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German Pages 322 [323] Year 2021
Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 183 herausgegeben von
Rolf Stürner
Stephan Klein
Grundrechtsschutz in der Zwangsvollstreckung Zur Vereinbarkeit des zwangsvollstreckungsrechtlichen Erwerbs schuldnerfremden Eigentums mit Art. 14 und 19 Abs. 4 GG
Mohr Siebeck
Stephan Klein, geboren 1989; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Heidelberg und der Columbia University in New York; Referendariat am Landgericht Darmstadt; 2020 Promotion; seit 2018 Rechtsanwalt.
ISBN 978-3-16-160240-5 / eISBN 978-3-16-160241-2 DOI 10.1628/978-3-16-160241-2 ISSN 0722-7574 / eISSN 2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2020/2021 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Juli 2020 berücksichtigt. Eine entsprechende Anregung meines geschätzten Doktorvaters legte den Grundstein für diese Untersuchung, in deren Verlauf sich mir die interessante und überraschend facettenreiche Thematik in ihrer ganzen Breite erst nach und nach erschloss. Inhalt und Struktur passten sich dabei vielfach dem Gewinn neuer Erkenntnisse an, bis schließlich die finale Version in Form der vorliegenden Schrift entstand. Besonderer Dank gilt an dieser Stelle zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Andreas Piekenbrock, der mir für konstruktive Zwischengespräche und bei Fragen aller Art immer zur Verfügung stand. Er ließ mir bei dieser Arbeit zudem größtmöglichen wissenschaftlichen Freiraum und ermutigte mich ausdrücklich zu einer unvoreingenommenen Behandlung umstrittener Themen, ungeachtet seiner eigenen Ansichten. Weiter danke ich Herrn Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M. (Cornell) für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens sowie für fruchtbare Diskurse zu diversen verfassungsrechtlichen Fragestellungen. Auch bei Herrn Prof. Dr. Wolfgang Kahl und Herrn Prof. Dr. Bernd Grzeszick bedanke ich mich für ihre aufmerksamen Hinweise, die ebenfalls zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Für das sorgfältige Korrekturlesen sowie regen Austausch während des Schreibens danke ich herzlich meinem Freund und Kollegen Dr. Maximilian Maierhofer. Mein größter Dank gebührt jedoch meinen Eltern, Renate und Dr. HansHerbert Klein, denen ich diese Arbeit widme. Ohne ihre Unterstützung während der Promotion wie auch in all den Jahren zuvor wäre diese Schrift nicht entstanden. Frankfurt am Main, im April 2021
Stephan Klein
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Teil: Die Zwangsvollstreckung und der vollstreckungsrechtliche Eigentumserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
A. Grundlagen der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
B. Die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Verwertung durch Versteigerung vor Ort (§ 814 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Theorienstreit zur Dogmatik des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . 1. Privatrechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemischte Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Öffentlich-rechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Historische Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . IV. Weitere Verwertungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verwertung durch Internetversteigerung (§ 817 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verwertung nach § 825 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verwertung nach § 825 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 6 7 8 8 10 13 14 17 17 18 19
C. Die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen . . . . . . . . I. Das Zwangsversteigerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Eigentumserwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung . . . 1. Der Erwerb des Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Erwerb des Grundstückszubehörs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Miterwerb zum Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 21 22 22 23 23
X
Inhaltsverzeichnis
b) Grund des Miterwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Teil: Vereinbarkeit des zwangsvollstreckungsrechtlichen Eigentumserwerbs mit Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einführung zu Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schrankensystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalts- und Schrankenbestimmungen; sonstige Eigentumseingriffe ohne Enteignungscharakter . . . . . . . . . . . . 2. Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gewährleistungen des Eigentumsgrundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 27
B. Eröffnung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
C. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
D. Art des Eingriffs und Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zwangsvollstreckung als Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielgerichtete, hoheitliche Entziehung einer konkreten, geschützten Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Güterbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ziel der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnismäßigkeit des Eigentumserwerbs in der Mobiliarvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geeignetheit zur Förderung eines legitimen Zwecks . . . . . aa) Gläubigerbefriedigung, Bewährung der Rechtsordnung und Rechtsfrieden . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Effektivität der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betroffene Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestandsinteresse des Dritteigentümers . . . . . . . . . (2) Erwerbsinteresse des Ersteigerers . . . . . . . . . . . . . . (3) Befriedigungsinteresse des Gläubigers . . . . . . . . . . (4) Öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Effektivität der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . (b) Verkehrsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35 35
27 29 29 29 31 31
36 37 37 40 41 41 41 41 42 44 45 46 46 47 47 48 48 48 48 50
Inhaltsverzeichnis
cc) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Maßstab der Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konstellation 1: Freiwilliger Besitzverlust des Dritten, Gutgläubigkeit des Ersteigerers . . . . . . . . (3) Konstellation 2: Unfreiwilliger Besitzverlust des Dritten, Gutgläubigkeit des Ersteigerers . . . . . . . . (4) Konstellation 3: Freiwilliger Besitzverlust des Dritten, Bösgläubigkeit des Ersteigerers . . . . . . . . (a) Bedeutungsverlust des Erwerbsinteresses . . . . . (b) Bedeutung von Verkehrsund Effektivitätsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Schwacher Rechtsschutz des Dritteigentümers (d) Schutzwürdiges Vertrauen als Voraussetzung für beständigen Rechtserwerb . . . . . . . . . . . . . . (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Konstellation 4: Unfreiwilliger Besitzverlust des Dritten, Bösgläubigkeit des Ersteigerers . . . . . . . . 3. Verhältnismäßigkeit des Eigentumserwerbs in der Immobiliarvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geeignetheit und Erforderlichkeit zur Verfolgung eines legitimen Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betroffene Interessen und Eingriffsintensität . . . . . . . bb) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eigentumserwerb des Grundstücks . . . . . . . . . . . . . (a) Maßstab der Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . (b) Konstellation 1: Gutgläubigkeit des Ersteigerers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Konstellation 2: Bösgläubigkeit des Ersteigerers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Besondere Belastung durch Rechtsverlust . . . (bb) Aufforderung zur Rechtsanmeldung . . . . . . . (cc) Prüfung der materiellen Rechtslage anhand des Grundbuchs als besonders starker Rechtsscheinträger . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Vielzahl von Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigentumserwerb des Grundstückszubehörs . . . . . (a) Konstellation 1: Freiwilliger oder unfreiwilliger Besitzverlust des Dritten, Gutgläubigkeit des Ersteigerers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI 51 52 53 55 57 57 57 58 59 60 60 61 61 62 62 63 63 63 63 64 64 64
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XII
Inhaltsverzeichnis
(b) Konstellation 2: Freiwilliger Besitzverlust des Dritten, Bösgläubigkeit des Ersteigerers . . . . . . (aa) Fehlende Schutzwürdigkeit und schwacher Rechtsschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Praktische Konsequenzen bei Versagung des Miterwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Effektivitätsverlust durch Rechtsunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Konstellation 3: Unfreiwilliger Besitzverlust des Dritten, Bösgläubigkeit des Ersteigerers . . . . . .
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E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Teil: Vereinbarkeit des zwangsvollstreckungsrechtlichen Eigentumserwerbs mit Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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73 73
75 75 76
Einführung zu Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsgrundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zum Rechtsstaatsprinzip und zum allgemeinen Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Öffentliche Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsvollzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81 81 82 82 84 84
C. Rechtsfolge: Rechtswegeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. I. II. III.
D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten anhand des grundrechtlichen Maßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestehende Rechtsschutzmöglichkeiten des Dritteigentümers . . . 1. Mobiliarvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Drittwiderspruchsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag auf gerichtliche Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bereicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Immobiliarvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Drittwiderspruchsklage, Erinnerung und sofortige Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss . . . . . . . . . . . .
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87 87 87 87 87 88 89 90 90 90
Inhaltsverzeichnis
Widerspruch gegen den Verteilungsplan und Bereicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsschutz durch Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erfüllung der inhaltlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG 1. Möglichkeit der Verweisung auf präventiven Rechtsschutz . . . a) Grundsatz des repressiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeit eines rein präventiven Rechtsschutzes . . . . . . c) Rechtsschutz bei Enteignungen nach Maßgabe der landesrechtlichen Enteignungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . d) Allgemeine Anerkennung der enteignungsrechtlichen Vorwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vergleich mit der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mangelnde Kenntnis des drohenden Rechtsverlusts bei präventiver Rechtsschutzgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung des kenntnisunabhängigen Präventivrechtsschutzes bei Enteignungen nach Maßgabe der landesrechtlichen Enteignungsgesetze . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsbetroffenheit Dritter bei eigentumsentziehenden Hoheitsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Enteignung nach §§ 104 ff. BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Enteignung nach Maßgabe der landesrechtlichen Enteignungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Saarland und Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Enteignung nach §§ 30 ff. VermG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Enteignung nach § 13 Abs. 3 BLG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einziehung nach §§ 73 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Eigentumszuweisung nach § 8 Abs. 3 HausratsVO . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsschutz in der Mobiliarvollstreckung . . . . . . . . . . . . b) Rechtsschutz in der Immobiliarvollstreckung . . . . . . . . . . aa) Rechtsschutz des Grundstückseigentümers . . . . . . . . . bb) Rechtsschutz des Zubehörseigentümers . . . . . . . . . . . .
XIII
c)
E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91 92 93 93 94 94 95 96 98 99 100 101 101
102 104 105 108 108 108 109 109 110 111 113 113 114 115 116 116 118 118
XIV
Inhaltsverzeichnis
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rückgriff auf die klassischen Theorien zur Dogmatik des Vollstreckungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Öffentlich-rechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Privatrechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründung der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Wille des Gesetzgebers und das Wortlautargument b) Der Gläubiger als Subjekt der Zwangsvollstreckung . . . . 2. Exkurs: Grundsätzliche Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs im Rahmen der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Kritik Münzbergs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestehen eines Rechtsscheinträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Bedeutung des Willens des Gesetzgebers bei der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . (1) Subjektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Objektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das gewandelte Verständnis des modernen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dogmatische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pfändungspfandrecht als öffentliches Recht . . . . . . . . bb) Gerichtsvollzieher als Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Hoheitliches Handeln des Gerichtsvollziehers . . . . . . . dd) Staatliche Vollstreckungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ablehnung der privatrechtlichen Vollstreckungsgewalt . . . . . . . . . (2) Quelle der Rechtsmacht des Gerichtsvollziehers (3) Weitere Kritik an Schultze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Nichtigkeit der Ablieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ablieferung als nichtiger Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Theorie Müllers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwaltungsrechtliche Einordnung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Terminologische Unklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Rechtsprechungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechtsprechung im formellen und funktionellen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119 119 119 119 120 120 122 123 123 123 124 124 125 125 127 129 132 134 134 135 135 136 137 137 142 142 143 143 143 145 145 146 147 148
Inhaltsverzeichnis
(b) Rechtsprechung im materiellen Sinne . . . . . . . . (aa) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Verwaltungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verwaltung im organisatorischen und im formellen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verwaltung im materiellen Sinne . . . . . . . . . . . . (3) Der Rechtspflegebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sachgeleitete Einordnung der Zwangsvollstreckung innerhalb der Gewaltentrias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Methodische Zweifel an der isolierten Betrachtung der Mobiliarvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einwände gegen die Einordnung als Verwaltung (a) Kritik an der Begründung Müllers . . . . . . . . . . (b) § 4 S. 2 EGGVG a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Sachnähe zum Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zwangsvollstreckungsrecht als Prozessrecht (e) Zwangsvollstreckung als „fremde Angelegenheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Kein Hinweis in § 35 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . (bb) Öffentliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Eigene Beteiligung des Staates . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Exkurs: Materielle Rechtsprechung in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Neutralität; ausschließliche Bindung an Recht und Gesetz; Unabhängigkeit; Unbeteiligtheit . . . . . . . . (3) Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Vereinbarkeit mit Art. 92 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatbestandliches Vorliegen eines Verwaltungsaktes i.S.d. § 35 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ablieferung als nichtiger Justizverwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtsvollzieher als Justizbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Justizverwaltung als materielle Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ablieferung als nichtiger Vollstreckungsakt nach den Kriterien der h.M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mangelnde Fehlerfolgenbestimmung de lege lata . . . . . . . . . . . 2. Nichtigkeitskriterien der h.M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besonders schwerer Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusätzliches Kriterium der Offensichtlichkeit . . . . . . . . . .
XV 149 149 150 152 152 152 154 155 158 158 159 160 160 161 163 163 164 167 168 168 169 170 171 172 175 175 176 176 177 178 178 179 179 180
XVI
Inhaltsverzeichnis
aa) Historischer Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundsätzliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mangelnde Präzisierung von Erkenntnisorgan und Erkenntnisklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nichtigkeit nach Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Theorie Tiedtkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182 183 184 188 188 188 189 192
C. Weitere Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die privatrechtliche Behandlung der Verwertung durch Aufspaltung des Vollstreckungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Aufspaltungstheorie“ Stamms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollstreckungstitel als Grundverwaltungsakt . . . . . . . . . . b) Aufspaltung des Vollstreckungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . c) Immobiliarvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. (Analoge) Anwendung des § 1244 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direkte Anwendung des § 1244 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Privatrechtliche Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Theorie Säckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Analogie des § 1244 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begründung der Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Analogiefähigkeit privatrechtlicher Vorschriften auf Hoheitsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorliegen der Analogievoraussetzungen . . . . . . . . . . . (1) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine analogiegeeignete Norm des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückübereignungsanspruch aus § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestand des § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sittenwidrige Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kausalität und Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge: Naturalrestitution durch Rückübereignung . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
213 213 214 215 215 216 217 217
D. Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
193 193 194 195 196 199 200 201 201 203 203 204 206 206 207 208 209 209 211
Inhaltsverzeichnis
I.
Abstrakt-generelle Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungswidrigkeit des § 817 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teleologische Auslegung des § 817 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . a) Gebot der verfassungskonformen Auslegung . . . . . . . . . . b) Wortlaut als Auslegungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wille des Gesetzgebers als Auslegungsgrenze . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinbarkeit mit der rechtsgestaltenden Wirkung der Ablieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vereinbarkeit mit der hoheitlichen Rechtsnatur der Ablieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lehre vom originären Eigentumserwerb . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unbedenklichkeit subjektiver Wirksamkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelaktebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweifel an der Anwendbarkeit der Nichtigkeitskriterien der h.M. auf die Ablieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtswidrigkeit nur durch Verfahrensfehler . . . . . . . . . . b) Kriterien als Trennlinie zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anderweitige Anhaltspunkte zur Nichtigkeit der Ablieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlerfolgen bei anderen Hoheitsakten . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Öffentlich-rechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Formelle Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Untergesetzliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Judikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlerfolgen als Abwägungsentscheidung . . . . . . . (2) Roths Analyse nach Wertungsgesichtspunkten . . . (3) Stellungnahme und Erkenntnisse für die Ablieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsätze zur Fehlerfolgenbestimmung . . . . . . . . . . . . . aa) Vermutung der Wirksamkeit von Hoheitsakten . . . . . bb) Grundsatz der Erhaltung fehlerhafter Hoheitsakte cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII 218 218 219 219 221 221 222 222 223 224 225 227 228 228 228 228 230 231 232 232 232 233 234 234 236 237 240 240 241 244 245 246 246 248 250
XVIII
Inhaltsverzeichnis
c)
Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nichtigkeit als Ersatz für fehlenden Rechtsschutz . . . bb) Gesetzmäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unterlassungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beseitigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Reaktionspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ausnahme bei hinreichend intensiver Unrechtsprävention . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Materiell-rechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
250 250 253 254 255 256 258 259 260
5. Teil: Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
261
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265
Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. Abschn. AcP a.E. AEG a.F. Alt. Anm. AO AöR ArbGG Art. Aufl. Az. Bad. EntG BAGE BbgKVerf BauGB BayEG BayVBl BB BBG Bd. Bearb. BeckRS Begr. BenshSlg BFHE BGB BGH BGHSt BGHZ BLG BNotO BRAO BremEntG BRS BRüG
andere/r Ansicht am angegebenen Ort Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis am Ende Allgemeines Eisenbahngesetz alte Fassung Alternative Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Auflage Aktenzeichen Badisches Enteignungsgesetz Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Kommunalverfassung des Landes Brandenburg Baugesetzbuch Bayerisches Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung Bayerische Verwaltungsblätter Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Band Bearbeiter Beck Online Rechtsprechung Begründer Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesleistungsgesetz Bundesnotarordnung Bundesrechtsanwaltsordnung Enteignungsgesetz für die Freie Hansestadt Bremen Baurechtssammlung Bundesrückerstattungsgesetz
XX BSGE bspw. BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE bzw. CPO DGVZ d.h. DJZ DÖV DRiG DRZ DV DVBl EEG NW EGBGB EGGVG Einl. EL EntEigG BE EnteigG HA EnteigG LSA EnteigG SH EnteigG SL EntGBbg EnWG et al. etc. EuGH f./ff. FamFG FamRZ FGO Fn. Fortf. FStrG GastG GBO ggf. gem. GemO BW GemO RP
Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundessozialgerichts beispielsweise Drucksache des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise Civilprozeßordnung Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung das heißt Deutsche Juristen-Zeitung Die öffentliche Verwaltung Deutsches Richtergesetz Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Landesenteignungs- und -entschädigungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Einleitung Ergänzungslieferung Berliner Enteignungsgesetz Hamburgisches Enteignungsgesetz Enteignungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum des Landes Schleswig-Holstein Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum des Landes Saarland Enteignungsgesetz des Landes Brandenburg Energiewirtschaftsgesetz et alii/et aliae et cetera Europäischer Gerichtshof folgende/fortfolgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Finanzgerichtsordnung Fußnote Fortführende/r Bundesfernstraßengesetz Gaststättengesetz Grundbuchordnung gegebenenfalls gemäß Gemeindeordnung des Landes Baden-Württemberg Gemeindeordnung des Landes Rheinland-Pfalz
Abkürzungsverzeichnis GG g.h.M. GKG GmbHG GO NRW GPR GrundEntG GrünhutsZ GVG GVGA GvKostG GVO GWB HausratsVO HBO HGB HEG HGO h.L. h.M. Hrsg. hrsg. v. HS HSOG i.E. InsO i.S.d. i.V.m. JA JherJb JR Jura JuS JW JZ Kap. KG KSVG KTS KV M-V KVG LSA LEnteigG RP LEntG BW LEntG MV LG lit. LuftVG LVwG SH MDR
XXI
Grundgesetz ganz herrschende Meinung Gerichtskostengesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum vom 11. Juni 1874 Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart Gerichtsverfassungsgesetz Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher Gerichtsvollzieherkostengesetz Gerichtsvollzieherordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats Hessische Bauordnung Handelsgesetzbuch Hessisches Enteignungsgesetz Hessische Gemeindeordnung herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben von Halbsatz Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Ergebnis Insolvenzordnung im Sinne der/des in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel Kammergericht Kommunalselbstverwaltungsgesetz des Landes Saarland Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt Landesenteignungsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz Landesenteignungsgesetz des Landes Baden-Württemberg Enteignungsgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern Landgericht litera Luftverkehrsgesetz Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein Monatsschrift für Deutsches Recht
XXII m.w.N. NBauO Neudr. d. Ausg. v. n.F. NJW NJW-RR NEG NVwZ NVwZ-RR ÖffBekV HE o.g. o.H. OLG OLGZ o.V. OVG PolG BW RAG RNotZ RG RGBl. RGZ Rn. ROG RPflBl Rpfleger S. SächsEntEG SächsGemO SGB X SGG SJZ s.o. sog. Sp. StGB StPO str. s.u. ThürEG ThürKO TKG u.a. UmwRG Urt. v. Var. Verf. VermG
Abkürzungsverzeichnis mit weiteren Nachweisen Niedersächsische Bauordnung Neudruck der Ausgabe von neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report Niedersächsisches Enteignungsgesetz Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungs-Report Hessische Verordnung über die öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinden und Landkreise oben genannt(e[n]) ohne Herausgeber Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen ohne Verlag Oberverwaltungsgericht Polizeigesetz des Landes Baden-Württemberg Reichsarbeitsgericht Rheinische Notar-Zeitschrift Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Raumordnungsgesetz Rechtspflegerblatt Der Deutsche Rechtspfleger Satz/Seite Sächsisches Enteignungs- und Entschädigungsgesetz Sächsische Gemeindeordnung Sozialgesetzbuch, zehntes Buch Sozialgerichtsgesetz Süddeutsche Juristen-Zeitung siehe oben sogenannte(r/n) Spalte Strafgesetzbuch Strafprozessordnung streitig siehe unten Thüringer Enteignungsgesetz Thüringer Kommunalordnung Telekommunikationsgesetz unter anderem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Urteil von/m Variante Verfasser Vermögensgesetz
Abkürzungsverzeichnis VERW VerwArch VerwRspr VGH vgl. Vor. VVDStRL VwGO VwVfG VwVfG SH WaffG WaStrG WHG WM z.B. ZEuP ZfIR ZfPW ZJS ZMR ZPO ZRP ZUR ZZP
XXIII
Die Verwaltung Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vorbemerkungen Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Schleswig-Holstein Waffengesetz Bundeswasserstraßengesetz Wasserhaushaltsgesetz Wohnungswirtschaft und Mietrecht zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für Zivilprozess
Einleitung Die Zwangsvollstreckung ist ein bedeutender und rechtsstaatlich unverzichtbarer Bestandteil der Rechtsschutzgewährung. Es handelt sich bei ihr um ein staatliches Verfahren, das auf die Befriedigung des Gläubigers durch zwangsweise Durchsetzung eines privatrechtlichen Anspruchs gerichtet ist.1 Bei einem Zahlungsanspruch ist das Ziel der Vollstreckung die Befriedigung des Gläubigers aus dem schuldnerischen Vermögen.2 Was aber passiert, wenn sich der staatliche Zwangszugriff versehentlich nicht gegen das Vermögen des Schuldners, sondern gegen das eines unbeteiligten Dritten richtet? Wenn etwa der Gerichtsvollzieher beim Schuldner eine wertvolle Geige pfändet und anschließend zwangsversteigert, die der Schuldner von einem Dritten geliehen hat? Die h.M. beantwortet diese Frage – sowohl bei der Vollstreckung in bewegliche Sachen wie im genannten Beispiel als auch bei der Vollstreckung in Grundstücke – dahingehend, dass die privatrechtsgestaltende Verwertungshandlung des Vollstreckungsorgans gleichwohl wirksam ist. Der Ersteigerer erwirbt also das Eigentum an der Sache, der Dritteigentümer verliert es; Letzterem wird lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Gläubiger auf Herausgabe des Erlöses zugesprochen. Dies soll selbst dann gelten, wenn der Ersteigerer positive Kenntnis von der Schuldnerfremdheit des Versteigerungsobjekts hatte. Zur Begründung wird auf die hoheitliche Rechtsnatur der jeweiligen Verwertungshandlung verwiesen.3 Man wird allerdings konstatieren können, dass dieses Ergebnis nach dem allgemeinen Rechtsempfinden doch etwas sonderbar anmutet.4 Dies gibt Anlass zu einer genaueren Betrachtung. Aus verfassungsrechtlicher Sicht drängt sich hierbei die Frage auf, ob der hoheitliche Eigentumsentzug zulasten eines Dritteigentümers mit dessen Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG vereinbar ist. Darüber hinaus bedarf es der Klärung, ob dem Dritteigentümer nach Art. 19 Abs. 4 GG ein effektiver Rechtsschutz zu gewähren ist und, bejahen1
Brox/Walker, ZVR, Rn. 1; Blomeyer, ZPR, § 1 I 2; Wieser, Begriff, S. 7; Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 29; Pinger, JR 1973, 94, 95. 2 Pinger, JR 1973, 94, 95. 3 Repräsentativ zur Ablieferung nach § 817 Abs. 2 ZPO Schwinge, Staatsakt, S. 108; zum Zuschlag nach § 90 ZVG Blomeyer, ZPR, § 82 II. 4 So schon Wasner, Bereicherungsausgleich, S. 4.
2
Einleitung
denfalls, ob dieser Anforderung genügt wird. Bedenken ergeben sich insoweit aus dem Umstand, dass dem Dritteigentümer nach ZPO und ZVG kein nachträglicher Rechtsschutz gegen seinen Rechtsverlust zur Verfügung steht. Ob der vollstreckungsrechtliche Erwerb schuldnerfremden Eigentums mit den beiden Grundrechten der Art. 14 und 19 Abs. 4 GG vereinbar ist, soll im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden. Dabei beschränkt sich der Untersuchungsgegenstand auf den für die Thematik hauptsächlich relevanten Erwerb von beweglichen Sachen und von Grundstücken, wobei im Rahmen des Grundstückserwerbs eine separate Behandlung des damit einhergehenden Erwerbs des Grundstückszubehörs erfolgt. Die keineswegs neue Problematik des vollstreckungsrechtlichen Erwerbs von Dritteigentum wurde in der Vergangenheit immer wieder von Teilen der Wissenschaft aufgegriffen und diskutiert,5 auch in der jüngeren Literatur finden sich einige kritische Stimmen.6 Die Rechtsprechung sah sich demgegenüber bislang nicht veranlasst, die h.M. infrage zu stellen.7 Auch der deutlich überwiegende Teil der Lehre stützt das zuvor aufgezeigte Ergebnis;8 auf dessen Vereinbarkeit mit den Grundrechten wird dabei insgesamt nur selten eingegangen. Hieran lässt sich eine gewisse Abneigung der Zivilprozessualisten gegen eine allzu große Vereinnahmung des Vollstreckungsverfahrens durch das öffentliche Recht ablesen. Als naheliegende Erklärung hierfür kann auf eine Ausführung Stürners verwiesen werden: „Die Verfassungsrechtler besitzen den Schlauch des Äol, die klarsten zivilrechtlichen oder prozessualen Ansprüche im Winde von Übermaßverbot und Güterabwägung schwanken und zerknicken zu lassen – für den an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit orientierten, unter einfachrechtliche Normen subsumierenden Zivilisten ein unbehagliches Gefühl.“9
5 Besonders hervorzuheben sind neben dem vielbeachteten Aufsatz von Marotzke, NJW 1978, 133 ff. insbesondere jene von Säcker, JZ 1971, 156 ff. und Pesch, JR 1993, 358 ff. sowie die Dissertationen von Nikolaou, Schutz des Eigentums, und Huber, Versteigerung, wobei Letzterer seine äußerst gedankenreichen Ausführungen nicht speziell an die Grundrechtsproblematik, sondern an methodische Zweifel an der h.M. knüpft. 6 Verwiesen sei etwa auf die Dissertationen von Behrendt, Verfügungen, und von Raue, Enteignungsbegriff, beide aus dem Jahr 2006. Soweit ersichtlich, setzte sich zuletzt Müller im Jahr 2014 ausführlich und kritisch mit der verfassungsrechtlichen Problematik bei der Vollstreckung in bewegliche Sachen auseinander (Müller, Ablieferung). Auch wenn seinen Ausführungen i.E. nicht gefolgt werden kann, leistete er damit einen lesenswerten Beitrag für die wissenschaftliche Diskussion und zugleich mitunter wichtige Vorarbeiten für die hiesige Untersuchung. Auch in aktuellen Gesetzeskommentaren finden sich immer wieder kritische Anmerkungen zur Verfassungskonformität des Eigentumserwerbs (exemplarisch Piekenbrock/Kienle, Examinatorium, Rn. 388 ff.). 7 Repräsentativ BGHZ 119, 75, 76 f. 8 Zu nennen ist hier vor allem Gaul, der die h.M. inzwischen seit mehreren Dekaden und mit bemerkenswerter Beharrlichkeit vertritt und gegen Kritik verteidigt (siehe zuletzt Gaul, ZZP 130 (2017), 3 ff.). Man wird ihn sicherlich zu ihren glühendsten Verfechtern zählen dürfen. 9 Stürner, NJW 1981, 1757, 1760.
Einleitung
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Wenngleich man insoweit sicherlich ein gewisses Verständnis aufbringen kann, so ändert dies doch nichts an der in Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Bindung aller Staatsgewalt an die Grundrechte. Zu den kritischen Beiträgen aus der Literatur ist indes anzumerken, dass sich diese zuallermeist auf die Vollstreckung in bewegliche Sachen beziehen. Hinsichtlich der Vollstreckung in schuldnerfremde Grundstücke wird die verfassungsrechtliche Problematik nur selten thematisiert, noch seltener speziell im Hinblick auf Grundstückszubehör.10 Dies dürfte einerseits dem Umstand geschuldet sein, dass es sich bei dem Zugriff auf Dritteigentum im Wege der Vollstreckung in Grundstücke um ein in der Praxis äußerst seltenes Phänomen handelt. Andererseits bietet die Verwertung im Rahmen der Vollstreckung in bewegliche Sachen ungleich mehr Raum zur dogmatischen Diskussion, weil hier die hoheitliche Natur der Verwertung nicht vom historischen Gesetzgeber vorgesehen wurde, sondern auf einem Wandel der Rechtsanschauung in Literatur und Rechtsprechung beruht. Prägend stellte Esser diesbezüglich fest: „Das geltende deutsche Zwangsvollstreckungsrecht ist nicht das aus dem Jahre 1877, sondern stammt von Friederich Stein.“11 Dieser Umstand sowie die daraus folgenden Konsequenzen werden noch ausführlich zu behandeln sein. Das Forschungsziel dieser Arbeit ist es zunächst, unter Zugrundelegung der h.M. die Vereinbarkeit des vollstreckungsrechtlichen Eigentumserwerbs in dem oben abgesteckten Rahmen zu beleuchten. Dabei wird sich herausstellen, dass die in der Literatur angebrachten Bedenken hinsichtlich der Vollstreckung in bewegliche Sachen durchaus berechtigt sind. Aufbauend auf dieser Erkenntnis soll sodann untersucht werden, ob bzw. wie sich die verfassungsrechtliche Problematik auf dogmatisch sauberem Wege lösen lässt. Dabei werden alle in Betracht kommenden Möglichkeiten, insbesondere die in der Literatur bereits vorgeschlagenen, durchaus facettenreichen Ansätze dargestellt und auf ihre Belastbarkeit geprüft. Im Anschluss wird ein eigener Ansatz erarbeitet. Damit ist die Struktur dieser Abhandlung bereits vorgezeichnet. Der 1. Teil gibt zunächst einen kurzen Überblick zu den Grundlagen der Zwangsvollstreckung (A.), woraufhin nähere Ausführungen zur Vollstreckung in die verschiedenen Vermögensgegenstände folgen (B.–D.). Dabei wird vertiefend auf den Theorienstreit zur Dogmatik der Vollstreckung in bewegliche Sachen eingegangen (hierzu unter B. III.), dessen Kenntnis für das Verständnis dieser Arbeit unerlässlich ist.
10 Umso wertvoller sind daher entsprechende Beiträge wie der von Hager, in: FS Canaris, 1, 17 ff. 11 Esser, Grundsatz und Norm, S. 312.
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Einleitung
Der 2. Teil behandelt die Vereinbarkeit des vollstreckungsrechtlichen Eigentumserwerbs mit Art. 14 GG. Nach einer kurzen Einführung in das Grundrecht (A.) und Ausführungen zu Schutzbereich (B.) und Eingriff (C.) liegt der Fokus hier auf der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung (D.). Dabei kommt es zunächst auf die Frage an, ob der vollstreckungsrechtliche Zugriff eine Enteignung darstellt (dazu I.). Sodann wird unter II. die Rechtfertigung aufgrund der jeweiligen Besonderheiten getrennt für den Erwerb von beweglichen Sachen, Grundstücken und Grundstückszubehör untersucht. Ähnlich ist auch der 3. Teil strukturiert. Nach einer Einführung zu Art. 19 Abs. 4 GG (A.) und Ausführungen zur Erfüllung des Tatbestandes (B.) wird schwerpunktmäßig die Frage behandelt, ob dem Dritteigentümer gegen die eigentumsentziehenden Hoheitsakte ein hinreichend effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht (C.). Daran schließt sich im 4. Teil die Erörterung der Frage an, wie mit der zu attestierenden Verfassungswidrigkeit des Erwerbs einer schuldnerfremden beweglichen Sache auf Basis der h.M. umzugehen ist. Die Geltung der Dogmatik der h.M. wird dabei kritisch hinterfragt. So wird zunächst unter A. untersucht, ob die anderen klassischen Theorien zur Dogmatik des Vollstreckungsverfahrens, insbesondere die privatrechtliche Theorie, zur Lösung des Problems in Betracht kommen. Unter B. wird sodann eine mögliche Nichtigkeit des Ablieferungsaktes unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Ein Fokus wird dabei auf der Frage liegen, ob die Zwangsvollstreckung als Verwaltungsverfahren verstanden werden kann, wie es seit jeher immer wieder vertreten wurde und auch heute noch wird. Unter C. werden weitere Lösungsansätze beleuchtet. Die unter I. und II. dargestellten Vorschläge stehen i.E. der privatrechtlichen Theorie nahe und zielen auf die materiell-rechtliche Versagung des Rechtserwerbs ab, während unter III. ein rein schuldrechtlicher Ansatz geprüft wird. Schließlich wird unter D. ein eigener Lösungsansatz erarbeitet. Während die einschlägige Literatur eine entsprechende Unterscheidung weitestgehend vermissen lässt, sollen hierbei die Rechtsgrundlage für den Eigentumserwerb (I.) und der Ablieferungsakt im konkreten Einzelfall (II.) separat abgehandelt werden. Abschließend werden die Erkenntnisse dieser Arbeit im 5. Teil als Gesamtergebnis rekapituliert.
1. Teil
Die Zwangsvollstreckung und der vollstreckungsrechtliche Eigentumserwerb A. Grundlagen der Zwangsvollstreckung Wie eingangs erwähnt, zielt die Zwangsvollstreckung auf die zwangsweise Durchsetzung eines privatrechtlichen Anspruchs ab.1 Eines solchen staatlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens bedarf es, weil das generelle Verbot der Selbsthilfe es dem Bürger verwehrt, sein Recht eigenmächtig durchzusetzen. Als Kehrseite dieses Verbotes steht ihm ein Anspruch gegen den Staat zu, für seine Rechtsdurchsetzung zu sorgen. Das dafür geschaffene staatliche Verfahren ist vornehmlich im 8. Buch der ZPO (§§ 704–945b) sowie im ZVG geregelt, wobei verschiedene europäische Verordnungen (z.B. EuGVVO) und etwaige Ausführungsbestimmungen flankierende Vorschriften beinhalten.2 Da es sich bei der Zwangsvollstreckung um ein Zivilverfahren handelt, müssen zu ihrer Durchführung zunächst die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sein.3 Darüber hinaus müssen die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Dazu gehören einerseits die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen: ein den zu vollstreckenden Anspruch ausweisender Vollstreckungstitel (z.B. ein rechtskräftiges Urteil, § 704 ZPO; vgl. für die weiteren Vollstreckungstitel § 794 Abs. 1 ZPO), eine Vollstreckungsklausel, welche die Vollstreckbarkeit des Titels amtlich bescheinigt (§§ 724 ff., 795 ZPO), sowie die Zustellung des Titels an den Schuldner (§§ 750 Abs. 1, 795 ZPO).4 Andererseits kann, abhängig vom Inhalt des Vollstreckungstitels, zudem das Vorliegen besonderer Vollstreckungsvoraussetzungen erforderlich sein, zu denen der Eintritt eines Kalendertages (§ 751 Abs. 1 ZPO), der Nachweis 1
Grundsätzlich das gleiche Ziel wie die Zwangsvollstreckung, die Gläubigerbefriedigung, hat auch das in der InsO geregelte Insolvenzverfahren (Brox/Walker, ZVR, Rn. 6). Das Insolvenzrecht ist im Rahmen dieser Arbeit jedoch nur vereinzelt von Relevanz. 2 Zum Ganzen Brox/Walker, ZVR, Rn. 1. 3 Diese beinhalten einen ordnungsgemäßen Vollstreckungsantrag, die deutsche Gerichtsbarkeit, die Zulässigkeit des Rechtswegs, die Zuständigkeit des Vollstreckungsorgans, Partei- und Prozessfähigkeit, Prozessführungsbefugnis und Rechtsschutzbedürfnis (Muthorst, ZVR, § 2 Rn. 3, § 4 Rn. 2 ff.). 4 Brox/Walker, ZVR, Rn. 29.
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1. Teil: Zwangsvollstreckung und vollstreckungsrechtlicher Eigentumserwerb
einer Sicherheitsleistung des Gläubigers (§ 751 Abs. 2 ZPO) sowie der Nachweis der Befriedigung oder des Annahmeverzuges des Schuldners bei einer Vollstreckung Zug um Zug (§§ 765, 756 ZPO) zählen.5 Die Vollstreckungsvoraussetzungen bilden eine gemeinsame Grundlage für jede Art der Zwangsvollstreckung. Hinsichtlich des Verfahrens ist zwischen den verschiedenen Arten zu unterscheiden, und zwar zunächst nach der Art des zu vollstreckenden Anspruchs. Die Vollstreckung von Geldforderungen ist in §§ 802a–882i ZPO geregelt, die (für diese Arbeit uninteressante) Vollstreckung wegen anderer Ansprüche in §§ 883–898 ZPO. Bei der Vollstreckung wegen Geldforderungen unterscheidet das Gesetz nochmals hinsichtlich des Zugriffsobjekts. Die §§ 803–863 ZPO regeln die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen, wobei nochmals eine Unterteilung in körperliche Sachen (§§ 808–827 ZPO) und in – für diese Untersuchung ebenfalls nicht weiter relevante – Forderungen und andere Vermögensrechte erfolgt (§§ 828–863 ZPO). Die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen regeln die §§ 864–871 ZPO, die wiederum in § 869 ZPO einen Verweis auf das ZVG enthalten.
B. Die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen I. Die Pfändung Bei der Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen (nachfolgend: „Mobiliarvollstreckung“) erfolgt zunächst die Pfändung der Sache durch den vom Gläubiger „beauftragten“6 Gerichtsvollzieher. Hierzu nimmt der Gerichtsvollzieher die zu pfändende und regelmäßig im Gewahrsam des Schuldners befindliche7 Sache in Besitz, § 808 Abs. 1 ZPO. Die Inbesitznahme muss der Gerichtsvollzieher nach außen kenntlich machen.8 Dazu nimmt er dem Schuldner das Pfandobjekt entweder weg oder er belässt es in dessen Gewahrsam und bringt ein Pfandsiegel daran an, vgl. § 808 Abs. 2 ZPO.9 Durch die wirksame Pfändung tritt die Verstrickung des Pfandobjekts ein. Dabei handelt es sich um eine Form staatlicher Beschlagnahme, die ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis über das Pfandobjekt zum Zwecke der
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Brox/Walker, ZVR, Rn. 157; Muthorst, ZVR, § 2 Rn. 5. So der Wortlaut der §§ 753–755, 766 Abs. 2 ZPO. Ob es sich hierbei um ein Auftragsverhältnis im juristischen Sinne handelt, wird später noch untersucht (s.u. 4. Teil B. II.). 7 Die Ausführungen gelten für die Pfändung einer im Gewahrsam eines herausgabebereiten Dritten oder des Gläubigers befindlichen Sache nach § 809 ZPO entsprechend, vgl. § 88 S. 1 GVGA. 8 Brox/Walker, ZVR, Rn. 333. 9 Brox/Walker, ZVR, Rn. 333. 6
B. Die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen
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Zwangsvollstreckung begründet.10 Der Schuldner bleibt zwar weiterhin Eigentümer der Sache, er unterliegt jedoch einem behördlichen Veräußerungsverbot nach §§ 136, 135 BGB und darf über die Sache nicht mehr verfügen.11 Aus den Normen folgt, dass gleichwohl von ihm getätigte Verfügungen dem Gläubiger gegenüber relativ unwirksam sind. Eine zusätzliche „Schärfe“ erfährt das mit der Verstrickung begründete öffentlich-rechtliche Gewaltverhältnis durch die strafrechtliche Sanktionierung des Verstrickungs- und Siegelbruchs gem. § 136 StGB. Unwirksam ist die Pfändung nur bei grundlegenden schweren Mängeln; die bloße Rechtswidrigkeit der Pfändung steht dem Eintritt der Verstrickung nicht entgegen.12 Gemäß § 804 Abs. 1 ZPO erwirbt der Gläubiger durch die Pfändung zudem ein Pfandrecht an der gepfändeten Sache (Pfändungspfandrecht). Dessen Rechtsnatur und Entstehungsvoraussetzungen sind allerdings seit über 100 Jahren umstritten (dazu sogleich mehr). Jedenfalls gewährt das Pfändungspfandrecht dem Gläubiger im Verhältnis zu anderen Gläubigern gem. § 804 Abs. 2, 1. HS ZPO dieselben Rechte wie ein vertraglich erworbenes Faustpfandrecht, also jene Rechte aus §§ 1204 ff. BGB. Es ist somit zumindest für die Erlösverteilung nach erfolgter Verwertung des Pfandobjekts von Bedeutung.13 Bei mehreren Gläubigern ergibt sich die Rangfolge, in der diese aus dem Erlös befriedigt werden, aus § 804 Abs. 2, 2. HS und Abs. 3 ZPO.
