel, Der Arbeiterfreund 1867, S. 129 (146). 112 Engel, Der Arbeiterfreund 1867, S. 129 (154). 113 Dazu und zum folgenden Borchert, Ansprache des Herrn Borchert jun. an seine Arbeiter, abgedruckt bei Brentano, Industrial-Partnership-System. S. VII ff. 106 107
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen
Der Erwerber hatte bei Zeichnung 6 Thlr. (18 Mark) anzuzahlen und mußte die ausstehenden 44 Thlr. (132 Mark) in elf Monatsraten entrichten. Einer Veräußerung, Beleihung oder Abtretung der Anteile mußte die Zustimmung von Borchert vorausgehen. Die Anteilseigentümer bildeten eine Genossenschaft, deren dreiköpfiger Vorstand von den Genossen zu wählen war. Borchert betrachtete die Vorstandsmitglieder als Vertrauenspersonen und informierte sie monatlich über alle relevanten Fragen, ohne ihnen tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten einzuräumen. Dies sollte erst erfolgen, wenn 30% des Kapitals von den Genossen erworben worden war.
Der junge Industrielle verstand sich selbst als erster Arbeiter der Fabrik, als Dirigent, beanspruchte deshalb einen Lohn von 3.000 Thlr. (9.000 Mark) für sich und verteilte den Produktionsgewinn eines Jahres zu gleichen Teilen auf Kapital und Arbeit. 114 Bis Ende 1872 besaßen von den 130 Arbeitnehmern der Fabrik 57 Anteile im Wert von 39.645 Mark, und auf die einfachen Angestellten und Arbeiter entfielen in den vier Jahren Gewinnausschüttungen in Höhe von insgesamt 70.922 Mark. l15 1872 ersetzten Akkordzahlungen und Produktionstantiemen die Gewinnbeteiligung. Die Löhne stiegen zu sprunghaft. 1873 erfolgte aus haftungsrechtlichen Gründen die Umwandlung der Fabrik in eine Aktiengesellschaft. Die Arbeitsgesellschaft sollte aber fortgeführt werdenY6 In einer Ansprache von Borchert an die Arbeitnehmer zum Ende des Jahres 1872 erklärte dieser sein Vorgehen und versprach die Einrichtung einer Stiftung zugunsten der Belegschaft. 117 Später mußte der Fabrikant auch die Arbeiteraktien zurücknehmen und den Betrieb in eine Privatfrrma umwandeln. 118 Die Aktionäre hatten bei schwindenden Erträgen Angst bekommen. c) Die Fabrik als Staat
In Deutschland wurde die Fabrik schon früh mit einem kleinen, geschlossenen Staatswesen verglichen und in dem Zusammenhang von der "Konstitutionellen Fabrik" gesprochen. 119 1905 äußerte sich Naumann 120 in einer Debattenrede auf der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik" Über das Arbeitsverhältnis in den privaten Riesenbetrieben " und meinte dazu: Dazu und zum folgenden Borchert, ebenda, S. x. Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. I, S. 248 (Tabelle 249). 116 Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 261. 117 Borchert, An meine Beamten und Arbeiter, abgedruckt bei Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 250 ff. 118 Goldschmidt, Gewinnbeteiligung, S. 3 f. 119 Teuteberg, Geschichte, S. 254 ff., mit weiteren Beispielen aus der deutschen Geschichte. 120 Naumann, Über das Arbeitsverhältnis, S. 27. 114 115
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"Der Übergang zu einem konstitutionellen System in den Großbetrieben wird im Laufe der Zeit ebenso notwendig sein, wie der Übergang des absoluten Staates in die konstitutionelle Form es gewesen ist, und dieser Übergang des Staates in die konstitutionelle Form hat nicht den Untergang des Staates bedeutet."
Naumann 121 stellte die Frage, wie aus Industrieuntertanen Industriebürger zu machen seien, wobei seiner Ansicht nach einer vollständigen Demokratisierung der Unternehmen die Eigentumsverhältnisse entgegenständen, die die Arbeitsmöglichkeiten der Betriebsparlamente bezüglich der Betriebsausgaben und des Arbeitsentgelts einschränkten. So sprach er sich zunächst für eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Gewinn oder am Eigentum der Unternehmen aus und verwies auf die Carl-Zeiss-StiJtung von Professor Abbe und die Rolladen- und Holzpflasterfabrik von Freese in Berlin. 122 Bei alledem solle man aber die Arbeiterausschüsse nicht verachten, denn diese seien" Vorschulen des in Zukunft kommenden Fabrikparlamentarismus ,,123.
In Freese kann wohl der markanteste Vertreter der Idee der konstitutionellen Fabrikbetriebe gesehen werden. 124 Inspiriert von den englischen Arbeiterausschüssen und eigenen guten Erfahrungen mit einem von der Arbeitnehmerschaft gewählten Festausschuß, der die alljährliche "Fabriklandpartie" zu organisieren hatte, entschloß sich Freese, eine Arbeitervertretung einzuführen. 125 Ausgangspunkt seiner Bemühungen war eine Fabrikordnung, die einer lOköpfigen Arbeitnehmervertretung, einem Ältesten-Kollegium, zur Beratung vorgelegt wurde. 126 Am 11. August 1884 trat die neue Verfassung in Kraft, der Übergang von der absoluten Monarchie zum modemen Verfassungsstaat war vollzogen. 127 In der Fabrikverfassung 128 finden sich Regelungen bezüglich der Betriebsstrafen (§ 5), der Arbeitszeit (§ 6), der Tarife (§ 34); diese beschäftigte sich mit Unfällen und Krankheiten (§ 44), sah Reisekostenvergütung und Prämien für Verbesserungsvorschläge vor (§§ 41, 53) und statuierte, neben einer obligatorischen Gewinnbeteiligung (§ 54), die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmervertretung (§§ 55 ff.). Die Verhandlungen der Arbeitnehmervertretung waren für alle Belegschaftsmitglieder zugänglich. Jedem Mitglied war hierbei die Möglichkeit gegeben, am Ende der Sitzung eigene "Beschwerden und Wünsche" vorzubringen (§ 56 Abs. 4). Die Belegschaft machte regen Gebrauch von dieser Möglichkeit direkter Demokratie, 121 122 123 124 125 126 127 128
Naumann, Wirtschaftspolitik, S. 421. Naumann, Wirtschaftspolitik, S. 422. Naumann, Wirtschaftspolitik, S. 422 f. Teuteberg, Geschichte, S. 260. Freese, Fabrik, S. 2. Freese, Fabrik, S. 5. Freese, Fabrik, S. 4, zu der Bekanntmachung seiner Vorschläge. Ein Auszug findet sich etwa bei Freese, Fabrik, S. 138 ff.
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen
und Freese 129 schätzte die Funktion dieser Beschwerdemöglichkeit außerordentlich hoch ein, verstand diese als Sicherheitsventil. Die Arbeitervertretung, die sich eine Geschäftsordnung gab, mußte z. B. einberufen werden bei jeder beabsichtigten Änderung der Arbeitsordnung, die nach § 2 einer gegenseitigen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Vertretung bedurfte. Auch war die Vertretung bei allgemeinen betrieblichen Angelegenheiten, bei Streitigkeiten und Vergehen der Arbeitnehmer und bei beabsichtigter Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit zu beteiligen (§ 58). Weiterhin verwaltete die Arbeitervertretung oder deren dreiköpfiger Vorstand die Fabrikbücherei, die Unterstützungskasse und andere Wohlfahrtseinrichtungen. Auch für die Gewinnbeteiligung der Angestellten und Arbeiter war die Vertretung zuständig. Zum einen beriet Freese das Statut der Gewinnbeteiligung, dessen Verbindlichkeit er eine große Bedeutung zumaß, mit dem Ausschuß 13o, zum anderen mußte ein Buchprüfer die Richtigkeit der jährlichen Gewinnauszahlungen gegenüber der Vertretung bescheinigen. 131 Die Arbeiter erhielten zuletzt 7,5% des Reingewinns, wovon aber 2,5% an die Unterstützungskasse zu überweisen waren. 1908 wurde den Angestellten demgegenüber eine Beteiligung von 15,35% zugesprochenY2 Die Differenz in den Beteiligungsquoten erklärt sich aus der Bedeutung der Angestellten für den Geschäftserfolg, die Freese 133 annahm. Bis 1909 hatte der Fabrikbesitzer an die Angestellten 116.317,82 Mark, an die Arbeiter 82.644,70 Mark und an die Unterstützungskasse 35.425,62 Mark gezahlt. Damit standen 234.388 Mark Gewinnausschüttungen 4.700.000 Mark Gehalts- und Lohnzahlungen gegenüber. 134
3. Alternative Entlohnungskonzepte Literatur und Praxis im 19. Jahrhundert beschäftigten sich mit der Gewinnbeteiligung hauptsächlich unter dem Aspekt, daß die Beteiligung am Gewinn zusätzlich zu der angemessenen Entlohnung gewährt werden sollte. 135 Eine Lohnersatz- oder Lohnausgleichsfunktion wurde der Gewinnbeteiligung dabei grundsätzlich nicht zugewiesen. Die folgende Definition des französischen Verfechters einer Gewinnbeteiligung, Robert 136 , verdeutlicht dies und zeigt die für eine Gewinnbeteiligung konstitutiven Elemente auf.
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Freese, Fabrik, S. 11. Freese, Gewinnbeteiligung, S. 46. Heißner, Annalen des deutschen Reiches 1907, S. 50 - 60, 128 - 154, 180 - 226 (142). Freese, Fabrik, S. 83. Freese, Fabrik, S. 80. Freese, Fabrik, S. 89. Vgl. etwa Putensen, Problem, S. 9 f. Zitiert nach Feilchenfeld, Gewinnbeteiligung, S. 4.
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"Die Gewinnbeteiligung ist ein ausdrücklicher oder stillschweigender Vertrag, auf Grund dessen der Unternehmer seinem Arbeiter außer dem gewöhnlichen Lohne noch einen Teil am Geschäftsgewinn ohne Teilnahme am Verlust gewährt."
Der Beteiligung am Gewinn wurde eine Funktion bezüglich des sozialen Friedens zugewiesen 137 und als möglicher Leistungsanreiz verstanden 138 . Darüber hinaus entwickelte die Gewinnbeteiligung Bedeutung in bezug auf die Arbeit der Gewerkschaften, weil einige Arbeitgeber versuchten, über die Beteiligung am Gewinn die Arbeiter den Gewerkschaften zu entfremden. 139 Ein Beispiel läßt sich 1890 bei der Halle'schen Maschinenfabrik und Eisengießerei finden. l40 Zum allgemeinen Lohn gewährte der Betrieb eine Gratifikation, die jährlich 15 bis 20.000 Mark betrug. Die Gratifikationssysteme wichen einer Gewinnbeteiligung, die an Stelle weiterer allgemeiner Lohnerhöhungen trat. Dies geschah mit Einverständnis der Arbeiterdeputation. Der Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung sollte bei Streiks für Lohnerhöhungen erlöschen. 141 Neben die geschilderten Funktionen der Gewinnbeteiligung trat die Idee einer Gewinnbeteiligung als alternatives Lohnkonzept. a) Die Carl-Zeiss-StiJtung
Der Physiker und Unternehmer Abbe begründete nach dem Tod seines Teilhabers Zeiss im Jahre 1888 die Carl-Zeiss-StiJtung, deren Statut 142 am 26. Juli 1896 vollzogen wurde. 143 Das Stiftungs vermögen bestand aus den Optischen Werkstätten in Jena und aus Anteilen der Glaswerke von Schott & Genossen. In der mechanischen Abteilung der Optischen Werkstätten waren überwiegend hochqualifizierte Mechaniker beschäftigt, die zunächst vier Jahre ausgebildet wurden. l44 Demgegenüber war die Mehrzahl der in den Glaswerken Beschäftigten Tagelöhner. 145 Das Statut der Carl-Zeiss-StiJtung legte die Rechtsverhältnisse der Angestellten und Arbeiter fest, versuchte damit, das großindustrielle Arbeitsrecht fortzubilden I37 Vgl. etwa Einhauser, Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft 1898 (54. Jg.), S. 120 (250 ff.); Heißner, Annalen des Deutschen Reiches 1907, S. 50 - 60, 128 - 154, 180 - 226 (222 f.). 138 Vgl. etwa Putensen, Problem, S. 46 ff. 139 Einhauser, Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft 1898 (54. Jg.), S. 120 (251 ff.). 140 Trombert, Les Applications de la Participation aux Bent!fices, Paris Chaix 1896, zitiert nach Einhauser, Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft 1898 (54. Jg.), S. 120 (142 f.). 141 Vgl. Feilchenfeld, Gewinnbeteiligung, S. 66. 142 Abbe, Statut, S. 263 ff. 143 Czapski, Vorwort, S. XIII. Zur Entwicklung des Unternehmens, Pierstorff, Schmollers Jahrbücher Bd. 21 (1898), S. 619 (620 ff.). 144 Pierstorff, Schmollers Jahrbücher Bd. 21 (1898), S. 619 (628). 145 Pierstorff, Schmollers Jahrbücher Bd. 21 (1898), S. 619 (631).
1. Kap.: Die historischen Grundlagen
44
und ein neues privates Arbeitsrecht zu realisieren. 146 Abbe wollte die Rechtslage der Arbeitnehmer immateriell wie materiell verbessern und die Belegschaft von unternehmerischer Willkür befreien. 147 Das Konzept basierte auf einem Diskriminierungsverbot (§ 56), der Gewährleistung persönlicher Freiheiten außerhalb des Dienstes (§ 58), der Regelung der materiellen Arbeitsbedingungen (§§ 59 ff.), festgelegten Urlaubsansprüchen (§§ 62, 70), Pensionsrechten (§ 72) und Kündigungsabfindungen (§ 77). Aber auch der kollektiven Vertretung der Arbeiterinteressen widmete Abbe sein Augenmerk. Gleich nach Inkrafttreten des Stiftungs statuts wurde ein Arbeiterausschuß ins Leben gerufen. 148 Dieser umfaßte nach § 64 des Statuts nicht weniger als 12 Personen und wurde jährlich gewählt. Jede einzelne Abteilung wählte ihre Vertreter, und so befanden sich etwa im Jahre 1909 132 Arbeitnehmer in dem Ausschuß. Um handlungsfahig zu werden, wählte dieser eine "Siebener-Kommission" zur Vertretung der Arbeitnehmerschaft. 149 1908 trat dazu ein "Beamtenausschuß" (Angestellte). 150 Die Arbeitnehmervertretung hatte ein Recht auf Anhörung und widmete sich der Verbesserung der Betriebseinrichtungen. Dazu beschäftigte sich dieses Organ erfolgreich mit der "Fortbildung der Arbeitsverträge", worunter auch die kollektiven Arbeitsverträge gefaßt wurden. 151 Bei alledem hatte der Ausschuß zunächst nur eine kontrollierende und beratende Aufgabe, mehr hielt Abbe damals nicht für möglich. 152 Später, im Jahre 1909, äußerte sich der Stifter außerordentlich positiv über die Ausschüsse und legte diesen eine wichtige Funktion für eine zweckmäßige Leitung der Fabrik bei. 153 In demselben Jahr wurde eine geänderte Satzung verabschiedet, in der alle erworbenen Rechte und Pflichten aufgenommen wurden. Der Arbeiterausschuß bestand von nun an aus 15 Mitgliedern, die die SiebenerKommission wählten. 154 Der an die Stiftung fließende Gewinn wurde regelmäßig teilweise an die Arbeitnehmer der Werkstätten und Glaswerke als Gewinnbeteiligung (§ 98) ausgeschüttet. Auf diese Weise erhielt jeder Arbeitnehmer etwa einen Monatslohn zusätzlich zum Jahreslohn ausgezahlt. 155 Der Arbeitnehmervertretung wurde die Jahresbilanz vorgelegt und mit dieser die Höhe der Gewinnausschüttung besprochen. 156 Pierstorff, Schmollers Jahrbücher Bd. 21 (1898), S. 619 (619, 620). Abbe, Motive, S. 348. 148 Abbe, Motive, S. 354 (Fn. 2). 149 Schomerus, Arbeitsverhältnis, S. 8. 150 Schomerus, Arbeitsverhältnis, S. 9. 151 Abbe, Über die Aufgaben, S. 255 f. 152 Dazu Teuteberg, Geschichte, S. 269. 153 In einem Memorandum für die Gewerbekommission des Reichtstags, zitiert nach Teuteberg, Geschichte, S. 271. 154 Schomerus, Arbeitsverhältnis, 7. Aufl., S. 25. 155 Heißner, Annalen des deutschen Reiches 1907, S. 50 - 60, 128 - 154, 180 - 226 (144). 146 147
§ 2 Arbeitsrechtsordnung und Mitarbeiterbeteiligung
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Abbe räumte der Gewinnbeteiligung selbst keine sozialpolitische Bedeutung bei. 157 Wichtiger war für ihn, daß die Arbeiter zwar kein formelles, jedoch ein moralisches Recht besäßen, über die näheren Umstände und die wirtschaftliche Situation der Fabrik aufgeklärt zu werden. 15S Nach seiner Ansicht würden damit die Klassengegensätze gemildert, da in der notwendigen Diskussion um die Gewinne jeder die Standpunkte und Ideen des anderen erlernen und respektieren müsse. 159 Neben diesem außerordentlich wichtigen Gesichtspunkt fiel ihm aber ein wichtiger Nachteil des Lohnsystems auf; die Starrheit der Löhne. 160 Diese könnte sich dop:' pelt negativ auswirken, wobei er zwischen günstigem und ungünstigem Geschäftsgang unterschied. 161 Bei einem sehr positiven Geschäftsgang sei eine Anpassung der Löhne notwendig, um einer empfundenen Unbilligkeit bezüglich der Lohnhöhe seitens der Arbeitnehmer zu wehren und einer Abwanderung dieser entgegenzuwirken. Bei einem ungünstigen Geschäftsgang wiederum sei eine Minderung der Löhne, die gerade wegen des vorher günstigen Geschäftsergebnisses angehoben worden waren, vonnöten, weil die jetzt zu hohen Arbeitsentgelte das Lohnkonto des Unternehmens übermäßig belasten würden, was zu einem Bankrott des Unternehmens führen könnte.
Nach Abbe gab es nur einen Weg aus dem Dilemma; die Teilung des Arbeitseinkommens in einen unwiderruflichen und in einen anpassungsfähigen Teil. 162 Der feste Einkommensbestandteil sollte sich an den normalen und durchschnittlichen Geschäftsergebnissen orientieren und der variable Teil des Einkommens am steigenden Ertrag anpaßt werden. Hierdurch wollte Abbe die vorübergehenden Konjunkturänderungen kanalisieren, wobei die Anpassung des Festlohnbestandteils bei dauerhaft gesicherten Erträgen erfolgen sollte. 163 Dieses Modell wurde in der Folgezeit als "automatischer Lohnregulator" bezeichnet. 164 b) Der Lohnvertrag als partiarisches Rechtsgeschäft
Bereits im Jahr 1897 regte Crome an, durch das partiarische Rechtsgeschäft eine besondere Gestaltung des Arbeitverhältnisses einzuführen. 165 Er wollte der "AnTeuteberg, Geschichte, S. 269. Abbe, Motive, S. 366 f.; ders., Über Gewinnbeteiligung, S. 104 ff. Dazu auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtpunkten Heißner, Annalen des deutschen Reiches 1907, S. 50 60, 128 - 154, 180 - 226 (145). 158 Abbe, Über Gewinnbeteiligung, S. 109. 159 Abbe, Über Gewinnbeteiligung, S. 110. 160 Vgl. Putensen, Problem, S. 79. 161 Abbe, Über Gewinnbeteiligung, S. 116 f., dazu etwa Putensen, Problem, S. 80 ff. 162 Abbe, Über Gewinnbeteiligung, S. 116 f. 163 Putensen, Problem, S. 82. 164 Vgl. etwa Kalliefe, Beteiligung, S. 3, 28 f., m.w.N. 165 Crome, Rechtsgeschäfte, S. 1. 156 157
1. Kap.: Die historischen Grundlagen
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häufung zu großer Vennögensmassen in den Händen weniger,,166 entgegenwirken. Hierfür sollte der Arbeitsgewinn gerecht zwischen dem Kapitalisten und dem Arbeiter verteilt werden, wobei Crome neben der juristischen Seite auf die spezifisch volkswirtschaftliche verwies. 167 Der Maßstab für eine gerechte Verteilung wurde von Crome nicht aufgestellt, sein Ziel war allein, eine richtige Beteiligungsfonn für den Arbeitnehmer zu konstruieren. In dem partiarischen Arbeitsverhältnis sollte sich die Lohnhöhe als beweglicher Faktor an den Unternehmensertrag anpassen und zu einer Beteiligung der Arbeiter am Unternehmenserfolg führen. 168 An der Position des Arbeitnehmers änderte die vollständige oder teilweise ertragsabhängige Entlohnung nichts. 169 Die Gewinnbeteiligung wurde von Crome als Leistungsanreiz verstanden, und auch die Verwaltung des Unternehmens verblieb in der Hand des Unternehmers. Bei einem negativen Unternehmensergebnis sollte der Arbeitnehmer keine Ansprüche auf Lohnzahlung besitzen. In diesem Falle hätte dieser das Risiko einer verfehlten Spekulation in einen schlechten Geschäftsmann tragen müssen.
4. Klassenkampf versus Kooperation Den verschiedenen Fonnen einer Mitarbeiterbeteiligung waren bis zum Ende des 1. Weltkriegs keine großen Erfolge in Deutschland beschieden, obwohl nach zeitgenössischem Denken die Beteiligung der Arbeitnehmer die sozialen Probleme des 19. wie frühen 20. Jahrhunderts hätte beeinflussen könnenYo Aber es war keine Zeit der Kooperation, sondern des Kampfes der Klassen, die um ihren Standpunkt in der jetzt industrialisierten Welt rangen. Die damalige Einstellung gegenüber der Idee einer Mitarbeiterbeteiligung wird in der Arbeit von Lujo Brentano besonders augenscheinlich. Brentano selbst war nach Engel einer der ersten Befürworter der Arbeitsgesellschaften. l7l Noch 1868 hatte er in den Industrial Partnerships die Lösung der sozialen Frage gesehen, die bereits im praktischen Leben erfolgte. In Brentano berief sich dabei ausdrücklich auf einen Vortrag, den Engel über die Arbeitsgesellschaft in der Juristischen Gesellschaft zu Berlin im März 1867 gehalten hatte. Aber später verlor er zum Teil den Glauben an die industriellen Partnerschaften. 173 Zum einen entsprach die englische Gewinnbeteiligungspraxis nicht seinen Erwartungen. Darüber hinaus war er der Meinung, daß die GeCrome, Rechtsgeschäfte, S. V. Crome, Rechtsgeschäfte, S. 2. 168 Crome, Rechtsgeschäfte, S. 5 f. 169 Vgl. Crome, Rechtsgeschäfte, S. 150 f. 170 Vgl. etwa die Auseinandersetzung mit diesen Gedanken bei Heißner, Annalen des Deutschen Reiches 1907, S. 50 - 60, 128 - 154, 180 - 226 (222 f.); Einhauser, Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft 1898 (54. Jg.), S. 120 (250 ff.). 171 Brentano, Industrial-Partnership-System, S. 1. 172 Brentano, Industrial-Partnership-System, S. 64. 166
167
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winnbeteiligung von der Tüchtigkeit des jeweiligen Unternehmers abhängen würde. Zudem erschien ihm allein eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Gewinn des ganzen Gewerbezweiges als sinnvoll, weil die Arbeiter ansonsten versuchen würden, durch Mehrarbeit überangebotsbedingte Unternehmenskrisen ohne Gewinnverlust zu überstehen. 174 Zum anderen aber gefährdeten die Partnerships seiner Meinung nach die Gewerkschaftsbewegung 175 , der Brentano aber gerade wichtige wirtschaftspolitische wie sozialpolitische Funktionen beimaß und deren wichtiger Vordenker er werden sollte. 176 Die Ablehnung einer Mitarbeiterbeteiligung als Lösung der sozialen Frage spiegelte sich auch in anderen Stellungnahmen wider. 177 Die Sozialdemokraten waren den Klassengegensätzen der Doktrin von Marx verfangen und sahen in der Gewinnbeteiligung eine verstärkte Ausbeutung der Arbeiterps Auch die freien und die christlichen Gewerkschaften sprachen sich gegen eine Gewinnbeteiligung aus. 179 Die Unternehmer wiederum waren in ihrer Meinungsbildung gespalten. ISO Der Kathedersozialist Schmoller l81 sollte recht behalten, der schon 1889 mit den Gewerkschaften und den Arbeiterausschüssen eine neue Epoche der volkswirtschaftlichen Organisation angebrochen sah. Bewußt oder unbewußt sparte er hierbei die materielle Mitarbeiterbeteiligung aus, obwohl für ihn die Gewinnbeteiligungsidee eine neue Phase der Fortentwicklung des Arbeitseinkommens bedeutete. Gerade in der Verbindung eines festen Lohnes mit einer Gewinnbeteiligung sah Schmoller lS2 etwas sehr Positives.
Becher, Vergleich, S. 72. Vgl. Siegier, DBW 1979, S. 143 (147). 175 Becher, Vergleich, S. 72. Dieser Gesichtspunkt war auch durchaus angebracht, weil viele Unternehmer die Beteiligung nutzten, um die Arbeitnehmer vom Gedanken der Gewerkschaften zu entfremden, dazu Einhauser, Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft 1898 (54. Jg.), S. 120 (251 ff.). 176 Vgl. etwa Becher, Vergleich, S. 71 ff.; Picker, ZfA 1986, S. 199 (253 f.), beide jeweils m.w.N. 177 Vgl. Goldschmidt, Gewinnbeteiligung, S. 99 ff. 178 Siegier, DBW 1979, S. 143 (147). 179 Totomianz, Schmollers Jahrbücher Bd. 51 (1927), S. 53 (62 f.). 180 Dies wird besonders augenscheinlich bei Böhmert, Gewinnbetheiligung, Bd. 1, S. 99 ff., 138 ff., 152 ff. 181 Schmoller, Über Wesen und Verfassung, S. 439. 182 Schmoller, Über Gewinnbeteiligung, S. 444 ff. 173
174
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen
11. Die Entwicklung des Arbeitsrechts und des Gedankens der Mitarbeiterbeteiligung in der Weimarer Zeit Mit dem Ende des 1. Weltkriegs entwickelten sich das Arbeitsrecht und die Gedanken der Mitarbeiterbeteiligung besonders unter dem Eindruck, den die russische Entwicklung in Deutschland hervorrief, intensiv weiter.
1. Das Arbeitsrecht als selbständiges Rechtsgebiet
Der verlorene 1. Weltkrieg und der Zusammenbruch des Kaiserreiches, der durch die Erklärung des damaligen Reichskanzlers Prinz von Baden am 9. November 1918 in Berlin, der Kaiser sei zur Abdankung entschlossen, besiegelt wurde l83 , ließ in der ersten Zeit die gestalterischen Funktionen des Staates in den Hintergrund treten. 184 Dies beschleunigte auch die Entwicklung des Arbeitsrechts zu einem selbständigen Rechtsgebiet, das auf den drei Säulen einer modemen Arbeitsrechtsordnung zur Ruhe und Entfaltung kam. Gewerkschaften wie Arbeitgeber waren zunächst gezwungen, die Ordnung des Arbeitslebens in die eigene Hand zu nehmen. Als Vertreter der Arbeitgeberverbände erkannte der Großindustrielle Stinnes die von ihrem Vorsitzenden Legien vertretenen freien, d. h. sozialdemokratischen, Gewerkschaften in dem sog. Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918 an. 185 In dieser Vereinbarung wurde die Funktion der Gewerkschaften akzeptiert und darüber hinaus eine Beschränkung der Koalitionsfreiheit als unzulässig erklärt. 186 Das Abkommen enthielt weiterhin Regelungen über die Arbeiterausschüsse, die in jedem Betrieb mit mindestens 50 Beschäftigten einzurichten waren, sowie über Tarifverträge und führte den Achtstundentag ein. Der Rat der Volksbeauftragten billigte das Abkommen noch am selben Tage und publizierte es im Reichsgesetzblatt. IS7 Die Arbeitgeber versuchten, mit dem Stinnes-Legien-Abkommen eine deutsche Entwicklung russischen Zuschnitts zu verhindern. 18s Dieses Abkommen bestimmte die weitere Entwicklung des Arbeitsrechts maßgeblich, was in der Tarifvertragsordnung vom 23. Dezember 1918 und den Art. 159, 165 der Weimarer Reichsverfassung augenscheinlich wurde. Die Tarifvertragsordnung wurde entsprechend dem Stinnes-Legien-Abkommen erlassen, wobei zusätzlich der normative Charakter der tarifvertraglichen Regelungen aner183
184 185 186 187 188
Kroeschell, Rechtsgeschichte, S. 39. Ramm, Gedächtnisschrift Kahn-Freud, 1980, S. 230. Vgl. etwa Ramm, ZfA 1988, S. 157 (157 f.). Kroeschell, Rechtsgeschichte, S. 56. Kroeschell, Rechtsgeschichte, S. 56. Vgl. etwa Ramm, ZfA 1988, S. 157 (158 f.).
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49
kannt wurde. 189 Die Weimarer Verfassung sprach sich für die Koalitionsfreiheit wie die Tarifautonomie aus, die aber durch die behördliche Schlichtung später stark eingeschränkt wurden. 190 Das Arbeitskampfrecht fand keine gesetzliche Regelung. 191 War durch den kollektiven Einschlag 192 , den das Arbeitsrecht in der Weimarer Zeit schon sehr früh erfahren hatte, der Grundstein für eine Selbständigkeit des Arbeitsrechts gelegt worden 193 , so wies die Reichsverfassung über Art. 159 hinaus weiter auf die Selbständigkeit dieses Rechtsgebietes hin. In Art. 7 Nr. 9 wurde dem Reich die konkurrierende Gesetzgebung über das Arbeitsrecht zugewiesen. In der Weimarer Reichsverfassung wurde der revolutionäre Rätegedanke verarbeitet. Art. 165, der in Abs. 1 die Koalitionsfreiheit statuierte, enthielt in seinen Abs. 2 - 5 die Grundlage für ein dreistufiges Rätesystem. Politische Forderungen wurden damit in wirtschaftliche umgestellt. Ausdruck fand dies im Betriebsrätegesetz vom 9. Februar 1920, das den Arbeitnehmern Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte bei sozialen und personellen Angelegenheiten einräumte. Sollte dieses Gesetz die Arbeit der Koaltionen unberührt lassen (§ 8 BRG), so wurde mit der Betriebsvereinbarung doch die Möglichkeit zu innerbetrieblichen Regelungen eröffnet. 194 Im Betriebsrätegesetz waren zudem die kollektivrechtlich ausgestalteten allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften enthalten, die sozialwidrigen Kündigungen entgegenstanden. 195
2. Die Mitarbeiterbeteiligung Ebenso wie der kollektive Bereich des Arbeitsrechts erfuhr die Idee der Arbeitnehmerbeteiligung mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs einen enormen Auftrieb. 196 Hierbei waren die Vorschläge, die im ganzen Reich zu den verschiedensten Möglichkeiten einer Beteiligung der Arbeiter gemacht wurden, "gewissennaßen eine Reaktion gegen die geplante Verwirklichung sozialistischer Theorien, gegen die Sozialisierung ... ,,197.
Nörr, ZfA 1986, S. 403 (413); MünchArbR I Richardi, § 3 Rn. 2. Vgl. etwa Nörr, ZfA 1986, S. 403 (417 ff.). 191 Nörr, ZfA 1986, S. 403 (424). 192 Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. I, § 41 3, sprechen treffend von der Zeit des kollektiven Arbeitsrechts. 193 Kroeschell, Rechtsgeschichte, S. 56. 194 Heyer, Betriebliche Nonnsetzung, S. 10. 195 MünchArbR I Richardi, § 3 Rn. 8. 196 Zur Sozialisierungsbewegung etwa Thum, Wirtschaftsdemokratie. S. 34 ff. 197 Krasper, Arbeitsfriede, S. 1; vgl. auch Siegier, DBW 1979. S. 143 (144). 189
190
4 Schack
1. Kap.: Die historischen Grundlagen
50
So befaßte sich schon am 16. Januar 1920 die deutsche Nationalversammlung mit der Kapitalbeteiligung und ersuchte in einer Resolution die Reichsregierung um die Vorlage eines Gesetzentwurfs, der den in den Aktiengesellschaften Beschäftigten die Möglichkeit einräumte, eine Beteiligung in Form von ,,Klein=, Vorzugs=(Arbeiter=)Aktien,,198 wahrzunehmen. Darüber hinaus beschäftigten sich zahlreiche Unternehmer, Bürger, Politiker und einige Wissenschaftler mit innovativen Unternehmensformen, der Gewinnbeteiligung l99 und verschiedenen Beteiligungskonzepten 2OO • Damit war oftmals die Suche nach einer angemessenen Gesellschafts- wie Wirtschaftsordnung verbunden, wobei damit einhergehend mitunter nach der künftigen Arbeitsverfassung geforscht wurde201 , deren Anliegen es war, den Arbeitsfrieden durch Arbeiterkapitalisten zu erreichen. 202 Potthoff03 ging zu der Zeit davon aus, daß eine Gewinnbeteiligung geeignet sei, die Folgen des 1. Weltkriegs zu überwinden. Deshalb müsse das Arbeitsrecht Wege öffnen und die Suche nach neuen Mitteln zulassen.
1922 wurden in Deutschland 29 Unternehmen gezählt, die Gewinnbeteiligungsmodelle unterhielten. 204 66 Unternehmen hatten die Gewinnbeteiligung aus verschiedenen Gründen wieder aufgegeben. 205 Die Kapitalbeteiligung wurde in Deutschland in geringem Maße angewendet. 1922 wurden in Deutschland 13 Unternehmen mit Kapitalbeteiligung untersucht, die darüber hinaus teilweise ein Gewinnbeteiligungsmodell unterhielten. 206 a) Der 32. Deutsche Juristentag
Die deutsche Rechtswissenschaft blieb diesen Versuchen nicht verschlossen. Das Problem der Mitarbeiterbeteiligung wurde 1921 vom 32. Deutschen Juristentag in Bamberg unter dem Titel ,Jn welcher rechtlichen Form ist die Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital und am Gewinn des Unternehmens möglich?"
Ehrenzweig, Verh. 32. DJT (1921), S. 289. Etwa Goldschrnidt, Gewinnbeteiligung, S. 11 ff., 76 ff.; Feilchenfeld, Gewinnbeteiligung, der die verschiedenen Gewinn- und Kapitabeteiligungen darstellt, S. 5 ff., 111 ff. 200 Einen vollständigen Überblick über die verschiedenen Vorschläge gibt Krasper, Arbeitsfriede, S. 1 ff. 201 Potthoff etwa untersuchte 1921 die verschiedenen Möglichkeiten, das Arbeitsrecht fortzubilden, ArbR 1921 (Bd. 8), S. 197 ff. 202 Nach der Schrift von Krasper, Arbeitsfrieden durch Arbeiterkapitalisten. 203 Potthoff, ArbR 1921 (Bd. 8), S. 197 (202). 204 Feilchenfeld, Gewinnbeteiligung, S. 5 ff.; vgl. aber auch Goldschrnidt, Gewinnbeteiligung, S. 11 ff. 205 Feilchenfeld, Gewinnbeteiligung, S. 60 ff. 206 Feilchenfeld, Gewinnbeteiligung, S. 111 ff. 198 199
§ 2 Arbeitsrechtsordnung und Mitarbeiterbeteiligung
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zum Gegenstand der Beratung gemacht. Kaskel fungierte hierbei als Bericht- und Ehrenzweig als Mitberichterstatter, der sich den Ausführungen und Leitsätzen von Kaskel anschloß. 207 Nach Kaskel208 lag der Zweck der Beteiligung in der Schaffung einer Interessengemeinschaft zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer, sollte also nicht der Sozialisierung oder der Produktionssteigerung dienen, sondern helfen, den sozialen Frieden zu sichern und die Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit abzumildern. aa) Leitsatz A. I. und Begründung ,,Ein gesetzlicher Zwang zur Einführung der Beteiligung ist abzulehnen."
Der Leitsatz wurde vom DJT angenommen. 209 Von einem gesetzlichen Zwang zur Einführung der Beteiligung wurde abgeraten, da deren Hauptzweck, die Bildung einer Interessengemeinschaft, nur bei freiwilligen und dabei gegenseitigen Absprachen zu erzielen sei und darüber hinaus der richtige Zeitpunkt noch nicht erreicht worden sei. 2lO Zudem seien nicht alle Betriebe einer Beteiligung zugänglich. Dies gelte für unrentable Betriebe oder Einrichtungen, die von vornherein auf Gewinnerzielung verzichteten. Aber auch die Verschiedenartigkeit der Betriebe in Größe, in technischer Struktur und in der Persönlichkeit des Betriebsleiters führte man gegen eine gesetzliche Verpflichtung an. bb) Leitsatz A. 11 und Begründung "Eine etwaige gesetzliche Regelung der Beteiligung muß sich auf die fakultative Regelung einzelner typischer Formen der Beteiligung beschränken, ohne indessen die Anwendung weiterer Formen auszuschließen."
Der Leitsatz wurde vom DJT angenommen. 211 Von Kaskel und Ehrenzweig wurde eine gesetzliche Regelung grundsätzlich abgelehnt. Sollte diese doch eingeführt werden, so sei sie als fakultative auszugestalten. Man ging davon aus, daß die Einführung von innerbetrieblichen Beteiligungen durch fakultative Regelungen erleichtert würde, wenn mehrere unterschiedliche Muster zur Übernahme in das Betriebsstatut zur Verfügung ständen. In diesen Mustern sollten vor allem die Art und der Umfang der Kontrollrechte seitens der Arbeitnehmer enthalten sein, wozu der
207 208 209
210 211
4*
Ehrenzweig, Verh. 32. DJT (1921), S. 300 unter B. Anträge des Mitberichterstatters. Kaskel, Verh. 32. DJT (1921), S. 263. Verh. 32. DJT (1921), S. 297. Dazu und zum folgenden Kaskel, Verh. 32. DJT (1921), S. 265 ff. Verh. 32. DJT (1921), S. 297.
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen
Anspruch auf Vorlage des Geschäftsabschlusses und Einsicht in die Bücher gehören würden. Die Regelung nur typischer Fonnen wurde mit der Regelungsmethodik des BGB begründet. 212 Ein gesetzlicher Ausschluß weiterer untypischer Beteiligungsfonnen wurde abgelehnt und dabei auf das BGB verwiesen, das die einzelnen Schuldverhältnisse weder abschließend noch unabänderlich normieren wollte. cc) Leitsatz A. III und Begründung "Einer gesetzlichen Regelung ist die Ausgabe von Musterstatuten über übliche und empfehlenswerte Beteiligungsformen vorläufig vorzuziehen. Die Auswertung solcher Statuten ist vorzubereiten.,,213
Der Leitsatz wurde vom DJT angenommen. 214 Nach Ansicht der Berichterstatter war eine Regelung durch Musterstatuten angebrachter, wobei die zuständigen Ministerien unter Beteiligung der Koalitionen die Statuten ausarbeiten und publizieren sollten. 215 Hierbei sollte ein Vorteil daraus resultieren, daß die Statuten jederzeit an die Bedürfnisse der Zeit angepaßt werden konnten. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, daß sich gerade die Musterstatuten auf arbeitsrechtlichem Gebiet bewährt hätten. dd) Leitsatz A. IV und Begründung "Dem Zweck der Beteiligung der Arbeitnehmer entspricht eine Beteiligung am Einzelunternehmen besser als eine Beteiligung an einem ganzen Gewerbezweig oder an der ganzen Landeswirtschaft. "
Dieser Leitsatz wurde vom DJT nicht angenommen. 216 Für die Beteiligung der Arbeitnehmer wurden damals verschiedene Konzepte erwogen. Zur Diskussion stand die individuelle Beteiligung des Arbeitnehmers am arbeitgebenden Unternehmen, eine Beteiligung an allen Unternehmen eines Gewerbezweiges oder an der Gesamtwirtschaft des ganzen Landes. 217 Die Berichterstatter entschieden sich für die Beteiligung am Einzelunternehmen, da allein dadurch die angestrebte Interessengemeinschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber erreicht werden 212 Dazu und zum folgenden Kaskel, Verh. 32. DJT (1921), S. 267. 213 Dieser Satz wurde erst nach dem Schluß der Besprechung gemeinschaftlich von den Berichterstattern vorgeschlagen. 214 Verh. 32. DJT (1921), S. 297. 215 Dazu und zum folgenden Kaskel, Verh. 32. DJT (1921), S. 268. 216 Verh. 32. DJT (1921), S. 298. m Dazu und zum folgenden Kaskel, Verh. 32. DJT (1921), S. 268 f. Die verschiedenen Vorschläge bis 1921 sind bei Krasper, Arbeitsfriede, S. 15 ff., zusammengefaßt.
§ 2 Arbeitsrechtsordnung und Mitarbeiterbeteiligung
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könne. Wobei die wirtschaftliche und ideelle Bedeutung der Beteiligung darin gesehen wurde, daß der Arbeitnehmer " ... das Unternehmen, in dem er arbeitet, zum Teil als ihm zugehörig, die Erträgnisse einer intensiveren Arbeit bzw. einer gesteigerten Ersparnis als ihm selbst zugute kommend ansieht,,218.
Die Berichterstatter sprachen sich auch gegen die Beteiligung von kleineren Einheiten wie Betriebsabteilungen aus, soweit diese nicht finanziell selbständig arbeiteten. ee) Leitsatz A. V. und Begründung "Dem Zweck der Beteiligung entspricht eine Individualbeteiligung der einzelnen Arbeiter besser als eine Kollektivbeteiligung der als Werksgenossenschaft organisierten Arbeitnehmerschaft, deren Mitwirkung indessen bei Verwaltung, Kontrolle usw. erwünscht
ist."
Dieser Leitsatz wurde vom DIT nicht angenommen. 219 Bei der innerbetrieblichen Beteiligung gab es die Möglichkeit, den Arbeitnehmer als Einzelperson zu beteiligen oder die gesamte Belegschaft, wobei letzteres als Form der Wohlfahrtspflege angesehen wurde, soweit die Geldmittel für gemeinsame Wohlfahrtseinrichtungen verwandt wurden?20 Die Berichterstatter sprachen sich für den individuellen Weg aus, da allein dadurch eine Berücksichtigung der Betriebs- wie Eigeninteressen erreicht werden könnte und hierbei auch ein erkennbarer Eigennutzen aus der Perspektive des Arbeitnehmers feststellbar war. Als Begründung hierfür wurde auf den Mißerfolg des französischen Gesetzes vom 26. April 1917 verwiesen, das die Möglichkeit der Beteiligung der Arbeiterschaft an Aktiengesellschaften vorgesehen hatte. ff) Leitsatz A. VI. und Begründung "Die Beteiligung muß auf rechtsförmlicher Vereinbarung zwischen Unternehmer und Arbeitnehmerschaft beruhen. Für die Form einer solchen Vereinbarung ist ein Abkommen zwischen Unternehmer und Betriebsvertretung für den Einzelbetrieb der Regelung durch Tarifvertrag vorzuziehen."
Dieser Leitsatz wurde vom DIT nicht angenommen?21 Für die Berichterstatter war eine rechtliche Abmachung notwendig, um klare Verhältnisse durch festgefügte Rechtsansprüche zu schaffen. 222 218 219 220 221 222
Dazu und zum folgenden Kaskel, Verh. 32. DJT (1921), S. 269. Verh. 32. DJT (1921), S. 298. Dazu und zum folgenden Kaskel, Verh. 32. DJT (1921), S. 270 f. Verh. 32. DJT (1921), S. 298. Dazu und zum folgenden Kaskel, Verh. 32. DJT (1921), S. 271 f.
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen
Hierfür wurde einer betrieblichen Regelung in Fonn eines Betriebsstatuts gegenüber dem Einzelarbeitsvertrag der Vorzug eingeräumt, da dieser ohnehin immer mehr zugunsten kollektiver Verträge zurücktrat. Gegenüber dem Tarifvertrag wurde dem Betriebsstatut der Vorzug gegeben, weil dieses die Möglichkeit betriebsbezogener Regelungen erlaubte, welche durch die generalisierende Wirkung des Tarifvertrages ausgeschlossen, aber notwendig seien. gg) Leitsatz A VII., Begründung und verabschiedete Fonn ,,Für eine Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer durch Aktien verdient die mit Sonderrechten ausgestattete Arbeiteraktie sowohl gegenüber der Arbeitsaktie wie gegenüber der börsenflihigen Kleinaktie den Vorzug."
Dieser Leitsatz wurde vom DJT nicht angenommen. 223 In dem Bericht wurde unterschieden zwischen einer Gewinnbeteiligung und einer Beteiligung am Kapital des Unternehmens, was auch als Co-Partnership bezeichnet wurde?24 Hierbei berücksichtigten die Berichterstatter das Ziel der Beteiligung, das in der Schaffung einer Interessengemeinschaft zwischen Unternehmer und Arbeiterschaft gesehen wurde, und entschieden sich für eine Beteiligung aufgrund eines Gesellschaftverhältnisses. Allerdings war nach Ansicht von Kaskel und Ehrenzweig die Gesellschaft des BGB nicht geeignet, da eine gewisse Gleichstellung der Gesellschafter Voraussetzung sei, der wiederum das notwendige Direktionsrecht des Arbeitgebers entgegenstehen müßte. Darüber hinaus hielten sie die haftungs- wie prozeßrechtliehen Konstellationen einer BGB-Gesellschaft für unpassend. Das Gesellschaftsverhältnis aufgrund der offenen Handelsgesellschaft kam ebenfalls aus haftungsrechtlichen Gründen nicht in Frage. Die Kommanditgesellschaft wurde des weiteren als untauglich angesehen, weil einem Wechsel der Arbeitnehmer die Eintragungserfordernisse entgegenständen. Auch würde die Höhe der Einlagen dagegen sprechen. Nach Ansicht der Berichterstatter sei eine Beteiligung im Rahmen einer stillen Gesellschaft eher möglich, da eine Haftung nicht stattfinde und eine Verlustbeteiligung vertraglich ausgeschlossen werden könne. Demgegenüber seien die weiteren Bestimmungen des HGB für das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien wenig geeignet. Die Berichterstatter befürworteten letztlich die Beteiligung der Arbeitnehmer an einer Kapitalgesellschaft und entschieden sich für die Aktiengesellschaft. Die Beteiligung an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde abgelehnt, da eine Beteiligung hieran ein persönliches Band zwischen den einzelnen Gesellschaftern voraussetzen würde. 225 Verh. 32. DIT (1921), S. 298. Kaskel, Verh. 32. DIT (1921), S. 272 ff. Die Bezeichnung "Co-Partnership" findet sich auch bei anderen Autoren wie etwa Krasper, Arbeitsfriede, S. 13, der auf die hier bereits vorgestellten Konzeptionen (s.o. § 3 12 b) der Gebrüder Briggs und der von Borchert, jun., verwies. 223
224
§ 2 Arbeitsrechtsordnung und Mitarbeiterbeteiligung
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Die sog. Arbeitsaktie, die vom Grundgedanken einer Gleichbewertung von Arbeitskraft und Kapital ausging, wurde abgelehnt, weil dadurch die Arbeitskraft doppelt bewertet sei, wobei eine geldmäßige Bewertung der Arbeitskraft nicht möglich sei. Bei der Arbeitsaktie sollte der Arbeitnehmer für seine Arbeitskraft, die als Arbeitseinlage bezeichnet wurde, eine Aktie erhalten. Im Gegensatz zu der Arbeitsaktie sprachen die Berichterstatter der Geldaktie, die der Arbeitnehmer erwerben müsse, größere praktische Bedeutung zu. Bei der börsenfahigen Geldaktie sollte der Nennbetrag auf 100 bis 200 Mark (von 1.000 Mark) gesenkt werden, um den Arbeitnehmern die Möglichkeit eines Kaufes zu sichern. Letztendlich sprachen sich die Berichterstatter aber gegen die Geldaktie aus, weil diese nicht zwingend zu einer Interessengemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen müßte. Letzterer war ja auch in der Lage, die Aktien eines anderen Unternehmens zu kaufen, so daß die Geldaktie eher geeignet erschien, zusätzliches Kapital der Produktion zuzuführen. Den Vorzug gaben die Berichterstatter der Arbeiteraktie. Bei dieser Form der Geldaktie erwarb der Arbeitnehmer ein Papier, das nicht frei veräußert werden konnte, sondern nur an die Kollegen, deren Organisation oder an das Unternehmen selbst. Hierfür sollten diese Aktien Vorzugsrechte in Form von Mindestdividenden, Vorzugspreisen und Vorzugsrechten im Konkurs vorsehen. Der Ausschluß eines Stimmrechts wurde hierbei abgelehnt, dafür aber die Bildung von Organen der Arbeiteraktionäre vorgeschlagen, die deren Interessen wahrzunehmen hätten. Der DJT entschied sich für den Antrag von Simon, der folgenden Inhalt hatte: 226 "Eine besonders geregelte Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer durch Aktien ist nicht empfehlenswert. Sie macht weitgehende und grundsätzliche Änderungen des Aktienrechts erforderlich, ohne daß ein Bedürfnis feststeht. Es genügen Vereinbarungen über die Gewinnbeteiligung. Für die etwa im Einzelfall gewünschte Kapitalbeteiligung genügen die Bestimmungen über vinkulierte Namensaktien."
hh) Das gesellschaftsrechtlich orientierte Arbeitsverhältnis in der Arbeitsgesellschaft Durch den Leitsatz A VII. wollten die Berichterstatter mögliche andere Formen der Arbeitnehmerbeteiligung als abgelehnt betrachtet sehen, wobei ausdrücklich auf den Entwurf einer Arbeitsgesellschaft Bezug genommen wurde. 227 Das Konzept einer Arbeitsgesellschaft hatte Mühlp!ordr 28 1920 in die Diskussion um ein neues Arbeitsrecht eingeführt. Aber auch wenn dieser Begriff schon von Kaskel, Verh. 32. DIT (1921), S. 273 ff. Verh. 32. DIT (1921), S. 295 f. 227 Dazu und zum folgenden Kaskel, Verh. 32. DIT (1921), S. 280 f.; vgl. auch Ehrenzweig, Verh. 32. DIT (1921), S. 287. 228 In der Wochenschrift ,,Der Regulator" v. 11. 6. 1920 v. 6. 8. 1920, Nr. 32, zitiert nach Oertmann, ArbR 1921 (Bd. 8), S. 11 (11). Ebenso beschäftigte sich Mühlpfordt in der ,,zeit225
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l. Kap.: Die historischen Grundlagen
Engel für die deutsche Fonn der britischen "Co-Partnership" zu dem Zeitpunkt verwendet worden war29 , so bezog sich Mühlpfordt nicht ausdrücklich auf diese Fonnen der Mitarbeiterbeteiligung. Allerdings verwies der Autor auf eine Gesetzeseingabe der Paritätsrepublikanischen Aufklärungs- und Eingabegesellschaft (Paueg) bezüglich des Gesetzentwurfs zum Betriebsrätegesetz. Diese Eingabe hatte in der Konzeption von Mühlpfordt ihren Ursprung und spiegelte das Konzept der Arbeitsgesellschaft wider. Der Gesetzentwurf beschränkte die Dividenden der Gesellschafter und deren Verfügungsrechte, so daß als Ergebnis eine Enteignung der Eigentümer zu vergegenwärtigen gewesen wäre.2 30 Mühlpfordti 31 Ausgangspunkt war die Position, die der Arbeitsvertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch gefunden hatte. Der Arbeitsvertrag wird seit dem Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 als Unterfall des Dienstvertrags angesehen. 232 Nach Ansicht des Autors entsprach die Beschränkung des Arbeitsvertrags auf die grundlegenden Bestimmungen des BGB über den Dienstvertrag nicht mehr den damaligen Anschauungen, weil das Dienstvertragsrecht nicht zwischen den verschiedenen Zwecken der Dienste unterschied. Diese Unterscheidung aber müsse bezüglich der Bedeutung und des Umfangs der jeweiligen Arbeitsleistung vorgenommen werden. Der Autor differenzierte hierbei zwischen dem Botengang eines Gepäckträgers und der Tätigkeit eines Angestellten in einem Wirtschaftsunternehmen. Ersterer könne mit den Dienstvertragsregeln erfaßt werden, weil in dem Botengang ein abgeschlossener wirtschaftlicher Vorgang zu erblicken sei. Das Angestelltenverhältnis aber sei durch die Absicht geprägt, eine dauernde Dienstleistung zur fortgesetzten Erzielung wirtschaftlicher Ergebnisse zu erbringen, so daß die Vertragsparteien " ... gemeinsam dauernd einen gemeinsamen Zweck ... " erreichen wollten. 233 Dies sei aber nun kein Dienst-, sondern ein Gesellschaftsvertrag. Demzufolge würde sich der Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber zur Erreichung eines gemeinschaftlichen Zwecks vereinigen. Diese gesellschaftrechtliche Sichtweise des Arbeitsverhältnisses veranlaßte Mühlpfordt zu der Ansicht, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft als Kapital einbringe, so daß ihm ein entsprechender Gewinnanteil neben dem Lohn zustehe. Der Gewinnanteil solle dabei als Grundstock einer Kapitalbeteiligung dienen. Für schlechte Zeiten sollte ein Reservefonds als Gewinngarantiereserve eingerichtet werden. Hieraus sollten dann die Gesellschafter die angemessene Verzinsung der eingebrachten Einlagen erhalten, wobei die Geld- oder Sacheinlagen bevorrechtigt und die Arbeitsgesellschafter auf den Rest des Reingewinns verwiesen schrift des Gewerkschaftsbundes der Angestellten" 1920 (GdA), S. 19 f., mit der Arbeitsgesellschaft. Von diesem Aufsatz wird hier ausgegangen. 229 S.o. § 3 I 2 b. 230 Oertmann, ArbR 1921 (Bd. 8), S. 11 (17). 231 Dazu und zum folgenden Mühlpfordt, GdA 1920, S. 19 f. 232 V gl. etwa Adomeit, Arbeitsrecht, E 10 a; Löwisch, Arbeitsrecht, § 3 III 2. 233 Mühlpfordt, GdA 1920, S. 19.
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werden sollten. Eine persönliche Haftung des Arbeitnehmers schloß Mühlpfordt aus, billigte diesem deshalb keinen Einfluß auf die Geschäftsführung zu. Allein Informationsrechte über die betriebliche Gewinnsituation (Bilanz) ständen in der Arbeitsgesellschaft dem Arbeitnehmer zu. Die Wahrnehmung dieser Rechte könne dem Betriebsrat im Sinne des Betriebsrätegesetzes überantwortet werden?34 Der Autor hatte die Absicht, das eigene Konzept in das BGB einzubringen, und wollte hierfür die §§ 740 a ff. einfügen. 235 Nach Ansicht von Oertmann236 , Kaskel 237 und Ehrenzweii 38 war der Entwurf der Arbeitsgesellschaft unbrauchbar, weil die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze so maßgeblich zu ändern seien, daß das Arbeitsverhältnis allein vom Namen her geändert werden würde. 239 Die Auseinandersetzung der Kritiker mit der gesellschaftsrechtlichen Konzeption war aber sehr oberflächlich. Auf die Frage der gemeinsamen Zweckverfolgung, die es gern. § 705 BGB zu fördern gilt, wurde nicht eingegangen. Die Ablehnung basierte hauptsächlich auf folgenden Argumenten: - Kontrollrechte nach § 716 BGB könnten nicht jedem Arbeitnehmer zustehen, - die gemeinschaftliche Geschäftsführung nach § 709 BGB, die nur einzelvertraglich ausgeschlossen werden könnte, wäre mit dem Wesen der Arbeitsgemeinschaft nicht vereinbar, - die persönliche Haftung der Arbeitnehmer würde deren Interessen nicht entsprechen, - nach § 722 Abs. 1 BGB wären die Verlust- und Gewinnanteile im Zweifel alle gleich, - des weiteren entsprächen die Normen über die Kündigung oder Ausschließung der Gesellschafter nicht der Interessenlage der Arbeitnehmer. Die Arbeitsgesellschaft wurde in der Besprechung des 32. DJT nicht weiter behandelt. ii) Leitsatz A. VIll. und Begründung "Eine Gewinnbeteiligung darf den Arbeitslohn niemals ersetzen, sondern nur ergänzen, ist daher bei der Lohnfestsetzung unberücksichtigt zu lassen. Das Statut über die Gewinnbeteiligung muß mindestens Bestimmungen enthalten über die Art der Berechnung Mühlpfordt, GdA 1920, S. 20. Oertmann, ArbR 1921 (Bd. 8), S. 11 (12 f.). 236 Oertrnann, ArbR 1921 (Bd. 8), S. 11 (12 ff.). 237 Kaskel, Verh. 32. DJT (1921), S. 280 f. 238 Ehrenzweig, Verh. 32. DJT (1921), S. 287. 239 Vgl. auch Potthoff, ArbR 1922 (Bd. 9), Sp. 731 ff., der eine strikte Trennung von Arbeits- und Gesellschaftsverhältnis vertrat. 234 235
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen des Gewinnes, den Verteilungsmaßstab zwischen Arbeiterschaft und Unternehmer, den Maßstab der Beteiligung des einzelnen Arbeiters und die Form der Ausschüttung des Gewinnes, insbesondere auch an abziehende Arbeiter."