II. Die Verwertung durch Versteigerung vor Ort (§ 814 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Nach der Pfändung erfolgt die Verwertung des Pfandobjekts, d.h., es wird zu Geld gemacht und dieses an den Gläubiger ausgekehrt.14 Im Regelfall15 besteht die Verwertung in einer öffentlichen Zwangsversteigerung16 durch den Gerichtsvollzieher nach §§ 814 ff. ZPO. Alternativ ist aber auch eine andere Verwertungsart durch den Gerichtsvollzieher nach § 825 Abs. 1 ZPO17 oder eine Verwertung durch eine andere Person als den Gerichtsvollzieher nach § 825 Abs. 2 ZPO18 möglich. Die öffentliche Versteigerung in Form der Versteigerung vor Ort ist die klassische Verwertungsart der Mobiliarvollstre-
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Brox/Walker, ZVR, Rn. 361. Brox/Walker, ZVR, Rn. 361. 12 Brox/Walker, ZVR, Rn. 362; BGH NJW 1979, 2045 f. m.w.N. 13 Brox/Walker, ZVR, Rn. 375. 14 Brox/Walker, ZVR, Rn. 394. 15 MüKo-ZPO/Gruber, § 814 ZPO Rn. 1. 16 Diese umfasst die Versteigerung vor Ort sowie die Versteigerung im Internet, § 814 Abs. 2 ZPO. Siehe zu Letzterer B. IV. 1. 17 S.u. B. IV. 2. 18 S.u. B. IV. 3. 11
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1. Teil: Zwangsvollstreckung und vollstreckungsrechtlicher Eigentumserwerb
ckung und steht hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Problematik des Eigentumserwerbs im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion. Der Eigentumserwerb durch Versteigerung vor Ort bildet daher auch im Rahmen dieser Arbeit den Hauptgegenstand der Untersuchung. Nach § 816 ZPO erfolgt die Versteigerung vor Ort frühestens eine Woche nach der Pfändung und findet in der Gemeinde, in der die Pfändung erfolgte, oder an einem anderen Ort innerhalb des Vollstreckungsgerichtsbezirks statt. Zeit und Ort der Versteigerung werden unter allgemeiner Bezeichnung der Vollstreckungsobjekte öffentlich bekannt gemacht. Bei der Versteigerung erhält der Meistbietende den Zuschlag, § 817 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Gerichtsvollzieher verschafft dem Ersteigerer sodann Zug um Zug gegen Zahlung das Eigentum an dem Vollstreckungsobjekt durch dessen Ablieferung, § 817 Abs. 2 ZPO. Unter der Ablieferung ist die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes durch Übergabe zu verstehen.19 Den Erlös kehrt der Gerichtsvollzieher anschließend, nach Abzug der Vollstreckungskosten, an den Gläubiger aus, soweit zu dessen Befriedigung erforderlich.
III. Der Theorienstreit zur Dogmatik des Verfahrens Über die dogmatische Einordnung der Mobiliarvollstreckung besteht seit jeher Uneinigkeit. Es bildeten sich drei Theorien heraus, von denen heute noch zwei vertreten werden. Innerhalb der Theorien sind jeweils wiederum Einzelheiten umstritten. 1. Privatrechtliche Theorie Die heute nicht mehr vertretene20 privatrechtliche Theorie liegt dem Verständnis des historischen Gesetzgebers zugrunde.21 Nach dieser Theorie handelt es sich bei der Mobiliarvollstreckung um einen privatrechtlichen Vorgang, weshalb auch die privatrechtlichen Vorschriften anzuwenden seien. Der Gerichtsvollzieher handele bei der Pfändung als „Beauftragter“ des Gläubigers, welchem aufgrund seines titulierten Anspruchs das Recht zustehe, die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu betreiben.22 Dies 19
MüKo-ZPO/Gruber, § 817 ZPO Rn. 11. Brox/Walker, ZVR, Rn. 380. Vertreten wurde die privatrechtliche Theorie bspw. von Gaupp, CPO, § 674 CPO Anm. I, II; Schultze, Privatrecht und Process, S. 64 ff.; Kleinfeller, Lehrbuch ZPR, S. 631 ff.; Goldschmidt, Zivilprozessrecht, § 94 1.; Paulus, in: FS Nipperdey, 909, 923 ff.; Seuffert, ZPO, § 804 ZPO Anm. 2, § 814 ZPO Anm. 2, § 817 ZPO Anm. 1; Wolff/Raiser, SachenR, § 167 II, III, § 169 II; Pinger, JR 1973, 94, 97; zuletzt wohl Marotzke, NJW 1978, 133, 136 f. und Pesch, JR 1993, 358, passim. 21 Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 50 ff. m.w.N.; Stamm, Prinzipien, S. 348 m.w.N.; Huber, Versteigerung, S. 13, 20; vgl. auch Säcker, JZ 1971, 156, 158; Stein/Jonas/Würdinger, § 804 ZPO Rn. 2. 22 Säcker, JZ 1971, 156, 157. 20
B. Die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen
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folge unter anderem aus dem Wortlaut der §§ 753–755, 766 Abs. 2 ZPO, in denen von dem „(Vollstreckungs-)Auftrag“ des Gläubigers an den Gerichtsvollzieher die Rede ist.23 Das Pfändungspfandrecht stelle neben dem vertraglichen und dem gesetzlichen eine dritte Form des privatrechtlichen Pfandrechts dar, wobei die Pfändung an die Stelle des rechtsgeschäftlichen Bestellungsaktes trete.24 Hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen seien folglich die Vorschriften des BGB (unmittelbar oder jedenfalls entsprechend25) anzuwenden, soweit die ZPO nichts anderes vorschreibt.26 Voraussetzung für das Entstehen des Pfändungspfandrechts sei einerseits eine wirksame Pfändung.27 Die Pfändung stellt auch nach der privatrechtlichen Theorie einen Hoheitsakt dar und bewirkt die ebenfalls hoheitliche Verstrickung.28 Aufgrund der privatrechtlichen Rechtsnatur des Pfändungspfandrechts sei ferner erforderlich, dass die Forderung des Gläubigers besteht – das Pfändungspfandrecht ist demnach akzessorisch – und dass der Schuldner Eigentümer der gepfändeten Sache ist, § 1205 BGB.29 Ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb wie nach § 1207 BGB soll für den Gläubiger im Rahmen der Zwangsvollstreckung dagegen nicht möglich sein.30 Die Verwertung der gepfändeten Sache erfolge auf der Grundlage des Pfändungspfandrechts,31 welches eine Verwertungsbefugnis beinhalte,32 und somit aufgrund der Rechtsmacht des Gläubigers. Auch die Verwertung stelle einen privatrechtlichen Vorgang dar, der lediglich unter Zuhilfenahme eines staatlichen Organs, des Gerichtsvollziehers, durchgeführt wird.33 Der Gerichtsvollzieher schließe – dies folge aus dem Verweis in § 817 Abs. 1 S. 3 ZPO auf § 156 BGB – durch den auf das Meistgebot folgenden Zuschlag einen schuldrechtlichen Vertrag mit dem Erwerber nach §§ 156, 433 ff. BGB34 und veräußere die Sache sodann durch die Ablieferung nach den §§ 929 ff. BGB rechtsgeschäftlich an ihn.35 Besteht das Pfändungspfandrecht tatsächlich nicht, etwa weil es sich um eine schuldnerfremde Sache handelt, so hänge der Eigentumserwerb nach § 1244 BGB (analog) von dem guten Glauben des Erwerbers an das Bestehen des Pfändungspfandrechts ab.36 23
Vgl. Pinger, JR 1973, 94, 95 (Fn. 19). Wieczorek/Schütze/Lüke, § 804 ZPO Rn. 5. 25 Für eine analoge Anwendung etwa Wolff, in: FS Hübler, 63, 66 ff. 26 Stein/Jonas/Würdinger, § 804 ZPO Rn. 2. 27 Jauernig/Berger, ZVR, § 16 Rn. 9. 28 Pinger, JR 1973, 94, 97 f. 29 Jauernig/Berger, ZVR, § 16 Rn. 9. 30 Jauernig/Berger, ZVR, § 16 Rn. 9; Paulus, in: FS Nipperdey, 909, 923. 31 Jauernig/Berger, ZVR, § 16 Rn. 9. 32 Huber, Versteigerung, S. 20. 33 Brox/Walker, ZVR, Rn. 380. 34 Säcker, JZ 1971, 156, 158. 35 Müller, Ablieferung, S. 21; Stein/Jonas/Münzberg, § 804 ZPO Rn. 2 m.w.N. 36 Pinger, JR 1973, 94, 96. 24
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1. Teil: Zwangsvollstreckung und vollstreckungsrechtlicher Eigentumserwerb
Innerhalb der privatrechtlichen Theorie ging man überwiegend davon aus, dass der Gerichtsvollzieher bei der Veräußerung des Pfandobjekts im Auftrag des Gläubigers handelt („Mandatstheorie“).37 Andere meinten hingegen, der Gerichtsvollzieher sei aufgrund seiner öffentlichen Stellung nicht als Beauftragter des Gläubigers anzusehen. Gleichwohl sollte auch nach dieser „Amtstheorie“ die Eigentumsübertragung an den Erwerber den privatrechtlichen Regeln der §§ 929 ff. BGB folgen.38 Der Unterschied dieser beiden Ansichten beschränkt sich also lediglich auf das Verhältnis des Gerichtsvollziehers zum Gläubiger. Bezüglich der rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung im Rahmen der Verwertung stimmen sie überein. Das Gleiche gilt im Hinblick auf einen weiteren Streitpunkt innerhalb der privatrechtlichen Theorie. So ist neben der Frage des Auftragsverhältnisses zwischen Gläubiger und Gerichtsvollzieher ferner umstritten, ob der Gerichtsvollzieher bei der Verwertung als Stellvertreter eines Verfahrensbeteiligten handelt und, bejahendenfalls, als wessen.39 Überwiegend wurde der Gerichtsvollzieher als Stellvertreter des Gläubigers angesehen;40 vereinzelt wurde er dagegen als Stellvertreter des Schuldners behandelt.41 Andere Autoren verneinten eine Stellvertreterstellung des Gerichtsvollziehers dagegen gänzlich.42 2. Gemischte Theorie Die von Stein43 begründete, gemischt privat-öffentlich-rechtliche Theorie („gemischte Theorie“) stellt heute die g.h.M.44 dar. Sie stimmt insoweit mit
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So Gaupp, CPO, § 674 CPO Anm. I, II; Marotzke, NJW 1978, 133, 136 f.; auf die „ursprüngliche privatrechtliche Deutung der Mobiliarvollstreckung“ verweisend wohl auch Pesch, JR 1993, 358, passim; Riehl, Pfändungspfandrecht; Schultze, Privatrecht und Process, S. 70 f.; Seuffert, ZPO, § 817 ZPO Anm. 1; RGZ 16, 396 ff. 38 So etwa Goldschmidt, Zivilprozessrecht, §§ 21 1. b), 95 5. b); Kleinfeller, Lehrbuch ZPR, S. 631, 636; Pinger, JR 1973, 94, 97 ff.; RGZ 82, 85 ff. 39 Zum Ganzen Müller, Ablieferung, S. 29 ff. mit zahlreichen Nachweisen. Teilweise wird die Frage der Beauftragung fälschlicherweise mit jener der Stellvertretung vermischt (so etwa bei Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 44). 40 Jastrow, AcP 68 (1885), 358, 370; Rosenberg, Stellvertretung, S. 249, 518 ff.; Seuffert, ZPO, § 814 Anm. 2, der die Parallele zu der Stellvertreterstellung des Versteigerers bei einem rechtsgeschäftlichen Pfandrecht zieht. 41 Riehl, ZZP 17 (1892), 32, 38 f.; unklar Gaupp, CPO, § 674 Anm. I, II. 42 Goldschmidt, Zivilprozessrecht, § 95 5. b); Pinger, JR 1973, 94, 98; Wolff/Raiser, SachenR, § 167 II („Der Gerichtsvollzieher handelt hierbei nicht als Vertreter des Gläubigers, sondern als Staatsbeamter“). 43 Stein, Grundfragen, passim (speziell S. 24 ff., 29 ff., 55 ff.), wobei er allerdings den Gerichtsvollzieher – nach dem Vorbild des französischen „huissier“ (vgl. Wach, Civilprozessrecht, S. 318) – noch privatrechtlich haften lassen wollte (S. 115). 44 Ihr folgend bspw. Baur/Stürner/Bruns, ZVR, Rn. 27.10; Brox/Walker, ZVR, Rn. 393;
B. Die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen
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der privatrechtlichen Theorie überein, als auch sie das Pfändungspfandrecht als privatrechtliches Pfandrecht begreift.45 Dementsprechend ist auch nach der gemischten Theorie für das Entstehen des Pfändungspfandrechts nicht nur eine wirksame Pfändung (und somit der Eintritt der Verstrickung) erforderlich,46 sondern es müssen gleichermaßen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Entstehung eines rechtsgeschäftlichen Pfandrechts vorliegen.47 Es muss also die Forderung bestehen und die gepfändete Sache muss im Eigentum des Schuldners stehen.48 Im Gegensatz zur privatrechtlichen Theorie stellt nach der gemischten Theorie jedoch nicht das Pfändungspfandrecht, sondern die Verstrickung49 die Grundlage der Verwertung dar.50 Da die Verstrickung mit der Pfändung eintritt, erklärte Stein mit seinen vielzitierten Worten, dass „alle der Pfändung nachfolgenden Akte […] nicht auf dem Pfandrecht, sondern auf der Pfändung [beruhen]“51. Dies folge daraus, dass es sich bei der Verwertung um einen öffentlich-rechtlichen Vorgang handele.52 Das Pfändungspfandrecht stelle demgegenüber lediglich die materielle Berechtigung des Gläubigers dar, den ausgekehrten Erlös behalten zu dürfen.53 Stein reduzierte das Pfändungspfandrecht damit zu einem bloßen Rangrecht.54 Als öffentlich-rechtlicher Vorgang sei die Verwertung, insbesondere der Eigentumsübergang,55 nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Eine rechtsgeschäftliche Übereignung finde nicht statt, vielmehr stelle auch Gaul, ZZP 112 (1999), 135, 169 ff.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 50 Rn. 50 ff.; Lackmann, ZVR, Rn. 177; Lippross/Bittmann, ZVR, Rn. 230; Musielak/Voit/Flockenhaus, § 804 ZPO Rn. 5 ff.; MüKo-ZPO/Gruber, § 804 ZPO Rn. 14; Thomas/Putzo/Seiler, § 804 ZPO Rn. 2; Huber, Versteigerung, S. 80 ff.; Kuchinke, JZ 1958, 198, 202; RGZ 156, 395, 397 f.; BGHZ 56, 339, 351; 119, 75; mit leichten Abweichungen Lindacher, JZ 1970, 360, 362. 45 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 804 ZPO Rn. 10. 46 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 804 ZPO Rn. 10. 47 Freilich mit Ausnahme von Einigung und Übergabe, da die Pfändung an deren Stelle tritt (Brox/Walker, ZVR, Rn. 383). 48 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 804 ZPO Rn. 13. 49 Teilweise wird innerhalb der gemischten Theorie auch unmittelbar die Pfändung selbst als Grundlage der Verwertung angesehen, dazu später noch näher unter 4. Teil A. II. 3. b) dd) (2). 50 Brox/Walker, ZVR, Rn. 382. 51 Stein, Grundfragen, S. 56. 52 Brox/Walker, ZVR, Rn. 382. 53 Brox/Walker, ZVR, Rn. 382. 54 Pinger, JR 1973, 94, 97. 55 Der Begriff des Eigentumsübergangs im Sinne dieser Arbeit umfasst sowohl den derivativen Eigentumserwerb als auch den originären Rechtserwerb bei gleichzeitigem Erlöschen des ursprünglichen Eigentumsrechts durch Hoheitsakt. Zum derivativen und originären Erwerb sogleich in Fn. 65.
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1. Teil: Zwangsvollstreckung und vollstreckungsrechtlicher Eigentumserwerb
die Ablieferung durch den Gerichtsvollzieher einen hoheitlichen Akt dar.56 Die rechtliche Einordnung sowohl des Zuschlags als auch der Ablieferung ist innerhalb der gemischten Theorie im Einzelnen jedoch umstritten.57 Hinsichtlich des Zuschlags geht eine Ansicht davon aus, dass dieser die Annahme des Gerichtsvollziehers auf das Angebot des Ersteigerers zum Abschluss eines kaufrechtsähnlichen, öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen diesem und dem Staat, vertreten durch den Gerichtsvollzieher, darstelle.58 Diese Ansicht stützt sich vor allem auf den Verweis in § 817 Abs. 1 S. 3 ZPO auf § 156 BGB.59 Andere beurteilen den gesamten Verwertungsvorgang rein verfahrensrechtlich und verneinen das Zustandekommen eines öffentlichrechtlichen Vertrages. Bei den Geboten handele es sich danach um verfahrensrechtliche Anträge auf Erteilung des Zuschlags, mithin um Prozesshandlungen. Der Zuschlag des Gerichtsvollziehers stelle eine zivilprozessuale Entscheidung eines Rechtspflegeorgans dar, wenngleich diese Entscheidung einer strengen Bindung – der Erteilung zugunsten des Meistbietenden – unterliege.60 Von praktischer Bedeutung ist der Streit nicht. Auch die Ansicht, die einen öffentlich-rechtlichen Vertrag annimmt, lehnt die Anwendbarkeit der kaufrechtlichen Vorschriften sowie der allgemeinen Vorschriften über Willenserklärungen ab.61 In ähnlicher Weise ist auch der durch die Ablieferung bewirkte Eigentumsübergang umstritten. Auch hier wird zum Teil angenommen, die Übereignung vollziehe sich „durch Ablieferung der Sache mit übereinstimmenden Willensakten des Gerichtsvollziehers (kraft hoheitlicher Verwertungsgewalt) und des Erwerbers“62, mithin durch einen öffentlich-rechtlichen Übereignungsvertrag.63 Ganz überwiegend wird in der Ablieferung jedoch eine Ei-
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Wieczorek/Schütze/Lüke, § 817 ZPO Rn. 27. Der Streit beschränkt sich nicht auf die Vertreter der gemischten Theorie, sondern wird auch von den Vertretern der öffentlich-rechtlichen Theorie geführt (zu dieser sogleich unter B. III. 3). Bei der folgenden Streitdarstellung werden daher auch Vertreter der öffentlich-rechtlichen Theorie genannt. 58 So MüKo-ZPO/Gruber, § 817 ZPO Rn. 12; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 22; Meller-Hannich, DGVZ 2009, 21, 22 f.; Thomas/Putzo/Seiler, § 817 ZPO Rn. 1 ff.; Bruns/Peters, ZVR, S. 156; Baur/Stürner/Bruns, ZVR, Rn. 29.6; RGZ 156, 395, 397; OLG München DGVZ 1980, 122, 123. Auch der moderne Gesetzgeber teilt diese Auffassung: „Der Zuschlag ist ein Hoheitsakt, mit dem ein öffentlich-rechtlicher Vertrag […] begründet wird“ (BT-Drs. 16/12811, S. 8). 59 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 817 ZPO Rn. 7. 60 So z.B. Lüke, ZZP 68 (1955), 341, 349 ff.; Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 8. Vgl. zum Ganzen Gaul, in: GS Arens, 89, 110 ff.; Bruns/Peters, ZVR, S. 156 f. 61 Brox/Walker, ZVR, Rn. 407. 62 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 22. 63 So etwa Bruns/Peters, ZVR, S. 157; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 22 m.w.N. 57
B. Die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen
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gentumszuweisung durch den Gerichtsvollzieher an den Ersteigerer in Form eines einseitigen, privatrechtsgestaltenden Hoheitsaktes gesehen.64 Ungeachtet der konkreten Beurteilung der Ablieferung erhält der Erwerber nach beiden Ansichten durch diese originäres,65 lastenfreies Eigentum an dem Pfandobjekt.66 Dies gilt – mangels Anwendbarkeit der privatrechtlichen Vorschriften, insbesondere des § 1244 BGB – auch dann, wenn es sich bei dem Pfandobjekt um eine schuldnerfremde Sache handelt, und selbst dann, wenn der Erwerber positive Kenntnis davon hat.67 3. Öffentlich-rechtliche Theorie Nach der insbesondere von Lüke vertretenen öffentlich-rechtlichen Theorie68 ist das Pfändungspfandrecht nicht privatrechtlicher, sondern öffentlichrechtlicher Natur.69 Es entstehe unter den gleichen Voraussetzungen wie die Verstrickung. Erforderlich, aber auch ausreichend sei demnach allein die wirksame Pfändung.70 Das Vorliegen privatrechtlicher Voraussetzungen für die Pfandbestellung sei dagegen nicht nötig.71 Das Pfändungspfandrecht entstehe somit insbesondere auch an schuldnerfremden Sachen und, mangels Akzessorietät, auch bei Nichtbestehen der Forderung des Gläubigers.72 Das Pfändungspfandrecht gewähre dem vollstreckenden Gläubiger das (prozessuale) Recht, die Verwertung des Pfandobjekts zu betreiben.73 Nach der
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Siehe nur Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 8; Brox/Walker, ZVR, Rn. 411; Wieczorek/Schütze/Lüke, § 817 ZPO Rn. 7 und 28; HK-ZV/Kindl, § 817 ZPO Rn. 8; Stein/Jonas/Würdinger, § 817 ZPO Rn. 4, 20; Geißler, DGVZ 1994, 33, 34; Lüke, ZZP 68 (1955), 341, 349 ff. 65 Ein originärer Rechtserwerb leitet sich, im Gegensatz zum derivativen Rechtserwerb, nicht von einem Rechtsvorgänger ab, sondern vollzieht sich unabhängig von einem solchen kraft eines besonderen Erwerbsgrundes (Creifelds/Fuchs, „Rechtserwerb“; vgl. auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 66 Rn. 13). 66 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 817 ZPO Rn. 29; vgl. Stein/Jonas/Würdinger, § 817 ZPO Rn. 21. 67 Stein/Jonas/Würdinger, § 817 ZPO Rn. 21. 68 Vertreten u.a. von Lüke, JZ 1955, 484, passim sowie JZ 1957, 239, 241 f.; Stein/Jonas/Würdinger, § 804 ZPO Rn. 1; Wieczorek/Schütze/Lüke, § 804 ZPO Rn. 56–60; HKZV/Kindl, § 804 ZPO Rn. 4; HK-ZPO/Kemper, § 804 ZPO Rn. 3; Baumbach/Lauterbach/Weber, Vor. § 803 ZPO Rn. 8; Grund, NJW 1957, 1216; Münzberg, ZZP 78 (1965), 287, 289; Zöller/Herget, § 804 ZPO Rn. 2; Schiedermair, AcP 159 (1960), 89, 90; Schwab, ZZP 73 (1960), 477, 479; Zunft, NJW 1955, 1505, 1506. In der Rechtsprechung wurde die Theorie nur vereinzelt vertreten (OLG Frankfurt a.M. NJW 1953, 1835; 1954, 1083). 69 Brox/Walker, ZVR, Rn. 381. 70 Brox/Walker, ZVR, Rn. 381; HK-ZPO/Kemper, § 804 ZPO Rn. 3. 71 HK-ZV/Kindl, § 804 ZPO Rn. 3. 72 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 804 ZPO Rn. 9. 73 Brox/Walker, ZVR, Rn. 381.
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1. Teil: Zwangsvollstreckung und vollstreckungsrechtlicher Eigentumserwerb
öffentlich-rechtlichen Theorie stellt folglich das Pfändungspfandrecht die Grundlage der Verwertung dar.74 Das Pfändungspfandrecht soll dagegen keine Aussage darüber treffen, wem der Verwertungserlös endgültig zusteht.75 Dies richte sich vielmehr nach der materiellen Rechtslage: „Der Gläubiger darf den Erlös behalten, wenn der zu vollstreckende Anspruch bestand (bzw. nach rechtskräftiger Feststellung nicht mehr bestritten werden konnte), der gepfändete Gegenstand für diesen Anspruch haftete und ihm der Erlös im Verhältnis zu konkurrierenden Gläubigern gebührte.“76
Hinsichtlich des Eigentumsübergangs stimmt die öffentlich-rechtliche Theorie mit der gemischten Theorie überein. Der Gerichtsvollzieher handele hoheitlich und verschaffe dem Erwerber originäres, lastenfreies Eigentum. Die zuvor dargestellten Meinungsstreite zur dogmatischen Behandlung von Zuschlag und Ablieferungsakt werden auch innerhalb der öffentlich-rechtlichen Theorie geführt. 4. Historische Entwicklung der Rechtsprechung Die Rechtsprechung des Reichsgerichts ging ursprünglich von der privatrechtlichen Theorie, genauer von der Mandatstheorie, aus,77 die auch dem Willen des Gesetzgebers entsprach. Nach 1913 wurde sie allerdings zunehmend von den Thesen Steins beeinflusst.78 So änderte das RG in seiner Entscheidung vom 02.06.191379 – bereits damals in Kenntnis der Lehre Steins – seine bisherige Rechtsprechung zunächst dahingehend, dass der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger nicht mehr privat haften, sondern dass diesem fortan nur noch ein Amtshaftungsanspruch gegen den Staat zustehen sollte. Eine Abkehr von der Mandatstheorie war damit jedoch noch nicht verbunden. Vielmehr bekräftigte das RG diese noch über Jahre hinweg: So erklärte es in seinem Urteil vom 21.12.191580 den Umstand, „daß das Pfändungspfandrecht, soweit sich nicht aus den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung ein anderes ergibt, nach § 804 ZPO unter den Pfandrechtsvorschriften des Bürgerlichen Rechtes steht“, für „allgemein anerkannt“81. Gleichwohl bestätigte die Entscheidung auch die Haftung des
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Lüke, JZ 1957, 239, 241; Lüke, ZZP 67 (1954), 356, 357; Pinger, JR 1973, 94, 97. Brox/Walker, ZVR, Rn. 381. 76 HK-ZV/Kindl, § 804 ZPO Rn. 3. 77 Vgl. etwa RGZ 16, 396 ff.; 60, 70, 73; 79, 241, 243. 78 Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf der ausführlichen Darstellung von Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 11 ff. 79 RGZ 82, 85 ff. 80 RGZ 87, 412 ff. 81 RGZ 87, 412, 415 f. 75
B. Die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen
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Staates für Amtspflichtverletzungen des Gerichtsvollziehers. In seinem Urteil vom 25.04.192282 bejahte das RG erneut die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs bei einer Zwangsversteigerung, da § 1244 BGB entsprechend anwendbar sei. An dieser Ansicht hielt das RG zuletzt in seinem Urteil vom 15.10.192983 fest. Zu einem fundamentalen Umbruch kam es erst mit dem bahnbrechenden Urteil vom 21.01.193884. In dieser Entscheidung erklärte das RG85 erstmals die Pfändung, und nicht das Pfandrecht, zur Grundlage der Verwertung. Es kehrte damit der privatrechtlichen Theorie den Rücken und schloss sich der Lehre Steins an. Dabei stellte das Gericht ausdrücklich klar, dass der Gerichtsvollzieher bei der Verwertung nicht als Beauftragter des vollstreckenden Gläubigers handele, sondern „mit der Versteigerung und der Ablieferung der versteigerten Sache an den Ersteher einen staatlichen Hoheitsakt“86 vornehme. Die Konsequenz, dass mangels Anwendbarkeit der materiell-rechtlichen Vorschriften insbesondere auch ein bösgläubiger Erwerber Eigentum an einer schuldnerfremden Sache erhalten könne, begründete das Gericht durch einen Vergleich mit der Immobiliarvollstreckung: Auch dort verschaffe der Richter dem Ersteher nach § 90 ZVG originäres Eigentum, ohne dass es auf dessen Gut- oder Bösgläubigkeit ankomme. Gleichsam verhalte es sich bei der Ablieferung durch den Gerichtsvollzieher bei der Mobiliarvollstreckung. Die Annahme der Anwendbarkeit des § 1244 BGB sei mit „der neueren Auffassung von der Stellung des Gerichtsvollziehers und dem Wesen der Zwangsvollstreckung“87 nicht mehr vereinbar. Auch für diese Begründung bemühte das RG die Ausführungen Steins, der wesentlich mit der Parallelität von Mobiliar- und Immobiliarvollstreckung argumentierte.88 Die nunmehr geänderte Rechtsprechung, der sich schnell auch die h.L. anschloss,89 wurde auch vom BGH fortgeführt. Dieser ging in seinem Urteil vom 12.05.196990 von der gemischten Theorie aus, wenngleich er auf die 82
RGZ 104, 300, 301 f. RGZ 126, 21, 23 ff. Bemerkenswert ist an dieser Entscheidung, dass das Gericht die privatrechtlichen Gutglaubensvorschriften für anwendbar hält (S. 26), obwohl sie den der Übereignung zugrundeliegenden gerichtlichen Übereignungsbeschluss – als Pfandverwertung „in anderer Weise“ i.S.d. § 825 Abs. 1 S. 1 ZPO – als Staatsakt qualifiziert (S. 23 f.). 84 RGZ 156, 395, 398. 85 Es entschied der 7. Zivilsenat. Eine Anrufung des Großen Senats war wegen des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 28.06.1935 (RGBl. I, S. 844 ff.) nicht erforderlich (vgl. Säcker, JZ 1971, 156, 157). 86 RGZ 156, 395, 398. 87 RGZ 156, 395, 397. 88 Vgl. Stein, Grundfragen, S. 75. 89 Vgl. Säcker, JZ 1971, 156, 157. 90 BGHZ 52, 99, 107 f. 83
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1. Teil: Zwangsvollstreckung und vollstreckungsrechtlicher Eigentumserwerb
Rechtsprechung des RG nicht konkret Bezug nahm. Ausdrücklich schloss sich der BGH der Rechtsprechung des RG in seinem Urteil vom 11.11.197091 an. Hier führte er aus: „Es ist seit RGZ 156, 395 allgemein anerkannt, daß der Ersteher in der Zwangsvollstreckung Eigentum nicht kraft Rechtsgeschäfts vom Schuldner, sondern durch Hoheitsakt vom Staat, vertreten durch den Gerichtsvollzieher und deshalb ohne Rücksicht darauf erwirbt, ob der Schuldner Eigentümer oder der Ersteher gutgläubig war“92.
Seine Ansicht bekräftigte der BGH erneut in seinem Urteil vom 25.02.1987,93 wobei er wiederum betonte, dass Voraussetzungen für den Eigentumserwerb lediglich die wirksame Pfändung und eine ordnungsgemäße Versteigerung seien. Besonders sorgfältig befasste sich der BGH in seinem Urteil vom 02.07.199294 mit dem vollstreckungsrechtlichen Eigentumserwerb. Er stellte erneut klar, dass bei der Versteigerung nach §§ 814 ff., 817 f. ZPO „der Gerichtsvollzieher dem Meistbietenden das Eigentum an der (wirksam) gepfändeten Sache kraft Hoheitsaktes in der Weise zuweist, dass der Erwerber auch an schuldnerfremden Sachen unabhängig von gutem Glauben lastenfrei neues Eigentum erlangt“95. In Abgrenzung dazu werde „fast allgemein angenommen“, dass „die Verwertung einer gepfändeten Sache durch einen privaten Auktionator oder einen freihändig verkaufenden Privatmann auf der Grundlage des § 825 ZPO […] in privatrechtlichen Formen abläuft“96, sodass es – ausschließlich – bei § 825 ZPO auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers ankomme.97 Zu erwähnen ist zuletzt die „Blockhaus“-Entscheidung98 des BGH.99 Dem Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Gerichtsvollzieher entgegen §§ 864 f. ZPO ein Blockhaus und damit100 einen wesentlichen Bestandteil eines Grundstücks i.S.d. § 93 BGB pfändete und es sodann auf gerichtliche Anordnung nach § 825 Abs. 1 ZPO an die Vollstreckungsgläubigerin übereignete. Der BGH ließ hier die Frage der Nichtigkeit der Pfändung wegen der Unzuständigkeit des Gerichtsvollziehers offen.101 Stattdessen stellte er fest, dass 91
BGHZ 55, 20, 25 ff. BGHZ 55, 20, 25 f. 93 BGHZ 100, 95, 98 f. 94 BGHZ 119, 75 ff. 95 BGHZ 119, 75, 76 f. 96 BGHZ 119, 75, 78 f. 97 Zum Eigentumserwerb nach § 825 Abs. 2 ZPO sogleich (B. IV. 3.). 98 BGHZ 104, 298 ff. 99 Vgl. zu dieser Pesch, JR 1993, 358, passim. 100 Die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil ergab aus einer vertraglichen Klausel zwischen Grundstückseigentümerin und Pächterin, dass von Letzterer erstellte bauliche Anlagen in das Eigentum der Ersteren übergehen. 101 BGHZ 104, 298, 302. 92
B. Die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen
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hier „der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, daß hoheitliche rechtsgestaltende Akte, zu denen auch die Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden gehören, im Interesse der Rechtssicherheit zu beachten sind […], mit der Entscheidung des Gesetzgebers, daß im Interesse der Erhaltung wirtschaftlicher Werte und der Schaffung klarer und sicherer Rechtsverhältnisse die mit einem Grundstück als wesentliche Bestandteile verbundenen Sachen nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können (§ 93 BGB)“102 kollidiert. Er maß dem letzteren Gesichtspunkt den höheren Wert bei und erklärte, dass der Eigentumserwerb an ungetrennten wesentlichen Bestandteilen durch vollstreckungsrechtliche Hoheitsakte, ebenso wie durch Rechtsgeschäfte, nicht möglich sei.103 Wenngleich das Urteil durchaus kritikwürdig ist,104 wird man jedoch nicht mit Gaul105 von einer echten „Abweichung“ der ständigen Rechtsprechung zum hoheitlichen Eigentumserwerb sprechen können. Der Grundsatz des hoheitlichen Eigentumserwerbs wird keineswegs infrage gestellt. Die Entscheidung versucht diesen lediglich mit der gesetzgeberischen Wertung des § 93 BGB in Ausgleich zu bringen.
IV. Weitere Verwertungsarten Neben der Versteigerung vor Ort kennt das Gesetz noch weitere Verwertungsarten. 1. Die Verwertung durch Internetversteigerung (§ 817 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Als alternative Form der öffentlichen Versteigerung kann die Verwertung auch durch eine Internetversteigerung erfolgen. Diese wurde durch das Gesetz über die Internetversteigerung und zur Änderung anderer Gesetze vom 19.06.2009106 mit Wirkung zum 05.08.2009 als Regelfall neben der Versteigerung vor Ort in die ZPO aufgenommen.107 Für die Internetversteigerung gelten die Ausführungen zu der Versteigerung vor Ort entsprechend. Unterschiede ergeben sich lediglich in Bezug auf das Versteigerungsverfahren, das gem. § 814 Abs. 3 ZPO von den Ländern durch Rechtsverordnung geregelt wird. Die Internetversteigerungen erfolgen nicht über private Plattformen 102
BGHZ 104, 298, 303. BGHZ 104, 298, 303. Dass dies im Rahmen der Zwangsvollstreckung sogar noch mehr als bei Rechtsgeschäften zu gelten habe, begründete der BGH insbesondere mit einem Verweis auf § 865 Abs. 2 S. 1 ZPO, nach dem Zubehör nicht gepfändet werden darf, wohingegen dessen rechtsgeschäftliche Übertragung zulässig ist. 104 Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 21 f.; Gaul, NJW 1989, 2509, 2512 ff. 105 Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 21. 106 BGBl. 2009 I, S. 2474; dazu BT-Drs. 16/12811. Vgl. hierzu Remmert, NJW 2009, 2572 ff. 107 Stein/Jonas/Würdinger, § 817 ZPO Rn. 10. 103
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1. Teil: Zwangsvollstreckung und vollstreckungsrechtlicher Eigentumserwerb
wie z.B. „eBay“ oder „hood“, sondern über spezielle staatliche Websites.108 Bislang sehen sämtliche Landesverordnungen zur Internetversteigerung dazu die Plattform www.justiz-auktion.de vor.109 Die Landesverordnungen regeln zudem, in welcher Weise die Ablieferung erfolgt.110 2. Die Verwertung nach § 825 Abs. 1 ZPO Nach § 825 Abs. 1 S. 1 ZPO kann der Gerichtsvollzieher auf Antrag das Pfandobjekt auf eine andere als die in §§ 814 ff. ZPO vorgegebene Weise (1. Alt.) oder an einem anderen als dem in § 816 Abs. 2 ZPO vorgegebenen Ort (2. Alt.) verwerten, wenn dadurch die Aussicht auf einen höheren Erlöserfolg besteht.111 Die erste Alternative ermöglicht dem Gerichtsvollzieher insbesondere einen freihändigen Verkauf, auch wenn die Voraussetzungen der §§ 821, 817a Abs. 3 S. 2 ZPO nicht erfüllt sind.112 Die zweite Alternative bietet sich an, wenn in der Gemeinde, in der die Pfändung erfolgte, keine Nachfrage für die gepfändete Sache besteht (etwa bei einer Spezialmaschine, die, außer der Schuldner, niemand braucht).113 Ziel des § 825 Abs. 1 ZPO ist es, eine möglichst effektive Verwertung, mithin die Erzielung möglichst hoher Erlöse zu gewährleisten.114 Bezüglich des Eigentumsübergangs stehen sich auch hier die im Rahmen der öffentlichen Versteigerung aufgezeigten Ansichten gegenüber. Die herrschende gemischte Theorie geht auch bei § 825 Abs. 1 ZPO (bei beiden Alternativen) davon aus, dass der Gerichtsvollzieher das Eigentum an dem Pfandobjekt durch die Ablieferung hoheitlich überträgt.115 Im Vergleich zum Eigentumserwerb nach § 817 Abs. 2 ZPO ergeben sich folglich keine Besonderheiten; auch hier lassen sich die nachfolgenden Untersuchungen zum Eigentumserwerb durch Versteigerung vor Ort entsprechend übertragen.
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Vertiefend Müller, Ablieferung, S. 82. MüKo-ZPO/Gruber, § 814 ZPO Rn. 10 f. 110 So schreibt etwa § 6 S. 4 der Verordnung über die Versteigerung durch Gerichtsvollzieher und Justizbehörden im Internet (Internetversteigerungsverordnung) des Landes Sachsen-Anhalt vor: „Wird die zugeschlagene Sache übersandt, so gilt die Ablieferung mit der Übergabe an die zur Ausführung der Versendung bestimmte Person als bewirkt.“ 111 MüKo-ZPO/Gruber, § 825 ZPO Rn. 4. 112 Brox/Walker, ZVR, Rn. 427. 113 Beispiel nach Brox/Walker, ZVR, Rn. 426. 114 Vgl. Wieczorek/Schütze/Lüke, § 817 ZPO Rn. 1. 115 Vgl. Wieczorek/Schütze/Lüke, § 825 ZPO Rn. 18, 23; Stein/Jonas/Würdinger, § 825 ZPO Rn. 5 f.; Musielak/Voit/Flockenhaus, § 825 ZPO Rn. 3; BeckOK-ZPO/Forbriger, § 825 ZPO Rn. 5, 7; OLG Celle NJW 1961, 1730. 109
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3. Die Verwertung nach § 825 Abs. 2 ZPO Anders verhält es sich dagegen bei der Verwertung nach § 825 Abs. 2 ZPO. Nach dieser Vorschrift kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag die Versteigerung durch eine andere Person als den Gerichtsvollzieher anordnen.116 In Betracht kommen bspw. Auktionatoren, Makler, Notare, Kommissionäre, Kunsthändler und dergleichen.117 Entgegen dem Wortlaut ist dabei nicht nur eine Versteigerung als Verwertungsform möglich, sondern auch ein freihändiger Verkauf oder eine sonstige Verwertungsart.118 Erfolgt eine solche Anordnung, so wird der Dritte nicht hoheitlich tätig, sondern privatrechtlich aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Auftrages.119 Das Auftragsverhältnis besteht zwischen dem Dritten und dem jeweiligen Land.120 Der Dritte handelt bei der Verwertung im eigenen Namen und nicht etwa als Stellvertreter des Schuldners oder des Gerichtsvollziehers.121 Durch den freihändigen Verkauf bzw. durch die Versteigerung schließt er einen Kaufvertrag mit dem Erwerber nach §§ 433 ff. BGB bzw. §§ 156, 433 ff. BGB.122 Auch die Eigentumsübertragung erfolgt nicht öffentlich-rechtlich, sondern privatrechtlich durch Übereignung nach §§ 929 ff. BGB.123 Folglich sind auch die Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff. BGB, § 366 Abs. 1 HGB anwendbar. Der Ersteher kann nur dann Eigentum an einer schuldnerfremden Sache erwerben, wenn er hinsichtlich ihrer Schuldnerzugehörigkeit im guten Glauben ist.124 Die Verwertung nach § 825 Abs. 2 ZPO erfolgt mithin insgesamt privatrechtlich und unterscheidet sich damit wesentlich von den Verwertungsformen nach §§ 814 ff. ZPO und nach § 825 Abs. 1 ZPO.
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Auch hier ist es für die Anordnung erforderlich, dass die Verwertungsform einen höheren Erlöserfolg verspricht (MüKo-ZPO/Gruber, § 825 ZPO Rn. 4, 14). 117 MüKo-ZPO/Gruber, § 825 ZPO Rn. 14; BeckOK-ZPO/Forbriger, § 825 ZPO Rn. 9. 118 HK-ZV/Kindl, § 825 ZPO Rn. 8 (Fn. 18) m.w.N. 119 BGHZ 119, 75, 78 ff.; 170, 243, Rn. 17; BGH NJW 2013, 2519, 2521; Stein/Jonas/Würdinger, § 825 Rn. 10; BeckOK-ZPO/Forbriger, § 825 ZPO Rn. 9; Musielak/ Voit/Flockenhaus, § 825 ZPO Rn. 6; MüKo-ZPO/Gruber, § 825 ZPO Rn. 18; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 36, 48; HK-ZV/Kindl, § 825 ZPO Rn. 10; Hager, in: FS Canaris, 1, 6, jeweils m.w.N.; entgegen allen Lüke, NJW 1954, 254, 255. 120 Stein/Jonas/Würdinger, § 825 ZPO Rn. 10 m.w.N. 121 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 825 ZPO Rn. 42; dort auch zur Haftung des Dritten. 122 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 825 ZPO Rn. 42 f. 123 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 825 ZPO Rn. 41. 124 HK-ZV/Kindl, § 825 ZPO Rn. 10.
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1. Teil: Zwangsvollstreckung und vollstreckungsrechtlicher Eigentumserwerb
C. Die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte Die ebenfalls zur Vollstreckung in das bewegliche Vermögen gehörende Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte ist in den §§ 828–863 ZPO geregelt. Diese lassen sich inhaltlich unterteilen in die Vollstreckung in Geldforderungen (§§ 828–845 ZPO) und in die Spezialregelungen für die Vollstreckung in Sachforderungen125 (§§ 846–856 ZPO) und andere Vermögensrechte (§§ 857–863 ZPO). Zuständig für die Vollstreckung ist gem. §§ 828 Abs. 2, 802 ZPO grundsätzlich das Vollstreckungsgericht am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners.126 § 20 Nr. 17 RPflG weist die im Rahmen der Zwangsvollstreckung vorzunehmenden Geschäfte dem Rechtspfleger zu. Auch bei dieser Vollstreckungsart erfolgt zunächst die Pfändung der Forderung bzw. des Rechts. Dies geschieht durch den Erlass eines Pfändungsbeschlusses und dessen Zustellung an den Drittschuldner nach § 829 ZPO. Die Vorschrift gilt über die Verweise in §§ 846, 857 Abs. 1 ZPO auch für die Vollstreckung in Sachforderungen und in andere Vermögensrechte. Das nachfolgende Verwertungsverfahren variiert je nach Vollstreckungsobjekt. Im praktisch wichtigsten Fall der Vollstreckung in eine Geldforderung vollzieht sich die Verwertung gem. § 835 Abs. 1, 2 ZPO durch Überweisung der Forderung zur Einziehung oder an Zahlungs statt zum Nennwert. In der Praxis ergeht in der Regel ein einheitlicher Pfändungs- und Überweisungsbeschluss.127 Die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte weist die Besonderheit auf, dass die Pfändung in die Forderung bzw. in das Recht nur dann wirksam ist, wenn sie bzw. es dem Schuldner tatsächlich zusteht. Ist dies nicht der Fall, geht die Pfändung nach gängiger Formulierung „ins Leere“, sie ist gegenstandslos.128 Aus diesem Grund stellt sich bei Forderungen und anderen Vermögensrechten die Problematik der Vollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen nicht. Diese Vollstreckungsart wird im Rahmen dieser Arbeit daher nicht näher behandelt.