Der Leitsatz wurde vorn DJT angenommen. 240 Für die Berichterstatter war die gewöhnliche Gewinnbeteiligung (profit sharing) ein Lohnbestandteil in Form eines besonderen Lohnsysterns?41 Da der Arbeitnehmer aus den Lohnzahlungen seinen Lebensunterhalt bestritt, war eine vorherige tarif- oder einzelvertragliche Festsetzung der Löhne geboten. Nur Ehrenzweii42 sprach die Möglichkeit an, in der Gewinnbeteiligung ein alternatives Entlohnungssystem im Sinne eines automatischen Lohnregulators zu sehen, und verwies hierfür auf das Beteiligungssystem von Abbe in Jena. Allerdings wurde dieses Konzept ausdrücklich nicht zum Gegenstand der Berichterstattung und der Leitsätze bestimmt. Man sprach sich für die statuarische Regelung der Gewinnbeteiligung aus, weil etwaiger Streit vermieden werden sollte, wobei eine Kontrollmöglichkeit für die Arbeitnehmer, die Berücksichtigung eines Unternehmerlohns und eine Risikoprämie für das haftende Eigenkapital als notwendig erachtet wurden. Des weiteren regte man eine unparteiische Schlichtungsstelle an, die Streitfälle bezüglich der Gewinnverteilung bindend entscheiden sollte.
In ihrem Leitsatz wollten die Berichterstatter kein bestimmtes Gewinnbeteiligungskonzept festgelegt wissen, sondern nur die beachtenswerten Gesichtspunkte zur Aufnahme in ein Statut empfehlen. b) Die Kommanditgesellschaft auf Arbeit 1921 unternahm Arthur Herz/eld243 den Versuch, die Normen des Betriebsrätegesetzes zu assimilieren. 244 Er verglich die Kommanditgesellschaft auf Aktien mit einer Kommanditgesellschaft auf Arbeit. Den Bezugspunkt hierfür fand dieser in dem BRG, wobei die Organe der Betriebsverfassung den der Kommanditgesellschaft auf Aktien gleichgestellt wurden. Nach Ansicht des Autors hatte das BRG das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer verändert, da aus dem Unterwerfungsverhältnis eine gesellschaftliche Beziehung geworden sei. 245 Aus dem in den §§ 94 ff. enthaltenen Kündigungsschutz der Arbeitnehmer folgerte Herz/eid die Statuierung eines Kapitalanteils des Arbeitnehmers, die sich in der Abfindungszahlung manifestiere. Hierbei verwies er darauf, Verh. 32. DJT (1921), S. 298. Dazu und zum folgenden Kaskel, Verh. 32. DJT (1921), S. 278 ff.; Ehrenzweig, Verh. 32. DJT (1921), S. 282 ff. 242 Ehrenzweig, Verh. 32. DJT (1921), S. 282 ff. 243 Herzfeld, ArbR 1921 (Bd. 8), S. 139 ff., 174 ff.; ders., ArbR 1923 (Bd. 10), Sp. 219 ff. 244 Zustimmend Potthoff, ArbR 1921 (Bd. 8), S. 197 (202). 245 Herzfeld, ArbR 1923 (Bd. 10), Sp. 219 (219). 240 241
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daß das BRG den Arbeitnehmer auf die Stufe zum "Mitproduzenten ,,246 gehoben habe und der Arbeitnehmer zum Arbeitsbesitzer geworden sei. 247 Nach der Währungsreform 1923 nahm das Interesse an einer Beteiligung der Arbeitnehmer ab. 248
IH. Ergebnis Das Arbeitsrecht findet seinen Ursprung in der besonderen Situation des 18. und 19. Jahrhunderts, die durch die erste industrielle Revolution und dem Wirtschaftsliberalismus geprägt war, und fungierte vordringlich als Schutzrecht zugunsten der Arbeitnehmer. Parallel zu der Entwicklung des individuellen wie kollektiven Arbeitsrechts wurden die Gedanken einer Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland bereits im 18. Jahrhundert verfolgt. Die materielle Beteiligung sollte den Interessengegensatz zwischen Arbeit und Kapital, die Leistungsmotivation der Arbeitnehmer und / oder das Verhalten der Gewerkschaft wie deren Mitglieder beeinflussen. Darüber hinaus wurden einer materiellen Beteiligung positive Aspekte bezüglich der Vermögensverteilung zugeschrieben. Die immaterielle Beteiligung wiederum sollte den Arbeitnehmer zum unternehmerischen Denken führen und die autokratischen betrieblichen Herrschaftssysteme "demokratisieren". Die betriebliche Arbeitnehmervertretung (Arbeiterausschüsse) wurde erstmalig im Zusammenhang mit der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer genannt. Das kollektive Arbeitsrecht hat mit den Arbeitsausschüssen, später mit den Betriebsräten nach dem BRG, die immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer erfaßt. Die zweite Säule einer modemen Arbeitsrechtsordnung fand sich in der Tarifautonomie und der Tätigkeit der Gewerkschaften, die mit den Tarifverträgen eine überbetriebliche Form der Mitbestimmung praktizieren. Die materielle Beteiligung der Arbeitnehmer wurde in verschiedenen Formen realisiert, die sich in Gewinnbeteiligung und Kapitalbeteiligung (Co-Partnership) unterscheiden lassen. Beide Formen wurden exklusiv oder zusammen angewandt, wobei die unterschiedlichsten gesellschaftrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten hierfür angewandt und weiterführend theoretisch diskutiert wurden. Bei der Gewinnbeteiligung selbst wurde zwischen einer reinen Gewinnbeteiligung und einer Beteiligung in Form eines Lohnregulators unterschieden.
Herzfeld, ArbR 1921 (Bd. 8), S. 139 (143). Herzfeld, ArbR 1923 (Bd. 10), Sp. 219 (221 f.). 248 Siegier, DBW 1979, S. 143 (143). In der Mitte der zwanziger Jahre beschäftigten sich die Freien Gewerkschaften mit dem Konzept einer Wirtschaftsdemokratie. Naphtali gab hierzu 1928 das Werk "Wirtschaftsdemokratie. Ihr Wesen, Weg und Ziel" heraus, vgl. etwa Thum, Wirtschaftsdemokratie, S. 36 ff., m.w.N. In dieser Stellungnahme war fast kein Platz für individuelle Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer, so daß diese hier unerörtert bleibt. 246
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1. Kap.: Die historischen Grundlagen
Als dritte Form wurde das Arbeitsverhältnis als partiarisches Rechtsgeschäft vorgeschlagen, in dem das ganze oder ein bestimmter Teil des Arbeitsentgelts in Form einer Gewinnbeteiligung ausgezahlt werden sollte. Entscheidende Bedeutung wurde im Rahmen der Gewinnbeteiligung einer Beteiligung (Information und Überprüfung) der Arbeitnehmer zugemessen. Die Diskussion um eine Fortenwicklung des Arbeitsrechts nach dem 1. Weltkrieg, die sich auch in den Verhandlungen des 32. DJT niederschlug, hatte zwei unterschiedliche Ausgangspunkte. Im ersten wurde versucht, die Beteiligung der Arbeitnehmer im Rahmen des bestehenden gesellschaftsrechtlichen Systems zu bewerkstelligen. Hierbei wurde der zweite Ausgangspunkt, der aus der Natur der fortgesetzten Arbeitsleistung oder der Wirkung des Arbeitsrechts, in diesem Fall des BRG, herrührte, abgelehnt oder nicht berücksichtigt. In diesen Ansätzen aber wurde erstmalig eine Verbindung zwischen der arbeitsund der gesellschaftsrechtlichen Perspektive hergestellt. Das BRG sollte aus dem arbeitsrechtlichen Unterwerfungsverhältnis eine gesellschaftliche Beziehung gemacht haben. Damit betrat die Rechtswissenschaft die Brücke zwischen Arbeitsund Gesellschaftsrecht, denn die für das Gesellschaftsrecht notwendige Gleichstellung der Gesellschafter sollte durch die kollektive Beteiligung der Arbeitnehmer im Rahmen des BRG verwirklicht worden sein (Herz/eid). Darüber hinaus wurde zumindest nach Mühlpfordt dem Arbeitsverhältnis des Angestellten eine gesellschaftsrechtliche Grundlage zugeschrieben, da von einer gemeinsamen Zweckverfolgung der Arbeitsvertragsparteien ausgegangen wurde.
2. Kapitel
Die Grundlagen der Untersuchung. Strukturierung der arbeitsrechtlichen Regelungsmaterie Die Erfassung des Beteiligungspotentials von Arbeitsgruppen in der schlanken Fabrik und der gesetzlichen Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer setzt die Beachtung des Regelungsinhalts und des Lebenssachverhalts des Arbeitsrechts wie die Berucksichtigung der unternehmerischen Steuerungsprozesse voraus.
§ 3 Die Arbeitsrechtsordnung und deren Regelungsmaterie Die rechtliche Erfassung der Arbeit von Arbeitnehmern und die Art und Weise der Verrichtung der Arbeit stehen in Beziehung zueinander.
I. Die Arbeitsrechtsordnung Die Umstände bei der Entwicklung des Arbeitsrechts haben noch heute maßgeblichen Einfluß auf die deutsche Arbeitsrechtsordnung\ deren Einordnung und Bewertung 2. Die folgenden Worte von Brecher3 verdeutlichen dies kurz und prägnant: ,,Man hat im Arbeitsrecht ein Kind der Sozialromantik gesehen, aber auch ein Produkt des Aufstands der Massen, man hat es gedeutet als Antwort auf bitterste Existenznot, aber auch als Mittel nacktesten Interessenkampfes, man hat es abgewertet als EinbruchsteIle einer politischen Partei ins Recht und hat es geweiht zur säkularisierten Bergpredigt."
Das Arbeitsrecht selbst wird als" Sonderrecht der Arbeitnehmer oder der abhängig Beschäftigten ,,4 bezeichnet, wobei die Bezeichnung "Sonderrecht" zunehmend in Zweifel gezogen wird. 5 Vgl. statt aller Staudinger I Richardi, Vorbem. 101 ff. zu §§ 611 ff. Reuter, Stellung, S. 3 ff. 3 Brecher, FS Molitor, 1962, S. 35. 4 Vgl. etwa Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 1 (Sonderrecht der abhängig Beschäftigten); Gitter, Arbeitsrecht, S. 1.; Söllner, Arbeitsrecht, § 1 I. Grundlegend Wank, Arbeitnehmer, S. 29 ff., m.w.N. S.a. Reuter, Stellung, S. 3 ff. I
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2. Kap.: Grundlagen der Untersuchung
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts6 liegt der Entwicklung zum Sonderrecht zugrunde, daß sich die arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehungen von den Arbeitsvertragsparteien her mehr zum Betrieb hin verlagern und die inhaltliche Gestaltung der Verträge durch Tarifverträge erfolgt. Hierdurch wird auch auf eine Entwicklung hingewiesen, die das Arbeitsrecht zu einer verselbständigten Rechtsdisziplin hat werden lassen? Der Grund hierfür lag im Bürgerlichen Gesetzbuch selbst, das für die Besonderheiten eines Arbeitsverhältnisses keinen Raum botS, da es an dem Sozialmodell der vorindustriellen Gesellschaft orientiert war. 9 Zum heutigen Zeitpunkt wird das Arbeitsrecht allgemein in die Bereiche Individual- und Kollektivarbeitsrecht unterteilt. 10 Das Individualarbeitsrecht regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern. 11 Dieses wiederum kann aufgegliedert werden in das Arbeitnehmerschutzrecht und das Arbeitsvertragsrecht. Im Gegensatz zum Arbeitsvertragsrecht als Teil des Privatrechts ist das Arbeitnehmerschutzrecht dem Öffentlichen Recht zuzuordnen. 12 Die Grundlage der arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist der Arbeitsvertrag 13 als Unterfall des Dienstvertrags der §§ 611 ff. BGB I4 • Das Kollektivarbeitsrecht widmet sich "den Beziehungen der unselbständigen Arbeitnehmer als Kollektiv zum einzelnen Arbeitgeber oder zu den Arbeitgebern als Kollektiv.. 15 . Es setzt sich aus dem Tarifvertragsrecht, dem Arbeitskampfrecht und dem Betriebsverfassungs- wie dem Mitbestimmungsrecht zusammen. 16 Staudinger / Richardi, Vorbem. 101 zu §§ 611 ff.; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 41 2. BVerfGE 7, S. 342 (351). 7 Vgl. etwa Martens, JuS 1987, S. 337 (338); Staudinger / Richardi, Vorbem. 112 zu §§ 611 ff. S Adomeit, Arbeitsrecht, E 10 a; Hueck / Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. I, § 3; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 65; Söllner, Arbeitsrecht, § 2 III 5. 9 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 478 ff.; ders., Sozialmodell, S. 16 ff.; Staudinger / Richardi, Vorbem. 112 zu §§ 611 ff.; Richardi, FS z. 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, 1984, S. 608. 10 Einige Autoren fügen diesem Paar noch die dritte Kategorie des Arbeitsschutzrechts hinzu und kommen somit zu einer Dreiteilung wie etwa Gitter, Arbeitsrecht, S. 2; Söllner, Arbeitsrecht, § 5 11; dazu Zöllner / Loritz, § 6 III. Hier soll aus systematischen Gründen von dem Dualismus Individual- und Kollektivarbeitsrecht ausgegangen und das Arbeitsschutzrecht dem Individualarbeitsrecht zugerechnet werden. Zum Dualismus Individual- und Kollektivarbeitsrecht Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 9 ff., 74 ff. 11 Adomeit, Arbeitsrecht, B I 3; ders., Rechtsquellenfragen, S. 74 ff., 166; Söllner, Arbeitsrecht, § 5 11; Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 3; Staudinger / Richardi, Vorbem. 747 u. 838 zu §§ 611 ff. 12 Vgl. etwa Wlotzke, FS Hilger-Stumpf, 1983, S. 723 f. 13 Vgl. etwa Richardi, ZfA 1988, S. 222 (222 f.). 14 V gl. statt aller Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 1. 15 Gitter, Arbeitsrecht, S. 119. 16 Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, vor § 33. 5
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§ 3 Die Arbeitsrechtsordnung und deren Regelungsmaterie
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Die individualrechtlichen Regelungen finden sich nicht allein im BGB, sondern sind in mehreren anderen Gesetzen, wie zum Beispiel dem Kündigungsschutzgesetz, niedergelegt. Dazu entspringen wichtige Teile des Individual- (z. B. der Gleichbehandlungsgrundsatz l7 ) wie des Kollektivarbeitsrechts (z. B. das Arbeitskampfrecht l8 ) nicht der Feder des Gesetzgebers, sondern sie wurden durch die arbeitsrechtliche Rechtsprechung entwickelt. 19 Die Aufgabe des Arbeitsvertrags ist grundsätzlich in der Begründung und inhaltlichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses zu sehen. 2o Das geltende Arbeitsrecht folgt dem nicht, sondern beschränkt die Funktion des Arbeitsvertrags allein auf die Begründungsfunktion. 21 Die Ausgestaltung der gegenseitigen Rechte und Pflichten bleibt den Vertragspartnern somit weitgehend entzogen. Demzufolge kann das Arbeitsrecht als Kontrollsystem gegenüber der Vertragsfreiheit angesehen werden. 22 Das Rechtsverhältnis zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstberechtigten unterliegt dabei dem arbeitsrechtlichen Rechtsformzwang, das heißt, daß die Bestimmung des Vertragstyps der Disposition der Vertragspartner entzogen ist und objektive Maßstäbe gelten?3 Den Arbeitsvertragsparteien verbleibt folglich wenig Spielraum für individuelle Vertragsgestaltungen. Aber dennoch liegt dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer allein der Arbeitsvertrag zugrunde, so daß das Arbeitsverhältnis seine Grundlage in der Privatautonomie findet. 24 Zum heutigen Zeitpunkt ergeben sich die Inhalte der Arbeitsverhältnisse aus vielen Rechtsquellen. 25 Da grundsätzlich die ranghöhere Regelung der rangniedrigeren vorgeht26 , kommt es zu einem "Stufenbau des Arbeitsrechts,m. Vgl. etwa Gamillscheg, Grundrechte, S. 52 f., m.w.N. Vgl. etwa Löwisch I Rieble, Arbeitskampfrecht, Rn. 222 ff., m.w.N. 19 Die einmalige Position, die das Richterrecht im Arbeitsrecht eingenommen hat, ist aber unter Berücksichtigung der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) und der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht unbedenklich, vgl. etwa Söllner, Arbeitsrecht, § 1 IV 1, m.w.N.; Staudinger I Richardi, Vorbem. 739 ff. zu §§ 611 ff.; Simitis, Verrechtlichung, S. 93; Reuter, RdA 1985, S. 321 (bes. 322); ders., FS Hilger I Stumpf, 1983, S. 575 ff. Grundlegend Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 16 ff., 37 ff.; Wank, Grenzen, S. 82 ff., 154 ff. 20 Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 92; Söllner, Arbeitsrecht, § 28 I 2 c. 21 Vgl. etwa Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 92; ders., Arbeitsrecht, B 14; Söllner, Arbeitsrecht, § 28 I 2 c. 22 Adomeit, Arbeitsrecht, B 14. 23 Wank, Arbeitnehmer, S. 102. 24 Vgl. etwa MünchArbR I Richardi, § 1 Rn. 8. 25 Vgl. etwa Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 70 ff., 91 ff., 121 ff.; v. Hoyningen-Huene, AuA 1992, S. 7 ff. 26 Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 61. 27 Adomeit, Arbeitsrecht, B I 1; Kissel, NZA 1986, S. 73 (77). 17
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2. Kap.: Grundlagen der Untersuchung
Die Verfassung, die arbeitsrechtlichen Gesetze 28 , Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, der Arbeitsvertrag 29 und das Direktionsrecht des Arbeitgebers gestalten in dieser Reihenfolge das Arbeitsverhältnis. 30 Dieser Pyrarnidenaufbau 31 hat zur Folge, daß Arbeitnehmern und Arbeitgebern wenig Raum für individuelle Absprachen verbleibt, soweit sie sich nicht objektiv günstiger für den Arbeitnehmer gestalten. 32
11. Die Regelungsmaterie des Arbeitsrechts Hervorgerufen durch die produktionsorganisatorischen Notwendigkeiten in einer hoch technisierten, von Arbeits- und Aufgabenteilung bestimmten betrieblichen Welt, ist mit der Erbringung der Arbeitsleistung in der Regel die dauerhafte Eingliederung in den betrieblichen Organisationsbereich notwendig verbunden 33 , da erst das dauerhafte arbeitsteilige Zusammenwirken in diesem Bereich die Erfüllung der wirtschaftlichen Zielsetzungen ermöglicht. 34 Das betriebsgebundene Arbeitsverhältnis ist in der Regel auf mehr als zwei Personen ausgelegt. Allein das arbeitsteilige Zusammenwirken aller im Teillebensbereich Betrieb Beschäftigten garantiert hierbei die Erreichung des Betriebszweckes. Das betriebliche Ergebnis wird erst in gemeinschaftlichem Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmerschaft gewonnen. 35 Darüber hinaus läßt erst die Ge28 Einen unbedeutenden Rang besitzt das Gewohnheitsrecht. so daß es hier ausgespart werden kann, vgl. nur v. Hoyningen-Huene, AuA 1992, S. 7 (7). 29 Der Rangstufe Arbeitsvertrag werden hinzugerechnet die arbeitsvertraglichen Einheitsregelungen, die Gesamtzusage und die Betriebsübung, Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 55 ff.; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 48 ff. 30 Vgl. etwa Gitter, Arbeitsrecht, S. 18 ff.; Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 44 ff.; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 41 ff.; Adomeit, Arbeitsrecht, B I 1. 31 V. Hoyningen-Huene, AuA 1992, S. 7 (7). 32 Zur Geschichte des Günstigkeitsprinzips Krummei, Geschichte, S. 190 ff. 33 Dieser Ansatz geht wohl auf Otto v. Gierke zurück und wurde letztendlich von Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 1 II 2, in die heutige Dogmatik eingeführt. Zur Entwicklung vgl. die Angaben bei Nikisch, a. a. 0., und Rosenfelder, Status, S. 62 (Fn. 27). Dieser verweist als Wurzel auf Gierke, FS Brunner, 1914, S. 37. Das BAG knüpft an diesen Ansatz an, wenn es um die Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft geht, siehe etwa BAG 9.9. 1981 AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit; MünchArbR I Richardi, § 23 Rn. 16. Zwar wollte Nikisch unzutreffend das Arbeitsverhältnis durch die Eingliederung begründen (Eingliederungstheorie), richtig ist aber die Feststellung der besonderen Wirkung der Eingliederung in einen fremden Organisationsbereich, Adomeit, Arbeitsrecht, E 10 f. (Fn. 36), was für die Vielzahl der industriellen Arbeitsverhältnisse zutrifft. Zu den Ausnahmen etwa Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 4 III 5 b. 34 Adomeit, Arbeitsrecht, E 10 b; BVerfGE 50, S. 291 (356 f., 365); Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, § 1 II 2; Lieb, Arbeitsrecht, § 1 12; ders., RdA 1977, S. 210 (214). 35 Vgl. etwa BAGE 5, S. 1 (16); RGZ 106,272 (275); RGZ 113, 87 (89).
§ 3 Die Arbeitsrechtsordnung und deren Regelungsmaterie
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samtbeachtung der im Betrieb Tätigen die jeweils dem einzelnen obliegenden Pflichten und Rechte deutlich werden, denn diese werden durch die Rechte und Pflichten der anderen Arbeitnehmer abschließend konkretisiert 36 , so daß die Arbeitsverhältnisse vom Arbeitsverband her beeinflußt werden 37 . Aus allem ergibt sich der kooperative Charakter der betriebsgebundenen Arbeie s, so daß sich jeder Betrieb als wirtschaftlicher Organismus39 , als lebendiges Sozialgebilde4o , darstellt. Das Zeitmoment stellt für die Charakterisierung eines Arbeitsverhältnisses einen ausschlaggebenden Faktor dar. 41 Dieses Rechtsverhältnis ist als Dauerschuldverhältnis anzusehen, da ein dauerndes Verhalten für einen längeren Zeitraum zugesagt wird. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist ein prägender Gesichtspunkt bei der übernommenen Tätigkeit, " ... da bei längerer zeitlicher Bindung jeder in stärkerem Maße als sonst auf den guten Willen des anderen und die Erhaltung des Einvernehmens angewiesen ist,,42. Die Pflichten aus Treu und Glauben, die persönliche Rücksichtnahme und die Loyalitätspflichten erhalten gegenüber einem normalen Schuldverhältnis somit eine stärkere Bedeutung.43 Für den Arbeitsvertrag ist es ein Wesensmerkmal, daß nicht ein Erfolg, sondern ein Tätigwerden geschuldet wird, so daß eine nach der Arbeitszeit bemessene, gattungsmäßig umschriebene Leistung erbracht werden muß. 44 In der Regel kann die jeweils zu erbringende Arbeitsleistung nicht konkret im voraus festgelegt werden, so daß diese entsprechend der jeweiligen Situation im Rahmen von § 315 BGB angepaßt werden und das billige Ermessen gewahrt bleiben muß. 45 Die Konkretisierung der Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers erfolgt im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers 46 , das als ein Recht verstanden werden muß, die Hauptpflichten des Arbeitnehmers durch einseitige Willenserklärungen fortlaufend zu gestalten 47 . Die Grundlage dieser Tätigkeit liegt in 36 BAGE 5, S. 1 (16 f.); BAG 8. 2. 1957 u. 25.7. 1957 AP Nr. 2 u. 3 zu § 615 BGB Betriebsrisiko. 37 Müller, DB 1958, S. 712 und 740 (742). 38 Vgl. Adomeit, Arbeitsrecht, E 10. 39 Vgl. Gierke, Wesen, S. 20. 40 Vgl. Brakelmann, Sinn, S. 18. 41 Vgl. etwa Richardi, ZfA 1988, S. 221 (241). 42 Larenz, Schuldrecht, Bd. I, § 2 VI. 43 Vgl. Larenz, Schuldrecht, Bd. I, § 2 VI. 44 Hromadka, RdA 1992, S. 234 (235); Richardi, NZA 1992, S. 769 (774). 45 Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 6 I 8. 46 Vgl. etwa Adomeit, Arbeitsrecht, B 16; Gitter, Arbeitsrecht, S. 22 f.; Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 6 I 8. Anders etwa Bötticher, AuR 1967, S. 321 (325); Gast, Arbeitsvertrag, der auf den Widerspruch zwischen Direktionsbefugnis und dem schuldrechtlichen Charakter des Arbeitsverhältnisses verweist (etwa S. 20) und zu einer zweiseitigen Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis kommt (Herrschaftsfreiheit der Rechtsordnung); ders., Arbeitsrecht, S. 45 f. 47 Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 99.
5 Schack
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der unternehmerischen Planung und Organisation, die letztlich auch dazu dienen, die Arbeitskraft der Arbeitnehmer optimal zu verwerten. 48 Der Arbeitgeber oder sein Vertreter leitet die Arbeit der Arbeitnehmer durch Weisungen an, wobei in dem modemen Industriebetrieb die Organisationsstrukturen vielfach eine organisatorische Weisungsbindung mit sich bringen. 49 Der unternehmerische Organisationsplan wird auch oftmals in den Arbeitsvertrag aufgenommen. 50 Ein wesentliches Element ist hierbei, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in der Regel arbeitsteilig erbringt, das heißt, daß die Herstellung eines Produktes in verschiedene Teilarbeitsprozesse zerlegt wird, so daß die dem einzelnen Arbeitnehmer zugedachte Arbeitsleistung nur eine schematisierte und oftmals mechanisierte Ausführung eines abgegrenzten Arbeitsschrittes zuläßt. 51 Der Arbeitnehmer wird hierdurch zum "Teilarbeiter,,52, verrichtet somit unselbständige Arbeitsschritte, die, da der Arbeitsprozeß der Kollegen gleichermaßen zerlegt ist, jeweils nur mit diesen Sinn entwickeln kann. 53 Zwingt diese Art der Arbeit zu einer gewissen Kooperation der Arbeitnehmer, so soll diese nicht allein durch eine Selbstregulierung der Gruppe zu erreichen sein, sondern eine Koordination bedingen, die erst die betriebliche Kooperation der Arbeitnehmer herbeiführt. 54 Die Kooperation bedarf also, wenn größere Gruppen betroffen sind, einer Koordinierung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber (Vertreter), so daß das Verhalten der Arbeitskräfte durch Dritte bestimmt wird. 55 Die Arbeitsteilung und das Direktionsrecht hängen folglich eng zusammen, letzteres ermöglicht erst eine arbeitsteilige Produktion56, was wiederum ein Einwirken auf die Arbeit des einzelnen kraft Einzelweisung wie auch einer Weisung durch einen Organisationsplan bedingt. Letztendlich realisiert sich in der betriebsgebun-
48 Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, § 1 11 2; Lieb, Arbeitsrecht, § 1I 2; Rosenfelder, Status, S.I72. 49 Ein Unterschied zwischen den konkreten betrieblichen Steuerungsprozessen, Steuerung durch straffe Einbindung in eine Organisation oder jeweilige Einzelanweisungen besteht nicht. Relevanz entwickelt allein die notwendige Fremdgestaltung der Arbeitsabläufe, vgl. Rosenfelder, Status, S. 172 f. Wachter, Wesensmerkmale, S. 76 f., differenziert zutreffend zwischen fachlicher und organisatorischer Freiheit. Lieb, RdA 1977, S. 210 (218), geht von einer organisatorischen Fremdbestimmung aus, die als organisatorische Weisungsgebundenheit bezeichnet wird. 50 Gaul, NZA 1990, S. 872 (877). 51 Berggren, Ford, S. 10 f.; Pfeiffer I Weiß, Lean Management, S. 20 f., m.w.N. S2 Karl Marx, MEW, Bd. 23, zitiert nach Birk, Leitungsmacht, S. 11; Gast, Arbeitsvertrag, S. 81 f. 53 Birk, Leitungsmacht, S. 10 ff., m.w.N. Gast, Arbeitsvertrag, S. 82, bejaht dies unter Berufung auf Marx und sieht den kombinierten Gesamtarbeiter "durch die überindividuelle Einheit, den Betrieb oder einen funktional abgeschlossenen Betriebsteil verkörpert". 54 Birk, Leitungsmacht, S. 11 f. 55 Birk, Leitungsmacht, S. 14. 56 Gast, Arbeitsrecht, S. 46.
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denen Arbeit des Arbeitnehmers dessen "Junktionsgerechte Teilhabe ,,57 am Betriebs geschehen. Die vom Arbeitgeber vorgenommene Organisation des Arbeitsprozesses führt zu einer Fremdbestimmung der Arbeitsleistung, da der Arbeitnehmer zwangsläufig an die Organisation seiner Arbeitsleistung gebunden ist. 58 Die Stellung des Arbeitnehmers in diesem fremdgeplanten Organisationsbereich konkretisiert sich dabei in einer arbeitsorganisatorischen Unselbständigkeit, die darauf zurückzuführen ist, daß der betriebliche Produktionsprozeß durch die jeweilige Produktionsablauforganisation, die sich wiederum in einer detaillierten Arbeitsplatzorganisation manifestieren kann, die Möglichkeit einer Eigengestaltung der Arbeitsabläufe ausschaltet. Hierbei ist besonders bedeutsam, daß schon im Konzept der Arbeitszerlegung die Fremdbestimmung des Teilarbeiters angelegt ist und dadurch erreicht wird. Dem tayloristischen Konzept liegt das wirtschafts wissenschaftliche Menschenbild der Theorie X zugrunde, das von einem arbeitsscheuen, unselbständigen Durchschnittsmenschen ausgeht, der wenig Ehrgeiz hat und vor allem auf Sicherheit bedacht ist. Die von McGrego,s9 verwendeten Theorie X beschreibt das tradierte Denkmuster vieler Führungskräfte folgendermaßen. "I. Der Durchschnittsmensch hat eine angeborene Abneigung gegen Arbeit und versucht, ihr aus dem Weg zu gehen, wo immer er kann. 2. Weil der Mensch durch Arbeitsunlust gekennzeichnet ist, muß er zumeist gezwungen, gelenkt, geführt und mit Strafe bedroht werden, um ihn mit Nachdruck dazu zu bewegen, das vom Unternehmen gesetzte Soll zu erreichen. 3. Der Durchschnittsmensch zieht es vor, an die Hand genommen zu werden, möchte sich vor Verantwortung drücken, besitzt verhältnismäßig wenig Ehrgeiz und ist vor allem auf Sicherheit aus.,,60
Die "tayloristische" Arbeitsteilung, die der fordischen Massenproduktion als Grundlage dient61 , degradiert den Menschen zu einer Maschine. In einem solchen Konzept übernehmen die Führungskräfte die Kopf- und die Arbeitnehmer die Handarbeit. 62
57 BSG 22. 11. 1973 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BSG BB 1980, S. 1051 (1051), geht bei Diensten höherer Art von einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß aus. 58 Etwa MünchArbR / Richardi, § 6 Rn. 17; Söllner, Arbeitsrecht, § 1; Wank, Arbeitnehmer, S. 47. 59 McGregor, Der Mensch im Unternehmen, zitiert nach Pfeiffer / Weiß, Lean Management, S. 55. 60 Entsprechend Pfeiffer / Weiß, Lean Management, S. 55. 61 Berggren, Ford, S. 9 f.; Marwitz, Lean Company, S. 17 f. 62 Pfeiffer / Weiß, Lean Management, S. 21 f., besonders die Ausführungen und Verweise in der Fn. 17.
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Diesen Tatbestand kennzeichnet auch der Begriff der Fremdbestimmtheit der Arbeitsleistung, der in Rechtsprechung und Literatur entsprechend der unterschiedlichen Arten und Formen der Arbeit und jeweiligen Arbeitsleistung weiter konkretisiert wird, um die Tätigkeit eines Arbeitnehmers von der eines Selbständigen abzugrenzen. 63 Als Kriterien werden hierfür herangezogen: die Fremdbestimmtheit von Ort und Zeit der Arbeitsleistung (entsprechend § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB) und die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers (Direktionsrecht des Arbeitgebers), die sich, wie bereits ausgeführt, individuell (Einzelanweisung) wie arbeitsorganisatorisch (Organisationsplan) realisieren kann. Darüber hinaus wird vor allem vom BAG64 die organisatorische Abhängigkeit bei der Erbringung der Arbeitsleistung berücksichtigt, so daß eine Arbeitnehmereigenschaft angenommen wird, wenn die Mitarbeiter, wie z. B. die von Rundfunk und Fernsehen, darauf angewiesen sind, ihre persönliche Arbeit innerhalb einer fremdbestimmten Organisation zu leisten. 65 Die Eigengestaltungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer leben mit steigendem Qualifizierungsniveau wieder au(i6, was nach h.M. in Rechtsprechung und Literatur die Arbeitnehmereigenschaft aber nicht berühren kann, da mithin auch auf eine arbeitsorganisatorische Abhängigkeit abgestellt wird. 67 Wird auch bei der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers dessen Tätigkeit verwertet, so wird ihm grundsätzlich ein fixierter Betrag für seine Arbeitsleistung vergütet. Er selbst ist am wirtschaftlichen Erfolg seiner Arbeit nicht beteiligt, das Produkt der Arbeitsleistung wird vom Unternehmer als Eigentümer des Produktionsbereiches nach eigenen marktorientierten Entscheidungen zum Absatz gebracht. 68 Aus der Perspektive des Arbeitgebers wird die Arbeitskraft der Arbeitnehmer für eigene Zwecke verwertet. 69 Diese arbeitsrechtliche Konstellation wird im allgemeinen als Fremdnützigkeit70 der Arbeitsleistung charakterisiert und im Schrifttum als Teil eines sachlichen Abhängigkeitsmomentes gewertet, wobei Fremdbestimmtheit und Fremdnützigkeit zwangsläufig zueinander in Beziehung stehen. 71 Vgl. etwa Söllner, Arbeitsrecht, § 3 13; Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 4 III 5. BAGE 30, S. 163 (170) = BAG 15. 3. 1978 AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 65 Vgl. etwa Rosenfelder, Status, S. 177, m.w.N.; Wank, Arbeitnehmer, S. 119; MünchArbR / Richardi, § 23 Rn. 24, auch zu der rechtsdogmatischen Einordnung dieses Ansatzes. 66 Adomeit, Arbeitsrecht, EID d; in dem Sinne Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 1 II 1. 67 Vgl. etwa Buschmann, FS Gnade, 1992, S. 138; Wank, Arbeitnehmer, S. 119, stellt zutreffend fest, daß dieses Merkmal mit "der persönlichen Abhängigkeit im ursprünglichen Sinne" nichts mehr zu tun hat. 68 Vgl. etwa Hilger, RdA 1989, S. 1 (4). 69 Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 1 II 2; Lieb, Arbeitsrecht, § 1 I 2; Rosenfelder, Status, S. 172. 70 Diese Fremdnützigkeit relativiert sich unter ökonomischen Aspekten, stellt man darauf ab, daß ein großer Teil des Untemehmensertrages an die Arbeitnehmer ausgezahlt wird, dazu Adomeit, BB 1987, S. 54 f. 71 Lieb, Arbeitsrecht, § 1 I 2. 63
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Das BAG stellt in neuerer Zeit einen Zusammenhang von fremdnütziger Arbeit und sozialer Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers her und fügt damit dem Typus des Arbeitnehmers ein weiteres Merkmal hinzu. 72 Für den Arbeitsvertrag ist es darüber hinaus ein Wesensmerkmal, daß dessen "Austauschinhalte" auf den ersten Blick Arbeit gegen Lohn sind. Aber hierbei wird nicht Ware gegen Geld ausgetauscht, sondern eine menschliche Leistung erbracht73 , die als Arbeit grundlegend vom Grundgesetz umfaßt ist. "Beruf wie Arbeit gründen letztendlich auf der Menschenwürde,,74, die in Art. 1 GG überzeitliche Anerkennung fand 75 und mit Häberle 76 "aIs Grundlage der staatlichen Gemeinschaft" angesehen werden kann. Die Relevanz des Berufs für die Persönlichkeitsentfaltung des Menschen wird zutreffend vom Bundesverfassungsgericht wie folgt charakterisiert: 77 "Der Beruf wird in seiner Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im ganzen verstanden, die sich erst dann voll ausfonnt und vollendet, daß der einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensfreude und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt. Das Grundrecht gewinnt so Bedeutung für alle sozialen Schichten; die Arbeit als Beruf hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde."
Arbeit und Selbstverwirklichung sind eng miteinander verbunden. 78 Arbeitnehmerstudien, die sich mit Persönlichkeitsveränderungen durch Arbeitslosigkeit beschäftigen, kommen zu demselben Ergebnis. 79 Dementsprechend muß der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags nicht allein bezahlt, sondern auch beschäftigt werden. 8o Darüber hinaus besteht eine allgemeine Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers bei einer streitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. 81 Daneben statuiert § 102 Abs. V BetrVG einen be72 BAG 15. 3. 1978 AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG 23.4. 1980 AP Nr. 34 zu § 611 BGB Abhängigkeit, jeweils unter Hinweis auf Beuthien I Wehler, RdA 1978, S. 2 (4 ff.); vgl. Rosenfelder, Status, S. 177; Wank, Arbeitnehmer, S. 20. 73 Schaub, AR-Handbuch, § 2113. 74 Vgl. Häberle, JZ 1984, S. 345 (348); Wittkowski, Schutz, S. 84 f. 75 Vgl. Art. 79 Abs. 3 GG. 76 Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR I, § 20 Rn. 1 ff. 77 BVerfGE 7, S. 377 (397); Garnillscheg, Grundrechte, S. 48, m.w.N. 78 Vgl. insbesondere Wank, Recht, S. 18 f., m.w.N. 79 Vgl. Brakelmann, Sinn, S. 12 ff. 80 Vgl. etwa MünchArbR I Blomeyer, § 93 Rn. 1; Schaub, AR-Handbuch, § 1101 4; st. Rspr. des BAG, insbesondere 10. 11. 1955, 13.9. 1967, 19.8. 1976,27.2. 1985 AP Nr. 2, 3, 4 und 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht. 81 BAG GS 27. 2. 1985 AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; ablehnend etwa Adomeit, NJW 1986, S. 901 f.; ders., Wen schützt, S. 70 f.; Pallasch, Beschäftigungsanspruch, S. 104 ff., m.w.N.
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triebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers bei Erhebung der Kündigungsschutzklage und bei einem frist- und ordnungsgemäßen Widerspruch gegen die Kündigung seitens des Betriebsrats. 82 Eine Beschäftigungs- wie eine allgemeine Weiterbeschäftigungspflicht entfällt, und hier ist die Heranziehung des Kommissionsentwurfs für ein Arbeitsgesetzbuch 83 aus dem Jahr 1977 sinnvoll, wenn dem Arbeitgeber eine Beschäftigung aus dringenden betrieblichen Gründen oder aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht zumutbar ist (§ 29 Abs. 1 Satz 1).84 Das BAG hat sein Urteil vom 10. 11. 195585 zur Beschäftigungspflicht noch auf den Charakter des Arbeitsverhältnisses als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis gestützt. Das Arbeitsverhältnis erfasse die ganze Person des Arbeitnehmers und bestimme dessen Persönlichkeit. Eine beschäftigungslose Gehaltsannahme beeinträchtige die Würde des Arbeitnehmers und die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Darüber hinaus sei der Arbeitnehmer bei fehlendem Arbeitseinsatz daran gehindert, seine beruflichen Fähigkeiten zu erhalten und fortzubilden. Nach Meinung des Großen Senats86 (Besch!. v. 27. 02. 1985) ist die Rechtsgrundlage des Beschäftigungs- wie des Weiterbeschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers nunmehr das Arbeitsvertragsrecht. Dieser Anspruch sei aus den §§ 611, 613 BGB i.Y.m. § 242 BGB abzuleiten und die Generalklausei des § 242 BGB durch die Wertentscheidung der Art. 1,2 GG aufzufüllen, wobei sich aus dem Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers eine arbeitsvertragliche Förderungspflicht seines Beschäftigungsinteresses ergebe. 87 Als Begründung hierfür wird zutreffend angeführt, daß die Regelungen des BGB keine geschlossenen Regelungen des Arbeitsvertragsrechts enthalten und der unberücksichtigt gebliebene Lebenstatbestand der abhängigen Arbeit (Fremdbestimmtheit) und die Rechtsentwicklung zu einer Lückenhaftigkeit des Dienstvertragsrechts geführt haben, die durch die Anerkennung eines arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruchs aufzufüllen sei. Die Würde des Menschen und dessen Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 1 u. 2 GG) seien hier als verfassungsrechtliche Wertentscheidung maßgeblich, da das Leben des Arbeitnehmers wesentlich durch das Arbeitsverhältnis bestimmt und geprägt sei und die eigene wie die gesellschaftliche Wertschätzung 82 Vgl. v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 14 VI 6; Stege / Weinspach, BetrVG, § 102 Rn. 158 ff. 83 Arbeitsgesetzkommission. 84 So zutreffend MünchArbR / Blomeyer, § 93 Rn. 18. 85 BAG 10. 11. 1955 AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht. 86 BAG GS 27. 2. 1985 AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht (unter CI 2 b der Gründe); a.A. Pallasch, Beschäftigungsanspruch, S. 64 ff. 87 Vgl. etwa Buchner, Beschäftigungspflicht, S. 20 f.; Erman / Hanau, § 611 Rn. 351; Gamillscheg, Grundrechte, S. 48; MünchArbR / Blomeyer, § 93 Rn. 10 ff.; Pallasch, Beschäftigungsanspruch, S. 34 ff., 61 ff.
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von der Art, wie er seine Arbeit leistet, entscheidend mitbestimmt werde. 88 Darüber hinaus stelle die Arbeit in einem Arbeitsverhältnis eine bedeutsame Möglichkeit zur Entfaltung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten dar. Die Würde des Menschen sei bei einer Wegnahme dieser Möglichkeiten der Persönlichkeitsentfaltung berührt. Die Literatur hat sich dieser Begründung insbesondere hinsichtlich eines Beschäftigungsanspruchs weitgehend angeschlossen. 89 Entgegen der Ansicht des BAG gehen Stimmen in der Literatur davon aus, daß für die Begründung der Beschäftigungspflicht nicht allein auf § 242 BGB zurückzugreifen sei, sondern diese Norm vielmehr einer Auffüllung durch eine materielle Legimation bedürfe. Diese wiederum könne nicht aus der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur persönlichen Dienstleistung hergeleitet werden. 90 § 242 BGB erhalte seine materielle Legitimation hinsichtlich des Beschäftigungsanspruchs vielmehr durch das Kündigungsschutzrecht, das zu einer Verwirklichung der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers berechtige. Darüber hinaus würde damit einer sozial gerechtfertigten Kündigung des Arbeitnehmers wegen fehlender Beschäftigung entgegengewirkt werden können. 91 Des weiteren würde das BetrVG ebenfalls davon ausgehen, daß der Arbeitnehmer Weiterentwicklungsmöglichkeiten beruflicher Natur habe, die mittelbar durch Beteiligungsrechte des Betriebsrats insbesondere bei der Aufstellung von Beurteilungsgrundsätzen (§ 95 BetrVG) oder bei der Aufstellung von Auswahlrichtlinien geschützt würden. Dem BAG ist in seiner Begründung zuzustimmen, da das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt auch Elemente objektiven Inhalts aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Basisentscheidungen das Privatrecht beeinflussen. 92 Die Begriffe und GeneralklauseIn können hierfür, soweit diese ausfüllungsfähig und ausfüllungsbedürftig sind, als Eingangstür der Grundrechte in das Zivilrechtssystem angesehen werden. 93 Diese mittelbare Wirkung der Grundrechte ist im Arbeitsrecht angemessen, soweit nicht eine horizontale Ordnung Gleichberechtigter existiert. 94 Mit dem BAG ist von einer besonderen Bedeutung der Arbeit für die Persönlichkeit und Würde des Menschen auszugehen. 88 BAG GS 27. 2. 1985 AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht (unter C I 2 b der Gründe); a.A. Pallasch, Beschäftigungsanspruch, S. 64 ff. 89 Adomeit, NJW 1986, S. 901 (901), allein hinsichtlich der Beschäftigungspflicht; Buchner, Beschäftigungspflicht, S. 20 f., m.w.N.; Hanau, Arbeitsrecht, G IX 1; Gamillscheg, Grundrechte, S. 48; MünchArbR / Blomeyer, § 93 Rn. 10 ff. 90 Pallasch, Beschäftigungsanspruch, S. 64 ff.; Staudinger / Richardi, § 611 Rn. 803. 91 Staudinger / Richardi, § 611 Rn. 803. 92 BVerfGE 7, S. 198 (205), Lüth-Urteil, wo noch von einer objektiven Wertordnung gesprochen wird; 50, S. 290 (337); 73, S. 261 (269); 81, S. 242 (254); Garnillscheg, Grundrechte, S. 79 ff., m.w.N. 93 Maunz / Dürig / Maunz, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 132. 94 Adomeit, Arbeitsrecht, BIll; vgl. aber auch MünchArbR / Richardi, § 10 Rn. 6 ff., auch zur Frage einer unmittelbaren oder mittelbaren Wirkung der Grundrechte.
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2. Kap.: Grundlagen der Untersuchung
Wird der Arbeit für die Persönlichkeitsentfaltung des Menschen eine eklatante Bedeutung zugesprochen, so ist damit noch nicht abschließend die Relevanz der betriebsgebundenen Arbeit für das Einzelwesen dargestellt, da nur eine Seite der menschlichen Persönlichkeit angesprochen wurde. Die Notwendigkeit eines zentral gefaßten arbeitsteiligen Zusammenwirkens von Individuen, die keine einfache Ware vermarkten, sondern eine menschliche Leistung erbringen, somit auch als Person erfaßt werden, läßt ein Phänomen zur Entstehung gelangen: das Phänomen eines notwendig einheitlichen Lebensraumes 95 , der sich in einem besonderen Lebensbereich, dem Teillebensbereich Betrieb, konkretisiert, da die Leistungshandlung Arbeit von Arbeitnehmern wie Teilen der Arbeitgeber nicht nur einmalig im Organisationsbereich Betrieb erbracht wird, sondern über einen großen, nicht von vorneherein überschaubaren Zeitraum hinweg. Der Arbeitnehmer verbringt letztendlich einen großen Teil seines Lebens an seinem Arbeitsplatz, und auch der Arbeitgeber in der Eigentümer-Unternehmung verbleibt in dieser ein Leben lang. Unter Berücksichtigung des grundgesetzlichen Menschenbildes mit seiner anthropozentrischen Grundentscheidung 96 , die den Menschen in den Mittelpunkt rückt, aber dabei seine Verbundenheit mit dem Gemeinwesen nicht leugnet, sondern in seinen Inhalten ein Spannungsverhältnis zwischen Einzelwesen und Gemeinwesen voraussetzt 97, erlebt der Arbeitnehmer den Teillebensbereich Betrieb nicht nur als "Institution für Broterwerb, sondern zugleich als Ort des Erlebens sozialer Kontakte und Interaktionen,,98. Der Betriebsbereich bietet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, in den "sozialen Dauerkontakten,,99 seiner Natur als geselliges Wesen gemäß in der Gruppe gesellschaftliche Wirklichkeit zu erleben. Er erlebt sich auch durch das Erleben der Arbeit mit anderen. Diese verfassungsrechtliche Sichtweise der sozialen Dimension der betriebsgebundenen Arbeit soll an dieser Stelle ausdrücklich betont werden. Die Notwendigkeit des Miteinanders auf unbestimmte Zeit in einem relativ abgeschlossenen Bereich läßt die Kollegialität als Basis des Zusammenlebens erscheinen. Letztendlich ergibt sich daraus der kooperative Charakter der betriebsgebundenen Arbeit. Die Berücksichtigung der gemeinschaftlichen als auch individuellen Interessen kann als ein, dem Menschen als soziales Einzelwesen, auferlegtes Leben in Teilhabe und Verantwortung 100 charakterisiert werden, denn der eigene Arbeitsertrag ist nicht isolierte egozentrische Leistung, sondern gewinnt seinen Sinn durch Bezogenheit auf die Notwendigkeit des Ganzen 101. In diesem Sinne Koenigs, Grundsatzfragen, S. 96. Vgl. Armin, Gemeinwohl, S. 31. 97 BVerfGE 4, S. 7 (15), mit Häberle, Menschenbild, S. 45, muß man davon ausgehen, daß dies als der "Urtext zu Menschenbildfragen" angesehen werden kann. 98 Vgl. Brakelmann, Sinn, S. 16. 99 Vgl. Brakelmann, Sinn, S. 16. 100 Vgl. Fezer, Teilhabe, S. 1. 95
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§ 4 Der unternehmerische Kombinationsprozeß
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§ 4 Der unternehmerische Kombinationsprozeß Das unternehmerische Handeln zielt in der Regel auf eine physisch-technische Leistungserstellung, die Produktion, welche wiederum grundsätzlich allein zum Zwecke nachfolgender ökonomischer Verwertung der Produktionsergebnisse betrieben wird. 102 Dieser Produktions- und Verwertungsprozeß wird durch die Kombination der Produktionsfaktoren, menschliche Arbeitskraft, Werkstoffe und Betriebsmittel, bewerkstelligt, so daß sich letztendlich das unternehmerische, innerbetriebliche Handeln (Faktorkombination) darauf richtet, mehrere gleichartige und ungleichartige Produktionsfaktoren zu vereinigen, um das geforderte Ergebnis der Produktion in einem geordneten Zusammenwirken zu erreichen. 103 Dieser Koordinationsprozeß vollzieht sich durch eine nicht näher bestimmbare Anzahl von Einzelentscheidungen, die sich wiederum als Ergebnis eines Wahlprozesses zwischen verschiedenen Möglichkeiten darstellen. 104 Dieser Prozeß der Auswahl kann auch als Entscheidungsprozeß bezeichnet werden. Die unternehrnerischen Handlungs- und Gestaltungsspielräume realisieren sich zunächst auf der Ebene des Unternehmens. Die Führungskräfte eines Unternehmens werden als dispositiver Faktor bezeichnet. Diese Art der Arbeitsleistung läßt sich unter betriebswirtschaftswissenschaftlichen Gesichtspunkten in einen originären Bestandteil und in einen derivativen Bestandteil unterscheiden. 105 Der originäre Bestandteil des dispositiven Faktors ist in der Unternehmensleitung zu sehen, die kraft Eigentums an den Produktionsmitteln oder kraft Bestellung durch die Eigentümer (Geschäftsführer, Manager) die autonome Entscheidungsgewalt im Unternehmen innehat. Der Vorstand der Aktiengesellschaft übt mit der Geschäftsführung eine ihm originär zustehende Funktion aus. 106 Die derivativen Bestandteile des dispositiven Faktors wie die Planung, die Organisation und die Kontrolle, leiten ihre Entscheidungskompetenz von dem originären Faktor ab, wobei deren Entscheidungskompetenz durch Weisungen der Unternehmensführung mehr oder weniger begrenzt werden. 107 Die Führungsentscheidungen werden allein von Vgl. Brakelmann, Sinn, S. 18. Diederich, Betriebswirtschaftslehre I, S. 18 f.; Kern, Faktorkombination, S. 121; Grochla, Untemehmungsorganisation, S. 38. 103 Vgl. grundlegend Gutenberg, Grundlagen, Bd. I, S. I ff., 298 ff.; Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 3, 41 ff., 97; Adam, Produktionsmanagement, S. I; Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. "Kombinationsprozeß"; Kern, Faktorkombination, S. 126; vgl. auch Pornschlegel! Birkwald, Mitbestimmen, Bd. I, S. 72 f. 104 Diederich, Betriebswirtschaftslehre I, S. 45 ff.; Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortan. "Entscheidung", "Entscheidungsprozeß"; vgl. ebenso Pornschlegel ! Birkwald, Mitbestimmen, Bd. I, S. 118 ff., die das Modell einer innerbetrieblichen Entscheidungsvorbereitung aus Sicht der Arbeitnehmervertreter darstellen. 105 Vgl. etwa Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 94. 106 Semler, Überwachungsaufgabe, S. 11. 107 Vgl. etwa Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 94. Dahinstehen kann an dieser Stelle, ob Planung, Organisation und Kontrolle als originäre Führungsfunktion anzusehen ist, wie es 101
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2. Kap.: Grundlagen der Untersuchung
der Unternehmensführung lO8 , vom Vorstand, getroffen, der nach § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Originäre unternehmerische Führungsaufgaben dürfen nicht auf Dritte delegiert werden. 109 Die Unternehmensführung als Kopf des Unternehmens initiiert, koordiniert und steuert letztendlich verantwortlich und zielentsprechend die wirtschaftliche Veranstaltung Unternehmen, wobei hieraus die Teilprozesse Planung, Realisierung I Steuerung und Überwachung abgeleitet werden könnenYo Mit der Organisation eines Unternehmens I Betriebs werden darüber hinaus die Aufgaben, Personen und Sachmittel verknüpft. 11l Unternehmerische Tätigkeiten bedürfen einer Planung, um die möglichen Auswirkungen der Tätigkeiten überschaubar, sowie zu erwartende Erfolge im Wettbewerb erkennbar gestalten zu können. l12 Der Prozeß der Planung läuft in mehreren Stufen ab. Zunächst erfolgt eine Informationssammlung im Rahmen der ersten Stufe, auf deren Grundlagen Prognosen erstellt werden, die sich in der zweiten Stufe in verschiedenen Alternativplänen niederschlagen, von denen in der dritten Stufe im Rahmen der Entscheidung ein Plan als verbindlich erklärt wird. 113 Es kann zwischen dem Planungsprozeß (Willensbildung) und dem Entscheidungsprozeß (Willensdurchsetzung) unterschieden werden, wobei der Willensbildungsprozeß durch die Entscheidung abgeschlossen wird. 114 Aufgabe der Überwachung ist, festzustellen, ob die Ergebnisse des betrieblichen Handeins mit den Planungen übereinstimmen. 115 Planung und Kontrolle bedingen sich gegenseitig, und festgestellte Divergenzen zwischen der Planung und der Rea-
wohl Semler, Überwachungsaufgabe, S. 11, annimmt. Entscheidend ist allein, ob es sich um eine strategische oder eine operative Planung handelt. Erstere ist allein die Aufgabe der Unternehmensführung, letztere füllt allein den Rahmen der strategischen Planung aus und entwickelt Teilpläne für die jeweiligen Teilbereiche des Unternehmens, vgl. etwa Krüger, Organisation, S. 169 f. 108 Gutenberg, Unternehmensführung, S. 59. 109 Semler, Überwachungsaufgabe, S. 16. llO Krüger, Organisation, S. 37; vgl. auch Hentze I Brose, Unternehmungsführung, S. 20 f. III Kern, Faktorkombination, S. 179. ll2 Müller-Stewens I zu Knyphausen, Stichwortart. "Unternehmensplanung I", Gabler, Wirtschaftslexikon; Szyperski I Mußhoff, Stichwortart. ,,Planung und Plan", Handwörterbuch der Planung, Sp. 1438 f. 113 Hentze I Brose, Unternehmungsführung, S. 141 f.; Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 140; vgl. auch Faßnacht, Unternehmungsplanung, S. 88 ff.; Chmielewicz, Stichwortart. "Unternehmensverfassung und Mitbestimmung in der Planung", Handwörterbuch der Planung, Sp. 2128 f. (Abb. 1: Planung und Verfassung). ll4 Delfmann, Stichwortart. ,,Planungs- und Kontrollprozesse", Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, Sp. 3240; Müller-Stewens I zu Knyphausen, Stichwortart. "Unternehmensplanung V. 1", Gabler, Wirtschaftslexikon. ll5 Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. "Überwachung"; Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 198.
§ 4 Der unternehmerische Kombinationsprozeß
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lisation dienen zu Plananpassungen und Verhaltenskorrekturen. 116 Die Planungsund Kontrolleinheiten sollen sich hinsichtlich der Planungs- und Kontrollpyramide deckenY7 Sinn und Zweck der planerischen Tätigkeiten sind die Realisierung und marktmäßige Verwertung der physisch-technischen Leistungserstellung. 118 Die Realisierung erfolgt im Rahmen der betrieblichen Leistungserstellung. Diese umfaßt die Grundfunktionen: Beschaffung, Transport, Lagerhaltung, Fertigung (Ausführung von Dienstleistungen), Verwaltung sowie die Kontrolle. 119 Der betrieblichen Leistungserstellung schließt sich die Leistungsverwertung, der Absatz, als eigentliches Ziel der unternehmerischen Tätigkeiten an. Die Grundfunktionen des Absatzes bilden die Absatzplanung, der Vertrieb, die Lagerhaltung, der Transport, die Marktforschung, die Werbung wie die Verwaltung und Kontrolle. 120 Dieser auf die Leistungsverwertung ausgerichtete Führungsprozeß, wie die Koordinierung der verschiedenen Teilprozesse, bedingt eine Vielzahl von Entscheidungen, die zum einen von der Unternehmensführung unmittelbar und zum anderen innerhalb der verschiedenen Teilprozesse auch auf den verschiedenen Hierarchieebenen von den unterschiedlichen Kompetenzträgern getroffen wie umgesetzt werden müssen, um die Erreichung des Unternehmenszwecks zu bewerkstelligen. Die Unternehmensleitung delegiert hierfür Aufgaben und Kompetenzen auf verschiedene Ebenen. Simplifizierend kann von dem "Top Management", dem "Middie Management" und dem "Lower Management" gesprochen werden. 121 Die Entscheidungen auf den unterschiedlichen Führungsebenen werden von Kompetenzträgern getroffen, die sich im Rahmen ihrer Kompetenzen, Aufgaben und Vorgaben bewegen müssen. Insbesondere nehmen die Bedeutung und der Umfang der jeweiligen Entscheidungs- und Handlungskompetenz der Entscheidungsträger in dem Maße ab, in dem man sich den unteren organisatorischen Einheiten eines Unternehmens in einem Betrieb nähert. 122 Hierin kommt das Gesetz der ab116 Delfmann, Stichwortart. "Planungs- und Kontrollprozesse", Handwärterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, Sp. 3233. 117 Hahn, Stichwortart. "Planung und Kontrolle", Handwärterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, Sp. 3189; vgl. auch Krüger, Organisation, S. 168 f. 118 Hier sollen unter Leistungserstellung subsumiert werden die Gewinnung von Rohstoffen in Gewinnungsbetrieben, die Herstellung von Erzeugnissen in Fertigungsbetrieben, die Bearbeitung von Rohstoffen und Fabrikaten in Veredlungsbetrieben und die Ausführung von Dienstleistungen durch Dienstleistungsbetriebe, nach Gutenberg, Grundlagen, Bd. I, S. 1 f.; Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 49l. 119 Nach Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 491; vgl. auch Krüger, Organisation, S. 183 ff. (operative Prozesse). 120 Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 492; Krüger, Organisation, S. 183 ff. 121 Dachrodt, Unternehmensführung, S. 45; Hentze / Brose, Unternehmungsführung, S. 20. 122 Gutenberg, Grundlagen, Bd. 1, S. 3; vgl. auch ders., Unternehmensführung, S. 59.
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2. Kap.: Grundlagen der Untersuchung
nehmenden Weisungsbefugnisse zum Ausdruck; die objektbezogene Arbeit nimmt in den unteren Instanzen eines Betriebs tendenziell ZU. 123 In der Regel entsprechen die unterschiedlichen Einheiten auch divergierenden Entscheidungsebenen. Die Über- und Unterordnungen der verschiedenen Ebenen werden als Hierarchien definiert. 124 Da die verschiedenen Ebenen über Entscheidungs- und I oder Handlungskompetenz verfügen müssen, werden jeweils die hierfür notwendigen Befugnisse auf die Entscheidungsträger delegiert, was die Übertragung von Kompetenz auf hierarchisch nachgeordnete organisatorische Einheiten bedeutet. 125 In der Unternehmensleitung kraft Delegation ist ein selbstverständliches und unentbehrliches Instrument der Unternehmensführung zu sehen. 126 Die verschiedenen Entscheidungen, die in einem Unternehmen I Betrieb getroffen werden, stehen nicht losgelöst voneinander und bezuglos nebeneinander, sondern diese sind grundsätzlich Bestandteil des unternehmerischen I betrieblichen Führungsprozesses und bedingen sich in der Regel gegenseitig. Folglich kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die nicht so weitreichenden Entscheidungen ohne jegliche unternehmensbezogene Wirkung wären und daher folgenlos beeinflußt werden können, da diese bei stetigen innerbetrieblichen Korrekturen im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte ihre Bedeutung verfehlen können. Im Rahmen des betrieblichen I unternehmerischen Führungsprozesses wird allein durch die verschiedenen Führungsentscheidungen auf den verschiedenen Entscheidungsebenen das Handeln der im Unternehmen I Betrieb Tätigen koordiniert und am Unternehmens- wie Betriebszweck ausgerichtet. 127 Hierbei werden Menschen und Dinge miteinander zu einer funktionsfähigen Einheit verknüpft. 128 Dies vollzieht sich durch eine Vielzahl von Entscheidungen, die erst zusammen den wirtschaftlich unternehmerischen Leitungs- und Planungsprozeß wie den betrieblichen Leistungsprozeß bedingen und die Zielerreichung erlauben, denn die unternehmerischen Entscheidungen erlangen in der Regel allein durch die innerbetriebliche Umsetzung und die Leistungsverwertung Sinn. Letztendlich vollziehen sich die Entscheidungs-, Umsetzungs- und Produktionsprozesse durch eine Vielzahl von scheinbar nicht immer weitreichenden Entscheidungen, die aber erst gesamtheitlich den betrieblichen Leistungsprozeß bedingen und erlauben und damit die Erreichung des Unternehmenszwecks bedeuten. Kern, Faktorkombination, S. 128 f. Vgl. etwa Krüger, Organisation, S. 62 f. 125 S.u. § 6 V. 126 Hax, FG Kunze, 1969, S. 122 f.; vgl. auch v. Hoyningen-Huene, FS Kissel, 1994, S.400. 127 Vgl. Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. ,,Führung", ,,Führungsprozeß"; Grochla, Untemehmungsorganisation, S. 98; Krüger, Organisation, S. 23 ff. 128 Gutenberg, Grundlagen, Bd. 1, S. 131; vgl. auch v. Hoyningen-Huene, FS Kissel, 1994, S. 392 (Führungspflicht). 123
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§ 5 Die Ebenen der Mitbestimmung
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§ 5 Die Ebenen der Mitbestimmung Die potentiellen Bereiche einer immateriellen Beteiligung der Arbeitnehmer werden allgemeingültig als Ebenen der Mitbestimmung bezeichnet. 129 Die direkte Einflußnahme auf die Entscheidungen im Unternehmen ist dabei nicht als Mitbestimmung, sondern als kooperative Führung zu qualifizieren. 130 Unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Zielsetzung lassen sich im Rahmen der betrieblichen Partizipation vier Ebenen unterschieden: 131 - die Ebene des Arbeitsplatzes, - die Ebene der Arbeitsgruppe, - die Ebene des Betriebes und - die Ebene des Unternehmens. Besonders unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten werden diese Ebenen in ihrer Wirkung von der sog. überbetrieblichen Ebene überragt. Auf dieser Ebene verwirklichen die Kollektivvertragsparteien mittels Tarifvertrag und Arbeitskampf die Tarifautonomie. 132
I. Die Mitbestimmung auf der Ebene des Unternehmens Die "unternehmerische" Beteiligung der Arbeitnehmer an den Entscheidungen des Arbeitgebers wird auf der Ebene des Unternehmens im Mitbestimmungsgesetz, im Montan-Mitbestimmungsgesetz, im Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz und im Betriebsverfassungsgesetz 1952 statuiert. Diese Gesetze betreffen nur größere Unternehmen, die darüber hinaus in bestimmten Rechtsformen betrieben werden. 133 Nicht betroffen sind die Personengesellschaften (OHG, KG), die BGB-Gesellschaften sowie die Einzelkaufleute. Diese Unternehmen basieren regelmäßig auf der persönlichen Mitarbeit und der verschuldensunabhängigen Haftung mindestens eines Teils der Unternehmer (Gesellschafter), so daß eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer etwa über die personelle Zusammensetzung der Unternehmensleitung schwerlich tragbar wäre. 134 Die Bedeutung der Mitbestimmungsgesetze, aber auch der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung der Arbeitnehmer kann auch noch zum heutigen Zeitpunkt Vgl. etwa Schack, Liberalisierung, S. 41 f. Vgl. Hentze / Brose, Unternehmungsführung. S. 46. 131 Vertreten wird auch eine Aufteilung in zwei, vier oder sieben Ebenen, Hentze / Brose, Unternehmungsführung. S. 39, mit einem Überblick. 132 MünchArbR / v. Hoyningen-Huene, § 289 Rn. 10. l33 Vgl. Schaub, AR-Handbuch, § 245. 134 MünchArbR / Wißmann, § 365 Rn. 8; Hanau / Ulmer, MitbestG, § 1 Rn. 32. 129
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2. Kap.: Grundlagen der Untersuchung
mit den Erkenntnissen der Mitbestimmungskommission von 1970 erläutert werden. 135 Diese hatte die Relevanz der unternehmerischen Arbeitnehmerbeteiligung aus dem besonderen Charakter des Arbeitsverhältnisses hergeleitet, der sich jeweils aus den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Gegegebenheiten ergäbe, wobei die Besonderheit des Arbeitsverhältnisses darin zu sehen sei, daß über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Sinne des Unternehmens und zu dessen Zweck verfügt würde und der Arbeitnehmer hierfür regelmäßig in einen fremden Organisationsbereich eingegliedert werden müsse, was wiederum zu einer dem Arbeitsverhältnis eigenen Autoritätsbeziehung führe. 136 Dabei hat nach dem Vorsitzenden der Mitbestimmungskommission Biedenkop/37 die Mitbestimmung zum Ziel, die materiellen und immateriellen Interessen der Arbeitnehmer institutionell bei der Ausübung der unternehmerischen Entscheidungskompetenz zu berücksichtigen, wobei dies mit einem Begründungszwang zugunsten der Arbeitnehmer verbunden wäre und der hierarchische zugunsten eines kooperativen Führungsstils aufgegeben werden würde. Mitbestimmung bedeutet hierbei Mitwirkung an der Unternehmensführung, also an den Prozessen der Willens bildung und Willensdurchsetzung. 138 Die unmittelbare Beteiligung des Arbeitnehmers an den Entscheidungen ist nicht möglich. 139 Auch die Mitbestimmungskommission verstand unter Mitbestimmung " ... die institutionelle Teilnahme der Arbeiter oder ihrer Vertretung an der Gestaltung und inhaltlichen Festlegung des Willensbildungsprozesses im Unternehmen" 140. Die beteiligten Arbeitnehmer können hierbei durchaus die Bildung des Unternehmerwillens und damit auch des Arbeitgeberwillens mitprägen. 141 Demgegenüber verbessert eine unternehmerische Mitbestimmung in einer tayloristischen Arbeitsorganisation nicht die jeweilige innerbetriebliche Einzelposition des Arbeitnehmers während der konkreten Arbeitsleistung l42 , die vom Arbeitgeber jeweils im Rahmen des Weisungsrechts konkretisiert wird. Denn die unternehmerische Mitbestimmung setzt allein bei den Grundsatzentscheidungen an, die in der Unternehmensführung getroffen werden. 135 Die Kommission beschränkte ihre Untersuchung grundSätzlich auf die Arbeit von Arbeitnehmervertretem in den Aufsichtsräten. Diese Ergebnisse aber müssen auch heute noch für die betriebliche immaterielle Beteiligung herangezogen werden, da die Gedanken der Mitbestimmungskommission grundlegend sind. In dem Sinne auch Loritz, ZfA 1991, S. 1 (5). 136 Mitbestimmungskommission, Teil IV, A I Rn. 1 (S. 99). Diese Einschätzung deckt sich mit dem Lebenssachverhalt des Arbeitsrechts, dazu s.o. § 3 H. 137 Biedenkopf, zitiert nach Loritz, ZfA 1991, S. 1 (6). 138 Ulrich, Mitbestimmung, S. 145. 139 V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 1 H. 140 Mitbestimmungskommission, Teil I, A H Rn. 4 (S. 12). 141 Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 51 I. 142 In dem Sinne Zöllner, FS Fechner, 1973, S. 158 f.; Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 49.
§ 5 Die Ebenen der Mitbestimmung
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11. Die Ebene des Betriebs im Lichte der unternehmerischen Mitbestimmung Die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer an den Entscheidungen des arbeitgebenden Unternehmens sind unterschiedlich ausgestaltet. 143 Die Mitbestimmungsgesetze beziehen sich allein auf den Bereich der Unternehmensorgane, wobei nur Unternehmen von einer bestimmten Größenordnung und Rechtsform betroffen sind. Demgegenüber erfaßt das Betriebsverfassungsgesetz alle Betriebe des Privatrechts. In diesen ist gemäß § I BetrVG ein Betriebsrat in allen Betrieben zu errichten, in denen mindestens fünf ständig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind. l44 Die betriebsverfassungsrechtlichen Normierungen entwickeln Relevanz für alle Arbeiter und Angestellten des Betriebes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. 145 Den jeweiligen Anknüpfungspunkt der Mitbestimmungsregelungen bildet das Unternehmen oder der Betrieb. Hierbei ist der Betrieb unter arbeitsrechtlichen Aspekten " ... die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte, arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen ... ,,146.
In diesem Bereich erleben die Arbeitnehmer die für sie relevanten Dispositionen personeller, sozialer und organisatorischer Natur, da im Betrieb die produktionsbezogene " Umsetzung der Untemehmensstrategien" 147 geschieht. 148
Demgegenüber verfolgt das Unternehmen auf dem Markt einen wirtschaftlichen Zweck. Das Unternehmen tritt als selbständige Wirtschaftseinheit in Erscheinung und bildet eine Organisation, die ihre wirtschaftlichen Ziele eigenständig festlegt. Der Ort der unternehmerischen Freiheit zur Planung und damit der Träger unternehmerischer Autonomie ist das Unternehmen. 149 Dazu etwa Lieb, ZfA 1978, S. 179 (186). Keine oder eingeschränkte Anwendung findet das Betriebsverfassungsgesetz auf Tendenzbetriebe, Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen, § 118 BetrVG. 145 § 5 Abs. 1 BetrVG. Das BetrVG findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG), weil diese wegen ihrer arbeitgeberähnlichen Stellung oder wegen ihrer unternehmerischen Aufgaben und wegen ihrer besonderen Interessenlage nicht der Belegschaft zugerechnet werden können. Die leitenden Angestellten haben durch die Sprecherausschüsse eine eigenständige betriebsverfassungsrechtliche Vertretung erhalten. Das SprecherausschußG soll an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. 146 Geläufige Definition, vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser / Heither, BetrVG, § 1 Rn. 31, mit einem Überblick über Rechtsprechung und Literatur. 147 Hentze / Brose, Untemehmungsjührung, S. 43. 148 Schack, Liberalisierung, S. 41. 149 Mitbestimmungskommission, Teil IV, A I 4 Rn. 4 (S. 107). 143
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2. Kap.: Grundlagen der Untersuchung
Zur Realisierung ihrer Ziele bedient sich die Unternehmung des Betriebes und gibt diesem durch einen bestimmten Produktionsauftrag einen festgelegten Betriebszweck. Unternehmens- und Betriebszweck unterscheiden sich folglich. Allerdings steht der Zweck des Betriebes im direkten Zusammenhang mit dem Unternehmenszweck, denn der Betrieb wurde nur zur Erreichung des Unternehmenszwecks gebildet. Betrieb und Unternehmen sind in ihrer Organisation identisch, soweit nicht dezentralisierte Betriebe gebildet wurden. ISO Die Organisation des Betriebes geht in der des Unternehmens auf. Letztendlich ist die Unterscheidung unter mitbestimmungsrechtlichen Aspekten nur notwendig, um die jeweiligen Entscheidungsträger, Entscheidungsarten und -inhalte erfassen zu können. lsl Die unternehmerisch getroffene Festlegung des Produktionsauftrages, des Betriebszwecks, bindet den Betrieb in seinen Entscheidungen. Eine Planungs- und Entscheidungshoheit des Betriebes existiert nur allein im Rahmen des vorgegebenen Betriebszwecks. 152 Aus der gesetzlichen Trennung von Betriebsverfassung und Unternehmensverfassung ergibt sich grundsätzlich die Notwendigkeit, die beiden potentiellen Beteiligungsbereiche voneinander abzugrenzen. IS3 Die betriebliche Mitbestimmung sollte grundsätzlich die Planungs-, Organisations- und Leitungskompetenz des Unternehmers unberührt lassen I54 , da die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Unternehmers mit dem Betriebsverfassungsgesetz nicht eingeschränkt werden sollte l55 . Darüber hinaus sind die unternehmerischen Entscheidungsinhalte wie z. B. Fragen der Produktgestaltung, der Marktstrategien, nicht normativ fixierbar oder justiziabel, ohne die unternehmerische Autonomie aufzuheben. Aus diesem Grund sprach sich die Mitbestimmungskommission in ihrem Gutachten gegen eine gesetzliche oder kollektivvertragliche Festlegung der unternehmerischen Planungs-, Organisations- und Leitungskompetenz und für eine unternehmerische Mitbestimmungskonzeption aus, in der die Arbeitnehmervertreter in die Organe der Unternehmensleitung aufgenommen werden. 156 Richardi, Recht, S. 31; Staudinger I Richardi, Vorbem. 564 ff. zu §§ 611 ff. Vgl. Joost, Betrieb, S. 202; Richardi, Recht, S. 31; Staudinger I Richardi, Vorbem. 567 zu §§ 611. 152 Mitbestimmungskommission, Teil IV, AI 4 Rn. 13 (S. 107). 153 Lieb, ZfA 1978, S. 179 (185 f.); ders., DB 1981, Beil. 17, S. I (4); Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 44 II 2. Vgl. aber auch etwa Joost, Betrieb, S. 182; Raiser, FS Duden, 1977, S. 425 ff. 154 MünchArbR I v. Hoyningen-Huene, § 289 Rn. 5 f.; Thiele, GK-BetrVG (4. Aufl.), Einleitung, Rn. 23. 155 Galperin I Löwisch, BetrVG, vor § 1 Rn. I. Dies wird auch in der damaligen parlamentarischen Diskussion deutlich, vgl. Rüthers, ZfA 1973, S. 399 (418 f.); a.A. Joost, Betrieb, S. 186 f. 156 Vgl. insbesondere Mitbestimmungskommission, Teil IV, A II 2 Rn. 16 (S. 112). 150 151
§ 5 Die Ebenen der Mitbestimmung
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In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob und inwieweit die Entscheidungen des Arbeitgebers in unternehmerische und in betriebliche unterteilt werden können und ob das BetrVG einen unternehmerischen Freiraum respektiert. 157 Vor allem die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verneint einen solchen absoluten Freiraum. 15S Allein aus der gesetzlichen Unterscheidung von Betrieb und Unternehmen kann nicht auf die jeweiligen Regelungspotentiale der Gesetze geschlossen werden, da die Unterscheidung in ihrem materiellen Gehalt nicht überbewertet werden darf l59 und die Unterscheidung allein an die unterschiedlichen Entscheidungsebenen im Unternehmen anknüpft I 60. Denn letztendlich sind Betrieb und Unternehmen im großen und ganzen gleichartige, manchmal identische, manchmal im Verhältnis des Teils zum Ganzen stehende Einrichtungen 161, die naturgemäß nur als Ganzes am Markt operieren. Eine abstrakte Trennung dieser beiden Entscheidungsebenen ist darüber hinaus kaum durchführbar. 162 Jede vom Arbeitgeber (Management) oder dessen Vertretern getroffene Entscheidung ist immer eine unternehmerische, weil die Entscheidung von dem Entscheidungsrecht des Eigentümers oder des von diesem eingesetzten Managers in der Unternehmensführung abgeleitet werden kann 163 und zu einer Disposition über dessen Eigentum oder dessen Rechte führt. Denn jede Entscheidung in einem Unternehmen, auch die innerbetriebliche, ist grundsätzlich als unternehmerische Entscheidung kraft Delegation in dem jeweils unternehmenseigenen Hierarchiesystem zu verstehen. l64 Demgemäß erscheint eine "funktionale" Trennung betrieblicher und unternehmerischer Tätigkeiten auch nicht möglich. 165 Darüber hinaus ist jede Einschränkung der unternehmerischen Handlungskompetenzen zugleich eine Beschränkung der unternehmerischen Freiheit. "Mitbestimmung ist ein Prinzip, untemehmerischer Freiheit entgegenzuwirken" 166, die sich gegenüber dem Arbeitnehmer in der einseitigen Gestaltungsmacht hinsichtlich der 157 Vgl. Joost, Betrieb, S. 174 ff.; MünchArbR / Matthes, § 318 Rn. 45 ff., heide jeweils m.w. Nachw. aus Rechtsprechung wie Literatur. 158 Vgl. etwa BAG 31. 8. 1982 AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG Arbeitszeit; dazu und zu den Tendenzen in der Rechtsprechung insbesondere Joost, Betrieb, S. 179; Kraft, FS Rittner, 1991, S. 288 ff.; Weingart, Mitbestimmung, S. 108 ff. 159 BAG 19. 11. 1974 AP Nr. 2 zu § 5 BetrVG 1972; Kraft, GK-BetrVG, § 4 Rn. 8. 160 Joost, Betrieb, S. 216; Kraft, GK-BetrVG, § 4 Rn. 8; Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 44II 2. 161 Galperin I Löwisch, BetrVG, § 1 Rn. 15. 162 Raiser, FS Duden, 1977, S. 425 ff. 163 Gutenberg, Unternehmensführung, S. 155; Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 94. 164 Vgl. etwa Gutenberg, Unternehmensführung, S. 155 ff.; Krüger, Organisation, S. 62 ff. 165 Ebenso Hax, FG Kunze, 1969, S. 122 f.; Joost, Betrieb, S. 193. A.A. wohl Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 11 IV 2 b. 166 Joost, Betrieb, S. 200; in dem Sinne Reuter, ZfA 1981, S. 165 (179).
6 Schack
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2. Kap.: Grundlagen der Untersuchung
Gestaltung des Produktionsbereichs, des Produktionsablaufs und des Inhalts der jeweiligen Einzelarbeitsleistung niederschlägt.
III. Die Ebene des Arbeitsplatzes und der Arbeitsgruppe Die Umsetzung der unternehmensrelevanten Entscheidungsinhalte auf der Ebene des Betriebes als Produktionsstätte konkretisiert sich an dem jeweiligen Arbeitsplatz als "Maßnahmen vor Ort,,167.168 Dies ist die Ebene der Mitbestimmung am Arbeitsplatz, an der sich zumeist arbeitsorganisatorische Regelungsinhalte ergeben. 169 Von diesem Ort her muß auch jede immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer gedacht werden, denn hier ereignet sich der Tatbestand der Fremdbestimmtheit originär und stetig. Eine Teilhabe auf dieser Ebene kommt der Individualität des Arbeitnehmers und seinen Wünschen nach Mitverantwortung und Mitsprache entgegen. Die Wirkungen einer Teilhabe sind faßbar, das Ergebnis ist an dem eigenen Arbeitsplatz ablesbar: Der Arbeitnehmer spürt den Sinn und den Vorteil der eigenen Initiative unmittelbar. Hier ist der Arbeiter der "einzige wirkliche Experte,,170 und tagtäglich der real Betroffene 171 . Zwangsläufig muß ihm an dieser Stelle eine Möglichkeit der Beteiligung gebühren, denn" ohne Mitbestimmung am Arbeitsplatz bleibt jede Mitbestimmungskonzeption ein Koloß auf tönernen Füßen ,,172. Die Idee einer Mitbestimmung am Arbeitsplatz ist nicht ein Kind unserer Zeit, sondern erlebt momentan nur eine Renaissance. Schon 1962 wurde diese Idee von katholischen Arbeiterpfarrern angeregt, vom Amt für Industrie- und Sozialarbeit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau aufgenommen und durch eigene Überlegungen fortgeführt. 173 Vilmar und Matthöfer legten Konzeptionen VOr 174, die im Betriebsverfassungsgesetz Aufnahme finden sollten. Auch in der betrieblichen Praxis fand die Mitbestimmung am Arbeitsplatz ihren Niederschlag 175 . Hentze / Brose, Untemehmungsjührung, S. 43. Schack, Liberalisierung, S. 41. 169 Vgl. Däubler, Grundrecht, S. 78; Vilmar, Mitbestimmung, S. 17. 170 ,.Le travailleur est le seul veritable expert en ce qui conceme son travail" (Der Arbeiter ist der einzige wirkliche Experte seiner Arbeit), Äußerung des Generalsekretärs der französischen Gewerkschaft CFDT, Edmond Maire, zitiert nach Greifenstein / Jansen / Kißler, Technologien, S. 13. Zum Wissensvorsprung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz vgl. auch FitzRoy I Kraft, Einleitung, S. 3, unter Verw. auf Mohn, Mitbestimmung war ein Irrtum, s.a. Murmann, Arbeitgeber 1990, S. 468 (469). 171 Vilmar I Sattler, Wirtschaftsdemokratie, S. 122 und vor allem in Fn. 31. 172 Vilmar, Mitbestimmung, S. 5. 173 Nach Vilmar, Mitbestimmung, S. 19; vgl. dort auch Dok. 5.1. 174 Vilmar, Gewerkschaftliche Monatshefte 8 I 68, S. 472 ff.; ders., dann einen überarbeiteten Vorschlag, der den Arbeitsgruppensprecher nicht mehr vorsah, Gewerkschaftliche Mo167 168
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Diese knüpft bei der Einzelperson des Arbeitnehmers an und will diesem naturgemäß allein eine Mitbestimmung ermöglichen. Allerdings stehen dieser individuellen Teilhabe die menschlichen und betrieblichen Gegebenheiten entgegen. Zum einen kann die betriebliche Organisation, gerade in Großunternehmen, nicht jeweils an die Einzelinteressen angepaßt werden. 176 Zum anderen steht der Arbeitnehmer der betrieblichen Organisation und den Vorgesetzten oft unsicher gegenüber, so daß eine Gefahr der "Atomisierung der Arbeitnehmer in ohnmächtige Individuen,,177 bestehen könnte. Eine individuelle Eigenbestimmung des Arbeitnehmers ist eher bei einer flexiblen Gestaltung der Arbeit, der Arbeitszeit und des Arbeitsablaufes denkbar, da dies dem Arbeitnehmer verschiedene Handlungsalternativen läßt. 178 Die Mitbestimmung am Arbeitsplatz sollte vom einzelnen Arbeitnehmer her gedacht werden, deren Ausgangspunkt und das Forum dieser, wird aber durch die Arbeitsgruppe als kleinstes innerbetriebliches Kollektiv gebildet. 179 Teilhabe auf dieser Ebene bedeutet die Erhöhung der Eigengestaltungsmöglichkeit durch eine Erweiterung des Handlungsspielraumes des einzelnen Arbeitnehmers als verantwortlichem Teil einer Arbeitsgruppe. Angesprochen ist damit das kleinste innerbetriebliche Kollektiv 180, das sich als kleinste innerbetriebliche Organisationseinheit 181 auch als Grundlage aller weiteren Entwicklungen der Produktionsverfahren verstehen läßt. Gerade für die Neuerungen in der Arbeitsorganisation, die mit dem Begriff "Lean Production " gekennzeichnet werden können, ist die Gruppenarbeit als wesentlicher Bestandteil anzusehen. 182 Die Gruppenarbeit im Sinne der schlanken Produktion entspricht nicht einer tayloristischen Arbeitsorganisation, in welcher der Arbeitsprozeß in verschiedene Teilarbeitsprozesse zerlegt und der Arbeitnehmer zum" Teilarbeiter" wird. 183 In der industriellen Produktion ist die Arbeitsteilung in zwei Varianten anzutreffen. 184 Neben die tayloristische Arbeitsteilung, die sich in einer festen Zuweisung von Teilaufgaben oder Funktionen an bestimmten Arbeitsplätzen niederschlägt, tritt eine Form der Arbeitsteilung, die ohne eine feste Zuweisung von Arbeitsinhalten an ganz bestimmte Arbeitnehmer auskommt. Ein festgelegter Teil der Fertinatshefte 1970, S. 135 ff.; Matthöfer, Gewerkscfwftliche Monatshefte 12/68, S. 751 ff.; s.u. § 6 I 3. 175 Vgl. etwa Hoppmann, Mitbestimmung, S. 272 ff. 176 Vgl. etwa v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 1 11. 177 Stein, Begriffserklärung, S. 11. 178 Dazu Rich, Mitbestimmung, S. 142 ff. 179 Vilmar / Sattler, Wirtschaftsdemokratie, S. 123. 180 V gl. Schack, Liberalisierung, S. 51. 181 Klein, Phänomen, S. 22. 182 S.u. § 6 V. 183 S.o. § 3 11. 184 Vgl. etwa Adam, Produktionsmanagement, S. 1. 6*
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2. Kap.: Grundlagen der Untersuchung
gung wird einer Gruppe von Arbeitnehmern übertragen. Diese produzieren z. B. Motoren oder Getriebe, und die Arbeitnehmer können die Verteilung der Fertigungsarbeiten auf die Gruppenmitglieder autonom regeln. In den Entscheidungsbereich der Gruppe fciHt oftmals die Gestaltung des Arbeitsablaufs. Diese Art und Weise der Arbeitsteilung sind unter den Begriffen selbststeuernde oder (teil-)autonorne Arbeitsgruppen bekannt. In jüngster Zeit wird diese Form der Gruppenarbeit auch als Teamarbeit bezeichnet und gerade unter den Aspekten eines "Lean Management" oder einer "Lean Production" als Basis einer wettbewerbsfähigen Arbeitsorganisation angesehen. 18S Im Rahmen dieser Organisationsform werden unterschiedliche Funktionen eines Produktionsabschnitts zusammengefaßt. Die Arbeitnehmer werden in Arbeitsgruppen oder Teams organisiert, wobei diesen die Gesamtverantwortung für den Teilbereich verliehen wird, was eben zu autonomen oder teilautonomen Einheiten führt. 186 Charakteristisch für dieses Konzept ist, daß die Mitarbeiter hierbei nicht mehr Weisungen ausführen müssen, sondern selbst zu entscheiden haben. 187 Es ist festzustellen, daß die Arbeitsteilung an ihre anthropologische Grenze gestoßen ist l88 und ein Mehr an Verantwortung und Selbstbestimmung für jeden Arbeitnehmer in die Unternehmen und in die Arbeitsrechtsbeziehungen einziehen muß. 189 Die Betriebsorganisation und die Arbeitsrechtsordnung stehen vor den Türen einer wohl einmaligen Entwicklung. Anstatt des fremdbestimmten und unselbständigen Arbeitnehmers wird zunehmend ein selbständiger und eigenverantwortlicher Mitarbeiter gesucht l90 , der gleichermaßen an den Sinn der Arbeit und die Art und Weise der täglichen Arbeitsleistung hohe Ansprüche stellt. 191 Das Menschenbild, das der Theorie X 192 zugrundeliegt entspricht nicht der realen Situation. Vielmehr wird von dem Menschenbild der Theorie Yauszugehen sein, in dem die individuellen Ziele mit den Belangen des Unternehmens verschmelzen. Diese Theorie wird ebenfalls von McGregor l93 verwendet und erteilt der Theorie X eine klare Absage. 194 Reiß, Gruppenkonzepte, S. 109 f., 115 f.; Sohn, Lean Management, S. 26 f., 32 ff. Sohn, Lean Management, S. 36. 187 Adam, Produktionsmanagement, S. 24 f.; Krüger, Organisation, S. 54 f.; Pfeiffer I Weiß, Philosophie, S. 28 f., die einen Perspektivwechsel vorn "Sach- zum Humanvermögen" feststellen; Reiß, Gruppenkonzepte, S. 129; Sohn, Lean Management, S. 36. [88 Vgl. Schack, Liberalisierung, S. 28, m.w.N. 189 Vgl. etwa Mohn, Neue Ziele, S. 7 ff. [90 Dies wird besonders deutlich bei der Volkswagen-Lösung, als deren Grundlage Hartz, Arbeitsplatz, S. 110 ff., auch auf einen neuen Mitarbeitertyp verweist, der multifuktional, mobil, mitgestaltend und menschlich sein soll (sog. M4-Mitarbeiter). 19[ Stürzl, Lean Production, S. 30 f. [92 S.O. § 3 11. 193 McGregor, Der Mensch im Unternehmen, zitiert nach Pfeiffer I Weiß, Lean Management, S. 61. 185
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,,1. Die Verausgabung durch körperliche und geistige Anstrengung beim Arbeiten kann als ebenso natürlich gelten wie Spiel oder Ruhe. 2. Von anderen überwacht und mit Strafe bedroht zu werden, ist nicht das einzige Mittel, jemanden zu bewegen, sich für die Ziele des Unternehmens einzusetzen. Zugunsten von Zielen, denen er sich verpflichtet fühlt, wird sich der Mensch der Selbstdisziplin und Selbstkontrolle unterwerfen. 3. Wie sehr er sich den Zielen verpflichtet fühlt, ist eine Funktion der Belohnung, die mit ihrem Erreichen verbunden sind. 4. Der Durchschnittsmensch lernt - unter geeigneten Bedingungen - Verantwortung nicht nur zu übernehmen, sondern sogar zu suchen.
5. Die Anlage zu einem verhältnismäßig hohen Grad von Vorstellungskraft, Urteilsvermögen und Erfindungsgabe für die Lösung organisatorischer Probleme ist in der Bevölkerung weit verbreitet und nicht nur hier und da anzutreffen. 6. Unter den Bedingungen des modernen industriellen Lebens ist das Vermögen an Verstandeskraft, über das der Durchschnittsmensch verfügt, nur zum Teil genutzt.,,195
IV. Ergebnis zum zweiten Kapitel 1. Ergebnis zu § 3
Die gesellschaftliche Situation zum Zeitpunkt der Entwicklung des Arbeitsrechts beeinflußt noch heute die Arbeitsrechtsdogmatik. Das Arbeitsrecht wird als Sonderrecht der abhängig Beschäftigten bezeichnet. Die Konkretisierung der Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers erfolgt im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers. 196 Der Arbeitnehmer erbringt seine Arbeitsleistung in der Regel arbeitsteilig. Die Herstellung eines Produktes wird im Sinne einer tayloristischen Arbeitsorganisation in verschiedene Teilarbeitsprozesse zerlegt. Der Arbeitnehmer ist" Teilarbeiter". Im Konzept der Arbeitszerlegung ist die Fremdbestimmung des Teilarbeiters angelegt. Diesen Tatbestand kennzeichnet der Begriff der Fremdbestimmtheit der Arbeitsleistung. Die deutsche Arbeitsrechtsordnung hat sich an dieser Situation orientiert. Das Weisungsrecht ist die zwingende Voraussetzung für die innerbetriebliche Produktion aufgrund tayloristischer Arbeitsorganisationen. Der dem heutigen Arbeitsrecht zugrunde zu legende "typische" Sachverhalt manifestiert sich zusammengefaßt 197 "in der dauerhaften und regelmäßigen Aufnahme des Arbeitnehmers in einen für ihn fremden Organisationsbereich, in dem dieser weisungsgebunden und im Zusammenwir194 V gl. Naisbitt I Aburdene, Megatrends Arbeitsplatz, S. 10. 195 Entsprechend Pfeiffer I Weiß, Lean Management, S. 61. 196 Dazu und zum folgenden s.o. § 3 11. 197 In Teilen bei Birk, Leitungsmacht, S. 10 ff.; Gitter, Arbeitsrecht, S. 23 ff.; Schaub, ARHandbuch, § 29 I; Adomeit, Arbeitsrecht, E 10 a; Söllner, Arbeitsrecht, § 1 I; Staudinger I Richardi, Vorbem. 137 ff., 155 ff. zu §§ 611 ff.; § 611 Rn. 242 ff.
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2. Kap.: Grundlagen der Untersuchung ken mit anderen Arbeitnehmern menschliche Arbeit arbeitsteilig im Dienste und zum Nutzen des Arbeitgebers verrichtet".
Die geschilderte Situation kann auch als der Lebenssachverhalt des Arbeitsrechts bezeichnet werden. 198 Niedergeschlagen hat sich dieser in der Gestaltung der vertraglichen, tarifvertraglichen und gesetzlichen Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien. Darüber hinaus führt die Berücksichtigung der Bedeutung der Arbeit für die Würde des Menschen und dessen Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Arbeitsrecht zu einem Beschäftigungs- und Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers. Unter Berücksichtigung der anthropozentrischen Grundentscheidung des GG ist der Betriebsbereich für den Arbeitnehmer gleichzeitig der Ort sozialer Kontakte und Interaktionen.
2. Ergebnis zu §§ 4 und 5
Die Leitung eines Unternehmens / Betriebs realisiert sich in der Gesamtheit der notwendigerweise für die marktkonforme Lenkung des Unternehmens / Betriebs zu treffenden wirtschaftlichen, sozialen und personellen Entscheidungen. Der Lenkungsprozeß der Unternehmensführung kann hierbei grundsätzlich in die Teilprozesse Planung, Steuerung / Realisierung und Überwachung untergliedert werden. Das Verhalten des Unternehmens und des ihm dienenden Betriebs wird durch die unternehmerische Planungskompetenz festgelegt. Die unterschiedlichen Beteiligungsbefugnisse der Arbeitnehmer orientieren sich grundsätzlich an den verschiedenen Mitbestimmungsebenen. Allerdings ist eine strenge Trennung zwischen der unternehmerischen und der betrieblichen Mitbestimmung nicht möglich. Die Bereiche Leistungserstellung und -verwertung können grundsätzlich dem Bereich des Betriebs im Sinne des Betriebsverfassungsrechts zugerechnet werden. Demgegenüber ist die unternehmerische Planungs- und Leitungskompetenz der Unternehmensleitung grundsätzlich zugewiesen, soweit nicht Aufgaben delegiert werden. Diesen Bereich erfaßt unter mitbestimmungsrechtlichen Gesichtspunkten das Mitbestimmungsgesetz. Die Gruppenarbeit im Sinne einer schlanken Fabrik korrespondiert mit der Ebene der Mitbestimmung in der Arbeitsgruppe. Mit dieser wird das kleinste innerbetriebliche Kollektiv gebildet, in dem die Mitarbeiter nicht mehr allein Weisungen ausführen müssen. Diese Art der arbeitsgruppenbezogenen Arbeitsorganisation realisiert die zweite Variante der Arbeitsteilung, die ohne feste Zuweisung von Arbeitsinhalten an bestimmte Arbeitnehmer auskommt.
198
In dem Sinne Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 1 II 2.
3. Kapitel
Die Beteiligung der Arbeitnehmer auf der Ebene des Unternehmens, des Betriebs und am Arbeitsplatz, als Mitglieder einer Arbeitsgruppe Die Leitung eines Unternehmens / Betriebs realisiert sich in der Gesamtheit der für die Lenkung des Unternehmens / Betriebs notwendigen Entscheidungen. Dies ist der Prozeß der Faktorkombination. Die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Entscheidungen des Arbeitgebers verwirklicht sich bei gruppenorientierten Arbeitsorganisationen im Bereich des Unternehmens / Betriebs und dort auch in der Arbeitsgruppe. 1 Im folgenden wird das Mitbestimmungspotential auf den verschiedenen Ebenen hinsichtlich des unternehmerischen Kombinationsprozesses untersucht und zum Abschluß dieses Kapitels (§ 9) bewertet.
§ 6 Gruppenarbeit und selbststeuernde Arbeitsgruppen im Sinne des Konzepts der "schlanken Fabrik" In der industriellen Produktion ist die Arbeitsteilung in zwei Varianten anzutreffen. Neben die tayloristische Arbeitsteilung tritt eine Art und Weise der Arbeitsteilung, die unter den Begriffen selbststeuernde oder (teil-)autonome Arbeitsgruppen schon seit geraumer Zeit bekannt ist und in jüngster Zeit besonders unter den Aspekten einer schlanken Fabrik als Basis einer innovativen Arbeitsorganisation herangezogen wird. 2
Da die Gruppenarbeit im allgemeinen bereits Gegenstand rechtswissenschaftlicher Untersuchungen wie der Rechtsprechung war, erscheint es möglich, zunächst auf die Grundzüge des "Rechts der Gruppenarbeit" zurückzugreifen. Danach werden das Prinzip der teilautonomen Arbeitsgruppen und das Konzept der schlanken Produktion erläutert. Drei Beispiele aus der Praxis dienen hierbei dann als Untersuchungsobjekte. Abschließend erfahrt das Konzept der Gruppenarbeit in der schlanken Fabrik eine Einordnung und eine Bewertung hinsichtlich des arbeitnehmersei1 2
S.o. § 5. S.o. § 5 III.
88
3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
tigen Beteiligungspotentials, eine Bewertung der Gruppenarbeitsleistung bezüglich deren besonderer Inhalte, und es wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit eine Erfolgsbeteiligung des Gruppenmitglieds zu befürworten ist.
I. Die Gruppenarbeit in einer Betriebsgruppe Regelmäßig verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit nicht allein, sondern mit anderen Kollegen zusammen, seien es Sekretärinnen in einem Schreibbüro, seien es Arbeitnehmer an einem fließband. Diese Art der Arbeit entspricht nicht der Gruppenarbeit, weil dabei die jeweiligen individuellen Arbeiten weiterhin verrichtet werden, die dann dem einzelnen Arbeitnehmer zugerechnet werden können. Dies wird besonders deutlich, wenn auf das jeweilige Arbeitsergebnis geblickt wird, das bei dieser Form der Individualarbeit als Individualoutput bezeichnet werden kann. 3 Der betriebwirtschaftswissenschaftliche Begriff Output ermöglicht es, die jeweils erbrachten Leistungen zu erfassen. 4 Darüber hinaus fehlt bei dieser Art der Arbeit die auf enge Zusammenarbeit zielende Zwecksetzung. 5 Vielmehr handelt es sich um ein Nebeneinander von Einzelarbeitsleistungen. 6 Demgegenüber zeichnet sich die Gruppenarbeit dadurch aus, daß ein bestimmtes Arbeitsergebnis gemeinschaftlich erbracht wird. 7 Hierbei geht die Einzelarbeitsleistung in der Gruppenarbeitsleistung auf, und der Charakter der jeweiligen Einzelarbeitsleistung erfährt dahingehend eine Veränderung, daß diese erst durch die enge Zusammenarbeit mit den anderen Gruppenmitgliedern einen am gruppenbezogenen Arbeitserfolg meßbaren Sinn erfährt. Der Gruppe wird dabei in der Regel, im Gegensatz zum Einzelarbeitnehmer, der jeweils eine isolierte Tätigkeit verrichtet, eine Gesamtaufgabe zugewiesen, die die Gruppe eigenverantwortlich zu erfüllen hat. Dementsprechend ist nach dem Inhalt des Leistungsversprechens der Arbeitnehmer verpflichtet, die Arbeit als Gruppenleistung zu erbringen. 8 Bezüglich der Gruppenarbeit unterscheidet man zwischen der Betriebs- und der Eigengruppe. 9 Klein, Phänomen, S. 28. Klein, Phänomen, S. 26. 5 Vgl. Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (4). 6 In dem Sinne BAG, EzA § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 24, S. 75 (80), nach Ansicht des Gerichts scheidet Gruppenarbeit aus, wenn einzelne arbeitstechnische Arbeitsaufgaben zugewiesen werden und damit allein eine "Bündelung mehrerer gleichartiger Arbeitsaufgaben" erreicht wird. 7 BAG, EzA § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 24, S. 75 (80). 8 Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (6); Staudinger I Richardi, Vorbem. 516 zu §§ 611 Cf. 9 Das Gehilfenverhältnis kann an dieser Stelle dahinstehen, dazu etwa Schaub, AR-Handbuch, § 184. 3
4
§ 6 Gruppenarbeit und lean production
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Tragender Gesichtspunkt der Betriebsgruppe ist deren Bildung durch den Arbeitgeber. 1O Die einzelnen Betriebsgruppenmitglieder haben unabhängig von den anderen einen Einzelarbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber abgeschlossen oder schließen einen solchen bei ihrer NeueinsteIlung ab, wobei die Verpflichtung zur Gruppenarbeit Vertragsinhalt wird. 11 Demgegenüber bietet die Eigengruppe ihre Leistung als Gruppe dem Arbeitgeber an. Der Zusammenschluß erfolgt aufgrund einer Gruppeninitiative, wobei der Arbeitgeber in der Regel keinen Einfluß auf die Bildung und Zusammensetzung der Gruppe hat. 12 Als Rechtsgrundlage der Tätigkeit der Gruppe kann in der Regel ein Werk-, Dienst- oder Dienstverschaffungsvertrag bestehen. 13 Im weiteren Verlauf der Untersuchung soll allein von den Betriebsgruppen die Rede sein, da nur bei diesen grundsätzlich das Arbeitsrecht Anwendung findet. Bei der Betriebsgruppe ist das Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber zu zahlen. Für die Annahme von Gruppenarbeit ist hierbei nicht Voraussetzung, daß das Arbeitsentgelt gruppenbezogen erbracht wird. 14 Ein wesentliches Merkmal der gruppenbezogenen Arbeitsorganisation ist das Prinzip der Selbstverteilung. 15 Hierbei bleibt es der Gruppe überlassen, die jeweiligen Arbeitsgänge und Arbeitsabschnitte unter den Gruppenmitgliedern zu verteilen. Wird im Rahmen der Einführung einer gruppenorientierten Arbeitsorganisation auf die bestehenden Arbeitsverhältnisse zurückgegriffen, so kann der Arbeitgeber die Arbeit in Gruppen nicht kraft seines Weisungsrechts anordnen, sondern muß eine Vertragsänderung herbeiführen, weil die Leistungsinhalte in der Regel verändert werden. 16 Diese Veränderung realisiert sich zum einen unter arbeitsorganisatorischen Gesichtpunkten, soweit der Gruppe als teilautonome Einheit Tätigkeiten überantwortet werden l7 , die die Einzelarbeitnehmer bis dahin nicht zu erbringen hatten. Zu nennen sind hier beispielsweise Planungs- und Steuerungsaufgaben, administrative Tätigkeiten oder arbeitmitgestaltende Beschäftigungen. 18 Durch die Übertragung Staudinger / Richardi, Vorbem. 518 zu §§ 611 ff. Klein, Phänomen, S. 52. 12 Rüthers, ZfA 1977 S. 1 (34). 13 Rüthers, ZfA 1977 S. 1 (36). 14 Staudinger / Richardi, Vorbem. 517 zu §§ 611 ff.; Klein, Phänomen, S. 52 f., m.w.N. 15 BAG, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 24 S. 75 (80); vgl. auch Staudinger / Richardi, Vorbem. 519 zu §§ 611 ff.; a.A. Klein, Phänomen, S. 30 f. 16 Klein, Phänomen, S. 81; Röhsler, AR-Blattei, D Gruppenarbeit, I Übersicht, B I 2 a; Staudinger / Richardi, Vorbem. 518 zu §§ 611 ff.; a.A. etwa Hunold, Lean Production, S. 39; Schaub, AR-Handbuch, § 1821 I, der die Grenze des Weisungsrechts in einer Änderung der Entlohnungsmodalitäten sieht; in dem Sinne auch Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 271 1. 17 S.o. § 5 III und u. § 6 11. 18 Gesamtmetall, Rechtsfragen, C. I. 1. b. 10
11
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
von Angelegenheiten auf die Gruppe zur selbständigen Regelung, erfüllt der Arbeitgeber aber nicht seine gesetzlichen, kollektiv- oder einzel vertraglichen Pflichten, soweit die Gruppe den ihr übertragenen Gestaltungsspielraum nicht wirksam ausschöpft. 19 Zum anderen aber verändert sich die soziale Dimension der Arbeit. Die Gruppenarbeit unterscheidet sich durch ihre Bezogenheit auf das kleinste innerbetriebliche Kollektiv und dessen besonderer Arbeitssituation qualitativ von der Einzelarbeitsleistung hinsichtlich der Leistungsverpflichtung. 20 Da die Gruppe eine gemeinsame Arbeitsleistung schuldet, verdichten sich die Beziehungen der Gruppenmitglieder zueinander. Die soziale Komponente ist im Gegensatz zum Individualarbeitsverhältnis viel stärker ausgeprägt. 21 Von Bedeutung ist hierbei wiederum der besondere Charakter einer gemeinschaftlichen Arbeitsleistung. In dieser ist im besonderen Maße der kollektive Bezug der Einzelarbeitsleistung von Bedeutung, da der Arbeitserfolg der Gruppe aus den individuellen Teilleistungen herrührt, die an der Gruppenaufgabe ausgerichtet sind. Der Gruppenerfolg ist abhängig von der jeweiligen Teilarbeitsleistung, denn diese kann bei quantitativ oder qualitativ schlechter Arbeit zu einer Senkung der Gruppengesamtleistung führen. 22 Nach Ansicht des BAG kann sich bei leistungsabhängigem Arbeitsentgelt23 (Gruppenakkord) aus der gegenseitigen Kontrolle der Gruppenmitglieder und der Ergebnisverantwortung der Gruppe ein sozialer Druck entwickeln. 24 Das BAG25 geht des weiteren auch bei leistungsunabhängigem Entgelt davon aus, daß "das Streben nach Annerkennung durch den Arbeitgeber oder die Kollegen sowie das Bemühen, Kritik wegen Leistungsschwäche zu vermeiden, " das arbeitnehmerseitige Verhalten beeinflussen und einen sozialen Druck erzeugen, da sich auf diese Art und Weise eine nichtrechtliche Ergebnisverantwortung seitens der Gruppe ergibt. Mithin geht mit einer gruppenorientierten Arbeitsorganisation eine "Arbeitserjolgsabhängigkeit,,26 einher, die bei schwachen oder unliebsamen Mitgliedern zu Sanktionen seitens der Gruppe führen kann. Dementsprechend nehmen immaterielle Gesichtspunkte im Rahmen von Gruppenarbeit an Bedeutung zu, wobei aus arbeitsrechtlicher Sicht die Persönlichkeitsrechte des Gruppenmitglieds relevant werden.
BAG 27. 2. 1992, BB 1993, S. 1086 (1087). Klein, Phänomen, S. 81. 21 Klein, Phänomen, S. 92. 22 BAGE 51, S. 143 (148). 23 BAGE 51, S. 143 (149 f.). 24 Diese Einschätzung wird auch von den Kritikern dieser BAG-Entscheidung zum Teil geteilt, vgl. etwa Ehmann, ZfA 1986, S. 357 (381); Gaul, RDV 1987, S. 109 (115). 2S BAG 26.7.1994, DB 1995, S. 147. 26 Klein, Phänomen, S. 92. 19
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§ 6 Gruppenarbeit und lean production
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Grundsätzlich hat der Arbeitgeber das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gemäß Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zu achten. 27 Darüber hinaus muß er den Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen seiner Persönlichkeit schützen. Hierzu gehören etwa Hänseleien durch andere Arbeitnehmer oder eine ungerechte Behandlung durch Vorgesetzte oder Arbeitskollegen. 28
1. Beteiligungsrechte des Arbeitnehmers I der Gruppe bezüglich der Gruppenzusammensetzung Die Zusammensetzung der Betriebsgruppe kann der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts bestimmen. 29 Die Zusammensetzung der Gruppe kann Einfluß auf die Höhe des Arbeitsentgelts haben 3o , wie beispielsweise beim Gruppenakkord, bei dem die Verdienstchance des einzelnen unmittelbar von der Gesamtleistung der Gruppe abhängt. 3l Des weiteren wird davon auszugehen sein, daß der Arbeitgeber bei der Zusammensetzung der Gruppe besondere Sorgfaltspflichten zu beachten hat, um der denkbaren Benachteiligung von Gruppenmitgliedern zu wehren. 32 Aus individualrechtlicher Perspektive korrespondiert hiermit gemäß § 82 Abs. 1 BetrVG das Recht des Arbeitnehmers, in betrieblichen Angelegenheiten vom Arbeitgeber oder der zuständigen Stelle gehört zu werden, soweit diese seine Person betreffen. Im Rahmen dieses Anhörungs- und Erörterungsrechts kann der Arbeitnehmer Stellung nehmen zu den Maßnahmen, die ihn betreffen, und Vorschläge für die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsablaufes machen. 33 Demzufolge steht dem Einzelarbeitnehmer sowohl ein Anhörungsrecht bezüglich der Einführung von Gruppenarbeit als auch im Hinblick auf die Zusammensetzung der Gruppe34 wie auch eines persönlichen Gruppenwechsels zu 35 . Ein Mitentscheidungsrecht der Gruppe bezüglich ihrer Zusammensetzung ist in der Bundesrepublik gesetzlich nicht geregelt. Ein solches Recht besteht allein bei einer vertraglichen Absprache. 36 Mit diesem Beteiligungsrecht delegiert der Arbeitgeber gleichzeitig die Mitverantwortung für die Auswahl geeigneter Mitglieder37 , weil auch das unternehmerische Risiko bezüglich der Richtigkeit der Aus27 28 29 30
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32 33
34 35 36
V gl. etwa Adomeit, Arbeitsrecht, B 11 2. Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 16 I 2. V gl. etwa Schaub, AR-Handbuch, § 182 I 2. Klein, Phänomen, S. 91; Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (9). Röhsler, AR-Blattei, D Gruppenarbeit, I Übersicht, B I 2 b. Rüthers, ZfA 1977, S. I (9). Vgl. etwa v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 13 III 2. Ebenso Klein, Phänomen, S. 95. Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (10). Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (9); so schon Scheffler, Gruppenarbeit, S. 65.
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
wahl entscheidung partiell auf die Gruppe übertragen wird. Denn grundsätzlich unterliegt der Arbeitgeber der Verpflichtung, der Betriebsgruppe die ordnungsgemäße Erfüllung der übertragenen Aufgabe zu ermöglichen, wozu die Zuweisung geeigneter Gruppenmitglieder zu rechnen ist (§ 295 BGB)?8 Das Risiko einer solchen Entscheidung trägt hierbei der Arbeitgeber, da er Erfüllungs- wie Schadensersatzansprüchen seitens der Gruppenmitglieder ausgesetzt sein kann, wenn ein ungeeigneter Arbeitnehmer der Gruppe zugeteilt wurde?9 Solche Ansprüche sind bei einem Mitentscheidungsrecht aber nicht denkbar, weil die Mitentscheidung immer zu einer Mitverantwortung führen muß. 40 Aus diesem Grund ist im Rahmen der rechtlichen Erfassung von Betriebsgruppen zwischen solchen, denen ein Mitentscheidungsrecht bezüglich der Gruppenzusammensetzung, und solchen, denen kein entsprechendes Recht eingeräumt wurde, zu unterscheiden. 41
2. Die Rechtsnatur der Betriebsgruppe Die arbeitsgruppenbezogene Arbeitsorganisation verändert die betrieblichen Gegebenheiten und die jeweiligen Hierarchiestrukturen. Zum einen tritt die unmittelbare Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den Hintergrund, weil dieser sich jetzt nicht mehr einem isolierten Arbeitnehmer gegenübersieht, sondern einem Kollektiv von Arbeitnehmern, deren Interessen miteinander verwoben sind. Zum anderen realisiert die Bildung einer Betriebsgruppe die kleinste betriebliche Organisationseinheit. Dieses Kollektiv mit seinen eigenen sozialen Strukturen, Bedürfnissen und rechtlichen Fragestellungen verselbständigt sich innerhalb der Belegschaft. Dementsprechend muß davon ausgegangen werden, daß sich der dem Arbeitsrecht zugrundeliegende Sachverhalt um kollektive Bezüge anreichert, wobei gruppenbezogene Arbeitsorganisationen zu einer Verselbständigung der Gruppe gegenüber dem Arbeitgeber führen können. 42 Die Einordnung der Betriebsgruppe in einen rechtlich geregelten, bestimmten Typ eines Personenverbandes ist pauschal nicht möglich. 43 In Betracht kämen die Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (10). Vgl. etwa Rüthers, ZfA 1977, S. (17); Schaub, AR-Handbuch, § 18213. 39 Vgl. etwa Schaub, AR-Handbuch, § 182 I 3. 40 In dem Sinne Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (10); Klein, Phänomen, S. 93, der zutreffend davon ausgeht, daß ein Mitentscheidungsrecht dazu führen würde, daß ein Schadensersatzanspruch seitens der Gruppe wegen fehlerhafter personeller Zusammensetzung der Gruppe durch den Arbeitgeber schwer zu begründen wäre. 41 Vgl. zu dieser Art der Unterscheidung Röhsler, AR-Blattei, D Gruppenarbeit, I Übersicht, B I 2 b; Scheffler, Gruppenarbeit, S. 65. 42 Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (12). 43 Schaub, AR-Handbuch, § 18211 1; Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (12). 37
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§ 6 Gruppenarbeit und lean production
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bloße tatsächliche Gemeinschaft44 , eine Interessengemeinschaft45 und die atypische, vennögenslose BGB-Innengesellschaft46 . Vielmehr gilt es, die jeweiligen besonderen Absprachen, Umstände und Besonderheiten zu würdigen, wobei von außerordentlicher Bedeutung die der Gruppe wie deren Vertreter eingeräumten Rechte und Pflichten sind. 47 Als Maßstab hierfür erscheint die Abweichung der gruppenbezogenen Rechte und Pflichten von denen eines hergebrachten Einzelarbeitsverhältnisses geeignet. Dementsprechend ist bedeutsam, ob und inwieweit der Arbeitgeber Teile seiner Funktionen auf die Gruppe überträgt und damit abspaltet, die er ansonsten kraft seines Direktionsrechts gegenüber dem Einzelarbeitnehmer ausüben könnte.