125 Sachforderungen sind Forderungen, die auf Herausgabe oder Leistung körperlicher Sachen gerichtet sind (Brox/Walker, ZVR, Rn. 701; Wieczorek/Schütze/Lüke, § 846 ZPO Rn. 1). 126 Jauernig/Berger, ZVR, § 19 Rn. 3. 127 Jauernig/Berger, ZVR, § 19 Rn. 27. 128 Vgl. für Forderungen Jauernig/Berger, ZVR, § 19 Rn. 27; Brox/Walker, ZVR, Rn. 510; Wieczorek/Schütze/Lüke, § 829 ZPO Rn. 17; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 54 Rn. 40; MüKo-BGB/Bayreuther, § 185 BGB Rn. 15; BGH NJW 2002, 755 f.; für andere Vermögensrechte Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 54 Rn. 46; Stein/Jonas/Brehm, § 857 ZPO Rn. 197; vgl. auch BeckOK-ZPO/Riedel, § 859 ZPO Rn. 20.
D. Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen
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D. Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ist, im Gegensatz zur Mobiliarvollstreckung, dogmatisch nahezu unumstritten.129 Ihr unterliegen gem. §§ 864, 870 ZPO Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte (z.B. Erbbau- oder Mineralgewinnungsrechte130) sowie Schiffe und Schiffsbauwerke. Gegenstand dieser Arbeit ist allein die Vollstreckung in Grundstücke (nachfolgend: „Immobiliarvollstreckung“). Diese umfasst nach § 865 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 1120 ff. BGB auch solche Gegenstände, auf die sich die Hypothek erstreckt. Der Haftungsverband der Hypothek erstreckt sich dabei gem. § 1120 BGB insbesondere auf das in § 97 BGB legaldefinierte Zubehör des Grundstücks, worauf noch gesondert eingegangen wird. Die Immobiliarvollstreckung erfolgt gem. § 866 Abs. 1 ZPO durch die Eintragung einer Sicherungshypothek, durch Zwangsverwaltung, oder aber durch die für die hiesige Untersuchung allein relevante Zwangsversteigerung.
I. Das Zwangsversteigerungsverfahren Die Zwangsversteigerung folgt aufgrund der Verweisung in § 869 ZPO dem Regelwerk des ZVG. Zunächst ist erforderlich, dass das zuständige Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers eine Versteigerungsanordnung erlässt, § 15 ZVG.131 Erachtet das Gericht das Vorliegen aller Voraussetzungen für gegeben – u.a. muss der Schuldner als Eigentümer im Grundbuch eingetragen oder Erbe des eingetragenen Eigentümers sein, § 17 Abs. 1 ZVG –, so erlässt das Gericht den Zwangsversteigerungsbeschluss. Die Anordnung der Zwangsversteigerung wird sodann gem. § 19 Abs. 1 ZVG vom Grundbuchamt in das Grundbuch eingetragen und der Zwangsversteigerungsbeschluss dem Schuldner zugestellt, § 22 Abs. 1 S. 1 ZVG. Mit dem Zeitpunkt der Zustellung an den Schuldner tritt zudem die Beschlagnahme des Grundstücks ein, § 20 Abs. 1 ZVG. Die Beschlagnahme bewirkt einerseits die Verstrickung des Grundstücks.132 Der Schuldner unterliegt gem. § 23 Abs. 1 S. 1 ZVG i.V.m. §§ 136, 135 BGB einem relativen Veräußerungsverbot.133 Insoweit ist die Wirkung der Beschlagnahme mit jener der Pfändung im Rahmen der Mobiliarvollstreckung vergleichbar. Andererseits gewährt die Beschlagnahme dem vollstreckenden Gläubiger nach §§ 10 Abs. 1 Nr. 5, 11 Abs. 2 ZVG ein Recht auf 129
Entgegen allen bezüglich der Immobiliarvollstreckung eine privatrechtliche Konzeption befürwortend Stamm, Prinzipien, S. 459 ff.; Peters, in: FS Henckel, 655, 662 ff. 130 BeckOK-ZPO/Flockenhaus, § 864 ZPO Rn. 4. 131 Brox/Walker, ZVR, Rn. 853. 132 Brox/Walker, ZVR, Rn. 860. 133 Siehe zu den Ausnahmen § 23 Abs. 1 S. 2 ZVG.
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1. Teil: Zwangsvollstreckung und vollstreckungsrechtlicher Eigentumserwerb
Befriedigung aus dem Grundstück.134 Dieses Recht besteht allerdings nur gegenüber dem Schuldner und rangschlechteren Gläubigern.135 Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Mobiliarvollstreckung: Bei dieser hat der Gläubiger aufgrund seines Pfändungspfandrechts ein Recht auf Befriedigung aus dem Pfandobjekt auch gegenüber Dritten. Das Pfändungspfandrecht stellt ein absolutes Befriedigungsrecht dar.136 Der Immobiliarvollstreckung ist das Pfändungspfandrecht dagegen fremd. Nach erfolgter Beschlagnahme und dem Eingang der Mitteilungen137 des Grundbuchamts, § 36 Abs. 1 ZVG, ordnet das Vollstreckungsgericht einen Versteigerungstermin an und fordert in der Terminsbestimmung gem. § 37 Nr. 4 und 5 ZVG dazu auf, bestehende Rechte an dem Grundstück anzumelden. Das Versteigerungsverfahren ist in den §§ 44–94 ZVG ausführlich geregelt und mündet in dem Zuschlagsbeschluss, § 90 ZVG. Das Gericht bestimmt sodann gem. § 105 ZVG einen Verteilungstermin. In diesem wird unter Einbeziehung aller Beteiligten und des Ersteigerers ein Teilungsplan aufgestellt, anhand dessen der Versteigerungserlös an die Berechtigten verteilt wird. Das Verteilungsverfahren ist in den §§ 105–145 ZVG detailliert geregelt. Sachlich zuständig für die Zwangsversteigerung ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht, § 1 Abs. 1 ZVG. Funktionell ist das gesamte Verfahren nach § 3 Nr. 1 i) RPflG dem Rechtspfleger übertragen.
II. Der Eigentumserwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung 1. Der Erwerb des Grundstücks Der Eigentumserwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung wird durch den Zuschlagsbeschluss des Vollstreckungsgerichts bewirkt, § 90 Abs. 1, 1. HS ZVG (genauer: durch dessen wirksamkeitsbegründende Verkündung, § 89 ZVG). Der Erwerber erhält dadurch originäres und nach § 91 Abs. 1 ZVG lastenfreies Eigentum an dem Grundstück. Richtet sich die Vollstreckung gegen einen bloßen „Bucheigentümer“, ist also in Wahrheit ein nicht eingetragener Dritter Eigentümer des Grundstücks, ist dies für den Eigentumserwerb ebenso unerheblich wie die Gut- oder Bösgläubigkeit des Erwerbers.138 134
Brox/Walker, ZVR, Rn. 860. Brox/Walker, ZVR, Rn. 860. 136 Stein/Jonas/Würdinger, § 804 ZPO Rn. 20. Gauls Bezeichnung des Beschlagnahmevorrechts als „Parallelinstitut zum Pfändungspfandrecht“ (Gaul, ZZP 130 (2017), 3 33) ist daher zumindest missverständlich. Zu Recht differenzierend dagegen Wieczorek/Schütze/Lüke, § 804 ZPO Rn. 2 und Fn. 4. 137 Gemeint sind die Mitteilungen nach § 19 Abs. 2 ZVG (Böttcher/Böttcher, § 36 ZVG Rn. 3). 138 RGZ 72, 269, 271; 72, 354, 358; BGHZ 112, 59, 61; 159, 397, 399; BGH NJW-RR 135
D. Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen
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Der Zuschlag ist ein Hoheitsakt mit privatrechtsgestaltender Wirkung.139 Streitig ist allerdings, ob es sich hierbei um einen einseitigen Hoheitsakt handelt140 oder ob stattdessen durch die Abgabe des Meistgebotes und den Zuschlag ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zustande kommt, gerichtet auf die Eigentumsübertragung des Grundstücks141. Der Streit entspricht im Wesentlichen dem über die Rechtsnatur des Zuschlags bei der öffentlichen Versteigerung im Rahmen der Mobiliarvollstreckung nach der öffentlich-rechtlichen und der gemischten Theorie.142 Nach beiden Meinungen vollzieht sich der Eigentumsübergang jedenfalls unmittelbar mit dem Zuschlag, wodurch das Grundbuch unrichtig wird und durch Eintragung des Erwerbers korrigiert werden muss. 2. Der Erwerb des Grundstückszubehörs a) Miterwerb zum Grundstück Mit dem Zuschlag erwirbt der Ersteigerer nicht nur das Grundstück, sondern gem. § 90 Abs. 2 ZVG auch jene Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt hat. Dies betrifft nach § 55 Abs. 1 ZVG zum einen die Gegenstände, deren Beschlagnahme noch wirksam ist. Welche Gegenstände von der Beschlagnahme umfasst sind, richtet sich wiederum nach § 20 Abs. 1, Abs. 2 ZVG i.V.m. §§ 1120 f. BGB, § 21 ZVG und betrifft neben (unter anderem) Bestandteilen und Versicherungsforderungen143 auch das schuldnereigene Zubehör des Grundstücks, da dieses gem. § 1120 BGB in den Haftungsverband der Hypothek fällt.
1986, 1115, 1116 Brox/Walker, ZVR, Rn. 927; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 66 Rn. 13 f.; Jauernig/Berger, ZVR, § 24 Rn. 33; Baur/Stürner/Bruns, ZVR, Rn. 36.24; Lackmann, ZVR, Rn. 457. 139 Böttcher/Böttcher, § 90 ZVG Rn. 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 66 Rn. 13 m.w.N. 140 So die h.M., u.a. RGZ 60, 48, 54; BGH NJW 1990, 2744; 2004, 2900; Böttcher/Böttcher, § 90 ZVG Rn. 1; Brox/Walker, ZVR, Rn. 927; Jauernig/Berger, ZVR, § 24 Rn. 33; Mohrbutter, VollstreckungsR, § 43 I c). 141 So etwa Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 5 Rn. 38 und § 66 Rn. 14. 142 S.o. B. III. 2. Es besteht allerdings der Unterschied, dass bei der Versteigerung beweglicher Sachen zunächst der Zuschlag erfolgt und die Sache sodann in einem weiteren Schritt abgeliefert werden muss, um den Eigentumsübergang herbeizuführen, wohingegen bei der Grundstücksversteigerung – sofern man vom Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ausgeht – Rechtsgrund- und Erwerbsgeschäft einheitlich durch den Zuschlag abgeschlossen werden und somit zusammenfallen (Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 66 Rn. 14). 143 Böttcher/Böttcher, § 90 ZVG Rn. 4.
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1. Teil: Zwangsvollstreckung und vollstreckungsrechtlicher Eigentumserwerb
Zum anderen erstreckt sich die Versteigerung nach § 55 Abs. 2 ZVG aber auch auf schuldnerfremdes Zubehör, wenn es sich, wie regelmäßig, im Besitz des Schuldners befindet – es sei denn, der Dritteigentümer macht sein Recht nach Maßgabe des § 37 Nr. 5 ZVG geltend. b) Grund des Miterwerbs Der Miterwerb des Grundstückszubehörs beruht auf dem Gedanken, dass Sachen, die dauerhaft einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck dienen, in ihrer Gemeinschaft einen höheren Wert verkörpern als die Summe aller Einzelgegenstände – ihr sog. Verbundswert übersteigt ihren Zerschlagungswert.144 Diesen Verbundswert zu schützen liegt im gesamtwirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft. Bei einer besonders engen Zusammengehörigkeit geht der Gesetzgeber mitunter so weit, dass er das rechtliche Schicksal der Nebensache an jenes der Hauptsache koppelt; der Nebensache wird also die Sonderrechtsfähigkeit abgesprochen (Akzessionsprinzip). Entsprechende Regelungen finden sich in den §§ 93–96, 946 BGB zu sog. wesentlichen Bestandteilen. Auch Zubehör bildet eine wirtschaftliche Einheit mit seiner Hauptsache, wenn auch nicht eine gar so enge wie wesentliche Bestandteile. Zubehör sind nach der Legaldefinition des § 97 Abs. 1 S. 1 BGB bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Zum Schutz des Verbundswertes wird den entsprechenden Sachen zwar nicht die Sonderrechtsfähigkeit entzogen, gleichwohl wirkt das Gesetz auf ein übereinstimmendes rechtliches Schicksal mit der Hauptsache hin – etwa durch die Auslegungsregeln der §§ 311c und 926 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach sich das Verpflichtungs- bzw. Verfügungsgeschäft bei einer Grundstücksübertragung im Zweifel auch auf das Zubehör erstrecken soll. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Einbeziehung des Zubehörs in den Haftungsverband der Hypothek. Das dingliche Verwertungsrecht des Gläubigers soll nicht nur das Grundstück erfassen, sondern auch das mit diesem eine wirtschaftliche Einheit bildende und sich darauf befindliche Zubehör, sofern es dem Schuldner gehört. § 55 Abs. 2 ZVG ordnet weitergehend an, dass sich die Versteigerung auch auf Fremdzubehör erstreckt, sofern es sich im Besitz des Schuldners befindet. Zur Begründung wird regelmäßig auf den Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung145 sowie auf den
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Auch zum Nachfolgenden Eckardt, ZJS 2012, 467 ff. m.w.N. Der Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung besagt, dass das organisatorisch vom Erkenntnisverfahren losgelöste und nichtrichterlichen Organen übertragene Vollstreckungsverfahren auf eine selbständige, formale Grundlage gestellt ist, die 145
D. Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen
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Verkehrsschutz verwiesen. Ob sich hieraus eine hinreichende Legitimation für den Erwerb schuldnerfremden Zubehörs ergibt, wird allerdings noch zu untersuchen sein.
auf Einfachheit und Präzision der Rechtsdurchsetzung gerichtet ist und die Prüfungspflicht der Vollstreckungsorgane auf die Einhaltung der das Verfahren betreffenden Vorschriften, mithin auf das Formale, beschränkt (vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 5 Rn. 39).
2. Teil
Vereinbarkeit des zwangsvollstreckungsrechtlichen Eigentumserwerbs mit Art. 14 GG A. Einführung zu Art. 14 GG Das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG zählt zu den klassischen Freiheitsrechten.1 Es dient dazu, „dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich [zu] erhalten und dem Einzelnen damit die Entfaltung einer eigenverantwortlichen Gestaltung seines Lebens [zu] ermöglichen.“2 Selbst innerhalb des Grundrechtskatalogs kommt Art. 14 GG eine hervorgehobene Stellung zu, wie auch das BVerfG in seiner „Feldmühle“Entscheidung betonte: „Das Eigentum ist […] ein elementares Grundrecht; das Bekenntnis zu ihm ist eine Wertentscheidung des Grundgesetzes von besonderer Bedeutung für den sozialen Rechtsstaat.“3
I. Schrankensystematik Vor der Erörterung der Gewährleistungen des Art. 14 GG sollen zwecks besserer Darstellbarkeit zunächst die Möglichkeiten der Einschränkung des Grundrechts aufgezeigt werden. Hier lässt sich Art. 14 GG in zwei Regelungsbereiche unterteilen. 1. Inhalts- und Schrankenbestimmungen; sonstige Eigentumseingriffe ohne Enteignungscharakter Der erste Teilbereich setzt sich aus Abs. 1 und 2 zusammen und betrifft die sog. Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie, wie Jarass zutreffend herausgearbeitet hat, die sonstigen Eigentumseingriffe ohne Enteignungscharakter.4 1
Epping, Grundrechte, Rn. 427. BVerfGE 83, 201, 208 – „Vorkaufsrecht“. 3 BVerfGE 14, 263, 277 – „Feldmühle“. 4 Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 14 GG Rn. 2; Jarass, NJW 2000, 2841. Der Eingriff in das Grundrecht durch einen konkret-individuellen Hoheitsakt und die diesbezüglichen Rechtfertigungsanforderungen ließen sich dogmatisch andernfalls nicht sauber erfassen, da Inhalts- und Schrankenbestimmungen selbst stets abstrakt-generelle Regelungen sind. Bei 2
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
Unter Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die als einheitlicher Ausgestaltungsvorbehalt anzusehen sind,5 begreift das Grundgesetz in den Worten des BVerfG „die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum […] zu verstehen sind. Sie ist auf die Normierung objektiv-rechtlicher Vorschriften gerichtet, die den Inhalt des Eigentums vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form bestimmen.“6
Da Inhalt und Schranken des Eigentums also erst auf einfachgesetzlicher Ebene bestimmt werden, hat Art. 14 GG einen normgeprägten Schutzbereich.7 Bei der Ausgestaltung hat der Gesetzgeber neben dem Eigentümerinteresse nach Art. 14 Abs. 2 GG8 auch das Prinzip der Sozialpflichtigkeit allen Eigentums zu berücksichtigen und die Interessen aller Beteiligten in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Inhalts- und Schrankenbestimmungen müssen dabei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.9 An den Anforderungen der Abs. 1 und 2, insbesondere am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sind auch Eigentumseingriffe ohne Enteignungscharakter zu messen. Diese stellen ebenso wie Inhalts- und Schrankenbestimmungen keine Enteignung dar. Im Gegensatz zu diesen erfolgen sie jedoch nicht durch Rechtsvorschriften, sondern durch konkret-individuelles hoheit-
der Enteignung stellt sich die Problematik nicht, da Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG ausdrücklich auf die Administrativenteignung Bezug nimmt und somit auch den Eingriff auf konkretindividueller Ebene adressiert. 5 BVerfGE 52, 1, 27 – „Kleingarten“; 58, 300, 331 – „Nassauskiesung“; vgl. auch 49, 220, 232 – „Zwangsversteigerung“ (Obiter Dictum Böhmer); BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 13; Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 397; mangels rechtsdogmatischer und sachlicher Bedeutung der Unterscheidung i.E. auch MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 417; ähnlich auch Stern, StaatsR IV/1/Dietlein, S. 2222 ff., 2234 m.w.N.; Münch/ Kunig/Bryde, Art. 14 GG Rn. 48. Für eine Differenzierung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen dagegen etwa BerK-GG/Sieckmann, 44. EL, 11/2014, Art. 14 GG Rn. 102; Epping, Grundrechte, Rn. 462 ff., nach dem für Inhaltsbeschränkungen zudem ein anderer verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab gelten soll als für Schrankenbestimmungen (Rn. 453); Sachs/Wendt, Art. 14 GG Rn. 55 ff.; kritisch auch Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 14 GG Rn. 33. 6 BVerfGE 72, 66, 76 – „Flughafen Salzburg“ mit Verweis auf BVerfGE 52, 1, 27 – „Kleingarten“; 58, 137, 144 f. – „Pflichtexemplar“; 58, 300, 330 – „Nassauskiesung“. 7 Sodan/Sodan, Art. 14 GG Rn. 1. 8 Die Norm richtet sich nicht, wie der Wortlaut anmuten lässt, an den Grundrechtsträger, sondern stellt eine Direktive an den Gesetzgeber dar, bei der Gestaltung von Inhaltsund Schrankenbestimmungen das Prinzip der Sozialpflichtigkeit allen Eigentums zu berücksichtigen (str.; für die hier vertretene Auffassung MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 Rn. 416; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 14 Rn. 3a. Vgl. Papier/Shirvani a.a.O. Rn. 305 auch für die Gegenansicht m.w.N.). 9 BVerfGE 110, 1, 28 – „Erweiterter Verfall“; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 212.
A. Einführung zu Art. 14 GG
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liches Handeln. Erfasst werden davon vor allem insbesondere Verwaltungsakte, aber auch etwa faktische und mittelbare Einwirkungen.10 2. Enteignung Art. 14 Abs. 3 GG regelt demgegenüber die Enteignung.11 Eine solche ist nach S. 1 nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig und muss nach der Junktimklausel des S. 2 entweder durch Gesetz (Legalenteignung) oder aufgrund eines Gesetzes (Administrativenteignung) erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. S. 3 betrifft die Höhe der zu gewährenden Entschädigung, während S. 4 im diesbezüglichen Streitfall den ordentlichen Rechtsweg eröffnet.
II. Gewährleistungen des Eigentumsgrundrechts Art. 14 GG, konkret dessen Abs. 1 S. 1, beinhaltet funktional ein Abwehrrecht, eine Instituts- sowie eine Verfahrensgarantie. 1. Abwehrrecht Von besonderer Bedeutung ist die abwehrrechtliche Funktion des Art. 14 GG.12 Die Norm gewährt ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht,13 das den Grundrechtsträger vor Beeinträchtigungen seines Eigentums durch den Staat schützt. Der Schutz bezieht sich auf die konkrete vermögensrechtliche Rechtsposition in der Hand des jeweiligen Grundrechtsträgers,14 mithin auf das Eigentum in seiner Substanz und dessen Zuordnung zum Eigentümer.15 Das Grundrecht verbürgt damit eine Bestandsgarantie.16 Zum Bestand der Rechtsposition zählen auch die mit dieser verbundenen Befugnisse, z.B. die Nutzungs- und Verfügungsbefugnis.17 Durch den weitgehenden Schutz des 10 Zu diesem Absatz Jarass, NJW 2000, 2841; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 14 Rn. 49; vgl. auch BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 71. 11 Zum Begriff der Enteignung sogleich unter D. I. 12 MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 112. 13 Sachs/Wendt, Art. 14 GG Rn. 9. Zum Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts noch später (3. Teil B. I.). 14 BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 17; Sachs/Wendt, Art. 14 GG Rn. 9; Melchinger, Eigentumsdogmatik, S. 125 ff. Vgl. auch BVerfGE 24, 367, 396 f. – „Erste Deichentscheidung“; 58, 300, 323 – „Nassauskiesung“; 74, 264, 281, 283 – „Boxberg“; 83, 201, 211 f. – „Vorkaufsrecht“. 15 Stern, StaatsR IV/1/Dietlein, S. 2137; Külpmann, Eingriffe, S. 105. 16 Vgl. MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 114 m.w.N.; BeckOKGG/Axer, Art. 14 GG Rn. 17; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2563 f.; BVerfGE 24, 367, 400 – „Erste Deichentscheidung“; 58, 300, 323 – „Nassauskiesung“; 78, 58, 75 – „Ausstattungsschutz“; 134, 242 Rn. 168 – „Garzweiler“. 17 BoK/Dederer, 188. EL, 12/2017, Art. 14 GG Rn. 220.
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
Art. 14 GG vor jeglicher ungerechtfertigten Einwirkung auf den Bestand einer eigentumsfähigen Rechtsposition soll die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten bleiben.18 Art. 14 GG ist damit grundlegend anders konzipiert als die Eigentumsgarantie der Weimarer Reichsverfassung (Art. 153 WRV), bei der die entschädigungsrechtliche Komponente im Vordergrund stand und der Betroffene den Verlust seines Sacheigentums hinnehmen musste, sofern er eine angemessene Kompensation erhielt.19 Einer solchen Vorstellung steht die Abwehrfunktion des Art. 14 GG entgegen. Es gilt gerade nicht das tradierte Diktum des „dulde und liquidiere“.20 Ein Anspruch auf Entschädigung vermag eine Verletzung der Bestandsgarantie mithin nicht zu beheben.21 Den Grundrechtsträger trifft allerdings eine Mitwirkungspflicht an dem Erhalt seines Eigentumsbestandes bei rechtswidrigem Zugriff; mit seinem Abwehrrecht korrespondiert eine Anfechtungslast.22 Die Bestandsgarantie ist die primäre Gewährleistung der Abwehrfunktion. Ausnahmsweise kann die Bestandsgarantie jedoch in die sekundär gewährleistete Wertgarantie umschlagen, welche die Gewährung einer bestimmten Entschädigung für den Eigentumsverlust zum Gegenstand hat.23 Die Wertgarantie gelangt vor allem bei der Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG und bei der Sozialisierung nach Art. 15 GG zur Anwendung,24 aber auch dann, wenn eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nur bei der Gewährung einer Entschädigungszahlung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt.25
18
MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 114; Sachs/Wendt, Art. 14 GG Rn. 9. 19 MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 115; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2563. 20 MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 115; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2563; siehe zur Unzulänglichkeit einer wirtschaftlichen Schadloshaltung auch BVerfGE 58, 137, 149 f. – „Pflichtexemplar“. 21 Böhmer, NJW 1988, 2561, 2564; vgl. auch Leisner, DVBl 1988, 555: „Wenn Eigentum Grundlage zur Entfaltung persönlicher Freiheit bedeutet, steht im Vordergrund seine Innehabung, nicht sein Wert, der den ,Reichtum‘ vermittelt.“ 22 Böhmer, NJW 1988, 2561, 2564; vgl. BVerfGE 20, 230, 235 f. 23 MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 116; BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 17; Papier, AöR 98 (1973), 528, 536; jeweils m.w.N.; BVerfGE 134, 252 Rn. 168 – „Garzweiler“; 143, 246 Rn. 217 – „Atomausstieg“. 24 MD/Papier/Shirvani, 83 EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 116. 25 BoK/Dederer, 188. EL, 12/2017, Art. 14 GG Rn. 222 f.; BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 104, jeweils m.w.N.; eingehend Roller, NJW 2001, 1003, passim.
A. Einführung zu Art. 14 GG
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2. Institutsgarantie Für diese Arbeit weniger relevant ist die in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ebenfalls enthaltene Institutsgarantie für das Bestehen einer privatrechtlichen Eigentumsordnung.26 Wie zuvor dargelegt, bestimmt zwar der Gesetzgeber selbst durch den Erlass von Inhalts- und Schrankenbestimmungen die Reichweite des Eigentums. Gleichwohl gewährleistet die Institutsgarantie, wie das BVerfG in seiner „Ersten Deichentscheidung“ klargestellt hat, „einen Grundbestand von Normen, die als Eigentum im Sinne dieser Grundrechtsbestimmung bezeichnet werden. Inhalt und Funktion sind dabei der Anpassung an die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fähig und bedürftig; es ist Sache des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums unter Beachtung der grundlegenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen zu bestimmen […]. Die Institutsgarantie verbietet jedoch, daß solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören, und damit der durch das Grundrecht geschützte Freiheitsbereich aufgehoben oder wesentlich geschmälert wird.“27 Der Gesetzgeber ist seiner Verpflichtung zum Erlass entsprechender Normen durch die §§ 903 ff. BGB (Eigentum) und §§ 1922 ff. BGB (Erbrecht) nachgekommen.28 3. Verfahrensgarantie Zuletzt beinhaltet Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG noch eine Verfahrensgarantie. Diese leistungsrechtliche Funktion gewährleistet, dass der Eigentümer seinen grundrechtlichen Eigentumsschutz durch Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowohl gegenüber dem Staat als auch gegenüber Privaten geltend machen und durchsetzen kann.29 Art. 14 GG verpflichtet den Gesetzgeber zur Schaffung verfahrensrechtlicher Grundlagen, die einen effektiven Rechtsschutz ermöglichen30 Durch die Verfahrensgarantie beansprucht Art. 14 GG somit nicht nur im materiellen, sondern auch im Verfahrensrecht Geltung.31 Die 26
Melchinger, Eigentumsdogmatik, S. 124 f. BVerfGE 24, 367, 389 – „Erste Deichentscheidung“. 28 Epping, Grundrechte, Rn. 433. Neben dem Eigentum schützt Art. 14 GG ausdrücklich auch das Erbrecht, und zwar ebenfalls als Abwehrrecht sowie als Institutsgarantie. Der eigenständige Schutz des Erbrechts ist nötig, weil der Eigentumsschutz mit dem Tod des Erblassers endet und der Eigentumsschutz seines Erben erst mit Erwerb der entsprechenden Rechte einsetzt. Die Ausführungen zum Eigentumsschutz gelten für das – im Rahmen dieser Arbeit uninteressante – Erbrecht entsprechend (vgl. Sodan/Sodan, Art. 14 GG Rn. 19). 29 Stern, StaatsR IV/1/Dietlein, S. 2141. 30 BoK/Dederer, 188. EL, 12/2017, Art. 14 GG Rn. 341; vgl. auch BVerfGE 51, 150, 156 – „Zwangsversteigerung“. 31 MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 126 ff.; vgl. BVerfGE 53, 30, 65 – „Mülheim-Kärlich“. 27
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
Gerichte haben dieses grundrechtskonform auszulegen, sodass ein effektiver Rechtsschutz gewährt wird.32 Die Verfahrensgarantie überschneidet sich dabei mit dem noch zu behandelnden Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG, ist mit diesem jedoch nicht deckungsgleich. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt dem Bürger effektiven Rechtsschutz allein gegen Eingriffe der Exekutive.33 Der eigentumsgrundrechtlichen Verfahrensgarantie kommt also etwa bei Maßnahmen des Gesetzgebers oder in zivilrechtlichen Verfahren eine eigenständige Bedeutung zu, denn in diesen Fällen greift Art. 19 Abs. 4 GG nicht ein.34 Unklar35 ist allerdings das Verhältnis zwischen grundrechtsimmanenter Verfahrensgarantie und jener aus Art. 19 Abs. 4 GG, wenn sich die Anwendungsbereiche überschneiden.36 Wenn und soweit Art. 19 Abs. 4 GG effektiven Rechtsschutz gewährt, ist eine inhaltlich gleichlautende Gewährung aus den materiellen Grundrechten jedoch schlichtweg unnötig. Diesen werden dann ohne einen rechtsstaatlichen Bedarf leistungsrechtliche Attribute zugesprochen, wodurch die als Abwehr- und Freiheitsrechte ausgestalteten Grundrechte ihre Charakteristika einbüßen und somit an Kontur verlieren.37 Zugleich droht man den Anwendungsbereich des einheitlich geltenden Art. 19 Abs. 4 GG auszutrocknen und dafür – aufgrund der unterschiedlichen Schrankensystematik der Grundrechte – zersplitterte verfahrensrechtliche Anforderungen und Garantien zu etablieren.38 Sinnvoll ist es daher, auf die grundrechtsimmanente Verfahrensgarantie allein dann abzustellen, wenn Art. 19 Abs. 4 GG nicht eingreift, also im Pri32 BoK/Dederer, 188. EL, 12/2017, Art. 14 Rn. 342; BVerfGE 49, 220, 225 – „Zwangsversteigerung“; 51, 150, 156 – „Zwangsversteigerung“. 33 MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 129. 34 MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 129; BoK/Dederer, 188. EL, 12/2017, Art. 14 GG Rn. 340. 35 Kloepfer, VerfR II, § 74 Rn. 48; übersichtlich Schmidt-Aßmann, NVwZ 1983, 1, 4; vgl. auch Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 148. 36 Ursprünglich stellte sich diese Problematik nicht: Traditionell standen die materiellen Grundrechte aus dem Grundrechtskatalog der Art. 1 ff. GG in einem gut abgestimmten Komplementärverhältnis zu den formellen Verfahrensgrundrechten, zu denen insbesondere die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG sowie der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG zählen. Die materiellen Grundrechtspositionen konnten mithilfe der Verfahrensgrundrechte effektiv durchgesetzt werden (vgl. Bethge, NJW 1982, 1, 5). Diese Anschauung wandelte sich, als der 1. Senat des BVerfG im Hinblick auf Art. 14 GG befand, dass nach der grundgesetzlichen Konzeption ein effektiver Rechtsschutz ein wesentliches Element des Grundrechts selbst sei (BVerfGE 24, 367, 401 – „Erste Deichentscheidung“). Diese Verlagerung der Rechtsschutzgarantie wurde in der Folgezeit vom BVerfG für Art. 14 GG bestätigt und auf andere Grundrechte übertragen. Vgl. zum Ganzen Bethge, NJW 1982, 1, 5; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 365 ff., jeweils m.w.N. 37 Vgl. HStR VIII/Papier, § 177 Rn. 19. 38 Vgl. HStR VIII/Papier, § 177 Rn. 19; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 367.
A. Einführung zu Art. 14 GG
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vatrechtsbereich sowie bei Hoheitsakten außerhalb der Exekutive.39 Ist Art. 19 Abs. 4 GG dagegen einschlägig, schließt die Norm – als „hinter die Klammer“ gezogene Lex specialis – die grundrechtsimmanenten Verfahrensgarantien aus.40 Dies dürfte tendenziell auch der hinsichtlich dieser Konkurrenzproblematik eher diffusen Rechtsprechung des BVerfG entsprechen, das, trotz aller Zweideutigkeiten, Art. 19 Abs. 4 GG als „zentrale Verbürgung gerichtlichen Rechtsschutzes auch der Grundrechte im gerichtlichen Verfahren vor den Fachgerichten“ bezeichnet und sich dagegen verwehrt, „die allgemeinen gerichtlichen Verfahrensordnungen nach Maßgabe der jeweils in Rede stehenden subjektiven Rechte (einschließlich der Grundrechte) in ein aktionsrechtliches Verfahrensgeflecht aufzulösen“41.42 Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Frage der Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz daher nicht nachfolgend im Rahmen des Art. 14 GG zu erörtern, sondern primär43 eine Frage der Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG.44
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Im Bereich der Exekutive ist allerdings fraglich, auf welche Garantie im Rahmen des Verwaltungsverfahrens abzustellen ist. Nimmt man mit der h.M. eine „Vorwirkung“ des Art. 19 Abs. 4 GG auf das Verwaltungsverfahren an (dazu noch später unter 3. Teil D. II. 1. a)), besteht auch hier kein Bedarf für einen Rückgriff auf die grundrechtsunmittelbare Verfahrensgarantie. 40 So auch Bethge, NJW 1982, 1, 6 f.; Haag, Effektiver Rechtsschutz, S. 83 ff.; HStR VIII/Papier, § 177 Rn. 21 f.; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 23; Münch/Kunig/Krebs, Art. 19 GG Rn. 54; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 368; Stern/ Sachs/Dietlein, StaatsR IV/2, § 123 II 6 mit zahlreichen Nachweisen; ebenso auch noch BVerfGE 60, 253, 266 ff. – „Asylverfahren“; 65, 1, 70 – „Volkszählung“; ebenfalls kritisch Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 Rn. 148 f. A.A. wohl Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 874, nach denen im Fall der Überschneidung (kumulativ) Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. dem jeweiligen Grundrecht gelten soll; ebenso in Teilen die – uneinheitliche – Rechtsprechung des BVerfG, siehe bspw. BVerfGE 45, 297, 322, 333 – „Hamburger U-Bahn“ für Art. 14 GG sowie BVerfG 39, 276, 294 – „Studienplatzvergabe“ für Art. 12 GG. Teilweise wird für Überschneidungsfälle auch die „arbeitsteilige“ Auffassung vertreten, dass Art. 19 Abs. 4 GG lediglich den Rechtsweg eröffne, während die grundrechtsimmanente Rechtsschutzgarantie die wirksame Verfahrensgestaltung gewährleistet (so wohl BVerfGE 49, 252, 256 f. – „Versagung rechtlichen Gehörs“; vgl. auch MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 23). 41 BVerfGE 60, 253, 297 – „Asylverfahren“. 42 Vgl. MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 368. 43 Die Rechtsschutzmöglichkeiten gilt es gleichwohl im Rahmen der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 14 GG zu berücksichtigen. 44 S.u. 3. Teil.
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
B. Eröffnung des Schutzbereichs Der persönliche Schutzbereich des Art. 14 GG ist für den Dritteigentümer unproblematisch eröffnet.45 Sachlich schützt Art. 14 GG das „Eigentum“. Da es sich bei Art. 14 GG um ein normgeprägtes Grundrecht handelt, umfasst der grundrechtliche Eigentumsbegriff nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG „grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.“46 Darunter fällt selbstverständlich auch das Eigentumsrecht des Dritteigentümers nach § 903 BGB.
C. Eingriff Ein Grundrechtseingriff liegt nach dem heute gängigen modernen Eingriffsbegriff47 dann vor, wenn durch staatliches Handeln ein grundrechtlich geschütztes Verhalten erschwert oder unmöglich gemacht bzw. ein grundrechtlich geschütztes Rechtsgut beeinträchtigt wird.48 Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, eine sonstige Eigentumsbeeinträchtigung ohne Enteignungscharakter oder um eine Enteignung handelt; die Kategorisierung wird erst im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung relevant.49 Der Dritteigentümer verliert bei der Zwangsvollstreckung sowohl in bewegliche Sachen durch die Ablieferung als auch bei jener in Grundstücke durch den Zuschlag sein Eigentum vollständig, seine bisherige Rechtsposi45
Der persönliche Schutzbereich umfasst natürliche Personen sowie (EU-)inländische juristische Personen des Privatrechts sowie andere Personenvereinigungen (BeckOKGG/Axer, Art. 14 Rn. 37 f.). 46 BVerfGE 112, 93, 107 – „Zwangsarbeiter“ mit Verweis auf BVerfGE 83, 201, 209 – „Vorkaufsrecht“; 101, 239, 258 – „Rückübertragungsanspruch“; BVerfG (K) NJW 2001, 2159. 47 Siehe zum früher herrschenden klassischen Eingriffsbegriff, der einen finalen, imperativen und unmittelbar wirkenden Rechtsakt forderte, Sachs/Sachs, Vor. Art. 1 GG Rn. 78 ff.; Sachs, VerfR II, Kap. 8 Rn. 6; Dreier/Dreier, Vor. Rn. 124; Ipsen, StaatsR II, Rn. 143; Kloepfer, VerfR II, § 51 Rn. 25; HStR IX/Isensee, § 191 Rn. 111; Hobusch, JA 2019, 278 f.; zur Abkehr vom klassischen Eingriffsbegriff grundlegend Ramsauer, Faktische Beeinträchtigungen, S. 50 ff. und passim; eingehend HStR IX/Isensee, § 191 Rn. 105 ff. sowie Hobusch, JA 2019, 278, passim. 48 Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313; Sachs, VerfR II, Kap. 8 Rn. 1; Kloepfer, VerfR II, § 51 Rn. 24; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 71. 49 Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 14 GG Rn. 24; vgl. auch BerK-GG/Sieckmann, 44. EL, 11/2014, Art. 14 GG Rn. 102.
D. Art des Eingriffs und Rechtfertigung
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tion wird ihm entzogen. Ablieferung und Zuschlag erfolgen dabei durch den Gerichtsvollzieher bzw. durch das Vollstreckungsgericht, mithin durch den Staat. Demnach liegt ein Eingriff in sein Eigentumsgrundrecht vor.50
D. Art des Eingriffs und Rechtfertigung Der Eingriff in Art. 14 GG müsste gerechtfertigt sein. Der für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung anzulegende Maßstab ist von der Art des Eingriffs abhängig.51 Sollte es sich bei Ablieferung und Zuschlagsbeschluss um Enteignungen des Dritteigentümers handeln, so wären die Vorgaben des Art. 14 Abs. 3 GG zu beachten – insbesondere die Junktimklausel. Weder ZPO noch ZVG enthalten entsprechende Entschädigungsregelungen. Jedenfalls eine Enteignung aufgrund der nachkonstitutionellen ZPO wäre damit zwangsläufig verfassungswidrig.52
I. Zwangsvollstreckung als Enteignung Enteignungen können gem. Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Eine Legalenteignung (1. Alt.) scheidet hier aus, da der Eigentumsentzug nicht durch gesetzliche Vorschriften, sondern durch einen Rechtsakt des Vollstreckungsorgans bewirkt wird. In Betracht kommt daher nur eine Administrativenteignung (2. Alt.).53 50 Konkret im Hinblick auf den Dritteigentümer ebenso Marotzke, NJW 1978, 133, 134; Müller, Ablieferung, S. 153 f.; Säcker, JZ 1971, 156, 159 f. Vgl. allgemein zum Vorliegen eines Eingriffs in Art. 14 GG im Wege der Zwangsvollstreckung (Zwangsversteigerung eines Grundstücks) BVerfGE 49, 220, 232 – „Zwangsversteigerung“ (Obiter Dictum Böhmer) und 49, 252, 256 – „Versagung rechtlichen Gehörs“ sowie Fischer, Vollstreckungszugriff, S. 65 ff. m.w.N. Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob man die Eigentumsübertragung als einseitigen Hoheitsakt oder als öffentlich-rechtlichen Vertrag beurteilt: Ob sich der Eingriff in dieser oder in jener Form vollzieht, macht aus Sicht des Dritteigentümers keinen Unterschied (Raue, Enteignungsbegriff, S. 167 f.). 51 Vgl. Sachs/Wendt, Art. 14 GG Rn. 76 ff. 52 Die Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG findet auf vorkonstitutionelles Recht keine Anwendung (BeckOK/Axer, Art. 14 GG Rn. 124; Sachs/Wendt, Art. 14 GG Rn. 168; BVerfGE 4, 219, 237 – „Junktim-Klausel“; 46, 268, 287 f. – „Bodenreformgesetz“). Bei dem ZVG handelt es sich um ein vorkonstitutionelles Gesetz. Bei der an sich sogar noch älteren ZPO erfolgte dagegen zunächst am 12.09.1950 (BGBl. I, S. 455, vgl. BVerfGE 8, 210, 213 – „Benachteiligungsverbot“) und nochmals am 05.12.2005 (BGBl. I, S. 3202) eine Neubekanntmachung; sie stellt daher nachkonstitutionelles Recht dar (vgl. Pesch, JR 1993, 358, 361). 53 Wie der Name schon sagt, erfolgt eine Administrativenteignung normalerweise durch einen behördlichen Verwaltungsakt (vgl. Dreier/Wieland, Art. 14 GG Rn. 93; BeckOK-
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
Unter Zugrundelegung des heute54 gängigen, formalisierten Enteignungsbegriffs des BVerfG ist eine Enteignung die zielgerichtete, vollständige oder teilweise Entziehung konkreter, von Art. 14 GG geschützter subjektiver Rechtspositionen des Einzelnen durch einen staatlichen Rechtsakt zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben in Gestalt einer Güterbeschaffung.55 1. Zielgerichtete, hoheitliche Entziehung einer konkreten, geschützten Rechtsposition Wie bereits festgestellt, verliert der Dritteigentümer durch die staatlich bewirkte Ablieferung bzw. den Zuschlag sein von Art. 14 GG geschütztes Sacheigentum vollständig. Der Rechtsakt erfolgt auch zielgerichtet. Haertlein möchte dagegen die Zielgerichtetheit im Falle der Vollstreckung in schuldnerfremdes Eigentum mit der Begründung verneinen, dass der Vollstreckungszugriff auf solche Gegenstände lediglich als zufällige Nebenfolge hingenommen werde.56 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Auch wenn dem Vollstreckungsorgan nicht bekannt ist, um wessen Eigentum es sich bei dem Versteigerungsobjekt handelt, so ist ihm doch klar, dass durch den vorzunehmenden Hoheitsakt das Eigentumsrecht des bisherigen Eigentümers – wer auch immer dies sein mag – erlischt. Er bringt somit gezielt das Eigentumsrecht an dem konkreten Versteigerungsobjekt zum Erlöschen. Raue zieht hier einen treffenden Vergleich zu der aus dem Strafrecht bekannten Rechtsfigur des error in persona, bei der der Täter zwar das anvisierte Opfer trifft, dieses jedoch für eine andere Person hielt – ein solcher Irrtum ist auch dort für den Vorsatz des Täters irrelevant.57
GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 111). Ob es sich bei Ablieferung und Zuschlagsbeschluss um Verwaltungsakte handelt, wird noch an späterer Stelle untersucht (s.u. 4. Teil B. I.). 54 Zur historischen Entwicklung des Enteignungsbegriffs, insbesondere zu den unterschiedlichen Ansätzen von BVerfG, BGH und BverwG, Cornils, in: Depenheuer/Shirvani, Enteignung, S. 143 ff.; Maurer/Waldhoff, VerwR, § 27 Rn. 3 ff.; Stern, StaatsR IV/1/Dietlein, S. 2235 ff. 55 Präzise Cornils, in: Depenheuer/Shirvani, Enteignung, S. 151 sowie Maurer/Waldhoff, VerwR, § 27 Rn. 41; vgl. ferner MKS/Depenheuer/Froese, Art. 14 GG Rn. 405; BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 107; Epping, Grundrechte, Rn. 469; MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 638 ff.; BVerfGE 52, 1, 27 – „Kleingarten“; 70, 191, 199 f. – „Fischereirechte“; 72, 66, 76 – „Flughafen Salzburg“; 74, 264, 280 – „Boxberg“; 100, 226, 239 f. – „Denkmalschutz“; 101, 239, 259 – „Rückübertragungsanspruch“; 102, 1, 15 f. – „Altlasten“; 104, 1, 9 f. – „Baulandumlegung“; 143, 246, Rn. 246 – „Atomausstieg“. 56 Haertlein, DGVZ 2002, 81, 84. 57 Raue, Enteignungsbegriff, S. 184.