3. Die Verfassung der Gruppe, Arbeitsgruppenbesprechung und -sprecher Die Einführung von teilautonomen Arbeitsgruppen bedingt die Schaffung von innerbetrieblichen Freiräumen, die von der Gruppe ausgefüllt werden müssen. Denn die Abspaltung von Teilen des Direktionsrechts führt dazu, daß die Gruppe selbständig Entscheidungen treffen muß. Bei der Bildung eines "Gruppenwillens ,,48 wiederum bedarf diese einer Gruppenverfassung49 , um die jeweiligen Entscheidungen gegenüber den Gruppenmitgliedern legitimieren zu können. Dementsprechend ist ein Willensbildungsprozeß innerhalb der Gruppe notwendig, was eine Infonnations- und Diskussionsplattfonn in Fonn einer Arbeitsgruppenbesprechung voraussetzt. 50 Die Besprechungen bieten den Gruppenmitgliedern die Möglichkeit, eigene Wünsche, Anregungen und Kritik zu äußern und Infonnationen über den betrieblichen Alltag und die Zukunft des Unternehmens zu erhalten. Darüber hinaus bedarf die verselbständigte Organisationseinheit eines Organes zur Meinungsäußerung und der Abgabe wie Annahme von Willenserklärungen. Hierfür kommt ein Arbeitsgruppensprecher in Betracht. Ausgangspunkt des Vorschlags einer Arbeitsgruppenbesprechung ist die zutreffende Ansicht, daß die Mitbestimmung am Arbeitsplatz beginnen muß. 51 Folglich 44 Vgl. etwa Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. I, § 78 n 2; Röhsler, AR-Blattei, D Gruppenarbeit, I Übersicht, B n 1 a. 45 Vgl. etwa Schaub, AR-Handbuch, § 182 II 1; Röhsler, AR-Blattei, D Gruppenarbeit, I Übersicht, BIll a. 46 Vgl. etwa Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (12). 47 Vgl. KreBel, RdA 1994, S. 23 (29); Schaub, AR-Handbuch, § 182 II 1. 48 Vgl. etwa Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (12). 49 Schack, Liberalisierung, S. 43. 50 Vgl. Vilmar, Mitbestimmung, S. 33 f. 51 So Vilmar, GMH 8/1968, S. 472 ff.; ders., GMH 3 / 1970, S. 135 ff.
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
wird den Arbeitnehmern ein Forum zur Verfügung gestellt, in dem diese am Arbeitsplatz mit den Arbeitskollegen die jeweiligen Probleme oder Wünsche erörtern können, wobei der Arbeitgeber oder der zuständige Vorgesetzte hinzugezogen werden kann. Bereits 1968 wurde kritisch diskutiert, die erwogene Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 um eine Mitbestimmung in Arbeitsgruppen zu ergänzen52, was aber keinen Niederschlag im Betriebsverfassungsgesetz 1972 gefunden hat. Von besonderer Bedeutung waren und sind hierbei zwei Vorschläge von Vilmar zur Verankerung der Mitbestimmung am Arbeitsplatz im Betriebsverfassungsgesetz. Im ersten Vorschlag 53 soll die Gruppenbesprechung der unmittelbaren Mitwirkung der Arbeitnehmer an allen ihren Arbeitsplatz betreffenden Fragen dienen. Hierzu werden insbesondere gezählt Fragestellungen bezüglich neuer Produktionsverfahren, neuer Arbeitsplätze, der Änderung von Arbeitsplätzen und des Arbeitsplatzwechseis, des Arbeitsablaufs, der Arbeitsteilung und Arbeitszerlegung, der Materialanlieferung und der Lohnfindung, soweit diese Fragen im Bereich der Arbeitsgruppe anfallen. Eine Gruppenbesprechung sei anzuberaumen, wenn ein Drittel der Arbeitsgruppe oder der gewählte Gruppensprecher, der als Vertrauensmann bezeichnet wird, dies verlangen oder der Arbeitgeber neue arbeitsorganisatorische Maßnahmen durchführen will. An der Besprechung sollen die Gruppenmitglieder, die für die anstehenden Fragen zuständigen Vorgesetzten und ein Mitglied des Betriebsrats teilnehmen. Die Vorbereitung der Gruppenbesprechung regelt die Gruppe selbst, wobei der gewählte Vertrauensmann den Betriebsrat wie den zuständigen Vorgesetzten über die Besprechungsinhalte informieren soll. Die Gruppenbesprechung hat zum Ziel, zu einer einvernehmlichen Beschlußfassung zu gelangen. Anderenfalls sollte der Vorgesetzte seine abweichende Meinung gegenüber der Gruppe begründen. Diese Angelegenheit müsse dann zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber auf der nächsten Betriebsratssitzung weiter verhandelt werden. In dem nur wenig weitergehenden zweiten Vorschlag von 197054 wird dem Betriebsrat zudem das Recht eingeräumt, von sich aus zusätzliche Arbeitsgruppenbesprechungen einzuberufen. Alle Besprechungen sollen dabei soweit möglich in der Arbeitszeit stattfinden und dem Arbeitnehmer wie Arbeitszeit vergütet werden.
52 Vorschläge finden sich bei Vilmar, GMH 8/1968, S. 472 ff.; ders., GMH 3 / 1970, S. 135 ff.; Matthöfer, GMH 12 / 1968, S. 751 f. Einen Überblick über die damaligen Ansichten und Positionen liefert Vilmar in seiner Schrift Mitbestimmung am Arbeitsplatz. Auch der CDU / CSU-Entwurf zum BetrVG sah die Einführung von Arbeitsgruppensprechern in den §§ 106 ff. vor (BT-Drucks. VI 11806), was dann aber abgelehnt wurde; vgl. etwa Wiese, GKBetrVG, Einleitung Rn. 82. 53 Vilmar, GMH 8/1968, S. 472 ff. 54 Vilmar, GMH 3 / 1970, S. 135 ff.
§ 6 Gruppenarbeit und lean production
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Der Arbeitsgruppensprecher wird in einfacher Mehrheitswahl bestimmt. Regelmäßig wird der Gruppensprecher als Repräsentant der Gruppe anzusehen sein, so daß von ihm die Gruppeninteressen gegenüber dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber vertreten werden können. 55 Allerdings verdrängen gruppenbezogene Beteiligungsrechte des Gruppensprechers nicht die betriebsverfassungsrechtlichen Normen. Auch kann eine Bevollmächtigung des Gruppensprechers jederzeit widerrufen werden, soweit nicht tarifliche oder innerbetriebliche Regelungen dem entgegenstehen. 56 Besondere Bedeutung kann der Position des Gruppensprechers im Rahmen von teilautonomen Arbeitsgruppen zukommen, da hier der Arbeitgeber an die Gruppe eine Gruppenautonomie delegiert; eine Autonomie, die auf einem abgespaltenen Direktionsrecht fußt und dazu führt, daß der Gruppensprecher im Auftrag der Gruppe die übertragenen Weisungsbefugnisse ausführt. 57 Vom Gruppensprecher ist der Gruppenführer oder Vorarbeiter zu unterscheiden, der vom Arbeitgeber bestimmt wird. 58
11. Teilautonome Arbeitsgruppen, "Lean Production". Beispiele aus der Praxis Bevor die Konzeption der "Lean Production" und Beispiele aus der Praxis erläutert werden können, ist eine Darstellung der Arbeitsinhalte der teilautonomen Gruppen notwendig.
1. Begriff der teilautonomen Arbeitsgruppen
Üblicherweise werden Gruppen von Arbeitnehmern, denen bestimmte Bereiche von Arbeitgeberfunktionen übertragen werden, als autonome, teilautonome oder selbststeuernde Arbeitsgruppen bezeichnet. 59 Thorsrud und Emery haben das Modell der selbststeuernden Gruppen entwicke1t60 , das vor allem in Skandinavien Verwendung fand und findet. Obwohl bei diesem Konzept eine Möglichkeit der Mitbestimmung am Arbeitsplatz realisiert wird, ist es durchaus auch denkbar, daß die Beteiligung weiterführend durch eine Selbstbestimmung ersetzt wird. Inwieweit dies der Fall ist, läßt sich allein danach beantworten, welcher Grad von Autonomie Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. I, § 7811 3; Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (14). Hoffmann, Rechtsfortschritt, S. 71. 57 Vgl. Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (14). 58 Klein, Phänomen, S. 154; Schaub, AR-Handbuch, § 18211 2. 59 Dazu etwa Maier, Arbeitsgruppen, S. 9 f. 60 Emery I Thorsrud, Small-Group Organisation. A New Look at Industrial Democracy, Ljublijana August 1962, zitiert nach Bihl, Mitbestimmung, S. 14. 55
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
der Gruppe zugebilligt wird. In der Bezeichnung "selbststeuemde Arbeitsgruppen " wird der Grundgedanke dieses Führungs- und Organisationsmodelles transparent. An Stelle der Fremdbestimmtheit der Arbeitsleistung soll Selbstbestimmung durch Selbststeuerung erreicht werden. 61 Die Bezeichnung selbststeuernde oder autonome Arbeitsgruppe entspricht aber nicht den Realitäten des täglichen, industriellen Arbeitsprozesses, da die Arbeitsgruppe nicht isoliert betrachtet werden kann. Vielmehr ist sie als kleinste betriebliche Organisationseinheit Teil einer größeren, von deren Tätigkeiten, Entscheidungen, Zielen und Forderungen die Gruppe abhängig ist. Deshalb wird zutreffend überwiegend der Begriff" teilautonome Arbeitsgruppe " verwendet, wobei sich die Gruppen hinsichtlich des Umfangs- und des Entscheidungsniveaus unterscheiden. 62 In dem einschlägigen Schrifttum wird bezüglich des Selbststeuerungsgrades folgende Differenzierung getroffen: 63 An der untersten Stufe des Entscheidungsniveaus stehen elementare Fragen, zu denen der Arbeitstakt, die Arbeitsplanung, die Arbeitszeit und die Freiheit am Arbeitsplatz zu rechnen sind. Auf der folgenden Stufe finden sich Personalfragen wie z. B. die Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern sowie Fragen der Arbeitsteilung. Auf der dritten Stufe werden Fragen der Produktion relevant, wozu technische Veränderungen, Produktionsmethoden und die zeitliche Abstimmung des Produktionsprogramms zu rechnen sind. Die vierte Entscheidungsebene ist Fragen des Produktes wie etwa des Produktionsprogramms, der Qualität und Quantität der Erzeugnisse gewidmet. Ihren Abschluß findet die Entscheidungspyrarnide bei den ökonomischen Fragestellungen. Hierzu werden der Investitionsplan, der Finanzplan und die Gewinnverwendung gezählt. Ordnet man die jeweiligen Entscheidungsinhalte den unterschiedlichen Ebenen der Mitbestimmung zu, so wird deutlich, daß Entscheidungsträger und Entscheidungsbefugnisse betroffen sind, die zunächst unter streng tayloristischen Gesichtspunkten nicht der Ebene des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsgruppe zugerechnet werden können. So kommt im Rahmen von Gruppenarbeit eine Selbststeuerung allein im Bereich der täglichen Arbeit in Betracht64 • Dieser Bereich wird aber vergrößert, indem bestimmte Entscheidungsinhalte auf die Gruppe delegiert werden und der Beschäftigtengruppe ein bestimmter, funktional zusammenhängender Abschnitt der Produktion zugewiesen wird. Bei auftretenden Fragen und Entscheidungen, die regelmäßig auf anderen Mitbestimmungs- oder Entscheidungsebenen geklärt wie getroffen werden, sind allein Bihl, Mitbestimmung, S. 14. Girschner I Girschner-Woldt, Arbeitsorganisation, S. 153; Maier, Arbeitsgruppen, S. 11. 63 Karisson, L.E., Rapport fran förstudie i Arvika, Stockholm 1970, zitiert nach Bihl, Mitbestimmung, S. 49; vgl. auch Maier, Arbeitsgruppen, S. 11. 64 Maier, Arbeitsgruppen, S. 12. 61
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§ 6 Gruppenarbeit und lean production
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Beteiligungsrechte der Gruppe an den jeweiligen Entscheidungen in Betracht zu ziehen. Im Rahmen dieser Partizipationsmöglichkeiten sind ebenso alle weiteren Arbeitsgruppen zu berücksichtigen. Als Kernstücke von teilautonomen Arbeitsgruppen werden hierbei ein systematischer Arbeitsplatzwechsel Gob rotation), eine Arbeitserweiterung Gob enlargement) und eine Arbeitsbereicherung von Bedeutung sein Gob enrichment).65 Bei einem systematischen Arbeitsplatzwechsel Gob rotation) wechseln sich die Beschäftigten selbst- oder fremdorganisiert bei der Ausführung der gleichbleibenden Arbeit ab. 66 Demgegenüber wird bei einer Arbeitserweiterung Gob enlargement) der Arbeitsumfang horizontal ausgeweitet, wobei ähnliche Aufgabenelemente angefügt werden, die einen gleichen Schwierigkeitsgrad besitzen. 67 Wird nicht nur der Umfang, sondern auch der Arbeitsinhalt verändert, so daß Arbeitsaufgaben mit größeren Anforderungen an die Qualifikation des Arbeitnehmers und größeren Dispositionsspielräumen zugeteilt werden, so wird von einer Arbeitsbereicherung Gob enrichment) gesprochen. 68 Der Umgang mit modemen Formen der Arbeitsorganisation hat besonders in Schweden eine lange Tradition. Das Prinzip der teilautonomen Arbeitsgruppen wird besonders mit dem Volvo- Werk Kalmar in Verbindung gebracht (Produktionsbeginn: 1974).69 1989 wurde die erste neuere PKW-Endmontagefabrik von Volvo in Uddevalla in Betrieb genommen70, in der auch japanische Rationalisierungsmethoden erprobt werden7!. Hinsichtlich der Verteilung von Befugnissen und Verantwortung wird unter Bezugnahme auf die schwedische Automobilindustrie zwischen den folgenden arbeitsorganisatorischen Möglichkeiten unterschieden. 72 Auf der ersten Stufe arbeitsorganisatorischer Möglichkeiten findet sich eine traditionelle Organisation, in der das persönliche Verhalten des Arbeitnehmers ausführlich kontrolliert werden kann und die Arbeit an einem hergebrachten Fließband ausgeführt wird (Taktzeit ein bis zwei Minuten), das repetitive Teilarbeit voraussetzt. 65 66 67
Bihl, Mitbestimmung, S. 47. Pornschlegel / Birkwald, Mitbestimmen, Bd. I, S. 38. Girschner / Girschner-Woldt, Arbeitsorganisation, S. 152.
Girschner / Girschner-Woldt, Arbeitsorganisation, S. 152; Pornschlegel / Birkwald, Mitbestimmen, Bd. 1, S. 39. 69 Siehe Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. "teilautonome Arbeitsgruppen". Eine Darstellung der arbeitsorganisatorischen Konzeption von Kalmar findet sich bei Berggren, Ford, S: 135 ff. 70 Berggren, Ford, S. 173. 71 Berggren, Arbeitsrotation, S. 256. 72 Vgl. Berggren, Arbeitsrotation, S. 251 f. 68
7 Schack
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Bei einer schwachen Gruppenorganisation (zweite Stufe) werden bestimmte Befugnisse (z. B. Arbeitsverteilung) auf die Gruppe delegiert, wobei das untere Management weiterhin die hergebrachten Machtpositionen behält. Auf der dritten Stufe findet sich eine starke Teamorganisation. Befugnisse der Arbeitsleitung sind hierbei auf die Produktionsgruppen übertragen worden. Integrierte und qualifizierte Gruppenarbeit setzt voraus (vierte Stufe), daß die traditionellen Formen der Arbeitsleitung der Gruppe überantwortet werden und eine direkte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Produktionsgruppen ermöglicht wird. 2. Schlanke Produktion und Gruppenarbeit Mit den Begriffen des "Lean Management" und der "Lean Production" wird ein teilweise neuer Produktions- und Arbeitsorganisationsansatz charakterisiert. 73 Die schlanke Produktion im Rahmen eines schlanken Managements führt zu einer "schlanken" Fabrik, in der konsequent Prinzipien und Verfahren zur Produktivitätssteigerung umgesetzt werden, die zum großen Teil aber an sich bekannt waren. 74 Dieses fernöstliche bzw. japanische Produktionskonzept wurde im Rahmen der Studie "Die zweite Revolution in der Autoindustrie" des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston / Texas, als Teil des "International Motor Vehicle Program" (IMVP), erstmals ausführlich den westlichen Industrienationen zugänglich gemacht. 75 In diesem Produktionskonzept sehen große Teile der Wissenschaft und der Wirtschaft den Grund für die nachhaltigen Erfolge der japanischen Unternehmen auf den nationalen wie internationalen Märkten. 76 Nach Pfeiffer / Weiß77 ist für das Verständnis des Lean-Management-Konzepts ausschlaggebend, daß sich in ihm ein direktes Gegenkonzept zu dem der hocharbeitsteiligen Massenproduktion findet (Ford / Taylor), da es vom Ansatz her individual- bzw. kunden(auftrags)orientiert sei. Ein solcher Ansatz entspräche dem Individualisierungstrend der Nachfrage, der sich unabhängig von Branche und Technologie eher progressiv verstärkt. 78 Diesem Zwang zur flexiblen Produktion entsprechend wird die Gruppenarbeit durchgehend als besonders wichtiges Element des Konzepts einer schlanken Fabrik charakterisiert. 79 Diese gesteigerte Flexibilität kann als Basis des Erfolgs der 73
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Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. "lean production". Hunold, Lean Production, S. I. Womack / Iones / Roos, Revolution, S. 13 ff. VgI. etwa Loos, Lean Production, S. 151; Pfeiffer / Weiß, Lean Management, S. 9 ff. Pfeiffer / Weiß, Lean Management, S. 51. In dem Sinne Warschat / Ganz, Botschaften, S. 18. Hunold, Lean Production, S. 4; Reiß, Gruppenkonzepte. S. 109 f.
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schlanken Produktion angesehen werden. 8o Allerdings kann dem nicht entnommen werden, daß es ausreicht, die schlanken Arbeitsorganisationen allein mit einer gruppenarbeitsbezogenen Arbeitsorganisation gleichzusetzen. 81 Vor allem aber versucht die Philosophie der Lean-Production, die Vorteile einer handwerklichen Fertigung mit den Vorteilen einer Fließfertigung zu verbinden. 82 In den genannten Produktionskonzepten sollen die einzelnen Fähigkeiten der Arbeitnehmer vor Ort zum ausschlaggebenden Produktionsfaktor werden. 83 Zum heutigen Zeitpunkt kann noch nicht von einem bestimmten Begriff der Gruppenarbeit im Sinne einer schlanken Fabrik gesprochen werden. Es lassen sich aber durchaus Grundelemente finden 84 , wie die Beispiele aus der Praxis zeigen werden. Soweit ersichtlich dürfen die deutschen Konzepte der teilautonomen oder selbstregulierenden Gruppen nicht den japanischen Gruppenarbeitskonzepten gleichgestellt werden, in denen die Teams wohl nicht als selbstregulierende Gruppen bezeichnet werden können. 85 Der neue Produktions- und Arbeitsorganisationsansatz wird dabei von den Grundprinzipien "Dezentralisation" und "Simultanisierung" geprägt. 86 Unter Dezentralisation wird die Verteilung von Aufgaben oder Teilaufgaben auf verschiedene Stellen verstanden. 87 Die Entscheidungsdezentralisation weist allgemein die Tendenz zur Verteilung von Entscheidungsaufgaben, -kompetenzen und -verantwortung auf die unteren Hierarchieebenen auf. 88 Im Mittelpunkt der Dezentralisierung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungsbereichen stehen teamorientierte Arbeitsorganisationen und damit einhergehend die Delegation von Verantwortung auf die Gruppen 89 , wobei die Verantwortungsdelegation viele Vorgesetzte überflüssig macht und damit zu flacheren Hierarchien im Unternehmen führt. 9o Ein tragender Gesichtspunkt ist hierbei, daß, soweit möglich, die planenden und durchführenden Tätigkeiten im Team vorgenommen werden und eine Qualitätskontrolle "vor Ort" geschieht. 91 Daneben übernimmt die Gruppe vielfach Wartungsarbeiten und ist dazu angehalten, den jeweiliAdam, Produktionsmanagement, S. 25; Reiß, Gruppenkonzepte, S. 109 f. Pfeiffer I Weiß, Lean Management, S. 63. Dort findet sich eine Darstellung der Prinzipien des Lean Management (S. 54 ff.). 82 Adam, Produktionsmanagement, S. 25. 83 Warschat I Ganz, Botschaften, S. 20; Pfeiffer I Weiß, Lean Management, S. 54; kritisch etwa Lang I Ohl, Lean Production, S. 38 f. 84 Ebenso Hunold, Lean Production, S. 8. 85 Vgl. etwa Berggren, Ford, S. 61 ff.; Jürgens, Mythos, S. 27 ff. 86 Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart ...Iean production". 87 Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart ...Dezentralisation". 88 Krüger, Organisation, S. 66. 89 Adam, Produktionsmanagement, S. 24 f.; Pischetsrieder, EjJizienzsteigerung, S. 122; Reiß, Gruppenkonzepte, S. 109 f.; Stürzl, Lean Production, S. 18 ff., 44 ff. 90 Pomschlegell Birkwald, Mitbestimmen, Bd. I, S. 45. 91 Pomschlegell Birkwald, Mitbestimmen, Bd. I, S. 45; Stürz!, Lean Production, S. 45. 80 81
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
gen Produktionsprozeß kontinuierlich zu verbessern, was in Japan mit dem Wort ,,kaizen" (Verbesserung) beschrieben wird. Hierunter ist zu verstehen, daß innerhalb des Planungs-, Produktions- und Vermarktungsprozesses jeder Handschlag, jede Idee und jeder Prozeß stetig verbessert werden kann und muß, wobei dementsprechend auch die QualifIkationen der Arbeitnehmer stetig weiterzuentwickeln sind. 92 In Deutschland werden diese Inhalte auch mit dem Begriff "Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß (KVP)" umschrieben. 93 Bei den Volkswagenwerken wird nach dem Prinzip KVrZ verfahren, was etwa mit einer "sofortigen kontinuierlichen Verbesserung" umschrieben werden kann. 94 Letztendlich schlägt sich in den qualitäts- und verbesserungsorientierten Organisationsansätzen die Erkenntnis nieder, daß eine hohe Produktqualität mit dem Erfolg eines Unternehmens eng verbunden ist und dem" Total-Quality Management" eine immense Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zukommt. 95 Mit dieser gruppenbezogenen Verbesserungs- und Überwachungsfunktion übernimmt das Team außerordentlich bedeutsame Aufgaben, da oftmals erst nach Abschluß der Planungsphase innerbetrieblich Probleme und Schwächen der jeweiligen Produktionskonzeptionen sichtbar werden. 96 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die gesamte Wertschöpfungskette zu verbessern, weil die Gruppe oder der jeweilige Arbeitnehmer die Qualität, die Produktivität, die Komplexität und die jeweiligen Umweltaspekte berücksichtigen kann und muß. 97 Nach Lang /ohz9 8 ist für die Leistungsorganisation des KVP unter anderem von Bedeutung, daß die Arbeitnehmer ständig Verbesserungsvorschläge abgeben und eine quantitative Steigerung und qualitative Verbesserung des Arbeitsergebnisses durch Verhaltensbeeinflussung der Arbeitnehmer erreicht werden, wobei eine hohe Disziplin der Beschäftigten verlangt wird, die zum Teil durch restriktive Vorgaben, Motivationsstrategien und Elemente des Bezahlungssystems erreicht wird. Ein wichtiger Baustein ist weiterhin die direkte und offene Kommunikation zwischen den sehr breit qualifIzierten Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten. 99 Im Rahmen der Simultanisierung von Prozessen werden verschiedene Arbeitsoperationen nicht mehr nacheinander angeordnet, sondern laufen parallel zueinanVgl. etwa Hunold, Lean Production, S. 72; Lang / Ohl, Lean Production, S. 51 f. Lang / Ohl, Lean Production, S. 47; die verschiedenen Konzepte finden sich bei Malorny / Kassebohm, Brennpunkt, S. 55. 94 Hartz, Arbeitsplatz, S. 104. 95 Vgl. insbesondere Malomy / Kassebohm, Brennpunkt, S. 2 ff., 42, 46 ff., 58 ff., m.w.N.; Müller-Bölling, Stichwortart. "Qualitätsmanagement", Handwärterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, Sp. 3629 ff. 96 V gl. etwa PauI, Verbesserungsprozeß, S. 110 ff. 97 Dazu Hartz, Arbeitsplatz, S. 104; Stürzl, Lean Production, S. 38 ff. 98 Lang / Ohl, Lean Production, S. 51. 99 Vgl. etwa Schindele, BB 1993, Beil. 15, S. 14 (15). 92 93
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der. loo Hierbei werden die zerlegten Arbeitsschritte wieder zu weniger Arbeitsblöcken zusammengefaßt, so daß in einem Block mehrere Arbeitsschritte vorgenommen werden können. 101 Diese Simultanisierung von Prozessen bedingt die Aufgabe von tayloristischen Spezialisierungen der Funktionen hinsichtlich der einzelnen innerbetrieblichen Leistungsbereiche, so daß die Produkt-, Prozeß-, Potentialplanung sowie -entwicklung integriert wie parallelisiert werden. 102 Nach Lang / Ohl lo3 fördern das Setzen und Erreichen von Gruppenzielen die Teamarbeit. In Gruppen werden Rollen besser verteilt und koordiniert, und die Kommunikation zwischen Belegschaft und Management und den verschiedenen Arbeitnehmergenerationen wird verbessert. Darüber hinaus wird die Arbeitsmoral verbessert und die Arbeiter entwikkeln neue Fähigkeiten, sammeln Wissen und arbeiten besser zusammen. Hierbei tragen sich die Gruppen selbst und lösen Probleme, um die sich sonst das Management kümmert; und auch die Beziehungen zwischen Management und Arbeitnehmervertretung werden entscheidend verbessert.
3. Praxisbeispiele Drei Beispiele aus der Praxis sollen das Konzept der arbeitsgruppenbezogenen Organisation in der schlanken Fabrik verdeutlichen. a) Fertigungsinseln bei der Feiten & Guilleaume Energietechnik AG In der Bundesrepublik Deutschland wird der Gedanke von teilautonomen oder selbststeuernden Arbeitsgruppen im Rahmen von flexiblen Fertigungsinseln weitergetragen, wobei auch von teilautonomen Fertigungsinseln gesprochen wird lo4 . Diesen wird die Aufgabe zugewiesen, aus vorgegebenem Ausgangsmaterial Teile eines Produktes oder Endprodukte möglichst vollständig herzustellen. 105 Charakteristisch für das gruppenbezogene Tätigkeitsfeld ist der Verzicht auf eine zu starre Arbeitsteilung und eine umfangreiche Selbststeuerung der Arbeits- und Kooperationsprozesse, was zu einer Erweiterung der individuellen Gestaltungsspielräume des Gruppenmitgliedes führt. 106 Die Arbeitsgruppe in einer Fertigungsinsel übt vorgegebene Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollfunktionen aus, woVgl. etwa Lang / Ohl, Lean Production, S. 27 f. Adam, Produktionsmanagement, S. 23. 102 Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. "Iean production"; Pischetsrieder, Ejfizienzsteigerung, S. 116 ff. 103 Lang / Ohl, Lean Production, S. 62. 104 Vgl. Roth / Königs, Gruppenarbeit, S. 91 (Übersicht 4). 105 Adam, Produktionsmanagement, S. 199. 106 Stürzl, Lean Production, S. 103 f. 100 101
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bei die notwendigen Betriebsmittel räumlich und organisatorisch in der Fertigungsinsel zusammengefaßt werden. 107 Am Beispiel des Unternehmens Feiten & Guilleaume Energietechnik AG, Nordenham, kann das Konzept der Gruppenarbeit in Fertigungsinseln anschaulich dargestellt werden. lOS Nachdem sich das Werk 1981 in einer schwierigen ökonomischen Situation befand, wurden beim Bundesministerium für Forschung und Technologie (Humanisierung des Arbeitslebens) Fördermitte1 beantragt, die für die arbeitsorganisatorischen Innovationen verwendet wurden. Das Unternehmen strebte an, durch die Einführung von Fertigungsinseln ganzheitliche Arbeitsinhalte und -ergebnisse zu schaffen. Dabei sollten die Planung und die Ausführung von Arbeitsaufgaben im Rahmen eines größeren Planungshorizontes (bis zu zwei Wochen ohne Vorgaben) zusammengeführt werden. Die Arbeitsgruppe sollte eine größere Freiheit hinsichtlich der Auftragsfolgeplanung, der Wahl der Betriebsmittel, der Auftragsabwicklung und der Arbeitsverteilung innerhalb der Fertigungsinsel erhalten und die Qualitätssicherung selbständig betreiben. 109 Dementsprechend wurden auch planerische und entscheidungsorientierte Handlungen der Fertigungsgruppe übertragen. Hierzu zählten etwa die Prüfung von Aufträgen hinsichtlich Durchführbarkeit und Terminierung, die Verteilung der Arbeitsschritte innerhalb der Gruppe, die Verfügbarkeits- und Qualitätskontrolle von Maschinen und Material sowie die Arbeitsmittel- und Fertigungskontrolle. Darüber hinaus widmete sich die Gruppe der Kontrolle des Auftragsfortschrittes und bearbeitete den Auftrag weiter. 110 b) Gruppenarbeit bei der Adam Opel AG, Eisenach
1992 errichtete Opel ein Automobilwerk nach den Gesichtspunkten der schlanken Fabrik in Eisenach. Hierbei wurden die Ergebnisse der MIT-Studie 111 konsequent umgesetzt, wobei vor allem die Betriebsorganisation hinsichtlich der Gruppenarbeit Berücksichtigung fand. 112 Das Opel-Produktionssystem baut auf einem neuen Typ von Mitarbeiter auf, der als team- und anpassungsfahig, motiviert und fortbildungsinteressiert charakterisiert wird. Hierbei kommt der Fähigkeit, im Team zu arbeiten, eine besondere Bedeutung zu. Das gesamte Werk in Eisenach ist in Gruppen zu sechs bis acht Mitarbeitern organisiert. Die Gruppen sind am Planungsprozeß beteiligt, und es erfolgt eine VerKlebe / Roth, Selbststeuerung, S. 15; vgl. auch Lutz, Gruppenarbeit, S. 77. Nach Kiehne / Kohl, Konzept, S. 187 ff. 109 Kiehne / Kohl, Konzept, S. 191. 110 Kiehne / Kohl, Konzept, S. 192. 111 S.o. § 6 11 2. 112 Dazu und zum folgenden Hunold, Lean Production, S. 2; Sohn, Lean Management, S. 131 ff. 107
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antwortungsdelegation auf die Arbeitsebene. Zu den Aufgaben der Gruppe gehören insbesondere die Montagearbeiten, die Qualitätssicherung, Arbeiten der Instandhaltung und der Sauberkeit und Ordnung am Arbeitsplatz. Die Gruppe wird ständig über den Produktionsstatus informiert und am Planungsprozeß beteiligt. 113 Darüber hinaus organisiert der freigestellte Gruppensprecher die Aufgabenverteilung, die Urlaubsplanung und den Ersatz von abwesenden Arbeitnehmern innerhalb der Gruppe. Der Sprecher hat die notwendigen Qualifizierungsgesichtspunkte zu beachten und sorgt für die notwendige Flexibilität der Arbeitnehmer. Daneben gilt es, die Qualität des Produkts und die Produktivität der Gruppe zu beachten. Auch im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses ist der Gruppensprecher beteiligt. In diesem Bereich wurden Zuständigkeiten, die bisher bei der Werksleitung lagen, auf die Gruppe übertragen. Hierzu zählen insbesondere die Verringerung der Kosten, die Steigerung der Produktivität, die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und die Sicherung des produktionsbedingten Services. 114 Im Werk Eisenach sollen die Mitarbeiter stetig ihren eigenen Arbeitsplatz verbessern, und sie werden am Erfolg des Unternehmens durch ein effizientes Anerkennungssystem beteiligt. Dementsprechend wird im Sinne eines mitarbeiterorientierten Managements verfahren. An Stelle von Anweisungen treten Beratungen und offene Bürokonzepte. 115 c) Dezentrale Produktionseinheiten, IBM Deutschland Produktions GmbH
Mit dem Konzept der selbständigen Produktionseinheiten (PEH) will IBM die eigene Wettbewerbsfähigkeit steigern und widmet dabei der schlanken Produktion ihr Augenmerk, versteht darunter aber nicht nur Veränderungen im Produktionsbereich, sondern ein unternehmensweites Gesamtkonzept. 116 In einer selbständigen Produktionseinheit werden alle Funktionen, die zum selbständigen Betrieb eines Produktionsbereichs nach dem Prinzip "plant in the plant" gehören, zusammengeführt. Hierunter fallen etwa Instandhaltung, Qualitätswesen, Produktionsplanung, technische Produktionsführung. Als Ergebnis eines solchen ganzheitlichen Konzepts ergibt sich u. a. die Verlagerung der Verantwortung auf die niedrigstmögliche Ebene. Dies führt zu einem Mehr an Flexibilität der Produktion durch das gestiegene Maß an Selbständigkeit, wobei die flachen Hierarchien die Kommunikation vereinfachen. 117 113 114
115 116 117
Hunold, Lean Production, S. 2. Sohn, Lean Management, S. 138. Hunold, Lean Production, S. 2. Dazu und zum folgenden Barteis, Produktionseinheiten, S. 200 ff. Barteis, Produktionseinheiten, S. 201.
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Dementsprechend stellt der Humanfaktor eines der wichtigsten Elemente einer selbständigen Produktionseinheit dar, in der die Verantwortung für eine Tatigkeit bei dem liegt, der die Tatigkeit ausführt, also bei den Mitarbeitern vor Ort. Bedeutsam bei dem Prinzip der selbständigen Produktionseinheit ist, daß die jeweilige Arbeit nun mit mehr Verantwortung und mit mehr Freiräumen yerbunden wird, was teilweise im Widerspruch zu der früheren arbeitsteiligen Produktion steht. 1l8 Durch die Einführung von selbständigen Produktionseinheiten kommt es zu einer "Machtverschiebung,,1l9 innerhalb eines Werks- bzw. Unternehmensverbandes.
III. Der Mitarbeitscharakter der Gruppenarbeit in der "schlanken Fabrik" Im Gegensatz zum Einzelarbeitsverhältnis im Sinne der tayloristischen Arbeitszerlegung 120 liegt bei der Gruppenarbeit der Schwerpunkt der Arbeitsleistung auf der Mitarbeit in der Gruppe. Erst durch die Hervorhebung dieses besonderen Charakters der Gruppenarbeit kann der auf enge Zusammenarbeit zielenden Zwecksetzung 121 dieser Form der Arbeitsorganisation ausreichend entsprochen werden, denn nach dem Inhalt des Leistungsversprechens der Arbeitnehmer ist die Tatigkeit in der Arbeitsgruppe als Gruppenleistung zu erbringen, wobei gerade die Einzelarbeitsleistung in der gemeinschaftlich erbrachten Gesamtarbeitsleist~ng aufgeht. Des weiteren verdichten sich die Beziehungen der Gruppenmitglieder zueinander, und die soziale Komponente gewinnt im Gegensatz zum Individualarbeitsverhältnis ein viel stärkeres Gewicht. 122 Dies wird durch das Prinzip der Selbstverteilung dynamisiert, weil die vom Arbeitgeber ausgehende Fremdbestimmung hinsichtlich der Arbeitsleistung durch eine Selbstbestimmung der Gruppe ersetzt wird. Es unterscheiden sich die individuellen Leistungsinhalte bei der Gruppenarbeit von denen der Einzelarbeit, denn die zu erbringende Leistung in der Gruppe bedingt durch ihren kollektiven und kooperativen Charakter höhere Anforderungen an den einzelnen Arbeitnehmer. 123
S.o. § 5 III. Barteis, Produktionseinheiten, S. 205. 120 S.o. § 3 11. 121 Vgl. Rüthers, ZfA 1977, S. 1 (4). 122 Klein, Phänomen, S. 92. 123 Hierfür spricht, daß zwischen einem Arbeitsvertrag hinsichtlich der Einzelarbeit und einem Gruppenarbeitsvertrag differenziert wird, wenn nach Zuweisung von Gruppenarbeit kraft Direktionsrechts gefragt wird. In der Regel ist der Arbeitgeber nicht befugt, Gruppenarbeit kraft seines Weisungsrechts anzuordnen. Vielmehr muß eine Vertragsänderung herbeigeführt werden, bei der die Verpflichtung zur Gruppenarbeit Vertragsinhalt wird, s.o. § 6 I. 118 119
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Der Lebenssachverhalt des Arbeitsrechts verändert sich folglich, wenn im Rahmen gruppenorientierter Arbeitsorganisation teilautonome Arbeitsgruppen als kleinstes innerbetriebliches Kollektiv und Subsystem gebildet werden.
IV. Erfolgsorientierte Entlohnung bei Gruppenarbeit Es wird davon auszugehen sein, daß eine Arbeitsorganisation, die auf teilautonomen Arbeitsgruppen beruht, eine aktive Mitwirkung aller Mitarbeiter am Entscheidungsprozeß bedingt und damit höhere Anforderungen an den Grad der Leistung, der Infonnation und der Ausbildung der Mitarbeiter mit sich bringt. 124 Darüber hinaus fordert das Modell einer teilautonomen Arbeitsorganisation, daß der Arbeitnehmer zum Mitarbeiter wird, indem dieser selbständig Planung, Mitdenken und schöpferische Initiative zur Gestaltung seines Arbeitsbereichs nutzt, hierbei eigene Entscheidungsverantwortung trägt und datnit seiner Rolle als fremdbestimmter und passiver, ausführender Produktionsfaktor entwächst. 125 Bei dieser Art von Arbeitsleistung, die durchaus unternehmerische Inhalte besitzt, liegt es nahe, die direkte Leistungsentlohnung durch eine unternehmerische Erfolgsbeteiligung der Gruppenmitglieder zu ersetzen. 126 Die Erfolgsbeteiligung wiederum würde es ermöglichen, den gemeinschaftsbezogenen Charakter der Gruppenarbeit zu honorieren, bei der nicht die Einzelleistung allein zählt, sondern die erbrachte Gemeinschaftsleistung, die sich auch auf einer guten Zusammenarbeit gründet. 127 Ein mit einem Erfolgsbeteiligungssystem verbundenes Entlohnungssystem führt auch zu einem Anreiz für die individuellen Arbeitnehmer 128 wie zu einer Beteiligung des Arbeitnehmers am unternehmerischen Risiko. 129 Auf diesem Weg wird das Gruppenarbeitsverhältnis um unternehmerische Elemente angereichert, was auch der vom Arbeitnehmer partiell ausgeübten Managementfunktion entspräche. Darüber hinaus wird die Veränderung der Anforderungen, die ein schlanker und hierrarchiearmer Produktionsprozeß für die Arbeitnehmer bedeutet, zu einer Anhebung der Bezahlung führen. 130 Hierfür ist Opel Eisenach mit seinem Prämiensystem ein wertvolles Beispiel.
Bihl, Mitbestimmung, S. 58; Reese, Lean-Production-Modell, S. 96 f. Bihl, Mitbestimmung, S. 61. 126 Reese, Lean-Production-Modell, S. 96 ff., schlägt etwa ein allgemeines Vergütungssystem zur Schaffung von Teamanreizen vor, wobei die Erfolgsbeteiligung als ein Element genannt wird. 127 Bartölke, Stichwortart. "teilautonome Arbeitsgruppen", Handwörterbuch der Organisation, Sp. 2390; Bihl, Mitbestimmung, S. 61; Bornemann, Betriebspsychologie, S. 116. 128 Bornemann, Betriebspsychologie, S. 116. 129 Dazu vgl. Kohl, Teamkonzept, S. 237 f. 130 Ebenso für teilautonome Arbeitsgruppen, Bartölke, Stichwortart. "teilautonome Arbeitsgruppen", Handwörterbuch der Organisation, Sp. 2390. 124
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v. Das Beteiligungspotential der Teams Die Funktion einer mitarbeiterorientierten und gruppenbezogenen Arbeitsorganisation im Sinne einer schlanken Produktion und eines schlanken Managements bedingt die Notwendigkeit, schneller zu planen und produktiver und fehlerfreier zu produzieren. l3l Dieser Aufgabe kann nur entsprochen werden, wenn die Mitarbeiter in dezentralen Teams am Planungs-, Produktions- und Überwachungsprozeß verantwortlich beteiligt werden. Die Entscheidungsdelegation führt zu einer Entlastung der Führungskräfte, was wiederum relevant wird, weil die Management-Kapazität in Unternehmen chronisch knapp ist. 132 Darüber hinaus wird in zunehmenden Maße fraglich, ob und inwieweit die stetig notwendigen komplexen Veränderungsprozesse im Rahmen von hierarchisch strukturierten Organisationsformen zu bewältigen sind. 133 Die mitbestimmungsrechtliche Erfassung des Lebenssachverhalts des Arbeitsrechts hinsichtlich selbststeuernder Arbeitsgruppen ist allein unter Rückgriff auf die Betriebswirtschaftslehre möglich. Das Arbeitsrecht ist grundsätzlich an den tayloristischen Arbeitsorganisationen ausgerichtet und kann die reale Dimension der Veränderungen des Arbeitsprozesses in der schlanken Fabrik nur unvollkommen erklären und verarbeiten. 134 Im Gegensatz zur tayloristischen Arbeitsteilung wird bei einer gruppenorientierten Arbeitsorganisation dem einzelnen Arbeitnehmer als Teil der Arbeitsgruppe und, vermittelt durch den Gruppensprecher, ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Verantwortung eingeräumt. Diese Systeme leben von einer Verantwortungsdelegation auf die Gruppe und die einzelnen Arbeitnehmer, was besonders durch die Übertragung der kontinuierlichen Verbesserungsaufgaben deutlich wird, weil dadurch planerische und überwachende Aufgaben aus der Managementebene heraus auf die Gruppen übergehen. Die Flexibilisierungsnotwendigkeiten und -potentiale wiederum bedingen einen mitdenkenden und -gestaltenden, selbstverantwortlichen Mitarbeiter. Die Verantwortungs- und Entscheidungsdelegation führt dazu, daß unternehmerische Aufgaben auf die Gruppe delegiert werden, die kraft ihrer Sachnähe vor Ort entscheidungskompetenter ist. Zwar werden die Führungs- oder unternehmerischen Entscheidungen grundlegender Natur auf der Ebene des Unternehmens getroffen. Aber die Überwachungs- und Verantwortungsdelegation entbindet die ehemaligen Entscheidungsträger auf den jeweils unteren Entscheidungsebenen und legt die mit der Entscheidung verbundene Gestaltungsbefugnis in die Hand der Teams, so daß diese an Stelle des Managements handeln. Die Gruppe wirkt aktiv bei der innerbetrieblichen Zielbildung und bei der Bestimmung der der Zielver§ 6 11 2. Pfeiffer I Weiß, Philosophie, S. 40. Malorny I Kassebohm, Brennpunkt, S. 41. Zur Regelungsmaterie des Arbeitsrechts s.o. § 3 11.
131 S.O. 132
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wirklichung dienenden Maßnahmen mit und nimmt durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozeß Einfluß auf das Produkt und die Produktqualität. Durch die team-initiierte Verbesserung des Produktionsverfahrens und des Produkts übernimmt das Team Aufgaben, die eigentlich in den Sekundärorganisationen verankert sind. In einer solchen wird, im Gegensatz zu einer Primärorganisation, die dauerhafte Ziele verfolgt, die Bearbeitung von komplexen und neuartigen Aufgaben vorgenommen. 135 Auf diesem Wege kommt jedem Team hinsichtlich des Gesamterfolgs des Unternehmens am Markt eine Bedeutung zu, da die Entscheidungen jeweils die betriebliche Leistungsfähigkeit und die Produktqualität betreffen, die wiederum Einfluß auf die Marktchancen des Produkts haben 136. Dementsprechend führt im Gegensatz zur fremdbestimmenden tayloristischen Arbeitsorganisation die gruppenarbeitsorientierte Arbeitsorganisation dazu, daß die Gruppenmitglieder im besonderen Maße auf die Chancen des Unternehmens am Markt Einfluß nehmen. Wird der in den vorgestellten Beispielen erreichte Autonomiegrad der Gruppen in die geläufige Differenzierung hinsichtlich des Selbststeuerungsgrads teilautonomer Gruppen eingeordnet 137, so läßt sich feststellen, daß die Aufgaben-, Verantwortungs- und Kompetenzbereiche der Arbeitsgruppen von der untersten Stufe (Arbeitstakt, Arbeitsplanung, Freiheit am Arbeitsplatz) über die folgenden Stufe (Aufgabenverteilung) und die dritte Stufe (Produktionsfragen) bis hin zur vierten Entscheidungsebene (Produktfragen) reichen. 138 In dem Konzept der schlanken Fabrik werden durch die grundlegende Delegation von schlichter Arbeitsausführung, der Produkt- und Produktivitätskontrolle, partiell eigenständiger Planung und administrative Tätigkeiten auf die Gruppe weitreichende Veränderungen des Lebenssachverhalts des Arbeitsrechts hervorgerufen. Denn eine arbeitsgruppenorientierte Arbeitsorganisation, die auf selbststeuemden Gruppen basiert, verwischt den Unterschied zwischen der ausführenden (vollziehenden) Arbeit und der leitenden (dispositiven) Arbeit. In den Betriebswirtschaftswissenschaften wird im allgemeinen von dispositiven Arbeitsleistungen gesprochen, wenn diese mit der Leitung und Lenkung der Prozesse im Unternehmen und im Betrieb im Zusammenhang stehen. 139 Den objektbezogenen Arbeitsleistungen werden alle Tätigkeiten zugerechnet, die unmittelbar Krüger, Organisation, S. 54. Vgl. Malorny I Kassebohrn, Brennpunkt, S. 40 ff., m.w.N. \37 S.o. § 611 1. Vgl. aber auch die Abstufungen der Autonomie bei Bartölke, Stichwortart. "teilautonome Arbeitsgruppen" , Handwärterbuch der Organisation, Sp. 2388, dessen Unterscheidungen aber nicht dem, in dem System der schlanken Fabrik erreichten Autonomieinhalt entsprechen. 138 Vgl. auch Hunold, Lean Production, S. 5 f.; KreBel, RdA 1994, S. 23 (28 f.); Schaub, BB 1993, Beil. 15, S. 1 (2). 139 Grundlegend Gutenberg, Grundlagen, Bd. 1, S. 3; vgl. auch Kern, Faktorkombination, S. 121 ff., 128 ff. 135
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der Leistungserstellung, der Leistungsverwertung oder der Bewältigung finanzieller Aufgaben dienen. 140 Hierunter werden allgemein die Arbeit an einer Drehbank, an einem Hochofen sowie die Arbeit von Buchhaltern, Chemikern und Konstrukteuren gezählt. Eine eindeutige Trennungslinie kann weder zwischen originärer und derivativer Arbeit einerseits noch zwischen dispositiver Arbeit in ihrer Gesamtheit und der ausführenden Arbeit andererseits gezogen werden. 141 Bei der Bewertung der jeweiligen Arbeitsinhalte aber ist von besonderer Relevanz, nach welchem Führungsstil (z. B. kooperativ oder autoritär) und nach welchen Führungsprinzipien (dezentral oder etwa durch zentrale Führung) das Unternehmen geleitet wird. In dem Konzept der schlanken Fabrik (Dezentralisation / Delegation) läßt sich letztendlich die Idee des Konzepts einer Führung durch Delegation (Management by Delegation) erkennen, in dessen Mittelpunkt die Delegation von Verantwortung und Kompetenz auf nachgeordnete Mitarbeiter steht (Harzburger Modell) 142. Unter Organisationsgesichtspunkten versteht man unter Delegation die Übertragung von Kompetenz auf hierarchisch nachgeordnete organisatorische Einheiten. 143 Als Kompetenz werden alle Rechte bezeichnet, die sich aus der Delegation von Aufgaben an Dritte ergeben. 144 Eine Verantwortung ist eine Verpflichtung und eine Berechtigung, hinsichtlich der Erfüllung eines übernommenen Auftrags oder in einem organisatorisch abgegrenzten Funktionsbereich selbständig zu handein. 145 In dem Konzept der Gruppenarbeit in einer schlanken Fabrik erfolgt eine Delegation von Kompetenz und Verantwortung aber nicht auf einen einzelnen Mitarbeiter, sondern auf ein allgemein verwendbares Subsystem, die "Arbeitsgruppe". 146 Entsprechend der übertragenen Kompetenzen wird dann Verantwortung delegiert, die sich definieren läßt als die" Pflicht einer Gruppe, für die zielentsprechende Erfüllung einer Aufgabe persönlich Rechenschaft abzulegen" 147. 140 Gutenberg, Grundlagen, Bd. 1, S. 3; vgl. auch Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. "objektbezogene menschliche Arbeitsleistung". 141 Vgl. etwa Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 94. 142 Zum Harzburger Modell etwa Dachrodt, Unternehmensführung, S. 60; Krüger, Organisation, S. 309. 143 Vgl. nur Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. "Delegation". 144 Vgl. etwa Bronner, Stichwortart. "Verantwortung", Handwärterbuch der Organisation, Sp.2507. 145 Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. "Verantwortung". 146 So schon 1972 Grochla, Unternehmungsorganisation, S. 214, zu teamorientierten Organisationsstrukturen. 147 Entsprechend des Verantwortungsbegriffs von Hauschildt "Verantwortung ist die Pflicht einer Person, für die zielentsprechende Erfüllung einer Aufgabe persönlich Rechenschaft abzulegen", Hauschildt, Stichwortart. "Verantwortung", in: Grochla, Erwin (Hrsg.), Handwärterbuch der Organisation, 1. Aufl. 1969, Sp. 1693, zitiert nach Krüger, Organisation, S. 46.
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Der Delegation von Befugnissen entspricht arbeitsrechtlich gleichzeitig der Weisung, gemäß § 315 BGB diese Kompetenzen auszuüben. Im Außenverhältnis liegt eine Vollmacht vor (§§ 164, 167 BGB), so daß grundsätzlich insoweit eine Vertretung des Arbeitgebers in Betracht käme. 148 Mit dem Konzept der arbeitsgruppenorientierten Arbeitsorganisation wird in der Regel eine Führung durch Kompetenz- und Verantwortungsdelegation auf die Gruppe erreicht. Die Gruppe wird durch diese Delegation und die Ausführung der objektbezogenen Tätigkeit gleichsam zum Vorgesetzten und Weisungsempfänger in einer Position. 149 Dies entspricht auch dem Charakter der teilautonomen Arbeitsgruppen, in denen es aufgabenbezogen um Selbstregulation, arbeitsmethodenbezogen um Selbstbestimmung und materiell-hierarchisch um Selbstverwaltung geht. 150 Den Arbeitsgruppen werden hierbei üblicherweise kompetenzbegründende Handlungsrechte hinsichtlich der technischen und organisatorischen Planung des Produktions- oder Montagevorgangs, die technische und räumliche Gestaltung der Arbeitsstätte und die Verteilung der Arbeit unter den Gruppenmitgliedern zugewiesen 151. Denn die Bewältigung von innerbetrieblichen Aufgaben durch die Gruppe setzt Handlungsrechte voraus. 152 Die Spannbreite der Kompetenzen ist naturgemäß von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Diese reicht von Informations- und Beratungskompetenzen 153 über Entscheidungs-, Anordnungs-, Mitsprache- und Vertretungskompetenzen 154 bis hin zu Ausführungs- und Verfügungskompetenzen 155.156 Entsprechend der übertragenen Kompetenzen wird naturgemäß Verantwortung delegiert. Die Spannbreite der Verantwortung unterscheidet sich von Gruppe zu Gruppe. 157 Die Gruppen übernehmen zum einen Handlungsverantwortung, da diese etwa die Qualitätskontrolle der Produkte selbständig vornehmen, und Führungsverantwortung, weil den Gruppen etwa die Kompetenzen zur SelbstverteiVgl. v. Hoyningen-Huene, FS Kissel, 1994, S. 400. Dies wird, soweit ersichtlich, in der Organisationslehre als Multifunktionalität von Stellen (Organisationseinheiten) und Personen bezeichnet, vgl. Krüger, Organisation, S. 42, 54. 150 Bartölke, Stichwortart. "teilautonome Arbeitsgruppen", Handwörterbuch der Organisation, Sp. 2388, m.w.N. 151 Ebenso KreBel, RdA 1994, S. 23 (28 f.). 152 Dies entspricht dem organisatorischen Kompetenzbegriff, vgl. Krüger, Organisation, 148 149
S.46. 153 154
Vgl. das Beispiel: Gruppenarbeit bei Opel Eisenach, § 6 II 3 b. Vgl. die Beispiele: Gruppenarbeit bei Opel Eisenach; PEH IBM Deutschland, § 6 II 3
b, C. Vgl. das Beispiel: Fertigungsinseln bei Feiten & Guilleaume, § 6 II 3 a. Zu den verschiedenen Kompetenzarten s. Steinle, Stichwortart. "Stabsstelle", Handwörterbuch der Organisation, Sp. 2311. 157 Zu den divergierenden Geltungsbereichen der Verantwortung, Bronner, Stichwortart. "Verantwortung", Handwörterbuch der Organisation, Sp. 2511. 155
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
lung der Arbeit und zu einer weitergehenden administrativen Tatigkeit übertragen worden sind und damit dispositive Aufgaben durch die Gruppe wahrgenommen werden. Es bleibt festzuhalten, daß teamorientierte Arbeitsorganisationen, die dem Prinzip einer schlanken Fabrik entsprechen, die innerbetriebliche Position des Arbeitnehmers verändern. Aus dem fremdbestimmten Arbeitnehmer in einer arbeitsteiligen Arbeitswelt wird ein mitgestaltender, multifunktionaler und mitverantwortlicher Mitarbeiter, der als Unternehmer am Arbeitsplatz charakterisiert werden kann.
§ 7 Die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz 1972 Die Gruppenarbeit ereignet sich im Betrieb, der mit dem Betriebsverfassungsgesetz eine ihm eigene Verfassung erhalten hat, deren Beteiligungspotential hinsichtlich immaterieller Rechte nunmehr untersucht wird. 158 Das Hauptaugenmerk gilt hierbei nicht allein den Mitbestimmungsrechten, sondern auch den anderen Beteiligungsrechten. Zum Abschluß erfolgt eine Zusammenfassung, in der die Beteiligungsrechte in ihrer Gesamtkonzeption und hinsichtlich des Gesamtpotentials der Beteiligung bewertet werden. Bevor das Beteiligungspotential des Betriebsverfassungsgesetzes dargestellt werden kann, muß zunächst dessen Verhältnis zur arbeitsgruppenorientierten Arbeitsorganisation geklärt werden.
I. Arbeitsgruppen versus Betriebsrat? Das Verhältnis des Betriebsverfassungsgesetzes zu den Arbeitsgruppen als abgegrenzte organisatorische Einheiten ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Danach besteht die Möglichkeit für die Tarifvertragsparteien, durch Tarifvertrag zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen der Arbeitnehmer bestimmter Beschäftigungsarten oder Arbeitsbereiche (Arbeitsgruppen) zu bestimmen. 159 Voraussetzung hierfür ist aber, daß dies der zweckmäßigeren Gestaltung der Zusammenarbeit des Betriebsrats mit den Mitarbeitern dient. Ein solcher Tarifvertrag bedarf der Zustimmung der obersten Arbeitsbehörde des Landes, bei Tarifverträgen, deren 158 Das Beteiligungspotential von Gesamtbetriebsräten oder Konzembetriebsräten (§§ 47, 54 BetrVG) kann mangels Relevanz dahinstehen. 159 Dazu Gamillscheg, FS Molitor, 1988, S. 137 ff. Hanau, FS Kissel, 1994, S. 346 f. 357 ff., zu den Notwendigkeiten einer schlankeren Betriebsverfassung.
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Geltungsbereich mehrere Länder berührt, der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. 160 Für die zusätzliche Vertretung kommen unter arbeitsgruppenbezogenen Gesichtspunkten Arbeitsgruppensprecher in Betracht. 161 Diese nehmen aber nur dann eine betriebverfassungsrechtliche Vertretung wahr, wenn die Belange der Arbeitsgruppe gegenüber dem Betriebsrat wahrgenommen werden, ohne daß es dabei auf eine Gewerkschaftsmitgliedschaft der Gruppenmitglieder ankommt. 162 Diese Vertretungen dürfen weder Aufgaben des Betriebsrats übernehmen noch in dessen Zuständigkeiten eingreifen und müssen nach demokratischen Gesichtspunkten von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe in geheimer, allgemeiner, unmittelbarer und gleicher Wahl bestimmt worden sein. 163 Unter betriebsverfassungsrechtlichen Aspekten soll der Arbeitsgruppensprecher allein eine sachgemäße Zusammenarbeit der Gruppenmitglieder mit dem Betriebsrat sicherstellen und den Informationsfluß zwischen diesen verbessern. l64 Der Gruppensprecher vertritt nicht den Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber. 165 Der Arbeitgeber und der Betriebsrat sind aber befugt, den Gruppensprecher beizuziehen, wenn Angelegenheiten zu erörtern sind, die die vertretenen Arbeitnehmer betreffen. 166 Darüber hinaus kann der Gruppensprecher mit beratender Stimme im Rahmen der Betriebsratssitzungen die Interessen der Gruppenmitglieder zur Geltung bringen. 167 Der Arbeitgeber ist nicht daran gehindert, eine arbeitsgruppenorientierte Arbeitsorganisation einzuführen. Die Einrichtung betrieblicher Subsysteme ist dem Aufgabenfeld der Autbauorganisation zuzurechnen. 168 Diese legt das statische System der organisatorischen Einheiten einer Unternehmung sowie die jeweiligen Zuständigkeiten hinsichtlich der arbeitsteiligen Erfüllung der Unternehmensaufgabe fest. 169 Die Festlegung der Organisationsstruktur zählt zu den wichtigsten Aufgaben der Unternehmensführung und ist folglich als unternehmerische Entscheidung zu charakterisieren. 170 Vgl. etwa Kraft, GK-BetrVG, § 3 Rn. 35 ff. Schaub, AR-Handbuch, § 216 II 2; Siebert / Becker, BetrVG, § 3 Rn. 3. 162 DKKS / Trümner, BetrVG, § 3 Rn. 24; Fitting / Auffarth / Kaiser / Heither, BetrVG, § 3 Rn. 20. 163 Dietz / Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 19; Fitting / Auffarth / Kaiser / Heither, BetrVG, § 3 Rn. 20. 164 Kraft, GK-BetrVG, § 3 Rn. 13. 165 DKKS / Trümner, BetrVG, § 3 Rn. 23; Dietz / Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 20. 166 Kraft, GK-BetrVG, § 3 Rn. 13. 167 Fitting / Auffarth / Kaiser / Heither, BetrVG, § 3 Rn. 2l. 168 Vgl. Krüger, Organisation, S. 37 ff., 53 f. 169 Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart., ,,Aufbauorganisation"; Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 183. 170 Vgl. Krüger, Organisation, S. 248. Zu der tarifvertraglichen Perspektive, Kreße1, RdA 1994, S. 23 (23 ff.). 160 161
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Allerdings sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der innerbetrieblichen Einführung dieses Systems zu beachten.!7! Wählen die Arbeitsgruppen auf Initiative des Arbeitgebers Arbeitsgruppensprecher, so ist das zulässig, soweit die Sprecher nicht die Gruppenmitglieder gegenüber dem Betriebsrat vertreten und der Sprecher als zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretung zu charakterisieren ist. 172 Der Arbeitgeber darf die Arbeit des Betriebsrats nicht behindern!73 und darüber hinaus nicht gegen seine Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG verstoßen. Die Arbeitsgruppen dürfen demzufolge nicht als Gegenveranstaltung zu dem Betriebsrat verstanden und genutzt werden.!74 Der Gruppensprecher kann aber die Gruppenmitglieder gegenüber dem Arbeitgeber vertreten und gegebenenfalls Arbeitgeberfunktionen ausüben. 175 Dies entspricht den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Vertretungsmacht.!76 Naturgemäß überträgt der Arbeitgeber bestimmte Managementbefugnisse auf die Arbeitsgruppe. Fraglich erscheint, ob die Arbeitsgruppe an Stelle des Arbeitgebers die Beteiligungsrechte des Betriebsrats beachten muß. In der Literatur sind die vereinzelt anzutreffenden Stimmen kontrovers. Nach Rüthers!77 ist die Kompetenz des Betriebsrats unabdingbar und kann auch nicht dadurch geschmälert werden, daß der Arbeitgeber Teile seines Direktionsrechts auf die Gruppen delegiert. Die Kontrollbefugnisse des Betriebsrats würden sich gegen jede Instanz richten, die delegierte Arbeitgeberfunktionen ausüben würde. Hunold!78 demgegenüber geht bei autonomen Regelungen der Gruppe von einer Mitbestimmungsfreiheit dieser Maßnahme aus, soweit der Arbeitgeber sich jeder Einmischung in die Willensbildung der Gruppe enthält, da in einem solchen Fall keine Maßnahme des Arbeitgebers vorläge.
Der Ausgangspunkt von Rüthers ist insoweit zutreffend, da das BetrVG nicht unterscheidet, ob der Arbeitgeber oder eine von ihm dafür bestimmte Stelle kraft Kompetenzdelegation Direktionsrechte ausübt. Übersehen wird aber hierbei, daß Dazu insbesondere Hunold, Lean Production, S. 21 ff. Däubler, Gruppenarbeit, S. 332. 173 § 78 BetrVG, dazu Tesarczyk, Sondervertretungen, S. 105 ff. 174 BAG 27. 6. 1989 SAE 1990, S. 163 mit kritischer Anmerkung Belling I Liedmeier, nach dem Mitarbeiterversammlungen des Arbeitgebers nicht als "Gegenveranstaltungen" gegenüber Betriebsversammlungen mißbraucht werden dürfen. 175 Vgl. etwa Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. I, § 78 11 3; Schaub, AR-Handbuch, § 18211 2. 176 §§ 164 ff. BGB; vgl. auch Schack, Liberalisierung, S. 51. 177 Rüthers, ZfA 1977, S. I (15 f.). 178 Hunold, Lean Production, S. 20, 21. 171
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nicht irgendein Manager, sondern die Arbeitnehmer eigenständig eine Regelung treffen, die der Betriebsrat grundsätzlich allein auch partiell in ihrem Interesse hätte treffen sollen. Hunold greift für seine Ansicht wohl allein auf den Kompetenzträger "Arbeitnehmergruppe" zurück, übersieht aber, daß die Gruppe delegierte Rechte des Arbeitgebers wahrnimmt und insoweit wie dieser und für diesen tätig wird.
Wäre die Tätigkeit der Arbeitsgruppe als freiwillige Tätigkeit einzustufen oder davon auszugehen, daß die Arbeiten aus eigenem Antrieb vorgenommen worden wären, so würde dies nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Mitbestimmungspflichtigkeit der getroffenen Regelungen nicht ausschließen. 179 Darüber hinaus ist ein Verzicht auf betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Betriebsabsprache oder Vertrag grundsätzlich unzulässig. 180 Die Lösung dieser Frage ergibt sich aus dem zwingenden Charakter des BetrVG. Die Maßnahmen des Arbeitgebers sollen, soweit sie grundsätzlich der Mitbestimmung unterliegen, rechtswidrig sein, wenn diese der notwendigen Mitbestimmung entbehren. 181 Erfaßt ist hierbei jede Art von Maßnahme, die geeignet ist, zu einer Umgehung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu führen wie zum Beispiel der Abschluß gleichlautender Einzelarbeitsverträge. 182 Dementsprechend muß, soweit gesetzlich statuiert, der Betriebsrat bei gruppenintemen Lösungen, wie beispielsweise der Arbeitszeit, beteiligt werden. 183 Gegebenenfalls ist bei Streitigkeiten ein Einigungsstellenverfahren durchzuführen. 184
11. Das Betriebsverfassungsgesetz 1972 Das BetrVG 1972 ist in drei Hauptabschnitte aufgeteilt. Im ersten Abschnitt des Gesetzes werden die organisatorischen Fragen behandelt (§§ 1 bis 73 BetrVG). Die Mitbestimmungsregelungen finden sich im zweiten Abschnitt (§§ 74 bis 113 BetrVG). Im dritten Abschnitt sind verschiedene Sonderregelungen (§§ 114 bis 132 BetrVG) statuiert, die an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben können. Der Betriebsrat gilt als Repräsentant der Belegschaft. 185 Der Arbeitgeber und der Betriebsrat unterliegen der betrieblichen Friedenspflicht l86 , sollen die Persön179 BAG 8. 6. 1982 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; 21. 12. 1982 AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG 27.11. 1990 AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (eigener Antrieb), ebenso MünchArbR / Matthes, § 327 Rn. 19. 180 Vg1. etwa Wiese, GK-BetrVG, Einleitung, Rn. 72; ders., RdA 1968, S. 455 ff. 181 Vg1. statt aller Wiese, GK-BetrVG, § 87 Rn. 76, m.w.N. 182 Fitting / Auffarth / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rn. 19. 183 § 87 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 BetrVG. 184 § 87 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 i.V.m. § 87 Abs. 2 BetrVG. 185 Adomeit, Arbeitsrecht, D I 4; MünchArbR / Matthes, § 318 Rn. 50.
8 Schack
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
lichkeitsentfaltung der Arbeitnehmer fördern und jegliche Diskriminierung unterlassen. 187 Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung in die betriebliche Praxis verbleibt jederzeit bei dem Unternehmer oder dessen Vertreter, da dem Betriebsrat kein Herrschafts- oder Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern zusteht und er nicht durch einseitige Handlungen in den Betrieb eingreifen darf. 188 Von besonderer Bedeutung ist das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs. 189 Verlangt wird dadurch eine Kooperation anstatt einer Konfrontation, und beiderseitig muß das Wohl der Arbr;"lchmer und des Betriebs zur Richtschnur der jeweiligen Handlungen gemacht \\ .:rden. 190 Die verschiedenen Interessen sollen partnerschaftlieh zum Ausgleich gebracht werden, so daß der Partnerschaftsgedanke zu den grundlegenden Organisations- und Konstruktionsprinzipien des Betriebsverfassungsrechts gerechnet werden kann. 191 Bei Bedarf ist zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat eine Einigungsstelle zu bilden, die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebspartnern beilegen SOll.192 Die Kosten der Einigungsstelle hat der Arbeitgeber zu tragen; hierzu zählen alle Kosten, die unvermeidbar mit der Durchführung des Einigungsstellenverfahrens entstehen, 193 Die betriebliche Einigungsstelle setzt sich aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen, zusammen, Gegen die Beteiligung einer Einigungsstelle spricht grundsätzlich, daß deren Einrichtung Kosten verursacht und Zeit beansprucht. 194 Darüber hinaus ist der unparteiische Vorsitzende, dem aufgrund seiner maßgeblichen Rechtsposition eine wichtige Rolle im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens zukommt l95 , betriebsund unternehmensfremd, so daß es ihm oftmals an einer" untemehmenspolitischen Weisheit" 196 mangeln wird.
§ 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. § 75 Abs. 1 u. 2 BetrVG. 188 MünchArbR I v. Hoyningen-Huene, § 289 Rn, 5. 189 §§ 2 Abs. 1,74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG; vgl. etwa Dietz I Richardi, BetrVG, § 2 Rn. 4. 190 Thiele, GK-BetrVG (4. Aufl.), Einleitung Rn. 60. 191 Thiele, GK-BetrVG (4. Aufl.), Einleitung Rn. 61; Galperin I Löwisch, BetrVG, vor § I Rn. 15. 192 § 76 Abs. I Satz I BetrVG; vgl. etwa Kreutz, GK-BetrVG, § 76 Rn. 5 f. 193 § 76 a Abs. I BetrVG; vgl. etwa Gaul, Betriebsänderung, S. 146. 194 V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 6 VII I b. 195 Vgl. § 67 Abs. 3 Satz 2 BetrVG; Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 76 Rn. 50. 196 Martens, RdA 1989, S. 164 (169), m.w.N. 186
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1. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats
Das Betriebsverfassungsrecht hat die Mitwirkungs- oder Beteiligungsrechte des Betriebsrats in ihrer Intensität unterschiedlich ausgestaltet. Das BetrVG gliedert darüber hinaus die Mitbestimmung des Betriebsrats nach sachlich verschiedenen Gebieten, und zwar in soziale, personelle und wirtschaftliche Angelegenheiten, wobei die jeweiligen Regelungen abschließend sind. Wird auf die Intensität der eingeräumten Beteiligungsrechte des Betriebsrats abgestellt, so lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden: In der ersten Gruppe, die als eigentliche Mitbestimmung oder Mitbestimmung im engeren Sinne bezeichnet wird l97 , kann der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrats Maßnahmen nicht wirksam durchführen.
Darüber hinaus kann es auch möglich sein, daß der Arbeitnehmerrepräsentant Maßnahmen gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzt, wobei dem Betriebsrat in bestimmten Fällen auch ein Initiativrecht zukommen kann. Gelingt keine einvernehmliche Regelung der Betriebspartner, so besteht die Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen. In der zweiten Gruppe finden sich die unterschiedlich ausgestalteten schwächeren Beteiligungsrechte des Betriebsrats, die als sonstige Mitwirkungsrechte (v. Hoyningen-Huene I98 ) oder als Mitwirkung (Adomeit I99 ) bezeichnet werden, wobei auch von einer beschränkten Mitbestimmung gesprochen werden kann (Gitte,zoo). Diese Rechte reichen von Informations-, Anhörungs- bis hin zu Widerspruchsrechten des Betriebsrats. Im weiteren Verlauf soll zwischen den betrieblichen Mitwirkungs-, den Mitbestimmungs- und den Initiativrechten unterschieden werden. Die Beteiligung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten wird zum Abschluß gesondert erläutert. Unberücksichtigt bleiben Beteiligungsrechte bezüglich von Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG), da mit der Einführung von arbeitsgruppenorientierten Arbeitsor-
ganisationen die grundlegenden Änderungen der Betriebsorganisation und ein eventuell notwendiger Arbeitsplatzabbau bereits stattgefunden haben. 201
V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 11 I 1; Adomeit, Arbeitsrecht, D III 3. V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 11 I l. 199 Adomeit, Arbeitsrecht, D III 3. 200 Gitter, Arbeitsrecht, S. 165. 201 Vgl. Hunold, Lean Production, S. 95 ff., zu Fragen der Kündigung bei Einführung von Gruppenarbeit. 197 198
s*
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
a) Die betrieblichen Mitwirkungsrechte
Bei den Mitwirkungsrechten, die dem Betriebsrat zustehen, ist zwischen folgenden Typen zu unterscheiden: 202 aa) Die Unterrichtungs- und Informationspflichten In den Informationsrechten des Betriebsrats findet sich die schwächste Form der Beteiligung des Betriebsrats. 203 Die Rechte des Betriebsrats auf Unterrichtung oder Information eröffnen diesem nicht eine unmittelbare Mitwirkung bei der Betriebsgestaltung oder der Entscheidungsfindung. Die rechtzeitige Unterrichtung der Arbeitnehmervertreter ist hierbei aber besonders neben der Mitbestimmung ein außerordentlich wichtiges Anliegen des BetrVG. 204 Verdeutlicht wird durch diese Pflichten, daß bei der Entscheidung des Arbeitgebers auch die Interessen der Belegschaft zu berücksichtigen sind, die der Betriebsrat vertritt. 205 Von besonderer Bedeutung ist die damit erreichte Transparenz des betrieblichen Produktionsprozesses. Eine allgemeine Informationspflicht begründet die betriebsverfassungsrechtliche Kooperationsmaxime, die darüber hinaus dazu führt, daß die Auskunfts- und Informationspflichten des Arbeitgebers weit auszulegen sind. 206 In der Regel wird der Informationsanspruch des Betriebsrats von dem Recht flankiert, die erforderlichen Unterlagen einsehen zu können oder zu erhalten. 207 Dies gilt zum Beispiel bei der Wahrnehmung allgemeiner Aufgaben durch den Betriebsrat nach § 80 Abs. I BetrVG gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG. In dieser Norm wird ein allgemeiner Schutzauftrag des Betriebsrats norrniert208 , der von der Überwachung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen über die Beantragung von Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, bis hin zur Förderung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb und der Einglie202 Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 46 I I, unterscheiden zwischen Informations- und Mitwirkungsrechten. An dieser Stelle soll aber Adomeit, Arbeitsrecht, D III 3, und v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 11 I 1, gefolgt werden, weil die Informationspflichten in der Regel notwendige Vorstufen der weitergehenden Beteiligungsrechte sind und zudem durch die Pflicht zur Information schon eine mittelbare Beteiligung des BR erreicht ist, weil der Arbeitgeber seine Entscheidung oder Handlung im Rahmen der zu erteilenden Information sehen muß. 203 Gitter Arbeitsrecht, S. 166; v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 11 12 a. 204 Fitting I Auffarth I Kaiser / Heither, BetrVG, § 80 Rn. 25. 205 V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 11 2 a. 206 Dietz I Richardi, BetrVG, § 2 Rn. 9; Fitting I Auffarth I Kaiser I Heither, BetrVG, § 2 Rn. 10. . 207 Informationsrechte sind des weiteren geregelt in den §§ 81, 85 Abs. 3, 89 Abs. 4 u. 5, 90,92,100 Abs. 2,105,106,108 Abs. 5,111 BetrVG. 208 Kraft, GK-BetrVG, § 80 Rn. 1.
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derung ausländischer Arbeitnehmer in diesen, reicht. 209 Darüber hinaus sind die Informationsrechte des Betriebsrats naturgemäß, wie etwa bei § 99 Abs. 1 BetrVG, der sich mit der Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen beschäftigt, als Vorstufe und wichtige Voraussetzung von weitergehenden Mitwirkungsrechten ausgestaltet. 210 bb) Das Recht auf Anhörung und die Vorschlagsrechte Weitergehend wird dem Betriebrat das Recht der Anhörung gewährt. Der Arbeitgeber hat die Meinung des Betriebsrats zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Ein wichtiges Anhörungsrecht statuiert § 102 Abs. I BetrVG, wonach der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören ist und eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. 211 Räumt das BetrVG dem Betriebsrat Vorschlagsrechte ein, wie zum Beispiel in § 92 Abs. 2 BetrVG für die Einführung einer Personalplanung, so muß der Arbeit-
geber diese zur Kenntnis nehmen und ernsthaft prüfen 212 • Der Betriebsrat kann hierbei durchaus den Anstoß für eine innovative Entwicklung geben?13 cc) Die Beratungsrechte Bei den Rechten auf Beratung muß der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht allein informieren, sondern den jeweiligen Verhandlungsgegenstand gemeinsam mit ihm erörtern, wobei die wechselseitigen Gründe abzuwägen sind. 214 Das Entscheidungsrecht bleibt aber auch bei den Gegenständen der Beratungsrechte beim Arbeitgeber. Ein grundlegendes Beratungsrecht ergibt sich aus § 74 Abs. 1 BetrVG, wonach der Arbeitgeber und Betriebsrat über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung mindestens einmal im Monat zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen haben. 215 dd) Die beschränkte Mitbestimmung Bei der beschränkten Mitbestimmung braucht der Arbeitgeber grundsätzlich die Zustimmung des Betriebsrats, will er eine betriebliche Maßnahme unaufhebbar 209
210
211 212
213 214
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Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 579. V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 11 I 2 a. V gl. etwa MünchArbR / Matthes, § 348 Rn. 44 ff. Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 46 I 2 b. Fitting I Auffarth I Kaiser I Heither, BetrVG, § 92 Rn. 8, 35. Schaub, AR-Handbuch, § 230 I 3. Galperin I Löwisch, BetrVG, § 74 Rn. 4.
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
durchführen (vgl. § 101 BetrVG). Bei einer Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, das Arbeitsgericht anzurufen, das prüft, ob ein gesetzlicher Grund zur Zustimmungsverweigerung gegeben ist, und das gegebenenfalls die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt. 216 Hierbei handelt es sich um ein "negatives Konsensprinzip", da der Betriebsrat allein die Verweigerung der Zustimmung unter Berufung auf gesetzlich normierte Gründe vornehmen kann. 217 Ein solches Recht des Betriebsrats ergibt sich z. B. bei personellen Einzelmaßnahmen. 218 Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung oder Versetzung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu dieser Maßnahme einzuholen. Die erforderlichen Bewerbungsunterlagen sind hierbei vorzulegen und auszuhändigen219 und eine Auskunft über die Person der Beteiligten zu erteilen. Nach Ansicht des BAG muß der Arbeitgeber hierbei auch die Bewerbungsunterlagen von Bewerbern dem Betriebsrat vorlegen, die nicht bei der Stellenbesetzung berücksichtigt werden sollen. 22o Darüber hinaus muß der Arbeitgeber Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme erteilen und hierbei wiederum die erforderlichen Unterlagen dem Betriebsrat übergeben. Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn zwingendes Recht der Personalmaßnahme entgegenstehen würde (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG)221, betriebliche Ausschreibungen unterlassen wurden (§ 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG) oder gegen betriebliche Auswahlrichtlinien (§ 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG, vgl. § 95 BetrVG) verstoßen wurde. Darüber hinaus kann die Zustimmungsverweigerung mit einer Störung des Betriebsfriedens (§ 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG) oder einer Benachteiligung der von der Maßnahme betroffenen Person begründet werden (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG). Wenn die Gefahr besteht, daß infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden müssen, kann der Betriebsrat ebenso seine Zustimmung verweigern, insoweit nicht betriebliche oder persönliche Gründe die Maßnahme rechtfertigen (§ 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG). Hierbei ist zum Beispiel der Verlust einer Beförderungschance kein Nachteil im Sinne des Gesetzes. 222 Gitter, Arbeitsrecht, S. 165. V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 11 12 e. 218 Weitere Widerspruchsmöglichkeiten ergeben sich aus den §§ 102 Abs. 3, 103 Abs. 1 BetrVG. 219 BAG 3. 2.1985 AP Nr. 29 zu § 99 BetrVG 1972 mit ab!. Anm. Meise!. 220 BAG 19. 5. 1981 AP Nr. 18 zu § 118 BetrVG 1972 mit Anm. Meisel; a.A. etwa Kraft, FS Rittner, 1991, S. 292. 221 Vg!. den Überblick bei Galperin I Löwisch, BetrVG, § 99 Rn. 74 ff. 222 V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 14 m 5 (Nr. 3). 216
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Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts223 ist dem Repräsentanten der Arbeitnehmer im Rahmen von Einstellungen Gelegenheit zu geben, eigene Anregungen vorzubringen und Gesichtspunkte, die für einen anderen Bewerber sprechen würden, dem Arbeitgeber zu Gehör zu bringen. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) ist hierbei der Arbeitgeber verpflichtet, die Anregungen und Argumente des Betriebsrats ernsthaft in Erwägung zu ziehen und zu prüfen, ob nicht der vom Betriebsrat vorgeschlagene Stellenbewerber für die fragliche Stelle in Frage kommen kann. Die arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Beratung mit dem Betriebsrat über Fragen hinsichtlich personeller Einzelrnaßnahmen verkürzt die unternehmerische Handlungsfreiheit, weil de facto sich der Arbeitgeber nicht ohne weiteres der Entscheidung des Betriebsrats widersetzen kann, will der Arbeitgeber auch hinfort mit dem Repräsentanten der Arbeitnehmerschaft kooperativ und vertrauensvoll zusammenarbeiten. 224 b) Die Mitbestimmung im engeren Sinne
Von einer Mitbestimmung im engeren Sinne oder der eigentlichen Mitbestimmung im Sinne des Betriebsverfassungsrechts kann nur gesprochen werden, wenn den Betriebspartnern ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zusteht. 225 Das BetrVG sieht hierfür das Einigungsstellenverfahren vor, in dem die fehlende Einigung der Betriebspartner durch einen Spruch der angerufenen Einigungsstelle, gegen den Willen von Arbeitgeber oder Betriebsrat, ersetzt werden kann. aa) Die Mitbestimmung in allgemeinen personellen Angelegenheiten Es besteht für den Betriebsrat ein Vorschlagsrecht bezüglich der Personalplanung226, für Berufsbildungsmaßnahmen227 und ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei Auswahlrichtlinien 228 , Personalfragebögen und Beurteilungsgrundsätzen229 . Darüber hinaus kann der Betriebsrat verlangen, daß Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Tätigkeitsarten vor der Vergabe innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden?30 BAG 3. 12. 1985 AP Nr. 29 zu § 99 BetrVG 1972 mit abI. Anm. MeiseI. VgI. Kraft, FS Rittner, 1991, S. 293. 225 MünchArbR / Matthes, § 318 Rn. 22; Gitter, Arbeitsrecht, S. 164 f.; vgI. auch Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 46 I 5 b. 226 § 92 Abs. 2 BetrVG. 227 § 96 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. 228 § 95 Abs. 2 BetrVG. 229 § 94 BetrVG. 230 § 93 BetrVG. 223
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Bei innerbetrieblichen oder bei außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung, bei denen der Arbeitgeber Arbeitnehmer freistellt oder die durch die Teilnahme verursachten Kosten ganz oder teilweise trägt, kann der Betriebsrat Vorschläge für die Teilnahme von Arbeitnehmern oder Gruppen von Arbeitnehmern des Betriebs machen 231 . Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. 232 Aufgrund dieser weitreichenden Mitbestimmungsrechte ist der Betriebsrat besonders in einem größeren Betrieb zu einem "personalpolitischen Mitunternehmer,,233 geworden. Denn die für eine sinnvolle und zukunftsorientierte Unternehmenspolitik notwendigen personellen Grundlagen werden mit Berufsbildungsmaßnahmen, Auswahlrichtlinien, Fragebögen und Beurteilungsgrundsätzen langfristig festgelegt und gesichert. 234 Des weiteren ergibt sich aus einer Zusammenschau der Beteiligungsrechte, daß dem Betriebsrat ein bedeutender Einfluß auf die Personalund Führungsstruktur des Unternehmens wie auf die Aufstiegschancen der Arbeitnehmer durch seine Beteiligungsrechte bei personellen Maßnahmen besonders auf dem Gebiet der Berufsbildung zukommt. 235 Insbesondere die Ausschreibungsverpflichtungen eröffnen dem Arbeitnehmervertreter die Möglichkeit, zusammen mit seinen Rechten bei der Einstellung (Beratung / Zustimmung) massiv auf die Einstellungspolitik des Arbeitgebers Einfluß zu nehmen, wenn dieser etwa den Betrieb durch die Einstellung Betriebsfremder in seiner personellen Zusammensetzung verändern will. Zwar besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit außerbetrieblicher Ausschreibungen (Zeitungsinserat), aber die Stelle darf erst vergeben werden, wenn die innerbetriebliche Ausschreibung abgeschlossen ist. 236 Die Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer Beratung mit dem Arbeitnehmerrepräsentanten über Fragen hinsichtlich der Einstellung Betriebsfremder beschneidet die unternehmerische Handlungsfreiheit, da der Arbeitgeber sich nicht so ohne weiteres der Entscheidung des Betriebsrats zugunsten eines bereits Beschäftigten entgegenstellen kann, soweit dem Arbeitgeber an einer kooperativen Zusammenarbeit gelegen ist. bb) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten § 87 BetrVG regelt die erzwingbare Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten und ist für die betriebliche Produktionssituation von besonderer Bedeutung?37 § 98 Abs. 3 BetrVG. § 98 Abs. 4 Satz I BetrVG. 233 Badura I Rittner I Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 122; Rüthers, System, S. 251. 234 Rumpff I Boewer, Mitbestimmung, S. 55 f. (Rn. 6); Vogt, Persona:l-Auswahlrichtlinien, S. 49 ff. 235 Ebenso Badura I Rittner I Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 122; in dem Sinne wohl Weingart, Mitbestimmung, S. 66 ff. 236 Gnade I Kehrmann I Schneider I Blanke I Klebe, BetrVG, § 93 Rn. 3. 231
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Dabei erfaßt das Gesetz die Arbeitsbedingungen, die sich von Betrieb zu Betrieb unterscheiden müssen und die nicht den einzelvertraglichen Regelungen überlassen bleiben sollen, weil in dem betrieblichen Bereich ein erhöhtes Schutzbedürfnis der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber bestehen sol1.238 Geregelt werden die näheren Umstände, unter denen die Arbeitsleistung erbracht werden muß, wohingegen die Festsetzung der Leistung und Gegenleistung selbst in den jeweiligen Tarifverträgen geschieht. 239 Gemäß § 87 Abs. I BetrVG hat der Betriebsrat nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht (Vorrang von Gesetz und Tarifvertrag)?40 Das Mitbestimmungsrecht realisiert sich allein bei kollektiv wirkenden Entscheidungen, soweit nicht bei individuell konzipierten Angelegenheiten wie etwa die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer der individuelle Charakter offensichtlich iSt. 241 Generelle, kollektive Angelegenheiten liegen immer dann vor, wenn das Regelungsbedürfnis objektiv einen kollektiven Charakter hat, weil kollektive Interessen der Arbeitnehmer eines Betriebs berührt sind. 242 Dementsprechend muß eine Maßnahme des Arbeitgebers als kollektive Regelung angesehen werden, wt:nn es sich nicht mehr um die Regelung eines Ein-. zelfalles handelt, die ein einzelnes individuelles Arbeitsverhältnis betrifft. 243 Im folgenden sollen die wichtigsten Tatbestände der erzwingbaren Mitbestimmung bezüglich ihres Eingriffspotentials in die untemehmerische Entscheidungsfreiheit anhand der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dargestellt werden. 244 (a) Lage der Arbeitszeit
Der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage unterfallen der Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). Die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit ist dabei von dem Mitbestimmungsrecht nicht berührt. 245 237 Mitbestimmungsregelungen finden sich darüber hinaus in den §§ 37 Abs. 6 u. 7, 38 Abs. 2, 39 Abs. 1,47 Abs. 6, 85 Abs. 2, 91, 95 Abs. 1 und 2, 98 Abs. 3 u. 4, 109, 112 Abs. 4, 116 Abs. 3 Nr. 2, 4 u. 8 BetrVG. 238 Vgl. v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 12 I 1 a; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 586. 239 Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 586. 240 Vgl. etwa Söllner, Arbeitsrecht, § 21 III 3; Adomeit, Arbeitsrecht, D III 4 a. 241 MünchArbR / Matthes, § 324 Rn. 24; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 47 IV 2. 242 Hess / Schlochauer / Glaubiiz, BetrVG, § 87 Rn. 20; MünchArbR / Matthes, § 324 Rn. 25; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 47 IV 2; aus der Rechtsprechung etwa BAG 21. 12. 1982 AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG; kritisch Dietz / Richardi, BetrVG § 87 Rn. 17. 243 Fitting / Auffarth / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rn. 18; MünchArbR / Matthes, § 324 Rn. 26. 244 Weitere Tatbestände werden hinsichtlich ihres untemehmerischen Eingriffspotentials untersucht von Badura / Rittner / Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 117 f.; Weingart, Mitbestimmung, S. 56 ff.
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Nach weitgehend abgelehnter Ansicht des Bundesarbeitsgerichts 246 ist ein Spruch der Einigungsstelle rechtswirksam, der die Arbeitszeit des Verkaufspersonals in einem Kaufhaus an langen Samstagen bereits eine Stunde vor der gesetzlichen Ladenschlußzeit enden läßt. Mit dieser Entscheidung trifft das Bundesarbeitsgericht den Kernbereich unternehmerischer Handlungsfreiheit, da insbesondere bei einem Kaufhaus die Ladenöffnungszeiten wesentlich für das Verhalten und den Erfolg des Unternehmens am Markt sind. 247 Die betriebliche Leistungsfähigkeit und folglich die Möglichkeit zu einer flexiblen Reaktion auf die für das Unternehmen verbindliche Marktsituation werden darüber hinaus durch die Mitbestimmungspflichtigkeit der Einführung oder des Abbaus von Schichtarbeit248 bzw. der Festlegung von Dienst- und Schichtplänen249 beträchtlich beeinflußt. 250 (b) Dauer der Arbeitszeit
Eine Doppelfunktion kommt § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu. Will der Arbeitgeber Mehr- oder Kurzarbeit einführen, so muß er hierfür die Zustimmung des Betriebsrats einholen, die des weiteren die tarif- oder einzelvertraglichen Regelungen den veränderten betrieblichen Umständen anpaßt, soweit die Betriebspartner gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG eine Betriebsvereinbarung hierüber abschließen. Die Länge der betrieblichen Arbeitszeit beeinflußt die Kapazität des Betriebs und folglich die Reaktionsmöglichkeiten des Unternehmens auf Nachfrageschwankungen am Markt, so daß die Auswirkungen auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit augenscheinlich sind. 251 (c) Technische Überwachungseinrichtungen
Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten und die Leistung des Arbeitnehmers zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Das 245 Strittig, vgl. Weingart, Mitbestimmung, S. 55, m.w.N. in Fn. 89; Gnade I Kehrmann I Schneider I Blanke I Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 13. 246 BAG 31. 8. 1982 AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 72; a.A. etwa v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 1211 2 (Beispielsfall); Lieb, DB 1981, Beil. 17; Reuter, ZfA 1981, S. 165 ff.; Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 47 11 2, m.w.N. 247 Vgl. etwa Erdmann, FS Molitor, 1988, S. 90 f.; Kraft, FS Rittner, 1991, S. 294 f. 248 BAG 28. 10. 1986 AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit mit Anmerkung RathG1awatz. 249 BAG 8.8. 1989 AP Nr. II zu § 23 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 250 Ebenso Weingart, Mitbestimmung, S. 55. 251 Ebenso Badura I Rittner I Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 117; Dietz I Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 237; Weingart, Mitbestimmung, S. 56.
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Bundesarbeitsgericht252 legt das Tatbestandsmerkmal "dazu bestimmt" aufgrund teleologischer Auslegung als "dazu geeignet" aus und stellt folglich auf die objektive Geeignetheit einer technischen Einrichtung ab. § 87 Abs. I Nr. 6 BetrVG entwickelte dementsprechend in den letzten Jahren eine immense Bedeutung bei der Einführung neuer Techniken, wie elektronische Datenverarbeitung (EDV) und Bildschirmarbeitsplätze, da durch diese Techniken oftmals objektiv eine Überwachung der Arbeitnehmer möglich wird?53 Das Bundesarbeitsgericht254 bejaht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn bei Bildschirmarbeitsplätzen zum Beispiel die Programme dazu geeignet sind, individuelle oder individualisierbare Daten zu gewinnen. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts 255 sind darüber hinaus insbesondere die Personalinformationssysteme ("Paisy") mitbestimmungspflichtig 256.
Grundsätzlich ist eine mitbestimmungspflichtige technische Einrichtung nur gegeben, wenn Verhaltens- oder Leistungsdaten gewonnen werden, die sich auf bestimmte oder bestimmbare Arbeitnehmer beziehen. 257 Hiervon hat das BAG erstmalig eine Ausnahme bei Gruppenarbeit im Gruppenakkord gemacht, bei der allein gruppenbezogene Leistungsdaten mit sog. KienzleSchreibern gewonnen wurden. Das Gericht258 ist der Ansicht, daß bei Akkordgruppen der auf der Gruppe lastende Überwachungsdruck (Akkordentlohnung) auf das Gruppenmitglied durchschlägt, da sich die gruppeninternen Zwänge auf die einzelnen Gruppenmitglieder übertragen. Des weiteren geht das BAG259 nunmehr davon aus, daß auch bei gruppenbezogenen Arbeitswirtschaftsinformationssystemen (ARWIS) und leistungsunabhängigem Entgelt der Gruppenmitglieder ein individuell spürbarer Überwachungsdruck entsteht, der zur Mitbestimmungspflichtigkeit der Anwendung des Systems ARWIS führt. Nach Ansicht des Gerichts 260 ergibt sich für die Arbeitsgruppe eine nichtrechtliche Verantwortlichkeit, soweit dieser ein bestimmtes Arbeitsergebnis BAG 9. 9. 1975 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung mit Anmerkung Hinz. Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke / Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 24 ff.; v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 1211 6 b; Rumpff / Boewer, Mitbestimmung, S. 79 (Rn. 45 ff.) 254 BAG 6. 12. 1983 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung mit Anmerkung Richardi. 255 BAG 11. 3. 1986 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung mit Anmerkung Kraft. 256 Vgl. dazu insbesondere Ehmann, ZfA 1986, S. 357 (385 ff.). 257 BAG 6. 12. 1983 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung mit Anmerkung Richardi; MünchArbR / Matthes, § 330 Rn. 27, m.w.N. 258 BAGE 51, S. 143 (149 f.); zustimmend etwa OKKS / Klebe, § 87 Rn. 147; Gola, ArbuR 1988, S. 105 (110); ablehnend etwa Gaul, RDV 1987, S. 109 (115); Kort, eR 1987, S. 300 (306 f.), jeweils m.w.N. 259 BAG 26.7. 1994, OB 1995, S. 147, dazu s.o. § 6 I. 260 BAG 26. 7.1994, OB 1995, S. 147, dazu s.o. § 6 I. 252 253
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
zugeschrieben werden kann. Diese Verantwortlichkeit resultiere aus einem Anerkennungs streben der Gruppe bzw. ihrer Mitglieder gegenüber dem Arbeitgeber und / oder den Kollegen, welches auf das einzelne Gruppenmitglied durchschlage und zu einem sozialen Druck führe. Das BAG würdigt in den letztgenannten Entscheidungen unzutreffend die betriebsverfassungsrechtliche Bedeutung der sozialen Dimension261 von Gruppenarbeit hinsichtlich des festgestellten Überwachungsdrucks. Zwar muß dem BAG in seiner Charakterisierung der Wirkung von Gruppenarbeit zugestimmt werden, aber der im Rahmen der Gruppenarbeit festgestellte Gruppenzwang, der sich zu einem Überwachungsdruck seitens der Arbeitskollegen verdichtet, resultiert nicht aus einer technischen Einrichtung, sondern aus der besonderen Arbeitssituation in einer Arbeitsgruppe, in der die Kollegen 262 die gemeinschaftliche Leistungserbringung überwachen. Dieser Beteiligungstatbestand entwickelt eine weitgehende Relevanz für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens am Markt. Zum einen werden die unternehmerischen Planungsprozesse betroffen, da deren Effizienz durch den Einsatz von EDV gesteigert werden kann. 263 Mit der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte EDV-Anlage oder eine bestimmte Software wird etwa auf die Informationsverarbeitung, Kundenauftragsabwicklung und die nachfrageorientierte Produktion im besonderen Maße Einfluß genommen. 264 Dieses Mitbestimmungsrecht beeinflußt des weiteren die wirtschaftliche Entscheidung hinsichtlich der Beschaffung von elektronischer Datenverarbeitung 265 und entwickelt sich im Rahmen der Datenverarbeitung "zur Generalklausel betrieblicher Mitbestimmung ,,266. Zum anderen wird das Unternehmensinteresse an der Einführung von EDV ausgenutzt, um dem Arbeitgeber ein Entgegenkommen etwa bei Arbeitsplatz- oder Lohngarantien abzuringen 267 .
S.o. § 61. Vgl. etwa Ehmann, ZfA 1986, S. 357 (381); Gaul, RDV 1987, S. 109 (115); Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rn. 307; a.A. DKKS I Klebe, BetrVG, § 147 Rn 147, m.w.N. 263 Perlitz, Stichwortart. "Organisation des Planungsprozesses", Handwörterbuch der Planung. Sp. 1307. 264 Erdmann, PS Molitor, 1988, S. 94 f. 265 Ebenso Weingart, Mitbestimmung, S. 59. 266 Ehmann, ZfA 1986, S. 357 ff. 267 Nipperdey, eR 1987, S. 434 (438). 261
262
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c) Die Initiativrechte
Die Mitbestimmung im engeren Sinne verschafft dem Betriebsrat eine gleichberechtigte Beteiligung an den Entscheidungen des Arbeitgebers, setzt aber gleichermaßen voraus, daß der Arbeitgeber handelt, da im Unterlassen einer Maßnahme keine mitbestimmungsrechtliche Angelegenheit zu sehen ist. 268 Hier setzen die Initiativrechte des Betriebsrats an. 269 Der Betriebsrat kann gemäß § 91 BetrVG vom Arbeitgeber angemessene Maßnahmen zur Abwendung von Belastungen auf seiten der Arbeitnehmer verlangen, wenn diese durch Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung hervorgerufen werden und die Veränderungen offensichtlich gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit widersprechen. Nach herrschender Lehre besteht darüber hinaus ein Initiativrecht des Betriebsrats in allen sozialen Angelegenheiten (§ 87 Abs. 1 BetrVG).27o Das Bundesarbeitsgericht erkennt dem Betriebsrat zum Beispiel ein Initiativrecht271 für die Einführung von Kurzarbeit zu und greift weitreichend in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein272 , da es dem Arbeitgeber damit verwehrt, einen Personalabbau vorzunehmen und die betriebliche Lohnsumme zu senken. d) Die wirtschaftlichen Angelegenheiten
Eine weitere Form der "mittelbaren Mitbestimmung" wird durch den Wirtschaftsausschuß ausgeübt. Dieser soll in Betrieben mit mindestens 100 Arbeitnehmern installiert werden. Der Ausschuß besteht aus drei, höchstens jedoch sieben Mitgliedern, die dem Unternehmen angehören müssen. Aufgabe des Wirtschaftsausschusses ist es, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten. 273 Der Arbeitgeber hat den Wirtschaftsausschuß über die wirtschaftlichen Angelegenheiten zu informieren, zu denen insbesondere nach § 106 Abs. 3 BetrVG zu rechnen sind: die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens, die Produktions- und Absatzlage, das Produktions- und Investitionsprogramm, Rationalisierungsvorhaben, Fabrikations- und Arbeitsmethoden, insbesondere die Einführung neuer Arbeitsmethoden, Einschränkung, Stillegung oder Verlegung von BeGitter, Arbeitsrecht, S. 166; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 46 I 6. Neben, den hier ausdrücklich genannten finden sich in den §§ 95 Abs. 2 und 104 BetrVG weitere Initiativrechte. 270 Fitting / Auffarth / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rn. 26; Wiese, GK-BetrVG, § 87 Rn. 100 ff.; a.A. etwa Kraft, FS Rittner, 1991, S. 289. 27l BAG 4.3. 1986 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972. 272 Ebenso Erdmann, FS Molitor, 1988, S. 92; Kraft, FS Rittner, 1991, S. 300. 273 § 106 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. 268 269
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
trieben oder Betriebsteilen oder deren Zusammenschluß sowie andere Vorgänge oder Vorhaben, die die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können. 274 Das Betriebsverfassungsrecht räumt dem Wirtschaftsausschuß als Hilfsorgan des Betriebsrats275 grundsätzlich allein ein Beratungs- und Informationsrecht und keine Entscheidungskompetenzen ein. Ein echtes Mitbestimmungsverfahren wird nur hinsichtlich des Umfangs der Auskunftspflicht vorgesehen. 276 Aber der Katalog der regelmäßig auf Unternehmensebene zu entscheidenden wirtschaftlichen Angelegenheiten, der sich wie eine Gliederung eines Lehrbuchs der Betriebswirtschaftslehre zur Führung von Unternehmen liest277 , versetzt die Arbeitnehmervertreter in die Lage, unternehmerische betriebsrelevante Fragestellungen frühzeitig zu erkennen und in die jeweilige Entscheidung des Arbeitgebers die Interessen der Belegschaft einfließen lassen zu können 278 , denn die Informationspflicht des Arbeitgebers soll maßgeblich dazu dienen, daß eine partnerschaftlich vertrauensvolle Zusammenarbeit im Betrieb gefördert wird. 279
2. Ergebnis
Bei der Bewertung der Beteiligungsmächtigkeit der betrieblichen Arbeitnehmervertretung ist zunächst zwischen der Mitwirkung und der Mitbestimmung zu unterscheiden. Die Mitwirkungsrechte, wie die Unterrichtungs-, die Informations-, die Anhörungs-, die Vorschlags- und die Beratungsrechte, eröffnen dem Arbeitnehmerrepräsentanten zwar nicht im Sinne von echten Mitbestimmungsrechten Einfluß auf die Entscheidungsfindung des Arbeitgebers. Aber diese Rechte beeinflussen in ihrer Gesamtheit den Willensbildungsprozeß des Arbeitgebers, da von ihnen der gesamte innerbetriebliche Entscheidungsprozeß betroffen ist. Schon mit den reinen Informations- und Unterrichtungspflichten wird der Arbeitgeber dazu veraniaßt, den Gegenstand der Information regelmäßig verhandlungsgerecht vorzubereiten, um eventuell über Handlungsalternativen zu verfügen, die gegebenenfalls in der Beratung gemäß § 74 Abs. I BetrVG zu einer gütlichen Einigung führen können. Dieser Zustand wird bei Gruppenarbeit dynamisiert, da sich der Arbeitgeber zwei Interessenvertretern gegenübersieht, wobei die frühzeitige Information des 274 Vgl. etwa dazu Rumpff / Boewer, Mitbestimmung, S. 182 ff. (Rn. 13 ff.); Galperin / Löwisch, BetrVG, § 106 Rn. 72. 275 Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 106 Rn. 21; Wiese, GK-BetrVG, § 106 Rn. 1. 276 § 109 BetrVG.
So zutreffend v. Hoyningen-Huene, FS Kissel, 1994, S. 407. Vgl. Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 106 Rn. 22 f.; Rumpff / Boewer, Mitbestimmung, S. 193 (Rn. 29). 279 BAG 31. 10. 1975 EzA § 106 BetrVG 1972 Nr. 2; Wiese, GK-BetrVG, § 106 Rn. 43. 277 278
§ 7 Betriebsverfassungsgesetz 1972
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Arbeitsgruppensprechers regelmäßig besonders im Interesse des Arbeitgebers liegt, da die Gruppe partiell Managementfunktionen ausübt. Besonders augenscheinlich wird dies bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung, die die Gruppe wie den Betriebsrat tatsächlich wie rechtlich betreffen (§ 90 BetrVG). Die Anhörungs-, die Vorschlags- und die Beratungsrechte eröffnen dem Arbeitnehmerrepräsentanten weitergehend einen mittelbaren Einfluß auf die unternehmerische Entscheidungsfindung des Arbeitgebers. Besonders augenscheinlich wird dies bei den Informations- und Beratungspflichten über wirtschaftliche Angelegenheiten. Die unmittelbaren Mitbestimmungsrechte eröffnen darüber hinaus der Arbeitnehmervertretung ein vielfältiges Eingriffspotential in die unternehmerische Freiheit. Dies wird zum einen besonders durch die Stellung des Betriebsrats als personalpolitischer Mitunternehmer und die arbeitszeitbezogenen Beteiligungsrechte deutlich. Zum anderen ist das Mitbestimmungspotential des Betriebsrats bei der elektronischen Datenverarbeitung überaus wichtig, das durch die Einführung von Gruppenarbeit und die Rechtsprechung des BAG dazu noch vergrößert wird. Die betriebsverfassungsrechtlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte können wiederum nicht punktuell bewertet werden. Vielmehr sind diese in ihrer Wirkung als Gesamtheit zu sehen. Diese Rechte durchziehen den gesamten betrieblichen Bereich und wirken stetig, soweit die Arbeitnehmer individuell oder die Belegschaft als Kollektiv betroffen sind. Dementsprechend ist der Arbeitgeber gehalten, bei jeder anstehenden Entscheidung, die mittelbar oder unmittelbar die Betriebsangehörigen betrifft, die zu erwartenden Auswirkungen in den Entscheidungsprozeß mit einzustellen und einen Ausgleich zwischen sozialen, personellen und unternehmerisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten herzustellen 28o• Auf diese Weise gelangt in der Regel jede betriebliche Entscheidung in den Filter der Arbeitnehmerinteressen. Zunächst ist besonders auf die Transparenz des betrieblichen Geschehens zu verweisen, die durch die grundlegenden Informationsrechte erreicht wird. Die Informations- und Beratungsrechte im Wirtschaftsausschuß führen des weiteren dazu, daß "betrieblich" die unternehmerischen Entscheidungen schon frühzeitig beeinflußt werden können. So zum Beispiel, wenn der Betriebsrat deutlich werden läßt, daß ein bestimmtes Sondermodell nicht im Rahmen von Sonderschichten gebaut werden kann, soweit nicht die Einigungsstelle zugunsten des Arbeitgebers entscheidet. Informations-, Beratungs- und Mitbestimmungsrechte führen in einem Zusammenspiel folglich zu einem echten unternehmerischen Mitbestimmungstatbestand kraft Wechselwirkung. Da sich die Einflußsphäre der Arbeitnehmervertretung in einem Unternehmen mit nur einem Betrieb auf die Belegschaft des ganzen Unter280
Badura I Rittner I Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 127 f.
128
3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
nehmens erstreckt28 1, kann die Tätigkeit des Betriebsrats darüber hinaus auch die gesamte unternehmerische Tätigkeit des Arbeitgebers und die unternehmerischen Entscheidungen beeinflussen.
§ 8 Die mitbestimmte Aktiengesellschaft Nachdem die betrieblichen Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer untersucht wurden, soll nunmehr die Reichweite der unternehmerischen Mitbestimmung in einer mitbestimmten Aktiengesellschaft untersucht werden. Das Mitbestimmungsgesetz 1976 betrifft die Unternehmen 282, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, einer GmbH, einer bergrechtlichen Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit oder einer Erwerbs- und Wirtschafts genossenschaft betrieben werden und die in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen. 283 Tendenzunternehmen sowie Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen sind von der Anwendung des MitbestG ausgenommen 284 , um diesen eine ungestörte Verfolgung ihrer Tendenz zu ermöglichen. 285 Die Reichweite des Mitbestimmungsgesetzes in einer Aktiengesellschaft ergibt sich aus den Befugnissen des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, da die Arbeitnehmervertreter in dieses Organ des Unternehmens entsendet werden?86
I. Der Aufsichtsrat Im Aufsichtsrat ist eine numerische Parität hergestellt. 287 Die Aufsichtsräte in diesen Unternehmen werden mit der gleichen Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer besetzt. 288 Die im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften haben im Unternehmen bis zu 20.000 Arbeitnehmern zwei und in größeren Unternehmen drei Sitze im Aufsichtsrat. 289
281 282 283
284 285 286 287 288 289
Badura / Rittner / Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 105. Zur Geschichte des Mitbestimmungsgesetzes etwa Martens, JuS 1983, S. 329 (333). § lAbs. 1 MitbestG. § lAbs. 4 MitbestG. MünchArbR / Wißmann, § 367 Rn. 30. Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 51 III. Niedenhoff, Mitbestimmung, S. 60. § 7 Abs. I MitbestG. § 7 Abs. 2 MitbestG; vgl. etwa MünchArbR / Wißmann, § 368 Rn. 6.
§ 8 Die mitbestimmte Aktiengesellschaft
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Die übrigen Sitze müssen mit Arbeitnehmern des Unternehmens besetzt werden. Die Besetzung erfolgt durch die Gruppe der Arbeiter, Angestellten und leitenden Angestellten gemäß ihrem Anteil in der Gesamtbelegschaft. Der Aufsichtsratvorsitzende und sein Stellvertreter werden als Vertretungsorgan mit 2 / 3 Mehrheit vom Aufsichtsrat gewählt. 290 Wird diese nicht erreicht, so wählen die Vertreter der Anteilseigner den Vorsitzenden und die Arbeitnehmervertreter den Stellvertreter. 291 Die Beschlußfassung, die innere Ordnung und die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats unterliegen uneingeschränkt den Normen des AktG292 , soweit dies nicht vom MitbestG verändert wird; dabei entsprechen die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmervertreter grundsätzlich denen der anderen Aufsichtsratsmitglieder. 293 Die Arbeitnehmervertreter müssen die Belange der Arbeitnehmer in die Entscheidungsprozesse im Aufsichtsrat einbringen, sind aber hierbei auf das Unternehmensinteresse verpflichtet294 , dessen inhaltliche Konkretisierung nahezu ungeklärt ist295 . Eine abstrakte Bestimmung des Unternehmensinteresses ist kaum möglich und muß jeweils im Einzelfall aus der Sicht des Unternehmens und dessen Bedürfnissen erfolgen. 296 Die Interessen der Arbeitnehmer und Anteilseigner sind dementsprechend zu berücksichtigen. 297 Da die Existenz der Gesellschaft auf dem finanziellen Einsatz der Aktionäre beruht, sind deren Interessen zu bevorzugen. 298 Dies bedeutet aber nicht, daß die individuellen Anteilseignerinteressen zu berücksichtigen sind, sondern, daß das typisierte Gesellschaftsinteresse zum Maßstab wird299 und folglich der langfristige Bestand der Gesellschaft als oberste Richtschnur zu werten ist. 300 Das MitbestG geht von einer Einigung der Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter als Leitbild aus. 301 Dies verdeutlichen die Vorschriften über die Wahl der Vorstandsmitglieder und über die gewöhnlichen Abstimmungen des Aufsichtsrats. Dazu etwa Adomeit, Arbeitsrecht, D IV 2. § 27 Abs. 2 MitbestG. 292 § 25 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG. 293 Kraft / Kreutz, Gesellschaftsrecht, C VII d, e. 294 H.M. in Rechtsprechung und Lehre, vgl. etwa BVerfGE 50, S. 290 (374); BGH NJW 1979, S. 1823 (1826); Lutter / Krieger, Rechte, Rn. 303. 295 Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 46; vgl. auch etwa Fitting / W10tzke / Wißmann, MitbestG, § 25 Rn. 95. 296 Lutter / Krieger, Rechte, Rn. 303; Koch, Untemehmensinteresse, S. 66. 297 Vgl. etwa Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 48; Westermann, ZGR 1977, S. 219 (224 f.). 298 Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 48; Wiedemann, BB 1978, S. 5 (11). 299 Wiedemann, BB 1978, S. 5 (11). 300 Vgl. etwa Fitting / W10tzke / Wißmann, MitbestG, § 25 Rn. 95, 96; Lutter / Krieger, Rechte, Rn. 303; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 48; strenger Wiedemann, BB 1978, S. 5 (11). 301 Paefgen, Struktur, S. 111, m.w.N. in Fn. 263. 290 291
9 Schack
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Die Mitglieder des Vorstands werden vom Aufsichtsrat mit 2 / 3 Mehrheit bestellt. 302 Wird diese nicht erreicht, so folgt ein Verfahren im "Vermittlungsausschuß", der einen Vorschlag auszuarbeiten hat. 303 Diesen Vorschlag kann der Aufsichtsrat mit der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder annehmen. 304 Erst nachdem sich für den Vorschlag keine einfache Mehrheit gefunden hat, entscheidet bei einer erneuten Abstimmung die hierfür vorgesehene zweite Stimme des Aufsichtsratsvorsitzenden bei einer nochmaligen Pattsituation. 305 Als gleichberechtigtes Mitglied des Vorstands ist ein Arbeitsdirektor zu bestellen. 306 Seine Bestellung und seine Abberufung erfolgen nach den gleichen Regeln wie bei den übrigen Vorstandsmitgliedern und dieser ist ebenso auf das Unternehmensinteresse verpflichtet. 307 Darüber hinaus muß gewährleistet sein, daß er das Vertrauen der Arbeitnehmer genießt und die sozialen und unternehmerischen Interessen zum Ausgleich bringt. 308 Ist es erforderlich, daß im Aufsichtsrat eine Abstimmung wiederholt wird, weil hinsichtlich eines Beschlusses des Aufsichtsrats keine Mehrheit erzielt wurde, so wird eine eventuelle Pattsituation im Rahmen der folgenden Abstimmung durch eine zweite Stimme des Aufsichtsratvorsitzenden aufgehoben. 309 In der Regel wird dieser Abstimmung eine erneute, intensive Erörterung der Beschlußvorlage vorangehen, was dem Sinn des MitbestG entspricht. 310
11. Reichweite der Mitbestimmung Die Geschäftsführungsautonomie des Vorstands wird durch das MitbestG grundsätzlich nicht eingeschränkt. Dieses Gesetz eröffnet demgegenüber einen mittelbaren Einfluß des mitbestimmten Aufsichtsrats auf die Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands?l1
§ 31 Abs. 1 und 2 MitbestG; dazu etwa Niedenhoff, Mitbestimmung, S. 69. §§ 27 Abs. 3 Satz 1,31 Abs. 3 Satz 1,31 Abs. 3 Satz 1 MitbestG. 304 § 31 Abs. 3 Satz 2 MitbestG. 305 § 31 Abs. 4 Satz 1 MitbestG. 306 § 33 MitbestG. 301 MünchArbR / Wißmann, § 369 Rn. 6. 308 Hanau, ZGR 1983, S. 346 (353). 309 § 29 Abs. 2 Satz 1 MitbestG. 310 Paefgen, Struktur, S. 111; Westermann, ZGR 1977, S. 219 (232); a.A. Meilicke / Meilicke, MitbestG, §§ 25 - 29 Rn. 14; Schaub, ZGR 1977, S. 293 (304). 311 Hanau / Ulmer, MitbestG, § 25 Rn. 45. 302 303
§ 8 Die mitbestimmte Aktiengesellschaft
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Dem Aufsichtsrat in einer mitbestimmten Aktiengesellschaft sind insbesondere folgende gesetzlichen Aufgaben zugewiesen: - die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder 312, - die laufende Überwachung der Geschäftsführung 313 , - die Zustimmung zu Geschäftsführungsmaßnahmen, soweit die Satzung dies vorsieht314, - die Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Vorschlags für die Gewinnverwendung 315 , - die Festlegung des Jahresabschlusses 316 und die Bildung von Gewinnrücklagen 317 .