D. Art des Eingriffs und Rechtfertigung
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2. Güterbeschaffung Der hoheitliche Rechtsentzug müsste eine Güterbeschaffung darstellen.58 Beschränkt sich die Wirkung eines Hoheitsaktes auf einen bloßen Rechtsverlust, so liegt keine Enteignung vor. Erforderlich ist vielmehr die Übertragung des Enteignungsobjekts auf die öffentliche Hand oder einen anderen Enteignungsbegünstigten.59 Dabei ist umstritten, ob das Vorliegen einer Enteignung erfordert, dass eine Güterbeschaffung tatsächlich bewirkt wird, oder ob es ausreicht, dass mit dem Hoheitsakt eine solche bewirkt werden soll.60 Der Streit ist hier jedoch nicht relevant, da durch die Ablieferung bzw. den Zuschlag das Versteigerungsobjekt tatsächlich an den Ersteigerer übertragen und somit nach beiden Ansichten „beschafft“ wird.61 3. Ziel der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe Der Eigentumsentzug muss ferner auf die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe gerichtet sein.62 Das Ziel der Erfüllung öffentlicher Aufgaben meint inhaltlich nichts anderes, als dass der Eigentumsentzug zum Wohle der Allgemeinheit63 zu erfolgen hat.64 Eine Enteignung kann dagegen niemals zur Förderung privater Interessen erfolgen.65
58 Indem das BVerfG diese Voraussetzung in seinen jüngeren Entscheidungen (siehe nur BVerfGE 143, 246, Rn. 246 ff. – „Atomausstieg“) wieder explizit forderte, kehrte es im Wesentlichen zum klassischen Enteignungsbegriff zurück (MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 633; vgl. auch Riedel, Eigentum, S. 107 f.). 59 BoK/Dederer, 188. EL, 12/2017, Art. 14 GG Rn. 504, 520; BVerfGE 143, 246, Rn. 246 ff. – „Atomausstieg“. 60 Siehe hierzu BoK/Dederer, 188. EL, 12/2017, Art. 14 GG Rn. 520 m.w.N. zu beiden Auffassungen. Dederer selbst will den entsprechenden Zweck genügen lassen. 61 Vgl. Raue, Enteignungsbegriff, S. 192. 62 Riedel, Eigentum, S. 105; BVerfGE 70, 191, 199 f. – „Fischereirechte“; 72, 66, 76 – „Flughafen Salzburg“; 101, 239, 259 – „Rückübertragungsanspruch“; 102, 1, 15 – „Altlasten“; 104, 1, 9 – „Baulandumlegung“; 112, 93, 109 – „Zwangsarbeiter“; 115, 97, 112 – „Halbteilungsgrundsatz“; siehe auch BVerwGE 77, 295, 297. Kritisch zu diesem Kriterium BoK/Dederer, 188. EL, 12/2017, Art. 14 GG Rn. 525 und BerK-GG/Sieckmann, 44. EL, 11/2014, Art. 14 GG Rn. 112. 63 Zum Gemeinwohlbegriff umfassend Riedel, Eigentum, S. 130 ff.; vgl. auch Hager, Verkehrsschutz, S. 58 f. 64 BerK-GG/Sieckmann, 44. EL, 11/2014, Art. 14 GG Rn. 109; BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 75; Epping, Grundrechte, Rn. 470, 474; Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 GG Rn. 55, 71; Maurer/Waldhoff, VerwR, § 27 Rn. 53; Schwabe, in: FS Thieme, 251, 261; vgl. BVerfGE 24, 367, 394 – „Erste Deichentscheidung“; 38, 175, 180 – „Rückenteignung“; 42, 263, 299 – „Contergan“. 65 Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 GG Rn. 82; BVerfGE 104, 1, 10 – „Baulandumlegung“; 114, 1, 59 – „Bestandsübertragung“.
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
Entscheidend ist dabei allein die Zweckrichtung. Ob der Eigentumsentzug tatsächlich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben bzw. dem Allgemeinwohl dient, ist keine Frage des tatbestandlichen Vorliegens der Enteignung, sondern allein eine Frage ihrer Rechtmäßigkeit nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG.66 Da der Zweck der Zwangsvollstreckung stets der Zugriff auf das Eigentum des Schuldners ist, kommt es hier noch nicht darauf an, inwieweit ein öffentliches Interesse speziell bei einem Zugriff auf schuldnerfremdes Eigentum besteht.67 Pesch ist der Ansicht, die Zwangsvollstreckung sei eine öffentliche Aufgabe, weil der Gläubiger einen Vollstreckungsanspruch gegen den Staat als Inhaber des Gewaltmonopols habe, den der Staat zu erfüllen verpflichtet sei.68 Auch wenn man insoweit erwidern könnte, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den Staat auf Tätigwerden doch nur um des vollstreckbaren Anspruchs des Gläubigers willen besteht,69 geht der Gedanke der öffentlichen Aufgabenerfüllung doch nicht fehl. Insbesondere wies das BVerfG in seiner „Erzwingungshaft“-Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass die Durchsetzung des Rechts des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung im öffentlichen Interesse liege, weil sie „der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtsordnung [dient], welche ihrerseits Grundbestandteil der rechtsstaatlichen Ordnung“70 sind.71 Dass die Zwangsvollstreckung auch öffentliche Interessen dient, soll denn auch gar nicht in Abrede gestellt werden. Gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass das Ziel des Zwangsvollstreckungsverfahrens, wie oben ausge-
66
MKS/Depenheuer/Froese, Art. 14 GG Rn. 417; Sachs/Wendt, Art. 14 GG Rn. 152; Maurer/Waldhoff, VerwR, § 27 Rn. 53. Die Kritik von Riedel, Eigentum, S. 106 und Schwabe, in: FS Thieme, 251, 261, ein Zulässigkeitskriterium der Enteignung werde zu einem Tatbestandsmerkmal zweckentfremdet, ist daher unzutreffend. 67 Hierzu noch unter D. II. 2. c) aa) (4). 68 Pesch, JR 1993, 358, 361. Ähnlich auch Haertlein, DGVZ 2002, 81, 83. 69 Gaul, JuS 1962, 1, 2. 70 BVerfGE 61, 126, 136. 71 Vgl. auch BVerfG (K) NJW 2009, 1259, 1260; BGHZ 32, 240, 244; BGH BeckRS 1967, 31169353; Raue, Enteignungsbegriff, S. 31 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 3 Rn. 44; Blomeyer, ZPR, § 1 I. Es wird allerdings von einigen Stimmen vertreten, dass lediglich ein abstraktes öffentliches Interesse an der Zwangsvollstreckung als funktionierende Institution bestehe, nicht aber an der konkreten Rechtsdurchsetzung im Einzelfall. In diesem Sinne Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 4, § 3 Rn. 44; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50; Gaul, in: FS Stürner, 687, 716; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 70; Blomeyer, ZPR, § 1 II 2; Messer, Leistung, S. 61; Geib, Pfandverstrickung, S. 38; Wieser, ZZP 98 (1985), 50, 54; vgl. auch Huber, Versteigerung, S. 142 f., der jedoch bei einer rechtmäßigen Zwangsvollstreckung auch im Einzelfall das öffentliche Interesse der Rechtsbewährung bejaht; zur a.A. bspw. Haertlein, DGVZ 2002, 81, 83.
D. Art des Eingriffs und Rechtfertigung
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führt,72 die Befriedigung des Gläubigers ist.73 Der Eigentumsübergang zielt damit primär auf den Ausgleich privater Interessen und gerade nicht auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ab.74 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die „Baulandumlegung“Entscheidung des BVerfG.75 Darin verneinte das Gericht eine Enteignung im Falle einer Baulandumlegung nach §§ 45 ff. BauGB. Zwar diene diese auch dem öffentlichen Interesse eines städtebaulichen Konzepts, jedoch sei die Umlegung in erster Linie auf den Ausgleich der privaten Interessen der Eigentümer gerichtet, indem sie „diesen die bauliche Nutzung ihrer Grundstücke auch in den Fällen [ermöglicht], in denen diese sich nicht selbst auf die hierzu notwendige Neuordnung ihrer Eigentumsrechte einigen“76. Die Entscheidung zeigt einerseits auf, dass der Umstand, dass von dem Eigentumsentzug auch das Allgemeinwohl profitiert, für die Annahme einer öffentlichen Aufgabenerfüllung nicht ausreicht, wenn private Interessen im Vordergrund stehen. Andererseits wird man angesichts des Umstands, dass schon die geordnete städtebauliche Entwicklung, an der die Gemeinden ein erhebliches öffentliches Interesse haben,77 nach Ansicht des BVerfG nicht für das Vorliegen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben ausreicht, dies erst recht nicht für die noch viel stärker von Privatinteressen geprägte Zwangsvollstreckung annehmen können. Zustimmung verdienen daher die zusammenfassenden Ausführungen des BGH: „Wie der Senat bereits mehrfach […] zum Ausdruck gebracht hat, können Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die der Staat für einen Gläubiger ausbringt, ihrem Wesen nach nicht als enteignende Maßnahmen betrachtet werden. Die Zwangsvollstreckung […] dient dazu, mit staatlicher Hilfe Individualansprüche eines oder mehrerer Gläubiger gegenüber dem Schuldner durchzusetzen. Der Staat wird als Vollstreckungsorgan in erster Linie zur Wahrnehmung der Gläubigerinteressen und nicht zur Verwirklichung übergeordneter Interessen der Allgemeinheit tätig. Zwar weist die Revision zu Recht darauf hin, daß der Staat dadurch, daß er zur Wahrung des Rechtsfriedens dem Gläubiger seinen Schutz und seine Zwangsmittel zur Verfügung stellt, zugleich ein Anliegen der Allgemeinheit erfüllt. Im Vordergrund der von ihm durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahme steht jedoch das Ziel, dem Gläubiger zu seinem Recht zu verhelfen. Der Vollstreckungsschuldner
72
S.o. in der Einleitung. Pinger, JR 1973, 94, 95. 74 Vgl. BVerfGE 38, 175, 179 f. – „Rückenteignung“; 49, 220, 231 – „Zwangsversteigerung“; 104, 1, 9 f. – „Baulandumlegung“; BGHZ 32, 208, 211; 32, 240, 244 f.; Maurer/ Waldhoff, VerwR, § 27 Rn. 53; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 1 Rn. 2 ff.; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 42; MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 653; Piekenbrock/Kienle, Examinatorium, Rn. 338; Steinberg/Lubberger, Aufopferung, S. 169; Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 94 f.; Blomeyer, ZPR, § 1 I. 75 BVerfGE 104, 1 ff. 76 BVerfGE 104, 1, 10 – „Baulandumlegung“. 77 Haas, NVwZ 2002, 272. 73
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
erbringt das ihm durch die Vollstreckungsmaßnahme abgeforderte ,Opfer‘ dem Vollstreckungsgläubiger und nicht der Allgemeinheit.“78
4. Zwischenergebnis Der vollstreckungsrechtliche Eigentumsentzug stellt keine Enteignung dar,79 da die Zwangsvollstreckung nicht der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, sondern primär der Verfolgung privater Zwecke dient. Die Klassifizierung als Enteignung würde daher in den Worten von Haas „ganz offensichtlich den Sinn der Vollstreckung [verfehlen]“80. Die zu Ablieferung und Zuschlagsbeschluss ermächtigenden Vorschriften der §§ 817 Abs. 2 ZPO und 90 ZVG stellen somit Inhalts- und Schrankenbestimmungen dar.81 Die Normen sehen den Eigentumsübergang durch den jeweiligen Ausführungsakt vor und begründen zugleich eine Duldungspflicht des bisherigen Eigentümers, den Zugriff auf sein Eigentum zu dulden. Diese Duldungspflicht regelt Inhalt und Schranken seines Eigentumsgrundrechts.82 Ablieferung und Zuschlag selbst stellen Eigentumseingriffe ohne Enteignungscharakter dar.
78 BGH WM 1967, 698, 699. Vgl. auch BGHZ 30, 123, 125; 32, 240, 245; BGH NVwZ 1998, 878, 879 sowie BVerfGE 84, 82, 87 f., das im Zusammenhang mit einem Ordnungsgeld nach § 890 Abs. 1 ZPO klarstellt, dass es sich bei der Zwangsvollstreckung „um die Durchsetzung privatrechtlicher Verpflichtungen in einem Verfahren zwischen Parteien handelt“. 79 So auch Piekenbrock/Kienle, Examinatorium, Rn. 388; Dreier/Wieland, Art. 14 Rn. 92; BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 75; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 42; Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 59 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 17, ausdrücklich in Bezug auf Dritteigentum § 53 Rn. 27; Haas, NVwZ 2002, 272, 274; Hager, in: FS Canaris, 1, 9; Lippross, Vollstreckungsschutz, S. 128 f.; MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 Rn. 644; Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 GG Rn. 76; i.E. ebenso Raue, Enteignungsbegriff, S. 273. Mit der Ablehnung einer Enteignung fälschlicherweise automatisch das Vorliegen eines Eingriffs in Art. 14 GG verneinend Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 27; vgl. hierzu Müller, Ablieferung, S. 18. Da eine Enteignung ausscheidet, muss auf die umstrittene Frage, ob die Rechtmäßigkeit des Eingriffs ein weiteres Tatbestandsmerkmal der Enteignung darstellt (bejahend bspw. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 GG Rn. 71; verneinend bspw. MKS/Depenheuer/Froese, Art. 14 GG Rn. 417; zum Streitstand BerKGG/Sieckmann, 44. EL, 11/2014, Art. 14 GG Rn. 111, alle jeweils m.w.N.) nicht eingegangen werden. 80 Haas, NVwZ 2002, 272, 274. 81 Vgl. Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 59; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 17; Haas, NVwZ 2002, 272, 274; Pesch, JR 1993, 358, 361; Steinberg/Lubberger, Aufopferung, S. 170 f. 82 Vgl. BVerfGE 49, 220, 232 – „Zwangsversteigerung“ (Obiter Dictum Böhmer).
D. Art des Eingriffs und Rechtfertigung
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II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Der Eingriff in Art. 14 GG durch Ablieferung und Zuschlag ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese Hoheitsakte auf einer verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage beruhen und im konkreten Einzelfall selbst verfassungsgemäß sind.83 1. Rechtsgrundlagen Erforderlich ist zunächst eine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage. Rechtsgrundlage für die Ablieferung ist § 817 Abs. 2 ZPO, jene für den Zuschlag § 90 ZVG. Mit der g.h.M. ist davon auszugehen, dass die Vorschriften den materiell-rechtlichen Eigentumsübergang regeln.84 Bedenken gegen die formelle Verfassungsmäßigkeit bestehen in beiden Fällen nicht. Zur materiellen Verfassungsmäßigkeit der Normen soll an dieser Stelle dagegen noch keine Stellung genommen werden, um, im Anschluss an die bisherige Literatur, die verfassungsrechtliche Problematik unmittelbar an den konkreten, eigentumsentziehenden Hoheitsakten diskutieren zu können. 2. Verhältnismäßigkeit des Eigentumserwerbs in der Mobiliarvollstreckung Behandelt werden soll zunächst die Mobiliarvollstreckung. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs durch den Ablieferungsakt. Ein Eingriff in Art. 14 GG muss stets zur Verfolgung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein.85 Dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wie es einige Stimmen in der Literatur bezweifelten,86 auch im Zwangsvollstreckungsverfahren gilt, stellte das BVerfG ausdrücklich klar.87 a) Geeignetheit zur Förderung eines legitimen Zwecks Der Eigentumsentzug des Dritteigentümers bzw. der spiegelbildliche Eigentumserwerb des Ersteigerers müsste zunächst geeignet sein, einen legitimen gesetzgeberischen Zweck zu fördern.88 Der Zweck muss dem Gemeinwohlinteresse dienen.89 Maßgebend ist dabei die Zwecksetzung des jeweiligen Gesetzes,90 hier also der ZPO. 83
BerK-GG/Sieckmann, 44. EL, 11/2014, Art. 14 GG Rn. 133. Entgegen allen Marotzke, NJW 1978, 133, 134, der in den Regelungen der §§ 814 ff. ZPO lediglich eine formale Handlungsbefugnis des Gerichtsvollziehers sieht. 85 BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 89. 86 Vgl. Lippross, Vollstreckungsschutz, S. 173 m.w.N. 87 BVerfGE 52, 214, 219 – „Vollstreckungsschutz“ m.w.N. 88 BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 89. 89 Wienbracke, ZJS 2013, 148, 149. 90 Vgl. MD/Grzeszick, 48. EL, 11/2006, Art. 20 GG VII Rn. 111. 84
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
aa) Gläubigerbefriedigung, Bewährung der Rechtsordnung und Rechtsfrieden Als legitimer Zweck kommt zunächst die Gläubigerbefriedigung in Betracht. Diese dient, wie zuvor ausgeführt, zugleich der Bewährung der Rechtsordnung sowie dem Rechtsfrieden.91 Zwar bereitet insoweit die Geeignetheit zur Verfolgung eines legitimen Zweckes bei der Vollstreckung in schuldnerisches Vermögen keine Probleme, jedoch gilt dies nicht für die Vollstreckung in Dritteigentum.92 Der Ersteigerer erhält durch die Ablieferung das Eigentum an dem Pfandobjekt und muss dafür den Erlös zahlen, § 817 Abs. 2 ZPO.93 Hinsichtlich dieses Erlöses tritt eine dingliche Surrogation analog § 1247 S. 2 BGB ein: Der Erlös tritt rechtlich an die Stelle der gepfändeten Sache. Daher setzt sich die Verstrickung an dem Erlös fort. Gleiches gilt normalerweise auch für das Pfändungspfandrecht, das jedoch bei der Vollstreckung in Dritteigentum nicht entstanden ist94 und sich daher auch nicht fortsetzen kann. Auch das Eigentumsrecht des Dritten setzt sich kraft der dinglichen Surrogation am Erlös fort. Kehrt nun der Gerichtsvollzieher den Erlös an den Gläubiger aus, so stellt dies, wie auch die Ablieferung, einen Hoheitsakt dar, durch den der Gerichtsvollzieher das Eigentum an dem Erlös auf den Gläubiger überträgt.95 Hierdurch tritt jedoch keine Befriedigung des Gläubigers ein. Da kein Pfändungspfandrecht an dem Erlös besteht, dessen Realisierung die Erfüllungswirkung rechtfertigen könnte, geht seine titulierte Forderung nicht unter.96 Vielmehr ist der Gläubiger nach der Erlösauskehr einem bereicherungsrechtlichen Anspruch des Dritteigentümers aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB ausgesetzt.97 Mit diesem Eigentumserwerb durch Hoheitsakt hat der Gläubiger das Eigentum an dem Erlös in sonstiger Weise i.S.d. Norm erlangt.98 Die Bereicherung erfolgte auf Kosten des Dritteigentümers, der durch die Erlösauskehr sein Eigentum daran verloren hat. Die Bereicherung erfolgte zudem
91
S.o. D. I. 3. Die Frage, ob ein öffentliches Interesse an der Gläubigerbefriedigung auch im Einzelfall besteht (s.o. Fn. 71), bedarf hier daher keiner näheren Erörterung. 93 Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen zur ausbleibenden Befriedigungswirkung Brox/Walker, ZVR, Rn. 452 f. 94 S.o. 1. Teil B. III. 2. 95 Erman/Buck-Heeb, § 812 BGB Rn. 74. 96 MüKo-BGB/Fetzer, § 362 BGB Rn. 40 und Gruber a.a.O. § 815 ZPO Rn. 17; Pinger, JR 1973, 94, 95 m.w.N. 97 So die g.h.M. Eine Mindermeinung will dagegen die Gläubigerbefriedigung bejahen und den Dritteigentümer auf einen Bereicherungsanspruch gegen den Schuldner verweisen, so etwa Böhm, Ausgleichsansprüche, S. 68, 88; Schünemann, JZ 1985, 49, 54; Günther, AcP 178 (1978), 456, 465; kritisch dazu Brox/Walker, ZVR, Rn. 470 m.w.N. 98 Staudinger/Lorenz, § 812 BGB Rn. 27. 92
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ohne rechtlichen Grund. Diesen könnte allein99 das Pfändungspfandrecht des Gläubigers als materielles Befriedigungsrecht darstellen, das hier jedoch gerade nicht besteht. Der Gläubiger ist daher verpflichtet, den empfangenen Erlös an den (ursprünglichen) Dritteigentümer nach §§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 818 BGB herauszugeben.100 Nicht von dem Anspruch umfasst sind allerdings die Vollstreckungskosten, denn diese stellen für den Gläubiger unvermeidbare Aufwendungen dar, um zumindest die Chance zu erhalten, sich aus dem Schuldnervermögen zu befriedigen. Er ist insoweit nicht bereichert, sodass die von ihm aufgewendeten Vollstreckungskosten bei dem bereicherungsrechtlichen Anspruch in Abzug zu bringen sind101 (dies gilt vor allem für die Anwaltsgebühren, da der Gerichtsvollzieher seine Gebühren nach §§ 118 Abs. 2 S. 1 GVGA, 15 Abs. 1 GvKostG vor der Auskehr des Erlöses selbst abzieht102). Der Schuldner wird dadurch zulasten des Dritten von seiner Kostenverbindlichkeit befreit, sodass dem Dritten bezüglich der Vollstreckungskosten ein Bereicherungsanspruch gegen den Schuldner zusteht.103 Wie werthaltig dieser Anspruch gegen den – regelmäßig zahlungsunfähigen – Schuldner ist, ist freilich eine andere Frage. Die Gläubigerbefriedigung wird bei einer Vollstreckung in Dritteigentum nach alledem nicht erreicht oder gefördert.104
99 Der Zuschlag stellt dagegen lediglich den Rechtsgrund für die Eigentumsübertragung des Pfandobjekts auf den Erwerber dar (Brox/Walker, ZVR, Rn. 470). 100 Dies gilt nach der herrschenden gemischten Theorie sowie nach der öffentlich-rechtlichen Theorie. Nach der privatrechtlichen Theorie hat der Dritteigentümer ebenfalls einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen den Gläubiger auf Erlösherausgabe. Dieser folgt jedoch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB, sondern aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, da der Gerichtsvollzieher nach dieser Ansicht auch bei der Erlösauskehr privatrechtlich handelt und somit eine „Verfügung“ i.S.d. Norm vorliegt. 101 So die h.M., siehe etwa RGZ 40, 288, 293; BGHZ 32, 240, 244; ausführlich BGHZ 66, 150, 155 f.; MüKo-ZPO/Gruber, § 804 ZPO Rn. 47; Baur/Stürner/Bruns, ZVR, Rn. 29.18; Raue, Enteignungsbegriff, S. 63; Jäckel, JA 2010, 357, 363; Büchler, JuS 2011, 779, 780 f.; a.A. dagegen Nicklisch, NJW 1966, 434 f.; Stein/Jonas/Münzberg, § 771 ZPO Rn. 87. Gem. § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO hat der Schuldner die Vollstreckungskosten zu tragen. Auch bei (unbeabsichtigter) Vollstreckung in Dritteigentum sind die Kosten „notwendig“ im Sinne der Norm, da der Gläubiger ihre Entstehung bei vernünftiger Würdigung der Sachlage objektiv für erforderlich halten durfte (vgl. MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, § 788 ZPO Rn. 25) – bei Einleitung der Vollstreckung wusste er schließlich noch nicht, dass sie nicht zum Erfolg führen wird. 102 Vgl. Jäckel, JA 2010, 357, 363. 103 Brox/Walker, ZVR, Rn. 471; Raue, Enteignungsbegriff, S. 63 (Fn. 194); Büchler, JuS 2011, 779, 784. Ob dieser Anspruch gegen den – regelmäßig zahlungsunfähigen – Schuldner auch durchsetzbar ist, ist eine andere Frage. 104 Piekenbrock/Kienle, Examinatorium, Rn. 388; Müller, Ablieferung, S. 156 f.
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
Entsprechend verhält es sich mit dem damit verknüpften Zweck der Bewährung der Rechtsordnung.105 Die Rechtsordnung sieht vor, dass sich der Gläubiger aus dem schuldnerischen Vermögen befriedigt. Führt die Vollstreckung zu dem Ergebnis, dass ein Dritter sein Sacheigentum verliert, so ist dies im Gegenteil eher geeignet, insoweit die Sinnhaftigkeit der Rechtsordnung infrage zu stellen.106 Auch der Rechtsfrieden wird durch die Vollstreckung in Dritteigentum nicht gefördert: Nach einer solchen muss nicht nur der Gläubiger mangels Befriedigung erneut gegen den Schuldner vollstrecken, auch der Dritteigentümer kann nunmehr Ansprüche gegen Gläubiger und Schuldner auf Erlösherausgabe bzw. Ersatz der Vollstreckungskosten geltend machen. Damit läuft die Vollstreckung in Dritteigentum dem Rechtsfrieden sogar zuwider. bb) Effektivität der Zwangsvollstreckung Als legitimer Zweck kommt jedoch die Effektivität der Zwangsvollstreckung in Betracht. Auch wenn streitig ist, ob die Rechtsdurchsetzung im Einzelfall im öffentlichen Interesse liegt,107 herrscht doch Einigkeit darüber, dass jedenfalls ein öffentliches Interesse an der Zwangsvollstreckung als funktionsfähige Institution besteht. Die Funktionsfähigkeit muss sich dabei zuvorderst am Vollstreckungserfolg messen lassen. Im Rahmen der Zwangsversteigerung hat der Ersteigerer die Sicherheit, durch die Ablieferung Eigentümer des Pfandobjekts zu werden.108 Diese Rechts- oder Erwerbssicherheit stellt einen erheblichen Anreiz dar, um überhaupt an einer Zwangsversteigerung teilzunehmen und Gebote abzugeben. Müsste ein potentieller Ersteigerer dagegen befürchten, wegen der Schuldnerfremdheit der Sache kein Eigentum zu erwerben, würde sich dies in erheblichem Maße negativ auf die Bietbereitschaft auswirken.109 Denn ob das Pfandobjekt einem Dritten gehört, ist bei der Zwangsversteigerung für den unbedarften Bieter nicht ersichtlich. Auch kann er sich nicht darauf verlassen, dass ein etwaiger Dritteigentümer bei der Zwangsvollstreckung durch Erhebung einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO intervenieren würde, da der Dritteigentümer selbst häufig keine Kenntnis von der Vollstreckung in sein Eigentum hat.110 Der Ausschluss des Eigentumserwerbs bei Dritteigentum würde daher bewirken, dass sich weniger Bieter an Verstei-
105
Vgl. auch Raue, Enteignungsbegriff, S. 35. Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 28 f. 107 S.o. Fn. 71. 108 Vgl. zu diesem Absatz Müller, Ablieferung, S. 158 f. 109 Müller, Ablieferung, S. 158 f.; vgl. auch Stein/Jonas/Würdinger, § 817 ZPO Rn. 21 sowie Wieczorek/Schütze/Lüke, § 804 ZPO Rn. 8. 110 Hierzu noch näher unter 3. Teil D. II. 2. a). 106
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gerungsverfahren beteiligen würden, was einen verringerten Wettbewerb und dadurch letztlich geringere Versteigerungserlöse zur Folge hätte. Die Zwangsvollstreckung würde dadurch als Institution geschwächt. Der Eigentumserwerb auch von Dritteigentum ist demnach geeignet, die Effektivität der Zwangsvollstreckung zu fördern. b) Erforderlichkeit Die Ablieferung von Dritteigentum müsste ferner zur Förderung des Zwecks erforderlich sein. Dies ist der Fall, wenn es kein anderes, milderes Mittel gibt, mit dem sich der verfolgte Zweck in gleicher Weise erreichen bzw. fördern lässt.111 Als milderes Mittel könnte man einerseits, jedenfalls theoretisch,112 erwägen, den Erwerb von Dritteigentum generell nicht zuzulassen. Wie zuvor dargelegt, würde sich dies jedoch negativ auf die Beteiligung an Zwangsversteigerungen auswirken; der Zweck einer effektiven Zwangsvollstreckung könnte dadurch nicht in gleicher Weise gefördert werden. Als milderes Mittel kommt andererseits in Betracht, an der Bedingungslosigkeit des Eigentumserwerbs anzusetzen. Konkret könnte man den Erwerb auf solche Fälle beschränken, in denen der Ersteigerer gutgläubig ist.113 Auch in diesem Fall wäre der Eigentumserwerb in der Zwangsversteigerung jedoch immer mit einer Unsicherheit für den Ersteigerer verbunden, ob er durch die Ablieferung tatsächlich Eigentum erlangt hat. Es gilt zu beachten, dass seine Gutgläubigkeit, wie alle subjektiven Tatbestandsmerkmale, stets gewissen Beweisschwierigkeiten unterliegt. Selbst wenn man für die Bösgläubigkeit eine positive Kenntnis des Ersteigerers fordern würde, wäre es möglich, dass in einem der Versteigerung nachgelagerten Rechtsstreit ein Gericht dem tatsächlich gutgläubigen Ersteigerer fälschlicherweise Bösgläubigkeit attestiert. Aufgrund der materiellen Rechtskraft der Entscheidung hätte er letztlich kein Eigentum erlangt bzw. würde er jedenfalls im Rechtsverkehr so behandelt.114 Selbst ein gutgläubiger Ersteigerer wäre diesem Prozessrisiko ausgesetzt, welches das Vertrauen des Rechtsverkehrs in den vollstreckungsrecht111
BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 196. Für den Gerichtsvollzieher ist das Vorliegen von schuldnerfremdem Eigentum regelmäßig nicht erkennbar, wenn er sie gepfändet hat, vgl. § 71 Abs. 2 S. 1 GVGA. Zu einem (physischen) Ablieferungsakt würde es demnach in jedem Fall kommen. Es müsste folglich die rechtliche Wirkung des Ablieferungsaktes eingeschränkt werden. Die Vereinbarkeit mit der Rechtsgrundlage des § 817 Abs. 2 ZPO kann hier dahingestellt bleiben. 113 Auch hier sei die Vereinbarkeit mit der Rechtsgrundlage dahingestellt. 114 Ob sich die materielle Rechtskraft auf die materielle Rechtslage gestaltend auswirkt oder lediglich Bindungswirkung für die Gerichte zeitigt, ist umstritten. Vgl. hierzu die Darstellung der materiellrechtlichen und der prozessrechtlichen Theorie in HK-ZPO/Saenger, § 322 ZPO Rn. 8 ff. 112
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
lichen Erwerb schmälern würde. Auch hierdurch würde sich die Effektivität der Zwangsvollstreckung daher nicht in gleicher Weise fördern lassen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit § 825 Abs. 2 ZPO. Nach dieser Verwertungsform ist ein bösgläubiger Erwerb von Dritteigentum nicht möglich.115 Zwar mag es durchaus der Fall sein, dass häufig besonders wertvolle Pfandobjekte nach dieser Norm verwertet werden.116 Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Effektivität der Zwangsvollstreckung auch bei einer Versagung des Erwerbs von Dritteigentum bei Bösgläubigkeit generell hinreichend gewahrt sei. Die Versagung des bösgläubigen Erwerbs ist allein dem Umstand geschuldet, dass die ausführenden Personen als Privatpersonen nicht hoheitlich handeln können und sich der Rechtserwerb daher nach dem bürgerlichen Recht vollzieht. § 825 Abs. 2 ZPO gewährleistet dadurch zwar einen schwächeren Verkehrsschutz, was sich bei isolierter Betrachtung durchaus negativ auf die Effektivität der Zwangsvollstreckung auswirkt. Diese negative Wirkung kompensiert die Regelung allerdings wieder dadurch, dass sie insbesondere den freihändigen Verkauf durch Dritte mit besonderer Expertise wie Makler, Kunsthändler oder Auktionatoren ermöglicht,117 wodurch in aller Regel deutlich höhere Erlöse erzielt werden können.118 Insgesamt wird die Effektivität der Zwangsvollstreckung bei einer Verwertung nach § 825 Abs. 2 ZPO daher nicht negativ beeinträchtigt. c) Angemessenheit Die Ablieferung müsste ferner verhältnismäßig im engeren Sinne, also angemessen, sein. Dies ist im Rahmen einer umfassenden Abwägung aller berührten Interessen unter Berücksichtigung von Intensität und Tragweite des Eingriffs zu beurteilen.119 aa) Betroffene Interessen Zunächst sind die von der Ablieferung betroffenen Interessen sowie deren abstrakte Wertigkeiten zu ermitteln. 115
S.o. 1. Teil B. IV. 3. Vgl. Piekenbrock/Kienle, Examinatorium, Rn. 388 mit beispielhaftem Verweis auf BGHZ 170, 243. 117 MüKo-ZPO/Gruber, § 825 ZPO Rn. 14; BeckOK-ZPO/Forbriger, § 825 ZPO Rn. 9. 118 In der Realisierung eines höheren Erlöses liegt explizit die hinter der Norm stehende gesetzgeberische Intention, vgl. BT-Drs. 13/341, S. 30. Zudem ist es für die Anordnung einer Verwertung nach § 825 Abs. 2 ZPO durch das Vollstreckungsgericht erforderlich, dass diese Verwertungsform einen höheren Erlös verspricht (MüKo-ZPO/Gruber, § 825 ZPO Rn. 4, 14 m.w.N.). 119 Vgl. BerK-GG/Sieckmann, 44. EL, 11/2014, Art. 14 GG Rn. 133; BeckOKGG/Axer, Art. 14 GG Rn. 92. 116
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(1) Bestandsinteresse des Dritteigentümers Der Dritteigentümer hat primär ein Interesse an dem Erhalt seines Eigentumsrechts (Bestandsinteresse), sekundär an der Vernichtbarkeit des eigentumsentziehenden Rechtsaktes.120 Der Umstand, dass der Dritteigentümer zunächst Eigentum an dem Erlös erlangt und ihm nach dessen Auskehr an den Gläubiger gegen diesen sowie – bezüglich der Vollstreckungskosten – gegen den Schuldner bereicherungsrechtliche Ansprüche zustehen, ändert nichts an dieser Interessenlage. Selbst wenn man unterstellt, dass der Dritteigentümer damit insgesamt den Marktwert der Sache kondizieren könnte, so erhält er doch nur das, was er selbst durch Verkauf hätte erzielen können. Sein Eigentumsrecht nach § 903 BGB gewährte dem Dritteigentümer demgegenüber umfassende Nutzungsbefugnisse (z.B. das Fruchtziehungsrecht), von denen er nun keinen Gebrauch mehr machen kann. Im Übrigen kann der Eigentümer auch schlichtweg ein ideelles Interesse an dem Erhalt einer Sache mit hohem persönlichem Wert haben, z.B. bei geerbten Gegenständen. Das Interesse des Dritteigentümers an seinem Rechtserhalt bzw. an der Vernichtbarkeit des eigentumsentziehenden Rechtsaktes ist durch Art. 14 GG geschützt121 und damit von Verfassungsrang. (2) Erwerbsinteresse des Ersteigerers Der Ersteigerer zahlt den gebotenen Betrag für das Pfandobjekt und möchte als Gegenleistung das Eigentum an der Sache erhalten, und zwar als möglichst sichere Rechtsposition. Dies gilt nicht nur für den bösgläubigen, sondern auch für den gutgläubigen Ersteigerer, da dieser keinem Prozessrisiko ausgesetzt sein will. Für die abstrakte Wertigkeit seines Interesses ist zu beachten, dass der Ersteigerer den Zuschlag für die Sache nach § 817 Abs. 1 ZPO erhalten hat. Die Wirkung des Zuschlags ist zwar innerhalb der h.M. umstritten.122 Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass der Ersteigerer mit dem Zuschlag ein subjektiv-öffentliches Recht auf Ablieferung der Sache erwirbt.123 Subjektivöffentliche Rechte unterfallen jedenfalls dann dem Grundrechtsschutz des
120
Vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 9. Das Interesse an der Vernichtbarkeit kann verfassungsrechtlich zudem auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gestützt werden, sofern sie anwendbar ist (vgl. o. A. II. 3.). 122 S.o. 1. Teil B. III. 2. 123 Müller, Ablieferung, S. 95 m.w.N.; ausführlich Lüke, ZZP 68 (1955), 341, 354. Der Meinungsstreit betrifft allein die dogmatische Frage, wodurch dieses subjektiv-öffentliche Recht begründet wird (durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder durch Hoheitsakt). 121
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
Art. 14 GG, wenn sie eine mit dem privatrechtlichen Eigentumsrecht vergleichbare Rechtsposition begründen und durch eigene Leistung erworben wurden.124 Dies ist hier der Fall, da das subjektiv-öffentliche Recht des Ersteigerers auf Ablieferung einem privatrechtlichen Leistungsanspruch ähnelt und der Ersteigerer diese Rechtsposition durch eigene Leistung, nämlich durch die Abgabe des höchsten Gebotes und das damit verbundene Inaussichtstellen der Zahlung des entsprechenden Betrages, erlangt hat.125 Der „Ablieferungsanspruch“ des Ersteigerers ist demnach ebenfalls von Art. 14 GG geschützt. (3) Befriedigungsinteresse des Gläubigers Dem Gläubiger geht es bei der gesamten Zwangsvollstreckung um die Befriedigung seines Anspruchs. Ob die Befriedigung aus dem Schuldnervermögen oder aus dem Vermögen eines Dritten erfolgt, dürfte für ihn nur von untergeordneter Bedeutung sein (vgl. § 267 Abs. 1 BGB). Die Forderung des Gläubigers unterfällt als vermögenswerte Rechtsposition ebenfalls dem Schutzbereich des Art. 14 GG, sodass auch sein Befriedigungsinteresse Verfassungsrang hat.126 (4) Öffentliche Interessen (a) Effektivität der Zwangsvollstreckung Es besteht, wie zuvor ausgeführt, ein öffentliches Interesse an der Effektivität der Zwangsvollstreckung.127 Auch dieses Interesse ist verfassungsrechtlich fundiert, da eine effektive Rechtsdurchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung durch das Rechtsstaatsprinzip verbürgt ist.128 (b) Verkehrsinteresse Zu berücksichtigen, wenn auch im Rahmen der auf Rechtsfeststellung und -durchsetzung gerichteten ZPO129 wohl nicht explizit als Zweck verfolgt, ist zudem das allgemeine öffentliche Verkehrsinteresse (Verkehrsschutz130). Die124 MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 236; BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 56, jeweils m.w.N. 125 Vgl. Müller, Ablieferung, S. 95 (Fn. 33). 126 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 3 Rn. 1, 43 m.w.N.; Feldmann, Besitzschutz, S. 131 (Fn. 103). 127 S.o. D. II. 2. a) bb). 128 Hierzu noch unter 3. Teil A. III.; vgl. Müller, Ablieferung, S. 164. 129 Musielak/Voit/Musielak, Einl. Rn. 5. 130 Bei der Terminologie ist Vorsicht geboten. Während der Begriff des Verkehrsschutzes, wie hier, oftmals als Synonym für das öffentliche Verkehrsinteresse gebraucht und von den Individualinteressen der von dem Eigentumsübergang Betroffenen abgegrenzt wird
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ses überschneidet sich zwar mit dem Effektivitätsinteresse, da beide (auch) die Verkehrssicherheit betreffen, es unterscheidet sich von diesem jedoch im Hinblick auf die Zweckrichtung. Die beiden Interessen sollten daher nicht vermischt werden.131 Der Verkehrsschutz beinhaltet zwei Komponenten: Die Verkehrssicherheit und die Verkehrsleichtigkeit.132 Verkehrssicherheit bedeutet, dass sich der Erwerber sicher sein kann, nach einer Rechtsübertragung tatsächlich Inhaber des jeweiligen Rechts geworden zu sein. Sie beseitigt insbesondere die Gefahr, dass ein Rechtsgeschäft nach langer Zeit rückabgewickelt werden muss, wenn sich nachträglich seine Fehlerhaftigkeit herausstellt.133 Mit Verkehrsleichtigkeit wird die möglichst einfache, d.h. hinsichtlich Zeiteinsatz, Kosten und sonstiger Umstände möglichst wenig aufwendige Herbeiführbarkeit des rechtsgeschäftlichen Erfolges bezeichnet. Verkehrssicherheit und Verkehrsleichtigkeit stehen dabei nicht in einem dahingehenden Konflikt zueinander, dass ein Mehr des einen zwangsläufig zu einem Weniger des anderen führt. Dies kann am Beispiel des Grundstückserwerbs veranschaulicht werden: Wäre ein solcher ohne das (Rechtssicherheit bietende) Grundbuchverfahren und ohne notarielle Beurkundung möglich, so wäre dies der Verkehrsleichtigkeit nicht zuträglich. Der Erwerber müsste seinerseits umfangreiche Nachforschungen anstellen, ob der Veräußerer zur Verfügung berechtigt ist, und dazu die gesamte Erwerbskette des Grundstücks überprüfen. Hieran wird deutlich, dass ein gewisses Maß an Verkehrssicherheit für die Verkehrsleichtigkeit gerade erforderlich ist, die Erstere mithin der Letzteren dient. Leuschner spricht in diesem Kontext einprägsam von „Leichtigkeit durch Sicherheit“134. Die Verkehrsleichtigkeit wiederum stellt keinen Selbstzweck dar. Vielmehr soll sie verhindern, dass Verkehrsteilnehmer von einem für sie an sich sinnvollen Geschäft nur deshalb Abstand nehmen, weil der mit dem Geschäft verbundene Aufwand den Vorteil aus diesem Geschäft schmälern oder gar aufzehren würde. Dies würde schließlich dem Marktmechanismus entgegenwirken, nach dem ein Wirtschaftsgut über Tauschgeschäfte letztlich stets zu demjenigen Marktteilnehmer gelangt, für den das Gut den höchsten subjektiven Wert hat,135 und der deshalb bereit ist, den höchsten Gegenwert dafür zu (z.B. BeckOK-BGB/Kindl, § 932 BGB Rn. 1), wird mit dem Verkehrsschutz teilweise auch das individuelle Erwerbsinteresse des Erwerbers bezeichnet und dem Verkehrsinteresse gegenübergestellt (so z.B. MüKo-BGB/Oechsler, § 932 BGB Rn. 3; Thomale/Schüßler, ZfPW 2015, 454, 466). Die Begriffsverwendung im letzteren Sinne ist höchst missverständlich und daher abzulehnen. 131 So geschehen jedoch bei Müller, Ablieferung, S. 163 f. 132 Auch zum Nachfolgenden: Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 226 ff. 133 Vgl. Hager, Verkehrsschutz, S. 59. 134 Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 228. 135 Ein Farbroller hat für einen Maler ersichtlich einen höheren subjektiven Wert als für einen Bäcker, da Ersterer ihn wertschöpfend einsetzen kann.