1. Die Bestellung des Vorstands Gemäß § 84 Abs. 1 AktG bestellt der Aufsichtsrat zwingend für höchstens fünf Jahre den Vorstand. Hiermit wirkt der Aufsichtsrat selbständig unternehmerisch. 318 Mit der Bestellungshoheit und der gemäß § 77 AktG bestehenden Kompetenz zur Ressortverteilung besteht die Möglichkeit, auf das weitere Geschick des Unternehmens Einfluß zu nehmen. 319 Die Entscheidung für eine bestimmte Person, die gegebenenfalls für eine bestimmte Geisteshaltung hinsichtlich der Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen, arbeitsorganisatorischen Konzepten und unternehmerischer Verantwortung bekannt ist, bietet die Möglichkeit, auf lange Sicht einen bestimmten Führungsstil im Unternehmen zu verankern. Somit kann der Aufsichtsrat über die Einflußnahme auf die Zusammensetzung des Organs der Geschäftsführung die laufenden Unternehmenstätigkeiten beeinflussen. 32o Der Vorschlag für ein bestimmtes Vorstandsmitglied kann von jedem Aufsichtsratsmitglied eingebracht werden. Darüber hinaus kann der Aufsichtsrat nach § 31 Abs. 1 MitbestG i.V.m. § 84 Abs. 3 AktG ein Vorstandsmitglied aus wichtigem Grund abberufen. Ein solcher Grund ist unter Umständen denkbar, wenn die Belegschaft das Vertrauen in ein Vorstandsmitglied verloren hat und es deshalb zu einem Streik kommt. 321 § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG i.V.m. § 84 AktG. § 25 Abs. 1 Ziff. 1 MitbestG i.V.m. § 111 Abs. 1 AktG. 314 § 25 Abs. 1 Ziff. 1 MitbestG i.Y.m. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. 315 § 25 Abs. 1 Ziff. 1 MitbestG i.Y.m. § 171 Abs. 1 AktG. 316 § 25 Abs. 1 Ziff. 1 MitbestG i.V.m. § 172 Abs. 1 AktG. 317 § 25 Abs. 1 Ziff. 1 MitbestG i.Y.m. § 58 Abs. 2 AktG. 318 Ensch, Mitbestimmung, S. 46; Lutter, Information, S. 1. 319 Kanavelis, Funktion, S. 40 f. 320 Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 51 III. 321 Strittig vgl. etwa Hanau I Ulmer, MitbestG, § 31 Rn. 31; Hoffmann I Lehmann I Weinmann, MitbestG, § 31 Rn. 56, die auf grob sozialwidriges Verhalten abstellen. 312 313
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
2. Überwachung der Geschäftsf"tihrung Nach § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen. Der Aufsichtsrat ist im wesentlichen ein Organ der Überwachung des Vorstands322 , wenn auch nicht alle seine Aufgaben als Konkretisierung seiner Überwachungspflicht gedeutet werden können 323 und in einem florierenden Unternehmen das Verhältnis Vorstand / Aufsichtsrat wohl eher dem Bild einer kooperativen Beratung entspricht324 . Eine abschließende Definition der Geschäftsführungsaufgaben des Vorstands ist hierbei nicht möglich, erfaßt sind Einzelrnaßnahmen ebenso wie die Gesamtleitung des Unternehmens 325 ; insbesondere sind zu nennen die Vorbereitung und Ausführung von Beschlüssen der Hauptversammlung 326 . Die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats wird naturgemäß durch die tatsächlichen Gegebenheiten begrenzt, wenn berücksichtigt wird, daß das Gesetz in § 110 Abs. 3 von vier Aufsichtsratssitzungen im Jahr ausgeht und keine hauptberuflichen Tätigkeiten erwartet werden. 327 Dementsprechend muß und kann sich die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats nicht auf alle Angelegenheiten, insbesondere das Tagesgeschehen der Gesellschaft, erstrecken. 328 Vielmehr hat sich die Überwachung auf die Schwerpunkte der Geschäftsführung zu konzentrieren?29 Hierbei bezeichnet der Katalog der Berichtsthemen in § 90 Abs. 1 AktG auch die Themen, mit denen sich der Aufsichtsrat vordringlich zu befassen hat und auf die er seine Überwachungstätigkeit im wesentlichen beschränken kann. 33o Der Vorstand hat nach § 90 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat zu berichten über33l 1. die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik; 2. die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere die Rentabilität des Eigenkapitals;
Kraft / Kreutz, Gesellschaftsrecht, K IV 2. MünchHdb. AG / Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 1. 324 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 III 1 a, m.w.N. 325 V gl. etwa Schrnidt, Gesellschaftsrecht, § 28 11 1 b. 326 § 83 AktG. 327 Vgl. etwa Kanavelis, Funktion, S. 134 f.; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 31. 328 Fitting / Wlotzke / Wißmann, MitbestG, § 25 Rn. 53; Kölner Kommentar zum AktG / Mertens, § 111 Rn. 28. 329 Vgl. statt aller Kanavelis, Funktion, S. 138, m.w.N. in Fn. 1. 330 Hanau / Ulmer, MitbestG, § 25 Rn. 50; Kölner Kommentar AktG / Mertens, § 111 Rn. 29. 331 Vgl. Kanavelis, Funktion, S. 137 ff.; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 33 ff. 322 323
§ 8 Die mitbestimmte Aktiengesellschaft
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3. den Gang der Geschäfte, insbesondere den Umsatz, und die Lage der Gesellschaft;
4. Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von besonderer Bedeutung sein können. Den Maßstab und das Ziel der Überwachungsfunktion bildet die sorgfältige Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand (vgl. § 93 Abs. 1 AktG).332 Über die Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung 333 hinaus sind auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Vorstandsentscheidungen zu überwachen. 334 Daneben soll sich der Aufsichtsrat ein eigenes Urteil darüber bilden, ob die vom Vorstand verfolgten Ziele und Leitlinien der Unternehmenspolitik etwa plausibel und folgerichtig sind. 335 Die Überwachung durch den Aufsichtsrat betrifft nicht allein die Feststellung und Verhinderung von Mängeln der Geschäftsführung. Vielmehr kommen dem Aufsichtsrat auch Beratungsrechte und -pflichten zu. Der Aufsichtsrat ist als institutioneller Ratgeber und Gesprächspartner des Vorstands zu bezeichnen. 336 Dementsprechend ist der Vorstand verpflichtet und wohl auch gut beraten, sich in einen Diskurs mit dem Aufsichtsrat zu begeben, dem in Großunternehmen auch Führungskräfte anderer Unternehmen angehören. 337
3. Zustimmung nach § 111 Abs. 3 Satz 2 AktG Der Aufsichtsrat kann Maßnahmen der Geschäftsführung an seine Zustimmung binden338 . Bei zustimmungspflichtigen Geschäften wirkt der Aufsichtsrat materiell, unternehmerisch an der Geschäftsführung mit. 339 Allerdings bleibt auch die Geschäftsführungsautonomie des Vorstands gewahrt. 340 Die fehlende Zustimmung kann aber durch einen Beschluß der Hauptversammlung auf Verlangen des Vorstands ersetzt werden. 341 Hanau / Ulmer, MitbestG, § 25 Rn. 51. Lutter / Krieger, Rechte, Rn. 22 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 85 ff. Diese lehnt das Kriterium Ordnungsmäßigkeit allerdings unzutreffend ab. 334 Kölner Kommentar AktG / Mertens, § 111 Rn. 29; Lutter / Krieger, Rechte, Rn. 25 f.; MünchHdb. AG / Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 25. 335 MünchHdb. AG / Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 25; vgl. auch Semler, Überwachungsaufgabe, S. 81. 336 BGHZ 114, S. 127 (130); Lutter / Krieger, Rechte, Rn. 30; a.A. etwa Hanau / Ulmer, MitbestG, § 25 Rn. 29. Hierzu grundsätzlich Semler, Überwachungsaufgabe, S. 93 ff.; Kanavelis, Funktion, S. 196 f. 337 Lutter / Krieger, Rechte, Rn. 30; a.A. Steinmann / Klaus, AG 1987, S. 29 (30). 338 § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. 339 Vgl. BVerfGE 50,290 (323); Kanavelis, Funktion, S. 198. 340 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 ß 1. 341 § 111 Abs. 4 Satz AktG. 332 333
134
3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
4. Der Jahresabschluß
Der lahresabschluß besteht aus - der Bilanz, - der Gewinn- und Verlustrechnung und - dem Bilanzanhang sowie - dem Lagebericht. 342 Der lahresabschluß entwickelt für die Gesellschaft und die Gesellschafter Relevanz, weil sich aus ihm die Gewinnverwendung wie auch die Gewinnhöhe und Gewinnverteilung ergeben, so daß hiervon die Bewertungs-, Rücklagen- und Rückstellungspolitik der Gesellschaft abhängen und von deren Politik wiederum die jeweiligen Ausschüttungen berührt werden. 343 Bei der Aktiengesellschaft, auch der mitbestimmten, legen Vorstand und Aufsichtsrat den lahresabschluß gemeinsam fest?44 Allein bei Streitigkeiten erhält die Hauptversammlung das Recht zur bindenden Feststellung. 345
§ 9 Bewertung des arbeitnehmerseitigen Beteiligungspotentials in seiner Gesamtheit im Hinblick auf seinen paritätsändernden Einfluß Die Untersuchung der "betrieblichen" Ebenen der Mitbestimmung hat gezeigt, daß die Arbeitnehmer an den Entscheidungsprozessen des Arbeitgebers sowohl im Unternehmen (MitbestG 346) als auch im Betrieb (BetrVG 347 ) auf unterschiedliche Weise gesetzlich beteiligt sind und darüber hinaus im Rahmen der gruppenorientierten Arbeitsorganisation im Sinne einer schlanken Fabrik beteiligt werden. 348 Die Bewertung der jeweiligen immateriellen Beteiligungspotentiale erfolgte bis jetzt in der Regel allein aus Sicht der jeweiligen Mitbestimmungsebene, wobei allerdings augenscheinlich wurde, daß zwischen den verschiedenen Ebenen durchaus Wechselbeziehungen bestehen. 349 Da eine ebenenbezogene und mithin isolierte §§ 242, 264 HGB. Vgl. Zöllner in Baumbach I Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 7; Brox, Handelsrecht, Rn. 192; Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 51 III 2. 344 § 172 AktG, § 264 HGB; dazu etwa Kraft I Kreutz, Gesellschaftsrecht, K VII 3. 345 §§ 172, 173 AktG. 346 S.o. § 8. 347 S.o. § 7. 348 S.o. § 6 11 2. 349 S.o. § 7 I, 11 I, 2. 342 343
§ 9 Beteiligung und funktionelle Parität
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Sichtweise wenig über die Wirkung der arbeitnehmerseitigen Beteiligungsrechte in deren Gesamtheit auf die unternehmerische Entscheidungsautonomie aussagt, stellt sich die Frage, inwieweit die Beteiligungsrechte in ihrer gesamten Wirkung auf die Entscheidungsfindung im Unternehmen wie Betrieb dazu führen, daß die Unternehmensleitung durch die Mitverwaltungsrechte (Unternehmen, Betrieb als Kollektiv) und die Selbstverwaltungsrechte (teilautonome Arbeitsgruppen) der Arbeitnehmer in ihren Führungsentscheidungen im Sinne einer paritätischen unternehmerischen Mitbestimmung betroffen werden. Ausgangspunkt der Beantwortung dieser Frage muß im Rahmen des Untersuchungsobjekts "mitbestimmte Aktiengesellschaft" die Diskussion um das Mitbestimmungsgesetz 1976 sein.
I. Die Frage nach einer funktionellen Betrachtung der arbeitnehmerseitigen Beteiligungsrechte Der Erlaß des MitbestG 1976 warf die Frage auf, ob und inwieweit durch die gesetzlich statuierten Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer bzw. deren Repräsentanten auf betrieblicher Ebene und der gleichzeitigen Beteiligung der Arbeitnehmer auf der Ebene des Unternehmens im Rahmen des MitbestG kraft Kumulation der Beteiligungsrechte eine funktionelle Parität zwischen Unternehmensleitung und Arbeitnehmerschaft erreicht wird.
1. Kölner Gutachten versos Mitbestimmungsurteil
Namentlich Badura, Rittner und Rüthers (Kölner Gutachten) wiesen auf eine Parität im funktionellen Sinne hin und rekurrierten dabei auf den funktionellen Zusammenhang der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer auf betrieblicher Ebene und auf der Ebene des Unternehmens, der zu einer Überparität führen würde?50 Alle gesetzlichen EinfIußmöglichkeiten der Arbeitnehmer auf die unternehmerischen Entscheidungsprozesse wären zu beachten, und eine funktionelle Parität läge vor, "wenn den Arbeitnehmern ein gleichberechtigter und gleichgewichtiger Einfluß auf Entscheidungen des Arbeitgebers / Unternehmers eingeräumt wird. ,,351 Im Kölner Gutachten wurde als Kriterium für eine Parität im funktionellen Sinne bestimmt, daß der Arbeitgeber / Unternehmer eine Entscheidung oder Regelung nur mit Zustimmung der Arbeitnehmervertreter treffen kann. 352
350 Badura I Rittner I Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 114; Scho1z, Mitbestimmung, S. 100, spricht in diesem Zusammenhang von ,,Potenzierungen". 351 Badura I Rittner I Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 114. 352 Badura I Rittner I Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 114.
136
3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Das Bundesverfassungsgericht hae 53 sich im Mitbestimmungsurteil gegen die Ansicht ausgesprochen, daß das Mitbestimmungsgesetz mit den betriebsverfassungsrechtlichen Rechten des Betriebsrats zu einer Kumulation der Beteiligungsrechte und damit zu einer Überparität der Arbeitnehmerseite führe. Als Begliindung wurde angeführt, daß Aufsichtsrat und Betriebsrat nicht über dieselben Angelegenheiten zu bestimmen hätten. 354 Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bezögen sich regelmäßig nicht auf die unternehmerischen Grundsatzentscheidungen. Vielmehr wäre der Betriebsrat bei der innerbetrieblichen Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung beteiligt und würde allein zu einer angemessenen Beliicksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeitnehmer beitragen. Daliiber hinaus könne die leicht unterparitätische Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz nicht mit der paritätischen betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung zu einer Überparität der Arbeitnehmerseite führen, da die jeweilige Form der Mitbestimmung, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht über dasjenige Maß hinaus steigere, welches die jeweilige Mitbestimmung als solche begliinde. Der Einfluß der Arbeitnehmer auf das Endergebnis bliebe unverändert und, soweit dieser ein paritätischer sei, beruhe dieser auf dem Betriebsverfassungsgesetz, über das nicht zu entscheiden sei. 355 2. Stellungnahme Dem Bundesverfassungsgericht ist dahingehend zuzustimmen, daß die Mitbestimmung des Betriebsrats institutionell außerhalb der gesetzlichen Unternehmensmitbestimmung steht. Entgegen der Ansicht des Gerichts können die betriebverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats aber unter dem Aspekt einer funktionellen Betrachtung der Arbeitnehmerbeteiligungsrechte zu paritätsändernden Einflüssen führen, da zugunsten der Arbeitnehmerschaft mit dem BetrVG ein weiterer Bereich normiert wird, in dem die repräsentierten Arbeitnehmer auf die Entscheidungsfindung im Unternehmen / Betrieb Einfluß nehmen. Auf diese Weise kann sich "die Gesamtbalance zu Lasten der Kapitaleigner verschieben «356. Eine Aufteilung in betriebliche und unternehmerische Entscheidungen, die zu einer isolierten Betrachtung führen müßte, übersieht den Zusammenhang von Betrieb und Unternehmen und ist folglich abzulehnen. Die gesetzliche Aufspaltung kann die gegebene Einheit der Regelungsmaterie "Mitbestimmung" nicht aufheben. 357 Es besteht, und darauf hat die Mitbestimmungskommission 358 zutreffend 353 354 355 356 357
§ 5 11. 358
BVerfGE 50, S. 290 (326 ff.). BVerfGE 50, S. 290 (327). BVerfGE 50, S. 290 (328). Scholz, Mitbestimmung, S. 68. Badura I Rittner I Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 102; Joost, Betrieb, S. 182; s.o. Mitbestimmungskommission, Teil V, B I, Rn. 2 (S. 175).
§ 9 Beteiligung und funktionelle Parität
137
hingewiesen, eine Wechselbeziehung, ein Zusammenhang zwischen unternehmerischer und betrieblicher Mitbestimmung 359 . In der Praxis findet regelmäßig daneben eine personelle Verklammerung der betrieblichen mit der unternehmerischen Mitbestimmung statt, da zunehmend Betriebsräte in den Aufsichtsrat gewählt werden. 36o Das Ausmaß der realisierten Mitbestimmung in einem Unternehmen / Betrieb kann allein aus der Summe der zur Verfügung gestellten Beteiligungsmöglichkeiten hinsichtlich der unternehmerischen Leitungs- und Organisationsgewalt und der innerbetrieblichen Umsetzung der unternehmerischen Weisungen kraft Direktionsrecht ersehen werden?61 Zwischen den Beteiligungspotentialen auf den verschiedenen Ebenen bestehen dabei durchaus Wechselwirkungen und, da die Mitbestimmungsrechte funktional miteinander in Verbindung stehen, können diese sich verstärken. 362 Letztendlich ist nicht maßgebend, auf welcher Ebene die Mitbestimmungsrechte ausgeübt werden, sondern welchen Inhalt diese besitzen. 363 Die Betrachtung des Wirkungszusammenhangs zwischen betrieblicher Beteiligung und der Mitbestimmung im Unternehmen erfolgte im einschlägigen Schrifttum des weiteren allein unter Beachtung der sog. unternehmerischen Tätigkeiten, die sich in der Planungs- und Leitungskompetenz des Unternehmers niederschlagen, da sich die Unternehmensautonomie zunächst in diesen Führungskompetenzen manifestiert. Demgegenüber kommt den betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechten hinsichtlich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und einer Parität zwischen Unternehmensleitung und repräsentierter Arbeitnehmerschaft nicht nur eine Bedeutung bezüglich der "echten" unternehmerischen Mitbestimmungsrechte zu. Vielmehr zwingt eine funktionelle Betrachtung dazu, auch die innerbetrieblichen Beteiligungsbefugnisse zu bewerten, die nicht in Form einer Mitbestimmung, sondern auf der Grundlage von Mitwirkungsrechten ausgeübt werden. Die alleinige Betrachtung der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung 359 Kübler / Schmidt / Simitis, Mitbestimmung, S. 170 f. (sog. Frankfurter Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des MitbestG 1976); Hanau, BB 1969, S. 1497 (1500); ders., ZGR 1979, S. 524 (540 f.); Raiser, Grundgesetz, S. 24 ff.; ders., Stichwortart. ,,Mitbestimmung und Rechtsform", Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, Sp. 2880; Rube, Mitbestimmung, S. 65 ff., m.w.N. in Fn. 66, spricht etwa von der "Wechselbezüglichkeit der Mitbestimmungsarten"; Rüthers, System, S. 161 ; Zöllner, RdA 1969, S. 65 (68); a.A. Kittner / Fuchs I Zachert / Köstler, Arbeitnehmervertreter, Bd. I, Rn. 7. 360 Raiser, Stichwortart. "Mitbestimmung und Rechtsform", Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, Sp. 2880; vgl. auch die bei Hahn, FS Thomee, 1980, S. 62, wiedergebene Untersuchung, nach der der Betriebsratsvorsitzende in 75% der untersuchten Fälle gleichzeitig im Aufsichtsrat Sitz und Stimme hatte. 361 Mitbestimmungskommission, Teil V, B I, Rn. 2 (S. 175); Badura / Rittner / Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 110; Löwisch, Mitbestimmung, S. 144; Richardi, ArbRGegw. 1976 (Bd. 13), S. 19 (42). 362 Raiser, Stichwortart. "Mitbestimmung und Rechtsform", Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, Sp. 2880. 363 Auffarth, RdA 1976, S. 2 (4).
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
mit unternehmerischen Inhalten würde die wichtige Funktion der innerbetrieblichen Beteiligungsbefugnisse ausblenden. Diese wirken in dem unternehmerisch wichtigen Bereich der betrieblichen Realisierung, in dem mit der Leistungserstellung und der Leistungsverwertung der eigentliche Zweck der unternehmerischen Tätigkeit erfüllt wird, denn das unternehmerische Handeln zielt grundsätzlich auf eine physisch-technische Leistungserstellung, die zum Zwecke nachfolgender ökonomischer Verwertung der Produktionsergebnisse betrieben wird. 364 Dieser Bereich wird darüber hinaus noch an Bedeutung gewinnen, da die Hierarchiesysteme in dem Konzept der schlanken Fabrik schrumpfen und weitgehend Kompetenzen auf die dezentralisierten Entscheidungsträger delegiert werden müssen, denn die individualisierten Nachfragepotentiale bedingen eine rasche und flexible Produktion. 365 Relevanz entwickeln aber hierbei darüber hinaus nicht allein die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte isoliert, sondern von Bedeutung ist vielmehr, ob und inwieweit der betriebliche Entscheidungsprozeß von den Beteiligungsrechten (z. B. Anhörung, Beratung, Information) durchdrungen ist und jede innerbetriebliche Entscheidung dadurch mittelbar betroffen wird. 366 Darüber hinaus zwingt die funktionelle Betrachtung arbeitnehmerseitiger immaterieller Beteiligungsrechte dazu, daß auch das Beteiligungspotential berücksichtigt wird, welches im Falle der Einführung teilautonomer Arbeitsgruppen resultiert. Es bleibt im Ergebnis festzuhalten, daß sich das Maß des erreichten realen arbeitnehmerseitigen Beteiligungspotentials allein aus einer Zusammenschau der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ergeben kann. Das Zusammenfallen der Beteiligungsrechte auf den unterschiedlichen Ebenen der Mitbestimmung führt des weiteren zu einer Dynamisierung der Beteiligungsbefugnisse kraft Wechselwirkung.
11. Funktionelle Parität zwischen Unternehmensleitung und Arbeitnehmerschaft in einer mitbestimmten Aktiengesellschaft mit Gruppenarbeit und Betriebsrat Eine funktionelle Betrachtung der arbeitnehmerseitigen Beteiligungsrechte muß den unternehmerischen Kombinationsprozeß im Blick haben, da erst dieser in seiner Gesamtheit die erfolgreiche marktwirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens S.o. § 4. S.o. § 6 11 2. 366 Zu der mittelbaren Beeinträchtigung unternehmerischer Entscheidungen, Martens, RdA 1989, S. 164 (171). 364
365
§ 9 Beteiligung und funktionelle Parität
139
erlaubt. Folglich ist von einer funktionellen Parität zwischen der Unternehmensleitung und der Arbeitnehmerschaft auszugehen, wenn der unternehmerische / betriebliche Steuerungs- und Entscheidungsprozeß im Unternehmen wie im Betrieb hinsichtlich der Kombination der Produktionsfaktoren, menschliche Arbeitskraft, Werkstoffe und Betriebsmittel von einer gleichberechtigten und gleichgewichtigen Beteiligung der Arbeitnehmer durchdrungen ist. Dies ist der Fall, wenn die physisch-technische Leistungserstellung, die zum Zwecke nachfolgender ökonomischer Verwertung der Produktionsergebnisse vorgenommen wird 367 , vom Ergebnis her faktisch mitbestimmt wird. Demzufolge wird im folgenden untersucht, inwieweit der unternehmerische Kombinationsprozeß von den arbeitnehmerseitigen Beteiligungsrechten beeinflußt wird. Im Rahmen des Kombinationsprozesses ist entsprechend der betriebswirtschaftlichen Einteilung von den Produktionsfaktoren - dispositive Arbeit, - menschliche (objektbezogene) Arbeit), - Betriebsmittel und - Werkstoffe auszugehen. 368 Es wird, soweit möglich, den Ebenen der Mitbestimmung gefolgt, die sich hinsichtlich des Untersuchungsobjekts (mitbestimmte Aktiengesellschaft, Betrieb mit teilautonomen Arbeitsgruppen), in drei Ebenen unterteilen: 369 - die Ebene der Arbeitsgruppe, - die Ebene des Betriebes und - die Ebene des Unternehmens.
1. Der Einfluß der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer hinsichtlich des dispositiven Faktors Der dispositive Faktor kann als Unternehmensführung in die Funktionen Planung, Überwachung und Führung untergliedert werden. 37o Der Vollzug der Planung erfolgt durch die Realisation im Rahmen der Organisation, der immer eine S.o. § 4. Gutenberg, Grundlagen, Bd. I, S. 2 ff.; Kern, Faktorkombination, S. 121 ff. Den Werkstoffen kann keine beteiligungsrelevante Funktion zugewiesen werden, so daß diese hier ausgespart bleiben können. 369 Die Ebene des Arbeitsplatzes geht hierbei in der Ebene der Arbeitsgruppe auf, s.o. § 5 III. 370 Vgl. etwa Gabler, Wirtschajtslexikon, Stichwortart. "dispositiver Faktor". 367 368
140
3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Planung vorausgehen muß und die deshalb an dieser Stelle im Rahmen der Planung untersucht werden soll. Die Planungsaufgaben werden üblicherweise in die unternehmenspolitische Rahmen- oder Unternehmensleitbildplanung 371 , die strategische und die operative Planung unterteilt 372 . a) Die Planung des Leitbilds des Unternehmens
Als Gegenstand der Unternehmensleitbildplanung, die auch als generelle Zielplanung bezeichnet wird,373 erscheint die Festlegung und Formulierung von allgemeinen und grundlegenden Basisaussagen. Hier reicht das Spektrum von Ziel- und Grundsatzentscheidungen hinsichtlich des Verhältnisses des Unternehmens zu seinem Tätigkeitsfeld, seiner Umwelt, seiner Anteilseigner bis hin zu Grundsätzen der Mitarbeiterführung und des Fortschritts auf technischem Gebiet. 374 b) Die strategische Planung
Der Rahmen der strategischen Planung wird von den langfristigen Grundsatzplanungen bestimmt, die sich in den unternehmenspolitischen Entscheidungsgrundsätzen widerspiegeln. 375 Die Unternehmensleitbildplanung, die so präzise formuliert sein muß, daß sie in die Unternehmenspolitik umgesetzt werden kann, beeinflußt auf diese Weise die strategische Planung?76 Die strategische Planung ist weitsichtig orientiert und beschäftigt sich naturgemäß mit dem langfristigen, zukunftsorientierten Vorgehen des Unternehmens. Im Rahmen der strategischen Planung sind insbesondere Entscheidungen zu treffen, die von besonderer Bedeutung für die Erfolgs- und oder Vermögensentwicklung sind und allein aus der Verantwortung für das gesamte Unternehmen getroffen wer371 Müller-Stewens I zu Knyphausen, Stichwortart. "Unternehmensplanung II", Gabler, Wirtschaftslexikon; Wöhe, Betriebswinschaftslehre, S. 141, der darüber hinaus die Erfolgsund Liquiditätsplanung als vierten Komplex nennt (S. 142), der hier soweit notwendig im Rahmen der oben genannten drei Planungskomplexe behandelt werden soll. 372 Hahn, Stichwortart. "Planung und Kontrolle", Handwönerbuch der Betriebswinschaft, Bd. 2, Sp. 3190 f.; Krüger, Organisation, S. 168 f.; vgl. auch Hentze I Brose, Untemehmungsführung, S. 137 f., die daneben die taktische Planung anführen, die an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben kann. 373 Vgl. etwa Hahn, FS Thomee, 1980, S. 53. 374 Hahn, Stichwortart. "Planung und Kontrolle", Handwärterhuch der Betriebswinschaft, Bd. 2, Sp. 3190; Müller-Stewens I zu Knyphausen, Stichwortart. "Unternehmensplanung II", Gabler, Winschaftslexikon. 375 Perlitz, Stichwortart. "Organisation des Planungsprozesses", Handwörterbuch der Planung, Sp. 1300. 376 Wöhe, Betriebswinschaftslehre, S. 141.
§ 9 Beteiligung und funktionelle Parität
141
den können. Grundsätzlich werden diese Entscheidungen von der obersten Unternehmensführung getroffen. 377 Als typische Bereiche bzw. Objekte der strategischen Planung sind insbesondere die Bestimmung und Strukturierung der Geschäftsfelder oder Leistungs- bzw. Produktionsprogramme 378, des Absatzes, die Planung von Investitionen wie Desinvestitionen und die Planung der Organisation wie der Technologie zu nennen?79 Die betriebliche Personalpolitik zählt zu den Kerngebieten der Unternehmenspolitik. 380 Die strategische Personalplanung nimmt einen bedeutsamen Teil auch der betrieblichen Personalarbeit ein und wird darüber hinaus an Bedeutung gerade unter dem Aspekt einer schlanken Fabrik gewinnen?81 Von besonderer Bedeutung für die Unternehmensführung und -planung ist die erfolgreiche Personalplanung 382, die den Berufsausbildungs- und Qualifizierungsbedarf des Unternehmens berücksichtigt, da die wirtschaftlichen Entscheidungen des Arbeitgebers allein mit den notwendigen und qualifizierten Mitarbeitern erfolgreich umgesetzt werden können. 383 Die Grundlage für die innerbetriebliche Leistungserstellung ist die Produktionsplanung, die sich wiederum aus folgenden Teilplänen zusammensetzt. Zum einen muß in der Produktionsprogrammplanung (Leistungsprogrammplanung) festgelegt werden, welche Erzeugnisse in der jeweiligen Planungsperiode in welchen Mengen zu produzieren sind. Zum anderen ist die Fertigungstiefe zu bestimmen, so daß festzulegen ist, welche der zur Produktion erforderlichen Baugruppen oder Teile innerbetrieblich herzustellen sind oder von fremden Anbietern bezogen werden müssen. Drittens hat die Auswahl der Produktionsverfahren zu erfolgen?84 Darüber hinaus erfolgt eine Produktionsdurchführungsplanung (Produktionsablauf) und die Bereitstellung der zur Fertigung benötigten Faktoren ist zu planen. 385 377 Hahn, Planungs- und KontroUrechnung, S. 73; Perlitz, Stichwortart. "Organisation des Planungsprozesses", Handwönerbuch der Planung, Sp. 1301. 378 Vgl. etwa Streitferdt, Stichwortart. ,,Produktionsprogrammplanung", Handwörterbuch der Betriebswinschajt, Bd. 2, Sp. 3480 f. 379 Hahn, FS Thomee, 1980, S. 55 ff.; Hentze I Brose, Untemehmungsführung, S. 159 f.; Krüger, Organisation, S. 168. Des weiteren zählt hierzu die Finanzplanung, die hier unberücksichtigt bleiben muß, da diese grundsätzlich insbesondere.. auf den Absatz- und Produktionsplänen basiert und darüber hinaus allein in einern Gesamtplanungsprozeß erfaßt werden könnte, vgl. etwa Gabler, Winschajtslexikon, Stichwortart. ,,Finanzplanung". 380 Gaugier, Stichwortart. ,,Personalplanung", Handwönerbuch der Planung, Sp. 1350 ff. 381 Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, Personalpolitik, S. 13 ff.; Weber I Klein, Stichwortart. "Strategische Personalarbeit", Handwörterbuch des Personalwesens, Sp.2145. 382 Rumpff I Boewer, Mitbestimmung, S. 53 (Rn. 2); zum Begriff der Personalplanung, MünchArbR I Matthes, § 338 Rn. 3 ff. 383 V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 14 I 1; in dem Sinne Hromadka, Betriebsverfassung, S.146. 384 Adam, Produktionsmanagement, S. 53.
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Die Programmplanung ist als strategische Planung der obersten Unternehmensführung zugewiesen. Die Produktionsablaufplanung ist in einen strategischen Planungsteil hinsichtlich der Auswahl eines bestimmten Fertigungsverfahren und grundsätzlich in einen operativen Planungsteil bezüglich der kurzfristigen Produktion mit einer gegebenen Ausstattung von Betriebsmitteln und Arbeitskräften zu unterteilen. 386 Die Investitionsplanung legt das Investitionsprogramm fest. 387 Das Investitionsprogramm ist die kurz-, mittel- und langfristige Planung über Kapital zur Anschaffung von Sachen und sonstigen Einrichtungen, die der unternehmerischen Tatigkeit und der Erreichung des Sachziels des Unternehmens dienen. 388 Mit der Organisation eines Unternehmens / Betriebs werden die Aufgaben, Personen und Sachmittel verknüpft. 389 Die Aufbauorganisation regelt und grenzt die unterschiedlichen Aufgaben wie Kompetenzen ab, und die Ablauforganisation gestaltet die Prozeßverläufe. 39o Die Organisationsplanung beschäftigt sich dementsprechend mit den zukünftigen Strukturen der Aufbau- und Ablauforganisation. Die Technologieplanung ist von besonderer unternehmerischer Bedeutung. Die Technologieplanung beschäftigt sich grundSätzlich mit der Erfassung, Entwicklung und Umsetzung von technischen Innovationen vor allem unter dem Aspekt der Informations-, Produkt- und / oder Produktionstechnologie und dient der Suche nach und der Abstimmung von Forschungs- und Entwicklungszielen sowie Innovationszielen mit den Unternehmenszielen und -strategien. 391 Die Technologie dient grundsätzlich als Mittel der Kostenführerschaft, wobei die technologischen Sachmittel stetig an Bedeutung gewinnen. Die Grundlage für die betriebliche Leistungsverwertung bildet die Absatzplanung. Die strategische Absatzplanung verbindet zum einen die verschiedenen Teilpläne (z. B. Forschung, Entwicklung, Personal) und dient zum anderen der Konzeption einer strategischen Unternehmensplanung. 392
Adam, Produktionsrrumagement. s. 37; Kern, Faktorkombination. S. 170 f. V gl. Gabler, Wirtschaftslexikon. Stichwortart. ,.Produktionsplanung", ,.Produktionsprogrammplanung"; Streitferdt, Stichwortart. ,.Produktionsprogrammplanung", Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. Bd. 2, Sp. 3479 f. 387 Gabler, Wirtschaftslexikon. Stichwortart. ,,Investitionsplanung". 388 MünchArbR I Joost, § 311 Rn. 35; Rumpff I Boewer. Mitbestimmung, S. 205 (Rn. 55) 389 Kern, Faktorkombination. S. 179. 390 Hentze I Brose, Untemehmungsführung. S. 189; Wöhe, Betriebswirtschaftslehre. S. 182 ff. 391 Gabler, Wirtschaftslexikon. Stichwortart. "Technologie", "Technologiemanagement". 392 Gabler, Wirtschaftslexikon. Sichwortart. "Absatzplanung". 385
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§ 9 Beteiligung und funktionelle Parität
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c) Die operative Planung
Die operative Planung entwickelt, ausgehend von den Vorgaben der strategischen Planung, Einzelpläne für die jeweiligen Teilbereiche des Unternehmens, so daß die "Umsetzung und Kontrolle des strategisch Gewollten .. 393 realisiert wird. Im Rahmen der operativen Planung sind insbesondere Entscheidungen zu treffen, die von Bedeutung für die Erfolgs- und / oder Vermögensentwicklung des Unternehmens sind und allein aus der Verantwortung für ein Ressort oder eine Abteilung heraus getroffen werden können. Diese Entscheidungen können vom Top-, Middleoder Lower Management getroffen werden, gelten nur auf kurze Sicht und ereignen sich relativ häufig. 394 Grundsätzlich kann die operative Planung als System von Teilplänen bezeichnet werden. Zu diesen funktionsbereichsbezogenen Teilplänen werden etwa die kurzbzw. mittelfristigen Absatzpläne, Produktionspläne, Beschaffungspläne, Personalpläne, Investitions- wie Finanzpläne gezählt. 395 Die operative Absatzplanung befaßt sich mit der näheren Ausgestaltung des Absatzes, realisiert die Absatzpreise und Absatzmengen und überprüft die Nachfrage und Konkurrenzsituation. Aus dem Absatzplan wird der Produktionsplan abgeleitet. 396 d) Das planungsbezogene arbeitnehmerseitige Beteiligungspotential
Bei der Beteiligung der Arbeitnehmerrepräsentanten an den planerischen Entscheidungen ist zwischen den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, dem Arbeitsdirektor und den betriebverfassungsrechtlichen Einflüssen einerseits und zwischen der Unternehmensleitbildplanung, der strategischen und der operativen Planung andererseits zu unterscheiden. aa) Die Beeinflussung der Unternehmensleitbildplanung, der strategischen und der operativen Planung durch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Die oberste Unternehmensleitung, d. h. in der Aktiengesellschaft der Vorstand, legt die unternehmerischen Rahmenplanungen, mithin die Unternehmensleitbild393 Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. "operative Planung" (Hervorhebung durch den Verfasser). 394 Hahn, Planungs- und Kontrollrechnung, S. 74; Krüger, Organisation, S. 169. 395 Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwortart. "operative Planung"; Hahn, Stichwortart. ,.Planung und Kontrolle", Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, Sp. 3191; Perlitz, Stichwortart. "Organisation des Planungsprozesses", Handwörterbuch der Planung, Sp. 1302. 396 Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 636.
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
planung, fest. 397 Dies gilt auch für die strategische Planung. An diesen grundlegenden Entscheidungen werden die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mittelbar beteiligt und können so Einfluß auf die Entscheidungsfindung des Vorstands und somit auch auf die Planung nehmen. 398 Zunächst sind die bestehenden Einflußrechte des Aufsichtsrats aber davon abhängig, ob und inwieweit in diesem ein streitiges (Blockbildung) oder kooperatives Arbeiten vorherrscht399 , denn letztendlich können die Kapitalvertreter einen Aufsichtsratsvorsitzenden aus ihren Reihen bestimmen, dem bei Stimmengleichheit und erneuter Abstimmung ein doppeltes Stimmrecht zusteht. 400 Von entscheidender Bedeutung für die Einflußnahme auf diese planerischen Inhalte ist folglich, ob und inwieweit das Verhältnis der Anteilseignervertreter und der Arbeitnehmervertreter untereinander und das Verhältnis des Aufsichtsrats in seiner Gesamtheit zum Vorstand von einer kooperativen Zusammenarbeit geprägt ist. Die Grundlage für eine Einflußnahme seitens des Aufsichtsrats bilden zunächst die aktienrechtlichen Informations- und Beratungsrechte sowie die Entscheidungsund Kontrollrechte. 401 Die Beteiligung des Aufsichtsrats an den Planungsprozessen führt dazu, daß der Vorstand schon frühzeitig von der Auffassung des Aufsichtsrats Kenntnis erhält und gegebenenfalls die eigenen Ansätze, Ideen und Überlegungen überprüft. 402 Bei dieser Rückkopplung kann sich die Wirkung zugunsten der Betriebsangehörigen potenzieren, wenn der Betriebsratsvorsitzende zum Beispiel Sitz und Stimme im Aufsichtsrat hat. 403 Bringt dieser im Rahmen einer Stellungnahme zu planerischen Inhalten die zu erwartenden Ansichten des Betriebsrats vor, so kann der Vorstand bei einer ablehnenden Haltung des Aufsichtsratsmitglieds "Betriebsrat" hinsichtlich bestimmter Planungsinhalte gezwungen sein, schon im Stadium der strategischen Planung etwa Planungsinhalte zu berücksichtigen, die hinsichtlich der innerbetrieblichen Umsetzung mehr Zustimmung auf seiten der Arbeitnehmervertreter erwarten lassen. Darüber hinaus kann der Aufsichtsrat im Rahmen der Bestellung und Zusammensetzung des Vorstands auf die Vorstandstätigkeit langfristig Einfluß nehmen. 404 397 Perlitz, Stichwortart. "Organisation des Planungsprozesses", Handwörterbuch der Planung, Sp. 1300. 398 S.O. allgemein § 8 11 und insbesondere zur Planung Chmielewicz, Stichwortart. "Unternehmensverfassung und Mitbestimmung in der Planung", Handwörterbuch der Planung, Sp.2139. 399 Schrumpf, Mitbestimmung, S. 21. 400 §§ 27 Abs. 2, 29 Abs. 2 und 31 Abs. 4 MitbestG; dazu etwa kritisch Kittner I Fuchs I Zachert I Köstler, Arbeitnehmervertreter, Bd. 1, Rn. 124 ff. 401 Hahn, FS Thomee, 1980, S. 65; Hentze I Brose, UnternehmungsJührung, S. 180.f.; zu den verschiedenen Beteiligungsrechten s.o. § 8 11. 402 Vogel, Aktienrecht, S. 231. 403 Hahn, FS Thomee, 1980, S. 62. 404 S.o. § 8 11 1.
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Die wachsende Relevanz arbeitnehmerbezogener Gesichtspunkte in einer schlanken Fabrik führt zu einer Verstärkung des Arbeitnehmereinflusses zum einen über das Unternehmensinteresse unmittelbar und zum anderen über die betriebliche Personalpolitik. Die operative Planung wird grundsätzlich schon durch die strategische Planung beeinflußt. Darüber hinaus wird der Einfluß des Aufsichtsrats im Rahmen der operativen Planung eher gering sein. bb) Die Beeinflussung der Unternehmensleitbildplanung, der strategischen und der operativen Planung durch den Arbeitsdirektor Da der Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Mitglied des Vorstands wie jedes andere Mitglied vom Aufsichtsrat bestellt ist, stehen diesem die gleichen planerischen Einflußnahmemöglichkeiten wie den anderen Vorstandsmitgliedern ZU. 405 Eine Abhängigkeit von den Arbeitnehmervertretern besteht nicht. Da der Arbeitsdirektor grundsätzlich die Belange der Arbeitnehmerschaft (Personal- und Sozialpolitik) besonders im Auge zu halten hat, werden diese von ihm in die Planungen und Entscheidungen des Vorstands eingebracht. 406 Darüber hinaus kann der Arbeitsdirektor grundsätzlich Einfluß auf die operativen Pläne nehmen. cc) Die Beeinflussung der Unternehmensleitbildplanung, der strategischen sowie der operativen Planung durch die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsbefugnisse Die Einflußrechte des Betriebsrats fußen auf dem BetrVG 1972.407 Im Rahmen der planerischen Entscheidungen sind dessen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ebenso wie die Tätigkeit des Wirtschaftsausschusses bedeutsam. 408 Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht bei Sozialinvestitionen wie etwa Kantinen409 , Werksküchen410 oder Fortbildungseinrichtungen411 nach § 87 405 Chmielewicz, Stichwortart. "Unternehmensverfassung und Mitbestimmung in der Planung", Handwörterbuch der Planung, Sp. 2141 f.; Hentze I Brose, Unternehmungsführung, S. 179 f. 406 Hahn, FS Thomee, 1980, S. 64 f.; Raiser, MitbestG, 1. Aufl., § 33 Rn. 12. 407 Dazu s.o. § 7 H. 408 Chmielewicz, Stichwortart. "Unternehmensverfassung und Mitbestimmung in der Planung", Handwörterbuch der Planung, Sp. 2136 f.; Faßnacht, Unternehmungsplanung, S. 32 ff.; Hahn, FS Thomee, 1980, S. 59 ff. (strategische Planung); Hentze I Brose, Unternehmungsführung, S. 178 f. (strategische Planung). 409 BAG 26. 10. 1965 AP Nr. 8 zu § 56 BetrVG Wohlfahrtseinrichtung. 410 BAG 15.9. 1987 AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Sozia1einrichtung. 411 Gnade I Kehrrnann I Schneider I Blanke I Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 34; vgl. auch v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 12 II 8.
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Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ZU. 412 Die Technologieplanung wird vom Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beeinflußt, wenn etwa die Einführung von Computersystemem im Unternehmen geplant wird, da der Betriebsrat bei der Einführung von technischen Einrichtungen, die für die Arbeitnehmerüberwachung geeignet sind, ein Mitbestimmungsrecht besitzt. 413 Selbst der Vorgang der Planung wird zunehmend von diesem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erfaßt, da der Einsatz von Simultations- und Simultatplanungsmodellen für die strategische Planung an Bedeutung gewinnt414 und die Unternehmsführung des weiteren allein mit Hilfe computergestützter Informationssysteme die komplexe Entscheidungsarbeit im Unternehmen bewältigen kann415 . Darüber hinaus besitzt der Betriebsrat die Kompetenz zur Mitbestimmung, soweit durch Investitionen oder Organisationsänderungen die Arbeitsplätze, der Arbeitsablauf oder die Arbeitsumgebung insofern geändert werden, daß diese den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen und der Arbeitnehmer in besonderer Weise belastet wird. 416 Rechtzeitige Informations- und Beratungsrechte werden relevant bei Prograrnmoder Organisations- wie Investitionsplanungen, soweit die Gestaltung von Arbeitsplätzen, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung betroffen iSt. 417 Im Rahmen dieser Veränderungen muß der Betriebsrat über die Planung rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichtet werden, so daß Ideen und Einwendungen des Betriebsrats noch in einer Beratung mit ihm berücksichtigt werden können. 418 Da der Betriebsrat in einem sehr frühen Planungs stadium informiert werden muß, wird diesem die Möglichkeit eröffnet, auf die jeweilige Entscheidungsfindung schon frühzeitig Einfluß zu nehmen. 419 Den betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechten hinsichtlich einer strategischen Personalplanung kommt eine Bedeutung zu, weil der Betriebsrat in allgemeinen personellen Angelegenheiten als personalpolitischer Mitunternehmer zu bezeichnen ist. 42o Darüber hinaus wird die Personalplanung noch direkt von dem betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von techHentze I Brose, Unternehmungsführung, S. 178. S.o. § 7 11 1 b bb (c). 414 Perlitz, Stichwortart. "Organisation der Planung", Handwörterbuch der Planung, Sp.1307. 415 Grochla, FS Thomie, 1980, S. 125 ff. 416 S.o. § 7 11 1 c. 417 Vgl. Faßnacht, Unternehmungsplanung, S. 39 ff. 418 § 90 BetrVG. 419 Badura I Rittner I Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 121. 420 S.o. § 7 11 1 b aa; vgl. auch Faßnacht, Unternehmungsplanung, S. 51 ff.; Oechsler, Stichwortart. ,,Mitbestimmung und Personalwesen, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, Sp. 2866 ff. 412
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nischen Einrichtungen 421 beeinflußt, da sich die Personalplanung der EDV bedient. 422 In den strategischen Planungsbereich und der Unternehmensleitbildplanung des Unternehmens hinein reichen des weiteren zum Teil die Rechte des Wirtschaftsausschusses hinsichtlich der Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten gemäß § 106 Abs. 2 BetrVG423.424 Diese sollen dazu führen, daß in die unternehmerische Planung und Entscheidungsvorbereitung rechtzeitig die arbeitnehmerseitigen Vorstellungen eingebracht werden. 425 Von besonderer Bedeutung ist die Informationspflicht des Unternehmers über das Produktions- und Investitionsprogramm426 , da hiermit zum einen die langfristige Produktionsprogrammplanung zum Gegenstand der Beratungen gemacht wird427 und zum anderen auch die entsprechenden Investitionsplanungen durch den betrieblichen Filter der Arbeitnehmerinteressen gelangen. 428 Die Investitionsprogrammplanung weist naturgemäß eine besondere Verbindung zu der Produktionsprogrammplanung auf, da innovatives Handeln investives Kapital in der Regel bedingt. Die strategische Planung (Technologie-, Personalplanung) und die unternehmerische Leitbildplanung (technischer Fortschritt, Mitarbeiterführung) werden etwa von der Informations- und der Beratungspflicht bezüglich der Einführung neuer Arbeitsmethoden betroffen429 . Hierunter wird zum einen etwa die Einführung neuer Technologien430 und zum anderen etwa die Einführung von Gruppen- anstatt Einzelarbeit431 verstanden. Der Arbeitgeber I Unternehmer ist generalklauselartig 432 gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG dazu verpflichtet, den Wirtschaftsausschuß über andere Vorgänge § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG; s.o. § 7 II I b bb (c). Vgl. etwa Scholz, Stichwortart. "EDV im Personalwesen", Handwörterbuch des Personalwesens, Sp. 739 ff. 423 S.o. § 7 II I d. 424 Hahn, FS Thomee, 1980, S. 60 f.; Hentze / Brose, Unternehmungsführung, S. 178; vgl. auch Faßnacht, Unternehmungsplanung, S. 58 ff. 425 Rumpff / Boewer, Mitbestimmung, S. 193 (Rn. 29); Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 4912 a. 426 § 106 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. 427 Dietz / Richardi, BetrVG, § 106 Rn. 37; DKKS / Däubler / Trümner, BetrVG, § 106 Rn. 66; Fabricius, GK-BetrVG, § 106 Rn. 92 f. 428 Vgl. Faßnacht, Unternehmungsplanung, S. 64 ff. 429 § 106 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG. 430 DKKS / Däubler / Trümner, BetrVG, § 106 Rn. 71; Rumpff / Boewer, Mitbestimmung, S. 206 (Rn. 58). 431 MünchArbR / Joost, § 311 Rn. 37. 432 Dietz / Richardi, BetrVG, § 106 Rn. 30, 47 (beschränkte Generalklausei); DKKS / Däubler / Trürnner, BetrVG, § 106 Rn. 78. Vgl. auch v. Hoyningen-Huene, BetrVR, 421
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
oder Vorhaben, die die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können, zu informieren. Hierunter sind etwa zu zählen: Fragen der Unternehmenskooperation, Unternehmensverkäufe433, Produktionsverlagerung, Art und Umfang der Sozialaufwendungen oder der freiwilligen Sozialleistungen434 sowie der Abschluß von Dauerlieferungsverträgen435 • Diese Problemstellungen sind durchweg der strategischen Planung zuzurechnen. Im Rahmen der Unterrichtungspflicht des Wirtschaftsausschusses ist des weiteren der Arbeitgeber / Unternehmer dazu verpflichtet, die Auswirkungen der wirtschaftlichen Angelegenheiten auf die Personalplanung darzustellen. 436 Auf diese Weise werden die wirtschaftlichen Angelegenheiten mit den personellen verbunden, in denen der Betriebsrat als personalpolitischer Mitunternehmer auftreten kann437 . Dementsprechend realisieren sich Wechselwirkungen zwischen den wirtschaftlichen und den personellen Angelegenheiten, und die gesetzlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats wirken de facto in die wirtschaftliche Sphäre des Unternehmens hinein438 , wovon mithin auch schon der unternehmerische Planungsprozeß betroffen wird. Im Rahmen dieser Beratungsrechte kann der Wirtschaftsausschuß den Vorstand, der bei solchen Fragestellungen zu seinem Gesprächsparter wird439 , in seiner Entscheidungsfindung beeinflussen, der darüber hinaus auch von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat beeinflußt werden kann. Letztendlich werden viele Fragen der Planung informell in der Führungstroika des Unternehmens zwischen dem Vorstands-, dem Aufsichtsrats- und dem Betriebsratsvorsitzenden vorentschieden. 440 Die Einflußrechte des Betriebsrats erfassen somit die Gestaltung der Unternehmensleitbildplanung wie der strategischen Planung441 . Die operative Planung wird durch das betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungspotential im Rahmen der strategischen Planung und bei der innerbetrieblichen Umsetzung beeinflußt. 442 Herausragend ist darüber hinaus der Einfluß des § 6 VI 2 b (Auffangtatbestand); Galperin / Löwisch, BetrVG, § 106 Rn. 72 (außerordentlich weite Fassung). 433 Faßnacht, Untemehmungsplanung, S. 69 f. 434 Rumpff / Boewer, Mitbestimmung, S. 208 (Rn. 63). 435 Fabricius, GK-BetrVG, § 106 Rn. 107. 436 § 106 Abs. 2 BetrVG. 437 S.O. § 7 11 I b aa. 438 Chmielewicz, Stichwortart. "Untemehmensverfassung und Mitbestimmung in der Planung", Handwörterbuch der Planung, Sp. 2137 f. (Abb. 6); vgl. auch Hahn, FS Thomee, 1980, S. 61. 439 Hahn, FS Thomee, 1980, S. 64. 440 Chmielewicz, Stichwortart. "Unternehmensverfassung und Mitbestimmung in der Planung", Handwörterbuch der Planung, Sp.2141. 441 Hahn, FS Thomee, 1980, S. 59 ff.; Hentze / Brose, Untemehmungsführung, S. 178 f.