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entrichten. Dieser Mechanismus führt wiederum zur sog. Allokationseffizienz – diese beschreibt „einen Idealzustand, der dadurch gekennzeichnet ist, dass eine Gesellschaft die ihr zur Verfügung gestellten Ressourcen optimal nutzt und auf diese Weise ihren Wohlstand maximiert“136. Der diese fördernde Verkehrsschutz liegt daher im gesamtgesellschaftlichen Interesse und stellt somit (auch137) ein Allgemeinwohlinteresse dar.138 Speziell verfassungsrechtlich verbürgt ist der Verkehrsschutz nicht. bb) Eingriffsintensität Durch den vollständigen und unumstößlichen Verlust seines Sacheigentums wird besonders weitreichend in das Grundrecht des Dritteigentümers eingegriffen. Zwar erhält dieser zunächst das Eigentum an dem Versteigerungserlös und nach dessen Auskehr immerhin einen Bereicherungsanspruch gegen den Gläubiger. Erstens kann allerdings keineswegs davon ausgegangen werden, dass der Bereicherungsanspruch den Verlust der Sache wirtschaftlich adäquat kompensiert, da die Höhe des Anspruchs von vornherein durch das Meistgebot begrenzt ist,139 das jedoch regelmäßig hinter dem Marktwert des Vollstreckungsobjekts zurückbleibt.140 Zweitens, und dies ist entscheidend, kann jedwede Kompensation des Dritten, sei es in Form des Surrogateigentums oder des Bereicherungsanspruchs gegen den Gläubiger, nicht darüber hinweghelfen, dass er sein Sacheigentum verloren hat. Die Abwehrfunktion des Art. 14 GG schützt jedoch gerade den personenbezogenen Bestand des Eigentums und nicht bloß dessen Wert.141 Die Kompensation mindert daher nicht die Eingriffsintensität (gleichwohl ist sie freilich im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen).
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Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 228 m.w.N. Der Verkehrsschutz kommt zudem individuell den Verkehrsteilnehmern zugute. Für den Erwerber liegt dies auf der Hand, schließlich werden ihm eigene Nachforschungen erspart. Aber auch der Veräußerer profitiert, indem sein Veräußerungsgegenstand verkehrsfähig wird; andernfalls wäre er in der praktischen Ausübung seiner dem Eigentum immanenten Verfügungsbefugnis erheblich eingeschränkt (Hager, Verkehrsschutz, S. 3). 138 Hager, Verkehrsschutz, S. 3, 59; Peters, Entzug des Eigentums, S. 72 ff.; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 226 m.w.N.; BeckOK-BGB/Kindl, § 932 BGB Rn. 1; MüKoBGB/Oechsler, § 932 BGB Rn. 3; Wolf, JZ 1997, 1087, 1090. 139 Bartels, ZZP 128 (2015), 341, 348, bezogen auf die Immobiliarversteigerung. 140 Seip, NJW 1994, 352. Hinzu kommt die Unsicherheit, ob der daneben bestehende Anspruch des Dritteigentümers gegen den Schuldner wegen der Vollstreckungskosten durchgesetzt werden kann. 141 S.o. A. II. 1. 137
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cc) Interessenabwägung Der mit der Ablieferung bewirkte Eigentumserwerb ist nur dann mit Art. 14 GG vereinbar, wenn eine umfassende Interessenabwägung zu dem Ergebnis führt, dass das Bestandsinteresse des Dritteigentümers hinter den öffentlichen Interessen einer effektiven Zwangsvollstreckung und des Verkehrsschutzes und/oder dem Erwerbsinteresse des Ersteigerers zurücktreten muss. Das Befriedigungsinteresse des Gläubigers findet demgegenüber keine weitere Berücksichtigung im Rahmen der Interessenabwägung. Dies folgt daraus, dass bei der Vollstreckung in Dritteigentum gerade keine Befriedigung eintritt, sondern der Gläubiger den Erlös herauszugeben hat. Abgesehen von der Frage, an wen er den Erlös herauszugeben hat, ist dies unabhängig von der hier zu untersuchenden Frage der Verfassungsmäßigkeit der Ablieferung. Denn auch wenn man zu einer Verfassungswidrigkeit gelangt und unter der von einigen Stimmen vertretenen Prämisse, dass aufgrund dessen die privatrechtsgestaltende Wirkung der Ablieferung nicht eintritt, würde der Gläubiger mangels materiell-rechtlicher Legitimation gleichwohl nicht aus dem ausgekehrten Erlös befriedigt. In diesem Fall könnte der Ersteigerer seinen gezahlten Erlös vom Gläubiger zurückverlangen.142 Daraus folgt, dass es für das Befriedigungsinteresse des Gläubigers schlichtweg keinen Unterschied macht, ob der Eigentumsübergang stattfindet oder nicht, denn er darf den ausgekehrten Erlös in keinem Fall behalten und muss erneut gegen den Schuldner vollstrecken.143 Für die Interessenabwägung bietet sich eine differenzierte Untersuchung danach an, ob erstens der Dritteigentümer das Pfandobjekt freiwillig dem Schuldner überlassen hat oder ob sich der Schuldner ohne bzw. gegen den Willen des Dritten Besitz verschafft hat, und, zweitens, ob der Ersteigerer bei dem Eigentumserwerb hinsichtlich des Dritteigentums gut- oder bösgläubig war. Daraus ergeben sich vier verschiedene Konstellationen, die es nachfolgend zu bewerten gilt. Dabei kann vielfach an die sorgfältige Untersuchung Müllers angeknüpft werden.144 Besonders bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen Gut- und Bösgläubigkeit des Ersteigerers. Während über die Zulässigkeit des gutgläubigen Erwerbs im Rahmen der Zwangsvollstreckung in Literatur und Rechtsprechung, soweit ersichtlich, vollkommene Einigkeit besteht, wenden sich diverse Stimmen gegen die Möglichkeit des bösgläubigen Erwerbs. Zu klären ist zunächst, welcher Maßstab für die Bösgläubigkeit des Ersteigerers anzulegen ist.
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Dazu noch unter 4. Teil D. II. 3. Vgl. zum Ganzen Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 27. 144 Müller, Ablieferung, S. 162 ff. 143
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
(1) Maßstab der Bösgläubigkeit Hinsichtlich der Bösgläubigkeit kommen zwei Maßstäbe in Betracht: Einerseits der privatrechtliche Maßstab des § 932 Abs. 2 BGB, andererseits die Prinzipien des öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzes. Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber bei positiver Kenntnis sowie bei grob fahrlässiger Unkenntnis bösgläubig. Der öffentlich-rechtliche Vertrauensschutz stellt die gleichen Anforderungen auf, was insbesondere die Regelungen der §§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 VwVfG145, 130 Abs. 2 Nr. 4 AO, 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X belegen.146 Auch hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen ergeben sich keine Abweichungen. „Grobe Fahrlässigkeit“ im öffentlich-rechtlichen Sinne ist dann gegeben, „wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat“147; die Definition entspricht inhaltlich jener der groben Fahrlässigkeit im privatrechtlichen Sinne.148 „Positive Kenntnis“ ist selbsterklärend. Es macht hier demnach keinen Unterschied, ob man auf den privatrechtlichen oder den öffentlich-rechtlichen Maßstab abstellt. Einige der Stimmen, die einen bösgläubigen Eigentumserwerb für unzulässig halten, wollen die Bösgläubigkeit allerdings auf das Vorliegen positiver Kenntnis beschränken.149 Diese Sichtweise steht jedoch nicht nur im Widerspruch zu den privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Maßstäben des Vertrauensschutzes, sie fußt auch auf einer zweifelhaften Begründung: So soll der Ersteigerer darauf vertrauen dürfen, dass das Vollstreckungsorgan „alles getan habe, um einen unbefugten Eingriff in fremde Rechte zu verhindern“150. Eine solche Vermutung entbehrt jeder Grundlage, da der Gerichtsvollzieher die materielle Rechtslage gem. dem Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung gerade nicht prüft und auch nicht prüfen darf (dazu sogleich). Der Umstand, dass der Gerichtsvollzieher die Sache versteigert, kann daher kein entsprechendes Vertrauen erzeugen.151 Derselbe Einwand ist auch dem Argument entgegenzubringen, die Zwangsversteigerung sei in stärkerem Maße rechtsstaatlich ausgestaltet.152 Es kann insoweit lediglich von
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Im Rahmen dieser Arbeit wird zwecks Übersichtlichkeit grundsätzlich nur auf die Regelungen des VwVfG des Bundes verwiesen, auch wenn ggf. die jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder anwendbar sind. 146 Vgl. zudem BVerwGE 17, 335, 337; 92, 81, 84; BVerfG (K) NVwZ-RR 2007, 352; Blanke, Vertrauensschutz, S. 204 f.; Müller, Ablieferung, S. 161. 147 BVerwGE 92, 81, 84 mit Verweis auf die Definition des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X. 148 Vgl. MüKo-BGB/Oechsler, § 932 BGB Rn. 48. 149 So etwa Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 32 f.; Bruns/Peters, ZVR, S. 158 f.; Jestaedt, Pfändungspfandrecht, S. 37 f. 150 Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 33. 151 Huber, Versteigerung, S. 151. 152 Bruns/Peters, ZVR, S. 158.
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rein formalen rechtsstaatlichen Garantien gesprochen werden, die jedoch keine Aussage über die materielle Rechtmäßigkeit der Vollstreckung treffen können.153 Für eine Beschränkung der Bösgläubigkeit auf die Fälle positiver Kenntnis besteht daher kein Grund.154 (2) Konstellation 1: Freiwilliger Besitzverlust des Dritten, Gutgläubigkeit des Ersteigerers In dieser Konstellation ist zunächst zu beachten, dass der Dritte sein Eigentum freiwillig155 in die Obhut des Schuldners gegeben hat.156 Er setzt sein Eigentum dadurch einem rechtlichen Risiko aus, weil der Besitz an einer beweglichen Sache gem. § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB157 den Rechtsschein bewirkt, dass der Besitzer zugleich auch der Eigentümer der Sache ist. Dieser Rechtsschein kommt zum Tragen, wenn sich der Besitzer illoyal verhält und die Sache an einen Fremden veräußert.158 Ist dieser gutgläubig, vertraut er also auf den Rechtsschein, dann ist ein solcher Eigentumserwerb nach §§ 932 ff. BGB wirksam. Die Vorschriften tragen dabei dem Umstand Rechnung, dass der Dritteigentümer durch die bewusste Weggabe seiner Sache den Rechtsschein und das damit verbundene Risiko in zurechenbarer Weise gesetzt hat, da § 935 Abs. 1 BGB den gutgläubigen Erwerb bei abhandengekommenen Sachen verhindert.159 Bei der Zwangsvollstreckung verhält es sich sehr ähnlich. Hat der Schuldner Gewahrsam an der Sache, so darf der Gerichtsvollzieher die Sache nach §§ 808 Abs. 1 ZPO, 71 Abs. 2 S. 1 GVGA160 lediglich bei evidentem Dritteigentum nicht pfänden.161 Die im Übrigen gegebene Zulässigkeit der Pfän153
Huber, Versteigerung, S. 151. I.E. ebenso Müller, Ablieferung, S. 161 f.; Stamm, Prinzipien, S. 393 f. 155 Auf ein etwaig zugrundeliegendes Schuldverhältnis (z.B. Miet- oder Leihvertrag) kommt es hierbei nicht an. 156 Vgl. zur hiesigen Konstellation Müller, Ablieferung, S. 162 f., der allerdings nicht hinreichend zwischen Verkehrs- und Effektivitätsinteresse differenziert. 157 Zur Übersicht und zum Zusammenspiel der verschiedenen Vermutungsregelungen der eher missglückten Vorschrift des § 1006 BGB ausführlich BeckOK-BGB/Fritzsche, § 1006 BGB Rn. 2 ff. 158 Man spricht diesbezüglich von dem „Loyalitätsrisiko“, vgl. MüKo-BGB/Oechsler, § 935 BGB Rn. 3; Ott, JuS 2019, 745, 746; Temming, JuS 2018, 108, 109. 159 Zum sog. Risiko- oder Veranlassungsprinzip grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, S. 479 ff.; siehe ferner MüKo-BGB/Oechsler, § 932 BGB Rn. 7; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 222 f.; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 872; ausführlich Hager, Verkehrsschutz, S. 384 ff. m.w.N. 160 Die Dienst- und Geschäftsverhältnisse der Gerichtsvollzieher sind durch die GVGA und die GVO näher geregelt, die von den Landesjustizverwaltungen bundeseinheitlich erlassen wurden (BeckOK-GVG/Dörndorfer, § 154 GVG Rn. 3). 161 Vgl. schon RGZ 79, 241, 244: „Die materielle Rechtslage und deren Rechtsfolgen zu 154
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
dung von Dritteigentum wird dadurch legitimiert, dass der dem unmittelbaren Besitz grundsätzlich gleichbedeutende162 Gewahrsam an einer beweglichen Sache gleichermaßen eine Vermutung für die Eigentümerstellung des Gewahrsamsinhabers, also einen entsprechenden Rechtsschein, begründet.163 Der sein Eigentum freiwillig aus der Hand gebende Dritte setzt demnach eigenverantwortlich das Risiko einer Pfändung der Sache und somit letztlich auch des Eigentumsübergangs im Wege der Verwertung.164 Dies vorangestellt, lässt sich das Ergebnis der Interessenabwägung in der hiesigen Konstellation aus den privatrechtlichen Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb ableiten, deren Verfassungsmäßigkeit gemeinhin nicht angezweifelt wird.165 Wenn nämlich bereits die §§ 932 ff. BGB, die gleichermaßen einen Ausgleich zwischen dem Bestandsinteresse des Dritteigentümers, dem Erwerbsinteresse des Geschäftspartners und dem öffentlichen Verkehrsinteresse herstellen wollen,166 einen gutgläubigen Erwerb zulassen, dann muss dies prüfen und danach sein Verfahren einzurichten, ist […] dem Gerichtsvollzieher nicht aufgebürdet und nicht gestattet.“ In der Entscheidung sprach das Gericht der Vollstreckungsgläubigerin einen Schadensersatzanspruch gegen den Gerichtsvollzieher zu, weil dieser eine Pfändung unterließ, die er für materiell rechtswidrig hielt. Zweifeln an der Eigentümerstellung des Schuldners muss der Gerichtsvollzieher nicht nachgehen (Piekenbrock/Kienle, Examinatorium, Rn. 390). 162 MüKo-ZPO/Gruber, § 808 ZPO Rn. 6; Stein/Jonas/Münzberg, § 808 ZPO Rn. 14; Zöller/Stöber, § 808 ZPO Rn. 5; Musielak/Voit/Flockenhaus, § 808 ZPO Rn. 4. Baumbach/ Lauterbach/Weber, § 808 ZPO Rn. 10 sowie LG Frankfurt MDR 1988, 504 wollen dagegen differenzieren: Für den Gewahrsam seien nur für den Gerichtsvollzieher äußerlich klar erkennbare Umstände relevant. Tatsächlich folgt daraus jedoch keine inhaltliche Unterscheidung zum unmittelbaren Besitz (dazu Gruber a.a.O.). 163 MüKo-ZPO/Gruber, § 808 ZPO Rn. 2; vgl. Huber, Versteigerung, S. 144. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Gerichtsvollzieher nach § 809 ZPO eine Sache pfändet, die sich im Gewahrsam des Gläubigers oder eines Dritten befindet. Ein solcher Gewahrsam kann keinen Rechtsschein für die Eigentümerstellung des Schuldners erzeugen. Nach richtiger Ansicht obliegt bei der Pfändung nach § 809 ZPO dem Gerichtsvollzieher daher jedoch auch die Feststellung der Zugehörigkeit des Pfandobjekts zum schuldnerischen Vermögen (so schon Stein, Grundfragen, S. 40 f.; ebenso Musielak/Voit/Flockenhaus, § 809 ZPO Rn. 6; Stein/Jonas/Würdinger, § 809 ZPO Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/Weber, § 809 ZPO Rn. 3; Schuschke/Walker/Walker/Loyal, § 809 ZPO Rn. 6; Lackmann, ZVR, Rn. 897; Paschold, DGVZ 1994, 107, 108 f. m.w.N.; Schlappa, DGVZ 2010, 175, 176; Brox/Walker, ZVR, Rn. 260 [jedenfalls beim Vorliegen von Hinweisen auf Dritteigentum]; a.A. MüKoZPO/Gruber, § 809 ZPO Rn. 13; Zöller/Herget, § 809 ZPO Rn. 7; HK-ZV/Kindl, § 809 ZPO Rn. 6). 164 Vgl. auch Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 26 f. mit dem Hinweis darauf, dass das Risiko einer unberechtigten Verfügung des Besitzers mit dem Risiko des Duldens der Verwertung des Fremdeigentums vergleichbar ist. 165 Mit verfassungsrechtlicher Kritik jedoch Peters, Entzug des Eigentums, S. 17 ff., 115 ff. 166 BeckOK-BGB/Kindl, § 932 BGB Rn. 1; MüKo-BGB/Oechsler, § 932 BGB Rn. 3;
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erst recht im Rahmen der Zwangsversteigerung gelten, bei der mit der Effektivität der Zwangsvollstreckung ein zusätzliches öffentliches Interesse von Verfassungsrang für den Rechtsübergang streitet. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn der Dritte für den Verlust seines Sacheigentums einen hinreichenden finanziellen Ausgleich erhält, wie es im Privatrecht durch § 816 Abs. 1 S. 1 BGB gewährleistet ist.167 Im Vollstreckungsrecht müsste man hier Bedenken erheben, wenn dem Dritteigentümer nach Beendigung der Zwangsvollstreckung, wie in der zwangsvollstreckungsrechtlichen Literatur teilweise erwogen,168 nur ein Bereicherungsanspruch gegen den Schuldner zustünde, da ein solcher Anspruch bei wirtschaftlicher Betrachtung ob des hohen Bonitätsrisikos nicht viel wert wäre. Da dem Dritten nach h.M. jedoch – abgesehen von den Vollstreckungskosten, die er tatsächlich vom Schuldner wiedererlangen muss – ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB gegen den Gläubiger zusteht, ist auch hier eine hinreichende Kompensation gewährleistet. In dieser Konstellation ist die Angemessenheit des Eigentumserwerbs daher zu bejahen. (3) Konstellation 2: Unfreiwilliger Besitzverlust des Dritten, Gutgläubigkeit des Ersteigerers Hat der Dritte sein Eigentum nicht freiwillig aus der Hand gegeben und es folglich nicht eigenverantwortlich einem Risiko ausgesetzt, so ist er in erhöhtem Maße schützenswert.169 Dem Erwerbsinteresse und den öffentlichen Interessen steht hier ein deutlich gewichtigeres Bestandsinteresse gegenüber. Das Privatrecht schließt in dieser Konstellation die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs grundsätzlich aus, § 935 Abs. 1 BGB.170 Während in der vorigen Konstellation 1 die Angemessenheit des vollstreckungsrechtlichen Eigentumsübergangs bei vergleichender Betrachtung mit den privatrechtli-
Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 226 ff.; Wadle, JZ 1974, 689, 695; Musielak, JuS 2010, 377, 380. 167 Zwar ändert die Kompensation nichts an der Intensität des Eingriffs (s.o. D. II. 2. c) bb)), doch kann sie für eine Rechtfertigung des Eingriffs gerade geboten sein, um dem Eigentümer neben dem Verlust seines Sacheigentums nicht auch noch die Einbuße des Sachwertes aufzubürden (Hager, Verkehrsschutz, S. 85 f.). Vgl. zur Bedeutung wirtschaftlicher Kompensation als Rechtfertigungselement des Eigentumseingriffs Hager, Verkehrsschutz, S. 84 ff. sowie Peters, Entzug des Eigentums, S. 91 ff.; vgl. auch Regenfus, Vorgaben, S. 238 ff. 168 S.o. Fn. 97. 169 Vgl. zur hiesigen Konstellation Müller, Ablieferung, S. 163 ff. 170 Die Voraussetzung des Abhandenkommens der Sache (S. 1) meint deren unfreiwilligen Besitzverlust (MüKo-BGB/Oechsler, § 935 BGB Rn. 6; HK-BGB/Schultke-Nölke, § 935 BGB Rn. 1).
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chen Vorschriften im Wege des Erst-Recht-Schlusses bejaht werden konnte, könnte hier jedoch selbst bei einer isolierten Betrachtung dieser Norm nicht umgekehrt auf die Unangemessenheit des Eigentumsübergangs geschlossen werden. Dies folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber durch die Aufnahme des § 935 Abs. 1 BGB in die Regelungen des gutgläubigen Erwerbs zwar einen gerechten Ausgleich der kollidierenden Interessen erreichen wollte (was ihm auch in gut vertretbarer Weise gelungen ist); das bedeutet jedoch nicht, dass die Vorschrift des § 935 Abs. 1 BGB aus verfassungsrechtlicher Sicht zwingend geboten wäre. Vielmehr wäre es dem Gesetzgeber angesichts seines Beurteilungsspielraums wohl unbenommen, die Norm unter stärkerer Betonung des öffentlichen Verkehrsinteresses zu streichen, ohne dass dies zwangsläufig einen Verstoß gegen Art. 14 GG bedeuten würde.171 Unabhängig von dieser Überlegung schreibt jedoch § 935 Abs. 2 BGB vor, dass der Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs abhandengekommener Sachen ausnahmsweise dann nicht gilt, wenn die Sache im Wege öffentlicher Versteigerung veräußert wird.172 Begründet wird diese Ausnahmeregelung mit der Funktionsfähigkeit öffentlich autorisierter Versteigerungen.173 Im Rahmen der Zwangsvollstreckung muss ein gutgläubiger Erwerb abhandengekommener Sachen dann aber umso mehr zulässig sein. Hier erfolgt die Zwangsversteigerung gleichermaßen durch eine öffentlich autorisierte Person. Zusätzlich kann jedoch der Ersteigerer in Anbetracht des Umstands, dass es sich bei der Zwangsversteigerung um ein hoheitliches Verfahren handelt und er das Eigentum nicht rechtsgeschäftlich, sondern qua Hoheitsakt erwirbt, stärker darauf vertrauen, dass ein solcher Rechtserwerb wirksam ist. Grundlage für dieses Vertrauen ist dabei weniger, wie Müller meint,174 der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz, als vielmehr der empirische Befund, dass individuell-konkrete Hoheitsakte nur ausnahmsweise unwirksam sind.175 Darüber hinaus ist der dem rechtsgeschäftlichen Verkehr fremde Effektivitätsgrundsatz zu berücksichtigen, der eine möglichst hohe Rechtssicherheit und damit eine weitreichende Zulassung des Eigentumserwerbs fordert, um höhere Versteigerungserlöse zu erzielen. 171 Vgl. Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 222 f., nach dem der „Zurechnungsbeitrag des Dritteigentümers“ im Sinne der Risikosetzung nur von untergeordneter Bedeutung für die Rechtfertigung des gutgläubigen Erwerbs nach §§ 932 ff. BGB ist; aus rechtsvergleichender Perspektive Thorn, ZEuP 1997, 442, 473 f. 172 Die Ausnahme gilt zudem für eine Veräußerung im Wege einer Internetversteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB sowie dann, wenn es sich bei der Sache um Geld oder Inhaberpapiere handelt. 173 MüKo-BGB/Oechsler, § 935 BGB Rn. 17; BGH NJW 1990, 899, 990; so auch schon die Gesetzesbegründung, vgl. Motive zum BGB III, S. 349. Inwieweit dieser Gedanke bei der zwangsvollstreckungsrechlichen Versteigerung verfängt, wird später noch thematisiert (2. Teil D. II. 2. c) cc) (1)). 174 Müller, Ablieferung, S. 165. 175 Hierzu noch später unter 4. Teil D. II. 2. a) ee) (2).
D. Art des Eingriffs und Rechtfertigung
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Demgemäß muss auch in dieser Konstellation das Bestandsinteresse des Dritteigentümers hinter der Kumulation der gegenläufigen Interessen zurücktreten. Im Einklang damit wird der Erwerb eines gutgläubigen Ersteigerers im Wege der Zwangsversteigerung denn auch, soweit ersichtlich, in Literatur und Rechtsprechung nicht infrage gestellt – unabhängig von der Freiwilligkeit des Besitzverlustes. (4) Konstellation 3: Freiwilliger Besitzverlust des Dritten, Bösgläubigkeit des Ersteigerers Die Frage, ob der Eigentumsübergang auch bei Bösgläubigkeit des Ersteigerers stattfinden kann, wird in der Wissenschaft dagegen kontrovers diskutiert und zum Teil verneint. Im Kontext der hiesigen Untersuchung ist die Frage dahingehend zu stellen, ob auch in diesem Fall der Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Dritten gerechtfertigt ist.176 (a) Bedeutungsverlust des Erwerbsinteresses Festgehalten werden kann zunächst, dass das Erwerbsinteresse des Ersteigerers in dieser Konstellation zu vernachlässigen ist. Ein Vertrauen auf den Rechtsschein des Gewahrsams ist im Falle positiver Kenntnis des Vorliegens von Dritteigentum überhaupt nicht vorhanden,177 bei grob fahrlässiger Unkenntnis ist es in nur sehr geringem Maße schützenswert. Auch durch ein Rekurrieren auf das Vertrauen in die Wirksamkeit der Ablieferung als Hoheitsakt kann dem Erwerbsinteresse kein nennenswertes Gewicht beigemessen werden. Die Angemessenheit des Eingriffs müsste sich demnach allein mit dem öffentlichen Verkehrsinteresse und der Effektivitätsmaxime begründen lassen.178 (b) Bedeutung von Verkehrs- und Effektivitätsinteresse Wenngleich diese beiden Aspekte im Rahmen der Zwangsvollstreckung angemessen berücksichtigt werden müssen und insbesondere das verfassungsrechtlich fundierte Effektivitätsinteresse durchaus gewichtig ist, so dürfen diese Interessen gleichwohl nicht überbewertet werden. Es ist in Erinnerung zu rufen, dass die Ablieferung schließlich auch dann unwirksam ist, wenn die Pfandobjekte nicht oder nicht mehr verstrickt waren. In diesem Fall erwirbt der Ersteigerer kein Eigentum, und zwar selbst dann, wenn er gutgläubig ist.
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Vgl. zur hiesigen Konstellation Müller, Ablieferung, S. 165 ff. Vgl. Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 27. 178 Dies ist i.E. auch in der Literatur anerkannt, vgl. Stamm, Prinzipien, S. 382 ff.; Wasner, Bereicherungsausgleich, S. 4 f.; Raue, Enteignungsbegriff, S. 38; Blomeyer, ZPR, § 49 V; Wieczorek/Schütze/Lüke, § 804 ZPO Rn. 8; Kaehler, JR 1972, 445, 449. 177
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
Die daraus resultierenden Rechtsfolgen stellt Behrendt179 vergleichend an zwei Beispielen dar: In Beispiel 1 pfändet der Gerichtsvollzieher fünf der zehn goldenen Uhren des Schuldners, versteigert jedoch versehentlich die anderen fünf. In Beispiel 2 versteigert er die richtigen Uhren. Diese waren allerdings gestohlen und der Mittäter des Schuldners ersteigert sie. Während nun in Beispiel 1 die Verwertung mangels Verstrickung selbst bei Gutgläubigkeit des Ersteigerers unwirksam ist, geht das Eigentum in Beispiel 2 an den bösgläubigen Ersteigerer über. Unter Wertungsgesichtspunkten ist dieses Ergebnis schwer nachvollziehbar.180 Zugleich führt Beispiel 1 aber auch vor Augen, dass auch nach der h.M. Verkehrsschutz und Effektivitätsinteresse nicht zu einem Eigentumserwerb „um jeden Preis“ zwingen. Zu einer Relativierung der beiden Interessen führt zudem der Umstand, dass unter dem Einfluss der privatrechtlichen Theorie über Jahrzehnte hinweg kein bösgläubiger Rechtserwerb stattfand, ohne dass dadurch Rufe nach einer Ausdehnung des Verkehrsschutzes oder der Verfahrenseffektivität laut geworden wären.181 (c) Schwacher Rechtsschutz des Dritteigentümers Ein von den Kritikern des bösgläubigen Eigentumserwerbs immer wieder angeführter Wertungsgesichtspunkt zugunsten des Dritteigentümers, der in der Tat zu Zweifeln an der Angemessenheit führt, ist die Endgültigkeit der Ablieferung. Wer durch einen Hoheitsakt einen Rechtsverlust erleidet, dem steht üblicherweise ein repressiver Rechtsschutz zur Verfügung, um sich gegen den Eingriff zur Wehr zu setzen.182 Dies ist bei der Ablieferung nicht der Fall. Der Dritteigentümer hat allein die Möglichkeit, präventiv Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu erheben, sobald sein Eigentum gepfändet wird. Die später noch ausführlicher behandelte183 praktische Ineffizienz dieses Rechtsbehelfs ist jedoch notorisch. Im Übrigen sieht auch das Verfahrensrecht keinerlei Schutz vor der Verwertung von Dritteigentum vor, abgesehen von dem Gewahrsamserfordernis des Schuldners nach § 808 Abs. 1 ZPO. Auch hat der Kondiktionsanspruch des Dritteigentümers keine rechtsschüt179
Behrendt, Verfügungen, S. 66, auch zum Rest des Absatzes. Dies erkannte schon Stein, der die Problematik unter Verweis auf die Ähnlichkeit der Rechtslage mit § 366 HGB durch eine analoge Anwendung des § 1244 BGB im Falle der Verwertung nicht verstrickter Sachen lösen und insoweit einen gutgläubigen Erwerb zulassen wollte (Stein, Grundfragen, S. 76). Sein Vorschlag hat in Teilen der Literatur durchaus Zuspruch gefunden (Bruns/Peters, ZVR, S. 157; Staudinger/Wiegand, Anhang zu 1257 BGB Rn. 21; Wolff/Raiser, SachenR, § 167 III; Blomeyer, ZPR, § 49 VII 1 Lindacher, JZ 1970, 360, 361 f.; Säcker, JZ 1971, 156, 159), konnte sich aber nicht durchsetzen. 181 Raue, Enteignungsbegriff, S. 38; vgl. auch Otte, in: FS Hattenhauer, 385, 395. 182 Näher hierzu noch unter 3. Teil D. II. 1. a). 183 3. Teil D. II. 2. a). 180
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zende Funktion, denn er kann und soll nicht das Eigentumsrecht schützen, sondern dessen Verlust abmildern.184 Aufgrund dieser Besonderheit der Mobiliarvollstreckung kann die Angemessenheit auch nicht, wie Raue185 es versucht, ohne Weiteres mit einem Vergleich zu anderen privatrechtsgestaltenden Hoheitsakten begründet werden, die ihre Wirkung auch beim Zugriff auf Dritteigentum und bei Bösgläubigkeit des Begünstigten entfalten. Exemplarisch sei die Enteignung eines Grundstücks nach §§ 85 ff. BauGB angeführt, das nicht dem im Grundbuch als solchen eingetragenen, sondern einem dritten Eigentümer gehört, was wiederum demjenigen, dem das Grundstück übertragen wird, bekannt ist.186 Zwar erfolgt auch hier ein wirksamer Eigentumsübergang. Der enteignete Dritte kann jedoch – und dies ist der entscheidende Unterschied – den enteignenden Verwaltungsakt mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 217 BauGB nachträglich anfechten. Im Gegensatz zur Ablieferung ist sein Eigentumsverlust nicht endgültig. Dabei handelt es sich, wie später noch aufzuzeigen sein wird, um den absoluten Regelfall.187 Anstatt in seinem Sinne für die Angemessenheit der Ablieferung zu streiten, drängt der von Raue ins Spiel gebrachte Vergleich daher im Gegenteil vielmehr dazu, die Angemessenheit besonders kritisch zu hinterfragen. (d) Schutzwürdiges Vertrauen als Voraussetzung für beständigen Rechtserwerb Hinsichtlich der Kombination aus Endgültigkeit des Eigentumsübergangs und Bösgläubigkeit des Ersteigerers ergeben sich noch weitere Zweifel an der Angemessenheit. Für das öffentliche Recht lässt sich nämlich, wie Müller richtig festgestellt hat,188 die allgemeine Aussage treffen, dass unredlich erworbenen Rechten aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit kein dauerhafter Bestand zukommen soll. Zu denken ist hier insbesondere an die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze zur echten Rückwirkung von Gesetzen. Diese betreffen unmittelbar die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und sind damit verfassungsrechtlich von besonderer Brisanz.189 Das BVerfG entschied jedoch, dass eine solche, grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung dann ausnahmsweise zulässig sein 184
Vgl. Stamm, Prinzipien, S. 405 (Fn. 278). Raue, Enteignungsbegriff, S. 38 f. 186 Beispiel nach Müller, Ablieferung, S. 169. 187 S.u. 3. Teil D. II. 3. 188 Müller, Ablieferung, S. 168. 189 Der Präsident des BVerwG Rennert bezeichnet die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als eine von deren beiden Leitideen (als zweite nennt er die Gerechtigkeit): Rennert, Vertrauensschutz im deutschen Verwaltungsrecht, https://www.bverwg.de/user/data/med ia/rede 20160421 vilnius rennert.pdf (besucht am 14.04.2021), S. 1. 185
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
soll, „wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte“190.191 Die Unbeständigkeit unredlich erworbener Rechtspositionen betont das BVerfG auch in anderen Zusammenhängen. So führte es etwa in Bezug auf § 43a BRüG aus, dass unredlich erwirkte Entscheidungen und Vergleiche „den Keim der Auflösung in sich“ trügen.192 Diese Rechtsprechung steht auch im Einklang mit der in § 48 VwVfG zum Ausdruck gebrachten Wertentscheidung des Gesetzgebers. Die Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen die Rücknahme eines rechtswidrigen, begünstigenden Verwaltungsaktes möglich ist, und macht dies insbesondere von dem berechtigten Vertrauen des Begünstigten abhängig. Ein berechtigtes Vertrauen liegt nach Abs. 2 S. 3 Nr. 3 dann nicht vor, wenn dieser die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder grob fahrlässig nicht kannte. Die Bösgläubigkeit steht auch hier einer Verfestigung der entsprechenden Rechtsposition entgegen. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum im Rahmen der Zwangsversteigerung der bösgläubige Ersteigerer unumkehrbar das Eigentumsrecht erwerben sollte. Sachliche Gründe dafür lassen sich nach dem zuvor Gesagten nicht ausmachen. (e) Zwischenergebnis Aufgrund der aufgezeigten Einwände ist der Erwerb des Dritteigentums trotz des öffentlichen Verkehrsinteresses und der Effektivitätsmaxime nicht angemessen. Der Ablieferungsakt verletzt in der vorliegenden Konstellation daher den Dritteigentümer in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG.193 (5) Konstellation 4: Unfreiwilliger Besitzverlust des Dritten, Bösgläubigkeit des Ersteigerers Das Ergebnis für diese Konstellation ist zwingend und kann in aller Kürze festgestellt werden: Ist bereits der bösgläubige Erwerb bei freiwilligem Besitz190 BVerfGE 101, 239, 263 – „Rückübertragungsanspruch“ mit Verweis auf BVerfGE 95, 64, 86 f. – „Mietpreisbindung“. 191 Mit dieser Erwägung gegen die Angemessenheit der Ablieferung argumentierend auch Hager, in: FS Canaris, 1, 11 f. 192 BVerfGE 27, 231, 238. Vgl. auch für den Fall einer Erwirkung der Rechtsposition durch Täuschung BVerwGE 159, 148, Rn. 49. 193 Entgegen der h.M. i.E. ebenso Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 30; Marotzke, NJW 1978, 133, 134 ff.; Pesch, JR 1993, 358, 360 f.; Behrendt, Verfügungen, S. 50; Müller, Ablieferung, S. 170; Hager, in: FS Canaris, 1, 10 ff.; Säcker, JZ 1971, 156, 159 f.; an der Verfassungsmäßigkeit zweifelnd ebenfalls Piekenbrock/Kienle, Examinatorium, Rn. 388 f.; ohne konkreten Grundrechtsbezug gegen den Eigentumserwerb des bösgläubigen Ersteigerers streitend auch Huber, Versteigerung, S. 140 ff.; Pinger, JR 1973, 94, 95 ff.; Staudinger/Wiegand, Anhang zu § 1257 BGB Rn. 21.
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verlust des Dritteigentümers verfassungswidrig, so muss dies erst recht für den bösgläubigen Erwerb bei unfreiwilligem Besitzverlust gelten. 3. Verhältnismäßigkeit des Eigentumserwerbs in der Immobiliarvollstreckung Nachdem sich der Eigentumserwerb im Rahmen der Mobiliarvollstreckung als teilweise unverhältnismäßig erwiesen hat, ist dies nachfolgend für die Immobiliarvollstreckung zu untersuchen. Zur Vermeidung von Wiederholungen erfolgt dabei eine verkürzte Darstellung, soweit bereits Ausgeführtes auf die Immobiliarvollstreckung übertragbar ist. a) Geeignetheit und Erforderlichkeit zur Verfolgung eines legitimen Zwecks Auch beim Immobiliarerwerb scheiden die Gläubigerbefriedigung bzw. die damit verbundene Bewährung der Rechtsordnung und die Wahrung des Rechtsfriedens als legitime Zwecke aus. Im Rahmen der Verwertung tritt gleichermaßen eine dingliche Surrogation ein: Die Rechte am Grundstück und am Grundstückszubehör setzen sich an dem vom Ersteigerer gezahlten Erlös fort, vgl. § 37 Nr. 5 ZVG. Stand das Grundstück im Eigentum eines Dritten, so gehört ihm folglich der Gesamterlös.194 Allerdings werden die Vollstreckungskosten von Amts wegen in Abzug gebracht, § 109 ZVG. Bezüglich dieser steht ihm, wie bei der Mobiliarvollstreckung, lediglich ein Bereicherungsanspruch gegen den Schuldner zu. Zudem muss er die Befriedigung aller gutgläubig und damit ihm gegenüber wirksam erworbenen dinglichen Rechte dulden und kann den Erlös insoweit nicht herausverlangen.195 Dem Dritteigentümer von Zubehör steht ein quotaler Teil an dem Gesamterlös zu, entsprechend dem Verhältnis des Zubehörswertes zum Gesamtwert von Grundstück und Zubehör.196 Der Dritteigentümer kann seinen Anspruch auf den Erlös zunächst durch Widerspruch gegen den Teilungsplan nach § 115 ZVG geltend machen.197 Geschieht dies nicht und wird der Erlös gem. dem Teilungsplan ausgekehrt, so werden die Erlösempfänger dadurch auf Kosten des Dritten rechtsgrundlos198 bereichert, weshalb dem Dritteigentümer auch hier ein bereicherungs194
Stöber, ZVG-Handbuch, Rn. 536. Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 37 ZVG Rn. 31; Stöber, ZVG-Handbuch, Rn. 536. 196 Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 37 ZVG Rn. 31; Stöber, ZVG-Handbuch, Rn. 536. Zur Berechnung teilt man das Produkt aus Versteigerungserlös und objektivem Zubehörswert durch die Summe des Zubehörs- und des Grundstückswertes (Böttcher/Böttcher, § 55 ZVG Rn. 16). In diesem Sinne schon RGZ 76, 212, 213 ff.; 88, 351, 357 f. 197 Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 37 ZVG Rn. 32; Stöber, ZVG-Handbuch, Rn. 537; Böttcher/Böttcher, § 115 ZVG Rn. 14. 198 Der Teilungsplan stellt keinen Rechtsgrund dar. Er wirkt sich nicht auf die materielle Rechtslage aus, sondern dient nur als Grundlage für die Erlösverteilung (Böttcher/Böttcher, § 113 ZVG Rn. 1). 195
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rechtlicher Anspruch auf Zahlung des empfangenen Erlöses nach § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB zusteht.199 Der Dritteigentümer des Grundstücks kann diesen Anspruch gegen alle Erlösempfänger geltend machen, sofern der Erlös nicht einen gutgläubig erworbenen dinglichen Anspruch befriedigt. Der Dritteigentümer von Zubehör kann seinen Anspruch gegenüber dem letztrangigen Erlösempfänger geltend machen und, wenn sein Bereicherungsanspruch dessen erhaltenen Betrag übersteigt, jeweils gegen den nächsthöheren.200 Einen legitimen Zweck stellt jedoch erneut die Effektivität der Zwangsvollstreckung dar. Die Erforderlichkeit ist aus den oben angestellten Erwägungen201 ebenfalls zu bejahen. b) Angemessenheit aa) Betroffene Interessen und Eingriffsintensität Hinsichtlich der betroffenen Interessen, die einer Abwägung zugeführt werden müssen, und der Intensität des Eingriffs gelten die obigen Ausführungen202 entsprechend. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die abstrakte Wertigkeit der Interessen. Eine Abweichung ergibt sich jedoch im Hinblick auf das Erwerbsinteresse des Ersteigerers. Bei der Mobiliarvollstreckung resultiert der Verfassungsrang seines Erwerbsinteresses daraus, dass er zunächst einen Zuschlag erhält und dadurch eine von Art. 14 GG geschützte Rechtsposition erwirbt. Bei der Grundstücksversteigerung gibt es dagegen keinen zweiaktigen Erwerbsvorgang (Zuschlag und Ablieferung), sondern lediglich den Zuschlag, durch den das Eigentum unmittelbar übergeht. Dies lässt den Verfassungsrang des Erwerbsinteresses jedoch nicht entfallen: Mit der Abgabe des Meistgebotes erwirbt der Ersteigerer einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erteilung des Zuschlags, vgl. § 81 Abs. 1 ZVG.203 Auch dieser Anspruch stellt
199 Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 37 ZVG Rn. 33; Stöber, ZVG-Handbuch, Rn. 538; Bartels, Zwangsversteigerung, S. 510 m.w.N.; Brox/Walker, ZVR, Rn. 888; vgl. auch RGZ 76, 212, 213 sowie BGH NJW 1962, 1498. 200 Blomeyer, ZPR, § 74 III 2 c). 201 S.o. D. II. 2. b) 202 S.o. D. II. 2. c) aa) und bb). 203 Löhning/Cranshaw, § 81 ZVG Rn. 1. Die angesichts der Wortlauts des § 81 Abs. 1 ZVG zustimmungswürdige h.M. geht von einem Anspruch auf Zuschlagserteilung aus (so etwa Cranshaw a.a.O.; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 81 ZVG Rn. 1 ff.; HK-ZV/Stumpe, § 81 ZVG Rn. 3 f.; wenngleich etwas ungenau [„Anspruch auf den Zuschlag“] ebenso BGHZ 111, 14, 16; BGH NJW-RR 2002, 307, 308). Nach einer Mindermeinung soll dagegen lediglich ein Anspruch auf Zuschlagsentscheidung bestehen (so Eickmann/Böttcher, Zwangsversteigerung, § 16 II 1).
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ein subjektiv-öffentliches Recht dar,204 das dem Grundrechtsschutz des Art. 14 GG unterfällt.205 bb) Interessenabwägung Für die weitere Untersuchung ist es sinnvoll, zwischen dem Grundstückserwerb an sich und dem Erwerb des zugehörigen Zubehörs zu differenzieren. In beiden Fällen bleibt erneut das Befriedigungsinteresse des Gläubigers außer Betracht. (1) Eigentumserwerb des Grundstücks Hinsichtlich des Grundstückseigentums entfällt eine Unterscheidung nach dem zurechenbaren Setzen eines Rechtsscheins, da es kaum vorstellbar ist, dass der wahre Eigentümer bewusst an der Eintragung eines Nichteigentümers mitwirkt.206 Es ist daher allein hinsichtlich der Gut- bzw. Bösgläubigkeit des Ersteigerers zu differenzieren. (a) Maßstab der Bösgläubigkeit Auch hier stellt sich die Frage, welcher Maßstab für die Bösgläubigkeit des Ersteigerers gelten soll. Während sich hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzes keine Unterschiede ergeben, es also bei den Tatbestandsmerkmalen der positiven Kenntnis und der grob fahrlässigen Unkenntnis bleibt, wird im Privatrecht für die Unredlichkeit des Erwerbers beim Grundstückserwerb nach § 892 Abs. 1 S. 1 2. HS BGB positive Kenntnis vorausgesetzt. Da es sich bei dem Zuschlag jedoch – unstreitig – um einen öffentlichrechtlichen Hoheitsakt handelt, ist es allein sachgerecht, für die Frage der Redlichkeit auf den öffentlich-rechtlichen Maßstab abzustellen. (b) Konstellation 1: Gutgläubigkeit des Ersteigerers Ähnlich wie schon zuvor im Rahmen der Mobiliarvollstreckung, lässt sich auch für die hiesige Konstellation die Verhältnismäßigkeit durch einen vergleichenden Blick auf das Privatrecht bejahen. Wenn § 892 BGB den gutgläubigen Erwerb von Dritteigentum gestattet, kann für die Zwangsvollstreckung, bei der über das Erwerbs- und das Verkehrsinteresse hinaus noch ein öffentliches Effektivitätsinteresse besteht, nichts anderes gelten. Soweit ersichtlich, gibt es zu diesem Befund denn auch keine Gegenstimmen. 204
Vgl. Böttcher/Böttcher, § 81 ZVG Rn. 3. Vgl. o. D. II. 2. c) aa) (2). 206 Auf die Konstellation, dass der Dritteigentümer selbst im Grundbuch eingetragen ist, wird nicht näher eingegangen, da in diesem Fall die Versteigerung nach § 17 Abs. 1 ZVG nicht angeordnet wird. 205
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(c) Konstellation 2: Bösgläubigkeit des Ersteigerers Zweifellos streitet auch hier die Unredlichkeit des Ersteigerers gegen die Angemessenheit des Rechtsübergangs. Bei der Bewertung gilt es jedoch die Besonderheiten der Immobiliarvollstreckung zu berücksichtigen. (aa) Besondere Belastung durch Rechtsverlust Gegen die Angemessenheit spricht zunächst zusätzlich, dass der Rechtsverlust für den Dritteigentümer eine besondere Härte bedeutet, da es sich bei Grundstücken um ein von vornherein begrenzt verfügbares Vermögensgut handelt.207 Auch eignen sich Grundstücke besonders gut als Wertanlage – dieser Nutzungsmöglichkeit wird der Dritte durch den Eigentumsverlust beraubt. Zudem ist der Bereicherungsanspruch auf Erlösherausgabe für den Dritteigentümer ein geringerer Trost als bei der Mobiliarvollstreckung, was ebenfalls gegen die Angemessenheit spricht. Dies gilt weniger im Hinblick darauf, dass Grundstücke in aller Regel einen erheblich höheren Wert als bewegliche Sachen haben, sodass ein prozentual gleiches Zurückbleiben des Versteigerungserlöses hinter dem Verkehrswert bei der Immobiliarvollstreckung zu einer stärkeren wirtschaftlichen Einbuße des Dritten führt. Denn mit diesem Argument ließe sich genauso gut die besondere Bedeutung des Effektivitätsgebotes in der Immobiliarvollstreckung belegen. Wichtiger ist vielmehr, dass der Dritteigentümer den Teil des Erlöses nicht herausverlangen kann, der zur Befriedigung gutgläubig erworbener dinglicher Rechte ausgekehrt wurde. Wurden an dem Grundstück etwa werthaltige Hypotheken bestellt, kann dies seinen Bereicherungsanspruch empfindlich schmälern. (bb) Aufforderung zur Rechtsanmeldung Weiter ist zu beachten, dass mit der Bestimmung des Versteigerungstermins an diejenigen, welche ein der Versteigerung entgegenstehendes Recht haben, die besondere Aufforderung ergeht, dieses geltend zu machen, § 37 Nr. 5 ZVG. Darunter fällt selbstverständlich auch der Dritteigentümer des Grundstücks. Durch diese „Warnung“ kann der Dritteigentümer Drittwiderspruchsklage erheben und die Vollstreckung stoppen; sein Eigentumsrecht wird im Rahmen der Immobiliarvollstreckung offensichtlich besser geschützt als im Rahmen der Mobiliarvollstreckung.208 Die Terminsbestimmung mit der Aufforderung nach § 37 Nr. 5 ZVG wird dem (nicht eingetragenen) Dritteigentümer allerdings nicht nach § 41 207 Vgl. BVerfGE 134, 242, Rn. 168 – „Garzweiler“; BeckOK-GG/Axer, Art. 14 GG Rn. 92. 208 Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 62.
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Abs. 1 ZVG zugestellt, da er kein Beteiligter i.S.d. § 9 ZVG ist, solange er sein Recht nicht anmeldet.209 Zwar wird sie gem. § 39 Abs. 1 ZVG zusätzlich im Amtsblatt oder im Internet veröffentlicht, was insbesondere dem Zweck dient, Dritte zur Wahrung ihrer Rechte zu veranlassen, sofern diese durch die Versteigerung berührt werden.210 Auch wird das zu versteigernde Grundstück dabei genau bezeichnet, § 37 Nr. 1 ZVG. Erstens ist jedoch fraglich, ob der Dritteigentümer von einer solchen Veröffentlichung tatsächlich Kenntnis erlangt. Zweitens – und das ist das größere Problem – wird der Dritteigentümer oftmals überhaupt nichts von seiner Eigentümerstellung wissen; andernfalls hätte er wohl schon längst eine Grundbuchberichtigung beantragt.211 In diesem Fall hilft ihm selbst die (zufällige) Kenntniserlangung der Aufforderung nichts. Bei lebensnaher Betrachtung wird man der Warnfunktion des § 37 Nr. 5 ZVG daher kein allzu großes Gewicht beimessen können.212 (cc) Prüfung der materiellen Rechtslage anhand des Grundbuchs als besonders starker Rechtsscheinträger Ein wichtiger Unterschied zur Mobiliarvollstreckung und zugleich ein für die Angemessenheit streitender Gesichtspunkt besteht dagegen darin, dass im Rahmen der Immobiliarvollstreckung von Amts wegen die materielle Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung anhand des Grundbuchs geprüft wird.213 Die Vollstreckung darf nur dann angeordnet werden, wenn der Schuldner als Eigentümer im Grundbuch eingetragen oder als Erbe des Eigentümers ausgewiesen ist, § 17 Abs. 1 ZVG. I.E. erfolgt die Überprüfung sogar in doppelter Hinsicht: Zunächst muss dem Vollstreckungsgericht gem. § 17 Abs. 2 S. 1 ZVG die Eintragung durch ein Zeugnis des Grundbuchamtes nachgewiesen werden.214 Ordnet das Gericht die Versteigerung an, so hat es zugleich das Grundbuchamt um Eintragung der Anordnung zu ersuchen, § 19 Abs. 1 ZVG. Das Grundbuchamt prüft dieses Ersuchen sodann zwar nur hinsichtlich der Form und der Grundbuchbezeichnung,215 es nimmt die Eintragung mithin auch dann vor, wenn ein vom Schuldner abweichender Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Das Grundbuchamt muss dem Vollstreckungsgericht gleichwohl eine entsprechende Mitteilung machen, woraufhin das
209
Böttcher/Böttcher, § 9 ZVG Rn. 11 f. Stöber/Gojowczyk, § 39 ZVG Rn. 1. 211 Raue, Enteignungsbegriff, S. 74. 212 A.A. Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 62 („weitgehende Garantie dafür […], daß nicht in die Rechte Dritter eingegriffen wird“). 213 Huber, Versteigerung, S. 153; Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 61. 214 Nach S. 2 genügt die Bezugnahme auf das Grundbuch, wenn Vollstreckungsgericht und Grundbuchamt demselben Amtsgericht angehören. 215 HK-ZV/Sievers, § 19 ZVG Rn. 6. 210
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Gericht nach § 28 Abs. 1 ZVG entscheidet, das Verfahren also entweder sofort aufhebt oder zumindest einstweilen einstellt.216 Hervorzuheben ist dabei, dass es sich bei dem Grundbuch um einen besonders starken Rechtsscheinträger handelt. Eine Eintragung als Eigentümer erfolgt nach § 19 GBO nämlich nur dann, wenn der bisherige im Grundbuch ausgewiesene Eigentümer die Eintragung bewilligt. Zur Erzeugung des Rechtsscheins bedarf es demnach, anders als beim Gewahrsam, grundsätzlich der aktiven Mitwirkung des wahren Eigentümers. Eine Ausnahme gilt nur im Falle der Eintragung eines Scheinerben.217 Hier wird der wahre Eigentümer, d.h. der richtige Erbe, oftmals überhaupt keine Kenntnis von seiner Eigentümerstellung haben, etwa weil das ihn zum Erben einsetzende Testament des ursprünglichen Eigentümers und Erblassers nicht aufgefunden wird. Neben der fehlenden Mitwirkung bei solchen Scheinerben-Fällen lässt sich, rückblickend auf die Regelung des § 935 BGB, im Übrigen einwenden, dass der Rechtsschein des Grundbuchs dem Dritteigentümer trotz seiner Mitwirkung nicht in jedem Fall vorwerfbar sein muss. So kann seine Bewilligung etwa bei Geisteskrankheit analog218 §§ 105 Abs. 1, 104 Nr. 2 BGB nichtig sein. Für eine so zustande gekommene Eintragung ist der Geisteskranke ob seines psychischen Defekts nicht verantwortlich. Diese Überlegung wird allerdings dadurch relativiert, dass es für die Eigentümeränderung im Grundbuch neben der Bewilligung (sowie des nach § 13 GBO erforderlichen Antrags) auch des Nachweises der Auflassung zwischen Veräußerer und Erwerber bedarf, § 20 GBO. Die Auflassung muss wiederum bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien vor einem Notar219 erklärt werden, § 925 Abs. 1 BGB. Eine notarielle Beurkundung ist gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB zudem für den Grundstückskaufvertrag erforderlich. Bei erkennbarer Geisteskrankheit oder sonstigen Bedenken hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit des Veräußerers wird der Notar das Vorliegen einer wirksamen Einigung infrage stellen.220 Gleichwohl sind natürlich auch Fälle denkbar, in denen der Notar mangels entgegenstehender Anhaltspunkte (unerkannte Geisteskrankheit) die wirksame Einigung nicht anzweifeln wird.
216
Blomeyer, ZPR, § 75 II 2 (Fn. 10). Denkbar ist zudem, dass das Grundbuchamt die Änderung ohne die entsprechende Bewilligung vornimmt; materiell-rechtlich ist die Eigentumsübertragung auch in einem solchen Fall wirksam (BeckOK-GBO/Holzer, § 19 GBO Rn. 8). In der Praxis dürfte dies allerdings nicht vorkommen. 218 Die Analogie ist erforderlich, weil die Bewilligung nach h.M. rein verfahrensrechtlicher Natur ist und keine materiell-rechtliche Willenserklärung darstellt (BeckOKGBO/Holzer, § 19 GBO Rn. 7; Meikel/Böttcher, § 19 GBO Rn. 31). 219 Oder einer sonstigen zuständigen Stelle. 220 Diese Kontrollmechanismen als wesentlichen Unterschied zur Mobiliarvollstreckung herausstellend auch Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 91. 217
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Hier ist jedoch klarzustellen, dass es eine hundertprozentige Sicherheit für das Bestehen einer Rechtsposition schlichtweg nicht geben kann, wenn ihre Verkehrsfähigkeit erhalten bleiben soll.221 Die genannten Vorschriften des BGB und der GBO errichten äußerst hohe rechtliche Hürden für eine Eigentümeränderung des Grundbuchs, um bloße „Buchrechtspositionen“ tunlichst zu verhindern.222 Aufgrund dessen besteht eine besonders starke Gewähr für die Richtigkeit des Grundbuchs.223 Dieser ist es denn auch zu verdanken, dass eine Zwangsvollstreckung in das Grundstück eines Dritteigentümers in der Praxis nur äußerst selten vorkommt.224 Diese besonders starke Gewähr liegt auch der Vermutungsregelung des § 891 BGB sowie den §§ 892, 893 BGB zugrunde.225 Bezeichnenderweise kommt es für den gutgläubigen Erwerb nach § 892 BGB, dessen Verfassungsmäßigkeit nicht infrage gestellt wird,226 gerade nicht darauf an, ob der Dritteigentümer für die Unrichtigkeit des Grundbuchs verantwortlich ist – im Gegensatz zu den §§ 932 ff. BGB, die das Veranlassungsprinzip vorsehen,227 gilt hier das reine Rechtsscheinprinzip.228 Die fehlende Vorwerfbarkeit der Rechtsscheinsetzung wird im rechtsgeschäftlichen Verkehr folglich nicht zum Anlass genommen, den Eigentumserwerb zu versagen. Dies muss umso mehr bei der dem Effektivitätsgebot unterliegenden Zwangsversteigerung gelten.
221 Die Voraussetzungen des Grundstückserwerbs als „Mittelweg“ zwischen Rechtssicherheit einerseits und Einfachheit und Schnelligkeit des Verfahrens andererseits bezeichnend Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 67 Rn. 1. 222 Vgl. BeckOK-BGB/Grün, § 925 BGB Rn. 3; BeckOK-GBO/Hügel, § 20 GBO Rn. 1. 223 Eickmann/Böttcher, Zwangsversteigerung, § 2 I 2. 224 Hager, in: FS Canaris, 1, 17; Müller, Ablieferung, S. 166; Behrendt, Verfügungen, S. 60. 225 Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 559. 226 Vgl. Lutter, AcP 164 (1964), 122, 125. 227 S.o. D. II. 2. c) cc) (2). Im genannten Beispiel des unerkannt geisteskranken Dritteigentümers ist dessen auf Übereignung gerichtete Willenserklärung und damit die gesamte Übereignung an den Ersterwerber nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Veräußert der Ersterwerber die Sache weiter, so ist auch diese Übereignung unwirksam: Nach h.M. ist der Besitzverlust eines Geschäftsunfähigen stets unfreiwillig und stellt somit ein Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 dar (HK-BGB/Schulte-Nölke, § 935 BGB Rn. 2; BeckOKBGB/Kindl, § 935 BGB Rn. 8; MüKo-BGB/Oechsler, § 935 BGB Rn. 7; Westermann, JuS 1963, 1, 7; OLG München NJW 1991, 2571; KG OLGE 15, 326 f.). 228 Vgl. Lorenz/Eichhorn, JuS 2017, 822, 824; Kindler/Paulus, JuS 2013, 490, 495; Westermann, JuS 1963, 1, 6. Das reine Rechtsscheinprinzip findet auch an anderer Stelle Anwendung, etwa beim gutgläubigen Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen nach dreijähriger Fehlerhaftigkeit der Gesellschafterliste, § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG, oder beim öffentlichen Glauben des Erbscheins nach § 2366 BGB (vgl. Kindler/Paulus a.a.O. S. 494 f.). Bei § 15 Abs. 3 HGB ist streitig, ob das reine Rechtsscheinprinzip oder das Veranlasserprinzip gilt (zum Meinungsstand MüKo-HGB/Krebs, § 15 HGB Rn. 83 ff.).
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(dd) Vielzahl von Beteiligten Wenn in den vorherigen Ausführungen die besondere Bedeutung des Rechtsscheins des Grundbuchs und seine Ursachen veranschaulicht wurden, so bleibt doch die Frage offen, inwieweit dieser Rechtsschein in der hiesigen Konstellation eines unredlichen Ersteigerers von Bedeutung sein kann. Während dies bei einem grob fahrlässigen Ersteigerer, jedenfalls in gewissem Maße, noch einleuchtet, so vertraut doch der Ersteigerer, der positive Kenntnis von der Schuldnerfremdheit des Grundstücks hat, gerade nicht auf den Rechtsschein des Grundbuchs. Es gilt jedoch eine weitere Besonderheit der Immobiliarvollstreckung zu beachten: Der Rechtsschein wirkt hier nicht bloß gegenüber dem Ersteigerer, sondern auch gegenüber einer Vielzahl weiterer Personen. Anders als die Mobiliarvollstreckung, die regelmäßig nur den Gläubiger, den Schuldner, den Ersteigerer und einen etwaigen Dritteigentümer betrifft, kommt bei der Immobiliarvollstreckung noch eine Vielzahl weiterer Beteiligter hinzu.229 Zu nennen sind nach § 9 Nr. 1 ZVG die im Grundbuch eingetragenen Realgläubiger sowie die Inhaber von Rechten, die durch eine Eintragung im Grundbuch (z.B. Vormerkung nach § 883 BGB, Widerspruch nach § 899 BGB) gesichert sind. Hinzu kommen aufgrund einer Anmeldung (§ 9 Nr. 2 ZVG): jene, die ein der Zwangsvollstreckung entgegenstehendes Recht haben (z.B. das Eigentum am Grundstück oder an Grundstückszubehör, das Recht aus einer Verfügungsbeschränkung nach §§ 135 f. BGB oder das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters); die Inhaber eines Rechts, das an dem Grundstück oder an einem dieses belastende Recht besteht und erst nach Eintragung des Versteigerungsvermerks im Grundbuch eingetragen oder gesichert oder das zu Unrecht gelöscht ist oder der Eintragung nicht bedarf; solche, die sonst noch ein Befriedigungsrecht aus dem Grundstück gem. § 10 ZVG haben; sowie die Mieter und Pächter des Grundstücks, sofern ihnen dieses überlassen worden ist. All diese Personen vertrauen regelmäßig auf die Richtigkeit des Grundbuchs. Um die verschiedenen Rechtsverhältnisse umfassend ordnen und angemessen berücksichtigen zu können, ist das Versteigerungsverfahren des ZVG im Vergleich zur Versteigerung beweglicher Sachen ungleich komplexer und aufwändiger ausgestaltet.230 Durch die Aufforderungen nach § 37 Nr. 4, 5 ZVG und die Anhörung der Beteiligten im Anschluss an das Bietverfahren gem. § 74 ZVG mitsamt der Antragsmöglichkeit zur Versagung des Zuschlags nach § 74a ZVG für den Fall, dass das Meistgebot 70 % des Grundstückswertes unterschreitet, sieht es insbesondere die aktive Mitwirkung der Ver229 Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 62. Vgl. zu den nachfolgenden Fallgruppen Böttcher/Böttcher, § 9 ZVG Rn. 10 ff.; Blomeyer, ZPR, § 74 III. 230 Vgl. Blomeyer, ZPR, § 72 III.
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fahrensbeteiligten vor. Mündet das Verfahren in einer Zuschlagserteilung, so wäre es, auch unter Berücksichtigung des erheblichen wirtschaftlichen Wertes von Grundstücken,231 in höchstem Maße unbillig, sämtliche Beteiligten über die Wirksamkeit des Zuschlags und damit über das Erlöschen der nicht nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte am Grundstück (§ 91 Abs. 1 ZVG) im Unklaren zu lassen.232 Insbesondere diejenigen Realgläubiger, die ihr dingliches Recht gutgläubig erworben haben, haben ein erhebliches Interesse an Rechtssicherheit, da sie auch bei Vorliegen von Dritteigentum keinem Kondiktionsanspruch ausgesetzt sind.233 Diesem besonderen Bedürfnis an Rechtssicherheit im Rahmen der Immobiliarvollstreckung hat auch der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass der Eigentumsübergang nach § 90 ZVG, im Gegensatz zu jenem nach § 817 Abs. 2 ZPO,234 selbst bei der Verletzung wesentlicher Verfahrensfehler stattfindet, sofern er nicht auf dem Beschwerdeweg ex tunc aufgehoben wird.235 (ee) Vertrauensschutz Die Vernachlässigung der Unredlichkeit des Ersteigerers scheint gleichwohl nicht mit der Regelung des § 892 BGB im Einklang zu stehen. Dort wird schließlich als Tatbestandsmerkmal die Redlichkeit des Erwerbers gefordert. Bei näherer Betrachtung ergibt sich hieraus jedoch kein Wertungswiderspruch. Weniger relevant ist dabei, dass an den Erwerber in qualitativer Hinsicht nur minimale Voraussetzungen gestellt werden,236 indem die Unredlichkeit – anders als bei §§ 932 ff. BGB – allein von der positiven Kenntnis der Unrichtigkeit abhängt. Entscheidend ist vielmehr, dass ein konkretes Vertrauen auf den Inhalt des Grundbuchs ebenso wenig erforderlich ist237 wie eine Kausalität zwischen der Unrichtigkeit des Grundbuchs und dem rechtsgeschäftlichen Verhalten des Erwerbers.238 Der Erwerber wird also auch dann ge-
231
Vgl. MüKo-BGB/Kohler, § 892 BGB Rn. 2. Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 62 („Die Rechtslage darf wegen dieser Vielzahl der Beteiligten nicht in der Schwebe bleiben“); vgl. auch Bartels, ZZP 128 (2015), 341, 347. 233 S.o. D. II. 3. a). 234 HK-ZV/Kindl, § 817 ZPO Rn. 9; MüKo-ZPO/Gruber, § 817 ZPO Rn. 13, jeweils m.w.N. 235 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 66 Rn. 14; Böttcher/Böttcher, § 90 ZVG Rn. 3a. 236 Staudinger/Picker, § 892 BGB Rn. 7; Wiegand, JuS 1975, 205, 209 f. 237 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm und ist allgemeine Meinung, siehe nur MüKo-BGB/Kohler, § 892 BGB Rn. 45 m.w.N. Kritisch dazu Schmelzeisen, AcP 151 (1950/51), 461, 462. 238 Staudinger/Picker, § 892 BGB Rn. 7. 232
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
schützt, wenn er keine Einsicht in das Grundbuch genommen und überhaupt keine Kenntnis von dessen Inhalt hat. Terminologisch unterscheidet daher bereits das Gesetz zwischen dem „guten Glauben“ in § 932 Abs. 1 S. 1 BGB und dem „öffentlichen Glauben“ des Grundbuchs in der amtlichen Überschrift des § 892 BGB.239 Ein Vertrauensschutz im Sinne des Schutzes eines individuellen, begründeten Vertrauens (subjektiver Vertrauensschutz) wird durch § 892 BGB nicht gewährt.240 Die Norm begründet stattdessen einen formalen, objektiven Verkehrsschutz, indem sie allein an die tatsächliche Eintragung anknüpft.241 Treffend formulierte Boehmer: „Nicht das subjektive Vertrauen, sondern die objektive Verläßlichkeit der amtlichen Verlautbarung ist die Grundlage der publica fides“242. Auch die Ablehnung des Eigentumserwerbs bei Unredlichkeit des Erwerbers indiziert keinen subjektiven Vertrauensschutz. Die Ausnahme ist vielmehr als negatives Regulativ zu dem objektiv gewährleisteten Vertrauensschutz zu verstehen;243 der historische 239
Vgl. MüKo-BGB/Oechsler, § 932 BGB Rn. 32. Lutter, AcP 164 (1964), 122, 123; BeckOK-BGB/Eckert, § 892 BGB Rn. 13. 241 Lutter, AcP 164 (1964), 122, 123 f.; Lieder, AcP 210 (2010), 857, 874; ebenso Boehmer, JZ 1952, 574 („Daß im Grundbuch-[…]verkehr der positive Gutglaubensschutz völlig von der subjektiven Grundlage losgelöst und durch die objektive Verläßlichkeit des amtlichen Rechtsscheinapparates ersetzt ist, ist ein Veräußerlichungsprozeß, […] den man nicht […] ableugnen sollte“); BeckOK-BGB/Eckert, § 892 BGB Rn. 13 („§ 892 ist somit nicht ein Vertrauensschutztatbestand ieS, sondern ein objektiver Tatbestand, der an die Buchlage anknüpft“); vgl. auch Eichler, Institutionen, S. 126. Differenzierend, aber ebenfalls die objektive Komponente des Vertrauensschutzes betonend Eichler, Rechtslehre vom Vertrauen, S. 98: „Die eigenartige Beziehung zwischen öffentlichem Glauben und Gutgläubigkeit läßt sich dahin ausdrücken, daß jene Grundbuchfunktion nur innerhalb des redlichen Grundstücksverkehrs wirkt, nur dem Redlichen zuteil wird. Die Verläßlichkeit des Grundbuchs auf der einen, die Voraussetzung der Redlichkeit auf der anderen Seite, das sind die beiden Vertrauenselemente, die uns in der Lehre vom öffentlichen Glauben des Grundbuchs begegnen. Im Vordergrunde steht das in der Einrichtung des Grundbuchs wurzelnde objektive Vertrauenselement, das wir als institutionelles Vertrauen bezeichnen können, während das subjektive Vertrauenselement nur die Bedeutung eines Ausschließungsgrundes im Falle der Bösgläubigkeit […] hat.“ Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nichts anderes. Zwar könne der Rechtsschutz, den der öffentliche Glaube des Grundbuchs gewährt, „nur demjenigen zu statten kommen, welcher diesem Glauben gefolgt ist“ (Motive zum BGB III, S. 212). Direkt darauffolgend wird jedoch klargestellt, dass der Schutz des Erwerbers nicht davon abhängt, ob er das Grundbuch vor dem Erwerb eingesehen hat. Wiegand spricht insoweit von einer „frappierenden Antinomie“ (Wiegand, JuS 1975, 205, 209). Entstehungsgeschichte und dogmatische Hintergründe umfassend darstellend: Neundörfer, Bedeutung des Vertrauens, S. 19 ff. 242 Boehmer, Einführung, S. 322. Vgl. auch Baur, Sachenrecht, S. 191: „Man kann also nur sehr bedingt von einem ,Schutz des Vertrauens auf die Richtigkeit des Grundbuchs‘ sprechen. Der Rechtsschein wird hier zu einer Fiktion; von seinem Standpunkt aus mit Recht verwendet das Gesetz daher auch die Formulierung: ,gilt … als richtig‘.“ 243 Lutter, AcP 164 (1964), 122, 123 f. Soweit Lutter in diesem Zusammenhang und mit 240
D. Art des Eingriffs und Rechtfertigung
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Gesetzgeber sah den Ausschluss des Rechtserwerbs bei einem unredlichen Erwerber den „Anforderungen der Rechtsmoral“ geschuldet.244 Eine solche Erwerbsbeschränkung bei positiver Kenntnis des Ersteigerers ist im Rahmen der Zwangsversteigerung aufgrund der abweichenden Interessenlage jedoch nicht geboten. Zu beachten ist erneut, dass § 892 BGB neben dem Erwerbsinteresse allein dem Verkehrsschutz dient,245 während bei der Zwangsvollstreckung daneben noch das öffentliche Interesse an der Effektivität der Zwangsvollstreckung besteht. Vor allem aber ist bei der Zwangsversteigerung, im Gegensatz zur rechtsgeschäftlichen Übertragung – bei dieser besteht die Pflicht des Verkäufers, dem Käufer das Grundstück gem. §§ 433 Abs. 2, 2. Alt., 435 BGB „rechtsmängelfrei“ zu verschaffen, was sich insbesondere auf beschränkt-dingliche Rechte Dritter, die Vormerkung solcher Rechte sowie schuldrechtliche Rechte Dritter bezieht246 – , eine Vielzahl weiterer Beteiligter involviert, sodass dem objektiven Verkehrsschutz durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs eine weitaus höhere Bedeutung zukommt. Hier würde eine Versagung des Eigentumserwerbs und die damit einhergehende Beschneidung der Rechtsscheinwirkung die Institution des Grundbuchs geradezu diskreditieren.247
der Begründung, dass sonst auch Mängel im materiellen Rechtsgeschäft nach Eintragung der Rechtsänderung unbeachtlich sein müssten, meint, die Causa des § 892 BGB sei das „möglicherweise gegebene Vertrauen in die Buchlage“ – freilich ohne dass sich dies im Tatbestand niedergeschlagen hätte – (Lutter, AcP 164 (1964), 122, 124), kann dem allerdings nicht gefolgt werden. Das Grundbuch kann lediglich Gewähr für die Berechtigung des Eingetragenen bieten. Zu materiell-rechtlichen Mängeln (Geschäftsunfähigkeit, Mangel der Vertretungsmacht etc.) getätigter Rechtsgeschäfte kann und soll es keine Auskunft geben. Solche Mängel stellen vielmehr ein typisches Risiko des Rechtsverkehrs dar, welches ein Erwerber zwar reduzieren kann (bspw. durch Verlangen einer schriftlichen Vollmachtsurkunde), im Übrigen aber eingehen muss. 244 Motive zum BGB III, S. 213. Auch hier findet sich kein Hinweis auf das Fehlen eines schutzwürdigen, subjektiven Vertrauens als Grund für den Erwerbsausschluss. 245 Vgl. BeckOK-BGB/Eckert, § 892 BGB Rn. 1; Lorenz/Eichhorn, JuS 2017, 822, 824. 246 Ausführlich BeckOK-BGB/Faust, § 435 BGB Rn. 13 ff. 247 Vgl. in Bezug auf § 892 BGB Motive zum BGB III, S. 208 („Das Grundbuch vermag aber die ihm gestellte Aufgabe nur unter der Voraussetzung zu erfüllen, daß die Nachrichten, welche es über die Rechte am Grund und Boden giebt, als richtig angesehen werden dürfen. Denn können die Betheiligten sich auf den Inhalt des Buches nicht verlassen, so sind sie der Gefahr der Täuschung ausgesetzt, und bei dieser Gefahr wäre zu besorgen, daß die ganze Einrichtung zu einer Falle für den redlichen Geschäftsverkehr würde. Wenn daher die Gesetzgebung, um diesen Verkehr auf eine feste und sichere Grundlage zu stellen, auf das Grundbuch als die Erkenntnisquelle der Rechte am Grund und Boden verweist, so muß sie auch die Reinheit dieser Quelle, die Zuverlässigkeit des Buches, gewährleisten“); MüKo-BGB/Kohler, § 892 BGB Rn. 2; RGZ 117, 257, 265.
72
2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
(ff) Zwischenergebnis In der Gesamtbetrachtung erweist sich der Eigentumserwerb eines unredlichen Ersteigerers aufgrund der Besonderheiten der Immobiliarvollstreckung nicht als unangemessen. Durch den Zuschlag wird der Dritteigentümer daher nicht in seinem Eigentumsgrundrecht verletzt.248 (2) Eigentumserwerb des Grundstückszubehörs Im Rahmen des Zubehörerwerbs kann wiederum neben der Gut- bzw. Bösgläubigkeit des Ersteigerers auch nach der Art des Besitzverlustes des Zubehörs differenziert werden, da es sich bei diesem gem. der Legaldefinition in § 97 BGB um bewegliche Sachen handelt.249 Wie auch bei der Mobiliarvollstreckung ergeben sich für die Interessenabwägung somit an sich vier verschiedene Konstellationen. Die beiden Konstellationen, in denen der Ersteigerer in gutem Glauben ist, können jedoch gemeinsam und in aller Kürze behandelt werden. (a) Konstellation 1: Freiwilliger oder unfreiwilliger Besitzverlust des Dritten, Gutgläubigkeit des Ersteigerers Das Ergebnis im Falle eines gutgläubigen Ersteigerers folgt nämlich bereits zwangsläufig aus den vorherigen Ausführungen. Wenn schon aufgezeigt wurde, dass der Fahrniserwerb bei Gutgläubigkeit des Ersteigerers – unabhängig von der (Un-)Freiwilligkeit des Besitzverlustes des Dritten – bei einem gutgläubigen Ersteigerer mit Art. 14 GG vereinbar ist, dann muss dies erst recht für den Erwerb von Zubehör im Rahmen der Immobiliarvollstreckung gelten. Schließlich kommt der Effektivitätsmaxime hier aufgrund des höheren wirtschaftlichen Wertes des Vollstreckungsobjekts eine noch wichtigere Bedeutung zu, zudem besteht durch die Aufforderung nach § 37 Nr. 5 ZVG zumindest potentiell eine bessere Chance für den Dritteigentümer, von der Versteigerung seines Eigentums Kenntnis zu erlangen und entsprechend zu intervenieren.
248 So i.E. auch die g.h.M.; tatsächlich wird derart selbstverständlich von der Verfassungsmäßigkeit des Eigentumserwerbs ausgegangen, dass diese Frage – im Gegensatz zur Verfassungsmäßigkeit des Eigentumserwerbs im Rahmen der Mobiliarvollstreckung – von den wenigsten Autoren überhaupt thematisiert wird (zu der Frage Stellung nehmend und sie implizit bejahend jedoch bspw. Bartels, ZZP 128 (2015), 341, 346 ff.). Die Verfassungsmäßigkeit entgegen allen verneinend Hager, in: FS Canaris, 1, 17 ff. sowie Stamm, Prinzipien, S. 459 f.; kritisch auch MüKo-BGB/Kohler, § 892 BGB Rn. 30. 249 Zur Frage der Zubehöreigenschaft hat sich zu diversen Gegenständen eine reichhaltige Rechtsprechung gebildet. Siehe für Positiv- wie auch für Negativbeispiele MüKoBGB/Stresemann, § 97 BGB Rn. 33 ff.