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Betriebsrats auf die operative Absatzplanung, die wiederum die Produktionsplanung beeinflußt, da der Produktionsplan aus dem Absatzplan hergeleitet wird. Innerhalb der Produktionsdurchführungsplanung wird insbesondere die zeitliche Verteilung der Produktionsmengen relevant, um die Produktion mit dem Absatz zu harmonisieren, was wiederum Einfluß auf die Kosten der Lagerung oder einer eventuell notwendigen Zusatzproduktion (Absatzsteigerung) etwa im Rahmen von Überstunden entwickelt. 443 Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht, das als Initiativrecht ausgestaltet ist444, bezüglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit445 sowie hinsichtlich der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit446 zu. Darüber hinaus werden durch die Mitbestimmungspflichtigkeit der Einführung oder des Abbaus von Schichtarbeit bzw. der Festlegung von Dienst- und Schichtplänen447 die Absatzplanung und damit die Produktionsplanung beträchtlich beeinflußt. Die Länge der betrieblichen Arbeitszeit beeinflußt die Absatzkapazitäten des Betriebs und kann etwa bei vorn Betriebsrat verweigerten Überstunden der Belegschaft zu einer Minderung des Umsatzes führen. 448 Die arbeitszeitbezogenen Beteiligungsrechte erfassen daneben die Personal- und die Investitionsplanung. 449 e) Der Einfluß der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer auf den Führungsprozeß in einer mitbestimmten Aktiengesellschaft auf der Ebene des Unternehmens, des Betriebs und der Arbeitsgruppe
Führungsentscheidungen finden auf der Ebene des Unternehmens, des Betriebs und der Arbeitsgruppe statt. aa) Die Ebene des Unternehmens Die Einführung der unternehmerischen Mitbestimmung in den betroffenen Aktiengesellschaften hat grundsätzlich die Struktur der Aktiengesellschaft, die Funktionen des Aufsichtsrats und die Stellung der Aufsichtsratsmitglieder unverändert gelassen. 45o S.o. § 7 11 1,2. Vgl. etwa Adam, Produktionsdurchjührungsplanung, S. 684 ff.; ders., Produktionsmanagement, S. 376 f. 444 S.o. § 7 11 1 c. 445 § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. 446 § 87 Abs. I Nr. 3 BetrVG. 447 S.o. § 7 11 1 b bb (a), (b). 448 Chmielewicz, Stichwortart. "Unternehmensverfassung und Mitbestimmung in der Planung", Handwörterbuch der Planung, Sp. 2138. 449 Faßnacht, Untemehmungsplanung, S. 37. 442 443
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Zwar wurde durch die Aufnahme von Arbeitnehmervertretern sichergestellt, daß die Arbeitnehmerinteressen institutionalisiert Einfluß auf die Entscheidungsfindung des Aufsichtsrats gewinnen können, aber letztendlich muß die Interessenabwägung im Sinne des Gesellschaftsbestands erfolgen, so daß die Interessen der Arbeitnehmer hinter denen der Gesellschaft zurückzutreten haben. In erster Linie kann der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan bezeichnet werden, wenn auch nicht alle seine Befugnisse aus dieser Funktion heraus erklärt werden können. Der Aufsichtsrat hat hinsichtlich der Geschäftsführung keine unmittelbaren Handlungskompetenzen. 451 Es besteht aber die Möglichkeit, Maßnahmen der Geschäftsführung an seine Zustimmung zu binden. Der Aufsichtsrat kann über die Bestellung der Vorstandsmitglieder grundsätzlich mittelbar Einfluß auf die potentiellen Inhalte der Geschäftsführungstätigkeit nehmen. Die bestehenden Einflußrechte des Aufsichtsrats sind aber davon abhängig, ob und inwieweit in diesem ein streitiges (Blockbildung) oder kooperatives Arbeiten vorherrscht. Aber auch die Kapitalvertreter im Aufsichtsrat sind wie die Arbeitnehmervertreter dem Unternehmensinteresse verpflichtet, so daß von einer ausgewogenenen Entscheidungsfindung auszugehen ist. Die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen ist im Sinne des arbeitgebenden Unternehmens. Dies wird sich unter dem Aspekt einer schlanken Fabrik weiter dynamisieren, weil in dieser gerade die Motivation, Kreativität, Kommunikationsfähigkeit und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer zum ausschlaggebenden Faktor für die Gewinnaussichten eines Unternehmens werden. 452 Die Zufriedenheit der Mitarbeiter steht in einem direkten Zusammenhang zur Zufriedenheit des Kunden und damit zu dem gesamten Unternehmenserfolg. 453 Folglich wird die Position der Arbeitnehmervertreter und des Arbeitnehmerinteresses unter dem Aspekt der schlanken Fabrik aufgewertet, wobei die Arbeitnehmervertreter wichtige Kommunikationsfunktionen zwischen Aufsichtsrat und Belegschaft ausüben können und kraft ihrer Sachnähe zum innerbetrieblichen Leistungsprozeß zum Wissensträger werden. Diese Kompetenz wiederum können die Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen der Beratungen mit dem Vorstand im Sinne der Gesellschaft und der Arbeitnehmer einbringen, so daß den Beratungsrechten und Pflichten im System einer schlanken Fabrik weitergehende Bedeutung zukommt. Ausgehend von diesem kooperativen Arbeitsstil können die Arbeitnehmervertreter grundsätzlich auf die Bestellung der Vorstände und damit weitreichend auf die 450 451 452
Ulmer, Einfluß, S. 38. § 76 Abs. I AktG. S.O. § 6 11 2.
453 Malomy I Kassebohm, Brennpunkt, S. 40; vgl. auch Affemann, Die Neue Ordnung 1992, S. 261 (263 ff.), zu den Anforderungen, die an die Arbeitnehmer zu richten sind; Domsch, Stichwortart. ,,Personalwesen und technologischer Wandel", Handwärterbuch der Betriebswirtschaft. Sp. 3159 ff.
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Unternehmenspolitik Einfluß nehmen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Überwachung der Geschäftsführung die Schwerpunkte der Geschäftsführung zu überblicken und jeweils die Zweckmäßigkeit und auch Wirtschaftlichkeit der Entscheidungen zu überprüfen. Der Aufsichtsrat ist hinsichtlich seiner faktischen Handlungsfähigkeit (grundsätzlich vier Sitzungen im Jahr) aber eingeschränkt, so daß dementsprechend allein die grundlegenden Führungsentscheidungen kritisch nachvollzogen werden können. Mit dieser Überwachungsaufgabe und -kompetenz kann der Aufsichtsrat aber grundsätzlich jede Entscheidung in der Gesellschaft mittelbar beeinflussen, soweit in die jeweilige Grundlagenentscheidung des Vorstands die Ansichten und Vorstellungen des Aufsichtsrats Eingang gefunden haben. Die weiteren Entscheidungen auf den weitergehenden Führungsebenen werden von Kompetenzträgern getroffen, die sich im Rahmen ihrer Kompetenzen, Aufgaben und Vorgaben bewegen müssen. 454 Letztendlich bleibt mit Lieb455 festzuhalten, daß grundsätzlich jede Entscheidung in einem mitbestimmten Unternehmen mittelbar mitbestimmt ist. Dies gilt allerdings in der Regel wohl nur unter der Einschränkung, daß innerhalb des Aufsichtsrats ein kooperativer Arbeitsstil herrscht und der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand als akzeptierter Berater auftritt, was wiederum Beratungskompetenz seitens der Aufsichtsratsmitglieder bedingt. In der Regel aber bemühen sich Unternehmensleitung wie auch Arbeitnehmervertreter um gemeinsam getragene Lösungen, und Konflikte werden im Vorfeld der Sitzungen nach Möglichkeit ausgeräumt. 456 Die Entscheidungen auf der Ebene des Unternehmens werden darüber hinaus durch die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsbefugnisse beeinflußt. Auf diesem Wege erfolgt eine Potenzierung des Beteiligungspotentials, da sich die Unternehmensführung neben dem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat einem weiteren Arbeitnehmerrepräsentanten gegenübersieht. Besonders die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich Lage und Dauer der Arbeitszeit sowie bezüglich der Einführung von technischen Überwachungseinrichtungen reichen in den unternehmerischen Entscheidungsbereich hinein. 457 Daneben wirkt die Mitbestimmung in allgemeinen personellen Angelegenheiten in ihrer Gesamtheit wie eine unternehmerische Mitbestimmung. Der Betriebsrat ist in einem größeren Betrieb zu einem personalpolitischen Mitunternehmer geworden und kann mittelbar kraft seiner betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenzen auf die unternehmerische Personalpolitik Einfluß ausüben, weil im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen das Mitbestimmungspotential und die Ansichten des Betriebsrats zu 454 455 456 457
S.o. § 5. Lieb, OB 1981, Beil. 17, S. 1 (4). Martens, Die Mitbestimmung 1986, S. 149 (151). S.o. § 7 II 1 b bb (c).
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
berücksichtigen sind. 458 Anderenfalls könnte die gesamte unternehmerische Personalpolitik, die notwendigerweise auch auf Berufsbildungsmaßnahmen, Auswahlrichtlinien, Personalfragebögen und Beurteilungsgrundsätzen basiert, durch die Verfahren vor der Einigungsstelle konterkariert und dazu zeitlich aufgeschoben werden. Bedeutsam ist hierbei, daß auch dem Zeitfaktor ein Mitbestimmungspotential zukommt, da der globale Konkurrenzdruck zu zügigem unternehmerischen Handeln zwingt. Unter Beachtung der besonderen Bedeutung der persönlichen, sozialen und qualifikationsbezogenen Eigenschaften der Mitarbeiter in Arbeitsgruppen wird die Stellung des Betriebsrats als personalpolitischer Mitunternehmer459 darüber hinaus an Bedeutung gewinnen, da dessen Mitunternehmerschaft ihm die rechtliche Kompetenz eröffnet, auf die Leistungsfähigkeit der Arbeitsgruppen und damit auf den Erfolg des Unternehmens am Markt direkten Einfluß zu nehmen. Von besonderer Bedeutung sind hierbei auch die arbeitszeitbezogenen Beteiligungsrechte, da diese unmittelbar die betriebliche Leistungsfähigkeit betreffen und das Verhalten des Unternehmens am Markt steuern. Überaus wichtig ist das Mitbestimmungspotential des Betriebsrats bei der elektronischen Datenverarbeitung, da gerade in der heutigen Zeit die schnelle und effektive Implantierung von geeigneten Systemen über das Schicksal des Unternehmens am Markt entscheiden kann. Im Rahmen der Arbeit des Wirtschaftsausschusses460 besteht darüber hinaus die Möglichkeit, schon frühzeitig mittelbar Einfluß auf die unternehmerischen Entscheidungsprozesse zu nehmen461 , da der Arbeitgeber / Unternehmer aufgrund der ihm gegenüber abgegebenen Vorschläge, Ansichten und Stellungnahmen bewerten kann und muß, inwieweit und ob eine geplante Maßnahme im Betrieb positiv oder negativ aufgenommen wird und gegebenenfalls andere Vorhaben aufgrund positiver Äußerungen der Arbeitnehmervertretung weniger Kontroversen und damit weniger Zeitverlust bei der innerbetrieblichen Umsetzung bedeuten würden. 462 Die Unterrichtungspflicht beinhaltet zudem, die Auswirkungen der wirtschaftlichen Angelegenheiten auf die Personalplanung darzustellen. 463 Dadurch werden die wirtschaftlichen Angelegenheiten mit den personellen verbunden. Der Betriebsrat kann als personalpolitischer Mitunternehmer auftreten, so daß Wechselwirkungen zwischen den wirtschaftlichen und den personellen Angelegenheiten auftreten und die gesetzlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats de facto in die wirtschaftliche Sphäre des Unternehmens hineinwirken. 464 § 7 11 1 b aa. § 7 11 1 b aa. 460 S.o. § 7 11 1 d. 461 Badura / Rittner / Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 125. 462 Diesen Gesichtspunkt übersieht Weingart, Mitbestimmung, S. 76, unzutreffend. 463 § 106 Abs. 2 BetrVG. 464 Chmie1ewicz, Stichwortart. ..Unternehmensverfassung und Mitbestimmung in der Planung", Handwörterbuch der Planung, Sp. 2137 f. (Abb. 6). 458 S.O. 459 S.O.
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bb) Die Ebene des Betriebs Zunächst wirken die arbeitnehmerseitigen Beteiligungspotentiale auf untemehmerischer Ebene in den Betriebsbereich hinein, da das Wirken des Betriebs weitgehend durch die unternehmerischen Grundsatz- und Planungsentscheidungen gebunden ist. 465 Diese Bindung des Betriebs potenziert sich durch die innerbetrieblichen Beteiligungsbefugnisse des Betriebsrats. Die im Gesetz angelegte Beteiligungskonzeption466 führt dazu, daß in der Regel innerbetriebliche Entscheidungen einem Beteiligungsrecht unterliegen. Zum einen führen die Mitwirkungsrechte dazu, daß der Arbeitgeber den Betriebsrat weitgehend über innerbetriebliche Frage- und Problemstellungen unterrichten muß, so daß die gesamte innerbetriebliche Führung von diesem begleitet werden kann. Zum anderen aber erhält der Betriebsrat vor allem in personellen Angelegenheiten die Möglichkeit, auf Entscheidungen des Arbeitgebers Einfluß zu nehmen. Darüber hinaus kann der Betriebsrat auf die Berufsbildung Einfluß nehmen. Bei den sozialen Angelegenheiten wiederum erhält der Betriebsrat vor allem durch sein Initiativrecht die Möglichkeit, auf das betriebliche Geschehen weitreichend Einfluß zu nehmen wie zum Beispiel bei der Einführung von Kurzarbeit und der Gestaltung der jeweiligen Arbeitszeiten. Die jeweiligen Beteiligungsbefugnisse der Arbeitnehmer bzw. ihrer Repräsentanten führen dazu, daß der Arbeitgeber im Rahmen von innerbetrieblichen Entscheidungen und den dazugehörigen Entscheidungsprozessen in der Regel die Interessen der Arbeitnehmer beachten muß. Gerade im betrieblichen Bereich wird dieses Ergebnis durch die Gesamtheit der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte bedingt. 467 cc) Die Ebene der Arbeitsgruppe Die Bewertung des Beteiliungspotentials der Teams in der arbeitsgruppenbezogenen Arbeitsorganisation der schlanken Fabrik hinsichtlich der arbeitgeberseitigen Entscheidungen und Entscheidungsprozesse muß zum Ausgangspunkt Sinn und Zweck dieser Form der Arbeitsorganisation nehmen. Die Aufgabe teilautonomer Gruppen wird von der Notwendigkeit schnellerer Planung und effektiverer, qualitativ hochstehender Produktion inhaltlich bestimmt. 468 Darüber hinaus wird davon ausgegangen, daß die Management-Kapazitäten in Unternehmen chronisch knapp sind, wobei überhaupt fraglich ist, ob und inwieweit die hierarchisch strukturierten Organisationsformen in der Lage sind, den geschilderten Anforderungen nachzukommen. 469 465 466 467 468 469
S.o. § 4. S.o. § 7 11 2. S.o. § 7 11 2. S.o. § 6 11 2, V. S.o. § 6 V.
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
Da diese Funktion allein in dezentralen Teams erfüllt werden kann, die hierfür wiederum am Planungs-, Produktions- und Überwachungsprozeß verantwortlich beteiligt werden müssen, wird davon auszugehen sein, daß ein Großteil der auf der Ebene "Arbeitsgruppe " zu treffenden Entscheidungen nicht mehr von dem unteren Management getroffen wird. Vielmehr führt die Delegation von Verantwortung und Kompetenzen dazu, daß unternehmerische innerbetriebliche Entscheidungen auf die Gruppe delegiert werden. Diese Delegation und die gleichzeitige Ausführung der objektbezogenen Tatigkeit bedingen, daß die Gruppenmitglieder bzw. der Gruppensprecher gleichermaßen zum Vorgesetzten und Weisungsempfanger in einer Position werden. 47o Diese Multifunktionalität von Personen entspricht wiederum dem besonderen Aufgabenzuschnitt der teilautonomen Arbeitsgruppen, da es in diesen um Selbstregulation (aufgabenbezogen), um Selbstbestimmung (arbeitsmethodenbezogen) und um Selbstverwaltung (materiell-hierarchisch) geht. Auf diesem Wege kommt jedem Team hinsichtlich des Gesamterfolgs des Unternehmens am Markt Bedeutung zu, da die Entscheidungen jeweils die betriebliche Leistungsfahigkeit und die Produktqualität betreffen, die wiederum Einfluß auf die Marktchancen des Produkts haben471 . Dementsprechend führt im Gegensatz zur fremdbestimmenden tayloristischen Arbeitsorganisation die gruppenarbeitsorientierte Arbeitsorganisation dazu, daß die Gruppenmitglieder im besonderen Maße auf die Chancen des Unternehmens am Markt Einfluß nehmen. Die Multifunktionalität der Tätigkeit führt zu einem Unternehmer am Arbeitsplatz. f) Der Einfluß der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer hinsichtlich des Teilprozesses Kontrolle
Die arbeitnehmerseitigen Kontrollrechte sind sowohl in den Gesetzen der unternehmensbezogenen als auch der betriebsbezogenen Mitbestimmung niedergelegt. 472 Daneben üben die Mitarbeiter in den arbeitsgruppenorientierten schlanken Fabriken Kontrollaufgaben aus. 473 Zum einen ist dem Aufsichtsrat als Kontrollorgan gemäß § 111 Abs. 1 AktG die Aufgabe zugewiesen, die Geschäftsführung zu überwachen. 474 Zum anderen hat der Betriebsrat ein Beteiligungsrecht bei der Gestaltung betrieblicher Kontrollinstrumente. Dies reicht von einem Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung von allgemeinen Beurteilungsgrundsätzen475 bis hin zu einem Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen476 • 470 471 472 473 474 475
S.O. § 6 V. Vgl. insbesondere Malomy I Kassebohm, Brennpunkt, S. 40 ff., m.w.N. Hentze I Brose, Untemehmungsführung, S. 271 f. S.o. § 6 11 2. S.o. § 8 11 2. § 94 Abs. BetrVG; s.o. § 7 11 1 b aa.
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2. Die menschliche (objektbezogene) Arbeit
Der objektbezogenen Arbeitsleistung werden alle Arbeiten zugerechnet, die etwa unmittelbar der Leistungserstellung oder der Leistungsverwertung dienen. 477 Die betriebliche Personalpolitik zählt zu den Kerngebieten der Unternehmenspolitik478 und verfolgt das Ziel, dem Betrieb qualifizierte, leistungswillige und -fähige Mitarbeiter in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen und dem Betrieb zu erhalten, die Arbeitsbedingungen menschengerecht und menschenwürdig zu gestalten und letztendlich Arbeitsbedingungen zu schaffen, unter denen die Mitarbeiter bereit und fähig sind, ihre Leistung zum Erreichen der Ziele des Unternehmens voll zu entfalten. 479 Die wirtschaftlichen Entscheidungen des Arbeitgebers können allein mit den notwendigen und qualifizierten Mitarbeitern erfolgreich umgesetzt werden. 48o Für das "Subsystem" Gruppe, dem zugleich Aufgaben der Managementebenen (leitende Arbeit) und der objektbezogenen Arbeit im Konzept der schlanken Fabrik zugewiesen werden, sind die persönliche Eignung und die soziale und berufsbezogene Qualifikation der Gruppenmitglieder darüber hinaus von ausschlaggebender Bedeutung. 481 Neben dem Aufsichtsrat und dem Arbeitsdirektor, die auf die Personalauswahl und die Arbeitsbedingen im Rahmen ihrer Befugnisse Einfluß nehmen können, kommt den betriebverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechten eine besonders wichtige Bedeutung zu. Zum einen kann der Betriebsrat als personalpolitischer Mitunternehmer auf die personelle Situation auch unter Qualifizierungsgesichtspunkten Einfluß nehmen. 482 Zum anderen stehen dem Betriebsrat Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte hinsichtlich der Arbeitsplätze sowie Mitbestimmungsrechte bezüglich der betrieblichen Lohngestaltung zu, wozu nicht nur das eigentliche Arbeitsentgelt, sondern alle geldwerten Leistungen und Vergünstigungen des Arbeitgebers wie Gratifikationen, Urlaubsgelder und Prämien zu rechnen sind. 483 Daneben soll dem Betriebsrat ein Initiativrecht bei der Einführung neuer Entlohnungsmethoden zustehen. 484
§ 87 Abs. 1 Nr. 6; s.o. § 7 II 1 b bb (c). S.O. § 6 V. 478 Gaugier, Stichwortart. ,,Personalplanung", Handwörterbuch der Planung, Sp. 1350 ff. 479 Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, Personalpolitik, S. 15; vgl. auch Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 256 f. 480 V. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 14 I 1; in dem Sinne Hromadka, Betriebsverfassung, S.146. 481 S.o. § 6 Il 2. 482 S.o. § 7 II 1 b aa; § 9 II 1 d ce. 483 § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Vgl. etwa v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 12 II 10; MünchArbR I Matthes, § 333 Rn. 8. 484 BAG 14.11. 1974 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972. 476 477
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
3. Die Betriebsmittel
Die Betriebsmittel, und hier besonders die Maschinen und Werkzeuge, gewinnen insbesondere im industriellen Bereich an Bedeutung, weil die menschliche Arbeitskraft zunehmend mit Betriebsmitteln ausgestattet wird. 485 Zur Durchführung der Geschäfts- wie Arbeitsprozesse werden neben dem Arbeitseinsatz, Sachmittel benötigt, die in Systeme der Informations- und Kommunikation sowie Realtechnologie unterschieden werden bzw. dahingehend eine Differenzierung getroffen wird, ob die Technologie im Rahmen von technischen oder administrativen Prozessen Verwendung findet. 486 Der administrative Bereich wird etwa von den Massendatenverarbeitungssystemen, den Management-lnformationssystemen487 , den Entscheidungsunterstützungssystemen, den Personalinformationssystemen umfaßt488 . Auch gewinnt der Einsatz von Simultations- und Simultatplanungsmodellen für die strategische Planung an Bedeutung. 489 Der innerbetriebliche technische Produktionsprozeß ist im starken Maße von einer Integration der EDV in diesen Bereich geprägt. Die Arbeit in einem computergestützten Industriebetrieb kann mit dem Begriff " Computer lntegrated Manufactoring (CIM) zusammenfassend bezeichnet werden. Hierunter fallen unter betriebswirtschaftswissenschaftlichen Gesichtspunkten die computerunterstützten Ingenieurtätigkeiten (Computer Aided Engineering), die computerunterstützte Konstruktion (Computer Aided Design), die computergestützte Fertigung (Computer Aided Manufacturing) und die computergestützte Qualitätssicherung (Computer Aided Quality Assurance).490 Der Betriebsrat kann die Anschaffung dieser Betriebsmittel gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG durch ein Mitbestimmungsrecht massiv beeinflussen, soweit die Betriebsmittel geeignet sind, das Verhalten und die Leistung des Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmergruppe zu überwachen. 491
Wöhe, Betriebswirtschaftlehre, S. 326. Krüger, Organisation, S. 139. 487 Grochla, FS Thomee, 1980, S. 125 ff. 488 Scholz, Stichwortart. "EDV im Personalwesen", Handwörterbuch des Personalwesens, Sp. 739 ff. 489 Perlitz, Stichwortart. "Organisation der Planung", Handwörterbuch der Planung, Sp.1307. 490 Adam, Produktionsmanagement, S. 524 ff.; Gabler, Wirtschaftslexikon, Sichwortart. "CIM, computer integrated manufacturing". 491 S.o. § 7 11 1 b bb (c). 485
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4. Ergebnis
Der unternehmerische Produktions- und Verwertungsprozeß wird durch die Kombination der Produktionsfaktoren, menschliche Arbeitskraft, Werkstoffe und Betriebsmittel, bewerkstelligt. An diesem Kombinationsprozeß werden die Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Beteiligungsbefugnisse auf der Ebene des Unternehmens, des Betriebs sowie der Arbeitsgruppe weitgehend beteiligt. Zu einer Erfassung dieses Beteiligungspotentials kann rechtstechnisch eine funktionelle Betrachtung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer fruchtbar gemacht werden. Diese erlaubt es, die verschiedenen Mitwirkungs- sowie Mitbestimmungsrechte und die Rechte der Mitarbeiter in Arbeitsgruppen im Sinne der schlanken Fabrik rechtlich in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Von einer funktionellen Parität zwischen der Unternehmensleitung und der repräsentierten Arbeitnehmerschaft ist auszugehen. Der unternehmerische Führungsprozeß bezüglich der Kombination der Produktionsfaktoren, dispositive Arbeit, menschliche (objektbezogene) Arbeit und Betriebsmittel, ist von den Beteiligungsrechten der Arbeitnehmer vom Ergebnis her faktisch mitbestimmt. Letztendlich kann damit von einer gleichberechtigten und gleichgewichtigen Beteiligung der Arbeitnehmer an den unternehmerischen Tätigkeiten ausgegangen werden. Der Produktionsfaktor der dispositiven Arbeit wird in seiner Gesamtheit von den arbeitnehmerseitigen Beteiligungsbefugnissen durchdrungen. Zum einen können die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat auf die Bestellung der Vorstandsmitglieder Einfluß nehmen. Zwar wird durch das Letztendscheidungsrecht des der Anteilseignerschaft zuzurechnenden Aufsichtsratsvorsitzenden keine vollständige Parität erreicht, aber letztendlich wird gerade unter dem Aspekt der schlanken Fabrik der Einfluß der Arbeitnehmerseite an Bedeutung gewinnen, so daß von einer ausgewogenen Zusammensetzung des Vorstands auszugehen ist. Auch die Leitungspositionen auf den anderen Hierarchieebenen werden auf diese Weise faktisch beinflußt, wobei die Bestellung des Arbeitsdirektors hierfür spricht. Aber auch die personalpolitischen Rechte des Betriebsrats beeinflussen die Zusammensetzung des Führungsteams zumindest auf den unteren Ebenen im Betrieb, da der Betriebsrat auf die Qualifikation der Arbeitnehmer durch sein Vorschlags- und Mitbestimmungsrecht bei der Berufsbildung einwirken kann. 492 Zum anderen sind die Kontrollfunktionen von den Beteiligungsrechten der Arbeitnehmerrepräsentanten durchdrungen und die unternehmens politische Rahmenoder Unternehmensleitbildplanung sowie die strategische und die operative Planung von den Rechten der Arbeitnehmer weitgehend beeinflußt. Zu nennen sind insbesondere die Bereiche der Produktionsprogramm-, der (operativen) Absatz-, der Investitions-, der Organisations- sowie der Technologieplanung. Da sich diese Bereiche wiederum in einem unternehmerischen Kombinationsprozeß grundsätzlich bedingen, werden die jeweiligen Planungsinhalte darüber hinaus auch von den jeweils anderen beeinflußt. 492
s. o. § 7 II 1 b aa.
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3. Kap.: Immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer
An die Planung schließt sich grundsätzlich die Umsetzung (Realisation) der Planungsentscheidungen an. Dies geschieht mit Hilfe von Entscheidungen auf der Ebene des Unternehmens, des Betriebs und der Arbeitsgruppe. Soweit ein kooperativer Arbeitsstil im Aufsichtsrat und zwischen diesem und dem Vorstand herrscht, können die Arbeitnehmervertreter grundsätzlich auf die Bestellung der Vorstände und auf die Unternehmenspolitik Einfluß nehmen, wobei im Rahmen der Überwachung der Geschäftsführung die Schwerpunkte der Geschäftsführung überblickt und gegebenenfalls auf deren Zweckmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit überprüft werden können. Jede Entscheidung in einem mitbestimmten Unternehmen ist mittelbar mitbestimmt. Die unternehmerischen Entscheidungen werden darüber hinaus durch die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsbefugnisse beeinflußt, wodurch es zu einer Potenzierung des Beteiligungspotentials kommt. Des weiteren wirkt das unternehmerische arbeitnehmerseitige Beteiligungspotential in den Bereich des Betriebs hinein, und diese Bindungen potenzieren sich wiederum, wobei in der Regel jede innerbetriebliche Entscheidung einem unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungsrecht unterliegt. Die Funktion der dezentralen Teams kann nur erfüllt werden, wenn diese am Planungs-, Produktions- und Überwachungsprozeß beteiligt werden, so daß wohl der Großteil der auf der Ebene "Arbeitsgruppe" zu treffenden Entscheidungen nicht mehr von dem unteren Management, sondern von der Gruppe getroffen wird. Die Multifunktionalität der Tatigkeit der Arbeitsgruppenmitglieder führt zu einem Unternehmer am Arbeitsplatz. Da die betriebliche Personalpolitik zu den Kerngebieten der Unternehmenspolitik zählt und von besonderer Bedeutung für die Unternehmensführung ist, da die unternehmerischen Entscheidungen nur mit den erforderlichen Mitarbeitern erfolgreich umgesetzt werden können, kommt dem arbeitnehmerseitigen Beteiligungspotential hinsichtlich des Produktivfaktors menschliche (objektbezogene) Arbeitskraft eine besondere Bedeutung zu. Der Betriebsrat ist hinsichtlich dieses Faktors zum Mitunternehmer geworden und wird darüber hinaus an Bedeutung gewinnen, da diese Mitunternehmerschaft ihm die rechtliche Kompetenz eröffnet, auf die Leistungsfähigkeit der Arbeitsgruppen und damit auf den Erfolg des Unternehmens am Markt direkten Einfluß zu nehmen. Überaus wichtig ist das Mitbestimmungspotential des Betriebsrats hinsichtlich der Betriebsmittel ,,EDV", da gerade in der heutigen Zeit die schnelle und effektive Implantierung von geeigneten Informations-, Verwaltungs- und Produktionssystemen über das Schicksal des Unternehmens im globalen Wettbewerb entscheidet. Die Rechtsprechung des BAG zur Wirkung der sozialen Dimension von Gruppenarbeit hinsichtlich der Überwachungswirkung und -eignung von technischen Einrichtungen wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gern. § 87 Abs. I Nr. 6 BetrVG dynamisieren.
4. Kapitel
Die Parität der Arbeitsvertragsparteien Gegen die Theorie der gesellschaftsrechtlichen Elemente im Arbeitsverhältnis wird u. a. eingewendet, daß Gesellschafter definitionsgemäß gleichrangig seien, demgegenüber der Arbeitnehmer aber als vom Arbeitgeber abhängig zu betrachten sei.' Bis zum heutigen Tag ist für das Arbeitsrecht die Annahme einer Abhängigkeit des Arbeitnehmers und damit das Mißtrauen gegenüber dessen Verhandlungstärke die bestimmende Grundlage. 2 Das Fehlen der im Vertragsmodell vorausgesetzten Gleichgewichtslage bildet für die Entstehung des Arbeitsrechts die geschichtliche Ausgangsbasis. 3 Zum Zeitpunkt der Arbeit am BGB war diese Konstellation nicht unbekannt. Vielmehr sah man in ihr gerade den Grund für die Entstehung der sozialen Frage. 4 Die Ursache der Ungleichgewichtigkeit der Arbeitsvertragsparteien lag im mangelnden Schutz der Arbeitnehmer, deren Vermögenslosigkeit und der Produktionssituation, welche wiederum an die Qualifikation der Arbeitnehmer keine sonderlich hohen Anforderungen stellte. 5 Im folgenden wird untersucht, ob und inwieweit noch zum heutigen Zeitpunkt pauschal von der Ungleichgewichtigkeit der Arbeitsvertragsparteien ausgegangen werden kann. Demgegenüber wird sich nicht die Frage stellen, ob und wie das jeweilige einzelne Vertragsverhältnis und dessen Regelungen zu bewerten sind (Inhaltskontrolle).6 Vielmehr wird hier allein das Problem relevant, wie und unter Be1 Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 49 ff.; auch Brox, Arbeitsrecht, Rn. 15, stellt auf die für das Arbeitsverhältnis typische Abhängigkeit des Vertragspartners ab, die eine Über- und Unterordnung begründe. 2 Vgl. etwa Belling, Günstigkeitsprinzip, S. 15 ff.; Gast, Arbeitsrecht, S. 19 f. (zum Paradigma ,.Abhängigkeit des Arbeitnehmers"), 66 f. (Arbeitsvertrag und Machtsymmetrie); KeucheI, Arbeitsmarkt, S. 79; Zöllner, NJW 1990, S. 1 (4). 3 MünchArbR / Richardi, § 1 Rn. 10; Staudinger / Richardi, Vorbem. 121 zu §§ 611 ff.; Zöllner, AcP 176 (1976), S. 221 (229). 4 Picker, ZfA 1986, S. 199 (251 ff.); Staudinger / Richardi, Vorbem. 121 zu §§ 611 ff. Einen Überblick zu den Arbeiten zum BGB gibt etwa Weiß, Entwicklung, S. 58 ff., besonders 68 ff. 5 S.o. § 2 I. 6 Dazu statt aller Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 217 f. (Imparität im Einzelfall), 223 ff. (nach Fallgruppen), 232 ff.
160
4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
rücksichtigung welcher Merkmale das paritätsrelevante Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien im Rahmen des Vertragsschlusses und der betrieblichen Arbeitssituation zu bewerten ist.
§ 10 Die Ungleichgewichtigkeit im Arbeitsrecht Die Frage nach der Parität der Vertragspartner beherrscht nicht allein das Arbeitsrecht, sondern das ganze Privatrecht, so daß einer Klärung dieser Frage eine zivilrechtliche Einordnung vorangehen muß.
I. Die Privatautonomie und der Schutz des Schwächeren Autonomie im rechtlichen Sinne bedeutet nach der wörtlichen Übersetzung aus dem Griechischen Selbstgesetzlichkeit des menschlichen Handeins. Grundlage einer Selbstgesetzlichkeit ist die Selbstbestimmung des Individuums, denn wenn der Mensch selbstherrlich handelt, so ist seine Regelung autonom. 7 Die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Teil seiner allgemeinen Handlungsfreiheit. 8 Die Selbstbestimmung des Individuums im Rechtsleben, die Privatautonomie also, wird von Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet. 9 Dementsprechend liegt dem Zivilrecht das Prinzip der Privatautonomie zugrunde; jeder Bürger gestaltet die eigenen Rechtsverhältnisse selbstbestimmt, selbstverantwortlich und frei von staatlichen Eingriffen. lO Ausfluß der Privatautonomie ist die Freiheit, Verträge abzuschließen. 11 Die Vertragsfreiheit bedeutet wiederum eine Abschlußfreiheit, die es in das Ermessen des Bürgers stellt, ob und mit wem er einen Vertrag eingehen will. Einen weiteren Eckpfeiler findet die Vertragsfreiheit in der Möglichkeit, den Inhalt des Vertrages selbstbestimmt aushandeln und gestal7 Nach Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 133 f. (9. Autonomiebegriff), wonach diese Auffassung von der Autonomie als einer originären, naturgegebenen Rechtsetzungsmacht ausgeht. 8 BVerfGE 8, S. 274 (328); BVerfGE 81, S. 242 (255); zuletzt BVerfG Besch!. v. 19. 10. 1993, NJW 1994, S. 36 (38, unter eil 2 a der Gründe). 9 Vg!. etwa BVerfG Besch!. v. 19. 10. 1993, NJW 1994, S. 36 (38); Preis, Grundfragen, S. 37 ff., m.w.N. 10 Vg!. etwa BVerfGE 81, S. 242 (255); BVerfG, Besch!. v. 19. 10. 1993, NJW 1994, S. 36 (38, unter C 11 2 a der Gründe); Flume, Allgemeiner Teil, Bd. 11, § 1 1; Geißler, JuS 1991, S. 617 (618), jeweils m.w.N. 11 Vg!. etwa Larenz, Schuldrecht, Bd. I, § 4; Medicus, Schuldrecht I, § 10 I; Preis, Grundfragen, S. 37 ff., m.w.N.
§ 10 Die Ungleichgewichtigkeit im Arbeitsrecht
161
ten zu können (Inhaltsgestaltungsfreiheit). Ergänzt werden diese Freiheiten durch eine Typenfreiheit und eine schuldrechtliche Forrnfreiheit. 12 Die Privatautonomie garantiert dem einzelnen grundsätzlich die Möglichkeit freier Vertragsabschlüsse. Diese zugebilligte Selbstherrlichkeit hinsichtlich privatrechtlicher Regelungen führt dazu, daß die Privatautonomie Verträge nicht anerkennt, weil diese gesollt, d. h. objektiv richtig, sind, sondern, weil die Verträge mit ihren Inhalten gewollt 13 und damit subjektiv richtig sind. Die Privatautonomie billigt den Vertragspartnern hierbei einen großen Spielraum hinsichtlich der Vertragsinhalte zu. Wer anders als die Parteien eines Vertrages sollten auch in einer freiheitlichen Rechtsordnung bestimmen können, was für die Vertragschließenden richtig ist. Diese Richtigkeit privatautonomer Regelungen bietet darüber hinaus eine Richtigkeitsgewähr hinsichtlich eines ausgewogenen Vertragsinhalts, da sich eine vernünftige und den beiderseitigen Interessen der Vertragspartner angemessene Regelung finden läßt, weil jede Seite die eigenen Bedürfnisse in die Vertragsgestaltung einfließen lassen kann. 14 Die Privatautonomie erfaßt außerdem die Gesamtheit der Bürger und kann als Ordnungsprinzip mit den Regeln der Rechtsgeschäfte und Vertragslehre dazu führen l5 , daß sich über den Abschlußmechanismus des Vertrages eine gesamtgesellschaftliche Ordnung konstituiert, deren Basis sich in subjektiv gewollten und gleichzeitig im großen und ganzen objektiv gerechten Verträgen findet. 16 Somit erscheint die Privatautonomie als ein sich selbst regulierendes System 17 , in welchem die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse der Bürger individuell im Rahmen der gesamten Rechtsordnung privatrechtlich befriedigt werden. Das Ordnungsprinzip der Privatautonomie kann gestört werden, wenn im Einzelfall oder generell unangemessene Vertragsabschlüsse vorliegen. Dann stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Privatautonomie und die Privatrechtsordnung ihrer Funktion als selbstregulierendes System nachkommen können und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine Selbstregulation zu gewährleisten. 18
12 Zu den verschiedenen Elementen der Vertragsfreiheit etwa Hönn, Kompensation, S. 134, m.w.N. 13 Vgl. BGHZ 16, S. 4 (6); Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 37. 14 Die Theorie der Richtigkeitsgewähr geht auf Schmidt-Rimpler zurück, vgl. zum Werden und den Inhalten bes. Schrnidt-Rimpler, FS Raiser, 1974, S. 8 f. 15 Zur Ordnungsfunktion der Privatautonomie grundlegend Fastrich, Inhaltskontrolle, S.54f. 16 Larenz, Schuldrecht, Bd. I, § 6 I; in dem Sinne wohl Flume, Allgemeiner Teil, Bd. I1, § 17. 17 Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 53, der zutreffend davon ausgeht, daß Schrnidt-Rimplers Theorie der Gedanke eines sich selbst regulierenden Systems zugrunde liegt, denn anderenfalls könnte sich nicht automatisch eine subjektiv wie objektiv richtige Regelung ergeben, sondern müßte von außen vorgegeben oder initiiert werden. 18 BVerfG Beschl. v. 19. 10. 1993, NJW 1994, S. 36 (38, unter C I12 a der Gründe).
11 Schack
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4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
Diese Situation, in der die Vertragsfreiheit nicht funktioniert,19 wird in der Regel damit erklärt, daß die Richtigkeitsgewähr des Vertrages wegen fehlender Parität der Vertragsparteien gestört ist. 20 Die Privatautonomie setzt bei den Vertragspartnern eine gewisse Vertragsparität voraus, da die Verhandlungsstärke der Vertragsparteien den Vertragsinhalt beeinflUßt. 21 Daraus folgt, daß ein Interessenausgleich bei einer Ungleichheit der Parteien nicht zu erwarten ist und der Vertragsschluß zu Lasten des schwachen Vertragspartners geht. 22 Allein die rechtliche Möglichkeit (formelle Vertragsfreiheit), vertragliche Verpflichtungen einzugehen, soll somit nicht ausreichen, um eine Privatautonomie aller Bürger zu garantieren. Vielmehr wird in die Vertragsfreiheit der Vertragspartner regulierend eingegriffen, um den schwächeren Vertragspartner vor einer Fremdbestimmung durch den stärkeren zu schützen und eine materielle Vertragsfreiheit für den unterlegenen zu gewährleisten. 23 Bedeutsam ist hierbei, daß jede Beschränkung der Vertragsfreiheit zum Schutze des einen Teils gleichzeitig in die Freiheit des anderen Teils eingreift. 24 Im Privatrecht ist fraglich, worin sich die mangelnde Stärke des Vertragspartners manifestiert, wie sie sich messen läßt25 und was unter einem Gleichgewicht verstanden werden muß 26 . Liegt diese Ungleichgewichtslage in der Intelligenz begründet27 , in Einkommensunterschieden oder in der wirtschaftlichen Macht des Vertragspartners, der jeweiligen Marktsituation?28 19 Dem Fehlen der Vertragsfreiheit in einer auf Privatautonomie fußenden Privatrechtsordnung widmen sich verschiedene Erklärungen; Überblicke geben etwa Rittner, AcP 188 (1988), S. 101 (102 f.); Zöllner, JuS 1988, S. 329 (333 f.). 20 Mit der Entstehung des BGB wurde die Frage einer gestörten Vertragsparität relevant, aus der umfangreichen Literatur sei nur verwiesen auf Limbach, KritV 1986, S. 165 ff.; Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 216 ff., m.w.N. in Fn. 10; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 89; Rittner, AcP 188 (1988), S. 101 (108 ff.); Zöllner, JuS 1988, S. 329 (334). Der Hintergrund wird etwa von Hönn, Kompensation, S. 5 ff., dargestel1t. Vgl. auch Gast, BB 1990, S. 1637 ff. 21 Wolf, ZfA 1971, S. 151 (151). 22 Vgl. etwa Belling, Günstigkeitsprinzip, S. 17; Gamillscheg, AcP 176 (1976), S. 179 (205). Zur "Vertragsparität als Schlüsselproblem" Hönn, Kompensation, S. 9 ff., m.w.N. 23 Brox, Al1gemeiner Teil, § 2 II 2; BVerfGE 81, S. 242 (255); BVerfG Beschl. v. 19. 10. 1993, NJW 1994, S. 36 (38, unter C II 2 a der Gründe). Der Eingriff kann auf zwei Arten geschehen. Zum einen wird die Vertragsfreiheit vor Abschluß eines individuel1en Vertrages begrenzt, wie es z. B. aufgrund des TVG für die tarifgebundenen geschieht. Zum anderen wird der Inhalt des bereits abgeschlossenen Vertrages auf Angemessenheit überprüft, dazu Fastrich, Inhaltskontrol1e, S. 1 ff., 9 ff., 79 ff. 24 Preis, Grundfragen, S. 47. 25 Vgl. Hönn, Kompensation, S. 92; Zöl1ner, AcP 176 (1976), S. 221 (237 ff.), zu diesem Hönn, Kompensation, S. 99 ff., 194 ff. 26 Medicus, Schuldrecht I, § 10 ill. 27 So etwa Säcker, Gruppenautonomie, S. 88 f. 28 Vgl. etwa Coester-Waltjen, AcP 190 (1990); S. 1 (18 f.); Limbach, KritV 1986, S. 165 (181 ff.); Zöl1ner, JuS 1988, S. 329 (335).
§ 10 Die Ungleichgewichtigkeit im Arbeitsrecht
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Eine Parität im Sinne einer exakten Gleichgewichtigkeit wird wohl kaum feststellbar sein. 29 Erscheint die Privatautonomie als selbstregulierendes System, in dem letztendlich der einzelne Vertragsabschluß subjektiv richtig ist, die Gesamtheit der denkbaren Vertragsabschlüsse aber zu einer objektiven Richtigkeit führt, so ist es naheliegend, den regulierenden Kräften des Wettbewerbes und des freien Marktes gestaltende Faktoren in einem Ordnungskonzept zuzuweisen, das auf der Privatautonomie der einzelnen Bürger basiert?O Denn die individuelle Position eines Käufers, Verkäufers, Mieters oder Vermieters wird von den tatsächlichen Bedingungen bestimmt, denen der Vertrags gegenstand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf seinem Markt unterliegt. 31 Der Wettbewerb auf einem freien Markt kann folglich als tragendes Element des Ordnungsprinzips" Privatautonomie " betrachtet werden. Aber auch der Autonomie des einzelnen im Privatrechtsverkehr dient der Wettbewerb, da bestehende Machtungleichgewichte, die zu einem unrichtigen Vertrag führen könnten, durch einen freien Markt eine Kompensation erfahren 32 , wodurch wiederum Störungen hinsichtlich der Ordnungsfunktion der Privatrechtsordnung vermieden werden.
11. Die Privatautonomie im Arbeitsrecht Die Arbeitsrechtsordnung und die herrschende Arbeitsrechtswissenschaft gehen grundsätzlich von einer mangelnden Verhandlungsstärke des Arbeitnehmers aus. 33 Aber namentlich Adomeit34 , Reuter35 und Zöllner36 stellen diese Grundlage oder deren Reichweite in Frage. Auch Konzen 37 äußert Zweifel am Fortbestand der UnEbenso Hönn, Kompensation, S. 105; Preis, Grundfragen, S. 218. In dem Sinne Reuter DZWir 1993, S. 45 (46). Oftmals wird auch auf die machtausgleichende Funktion des freien Marktes hingewiesen, vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 362; Canaris, AcP 184 (1984), S. 201 (207); Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 53, 219 f., 232 f.; Flume, Allgemeiner Teil, Bd. II, § 1 7; Hönn, Kompensation, S. 109 ff.; Meyer-Cording, FS Nipperdey, Bd. 2, 1965, S. 540; Schmidt-Rimpler, FS Raiser, 1974, S. 14. 31 Byd1inski, Methodenlehre, S. 362; Flume, Allgemeiner Teil, Bd. II, § 1 7; Hönn, Kompensation, S. 109 ff.; Schmidt-Rimpler, FS Raiser, 1974, S. 14. 32 So vor allem Bydlinski, Methodenlehre, S. 362; Canaris, AcP 184 (1984), S. 201 (207); Flume, Allgemeiner Teil, Bd. II, § I 7; Hönn, Kompensation, S. 109 ff. 33 Vgl. etwa Belling, Günstigkeitsprinzip, S. 15 ff.; Däub1er, Ratgeber, S. 27; ders., Arbeitsrecht I, S. 51 f.; Gamillscheg, AcP 176 (1976), S. 197 (205 f.); ders., Grundrechte, S. 28 ff., m.w.N. in Fn. 67.; Gast, Arbeitsrecht, S. 66; ders., BB 1990, S. 1637 (1368 ff.); Hönn, Kompensation, S. 134 ff.; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 29, 88 f.; Mückenberger, Rolle, S. 171 f.; MünchKomm / Söllner, § 611 Rn. 178; Picker, ZfA 1986, S. 199 (251); Plander, FS Gnade, 1992, S. 80 ff.; Rüthers, Arbeitsmarkt, S. 524; Söllner, Arbeitsrecht, § 5 II; v. Stebut, Schutz, S. 17 ff. 34 Adomeit, Arbeitsrecht, E IOd. 29
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4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
gleichgewichtigkeit, und Preis 38 hat zuletzt nachhaltig die wichtigsten Argumente der Verfechter der Ungleichgewichtigkeitsthese in Frage gestellt. Darüber hinaus weist Gast39 auf die Wirkung arbeitsorganisatorischer Neuerungen (Gruppenorganisationen in Fonn von Qualityzirkeln etwa) hinsichtlich einer fehlenden Machtsymmetrie der Arbeitsvertragsparteien hin und sieht in ihnen die Ungleichgewichtigkeit als kompensiert an. Des weiteren weist Fastrich 40 zutreffend auf die Gefahr für die Persönlichkeitsentfaltung wie die Verantwortungsfähigkeit des Arbeitnehmers hin, wenn dem Arbeitsrecht ein Menschenbild zugrunde gelegt wird, das nicht ausreichend der Idee von einem mündigen Bürger entspricht.
1. Das Produktivmitteleigentum des Arbeitgebers Eine Imparität der Arbeitsvertragsparteien soll aus dem Produktivrniueleigenturn des Arbeitgebers heITÜhren. 41 Diese Begründung kann aber nicht ausreichen42 , weil zum einen auch in volks- oder staatseigenen Betrieben dieselben arbeitsrechtlichen Probleme auftreten wie in kapitalistischen Unternehmen. 43 Zum anderen aber fallen Eigentum und Verfügungsrnacht oftmals auseinander wie etwa bei den Kapitalgesellschaften, so daß letztendlich allein die Verfügungsrnacht als Begründung dienen könnte. 44
35 Hinsichtlich der Tarifvertragstheorie Reuter, Re-Individualisierung, S. 37 ff.; ders., Funktionsfähigkeit, S. 510 ff.; ders., RdA 1991, S. 193 (194 f.); noch anders etwa, in: Ordo Bd. 36 (1985), S. 56. 36 Zöllner, AcP 176 (1976), S. 221 (230 ff.); ders., JuS 1988, S. 329, (335); ders.; ZfA 1988, S. 265 (286); ders., NJW 1990, S. 1 (5); ders. I Loritz, Arbeitsrecht, § 1 lid, die aber trotzdem ein Funktionsdefizit des Arbeitsvertrags bejahen. 37 Konzen, ZfA 1991, S. 379 (394). 38 Preis, Grundfragen, S. 283 ff.; vgl. auch ders., ArbuR 1994, S. 139 ff.; Lieb, AcP 178 (1978), S. 196 (204). 39 Gast, BB 1990, S. 1637 (1643 f.). 40 Fastrich, FS Kissel, 1994, S. 206 ff., 208, 212. 41 Brandes I Buttler I Domdorf, Arbeitsmarkttheorie, S. 490; Däubler, Grundrecht, S. 3; Gast, Arbeitsvertrag, S. 58 ff.; ders., Arbeitsrecht, S. 96; Fabricius, Marktwirtschaft, Rn. 204 ff.; ders., Untemehmensrechtsreforrn, S. 33 ff. 42 Hönn, Kompensation, S. 195 f., m.w.N.; Zöllner, AcP 176 (1976), S. 221 (229 ff.); Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 94. 43 Söllner, Arbeitsrecht, § 3 III 2; Wank, Arbeitnehmer, S. 46 f.; Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § I I I d. 44 Vgl. etwa Heinze, FS Gaul, 1992, S. 316.
§ 10 Die Ungleichgewichtigkeit im Arbeitsrecht
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2. Die intellektuelle Überlegenheit
Oftmals wird eine Unterlegenheit des Arbeitnehmers mit einer intellektuellen Überlegenheit oder einem Organisationsvorsprung des Arbeitgebers begründet. 45 Der sog. Organisationsvorsprung des Arbeitgebers oder die intellektuelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers können nicht zu einer Begründung für ein Ungleichgewicht herangezogen werden. Die Berufung auf eine geistige Unterlegenheit findet ihre Grundlage in einer klassenkämpferischen Rollenzuweisung46 , die den Arbeitgeber zu einer Figur der Ausbeutung degradiert. Beherrscht von wirtschaftlichen Egoismen steht ihm der Arbeitnehmer in der undankbaren Rolle des schwachen und ausgebeuteten Industrieuntertans gegenüber. 47 Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ist aber von einem Rollenund Meinungspluralismus geprägt, der solche simplifizierenden Ansätze nicht mehr zuläßt. 48 Es ist Reuter49 zuzustimmen, der davon ausgeht, daß das Lebensschicksal des Arbeitnehmers nicht mehr von einem einheitlichen Klassenstatus bestimmt wird, sondern vielmehr die sehr unterschiedlichen Rollenkombinationen relevant sind. Der Bürger gehört nicht mehr der Klasse Arbeitnehmer an. 50 Es wird auch nicht mehr von "dem" Arbeitnehmer zu sprechen sein. 51 Vielmehr unterscheiden sich diese in ihrer Qualifikation und in der Länge der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Auch ist der heutige Arbeitnehmer nicht mehr mit dem Arbeitnehmer des 19. Jahrhunderts zu vergleichen. Die steigende schulische und berufliche Bildung steht dem entgegen. 52 Die vormals relevante Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern ist nicht mehr gerechtfertigt. 53 Zwar kann ein Arbeitgeber oftmals die jeweiligen Vertragsbedingungen unternehmensintern vorformulieren lassen. Aber jedem Bürger dieses Gemeinwesens steht die Möglichkeit rechtlicher Beratung zur Verfügung. Arbeitsrechtlichen Rat erhalten die Arbeitnehmer von den Organen der Rechtspflege und den gewerk45 MünchKomm I Söllner § 611 Rn. 178; Gamillscheg, Grundrechte, S. 30. Für eine intellektuelle Ungleichheit etwa Säcker, Gruppenautonomie, S. 88 f.; Gast, Arbeitsrecht, S. 68; Hönn, Kompensation, S. 154, 207 ff.; gegen eine intellektuelle Unterlegenheit namentlich Zöllner JuS 1988, S. 329 (334); ders., AcP 176 (1976), S. 221 (237). 46 Zum Klassenkampf im Arbeitsrecht vgl. etwa Däubler, Arbeitsrecht I, S. 48 f.; dazu etwa Adomeit, 90er Jahre, S. VIII; Reuter, Ordo Bd. 33 (1982), S. 198; ders., Ordo Bd. 36 (1985), S. 51; ders., Stellung, S. 7 ff. 47 Adomeit, 90er Jahre, S. 8. 48 Rittner, AcP 188 (1988), S. 101 (105); Reuter, FS Hilger I Stumpf, 1983, S. 577. 49 Reuter, FS Hilger I Stumpf, 1983, S. 577. 50 Reuter, Juristische Bewertung, S. 192. 51 Reuter, FS 25 Jahre BAG, 1979, S. 413 f. 52 Vgl. Preis, Grundfragen, S. 287. 53 Vgl. insbesondere MünchArbR I Richardi, § 24.
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4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
schaftlichen Rechtsbeiständen und Vertrauensleuten. Die Betriebsräte wiederum können sich allen innerbetrieblichen Fragen stellen und die Arbeitnehmer informieren. Letztendlich bewahrt die Arbeitsrechtsordnung die Rechtsansprüche des Arbeitnehmers vor willkürlichen Verkürzungen seitens des Arbeitgebers. 54 Die Verwendung von einheitlichen Arbeitsbedingungen ist nicht Ausdruck einer intellektuellen Überlegenheit oder eines negativ zu nutzenden Organisationsvorsprungs seitens des Arbeitgebers. Vielmehr sind einheitliche Arbeitsbedingungen in der Regel das Ergebnis von Praktikabilitäts-, Rationalisierungs- und Gleichbehandlungsgründen. 55
3. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt Die privatrechtliche Funktion des freien und ausgewogenen Marktes für den Inhalt privatautonomer Entscheidungen wird deutlich bei einer Störung im selbstregulierenden System der Privatautonomie hinsichtlich der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien. 56 Die Vertragsfreiheit erfährt eine Einschränkung, um den Arbeitnehmer vor unangemessenen Vertragsgestaltungen zu bewahren. Relevanz für die Position der Vertragspartner entwickelt hierbei die Situation auf dem Arbeitsmarkt5?, wobei von ausschlaggebender Bedeutung für die Vertragsgestaltung die jeweilige wirtschaftliche Macht der Vertragsparteien sein wird. Die abstrakte Größe Macht reicht allerdings nicht zu einer näheren Bestimmung der Situation aus, der die Vertragsparteien unterliegen. Vielmehr gilt es, diese Größe im Sinne der Privatautonomie zu konkretisieren, dies auch, weil Macht nicht meßbar ist. Da unter normativen Gesichtspunkten bei der Frage nach der Imparität immer die jeweilige, zweiseitige Vertragsbeziehung Gegenstand der Betrachtung sein muß, ist die Situation der Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses relevant. 58 Fraglich ist mithin, was den Arbeitnehmer daran hindert, eine interessengerechte Gestaltung des Vertragsinhalts zu erreichen59, wobei auf die Bedingungen rekurVgl. etwa Kreutz, Betriebsautonomie, S. 169; Wank, Arbeitnehmer, S. 48, m.w.N. Hromadka, 40 Jahre ,Der Betrieb', 1988, S. 249 f.; Preis, Grundfragen, S. 287. 56 Vgl. Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 232 f. 57 Belling, Günstigkeitsprinzip, S. 16 f., m.w.N.; Domdorf, FS Gnade, 1992, S. 40 ff.; Fabricius, Unternehmensrechtsreform, S. 30 ff.; ders., Marktwirtschaft, besonders Rn. 204 ff.; Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 187, 232 f.; Gast etwa, BB 1990, S. 1637 (1638 ff.); Konzen, ZfA 1991, S. 379 (395); Wank, Arbeitnehmer, S. 48; Zöllner, JuS 1988, S. 329 (335). Auch Reuter, ZfA 1975, S. 85 (86); ders., Funktionsfähigkeit, S. 508, ging hiervon aus, sieht in neueren Veröffentlichungen, RdA 1991, S. 193 (194 f.), DZWir 1991, S. 221 (222 "Legitimation des Tarifvertrages"), davon ab. Im Überblick, auch aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive, Brandes I Buttler I Domdorf, Arbeitsmarktheorie, S. 490 f. A.A. namentlich Preis, Grundfragen, S. 287. 58 Vgl. Rittner, AcP 188 (1988), S. 101 (119). 59 Vgl. Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 187; Rittner, AcP 188 (1988), S. 101 (127). 60 Rittner, AcP 188 (1988), S. 101 (127); Hönn, Kompensation, S. 107 f. 54 55
§ 10 Die Ungleichgewichtigkeit im Arbeitsrecht
167
riert werden muß, denen die Vertragsparteien zu diesem Zeitpunkt unterliegen. Es muß nach einem Ungleichgewicht spezifischer Relevanz gefragt werden. 60 Und diese ergibt sich in einer privatrechtlich ausgestalteten Marktwirtschaft, in der Angebot und Nachfrage die Preise regeln, aus der konkreten Marktsituation, der die Vertragschliessenden unterliegen. Die Situation auf dem Markt beeinflußt die Verhandlungsstärke der Parteien direkt. Demzufolge kann eine Ungleichgewichtigkeit der Vertragspartner im allgemeinen 61 und der Arbeitsvertragsparteien im besonderen aus einer unterschiedlichen Marktmacht resultieren, wobei für die Arbeitsvertragsparteien die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt ausschlaggebend sind62 . Wird die jeweilige Arbeitsmarktsituation auf dem individuellen Teilarbeitsmarkt konkretisiert, so ist zwischen den Arbeitsvertragsparteien eine Imparität gegeben, wenn nur einem Nachfrager von Arbeit oder wenigen (Arbeitgebern) eine Vielzahl von Anbietern (Arbeitnehmern) gegenüberstehen, die auf die Nachfrage ihrer persönlichen Arbeitsleistung angewiesen sind. 63 Wären die Anbieter auf die Nachfrage nicht angewiesen, so müßten sich diese nicht einem Diktat des Arbeitgebers hinsichtlich der Arbeitsbedingungen beugen. Da in einem Arbeitsvertrag Arbeit gegen Lohn versprochen wird, müßte der Arbeitnehmer dabei mithin auf das Arbeitsentgelt angewiesen sein, um von einer Marktmacht des Arbeitgebers ausgehen zu können, die dieser im Rahmen der Vertragsverhandlungen im Sinne einer Imparität für sich nutzen könnte. Ist dagegen von einer Machtsymmetrie zwischen den Vertragspartnern auszugehen, so spricht dies für die Richtigkeit des Vertrages oder, um mit Gast64 zu sprechen " ... für die Gerechtigkeit vereinbarter Leistungsmengen ... ". Entsprochen wird damit dem Charakter der Privatautonomie als selbstregulierendes System, wobei den regulierenden Kräften des Wettbewerbes und des freien Marktes gestaltende Kräfte in dem privatrechtlichen Ordnungskonzept zukommen, die auch der Autonomie des einzelnen im Privatrechtsverkehr dienen, da bestehende Machtungleichgewichte durch einen freien Markt kompensiert werden. Für die Position des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist folglich ausschlaggebend, ob und inwieweit der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt von gerade dem Vertragspartner angewiesen ist, mit dem er in Vertragsverhandlungen steht. Dieser Befund und seine arbeitsmarktliche Orientierung decken 61 Konzen, ZfA 1991, S. 379 (394); Zöllner, JuS 1988, S. 329 (335); Hönn, Kompensation, S. 126; Mestmäcker, FS Böhm, 1975, S. 389 f.; Immenga I Mestmäcker, GWB, Ein!. Rn. 5 f.; vg!. auch Rittner, AcP 188 (1988), S. 101 (107, 127). 62 Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 187; Gamillscheg, AcP 176 (1976), S. 197 (206); Gast, Arbeitsrecht, S. 66 ff.; Konzen, ZfA 1991, S. 379 (394); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 167 ff.; Reuter, ZfA 1975, S. 85 (86); Richardi, Kollektivgewalt, S. 116 ff.; Wank, Arbeitnehmer, S.48. 63 Angesprochen ist hiermit die MonopolsteIlung des Arbeitgebers; vg!. zum Verhältnis Vertragsfreiheit und MonopolsteIlung Zöllner, JuS 1988, S. 329 (335); zum Verhältnis existentielle Abhängigkeit und Monopol Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 232 f. 64 Gast, Arbeitsrecht, S. 9.