D. Art des Eingriffs und Rechtfertigung
73
(b) Konstellation 2: Freiwilliger Besitzverlust des Dritten, Bösgläubigkeit des Ersteigerers Weniger eindeutig erscheint die Beurteilung im Falle eines bösgläubigen Ersteigerers. (aa) Fehlende Schutzwürdigkeit und schwacher Rechtsschein Gegen die Angemessenheit des Eigentumserwerbs spricht auch hier zuvorderst die fehlende Schutzwürdigkeit des Ersteigerers. Zudem streitet der Rechtsschein des Grundbuchs nicht für den Eigentumserwerb, denn der Rechtsschein betrifft allein das Grundstücks-, nicht aber das Zubehörseigentum. Die Verwertung des Grundstückszubehörs beruht vielmehr – wie auch bei der Mobiliarvollstreckung – allein auf dem Gewahrsam des Grundstücksinhabers.250 (bb) Praktische Konsequenzen bei Versagung des Miterwerbs Zu bedenken sind allerdings die nicht unproblematischen Konsequenzen, wenn der Eigentumserwerb des bösgläubigen Ersteigerers am Grundstückszubehör nicht möglich wäre. Ginge man davon aus, dass er durch den Zuschlag kein Eigentum an dem Zubehör erlangt, müsste man dazu wohl die Teilnichtigkeit des Zuschlags annehmen.251 Die Erlösempfänger hätten den auf das Zubehör entspringenden Teil des Kaufpreises daher rechtsgrundlos erlangt i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, sodass der Ersteigerer den entsprechenden Anteil bei den Empfängern, beginnend mit dem rangniedrigsten, kondizieren könnte. Damit würde sich zunächst die Frage stellen, welcher Teil des Gesamterlöses auf das jeweilige Zubehör entspringen soll, was also konkret „erlangt“ wurde, da der Ersteigerer ja nur einen Gesamtbetrag für das komplette Grundstück inklusive Zubehör zahlt. Man könnte hier auf den Verkehrswert des Zubehörs abstellen, den das Gericht – üblicherweise unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen252 – im Rahmen des Versteigerungsverfahrens nach § 74a Abs. 5 S. 2 ZVG ohnehin getrennt vom Grundstückswert bestimmen muss.253 Dies wirft jedoch dann Probleme auf, wenn das Grundstück selbst nur wenig, das darauf befindliche Zubehör dagegen sehr viel wert ist. Ein Beispiel: Ein Stück Ackerland hat einen Verkehrswert von 20.000 †, als Zu-
250
Vgl. Eckardt, ZJS 2012, 467, 471. Vgl. Bartels, ZZP 128 (2015), 341, 347. 252 Vgl. HK-ZV/Stumpe, § 74a ZVG Rn. 29; Böttcher/Böttcher, § 74a ZVG Rn. 28, 31. 253 In Bezug auf den Bereicherungsanspruch des Dritteigentümers stellte schon das RG die Überlegung an, den Verkehrswert des Zubehörs in Ansatz zu bringen (RGZ 76, 212, 213 ff.). 251
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
behör befindet sich darauf jedoch ein hochwertiger Traktor254 (Wert 100.000 †). Dem bösgläubigen Ersteigerer wird das Grundstück für sein Meistgebot von 100.000 † zugeschlagen. Bei Teilnichtigkeit des Zuschlags bezüglich des Traktors könnte der Ersteigerer den gesamten Kaufpreis255 zurückfordern, hätte aber gleichwohl das Eigentum an dem Grundstück erlangt – dies kann nicht die Lösung sein.256 Sachgemäßer wäre es daher, auf den Anteil des objektiven Zubehörwertes am objektiven Gesamtwert von Grundstück und Zubehör abzustellen – wie dies auch beim Kondiktionsanspruch des Dritteigentümers für den Verlust seines Zubehörseigentums geschieht.257 In dem genannten Beispiel macht das Zubehör ca. 83 % des gesamten Verkehrswertes aus. Der Bereicherungsanspruch betrüge dementsprechend ca. 83.000 †; für das reine Grundstück hätte der Ersteigerer 17.000 † gezahlt. Auf diesem Wege erscheint ein angemessener Bereicherungsausgleich möglich. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass bei Grundstücken der eigentliche Wert mitunter gerade aus dem Verbund zwischen Grundstück und Zubehör resultiert.258 Der Verbundswert kann mithin wesentlich höher sein als die Summe der separat auf Grundstück und Zubehör entfallenden Zerschlagungswerte.259 Zu denken ist etwa an eine Kegelbahn, bei deren Kegelaufstell- und Münzautomatik es sich um Zubehör260 handelt. Ohne diese Einrichtungen ist die Kegelbahn nahezu nutz- und somit wertlos. Die Abtrennung des Zubehörs vom Grundstück und der Nichterwerb des Zubehörs können den Wert des „reinen“ Grundstücks daher deutlich stärker verringern, sodass auch ein anteilig berechneter Bereicherungsanspruch des Ersteigerers dessen wirtschaftlichen Verlust nicht in adäquatem Maße ausgleichen könnte.261 Zudem wäre der Ersteigerer ggf. in der Situation, ein Grundstück erworben zu haben, welches er ohne das Zubehör niemals haben wollte und das für ihn völlig nutzlos ist – in unserem Beispiel etwa, wenn ihm die 254
Zum Traktor als Grundstückszubehör Schulte-Thoma, RNotZ 2004, 61, 68. Zur vereinfachten Darstellung werden die Verfahrenskosten nicht berücksichtigt. 256 Gänzlich unbrauchbar wird dieser Ansatz, wenn der objektive Verkehrswert des Zubehörs das Meistgebot übersteigt. 257 S.o. D. II. 3. a). 258 Eckardt, ZJS 2012, 467, 468; hierzu bereits oben unter 1. Teil D. II. 2. b). 259 Eckardt, ZJS 2012, 467, 468. 260 BGH NJW 1969, 2135 f.; MüKo-BGB/Stresemann, § 97 BGB Rn. 36. 261 Unproblematisch ist die separate Zugrundelegung des anteiligen Zubehörswertes dagegen bei der Berechnung des Bereicherungsanspruchs des Dritteigentümers nach Auskehr des Erlöses. Die Problematik der Abweichung des Verbundswertes vom Zerschlagungswert stellt sich hier nicht: Der Ersteigerer, der sein Gebot auf den Verbundswert abgeben will, erhält schließlich auch den Verbund von Grundstück und Zubehör. Der Dritte verliert lediglich sein Eigentum am Zubehör, sodass sich sein Regressanspruch auch an dessen anteiligem Wert am Gesamterlös auszurichten hat. 255
D. Art des Eingriffs und Rechtfertigung
75
Mittel zum Erwerb einer neuen (und entsprechend teureren) Aufstellautomatik fehlen. Selbst bei einem bösgläubigen Ersteigerer mit positiver Kenntnis erscheint dies angesichts der möglichen wirtschaftlichen Folgen bedenklich, im Falle grob fahrlässiger Unkenntnis gilt dies umso mehr. (cc) Effektivitätsverlust durch Rechtsunsicherheit Noch problematischer ist allerdings die mit der Versagung des Zubehörerwerbs einhergehende Rechtsunsicherheit. Schließlich liefen auch gutgläubige Bieter Gefahr, das Grundstück ohne das Zubehör zu erwerben, obwohl sie ausschließlich den Verbund aus beidem ersteigern wollten und sich für den alleinigen Grund und Boden nie interessierten, wenn ein Gericht ihnen fälschlicherweise Bösgläubigkeit attestiert. Es ist davon auszugehen, dass ein solches Risiko die Bietbereitschaft und damit die Effektivität der Zwangsvollstreckung in erheblich stärkerem Ausmaß beeinträchtigen würde als bei der Mobiliarvollstreckung. Bei Letzterer würde die Unwirksamkeit der Eigentumsübertragung lediglich dazu führen, dass der Ersteigerer überhaupt kein Eigentum erwirbt und er den gezahlten Kaufpreis kondizieren müsste.262 Diese Konsequenzen erscheinen verkraftbar. Dagegen hat die Aussicht darauf, i.E. unwillentlich ein Grundstück erworben zu haben, welches ohne das begehrte Zubehör mehr oder minder nutzlos ist, ein wesentlich höheres Abschreckungspotential. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass sich diese durch die Rechtsunsicherheit bedingte Minderung der Bietbereitschaft aufgrund der bei der Immobiliarvollstreckung ungleich höheren Vermögenswerte schwerer auswirken würde als bei der Mobiliarvollstreckung. Ein Rückgang der durchschnittlichen Ersteigerungserlöse um bspw. 5 % würde bei der Immobiliarvollstreckung zu einer höheren wirtschaftlichen Einbuße führen als bei der Mobiliarvollstreckung. Darunter zu leiden hätten sämtliche Vollstreckungsschuldner, auf deren Eigentum dadurch verstärkt zugegriffen werden müsste. (dd) Zwischenergebnis Nach alledem fällt auch hier die Interessenabwägung zulasten des Dritteigentümers aus. Der Eigentumsübergang erweist sich als mit Art. 14 GG vereinbar.263
262
Hierzu noch später (4. Teil D. II. 3.). A.A. jedenfalls bei positiver Kenntnis des bösgläubigen Ersteigerers Hager, in: FS Canaris, 1, 18 f., der jedoch die für den Eigentumserwerb sprechenden Erwägungen gänzlich außer Acht lässt. 263
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2. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
(c) Konstellation 3: Unfreiwilliger Besitzverlust des Dritten, Bösgläubigkeit des Ersteigerers Bei unfreiwilligem Besitzverlust des Dritten verlagert sich die Interessenabwägung zwangsläufig zugunsten des Dritten, da dieser sein Eigentum keinem Risiko ausgesetzt und somit keinen vorwerfbaren Rechtsschein begründet hat. Auch führt hier die Aufforderung nach § 37 Nr. 5 ZVG zu keiner Besserstellung, da der Dritteigentümer insbesondere bei Diebstählen nicht weiß, auf welchem Grundstück sich sein Eigentum befindet. Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erscheinen jedoch die in Konstellation 2 ausgeführten Erwägungen, insbesondere die wesentliche Beeinträchtigung der Effektivität der Zwangsvollstreckung bei einer Versagung des Miterwerbs des Grundstückszubehörs, als zu gewichtig, um hier ein abweichendes Ergebnis zuzulassen. Die Benachteiligung des Dritten ist daher auch in dieser Konstellation nicht unangemessen.
E. Zwischenergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Eigentumserwerb im Rahmen der Zwangsvollstreckung weitgehend mit Art. 14 GG vereinbar ist. Dies gilt jedoch nicht für den Fall der Ablieferung nach § 817 Abs. 2 ZPO bei Bösgläubigkeit des Ersteigerers. Hier stellt sich der Eigentumserwerb, entgegen der h.M., als unangemessen und somit verfassungswidrig dar.
3. Teil
Vereinbarkeit des zwangsvollstreckungsrechtlichen Eigentumserwerbs mit Art. 19 Abs. 4 GG Die bisherige Untersuchung hat bereits aufgezeigt, dass sowohl bei der Mobiliar- als auch bei der Immobiliarvollstreckung die Rechtsschutzmöglichkeiten für einen betroffenen Dritteigentümer vergleichsweise schwach ausgestaltet sind. Es stellt sich daher die Frage, ob der gewährte Rechtsschutz den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügt.
A. Einführung zu Art. 19 Abs. 4 GG I. Leistungsgrundrecht Gem. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG steht jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen.1 Dieses „grundlegende Recht, sich gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt vor einem Gericht zur Wehr setzen zu können“2, stellt ein prozessuales Grundrecht dar.3 Es handelt sich um ein Leistungsgrundrecht,4 gerichtet auf die mit der Eröffnung des Rechtsweges verbundenen staatlichen Leistungen.5 Hierzu zählen 1
Zudem ist gem. S. 2 bei mangelnder sonstiger Zuständigkeit der ordentliche Rechtsweg gegeben. Nach S. 3 bleibt Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG von der Rechtsschutzgarantie unberührt. 2 BVerfGE 149, 346, 363, Rn. 33 – „Europäische Schule“. 3 Kloepfer, VerfR II, § 74 Rn. 2. 4 Ipsen, StaatsR II, Rn. 888; Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 12; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 7; BoK/Schenke, 138. EL, 2/2009, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 24; BeckOK-GG/Enders, Art. 19 GG Rn. 52; Münch/Kunig/Krebs, Art. 19 GG Rn. 55; Remmert, Jura 2014, 906; Gaier, NVwZ 2011, 385 f. Vgl. auch BVerfGE 101, 106, 123 – „Verwaltungsbehörde“; 118, 168, 207 – „Kontenabfrage“. Für einen (auch) abwehrrechtlichen Gehalt des Art. 19 Abs. 4 GG dagegen bspw. BerK-GG/Ibler, 6. EL, 10/2002, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 47; Kloepfer, VerfR II, § 74 Rn. 5; BVerfGE 60, 253, 266 – „Asylverfahren“. Dies hätte jedoch zur Folge, dass die Herabsetzung eines einmal etablierten Rechtsschutzniveaus stets als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre. Ein solcher Bestandsschutz lässt sich dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 4 GG indes nicht entnehmen (so auch Remmert a.a.O. m.w.N.). 5 Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 12; BeckOK-GG/Enders, Art. 19 GG Rn. 52; zum
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
insbesondere die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens und der Erlass einer verbindlichen Entscheidung, aber auch die Schaffung des dafür erforderlichen Prozessrechts, die Bestellung von Richtern sowie die Einrichtung und Organisation von Gerichten.6 Art. 19 Abs. 4 GG beinhaltet nicht nur ein Individualgrundrecht, sondern auch eine objektive Wertentscheidung.7 Aufgrund dieser ist der Gesetzgeber auch unabhängig von individuellen Berechtigungen verpflichtet, einen wirkungsvollen Rechtsschutz sicherzustellen.8 Die Rechtsschutzgarantie stellt eine Ergänzung der verfassungsmäßigen Anerkennung materieller Individualrechtspositionen auf formell-verfahrensrechtlicher Ebene dar.9 Die Bedeutung dieser Funktion kann aus rechtsstaatlicher Sicht kaum überschätzt werden, sind doch materielle Rechte erst dann effektiv, wenn im Ernstfall ihre Durchsetzbarkeit gesichert ist.10 Nicht zu Unrecht wurde Art. 19 Abs. 4 GG daher schon als „formelles Hauptgrundrecht“11, „Schlußstein im Gewölbe des Rechtsstaates“12, „Schlussstein und Krönung des Grundrechtskatalogs“13 oder gar als „Krönung des Rechtsstaates“14 gepriesen.15 Rechtsschutz als „staatliche Leistung“ auch BVerfGE 101, 106, 123 – „Verwaltungsbehörde“; 118, 168, 207 – „Kontenabfrage“; BVerfG NVwZ 2018, 1549 Rn. 42. 6 Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 12. 7 MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 10 ff.; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 375; BerK-GG/Ibler, 6. EL, 10/2002, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 42; Münch/ Kunig/Krebs, Art. 19 GG Rn. 55; BVerfGE 149, 346, 363, Rn. 34 – „Europäische Schule“. 8 MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 375; Lorenz, in: FS Menger, 143, 145; Münch/Kunig/Krebs, Art. 19 GG Rn. 55; BVerfGE 149, 346, 363, Rn. 34 – „Europäische Schule“. Nach a.A. folgt der Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers direkt aus der subjektiv-rechtlichen Funktion des Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. etwa BoK/Schenke, 138. EL, 2/2009, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 34). In der Sache ergibt sich daraus kein Unterschied. Näher zum Gestaltungsauftrag noch später unter C. 9 BeckOK-GG/Enders, Art. 19 GG Rn. 51 m.w.N. 10 Vgl. MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 333. Gleichwohl handelt es sich bei der Rechtsweggarantie um eine Besonderheit des deutschen Rechts, die im internationalen Verfassungsvergleich kein Vorbild hat (Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 866; vgl. jedoch zu jüngeren Entwicklungen im internationalen Umfeld Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 33 f.). Verfassungsrechtliche Garantien, den Fiskus seinen eigenen Gerichten zu unterwerfen, haben sich in Deutschland im 19. Jahrhundert etabliert. Eine echte Gerichtskontrolle findet sich zuerst in der Paulskirchenverfassung von 1849 und wurde seit 1863 – ohne verfassungsrechtliche Grundlage – in den deutschen Einzelstaaten eingeführt. Nach weitgehender Beseitigung der Garantie während der NS-Zeit wurde Art. 19 Abs. 4 GG schließlich im Grundgesetz verankert (Sachs, Kap. 30 Rn. 1 f.). 11 Ursprünglich Klein, VVDStRL 1950, 67, 88; ebenso bspw. Schmidt-Aßmann, NVwZ 1983, 1, 3. 12 Thoma, in: Recht Staat Wirtschaft, 9. 13 BerK-GG/Ibler, 6. EL, 10/2002, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 1. 14 Ebers, in: FS Laforet, 269, 271. 15 Siehe ferner MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 333 f.; Münch/Kunig/Krebs, Art. 19 GG
A. Einführung zu Art. 19 Abs. 4 GG
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II. Institutsgarantie Art. 19 Abs. 4 GG enthält nach h.M. zudem eine institutionelle Garantie für das Bestehen einer Gerichtsbarkeit, die zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes in der Lage ist.16 Insoweit sei die Norm auch als Ergänzung der staatsorganisationsrechtlichen Vorgaben der Art. 92, 95 und 20 Abs. 2 GG zu sehen.17 Diese Institutsgarantie beschränke sich dabei – ähnlich wie jene des Art. 14 GG – auf den Kernbestand der effektiven Rechtsschutzgewährung.18 Da Art. 19 Abs. 4 GG selbst bereits Leistungsrechte enthält (zu deren Ableitung institutionelle Garantien üblicherweise herangezogen werden) und die Art. 92, 97 GG sowie die sie ergänzenden Verfahrensgrundrechte der Art. 101 Abs. 1 S. 2, 103 Abs. 1 GG die Gewährleistung eines Rechtsschutzes in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren vor persönlich und sachlich unabhängigen Gerichten verfassungsrechtlich absichern, stellt insbesondere Schenke19 den Wert der Institutsgarantie zu Recht infrage. Einer näheren Auseinandersetzung bedarf es hier jedoch nicht.
III. Verhältnis zum Rechtsstaatsprinzip und zum allgemeinen Justizgewährungsanspruch Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist verfassungsrechtlich keine ausschließliche Forderung des Art. 19 Abs. 4 GG. Vielmehr begründet bereits das Rechtsstaatsprinzip die Pflicht, dem Bürger einen gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen.20 Diese Pflicht beschränkt sich nicht auf die bloße Zugänglichkeit, sondern umfasst auch die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes.21 Aus Art. 20 Abs. 3 GG folgt somit eine objektiv-rechtliche Verpflichtung zu effektiver Justizgewährung. Rn. 53; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 1 und 7; auch zu warnenden Stimmen BoK/Schenke, 138. EL, 2/2009, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 24, jeweils m.w.N. 16 Kloepfer, VerfR II, § 74 Rn. 4; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 380. Zum Verhältnis der institutionellen Garantie zum objektiven Gehalt der Rechtsschutzgarantie BerK-GG/Ibler, 6. EL, 10/2002, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 42. 17 MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 380. 18 MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 14. 19 BoK/Schenke, 138. EL, 2/2009, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 39 f. Ebenfalls kritisch Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1890 f. 20 MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 354; Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 875; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 16; Sachs/Sachs, Art. 20 GG Rn. 162; SHH/Hofmann, Art. 20 GG Rn. 59; Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1994; SSB/Schmidt-Aßmann/Schenk, 23. EL, 1/2012, Einl. Rn. 53; Maurer, in: FS Bethge, 535, 536; BVerfGE 30, 1, 25 („Abhör-Urteil“); 54, 277, 291 f. – „Revisionsannahme“; 83, 182, 194 – „Pensionistenprivileg“; 85, 337, 349 ff. 21 HStR VIII/Papier, § 176 Rn. 12; BVerfGE 54, 277, 291 f. – „Revisionsannahme“.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
Allein das Bestehen einer solchen Justizgewährungspflicht würde den rechtsstaatlichen Anforderungen jedoch nicht genügen. Die objektiv-rechtliche Pflicht wird daher in zweifacher Weise versubjektiviert: Erstens korrespondiert mit der Justizgewährungspflicht auf subjektivrechtlicher Ebene der allgemeine Justizgewährungsanspruch. Dieser wurde von der Rechtsprechung entwickelt22 und aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet.23 Er dient als Kompensation für das Selbsthilfeverbot und die allgemeine Friedenspflicht des Bürgers sowie für das staatliche Gewaltmonopol.24 Der allgemeine Justizgewährungsanspruch setzt, wie auch Art. 19 Abs. 4 GG, voraus, dass der Betroffene eine subjektive Rechtsverletzung geltend macht,25 und gewährt ebenfalls einen effektiven Rechtsschutz – sein Gewährleistungsgehalt ist hinsichtlich der Qualität bzw. Effektivität des Rechtsschutzes nahezu identisch mit jenem des Art. 19 Abs. 4 GG.26 Zweitens wurde Art. 19 Abs. 4 GG geschaffen. Hierbei handelt es sich um einen zum Grundrecht erhobenen, selbständigen Ausschnitt des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs.27 Er konkretisiert den allgemeinen Justizgewährungsanspruch für den Bereich der Rechtsverletzung durch die „öffentliche Gewalt“ und verdrängt diesen insoweit als Lex specialis.28 Der allgemeine 22 Vgl. BVerfGE 97, 169, 185 – „Kleinbetriebsklausel I“; 107, 395, 396 – „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“. 23 HStR VIII/Papier, § 176 Rn. 7 f., 25 f.; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 16; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 199; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 35; AK-GG/Ramsauer, 2001, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 27; SSB/Schmidt-Aßmann/Schenk, 23. EL, 1/2012, Einl. Rn. 53; BVerfGE 85, 337, 345; 88, 118, 123 – „Einspruchsfrist“; 93, 99, 107; 107, 395, 401 – „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“; 117, 71, 121 f. – „Strafrestaussetzung“. Durch die Anbindung des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs auch an Art. 2 Abs. 1 GG ist sichergestellt, dass seine Verletzung im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann (MSKB/Bethge, 53. EL, 2/2018, § 90 BVerfGG Rn. 275). 24 HStR II/Isensee, § 15 Rn. 83 ff., 93; Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1880; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 355; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 16; Sachs/Sachs, Art. 20 GG Rn. 162; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 35; SSB/Schmidt-Aßmann/Schenk, 23. EL, 1/2012, Einl. Rn. 53; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312. 25 Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 313. 26 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 891; AK-GG/Ramsauer, 2001, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 29; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 16; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 314; MSKB/Bethge, 53. EL, 2/2018, § 90 BVerfGG Rn. 276; SSB/SchmidtAßmann/Schenk, 23. EL, 1/2012, Einl. Rn. 53; BVerfGE 107, 395, 403 – „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“; 117, 71, 122 – „Strafrestaussetzung“. Für eine vollständige Gleichstellung Maurer, in: FS 50 Jahre BVerfG, 467, 493. Kritisch dagegen MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 358. 27 Sachs, VerfR II, Kap. 30 Rn. 3. 28 AK-GG/Ramsauer, 2001, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 28; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL,
B. Tatbestand
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Justizgewährungsanspruch findet folglich als Auffangrecht in jenen Fällen Anwendung, die von der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht umfasst sind.29
B. Tatbestand Zunächst ist zu untersuchen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG vorliegen. Die persönliche Anwendbarkeit dieses „Jedermann-Grundrechts“ ist gegeben.
I. Rechtsverletzung Der Tatbestand setzt voraus, dass der Grundrechtsträger in seinen Rechten verletzt ist. Entgegen dem Wortlaut muss die Rechtsverletzung nicht sicher feststehen, sondern es reicht bereits die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aus – die Prüfung der Frage, ob tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt, ist ja gerade Aufgabe des Gerichts, zu dem Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsweg eröffnen soll.30 An einer solchen Möglichkeit fehlt es nur dann, wenn „offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise“31 Rechte des Betroffenen verletzt sein können. Die mögliche Verletzung muss sich auf ein subjektiv-öffentliches Recht des Grundrechtsträgers beziehen.32 Diese Rechte werden von Art. 19 Abs. 4 GG nicht geschaffen, sondern gerade vorausgesetzt;33 das Grundrecht garantiert lediglich die effektive gerichtliche Geltendmachung bereits bestehender (materieller) Rechtspositionen. Ein subjektiv-öffentliches Recht ist die durch Normen begründete oder durch auf andere Weise (etwa durch Verwaltungsakt) im Einzelfall eingeräumte Rechtsmacht des Rechtsträgers, von einem Hoheitsträger ein Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen.34 Bei diesen 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 16; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 356; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 36; Sachs/Sachs, Art. 20 GG Rn. 162; SHH/Hofmann, Art. 19 GG Rn. 96; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 19 GG Rn. 34; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312; Stern, StaatsR I, S. 840; Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1880 f.; Maurer, in: FS Bethge, 535, 537; Gaier, NVwZ 2011, 385; vgl. auch BVerfGE 81, 347, 356; 116, 135, 149 f. – „Vergaberecht“. 29 BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 198; Lorenz, AöR 105 (1980), 623, 631; Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 890. 30 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 75 m.w.N. 31 BeckOK-GG/Enders, Art. 19 GG Rn. 64. 32 MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 390. 33 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 61. 34 MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 390; BeckOK-VwGO/Schmidt-Kötters, § 42 VwGO Rn. 143 f.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
Rechten kann es sich sowohl um Grundrechte als auch um sonstige Rechte handeln.35 Hinsichtlich der Ablieferung im Rahmen der Mobiliarvollstreckung wurde zuvor bereits die Verletzung des Eigentumsgrundrechts des Dritteigentümers bejaht. Doch auch für den Eigentumserwerb im Rahmen der Immobiliarvollstreckung ist eine Verletzung des Art. 14 GG nicht offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen. Das Ergebnis der hiesigen Untersuchung resultiert vielmehr aus einer sorgfältigen Beleuchtung der Angemessenheit. Insbesondere nach dem Rechtsgedanken der Adressatentheorie, nach der ein belastender Verwaltungsakt aufgrund der allgemeinen Freiheitsvermutung des Art. 2 Abs. 1 GG stets zu einer möglichen Rechtsverletzung des Adressaten führt,36 wird man auch bei dem vom Zuschlag betroffenen Dritteigentümer (des Grundstücks oder des Grundstückszubehörs) von einer möglichen Rechtsverletzung ausgehen müssen.
II. Öffentliche Gewalt 1. Definition Die Rechtsverletzung muss durch die „öffentliche Gewalt“ herbeigeführt werden. Der Begriff wird im Grundgesetz uneinheitlich verwendet. So zählen zur öffentlichen Gewalt i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG alle drei staatlichen Teilgewalten (Legislative, Exekutive, Judikative), insoweit im Einklang mit dem Verständnis der Staatsgewalt in den Art. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 2 S. 2 GG.37 Die öffentliche Gewalt i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG wird jedoch enger ausgelegt und umfasst lediglich Akte der vollziehenden Gewalt (die dafür wiederum im weitesten Sinne zu verstehen ist, dazu sogleich).38 Nicht vom Begriff der öffentlichen Gewalt ist die Rechtsprechung – allerdings nur im Sinne spruchrichterlicher Tätigkeit39 – umfasst.40 Art. 19 Abs. 4 GG gewährt demnach nur „Schutz durch den Richter, nicht gegen den Richter“.41 Zur Begründung wird häufig angeführt, dass die Anwendbarkeit des 35
BeckOK-VwGO/Schmidt-Kötters, § 42 VwGO Rn. 143. BeckOK-GG/Enders, Art. 19 GG Rn. 65 m.w.N. 37 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 48. 38 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 48, 53 m.w.N. 39 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 882; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 313. 40 So die h.M., siehe nur BeckOK-GG/Enders, Art. 19 GG Rn. 57; Kingreen/Poscher, StaatsR II, Rn. 1160; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 19 GG Rn. 45; siehe zur Rechtsprechung die folgende Fußnote. Nach a.A. soll Art. 19 Abs. 4 GG auch Rechtsschutz gegen den Richterspruch gewähren (MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 440 ff.; grundlegend Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 255 ff.; Voßkuhle, NJW 2003, 2193, passim). 41 So das BVerfG in ständiger Rechtsprechung, siehe BVerfGE 15, 275, 280 – „Verwaltungsakt“; 65, 76, 90 – „Offensichtlichkeitsentscheidung (Asylantrag)“; 107, 395, 403 – „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“; 138, 33, Rn. 17 – „Amtshilfe“. 36
B. Tatbestand
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Art. 19 Abs. 4 GG einen endlosen Rechtsschutz zur Folge hätte.42 Diese Argumentation ist jedoch inkonsequent, da bei Unanwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG der subsidiäre allgemeine Justizgewährungsanspruch eingreift. Angesichts des gleichen Gewährleistungsgehalts müsste sich das Problem eines Rechtsschutzes ad infinitum hier gleichermaßen stellen. Das BVerfG sprach in seinem Plenarbeschluss „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“ ein Machtwort zu dieser Frage und stellte klar, dass das Risiko eines unendlichen Rechtswegs weder bei Art. 19 Abs. 4 GG noch bei dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch droht, da in beiden Fällen die einmalige Einholung einer gerichtlichen Entscheidung, nicht aber ein Instanzenzug garantiert wird.43 Die Einengung des Begriffs der „öffentlichen Gewalt“ i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG hat, wie das Gericht ausführt, vielmehr historische Gründe: „Ziel der Normierung der Rechtsschutzgarantie in Art. 19 Abs. 4 war auf Grund historischer Erfahrungen der Schutz vor dem Risiko der Missachtung des Rechts durch ein Handeln der Exekutive.“44 Auch die Legislative45 ist von dem Begriff der öffentlichen Gewalt ausgenommen.46 Neben der zuvor erwähnten historischen Erwägung wird dies zutreffend vor allem damit begründet, dass die Verfassung für die Überprüfung formeller Gesetze mit der Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) sowie der abstrakten (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) und der konkreten (Art. 100 Abs. 1 GG) Normenkontrolle spezielle Verfahren vorsieht und diese als abschließend zu werten sind.47 Unter den Begriff der öffentlichen Gewalt fällt dagegen die Exekutive, die im weitesten Sinne zu verstehen ist.48 Zu ihr zählen etwa Akte von Regierung und Verwaltung sowie solche der Staatsanwaltschaft, der Justizverwaltung, juristischer Personen des öffentlichen Rechts oder Beliehener.49 Die weit ver-
42
Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 48; Hein, Urteil, S. 32. BVerfGE 107, 395, 401 f., 407 f. – „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“; hierzu Voßkuhle, NJW 2003, 2193, 2194. 44 BVerfGE 107, 395, 404 – „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“; vgl. auch Dreier/SchulzeFielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 48. 45 Gemeint ist damit allein die formelle, nicht die materielle Gesetzgebung, vgl. Michael/ Morlok, Grundrechte, Rn. 880 f. 46 So die h.M., siehe BVerfGE 24, 33, 49 ff. – „Finanzvertrag“; 24, 367, 401 – „Erste Deichentscheidung“; 25, 352, 365 – „Gnadenentscheidung“; 45, 297, 334 – „Hamburger U-Bahn“; 75, 108, 165 – „Künstlersozialversicherung“; BAGE 64, 315, 326; Ipsen, StaatsR II, Rn. 881. A.A. dagegen Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 50; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 93; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 435; Münch/Kunig/Krebs, Art. 19 GG Rn. 56. 47 Ipsen, StaatsR II, Rn. 881. 48 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 53. 49 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 53 m.w.N. 43
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
standene Exekutive ist in allen Erscheinungs- und Aktionsformen umfasst, soweit sie nach Maßgabe des öffentlichen Rechts handelt.50 2. Gerichtsvollzieher Der Gerichtsvollzieher ist gem. § 154 GVG zwar Teil der Justiz. Spruchrichterliche Tätigkeit nimmt er jedoch evident nicht wahr. Der von ihm bewirkte Ablieferungsakt unterfällt daher dem Begriff der öffentlichen Gewalt.51 3. Rechtspfleger Ob die Zuschlagsentscheidung des Rechtspflegers nach § 90 ZVG öffentliche Gewalt darstellt, ist dagegen zweifelhaft. Ordnet man den Beschluss als spruchrichterliche Tätigkeit, mithin als materielle Rechtsprechung ein, ist Art. 19 Abs. 4 GG nicht anwendbar; hierzu soll an späterer Stelle noch ausführlich Stellung genommen werden.52 Weitreichende Konsequenzen ergäben sich hieraus aufgrund des in diesem Falle einschlägigen allgemeinen Justizgewährungsanspruchs gleichwohl nicht. Die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG sei daher zunächst als Arbeitshypothese unterstellt.
C. Rechtsfolge: Rechtswegeröffnung Gemäß dem Wortlaut des S. 1 eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG dem Grundrechtsträger den Rechtsweg. Die Schaffung des Rechtsweges, d.h. der konkreten gerichtlichen Institutionen und Verfahren, im Rahmen derer erst der gebotene Rechtsschutz erfolgen kann – mithin die genauere Bestimmung der staatlichen Leistung –, obliegt dem Gesetzgeber.53 Durch einfaches Recht regelt dieser zugleich Inhalt wie auch Grenzen des Rechtsschutzes; einen davon losgelösten „Rechtsschutz an sich“ gibt es nicht.54 Die Rechtsschutzgarantie ist mithin ein normgeprägtes Grundrecht.55 50
HStR VIII/Papier, § 177 Rn. 32; SSB/Schmidt-Aßmann/Schenk, 23. EL, 1/2012, Einl. Rn. 16. 51 Siehe nur Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 62; Raue, Enteignungsbegriff, S. 68. Darauf, ob der Gerichtsvollzieher zur Exekutive im engeren Sinne gehört, braucht an dieser Stelle noch nicht eingegangen zu werden (hierzu unter 4. Teil B. I. 2.). 52 S.u. 4. Teil B. 2. a) cc). 53 BoK/Schenke, 138. EL, 2/2009, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 34; BeckOK-GG/Enders, Art. 19 GG Rn. 52; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 12, 139. 54 Maurer, in: FS 50 Jahre BVerfG, 467, 489. 55 Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1888 m.w.N.; BeckOK-GG/Enders, Art. 19 GG Rn. 52; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 42; Kingreen/Poscher, StaatsR II, Rn. 1158. Vgl. auch BVerfGE 10, 264, 268 – „Kostenvorschuss“: „Deshalb ist nie bezweifelt worden, daß Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsweg nur im Rahmen der jeweils geltenden Prozeßordnungen gewährleistet“.
C. Rechtsfolge: Rechtswegeröffnung
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Bei der Ausgestaltung kommt dem Gesetzgeber ein erheblicher Spielraum zu.56 Gänzlich frei ist er dabei jedoch nicht. Für Art. 19 Abs. 4 GG reicht es nicht aus, dass überhaupt in irgendeiner Weise ein Rechtsweg eröffnet ist, sei es auch nur eine formelle Möglichkeit.57 Das Grundrecht gewährleistet einen effektiven,58 d.h. auf eine tatsächlich wirksame, möglichst wirkungsvolle Kontrolle gerichteten Rechtsschutz59 und gibt damit in den Worten des BVerfG „die Zielrichtung und die Grundzüge der Regelung vor“60. Der Verletzung eines subjektiven Rechts muss auf dem Gerichtswege grundsätzlich in irgendeiner Weise abgeholfen werden, die bloße Feststellung der Rechtsverletzung durch das Gericht genügt demgegenüber den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG regelmäßig nicht.61 Gleichwohl darf das Gebot der Rechtsschutzeffektivität nicht schlichtweg im Sinne einer Rechtsschutzmaximierung verstanden werden.62 Denn bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzes hat der Gesetzgeber auch andere, mitunter gegen die Ausweitung des Rechtsschutzes sprechende Gesichtspunkte zu beachten, insbesondere den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz der Rechtssicherheit sowie die Interessen anderer Beteiligter. Diese Belange hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzes, ebenso wie auch die der Art und Wertigkeit des betroffenen subjektiven Rechts sowie die Schwere der Beeinträchtigung, im Rahmen einer umfassenden Abwägung zu
56
Sodan/Sodan, Art. 19 GG Rn. 27. Vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 80. 58 Das Effektivitätsgebot ist zwar nicht im Wortlaut des Art. 19 Abs. 4 GG verankert, es wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht aus ihm entwickelt und ist heute allgemein anerkannt (Maurer, in: FS 50 Jahre BVerfG, 467, 487). 59 BeckOK-GG/Enders, Art. 19 GG Rn. 72; vgl. BVerfGE 35, 263, 274 – „Nachbarklage“; 118, 168, 207 – „Kontenabfrage“; 149, 346, Rn. 34 – „Europäische Schule“. 60 BVerfGE 118, 168, 207 – „Kontenabfrage“. 61 Morlok, Verfahrensfehler, S. 69; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 280 ff.; HStR VIII/Papier, § 177 Rn. 90; Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1973 f.; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 138; vgl. auch Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 147; Morlok, VERW 1992, 371, 377. Diesen „Abhilfegrundsatz“ anerkennt auch das BVerfG in ständiger Rechtsprechung. In seiner „Sasbach“-Entscheidung (BVerfGE 61, 82) führte das BVerfG hierzu aus: „Zur Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehört vor allem, daß der Richter – bezogen auf das als verletzt behauptete Recht – eine hinreichende Prüfungsbefugnis […] hat sowie über eine zureichende Entscheidungsmacht verfügt, um einer erfolgten oder drohenden Rechtsverletzung wirksam abzuhelfen“ (Leitsatz zu 2. a), der sich auf die S. 109 ff. bezieht). Sehr ähnlich BVerfGE 101, 106, 123 – „Verwaltungsbehörde“. Siehe auch BVerwGE 94, 100, 114: „Es ist Aufgabe effektiven Rechtsschutzes, rechtswidrige Beeinträchtigungen, welche einem Träger hoheitlicher Macht zuzurechnen sind, zu beseitigen. Das ist nicht nur rechtspolitisch zu fordern, sondern ein Grundsatz geltenden Rechts“. 62 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 81. 57
86
3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
berücksichtigen.63 Art. 19 Abs. 4 GG fordert daher i.E. „nur“ eine angemessene, d.h. verhältnismäßige, Ausgestaltung des Rechtsschutzes.64 Die Frage der Angemessenheit hängt dabei vom konkreten Einzelfall ab.65 Allgemein darf der Gesetzgeber den Rechtsschutz, wie das Bundesverfassungsgericht regelmäßig betont, nicht „in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise“66 erschweren.67 Eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG ist demnach nur bei Verstoß gegen das Untermaßverbot zu bejahen.68 In diesem Fall wird die staatlich geschuldete Leistung einer effektiven Rechtsschutzgewährung nicht erbracht.69
63 Vgl. Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 886, 888; HStR VIII/Papier, § 177 Rn. 60; Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1933 f.; Maurer, in: FS 50 Jahre BVerfG, 467, 489; Remmert, Jura 2014, 906, 912; Gaier, NVwZ 2011, 385, 386; siehe auch BVerfGE 60, 253, 267 – „Asylverfahren“: „Denn die Verfassung ist ein Sinngefüge, bei dem einzelne Gewährleistungen, und mithin auch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, so auszulegen sind, daß auch anderen Verfassungsnormen und -grundsätzen nicht Abbruch getan wird“. Der Umstand, dass bei der Ausgestaltung auch andere Rechtspositionen von Verfassungsrang berücksichtigt werden müssen, legt es nahe, insoweit von „verfassungsimmanenten Grundrechtsschranken“ des Art. 19 Abs. 4 GG zu sprechen, wie es denn auch häufiger getan wird (vgl. etwa MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 381). Dies ist jedoch dogmatisch nicht korrekt. Der von Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebene Ausgestaltungsauftrag wird unmittelbar durch andere Verfassungsbelange mitgeprägt. Es gibt keine höheren inhaltlichen Anforderungen, die Art. 19 Abs. 4 GG stellen würde und die durch kollidierende Belange abgesenkt würden. Daraus folgt, dass ein rechtfertigungsfähiger „Eingriff“ in die Rechtsschutzgarantie nicht möglich ist. Wenn der Gesetzgeber einen Rechtsschutz vorsieht, der unter Abwägung aller Belange nicht hinreichend effektiv ist, und er damit seinen Gestaltungsspielraum überschreitet, liegt stets eine nicht zu rechtfertigende Verletzung der Rechtsschutzgarantie vor. Vgl. zum Ganzen Kingreen/Poscher, StaatsR II, Rn. 1177; BeckOK-GG/Enders, Art. 19 GG Rn. 53; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 81, 140 f.; Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1933 f.; Kloepfer, VerfR II, § 74 Rn. 35; Maurer, in: FS 50 Jahre BVerfG, 467, 489 f.; Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 151 ff. 64 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 886; vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 81; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 376; BVerfGE 60, 253, 267 – „Asylverfahren“. 65 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 886. Wichtige Aspekte sind etwa die Verfahrensdauer, die Rechtzeitigkeit, die Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit der Entscheidung sowie die Vollständigkeit der Nachprüfung (vgl. Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 143 ff.). 66 So bereits BVerfGE 10, 264, 268 – „Kostenvorschuss“. Vgl. auch BVerfGE 77, 275, 284 – „Rechtsbehelfsfrist“; 88, 118, 123 – „Einspruchsfrist“; 101, 397, 408 – „Nachlasspfleger“. 67 Maurer, in: FS 50 Jahre BVerfG, 467, 489. 68 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 886; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 81; Remmert, Jura 2014, 906, 912 ff. 69 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 84; Sachs, in: Stern, Stern III/2, S. 220.
D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten
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D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten anhand des grundrechtlichen Maßstabs I. Bestehende Rechtsschutzmöglichkeiten des Dritteigentümers Nachfolgend ist zu untersuchen, ob für den Dritteigentümer bei der Vollstreckung in sein Eigentum ein angemessener Rechtsschutz gewährleistet ist. Zunächst sollen dazu die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten im Überblick dargestellt werden. 1. Mobiliarvollstreckung a) Drittwiderspruchsklage In der Mobiliarvollstreckung kann der Dritteigentümer bei der Vollstreckung in sein Eigentum die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben. Zwar ist selbst das Eigentum als stärkstes und vollkommenstes Recht70 an einer Sache kein „die Veräußerung hinderndes Recht“, wie es die Norm fordert. Der Wortlaut wird jedoch gemeinhin als missglückt angesehen71 und das Vorliegen eines solchen Rechts dann bejaht, wenn sich die Veräußerung des Vollstreckungsobjekts durch den Schuldner dem berechtigten Dritten gegenüber als rechtswidrig darstellen würde.72 Dies ist bei bestehendem Dritteigentum der Fall.73 Mit dem stattgebenden Urteil wird die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt, wodurch der Dritteigentümer nach §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO ihre Einstellung und Aufhebung erreichen kann.74 Die Klage ist ab Beginn der Vollstreckung (Pfändung) bis zu ihrer Beendigung durch die Erlösauskehr zulässig.75 Nach erfolgter Ablieferung kann der Dritteigentümer durch sie den durch die dingliche Surrogation an die Stelle des Pfandobjekts getretenen Erlös herausverlangen. b) Erinnerung Der Dritteigentümer kann zudem ggf. nach § 766 ZPO Erinnerung einlegen. Mit diesem Rechtsbehelf kann er gerichtlich überprüfen lassen, ob der Gerichtsvollzieher recht- und zweckmäßig gehandelt hat. Er kann mithin Ver-
70
Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 41 Rn. 36. Vgl. nur MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, § 771 ZPO Rn. 16. 72 Vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 41 Rn. 36 m.w.N.; BGHZ 55, 20, 26; 72, 141, 145; 95, 10, 15. 73 Allgemeine Meinung, siehe nur MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, § 771 ZPO Rn. 17 m.w.N. 74 BeckOK-ZPO/Preuß, § 771 ZPO Rn. 51. 75 Musielak/Voit/Lackmann, § 771 ZPO Rn. 9. 71
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fahrensfehler rügen, sofern die Verfahrensvorschrift (auch) seinem Schutz dient.76 Ein solcher Verfahrensfehler liegt insbesondere dann vor, wenn der Gerichtsvollzieher evidentes Dritteigentum pfändet, § 71 Abs. 2 S. 1 GVGA. Dies ist zu bejahen, wenn nach den äußeren Umständen kein vernünftiger Zweifel an dem Vorliegen von Dritteigentum besteht77 – etwa (jedoch einzelfallabhängig) bei Sachen, die einem Handwerker zur Reparatur überlassen wurden.78 Ist die Erinnerung begründet, wird die einzelne Vollstreckungsmaßnahme für unzulässig erklärt, wodurch ebenfalls die Einstellung und Aufhebung der Zwangsvollstreckung nach §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO erreicht werden kann.79 Pfändet der Gerichtsvollzieher das evidente Eigentum des Dritteigentümers, so bleibt es diesem überlassen, ob er aufgrund seines Interventionsrechts Drittwiderspruchsklage erhebt oder den Verfahrensverstoß mit der Erinnerung rügt. Er kann auch beides tun.80 c) Antrag auf gerichtliche Entscheidung Nach der bislang vereinzelt gebliebenen81 Ansicht Nikolaous besteht für den Dritteigentümer darüber hinaus die Möglichkeit, den Ablieferungsakt nachträglich mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG anzugreifen.82 Bei der Versteigerung von Dritteigentum habe das Gericht die Ablieferung nach § 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG aufzuheben.83 Der Eigentumsverlust des Dritten wäre demnach nicht endgültig. Gem. § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG entscheiden die ordentlichen Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden. Zu Recht wirft Nikolaou zunächst die Frage auf, ob die Ablieferung als eine solche Maßnahme, mithin als sog. Justizverwaltungsakt, qualifiziert werden kann.84 Diese von ihm bejahte Frage bedarf an dieser Stelle85 jedoch keiner weiteren Diskussion, da Nikolaous These schon aus einem anderen Grund abzulehnen ist: Ein Rechtsschutz nach 76
Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 37 Rn. 4, 9; Blomeyer, ZPR, § 31 IV 3. b). BGH NJW 1957, 1877. 78 Vgl. § 71 Abs. 2 GVGA mit weiteren Beispielen. 79 Musielak/Voit/Lackmann, § 766 ZPO Rn. 30. 80 BeckOK-ZPO/Preuß, § 771 ZPO Rn. 56. 81 Vgl. Raue, Enteignungsbegriff, S. 68. 82 Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 110 ff. 83 Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 117. 84 Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 111. 85 S.u. 4. Teil B. II. 77
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§§ 23 ff. EGGVG ist bereits durch § 23 Abs. 3 EGGVG ausgeschlossen. Die Vorschrift ordnet die Subsidiarität des Verfahrens nach §§ 23 ff. EGGVG an, soweit die ordentlichen Gerichte schon aufgrund anderer Vorschriften angerufen werden können. Um eine solche andere Vorschrift handelt es sich bei der Erinnerung gegen Maßnahmen des Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung nach § 766 ZPO.86 Die §§ 23 ff. EGGVG sind somit gesperrt. Wenn Nikolaou meint, die §§ 23 ff. EGGVG seien gleichwohl anwendbar,87 so geht dies fehl. Er begründet seinen Standpunkt damit, dass der Anwendungsausschluss des § 23 Abs. 3 EGGVG nur den Geltungsbereich des § 766 ZPO umfasse, mithin nur Verfahrensverletzungen des Gerichtsvollziehers betreffe. Da die Ablieferung von Dritteigentum keinen Verfahrensfehler, sondern einen inhaltlichen Fehler darstelle, § 766 ZPO somit nicht eingreife und es auch keinen anderen Rechtsbehelf gegen den Ablieferungsakt gebe, könne auf §§ 23 ff. EGGVG zurückgegriffen werden.88 Dabei verkennt Nikolaou jedoch, dass bezüglich der Frage der Subsidiarität nach § 23 Abs. 3 EGGVG alleine die grundsätzliche Anfechtungsmöglichkeit89 maßgebend ist. Die Subsidiaritätsklausel greift auch in solchen Fällen ein, in denen einzelne Sachverhalte oder bestimmte Rechtsfehler von den jeweiligen Rechtsbehelfen nicht erfasst werden90 oder deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind.91 Die §§ 23 ff. EGGVG sind daher gegenüber der Erinnerung nach § 766 ZPO subsidiär, obgleich der Dritteigentümer den Ablieferungsakt durch sie nicht anfechten kann. d) Bereicherungsanspruch Nach der Ablieferung verbleibt dem Dritteigentümer nur sein Bereicherungsanspruch gegen den Gläubiger nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB, mit dem er die Erlösherausgabe verlangen kann. Wie bereits dargestellt, handelt es sich hierbei allerdings um keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Verletzung des Eigentumsrechts, sondern nur um eine wirtschaftliche Kompensation.