168
4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
sich in ihrer Grundaussage mit Annahmen, die die arbeitsrechtliche Lehre zum Teil vertritt. Diese geht von einer Imparität der Arbeitsvertragsparteien aus, die ihren Grund in dem existentiellen Angewiesensein des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz finden so1l65, wobei daneben die Unausgeglichenheit des Arbeitsmarkts als Grund für eine Imparität der Arbeitsvertragsparteien angeführt wird66 . a) Die Berücksichtigung arbeitslrUlrktlicher Gesichtspunkte im Arbeitsrecht
Daß die Arbeitsmarktverhältnisse die arbeitsrechtliche Position des jeweiligen Arbeitnehmers direkt beeinflussen, somit dem normierten Arbeitsrecht arbeitsmarktliche Gesichtspunkte durchaus nicht unbekannt sind, läßt sich anhand der folgenden arbeitsrechtlichen Regelungen zeigen. aa) Das Kündigungsschutzgesetz Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung, wenn einem Arbeitnehmer ordentlich gekündigt werden soll und dieser in einem Betrieb beschäftigt ist, der in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, wobei das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate in dem Betrieb oder Unternehmen bestanden haben muß (§§ 1 Abs. 1 u. 23 KSchG). Die dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegende Kündigung ist hierbei nur wirksam, wenn Gründe vorliegen, die eine Kündigung des Vertragsverhältnisses als sozial gerechtfertigt erscheinen lassen. Das KSchG nennt in § 1 Abs. 2 drei unterschiedliche Gründe, die eine solche Rechtfertigung bedeuten können. Eine Kündigung wäre z. B. rechtmäßig, soweit sich der Kündigungsgrund aus dringenden betrieblichen Erfordernissen ergibt. Bei der betriebsbedingten Kündigung verlangt das Gesetz eine soziale Auswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG), die der Arbeitgeber zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern treffen muß. 67 Die Arbeitnehmer werden anhand bestimmter Kriterien auf ihre soziale Schutzbedürftigkeit hin untersucht. Die am wenigsten schutzbedürftigen werden letztendlich entlassen. Bei der Sozialauswahl werden die Berufsaussichten des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt beachtet. 68
65 Etwa Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 49; Wank, Arbeitnehmer, S. 49; Wolf, RdA 1988, S. 270 (272); Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 1 I 1; a.A. namentlich Preis, Grundfragen, S.286. 66 Vgl. etwa Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 187; Wank, Arbeitnehmer, S. 48 f. 67 Dazu etwa Stahlhacke I Preis, Kündigung, § I Rn. 659 ff.; Hueck I v. Hoyningen-Huene, KSchG, Rn. 431 ff. zu § 1 KSchG. 68 BAG 24. 3. 1983 AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Schaub, NZA 1987, S. 218 (222); a.A. etwa Hueck I v. Hoyningen-Huene, KSchG, Rn. 472 zu § 1 KSchG, m.w.N.
§ 10 Die Ungleichgewichtigkeit im Arbeitsrecht
169
bb) Das Betriebsverfassungsgesetz Auch das BetrVG berücksichtigt die Arbeitsmarktchancen der Arbeitnehmer. Dieses Gesetz sieht u. a. einen erzwingbaren Sozialplan bei Personalabbau vor, der dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die dem Arbeitnehmer infolge der geplanten Entlassung entstehen, dienen soll (§§ 112 Abs. I S. 2 i.Y.m. 112a Abs. 1 BetrVG). Bei der Abfassung des Sozialplanes sind die sozialen Belange der zu entlassenden Arbeitnehmer sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Unternehmen zu beachten. Die wirtschaftlichen Nachteile dieser Arbeitnehmer liegen insbesondere in einer Einkommensminderung, im Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten. 69 Besonders deutlich wird die arbeitsrechtliche Relevanz der individuellen Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitsmarkt in § 112 Abs. 5 Ziff. 2 BetrVG, wonach die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen sind, wenn die wirtschaftlichen Nachteile einer Entlassung durch die Einigungsstelle bewertet werden. b) Arbeitsrecht und Wirtschaftswissenschaften
Die Frage nach einer Imparität der Vertragsparteien wirft das Problem auf, ob und inwieweit der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt angewiesen ist und aus diesem Grund eine seinen Interessen entsprechende inhaltliche Gestaltung des Arbeitsvertrags nicht erwartet werden kann. Mit der angesprochenen Problemstellung berührt das Arbeitsrecht die Wirtschaftswissenschaften. 7o Arbeitsrechts- wie Wirtschaftswissenschaften bedienen sich bestimmter Argumentations- 71 und Interpretationsmuster72 , um die Besonderheiten des Arbeitsmarkts und speziell des Arbeitsvertrags zu fassen, denn beide Wissenschaftsdisziplinen finden in dem Arbeitsvertrag ein gemeinsames ObjekC3 • Die dogmatische Verbindung, die wissensschaftliche Brücke, liegt hierbei in einer möglichen Imparität der Vertragsparteien, die rechtlich wie wirtschaftlich zu einem Versagen des Modells einer Privatautonomie führen kann. 74 Es wird davon auszugehen sein, daß dieses Versagen die Grundlage § 112 Abs. 5 Nr. 1 BetrVG. Dies wird besonders deutlich bei Reuter, RdA 1991, S. 193 (194 f.), der eine Veränderung der Prämissen der Tarifautonomie feststellt, wobei auf wirtschaftswissenschaftliche Ergebnisse zurückgriffen wird. 71 V gl. Reuter, Stellung, S. 3 ff., 16 f. 72 Brandes / Buttler / Dorndorf, Arbeitsmarkttheorie, S. 489. 73 Watrin, Arbeitsvertrag, S. 23. 74 Unzutreffend sieht Fabricius, Marktwirtschaft, Rn. 204 ff.; ders., Unternehmensrechtsreform, S. 33 ff., die Ursache für ein Marktversagen in dem fehlenden ProduktivmitteIeigentum der Arbeitnehmer. Auch der von Fabricius, a. a. 0., darüber hinaus gewählte naturrechtliche Ansatz "Arbeit führt zu Eigentum des Arbeiters am Produkt seiner Arbeit", kann an einer marktlich bedingten Imparität nichts ändern, da selbst im Rahmen einer Arbeiterselbst69 70
170
4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
des Imparitätskonzeptes ist. 75 Bedeutsam ist hierbei, daß ein marktwirtschaftliches Konzept in einem Rechtsstaat eines rechtlichen Mittels zu seiner Realisierung bedarf. Dieses findet sich in der Privatautonomie. Das Vertragsprinzip funktioniert aber nur unter denselben Voraussetzungen wie das Marktmodell. 76 Da mithin den Wirtschaftswissenschaften wie den Arbeitsrechtswissenschaften gleichartige Problemstellungen zugrunde liegen, können die wirtschaftswissenschaftlichen Inhalte und Argumente für die arbeitsrechtliche Fragestellung fruchtbar gemacht werden. 77
4. Eingliederung in die betriebliche Organisation Für die Überlegenheit des Arbeitgebers 78 oder die Abhängigkeit des Arbeitnehmers 79 wird darüber hinaus die Eingliederung des Arbeitnehmers in den betrieblichen Organisationsbereich angeführt, da dieser vom Arbeitgeber selbst oder durch seine Repräsentanten beherrscht wird und der Arbeitnehmer sich den Weisungen dieser beugen muß, soweit sie rechtmäßig sind. Diese Situation kann besonders als ein Ergebnis der Arbeitszerlegung bezeichnet werden. 8o Dem Arbeitnehmer verbleibt selbst in der Regel nur eine schematisierte und oftmals mechanisierte Ausführung eines abgegrenzten Arbeitsschrittes. 81 In einem modemen Industriebetrieb bedingen die Organisationsstrukturen vielfach eine organisatorische Weisungsbindung. Somit besteht aus Sicht des Arbeitnehmers kein Unterschied zwischen den konkreten betrieblichen Steuerungsprozessen kraft Einzelanweisung oder kraft Steuerung durch straffe Einbindung in verwaltung der einzelne Arbeitnehmer einem Kollektiv gegenüberstehen würde, das unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten die Lohnhöhe bestimmen müßte, wollte es nicht das Kollektiv gefährden. 75 Vgl. dazu Gast, BB 1990, S. 1637 (1637 f.). 76 Gast, BB 1990, S. 1637 (1638, Fn. 10); Fabricius, Marktwirtschaft, Rz. 98 ff.; ders., Unternehmensrechtsreform, Rz. 56. 77 Zu ähnlichen Ansätzen Brandes / Buttler / Dorndorf, Arbeitsmarkttheorie, S. 489 ff.; Reuter, Stellung, S. 3 ff.; ders., RdA 1991, S. 195 (195 f.). Rittner, AcP 188 (1988), S. 101 (1IOff.), lehnt zwar die Übernahme wirtschaftswissenschaftlicher Inhalte in die juristische Arbeit ab, diese mehr pauschale Ablehnung kann aber hier nicht greifen, da die Wirtschaftswie Rechtswissenschaften, wie die Untersuchung zeigen wird, von gleichartigen Vorstellungen und Prämissen ausgehen. 78 Gast, Arbeitsrecht, S. 68. 79 Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 99 f.; Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 48 f.; Wank, Arbeitnehmer, S. 47. 80 S.o. § 3 11. Vgl. etwa Hönn, Kompensation, S. 220; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 174; Richardi, Kollektivgewalt, S. 115, 118; Söllner, Leistungsbestimmung, S. 13 ff.; Wank, Arbeitnehmer, S. 47; vgl. aber auch Gast, Arbeitsvertrag, S. 67 ff., 81 ff.; ders., Arbeitsrecht, S. 45 ff. 81 S.o. § 3 11.
§ 10 Die Ungleichgewichtigkeit im Arbeitsrecht
171
eine Organisation. Relevanz entwickelt allein die notwendige Fremdgestaltung der Arbeitsabläufe. Grundsätzlich aber kann eine Imparität der Arbeitsvertragsparteien zum Zeitpunkt des erstmaligen Vertragsschlusses nicht aus der Eingliederungssituation resultieren, da diese noch nicht gegeben ist. Die Eingliederung kann somit allein im Rahmen einer nachträglichen Änderung der Arbeitsbedingungen von Bedeutung sein. Das Argument der Abhängigkeit kraft Eingliederung betrifft darüber hinaus eher die arbeitsorganisatorisch bedingte, fonnal geprägte Unselbständigkeit bei der Erbringung der Arbeitsleistung im besonderen. 82 Ansonsten kann sich eine Ungleichgewichtigkeit aus der Eingliederungssituation nur ergeben, wenn der Arbeitnehmer auf das Arbeitseinkommen angewiesen ist und deshalb ungünstigeren Arbeitsbedingungen zustimmen muß. Der Grund hierfür liegt aber dann nicht in der Eingliederung, sondern allein in dem Angewiesensein auf das Arbeitseinkommen. Dem Arbeitnehmer steht aber nach Abschluß des Arbeitsvertrags das individuelle wie das kollektive Arbeitsrecht zur Seite. Aus der Perspektive eines Unternehmers wären folgende Konstellationen denkbar, wenn der Arbeitnehmer mit einer Änderung der Arbeitsbedingungen nicht einverstanden wäre. Der Arbeitgeber bestimmt kraft Direktionsrecht die neuen Arbeitsbedingungen, er kündigt einem Arbeitnehmer, um diesen durch einen billigeren Arbeitnehmer zu ersetzen und Lohneinsparungen zu erreichen, oder der Arbeitgeber kündigt das Arbeitsverhältnis bezüglich des Lohnes mit dem gleichen Ziel, ohne daß der Betrieb wirtschaftlich bedroht ist und die Arbeitsplätze in Gefahr sind. Die Veränderungen der Arbeitsbedingungen wie z. B. Lohn oder Arbeitszeit können nicht durch das Weisungsrecht erreicht werden. 83 Diese Arbeitsbedingungen sind als Hauptleistungsverpflichtungen einzustufen und bedürfen zu einer wirksamen Veränderung eines Gesetzes, Tarifvertrages oder einer einvernehmlichen Vertragsänderung. 84 Unterliegt das Arbeitsverhältnis dem KSchG, so wäre die erste Kündigung allein als betriebsbedingte Beendigungskündigung zu charakterisieren. Die Kündigung wäre sozial nicht gerechtfertigt und mithin unwirksam, da der Arbeitsplatz erhalten bliebe. 85 Hierbei würde es sich allein um eine Art Austauschkündigung handeln, die unzulässig ist. 86 82 83 84 85
Lieb, Teilhaberverhältnis, S. 49; Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 4 III 5. Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 61 I l. Hromadka, RdA 1992, S. 234 (236). Vgl. statt aller Hueck Iv. Hoyningen-Huene, KSchG, Rn. 389 f. zu § 1 KSchG.
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4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bezüglich des Lohnes stellt sich als Änderungskündigung im Sinne des § 2 KSchG dar und müßte als betriebsbedingte Änderungskündigung sozial gerechtfertigt sein. 87 Die Einsparung von Lohn reicht aber hierfür nicht aus. 88 Es bleibt festzuhalten, daß eine Änderung der Arbeitsbedingungen gegen den Willen des Arbeitnehmers ausscheidet, soweit hierfür nicht dringende betriebliche Bedürfnisse gegeben sind. Darüber hinaus wäre ein tarifvertraglich festgelegter Lohn selbst durch eine ansonsten wirksame Kündigung nicht abzubauen (§ 4 Abs. 3 TVG). Des weiteren führt die Installierung teamorientierter Arbeitsorganisation zu einer Stärkung der Positionen der Gruppenmitglieder. Der Arbeitgeber sieht sich im Rahmen von Änderungen der Arbeitsbedingungen nicht mehr einem isolierten Arbeitnehmer gegenüber, sondern vielmehr einem Kollektiv. 89 Auf diese Weise wird eine denkbare Imparität des Einzelarbeitnehmers mit dem für das Arbeitsrecht typischen Mittel der kollektiven Interessenvertretung negiert. Es bleibt grundsätzlich festzustellen, daß innerbetriebliche Wirklichkeitsstrukturen partizipativen Inhalts hierarchieüberwindend und imparitätsausgleichend sind. 90
III. Ergebnis Die Grundlage der arbeitsrechtlichen Dogmatik ist in der Annahme zu sehen, daß die Arbeitsvertragsparteien ungleichgewichtig sind. Ein Vertragsabschluß soll sich immer zuungunsten des Arbeitnehmers gestalten. Für die Begründung der Imparitätsannahme kann hierbei weder auf das Produktivmitteleigentum des Arbeitgebers oder dessen Organisationsvorsprung noch auf eine intellektuelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers verwiesen werden. Vielmehr kommt dem Wettbewerb auf einem freien Markt in einer privatrechtlich konzipierten Rechtsordnung eine gestaltende Funktion hinsichtlich der Ordnungsfunktion des Privatrechts und der Möglichkeit autonomer Regelungen zu, wobei eine Imparität der Arbeitsvertragsparteien anzunehmen sein wird, wenn der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt existentiell angewiesen ist. Mit der angesprochenen Problemstellung berührt das Arbeitsrecht wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen unmittelbar, so daß die 86 BAG 27. 9. 1984 AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969 m. Anm. von v. Hoyningen-Huene; BAG 13.3.1987, AP Nr. 37 zu § 1 KSchG 1969. 87 Auch, wenn sich diese Art von Kündigung als Teilkündigung darstellt, so stellt das Arbeitsrecht allein die Möglichkeit einer Änderungskündigung zu Verfügung und verneint vollständig die Möglichkeiten einer Teilkündigung, vgl. Hromadka, RdA 1992, S. 234 (251), m.w.N. 88 Vgl. etwa Hueck / v. Hoyningen-Huene, KSchG, Rn. 71 zu § 2 KSchG. 89 S.o. § 6 11,2; Schack, Liberalisierung, S. 42 f., 50. 90 Gast, BB 1990, S. 1637 (1643).
§ 11 Das Gutachten der Deregulierungskommission
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wirtschaftswissenschaftlichen Inhalte für arbeitsvertragsrechtliche Fragestellungen fruchtbar gemacht werden können. Darüber hinaus führt die organisatorische Abhängigkeit des Arbeitnehmers nicht zu einer Imparität der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Einer nachträglichen ungerechtfertigten Änderung der Arbeitsbedingungen steht zum einen das KSchG und / oder das TVG entgegen, und zum anderen die Arbeitsgruppe als kleinstes innerbetriebliches Kollektiv.
§ 11 Das Gutachten der Deregulierungskommission Die Bundesregierung hat am 16. Dezember 1987 beschlossen, eine" Unabhängige Expertenkommission zum Abbau marktwidriger Regulierungen" einzusetzen. Diese Deregulierungskommission hat 1990/91 ihre Ergebnisse vorgelegt. Im achten Kapitel beschäftigt sich die Deregulierungskommission mit den Regulierungen des Arbeitsmarkts und macht zu einer Deregulierung 12 Vorschläge, die das Tarifvertragsrecht, den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses, die Arbeitsvermittlung und die staatlich reglementierten Arbeitszeiten betreffen. 91 Das Gutachten der Deregulierungskommission erscheint als Spiegel der wirtschaftswissenschaftlichen Erklärungsversuche hinsichtlich eines Versagens des Arbeitsmarkts und wird im folgenden für die Klärung der Paritätsfrage untersucht. Der Sinn und die Notwendigkeit einer Deregulierung sind umstritten, was wohl auch an den divergierenden wirtschaftswissenschaftlichen Ausgangspositionen liegt. 92 Dies wird um so deutlicher, berücksichtigt man das Minderheitsvotum eines Mitgliedes der Kommission, das sich gegen eine sogenannte Philosophie der Deregulierung ausspricht. 93 Nach Ansicht der Kommission setzen die Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt den Wettbewerb weitgehend außer Kraft. 94 Der Grund hierfür liege in der Annahme, daß ein regulierungsfreier Arbeitsmarkt versage. 95 Zur Begründung der Hypothese des Marktversagens auf dem Arbeitsmarkt96 werden in der Ökonomie verschiedene, besondere Merkmale des Arbeitsmarkts Dk., Marktäffnung, Ziff. 544 ff.; zu diesen Reuter, DZWir 1991, S. 221 ff. In dem Sinne Soltwedel et a1., Regulierungen, S. 1. Nach Rittner, AcP 188 (1988), S. 101 (111), sind die verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Theorien und Sichtweisen das Ergebnis einer "Komplexität der wirtschaftlichen Wirklichkeit". Die divergierenden wirtschaftstheoretischen Ansätze und Meinungen werden dargestellt bei: Buttler, Regulierung, S. 67 ff.; ders., Arbeitsbeziehungen, S. 9 ff.; Neumann, Sicht, S. 105 ff. Keuchei, Arbeitsmarkt, S. 89 ff.; Soltwedel et al., Regulierungen, S. 114 ff. 93 Minderheitsvotum in: Dk., Marktäffnung, Ziff. 629. 94 Dk., Marktäffnung, Ziff. 556. 95 Dk., Marktäffnung, Ziff. 556. 91
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4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
herangezogen 97 , die auch die Kommission ihrem Gutachten zugrunde legt und dabei relativiert, in Frage stellt oder verneint. Bei allem gehen auch die Gutachter von Besonderheiten des Arbeitsmarkts aus, wollen aber dabei fragen, " ... ob unter den bestehenden Regulierungen das Marktergebnis besser ist, als es wäre, wenn die individuelle Vertragsfreiheit weniger eingeschränkt, der Markteintritt weniger behindert wird. ,,98
Hierbei stellt die Kommission die Erklärungen, die für eine Besonderheit des Arbeitsmarkts vorgebracht werden, ihren Stellungnahmen und den Veränderungsvorschlägen voran. Dem Gutachten liegen wiederum zwei rechts- wie ein wirtschaftswissenschaftliches Gutachten zugrunde, die eigens für die Kommission erstellt wurden. 99 Die Kommission untersucht vier Argumente, wobei aus arbeitsvertraglicher Perspektive aber nur zwei von Bedeutung sind, die im folgenden dargestellt werden. In erster Linie geht es bei diesen beiden um die Frage, ob und inwieweit der Tarifvertrag zum Schutz gegen ein Marktversagen zum heutigen Zeitpunkt noch erforderlich ist, was zu bejahen ist, wenn ohne einen Tarifvertrag eine Unterlegenheit des Arbeitnehmers eine unangemessenen Arbeitsvertragsgestaltung bedingt. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts 100 ist die Tarifautonomie darauf angelegt, durch kollektives Handeln ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, da der einzelne Arbeitnehmer beim individuellen Aushandeln der Arbeitsbedingungen strukturell unterlegen sei. Insoweit decken sich die Fragestellungen des Arbeitsvertragsrechts mit denen der Wirtschaftswissenschaften.
I. Das Mehrheitsvotum zum Argument vom Unterbietungswettbewerb 101 Als ein besonderes Merkmal des Arbeitsmarkts wird angeführt, daß bei einem freien Arbeitsmarkt die Arbeitnehmer einem Wettbewerb um Arbeit ausgesetzt sei96 So Soltwedel et al., Regulierungen, S. 159., in ihrem Gutachten, das für die Dk. erstellt wurde (vgl. Dk., Marktöffnung, Vorwort Ziff. 8 Spiegelstrich 7). 97 Vgl. etwa Buttler, Arbeitsbeziehungen, S. 44 ff.; Brandes / Buttler / Domdorf, ArbeitsmarkttlIeorie, S. 490 ff., jeweils m.w.N. 98 Dk., Marktöffnung, Ziff. 562. 99 Aus der rechtswissenschaftlichen Perspektive Kronke, Regulierungen. Aus der wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive das Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, Soltwedel et al. , Regulierungen. Hier wiederum findet sich auch eine ,,Juristische Bewertung" von Reuter, S. 189 ff. 100 BVerfG v. 26. 6. 1991, ArbuR 1992, S. 29 (32). 101 Dk., Marktöffnung, Ziff. 557 Spiegelstrich 3, 560.
§ 11 Das Gutachten der Deregulierungskommission
175
en, der zu einer Unterbietung der jeweiligen Arbeitsbedingungen führen würde, so daß das Arbeitsangebot anomal auf den Lohn reagiere. Nach Ansicht der Kommission 102 liege dem folgende Vorstellung zugrunde: ..Da der Arbeitnehmer auf ein bestimmtes Einkommen angewiesen sei, müsse er bei niedrigerem Lohn mehr anbieten als bei höherem. Da dies alle Arbeitnehmer täten, entstände beim freien Spiel der Marktkräfte eine Spirale von Lohnsenkung und Steigerung des Arbeitsangebots. Die Arbeitnehmer trieben ..Schmutzkonkurrenz" und würden das Opfer von ,,Lohndrückerei" der Arbeitgeber. Dabei sinken die Löhne auf das Sozialhilfeniveau oder noch darunter."
Die Kommissionsmitglieder berücksichtigen hierbei eine Studie, die das Institut für Weltwirtschaft im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft für die Deregulierungskommission angefertigt hat. 103 Die Kommission lO4 kommt wie diese Studie 105 zu dem Ergebnis, daß das Argument vom Unterbietungswettbewerb im 19. Jahrhundert fuße, welches von einer Verelendung der Arbeitnehmerschaft geprägt war. Heute sei allerdings nicht mehr zweifelsfrei zu klären, ob die geltenden Arbeitsmarktregulierungen die damaligen Zustände verhindert hätten, da die damalige Zeit von einer Landflucht, einem Wachstum der Erwerbsbevölkerung und einem Produktivitätsschub der Industrie gekennzeichnet gewesen sei. Demgegenüber sei zweifelsfrei festzustellen, ..... daß sich heute in der Bundesrepublik die Arbeiteifrage so nicht mehr stellt."I06 Vielmehr müßten die Arbeitnehmer nicht mehr jedwede Arbeit annehmen, da vielfach Geld- und Sachvermögen und das umfassende Netz der sozialen Sicherung diesem Zwang entgegenständen. Darüber hinaus würden vielfältige Arbeitsschutzregelungen eine Gefährdung des Arbeitnehmers verhindern.
Dk., Marktöffnung, Ziff. 560. Soltwedel et a1., Regulierungen, S. 160 ff., beschäftigen sich mit dieser Problemlage unter dem Aspekt ..einer negativ geneigten Angebotskurve". Referiert wird dabei die Meinung von StützeI, Marktpreis, S. 78, für den ein regulierungsfreier Markt die Verelendung der Arbeitnehmer bedeutet, soweit ein fehlender Produktionsmittelbesitz und fehlendes Verrnögenseinkommen dazu treten, Brandes / Buttler / Domdorf, Arbeitsmarkttheorie, S. 490 (dort Fn. 3), m.w. Nachw. zu StützeIs Argumentation und wissenschaftlicher Arbeit. Auch Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 305, ging von einer besonderen Stellung des Arbeitsmarkts aus, vg1. Möschel, ZRP 1988, S. 48 (50). Zu den verschiedenen Arbeitsmarkttheorien, KeucheI, Arbeitsmarkt, S. 89 ff. 104 Dazu und zum folgenden Dk., Marktöffnung, Ziff. 565. 105 Vg1. Soltwedel et a1., Regulierungen, S. 160 ff. 106 Dk., Marktöffnung, Ziff. 565. 102 103
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4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
11. Das Mehrheitsvotum zum Argument einer Abhängigkeit 107 Die Hypothese einer Abhängigkeit des Arbeitnehmers unterstellt eine ungleiche Verhandlungsmacht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer 108 und ist eng mit dem Argument des Unterbietungswettbewerbs verbunden. Dieser Ansicht liegen folgende Gesichtspunkte zugrunde. Der Arbeitgeber befinde sich in einer stärkeren Verhandlungsposition, da er ökonomisch und rechtlich ungebunden sei. Der Arbeitnehmer wiederum sei schon beim Vertrags schluß der Unterlegene, da dieser auf die Arbeitsleistung als Existenzgrundlage angewiesen sei. Nach Abschluß des Vertrages setze sich dies fort, da " ... Arbeitsverträge typischerweise unvollständige langfristige Verträge .. .,,109 seien, wobei eine vollständige Festlegung der Leistungsinhalte unmöglich wie zu kostspielig sei. Aus diesem Grund könne der übermächtige Arbeitgeber zu jedem Zeitpunkt die arbeitsvertraglichen Inhalte zu Lasten des Arbeitnehmers verändern, wenn die aus einem Widerspruch des Arbeitnehmers und einer damit verbundenen Kündigung durch den Arbeitgeber herrührenden Kosten ungleich zu Lasten des Arbeitnehmers verteilt wären. HO Die Machtposition des Arbeitgebers würde dabei mit den vom Arbeitnehmer zu erwartenden Abwanderungskosten steigen. III Nach Ansicht der Kommission müsse das Argument einer Abhängigkeit in zweifacher Weise relativiert werden. HZ Es sei ein opportunistisches Verhalten des unterlegenen Arbeitnehmers zu befürchten, wenn dieser nur unter hohen Mobilitätskosten einen anderen Arbeitsplatz antreten könnte. Diese Kosten würden sich materiell (Umzugskosten) wie ideell (Familie verliert ihr soziales Umfeld) realisieren. Die Mehrzahl der Arbeitsplatzwechsel vollzögen sich aber unter Bedingungen, die keine hohen Mobilitätskosten verursachten. Des weiteren führe auch eine Kündigung nicht zu hohen Mobilitätskosten, weil Investitionen in die Qualifikation nicht als verlorene Kosten zu sehen seien, sondern vielmehr in anderen Betrieben oder Branchen verwertet werden könnten. Aus diesem Grund sei auch die Angst vor opportunistischem Verhalten unangebracht. Die Situation der Arbeitnehmer, die betriebsspezifisches Wissen erworben haben, unterscheide sich hierbei von der erstgenannten Situation, da die jeweiligen Qualifikationen betriebsgebunden seien. Die daraus resultierende Abhängigkeit aber wäre wechselseitig, denn der Arbeitgeber sei auf die betriebsspezifischen FäDk., Marktöffnung. Ziff. 557 Spiegelstrich 2, 559. Vgl. dazu und zum folgenden etwa Soltwedel et al., Regulierungen. S. 162 ff., m.w.N. 109 Dk., Marktöffnung. Ziff. 559, s.a. Ziff. 13. 110 Buttler, Arbeitsbeziehungen. S. 46; Brandes / Buttler / Dorndorf, Arbeitsmarkttheorie, S. 492 f. 111 Nach Dorndorf, FS Gnade, 1992, S. 49. 112 Dazu und zum folgenden Dk., Marktöffnung. Ziff. 564. 107 108
§ 11 Das Gutachten der Deregulierungskommission
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higkeiten angewiesen. Dieser wolle deshalb oftmals seine Kräfte an den Betrieb binden, wobei Tarifverträge hierfür nicht als besonders geeignet erschienen. Langfristige und individuelle Arbeitsverträge seien hierfür der geeignete Weg, wobei einer willkürlichen Kündigung durch den Arbeitgeber schon heute der Kündigungsschutz des Arbeitnehmers entgegenstände.
III. Das Minderheitsvotum Für den Bereich "Arbeitsmarkt" hat ein Mitglied der Deregulierungskomrnission ein vom Gutachten abweichendes Votum vorgelegt. 113 In diesem wird überwiegend auf die Argumente, die für die Hypothese eines Versagens des Arbeitsmarkts vorgebracht werden, zurückgegriffen. Kritisiert wird die Quellenarbeit der Mehrheitsmeinung, da diese die Quellen, die die Position der Gewerkschaften stützten, nicht herangezogen hätte. 114 Die Deregulierung sei kein Wert an sich und bedeute keineswegs ein Mehr an Freiheit. Die Entstehungsgeschichte des Arbeitsrechts zeige vielmehr: Deregulierungen dehnen formal die Freiheitsbereiche der Arbeitnehmer (Angebotsseite) aus, real leide die materielle Freiheit aber darunter. Die Grundlage dieser Annahme findet sich in der Hypothese einer ungleichen Verhandlungsmacht zwischen den Arbeitsvertragsparteien, die das Minderheitsvotum vertritt. Deregulierungen bedeuteten hiernach eine Verschlechterung der Machtsituation auf dem Arbeitsmarkt zu Lasten der Anbieter. Die Folge davon sei aber nicht ein Mehr an Arbeit. Vielmehr sei eine "... Lohnsenkung als eine Zunahme der ,monopsonistischen' Marktmacht der Nachfrager. .. ,,115 unwirksam. Im Unterschied zu einem Monopol, in dem einem Anbieter viele Nachfrager gegenüberstehen, besteht in einem Monopson ein Nachfragemonopol, in dem es eine größere Zahl von Anbietern gibt, die auf die Nachfrage ihrer Leistung angewiesen sind. Übertragen auf den Arbeitsmarkt bedeutet dies, daß einem Unternehmen als Nachfrager nach Arbeit eine Mehrzahl von Arbeitsanbietern gegenübersteht, so daß die Lohnhöhe von dem Unternehmen einseitig diktiert werden kann. 116 Nach Ansicht des Komrnissionsrnitgliedes ll7 seien noch heute schwerwiegende Macht- und Dispositionssymmetrien zu Lasten der Arbeitnehmer festzustellen. Dieser Annahme seien auch heute noch weite Teile der Arbeitsmarkttheorie und der empirischen Forschung. Dazu und zum folgenden Dk., Marktöjfnung, Ziff. 629 ff. Dk., Marktöjfnung, Ziff. 635. 115 Dk., Marktöjfnung, Ziff. 630. Hervorhebung durch den Verfasser. 116 Vgl. etwa Woll, Volkswinschaftslehre, S. 185 ff., 209 (Übers. 11 - 1); Soltwedel et al., Regulierungen, S. 163. 117 Dk., Marktöjfnung, Ziff. 631. 113
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12 Schack
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4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
Die Unterlegenheit des Arbeitnehmers ergebe sich auch noch heute daraus, daß die Unternehmen als Institutionen in der Lage seien, ohne Arbeitnehmer zu leben. 118 Der Arbeitnehmer hingegen könne, wenn überhaupt, nur zwischen wenigen Arbeitgebern wählen. Deshalb sei auch die Verhandlungsmacht auf seiten des Unternehmers größer, denn das Interesse des Arbeitnehmers am Verkauf seiner Arbeitskraft sei größer als das des Unternehmers am Kauf dieser. Status- und karrierebewußte Arbeitnehmer ständen, da Arbeitslosigkeit stigmatisiere, unter ständigem Druck. Diese Arbeitnehmer gerieten durch hohe Mobilitätskosten und die berufsspezifischen Anlagen in Abhängigkeit gegenüber dem Arbeitgeber. Die Besonderheit des Arbeitsvertrags als typischerweise unvollständiger Vertrag und das Hierarchieverhältnis verlangten dem Arbeitnehmer eine stetige Anpassung ab und würden die Gefahr eines opportunistischen Verhaltens in sich bergen. Dies gelte insbesondere, wenn bei einer Kündigung hohe Mobilitätskosten zu erwarten seien oder eine längere Arbeitslosigkeit drohe.
IV. Zusammenfassung Nach Ansicht der Deregulierungskommission setzen die Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt den Wettbewerb weitgehend außer Kraft, weil angenommen wird, daß ein regulierungsfreier Arbeitsmarkt versage (Hypothese des Marktversagens auf dem Arbeitsmarkt). Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, daß sich zum heutigen Zeitpunkt die Arbeiterfrage nicht mehr so stelle wie im 19. Jahrhundert, weil die Arbeitnehmer nicht jede Arbeit annehmen müssen. Diesem Zwang stünde das Geld- und Sachvermögen entgegen, das vielfach von den Arbeitnehmern begründet sei, und das umfassende Netz der sozialen Sicherung. Nach Ansicht der Kommission müsse auch das Argument einer Abhängigkeit des Arbeitnehmers in zweifacher Weise relativiert werden, weil ein opportunistisches Verhalten der Arbeitnehmer ausscheide, da eine Kündigung nicht in der Regel zu hohen Mobilitätskosten führe und bei Arbeitnehmern, die betriebsspezifisches Wissen erworben haben, sich eine gegenseitige Abhängigkeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einstelle. In dem abweichenden Minderheitsvotum wird überwiegend auf die Argumente, die für die Hypothese eines Versagens des Arbeitsmarkts vorgebracht werden, zurückgegriffen und die Entstehungsgeschichte des Arbeitsrechts als Begründung für die ablehnende Haltung genutzt.
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Dazu und zum folgenden Dk., Marktäffnung, Ziff. 631 Spiegelstrich 1 ff.
§ 12 Elemente einer Parität der Arbeitsvertragsparteien
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§ 12 Elemente einer Parität der Arbeitsvertragsparteien Die Annahme, daß der Arbeitnehmer existentiell auf das Arbeitseinkommen angewiesen ist, wird im großen und ganzen auch im Deregulierungsgutachten relevant und von den Gutachtern überwiegend verneint. Die Begründungen, die hierfür ins Feld geführt werden, können als "Elemente der Parität" festgestellt und in diese Untersuchung eingebracht werden. Darüber hinaus sind die Grundrechte als arbeitsrechtliche Rechtsquellen zu beachten. 119
I. Einordnung des Gutachtens der Deregulierungskommission und der arbeitsrechtlichen Dimension der Grundrechte Die Frage nach der Existenzsicherungsfunktion des Arbeitsentge1ts stellt sich für die Kommission bei dem Argument des Unterbietungswettbewerbs. Nach Ansicht der Kommission stehe diesem Argument entgegen, daß die Arbeitnehmer nicht mehr gezwungen wären, jede Art von Arbeit anzunehmen, weil oftmals Sachund Geldvermögen vorhanden sei und das soziale Netz darüber hinaus einem Arbeitszwang entgegenstände. Die Funktion der Existenzsicherung des Arbeitsentgelts wird zudem in dem Gutachten bei dem Argument einer Abhängigkeit des Arbeitnehmers relevant. Eine solche Abhängigkeit wird verneint, weil das Ausweichen auf andere Arbeitsplätze möglich und die Qualifikation des Arbeitnehmers in der Regel auch auf anderen Arbeitsplätzen zu verwerten wäre. Dem Angewiesensein des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt als Grundlage einer Imparitätsannahme der Arbeitsvertragsparteien kann somit die finanzielle Situation des Arbeitnehmers (Sach- und Realvermögen), die Sicherung der Existenz des Arbeitnehmers durch staatliche Leistungen und die positive Lage auf dem Arbeitsmarkt unter Beachtung der individuellen Qualifikation entgegenstehen. Reuter 120 kommt zu einem partiell gleichen Ergebnis, wenn er ausführt, daß die Arbeitnehmer aus existentieller Not heraus sich nicht einer Unterbietungskonkurrenz unterwerfen würden, weil die reale Lohnuntergrenze durch die Arbeitslosenversicherung (untere Grenze: Sozialhilfe) und eigene Ersparnisse der Arbeitnehmer gebildet wird.
Als "Elemente der Parität" der Arbeitsvertragsparteien ergeben sich zunächst folglich: - Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit, - eigene Ersparnisse, Erträge aus Kapitalbeteiligungen oder Ersparnissen, - Beschäftigungsalternativen. 119 120
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S.o. § 3 I, ll. Reuter, RdA 1991, S. 193 (194 f.).
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4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
Darüber hinaus wird das Arbeitsrecht im starkem Maße von den Grundrechten beeinflußt. 121 Insbesondere ist hierbei die Bedeutung der Arbeit für die Menschenwürde und die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu nennen, die sich etwa im arbeitsrechtlichen Beschäftigungs- wie im Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers niederschlägt. 122 Dementsprechend muß bei der Paritätsfrage im Rahmen von arbeitsvertraglichen Vertragsverhandlungen berücksichtigt werden, daß der Arbeitnehmer zur Realisierung seiner Grundrechte eines Arbeitsplatzes bedarf123, soweit eine eigene selbständige Tätigkeit auszuscheiden hat. Auf diese Weise wird die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers beeinflußt. Die Beschäftigung des Arbeitnehmers läßt eine eigene, gleichzeitige unternehmerische Teilnahme am Markt in der Regel ausscheiden. 124 Auch existiert nicht für alle Bürger die Möglichkeit, eine selbständige Tätigkeit auszuüben. Zum einen ist dies etwa in der fachspezifischen Ausbildung des Arbeitnehmers angelegt, die jeweils eines bestimmten Umfeldes zur Ausübung bedarf. Zum anderen aber kann in einer Industriegesellschaft, die zur Arbeitsteilung neigt, nur einem geringen Teil der berufstätigen Bevölkerung die Möglichkeit einer selbständigen Berufsausübung eröffnet sein, so daß die Arbeits- oder Dienstleistung grundsätzlich die Folge der modernen Wirtschaftsentwicklung iSt. 125 Folglich ergibt sich unter verfassungsrechtlichen Aspekten als 4. Element der Parität die immaterielle Bedeutung des jeweiligen Arbeitsplatzes für den Einzelarbeitnehmer. Es bleibt festzuhalten, daß über die jeweilige Position eines Arbeitnehmers im Rahmen von Vertragsverhandlungen die Elemente der Parität entscheiden. Denn bei Nichtvorliegen eines Angewiesenseins auf die Leistung der Gegenseite entfällt die Situation der Imparität. 126 Im folgenden werden die ersten drei Elemente untersucht und zum Abschluß unter Beachtung des grundrechtlich orientierten vierten Elements bewertet.
Vgl. etwa Adomeit, Arbeitsrecht, B 11; Gamillscheg, Grundrechte, S. 15 f.; s.o. § 3 I. S.o. § 3 11. 123 Dies darf nicht mit einem verfassungsrechtlichen Recht auf Arbeit verwechselt werden. Dies ist nicht im GG verankert und entspräche des weiteren nicht einer freiheitlichen und sozialen Marktwirtschaft, vgl. etwa Staudinger / Richardi, § 611 Rn. 53; MünchArbR / Buchner, § 36 Rn. 5. 124 Vgl. etwa Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 14 ff.; Lieb, Arbeitsrecht, § 1 12. 125 Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 15; Lieb, Arbeitsrecht, § 1I 2. Auch Zöllner, JuS 1988, S. 329 (336), sieht für die Mehrheit allein die Möglichkeit unselbständigen Brotverdienstes. 126 Ebenso Flurne, Allgemeiner Teil, Bd. 11, § 1 7; in dem Sinne Schmidt-Rimpler, FS Raiser, 1974, S. 14. 121
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§ 12 Elemente einer Parität der Arbeitsvertragsparteien
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1. Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit
Für die Deckung des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers wird unter arbeitsrechtlichen Aspekten das Arbeitsförderungsgesetz relevant l27 , das auch den Versicherungsfall Arbeitslosigkeit regelt (§§ 100 ff. AFG).128 Die arbeitsförderungsrechtlichen Maßnahmen haben vor allem dazu beizutragen, daß z. B. Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel vermieden werden, die berufliche Beweglichkeit der Erwerbstätigen gesichert und verbessert und die Struktur der Beschäftigung nach Gebieten und Wirtschaftszweigen verbessert wird. 129 Die Bundesanstalt für Arbeit hat diese Ziele zu realisieren (§ 3 Abs. 1 AFG). Dieser obliegt hierbei u. a. die Gewährung von Arbeitslosengeld. 13o Auch sieht dieses Gesetz Weiterbildungs- wie Umschulungsmaßnahmen vor. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht nach § 100 Abs. 1 AFG, wenn der Arbeitnehmer - arbeitslos ist, - der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, - die Anwartschaftszeit erfüllt hat, - sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet - und Arbeitslosengeld beantragt hat. Der Begriff Arbeitslosigkeit ist in § 101 AFG definiert, wonach derjenige arbeitslos ist, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt. Nach dem Bundessozialgericht l3l ist Arbeitnehmer im Sinne von § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG, wer zum Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit dem Kreis der abhängig Beschäftigten zuzurechnen ist. 132 Der Arbeitnehmer steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wenn dieser eine zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben kann und darf (Beschäftigungsfähigkeit) und bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung, die ausgeübt werden kann und darf (Beschäftigungswilligkeit), auszuüben. 133 Wesentlich für die Verfügbarkeit eines arbeitslosen Arbeitnehmers 127 Unberücksichtigt bleibt an dieser Stelle das BSHG, das in den §§ 11 ff. besondere Hilfen zum Lebensunterhalt und in den §§ 27 ff. Hilfen in besonderen Lebenslagen vorsieht, weil gerade das AFG auf die Situation "Vertragsverhandlung", "Arbeitslosigkeit" und ,,Arbeitssuche" ausgerichtet ist. 128 Vgl. etwa Bley, Sozialrecht, C III 5; Mönks, Versicherungsfall, B. 129 § 2 Nr. I, 2, 7 AFG. 130 §§ 3 Abs. 2 Nr. 6 AFG, 19 Abs. 2 Nr. 6 SGB I. 131 BSGE 42, S. 76 (77). 132 Zu den wesentlichen Elementen des sozialrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs, vgl. etwa Knigge / Ketelsen / Marschall / Wittrock, AFG, § 101 Anm. 5. 133 § 103 Abs. I Nr. I AFG. Hierbei muß es sich um eine die Beitragspflicht nach § 168 AFG begründende Beschäftigung handeln. Vgl. Bley, Sozialrecht, C III 5; Schulin, Sozialrecht, Rn. 693.
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4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
ist die subjektive Zumutbarkeit für andere mögliche Beschäftigungen. 134 Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit sind die Interessen des Arbeitslosen und die der Gesamtheit der Beitragszahier gegeneinander abzuwägen (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AFG). Eine Grundlage hierfür wurde in der Zumutbarkeits-Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit getroffen. 135 Es liegt in dem besonderen Aufgabenbereich des Arbeitsförderungsrechts, daß in die Einzelfallbeurteilung u. a. auch die Lage und Entwicklung des für den Arbeitnehmer in Betracht kommenden Arbeitsmarkts einzustellen sind. 136 Bedeutsam ist hierbei, daß das AFG einen generellen Berufsschutz nicht gewährt, so daß dem Arbeitnehmer nicht ausschließlich Beschäftigungen in dem erlernten, überwiegend oder zuletzt ausgeübten Beruf zuzumuten wären. 137 Allerdings ergibt sich aus der Zumutbarkeits-Anordnung ein abgestuftes System der Zumutbarkeit. 138 Die Grundlage bildet folgendes, in § 12 Abs. 2 der ZumutbarkeitsAO niedergelegtes Schema von QualifIkationsstufen, das unterscheidet zwischen: 1. Hochschul- und Fachhochschulausbildung,
2. Aufstiegsfortbildung auf einer Fachschule oder in einer vergleichbaren Einrichtung, 3. Ausbildung in einem Ausbildungsberuf, 4. Anlernausbildung, 5. alle übrigen Beschäftigungen. Während der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit (vier bzw. sechs Monate) ist allein die Verweisung auf eine der bisherigen Tatigkeit vergleichbare Beschäftigung zuzumuten, wobei die jeweilige QualifIkationsstufe zu beachten iSt. 139 In diesem Zeitrahmen muß der Arbeitslose in der Regel auch Tätigkeiten annehmen, die nicht seinem beruflichen Werdegang entsprechen. 140 Auch die Verringerung des Arbeitsentgelts auf 80% des vorherigen ist zumutbar. 141 Nach Ablauf der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit ist im Turnus von vier Monaten eine Herabstufung möglich. 142 Steht aber ein Arbeitssuchender der betreffenden QualifIkationsstufe für den Arbeitsplatz zur Verfügung, so ist eine Herabstufung nicht möglich. 143 Weitergehen134 Grundlegend zu dem "Grundrecht des Arbeitslosen" auf zumutbare Arbeit, HummelLi1jegren, Zumutbare Arbeit, bes. S. 97 ff., 172 ff. 135 ANBA S. 523. 136 Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Zumutbarkeits-Anordnung. 137 BSG NZA 1987, S. 180 (181). 138 Peters-Lange, Zumutbarkeit, S. 100 ff. 139 Peters-Lange, Zumutbarkeit, S. 101. 140 GageIl Steinmeyer, AFG, § 103 Rn. 360. 141 § 10 Zumutbarkeits-AO. 142 § 12 Abs. 1 Satz 2 Zumutbarkeits-AO. 143 Peters-Lange, Zumutbarkeit, S. 101.
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de Anforderungen stellt die Anordnung (§ 3) an die räumliche Mobilität des arbeitslosen Arbeitnehmers. Die Anwartschaftszeit hat der Arbeitslose erfüllt, wenn er in den letzten drei Jahren vor Antragstellung dreihundertsechzig Kalendertage beitragspflichtig gearbeitet hat (§ 104 Abs. 1 u. 2 AFG). Im Anschluß an das Arbeitslosengeld wird die Arbeitslosenhilfe gewährt. Diese wird durch die Bundesanstalt für Arbeit im Auftrag des Bundes augezahlt l44 , der dieser die Kosten nach § 188 AFG zu erstatten hat. Die Arbeitslosenhilfe weist bezüglich ihrer Anspruchsvoraussetzungen Parallelen zur Sozialhilfe auf, da die Leistungen nach dem AFG nicht in allen Fällen ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis voraussetzen und bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe auf die Bedürftigkeit des Arbeitlosen abgestellt wird. 145
2. Vermögensverhältnisse der Arbeitnehmer Unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen wie ökonomischen Umstände, die die Arbeitsbeziehungen der Arbeitsvertragsparteien zum Zeitpunkt der Entstehung der Arbeitsrechtsordnung beherrschten, ist als wichtige Voraussetzung für die Annahme einer Imparität der Arbeitsvertragspartner das generelle Vorliegen einer Vermögenslosigkeit auf seiten der Arbeitnehmer. 146 Stehen einem Arbeitnehmer persönliche Vermögensbestandteile zur Verfügung, die es ihm ermöglichen, eine angedrohte Arbeitslosigkeit zunächst ohne Existenzbedrohung zu überstehen, so kann nicht pauschal von einem Übergewicht des Arbeitgebers ausgegangen werden. Das Bundesamt für Statistik führt im Abstand von etwa fünf Jahren eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe durch. 147 Diese Stichprobe erfaßte auch 1988 Privathaushalte bis zu einem Monatseinkommen von DM 25.000. 148 Am 31. Dezember 1988 betrug das Geldvermögen privater Haushalte nach der Einkommensund Verbrauchsstichprobe DM 634 Mrd. 149 Hiervon entfiel ein durchschnittliches Geldvermögen (nach Abzug der Schulden) von DM 26.899 auf die Angestelltenhaushalte. 150 Von diesen besaßen 41 % Vgl. §§ 19 Abs. 2 Nr. 6 SGB I, 134 ff. AFG. Vgl. Bley, Sozialrecht, C 11 4 a ee; Gitter, Sozialrecht, § 28 VII. 146 Unzutreffend stellt Dorndorf, FS Gnade, 1992, S. 42, auf das heutige Wohlstandsniveau ab. 147 Vgl. etwa Euler, Wirtschaft und Statistik 8/1987, S. 622 ff., zu dem Erhebungsverfahren und zur Geschichte der Wirtschaftsrechnung in der Bundesrepublik Deutschland. 148 Vgl. Statistisches Jahrbuch für das vereinte Deutschland 1991, S. 547 ff.; zu den Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte nach den Ergebnissen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1988, Hertel, Wirtschaft und Statistik 9/1992, S. 653 ff. 149 Euler, Wirtschaft und Statistik 11 /1990, S. 798 (800). 144 145
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4. Kap.: Die Parität der Arbeitsvertragsparteien
Wertpapiere zu einem durchschnittlichen Wert von DM 21.900. 151 Bausparverträge hatten 51,4% der Angestelltenhaushalte abgeschlossen. 152 Diese waren außerdem zu 48,3% Haus- und Grundbesitzer. 153 Damit entfielen auf die Angestelltenhaushalte mit Grundbesitz immobile Werte in Höhe von durchschnittlich DM 307.238. 154 Auf die Arbeiterhaushalte entfiel ein durchschnittliches Geldvermögen (nach Abzug der Schulden) von DM 18.450. 155 Von diesen Haushalten besaßen 28,6% Wertpapiere zu einem durchschnittlichen Wert von DM 14.200. 156 Über Bausparverträge verfügten 52,9% der Arbeiterhaushalte l57 und diese besaßen zu 48,5% Haus- und Grundbesitz. 158 Es entfielen damit auf die Arbeiterhaushalte mit Grundbesitz immobile Werte in Höhe von durchschnittlich DM 246.650. 159
3. Beschäftigungsalternativen Als drittes Element einer Imparität bleibt das Fehlen von Beschäftigungsalternativen zu nennen, denn bei Beachtung der Imparitätsannahme der Arbeitsvertragsparteien ist für die Position des Arbeitnehmers ausschlaggebend, inwieweit dieser auf einen anderen Arbeitsplatz ausweichen kann, der zur Einkommenserzielung verwertet werden könnte. Ohne Ausweichmöglichkeit wäre der Arbeitnehmer gezwungen, dem Begehren des Arbeitgebers nachzugeben, soweit nicht anderweitige finanzielle Mittel zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden können oder Leistungen von dritter Seite zu erwarten sind. Wird nach den Beschäftigungsalternativen eines Arbeitnehmers gefragt, so sind diese von der Lage auf dem Arbeitsmarkt hinsichtlich der jeweiligen Qualifikation und der Mobilität des Arbeitnehmers abhängig. 160
Vgl. Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 2 IV. Eu1er, Wirtschaft und Statistik 6/1991, S. 410 (413); ders., Wirtschaft und Statistik 11 / 1990, S. 798 (802). 152 Eu1er, Wirtschaft und Statistik 11 /1990, S. 798 (802). 153 Eu1er, Wirtschaft und Statistik 4/1991, S. 277 (278). 154 Nach Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 2 IV, die den wenig aussagekräftigen Einheitswert durch einen realen Wert ersetzen, der sich aus dem 6,4-fachen des Einheitswertes ergibt. 155 Vgl. Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 2 IV. 156 Euler, Wirtschaft und Statistik 6/1991, S. 410 (413); ders., Wirtschaft und Statistik 11 /1990, S. 798 (802). 157 Eu1er, Wirtschaft und Statistik 11 /1990, S. 798 (802). 158 Euler, Wirtschaft und Statistik 4/1991, S. 277 (278). 159 Nach Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 2 IV. 160 Hönn, Kompensation, S. 198; Reuter, RdA 1991, S. 193 (194 f.). 150 151
§ 12 Elemente einer Parität der Arbeitsvertragsparteien
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a) Die unterschiedlichen Qualifikationsstufen
Die jeweilige Ausbildung des Arbeitnehmers prägt dessen Aussichten auf einen anderen Arbeitsplatz maßgeblich, wobei bedeutsam ist, inwiefern die Arbeitnehmer nicht-spezifisches, gemischt-spezifisches oder spezifisches Humankapital aufgebaut haben. 161 Von nicht-spezifischem Humankapital ist zu sprechen, wenn der Arbeitnehmer seine Ausbildung oder Fähigkeiten auf jedem Arbeitsplatz verwerten könnte. Gemischt-spezifisches Humankapital wiederum ist gegeben, wenn die Arbeitsleistung einen mittleren Grad an arbeitsplatz- oder firmenspezifischen Kenntnissen voraussetzt, die in einer Mehrzahl von Betrieben oder Branchen zu verwerten wären. Das spezifische Humankapital nun wird als firmen-spezifisches Wissen bezeichnet, das naturgemäß nur an sehr wenigen Arbeitsplätzen und mithin nur in sehr wenigen Firmen verwertet werden kann. Der in dieser Weise qualifizierte Arbeitnehmer hat gegenüber dem Arbeitgeber eine "monopoloide ,