86 Allgemeine Ansicht, siehe nur MüKo-ZPO/Pabst, § 23 EGGVG Rn. 11; Zöller/ Lückemann, § 23 EGGVG Rn. 10; Conrad, Justizverwaltungsakt, S. 180; Baumbach/Lauterbach/Weber, § 766 ZPO Rn. 12; OLG Köln BeckRS 2000, 5655. 87 Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 113. 88 Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 113. 89 Vgl. KK-StPO/Mayer, § 23 EGGVG Rn. 2; OLG Karlsruhe NStZ 2016, 126. 90 OLG Karlsruhe NStZ 2016, 126; OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2005, 220; ZInsO 2009, 242. 91 KG MDR 1982, 155. Selbiges gilt, wenn die Voraussetzungen noch nicht (OLG Karlsruhe NJW 1995, 1976) oder nicht mehr erfüllt sind (OLG Frankfurt a.M. NJW 1998, 1165). Zum Ganzen BeckOK-GVG/Köhnlein, § 23 EGGVG Rn. 47.
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2. Immobiliarvollstreckung a) Drittwiderspruchsklage, Erinnerung und sofortige Beschwerde Auch in der Immobiliarvollstreckung kann der Dritteigentümer die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben. Die Verletzung drittschützender Verfahrensvorschriften durch Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts kann er ebenfalls mit der Erinnerung nach § 766 ZPO rügen, bei Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts ist die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO statthaft.92 Anders als in der Mobiliarvollstreckung, in der ein Verfahrensverstoß durch die Pfändung evidenten Dritteigentums in Betracht kommt, ist die Rüge von Verfahrensfehlern in der Immobiliarvollstreckung für die hiesige Untersuchung jedoch nicht weiter von Belang. b) Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss Gegen den Zuschlag selbst sieht das ZVG in §§ 96 ff. das Rechtsmittel der Beschwerde vor. Ist diese erfolgreich, wird mit Rechtskraft der Entscheidung der Zuschlag aufgehoben, wodurch seine materiell-rechtlichen Folgen ex tunc entfallen. Das Grundstückseigentum fällt also vom Ersteigerer rückwirkend auf den Dritteigentümer zurück.93 Anders als die Ablieferung nach § 817 Abs. 2 ZPO ist der privatrechtsgestaltende Hoheitsakt, der dem Dritten sein Eigentum entzieht, also grundsätzlich anfechtbar. Ein repressiver Rechtsschutz wird dem Dritteigentümer dadurch dennoch nicht gewährt. Zwar ist der Dritte beschwerdeberechtigt. Dafür verlangt § 97 Abs. 1 ZVG die Beteiligteneigenschaft i.S.d. § 9 ZVG oder die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu einer der aufgezählten Personengruppen, die für den Dritteigentümer jedoch nicht einschlägig sind. Nach § 9 Nr. 2 ZVG erfordert die Beteiligteneigenschaft bei denjenigen, die ein der Zwangsvollstreckung entgegenstehendes Recht haben – dazu zählt auch das Eigentumsrecht des Dritten –, eine Anmeldung dieses Rechts beim Vollstreckungsgericht. Meldet der Dritte sein Recht nicht an, ist er folglich nicht „Beteiligter“. Die Beschwerdeberechtigung ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn die Beteiligteneigenschaft bereits zum Zeitpunkt der Verkündung der Zuschlagsentscheidung bestand.94 Für den Fall des § 9 Nr. 2 ZVG sieht § 97 Abs. 2 ZVG jedoch vor, dass die Anmeldung und Glaubhaftmachung des Rechts bei dem Beschwerdegericht genügt.
92 Vertiefend und zur umstrittenen Abgrenzung zwischen § 766 und § 793 ZPO BeckOKZPO/Preuß, § 766 ZPO Rn. 12 ff. 93 Vgl. HK-ZV/Michelsen, § 101 ZVG Rn. 5; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 90 ZVG Rn. 25; Hb ZVR/Morvilius, Rn. 640. 94 Böttcher/Böttcher, § 97 ZVG Rn. 2; OLG Hamm Rpfleger 1989, 421.
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Auch die Beschwerdefrist bereitet keine Schwierigkeiten. Dies gilt selbst dann, wenn der Dritte erst nach erheblichem Zeitablauf von dem Zuschlag erfährt. § 96 ZVG erklärt die §§ 567 ff. ZPO für anwendbar, sofern sich aus den §§ 97–103 ZPO nichts Abweichendes ergibt. Mangels Sonderregelung gilt die Notfrist von zwei Wochen gem. § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Frist beginnt nach § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens jedoch mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses.95 Da an den Dritten keine Zustellung erfolgt, gilt die zweite Alternative. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs enthält diese jedoch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass zumindest eine Bekanntgabe der Entscheidung an den Beschwerdeberechtigten erfolgte. Ist dies nicht der Fall, beginnt auch diese Frist nicht zu laufen.96 Es verbleibt dann lediglich die Möglichkeit der Verwirkung.97 Mangels Bekanntgabe des Zuschlagsbeschlusses kann der Dritte somit grundsätzlich zeitlich unbegrenzt Beschwerde gegen diesen einlegen. Die Zulässigkeit seiner Beschwerde hilft dem Dritten jedoch letztlich wenig, da diese stets unbegründet ist. Dies folgt aus § 100 ZVG: In Abs. 1 sind abschließend98 diejenigen Gründe aufgezählt, die der Beschwerdeführer mit dem Rechtsmittel geltend machen kann, insbesondere bei Verletzung der dort genannten Verfahrensvorschriften. In Betracht kommt allein eine Verletzung des § 83 Nr. 5 ZVG. Nach der Norm ist der Zuschlag zu versagen, wenn der Zwangsversteigerung das Recht eines Beteiligten entgegensteht. Wie jedoch zuvor ausgeführt, setzt die Beteiligteneigenschaft des Dritteigentümers die Anmeldung und Glaubhaftmachung seines Rechts voraus. Hat er dies im Vollstreckungsverfahren (mangels Kenntnis) unterlassen, war er kein Beteiligter, sodass der Zuschlag nicht nach § 83 Nr. 5 ZVG zu versagen war. Die Norm ist daher nicht verletzt. c) Widerspruch gegen den Verteilungsplan und Bereicherungsanspruch Nach dem Zuschlag bestimmt das Gericht gem. § 105 Abs. 1 ZVG einen Termin zur Verteilung des Erlöses. In diesem Termin wird gem. § 113 Abs. 1 ZVG ein Teilungsplan erstellt, der später durch entsprechende Zahlungen des Erlöses ausgeführt wird, § 117 Abs. 1 S. 1 ZVG. Gegen diesen Teilungsplan kann der Dritteigentümer Widerspruch und, sofern nicht alle Beteiligten den 95 Für den Fristbeginn enthält § 98 ZVG zwar Sonderregeln, diese betreffen jedoch nur die Fälle der Beschwerde gegen die Zuschlagsversagung bzw. der Beschwerde gegen die Zuschlagserteilung für die Beteiligten, welche im Versteigerungstermin oder im Verkündungstermin erschienen waren. 96 Wieczorek/Schütze/Jänich, § 569 ZPO Rn. 8; vgl. auch MüKo-ZPO/Lipp, § 569 ZPO Rn. 6; Stein/Jonas/Jacobs, § 569 ZPO Rn. 4. 97 Stein/Jonas/Jacobs, § 569 ZPO Rn. 4. 98 Böttcher/Böttcher, § 100 ZVG Rn. 1; HK-ZV/Michelsen, § 100 ZVG Rn. 1.
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Widerspruch als begründet anerkennen, Widerspruchsklage erheben. Diesbezüglich verweist § 115 Abs. 1 S. 2 ZVG auf die allgemeinen Regeln der §§ 876 ff. ZPO. Auf diese Weise kann der Dritte erreichen, dass der Erlös an ihn ausgezahlt wird. Der Widerspruch ist jedoch, ebenso wie der nach Erlösauskehr gegen die Erlösempfänger bestehende Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB, allein auf die Erlangung des Erlöses gerichtet. 3. Rechtsschutz durch Verfassungsbeschwerde Nicht unerwähnt bleiben soll zuletzt die Frage, ob die Möglichkeit der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde eine Rechtsschutzgewährung i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG darstellt. Schließlich kann das BVerfG99 auf diesem Wege die Grundrechtsverletzung des Dritteigentümers feststellen und den eigentumsentziehenden Rechtsakt nach § 95 Abs. 2 Alt. 1 BVerfGG aufheben.100 Problematisch ist dabei, dass die Verfassungsbeschwerde gem. § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG101 erst nach Erschöpfung des Rechtsweges erhoben werden kann. Hat der Dritteigentümer von dem Rechtsbehelf des § 771 ZPO keinen Gebrauch gemacht, so könnte es an dieser Voraussetzung fehlen. Hatte er jedoch – unverschuldet – keine Kenntnis von der Vollstreckung in sein Eigentum, erscheint es nicht ausgeschlossen, eine Unzumutbarkeit der Rechtswegerschöpfung anzunehmen; in solchen, allerdings eher restriktiv gehandhabten Fällen102 macht das BVerfG eine Ausnahme von der Zulässigkeitsvoraussetzung der Rechtswegerschöpfung.103 Einer näheren Auseinandersetzung bedarf es jedoch nicht. Denn die Verfassungsbeschwerde stellt keinen Rechtsschutz i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG dar, wie insbesondere das BVerfG selbst mehrfach klarstellte.104 Obgleich eine 99 Die folgenden Ausführungen gelten gleichermaßen für die Verfassungsbeschwerde vor den Landesverfassungsgerichten. 100 Der Terminus „Entscheidung“ i.S.d. Norm ist weit zu verstehen und umfasst jede hoheitliche Maßnahme, die den Beschwerdeführer mit einer Einzelfallregelung belastet (Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 89; vgl. BeckOK-BVerfGG/von Ungern-Sternberg, § 95 BVerfGG Rn. 17 m.w.N.). 101 Verfassungsrechtliche Grundlage dieser Beschränkung ist Art. 94 Abs. 2 S. 2 GG. 102 Vgl. die Beispiele in Benda/Klein/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn. 589 f. 103 Benda/Klein/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn. 589. 104 BVerfGE 79, 365, 367; BVerfG (K) NVwZ 1998, 169, 170; vgl. auch BVerfGE 1, 4, 5 – „Urteilsverfassungsbeschwerde“; 1, 332, 344; 68, 376, 379 f.; 107, 395, 413 ff. – „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“; ebenso Mayer, in: FS Heydte, 1067, 1072; AK-GG/Ramsauer, 2001, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 85; Friesenhahn, DV 1949, 478, 483; Leibold, Verfassungsbeschwerde, S. 43; vgl. auch Bericht der Kommission zur Entlastung des BVerfG, S. 70; a.A. die wohl h.L., u.a. BoK/Schenke, 151. EL, 4/2011 und 138. EL, 2/2009, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 89 ff. m.w.N. zu beiden Ansichten; BerK-GG/Ibler, 6. EL, 10/2002, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 176; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 449 (abweichend noch die 2. Aufl. des Werks, siehe dort Anm. VII 5 b zu Art. 19 GG); Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 19 GG Rn. 55; Münch/Ku-
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Rechtsverfolgung mithilfe der Verfassungsbeschwerde möglich ist, sind die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG durch die Fachgerichte zu erfüllen.105 Die Verfassungsbeschwerde stellt demgegenüber einen außerordentlichen Rechtsbehelf dar, der auf den Schutz der Grundrechte beschränkt ist.106 Schon aufgrund dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs sowie angesichts des Annahmeerfordernisses nach § 93a BVerfGG unterfällt die Verfassungsbeschwerde nicht der Rechtsschutzgarantie.107 Vor allem aber folgt dies aus dem Wortlaut des bereits erwähnten § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG, der als Zulässigkeitserfordernis die „Erschöpfung des Rechtswegs“ fordert – hieraus resultiert, dass die Verfassungsbeschwerde selbst gerade nicht dem „Rechtsweg“ zugerechnet werden kann.108 Gleichwohl überrascht es, dass diese keineswegs unumstrittene Frage einer Rechtsschutzgewährung durch die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde insbesondere von jenen Stimmen, die im Zwangsvollstreckungsrecht eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG bejahen,109 überhaupt nicht angesprochen wird. Dieser Umstand lässt darauf schließen, dass auch jene Autoren die Verfassungsbeschwerde stillschweigend nicht dem Rechtsschutzregime des Art. 19 Abs. 4 GG zuordnen. 4. Zwischenergebnis Es fällt auf, dass sich der Dritteigentümer sowohl in der Mobiliar- als auch in der Immobiliarvollstreckung nur präventiv gegen seinen Eigentumsverlust zur Wehr setzen kann. Ihm steht dafür vor allem die Drittwiderspruchsklage zur Verfügung. In der Mobiliarvollstreckung kann er zudem Erinnerung einlegen, wenn es sich bei dem Pfandobjekt um evidentes Dritteigentum handelt, was jedoch regelmäßig nicht der Fall ist. Ein repressiver Rechtsbehelf steht dem Dritteigentümer dagegen in keinem Fall zur Verfügung.
II. Erfüllung der inhaltlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG Nachfolgend ist zu prüfen, ob die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten als hinreichend effektiv angesehen werden können oder ob das Untermaßnig/Krebs, Art. 19 GG Rn. 69 (allerdings von der Prämisse ausgehend, dass auch die Legislative „öffentliche Gewalt“ i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG darstellt). Siehe zum Streitstand auch Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1944 f. m.w.N. 105 BVerfGE 107, 395, 415 – „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“. 106 BVerfGE 1, 332, 344; 49, 252, 258 – „Versagung rechtlichen Gehörs“; 57, 170, 180 – „Untersuchungshaft“; 68, 376, 379; 107, 395, 413 – „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“. 107 BVerfG NVwZ 1998, 169, 170; vgl. AK-GG/Ramsauer, 2001, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 85. 108 Vgl. Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1945. 109 Hierzu mit Nachweisen unter D. II. 4.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
verbot verletzt ist. Eingegangen wird dabei zunächst auf die besonders kritischen Punkte des vollstreckungsrechtlichen Rechtsschutzes, um zu untersuchen, ob diese generell mit Art. 19 Abs. 4 GG zu vereinbaren sind. 1. Möglichkeit der Verweisung auf präventiven Rechtsschutz Als Erstes drängt sich dabei die Frage auf, ob die Gewährung eines bloß präventiven Rechtsschutzes grundsätzlich den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügen kann. a) Grundsatz des repressiven Rechtsschutzes Art. 19 Abs. 4 GG geht ausweislich seines Wortlautes („Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen“, Hervorhebung durch Verf.) grundsätzlich von der Gewährung eines repressiven Rechtsschutzes aus.110 Der Betroffene soll erst nach einer erfolgten Rechtsverletzung die Gerichte anrufen können. Dies erklärt sich daraus, dass bei Verwaltungshandeln – als klassische Form der Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.d. Norm – einer faktischen Beeinträchtigung in aller Regel zunächst ein belastender Verwaltungsakt vorausgeht.111 Für diese Fälle wurde die Norm konzipiert; der Gesetzgeber erachtete den repressiven Rechtsschutz insoweit als sachgemäß.112 Gleichwohl ist allgemein anerkannt, dass sich Art. 19 Abs. 4 GG nicht ausschließlich auf die Gewährleistung repressiven Rechtsschutzes beschränkt. So entfaltet die Rechtsschutzgarantie eine „Vorwirkung“ auf das Verwaltungsverfahren: Dieses muss so ausgestaltet sein, dass gerichtlicher Rechtsschutz nicht vereitelt oder unzumutbar erschwert wird.113 Begründet wird dies mit dem funktionalen Zusammenhang zwischen Verwaltungsverfahren und gerichtlicher Kontrolle.114 Die Vorwirkung auf das Verwaltungsverfahren gebietet bspw. eine Pflicht zur Aktenführung hinsichtlich aller Vorgänge, die potentiell zu unmittelbaren Rechtsverletzungen von Grundrechtsträgern führen können.115
110 MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 467; vgl. BoK/Schenke, 143. EL, 12/2009, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 644. 111 AK-GG/Ramsauer, 2001, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 96. 112 Vgl. AK-GG/Ramsauer, 2001, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 96. 113 BVerfGE 22, 49, 81 f. – „Strafgewalt der Finanzämter“; 61, 82, 110 – „Sasbach“; Münch/Kunig/Krebs, Art. 19 GG Rn. 72; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 491. 114 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 87; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 26; grundlegend Schwarze, Zusammenhang, passim. 115 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 88; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 255.
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Darüber hinaus umfasst die Rechtsschutzgarantie auch präventive Rechtsschutzmöglichkeiten. Sie erfordert diese sogar mitunter zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes, wenn ansonsten irreparable Schäden drohen und ein nachträglicher Rechtsschutz die Beeinträchtigung daher nicht mehr zu korrigieren vermag.116 Dies betrifft insbesondere rechtswidrige Realakte,117 ist aber nicht auf solche beschränkt. So muss bspw. auch ein rechtswidrig übergangener Mitbewerber präventiv gegen die Beamtenernennung eines Konkurrenten vorgehen können, weil diese wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität grundsätzlich118 nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.119 b) Möglichkeit eines rein präventiven Rechtsschutzes Im hiesigen Zusammenhang ist jedoch fraglich, ob der Gesetzgeber auch in solchen Fällen einen rein präventiven Rechtsschutz vorsehen darf, in denen ein nachträglicher Rechtsschutz die Rechtsverletzung durchaus noch korrigieren könnte, da keine unumkehrbaren Folgen eintreten. Erstaunlicherweise sieht sich die Verfassungsrechtslehre zu einer Befassung mit dieser Frage nicht veranlasst, während andererseits die Zivilprozessualisten nahezu geschlossen keinerlei Rechtsschutzproblematik bei dem vollstreckungsrechtlichen Eigentumserwerb erkennen wollen. Nicht nur hier macht sich eine gewisse Unstimmigkeit zwischen den beiden Rechtsgebieten bemerkbar.120 Jedenfalls darf, auch wenn Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich auf die Gewährung eines repressiven Rechtsschutzes gerichtet ist, nicht vergessen werden, dass die Ausgestaltung des Rechtsschutzes stets unter Berücksichtigung und Abwägung aller relevanten Interessen erfolgen muss. Dabei gibt es durchaus sachliche Erwägungen, die sich für die Einrichtung eines ausschließlich präventiven Rechtsschutzes anführen lassen. So stärkt ein solcher etwa die Rechtssicherheit, vermeidet Probleme bei der Folgenbeseitigung und trägt den Belangen begünstigter Dritter mitunter besser Rechnung.121 Liegen hinreichend gewichtige Gründe vor, kann daher grundsätzlich auch
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Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 148; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 467; BoK/Schenke, 143. EL, 12/2009, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 644 ff.; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 107; Münch/Kunig/Krebs, Art. 19 GG Rn. 70; Lorenz, Rechtsschutz, S. 138 ff. 117 BoK/Schenke, 143. EL, 12/2009, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 644. 118 Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn der Mitbewerber daran gehindert wurde, seine präventive Rechtsschutzmöglichkeit in Anspruch zu nehmen (Battis/Battis, § 9 BBG Rn. 28 m.w.N.). 119 So die h.M., vgl. MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 467; ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen Battis/Battis, § 9 BBG Rn. 28. 120 Noch eklatanter tritt dies bei der unter 4. Teil B. I. a) bb) (1) dargestellten Problematik zum Vorschein. 121 Raue, Enteignungsbegriff, S. 70 f.
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die Gewährung rein präventiver Rechtsschutzmittel verfassungsrechtlich zulässig sein.122 c) Rechtsschutz bei Enteignungen nach Maßgabe der landesrechtlichen Enteignungsgesetze Dass eine präventive Rechtsschutzgewährung den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügen kann, belegt auch ein Blick auf das Enteignungsrecht. Hier ordnen diverse Fachgesetze (z.B. § 22 Abs. 2 AEG, § 19 Abs. 2 FStrG oder § 45 Abs. 2 EnWG, § 44 Abs. 2 WaStrG, § 28 Abs. 2 LuftVG) an, dass dem eigentlichen Enteignungsverfahren, für welches sie selbst regelmäßig123 nur unvollständige Regelungen enthalten und im Übrigen auf die Enteignungsgesetze der Länder verweisen,124 ein Planfeststellungsbeschluss, also ein Genehmigungsakt im Rahmen der Fachplanung,125 zugrunde zu legen ist. Der Planfeststellungsbeschluss selbst hat noch keine enteignende Wirkung.126 Diese tritt vielmehr erst dadurch ein, dass im Rahmen des anschließenden Enteignungsverfahrens zunächst ein Enteignungsbeschluss und, nach dessen Unanfechtbarkeit, eine Ausführungsanordnung ergeht.127 In der Ausführungsanordnung wird der Zeitpunkt für den Eintritt der ma-
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Raue, Enteignungsbegriff, S. 70 ff.; Müller, Ablieferung, S. 154, 180. Eigene, abschließende enteignungsrechtliche Regelungen enthalten dagegen das BauGB, das BBergG sowie das LandbeschaffungsG. Übersichtlich zu den verstreuten und uneinheitlichen Enteignungsregelungen Ziekow/Fischer, § 3 Rn. 320 ff. 124 Aus dem Verweis in § 19 Abs. 5 FStrG auf die „für öffentliche Straßen geltenden Enteignungsgesetze der Länder“ ergibt sich keine Abweichung zu den Verweisungen in den anderen Fachgesetzen, da die (allgemeinen) Enteignungsgesetze der Länder auch für öffentliche Straßen gelten (Falter, Enteignungsrechtliche Vorwirkung, S. 97). 125 Vgl. Ziekow/Kirchberg, § 1 Rn. 1. 126 Ziekow/Fischer, § 3 Rn. 315; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann, § 75 VwVfG Rn. 26; Jarass, DVBl 2006, 1329, 1330. 127 Dies gilt in fast allen Bundesländern (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 LEntG BW; Art. 34 Abs. 1, Abs. 6 S. 1 BayEG; § 5 Abs. 3 EntEigG BE i.V.m. § 117 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 BauGB; § 33 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 EntGBbg; § 6 Abs. 3 BremEntG i.V.m. § 117 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 BauGB; § 7 Abs. 4 S. 1 EntEigG HA i.V.m. § 117 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 BauGB; § 35 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 HEG; § 10 Abs. 2 S. 1 LEntG MV i.V.m. § 117 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 BauGB; § 36 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 NEG; § 33 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 EEG NRW; § 39 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 LEnteigG RP; § 5 Abs. 3 SächsEntEG i.V.m. § 117 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 BauGB; § 32 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 EnteigG LSA; § 32 Abs. 1, Abs. 6 S. 1 ThürEG), mit Ausnahme des Saarlandes und von Schleswig-Holstein. In diesen beiden Ländern gibt es keine Ausführungsanordnung, der Eigentumsübergang tritt stattdessen mit der Zustellung des Enteignungsbeschlusses an Eigentümer und Unternehmer ein (vgl. § 39 Abs. 1 EnteigG SL; § 44 Abs. 1 EnteigG SH). Auf diese Besonderheit wird noch zurückzukommen sein. 123
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teriell-rechtlichen Rechtsänderung und damit für den Eigentumsverlust des Betroffenen bestimmt.128 Bei Enteignungsbeschluss und Ausführungsanordnung handelt es sich – ebenso wie bei dem Planfeststellungsbeschluss129 – um Verwaltungsakte,130 gegen die zwar nach Maßgabe der landesrechtlichen Enteignungsgesetze grundsätzlich ein repressiver Rechtsbehelf zur Verfügung steht.131 Die zuvor genannten fachgesetzlichen Vorschriften bestimmen allerdings zugleich, dass der Planfeststellungsbeschluss für die enteignende Behörde bindend ist. Man spricht insoweit von einer „enteignungsrechtlichen Vorwirkung“ des Beschlusses.132 Diese Vorwirkung besteht darin, dass mit der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses abschließend über das Allgemeinwohlerfordernis i.S.d. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG und damit über die grundsätzliche Zulässigkeit der nachfolgenden Enteignung entschieden ist.133 Die enteignungsrechtliche Vorwirkung betrifft sämtliche Einwendungen, die ein Betroffener gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses hätte vorbringen können.134 Dies hat zur Konsequenz, dass ein Betroffener, der sich gegen eine Enteignung zur Wehr setzen will, Anfechtungsklage135 gegen den Planfeststellungsbeschluss erheben muss. Unterlässt er dies, so kann er im nachfolgenden Enteignungsverfahren das „Ob“ der Enteignung durch die enteignungsrechtlichen Rechtsbehelfe gegen Enteignungsbeschluss und Ausführungsanord128
Theobald/Kühling/Theobald, 56. EL, 5/2007, § 45 EnWG Rn. 55. Stüer, Hdb Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 3629. 130 Vgl. Büchs, Eigentumsrecht, Rn. 2029. 131 Die im Enteignungsverfahren statthaften Rechtsbehelfe sind in den Enteignungsgesetzen der Länder unterschiedlich ausgestaltet (Ziekow/Fischer, § 3 Rn. 335; Büchs, Eigentumsrecht, Rn. 2030). So kann etwa in Bayern Anfechtungsklage erhoben werden (§ 44 Abs. 2 BayEntG), während in Niedersachsen eine Anfechtung durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorgesehen ist (§ 43 Abs. 1 NEG). Grundsätzlich folgen die Enteignungsgesetze der Länder jedoch weitgehend den gleichen Regeln (Theobald/Kühling/Theobald, 56. EL, 5/2007, § 45 EnWG Rn. 50). 132 BeckOK-VwVfG/Kämper, § 75 VwVfG Rn. 16; zur enteignungsrechtlichen Vorwirkung ausführlich Falter, Enteignungsrechtliche Vorwirkung, S. 43 ff., passim sowie instruktiv Eichberger, in: FS Steiner, 152, passim. Bei dem Terminus der enteignungsrechtlichen Vorwirkung ist allerdings Vorsicht geboten, da diesem in der Rechtsprechung der Zivilgerichte ein gänzlich abweichender Inhalt beigemessen wird – dort verwendet man ihn traditionell zur Kennzeichnung des Zeitpunkts, der für die Wertbestimmung enteigneter Grundstücke maßgeblich ist (Eichberger, in: FS Steiner, 152, 155; im hier verwendeten Sinne jedoch BGH NVwZ 2004, 377, 378). 133 BeckOK-VwVfG/Kämper, § 75 VwVfG Rn. 16; MD/Papier/Shirvani, 83. EL, 4/2018, Art. 14 GG Rn. 652; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann, § 75 VwVfG Rn. 28; vgl. BVerfGE 74, 264, 282 – „Boxberg“; BVerwG NVwZ 1993, 477, 478. 134 Falter, Enteignungsrechtliche Vorwirkung, S. 599. 135 Stüer, Hb Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 3641, 5343. Gem. § 70 VwVfG bedarf es vor Klageerhebung keines Vorverfahrens. 129
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
nung nicht mehr infrage stellen,136 denn er ist mit seinen entsprechenden Einwendungen präkludiert.137 Um gegen die Enteignung vorzugehen, ist der Betroffene also gezwungen, bereits vor Erlass des enteignenden Hoheitsaktes präventive Rechtsschutzmaßnahmen zu ergreifen. Ein nachträglicher Rechtsschutz ist andernfalls ausgeschlossen.138 d) Allgemeine Anerkennung der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Die Rechtsfigur der enteignungsgleichen Vorwirkung ist mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG sicherlich nicht unbedenklich.139 Gleichwohl kann festgestellt werden, dass ihre Vereinbarkeit mit der Rechtsschutzgarantie in Literatur und Rechtsprechung allgemein anerkannt ist.140 Umfangreich führte etwa die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG in einer jüngeren Entscheidung hierzu aus: „Es bedeutet keine unzumutbare Erschwerung des Rechtsschutzes, dass die Grundeigentümer gehalten sind, bereits den Planfeststellungsbeschluss anzufechten, wenn sie geltend machen wollen, die Enteignung stehe nicht im Einklang mit Art. 14 Abs. 3 GG. Es dient einem legitimen Gemeinwohlzweck, dass für die Zulässigkeit der späteren Enteignung maßgebliche Fragen, von denen zugleich die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses abhängt […] nicht erneut in dem nachfolgenden Enteignungsverfahren vor Ge-
136 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann, § 75 VwVfG Rn. 28; Eichberger, in: FS Steiner, 152, 159; BVerwG NVwZ 2009, 333, Rn. 10 m.w.N. 137 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann, § 75 VwVfG Rn. 28. Auseinanderzuhalten ist diese Präklusion aufgrund der enteignungsrechtlichen Vorwirkung von der sog. materiellen Präklusion, die dem Planfeststellungsverfahren selbst durch die Regelung des § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG immanent ist. Auch die Enteignungsgesetze der Länder enthalten zum Teil eigene Präklusionsvorschriften für den Fall, dass ein Planfeststellungsverfahren stattgefunden hat. So bspw. § 16 Abs. 2 S. 2 HEG, nach dem gegen Enteignungsmaßnahmen keine Einwendungen geltend gemacht werden können, über die durch die Planfeststellung entschieden worden ist oder die im Planfeststellungsverfahren hätten geltend gemacht werden können. Ähnlich etwa Art. 28 S. 2 BayEG und § 25 S. 2 LEntG BW. 138 Falter, Enteignungsrechtliche Vorwirkung, S. 178. Siehe für den Fall eines betroffenen Dritteigentümers im Enteignungsverfahren noch unten D. II. 3. b). 139 Vgl. Eichberger, in: FS Steiner, 152, 162. 140 Vgl. nur Ziekow/Fischer, § 3 Rn. 324; Bartunek, Planfeststellung, S. 191 ff.; Stelkens/ Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann, § 75 VwVfG Rn. 26; BeckOK-VwVfG/Kämper, § 75 VwVfG Rn. 16; Eichberger, in: FS Steiner, 152, 163; Jarass, DVBl 2006, 1329, 1335, der die enteignungsrechtliche Vorwirkung als „wesentliches Merkmal der Planfeststellung“ bezeichnet; Kment/Kment, § 45 EnWG Rn. 10; BVerfGE 74, 264, 282 – „Boxberg“; BVerfG (K) NVwZ 2007, 573, 574; BVerwGE 85, 44, 50; BVerwG NVwZ-RR 1999, 485, 486; NVwZ 1993, 477, 478; 2002, 1119, 1120; 2009, 333; BGH NVwZ 2004, 377, 378. Umfangreich die Entwicklung der enteignungsrechtlichen Vorwirkung in der Rechtsprechung von BVerfG und BVerwG darstellend Falter, Enteignungsrechtliche Vorwirkung, S. 166 ff.
D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten
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richt aufgeworfen werden können. Die Verfahrensstufung gewährleistet, dass die im Planfeststellungsverfahren getroffene komplexe Abwägungsentscheidung und ihre Grundlagen nicht später im Enteignungsverfahren ohne Weiteres erneut in Frage gestellt werden können, vermeidet damit unnötige Doppelprüfungen von entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsfragen sowie die Gefahr widersprüchlicher Ergebnisse und schafft so Rechtssicherheit für alle Beteiligten.“141
Das BVerfG rückt damit den Gedanken der Rechtssicherheit in den Fokus, um die enteignungsrechtliche Vorwirkung sachlich zu legitimieren.142 e) Vergleich mit der Zwangsvollstreckung Bei einer vergleichenden Betrachtung zwischen Enteignungs- und Zwangsvollstreckungsverfahren fällt auf, dass die beiden Verfahren – trotz aller freilich bestehenden Unterschiede – im Grunde ähnlich strukturiert sind.143 Beide Verfahren sind mehraktig aufgebaut: Im Enteignungsrecht lassen sich das Planfeststellungs- und das eigentliche Enteignungsverfahren unterscheiden, in der Zwangsvollstreckung die Pfändung bzw. Beschlagnahme des Pfandobjekts und das Verwertungsverfahren. Gleichermaßen wird durch den ersten Akt zwar noch kein Eigentum entzogen, es wird jedoch die jeweilige Eigentumsposition fixiert und ihr Entzug im weiteren Verfahrensverlauf angekündigt.144 Für den Eigentümer ist damit erkennbar, welche Rechtsposition er zu verlieren droht, und ihm wird gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung gestellt, um sie zu verteidigen.145 Bleibt er untätig, so hat er im nachfolgenden Verfahrensabschnitt gegen den eigentumsentziehenden Hoheitsakt keine Anfechtungsmöglichkeit mehr; es erfolgt somit in beiden Verfahren eine Vorverlagerung des Rechtsschutzes.146 Zwar könnte man einwenden, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht vergleichbar seien, weil im Enteignungsrecht jedenfalls grundsätzlich auch ein nachträglicher Rechtsschutz gegen den eigentumsentziehenden Hoheitsakt besteht, sich der Betroffene nur eben im Rahmen dieses Rechtsschutzes nicht auf seine präkludierten Einwendungen berufen kann. Nicht präkludierte Einwendungen kann er dagegen auch im Enteignungsverfahren geltend ma141
BVerfG (K) NVwZ 2007, 573, 574. Vgl. zu dieser Entscheidung auch Eichberger, in: FS Steiner, 152, 169 („Sie [die Kammerentscheidung] bestätigt die für den Bürger damit verbundenen Rechtsschutzbelastungen als durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt und zumutbar“) sowie zur Förderung der Rechtssicherheit durch die enteignungsrechtliche Vorwirkung Falter, Enteignungsrechtliche Vorwirkung, S. 177 f., 179; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann, § 75 VwVfG Rn. 32. Auf die Förderung der Rechtssicherheit durch die Rechtsfigur der enteignungsrechtlichen Vorwirkung weist auch Bartunek, Planfeststellung, S. 192 hin. 143 Raue, Enteignungsbegriff, S. 71. 144 Raue, Enteignungsbegriff, S. 71. 145 Raue, Enteignungsbegriff, S. 72. 146 Raue, Enteignungsbegriff, S. 72. 142
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
chen. Die enteignungsrechtliche Vorwirkung führt damit lediglich zu einer Abschichtung der Rechtsschutzmöglichkeiten.147 Doch erstens lässt sich für die Immobiliarzwangsvollstreckung hinsichtlich der Einwendung bestehenden Dritteigentums dieselbe Aussage treffen: Hier besteht mit der Beschwerde nach §§ 96 ff. ZVG durchaus – grundsätzlich – ein nachträglicher Rechtsschutz gegen den eigentumsentziehenden Zuschlagsbeschluss. § 100 ZVG beschränkt lediglich die möglichen Gründe, auf die die Beschwerde gestützt werden kann. Macht ein Dritteigentümer vor dem Zuschlagsbeschluss sein Eigentumsrecht nicht mittels Drittwiderspruchsklage geltend, so befindet er sich insoweit in der gleichen Lage wie derjenige, gegen den sich ein Enteignungsverfahren richtet und zu dessen Lasten die enteignungsrechtliche Vorwirkung greift. Ein grundsätzlich bestehender repressiver Rechtsbehelf führt nicht zum Erfolg, weil die angeführten Einwendungen nicht mehr geltend gemacht werden können. Zudem ist noch ein zweiter Aspekt zu beachten. Erhebt nämlich in der Zwangsvollstreckung ein Dritteigentümer rechtzeitig Drittwiderspruchsklage und macht sein Eigentumsrecht geltend, so erklärt das Gericht die Zwangsvollstreckung für unzulässig. Infolgedessen erfolgt kein Verwertungsakt mehr, der Dritteigentümer erleidet also keinen Rechtsverlust. Erhebt demgegenüber ein Enteignungsbetroffener Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss, so steht keineswegs fest, dass er mit seinen Einwendungen durchdringen kann, da dem Beschluss immer eine Interessenabwägung zugrunde liegt (vgl. § 75 Abs. 1a VwVfG). Entsprechend muss er seine Einwendungen ggf. im anschließenden Enteignungsverfahren erneut geltend machen. Wenn es nun im Hinblick auf das Enteignungsverfahren als mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar erachtet wird, dass ein Betroffener seine Einwendungen präventiv geltend machen muss, bloß um in den Genuss einer repressiven Rechtsschutzmöglichkeit gegen den belastenden Hoheitsakt zu kommen, so kann es nicht minder zulässig sein, wenn ein Betroffener – hier der Dritteigentümer im Vollstreckungsverfahren – seine Einwendungen präventiv geltend machen muss, um den unerwünschten Hoheitsakt von vornherein gänzlich zu verhindern, wodurch das Rechtsschutzziel des Betroffenen unmittelbar verwirklicht und ein nachträglicher Rechtsschutz obsolet wird. f) Zwischenergebnis Nach alledem kann festgehalten werden, dass die Gewährung eines rein präventiven Rechtsschutzes bei Bestehen einer entsprechenden Interessenlage nicht zwangsläufig zu einer Verletzung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG führt.148 147
Eichberger, in: FS Steiner, 152, 158. Konkret in Bezug auf den Rechtsschutz bei der Ablieferung nach § 817 Abs. 2 ZPO ebenso Müller, Ablieferung, S. 154, 180 und Raue, Enteignungsbegriff, S. 70 ff. 148
D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten
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2. Mangelnde Kenntnis des drohenden Rechtsverlusts bei präventiver Rechtsschutzgewährung Bedenken daran, ob der Rechtsschutz in der Zwangsvollstreckung den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügen kann, ergeben sich ferner aus dem Umstand, dass der Dritteigentümer mitunter überhaupt keine Kenntnis von seinem drohenden Rechtsverlust erlangt und sich aufgrund dessen auch nicht der – ausschließlich gewährten – präventiven Rechtsbehelfe bedienen kann. a) Problemaufriss Das Problem der mangelnden Kenntnis des Dritteigentümers von der Vollstreckung in sein Eigentum stellt sich sowohl bei der Mobiliar- als auch bei der Immobiliarvollstreckung. Aufgegriffen und kritisiert wird es jedoch regelmäßig bei der Mobiliarvollstreckung. Hier ist die Versteigerung öffentlich bekannt zu machen, und zwar gem. §§ 816 Abs. 3 ZPO, 93 Abs. 2 S. 1 GVGA unter Angabe von Ort und genauer Zeit der Versteigerung sowie einer allgemeinen Bezeichnung der Versteigerungsobjekte. Die lediglich allgemeine Bezeichnung ist dabei bereits kritisch zu sehen. Nach § 93 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GVGA gehört dazu zwar auch die Fabrikmarke, jedoch ermöglicht dies für den Dritten nicht in jedem Fall eine zweifelsfreie Identifizierung seines Eigentums. Dies gilt auch für den Fall, dass der Dritte sein Eigentum freiwillig an den Schuldner herausgegeben hat. Zu denken ist etwa an die Zwangsvollstreckung gegen ein Fitnessstudio, das zehn Spinning-Bikes einer Marke an Eigenbestand hat und fünf weitere Geräte des gleichen Modells geleast hat. In eines der Geräte wird vollstreckt. Ohne Angabe der konkreten Seriennummer, die sich nach § 93 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 a.E. GVGA lediglich „empfiehlt“, kann der Leasinggeber nicht wissen, ob sein Eigentum von der Versteigerung betroffen ist.149 Das Hauptproblem, auf das auch die wenigen Stimmen in der Literatur, die die Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG überhaupt thematisieren, immer wieder hinweisen, liegt jedoch darin, dass der Dritte oftmals überhaupt keine Kenntnis von der öffentlichen Bekanntmachung erlangt. Abgesehen von den zu vernachlässigenden Möglichkeiten, dass der Dritte vom Schuldner über die bevorstehende Versteigerung informiert wird oder zufällig das Pfandsiegel (§ 808 Abs. 2 S. 2 ZPO) auf seiner Sache sieht, kann er nur durch die Bekanntmachung von der Versteigerung erfahren. § 93 Abs. 3 GVGA regelt die Art der Bekanntmachung näher. Danach liegt diese im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtsvollziehers, wobei er darauf zu achten hat, dass die Bekanntmachungskosten im Verhältnis zum Wert und voraussichtlichen Er-
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Vgl. Piekenbrock/Kienle, Examinatorium, Rn. 390.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
lös angemessen bleiben. Um dies zu gewährleisten, sieht S. 4, wenngleich unverbindlich, je nach Eigenschaften150 der Versteigerungsobjekte verschiedene Bekanntmachungsarten als Regelfälle vor. Bei geringwertigen Sachen ist dies der Anschlag, insbesondere an einer Tafel vor den Versteigerungsräumen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Dritte, der nichts von einer Vollstreckung gegen den Schuldner weiß, auf diese Weise von der Gefährdung seines Eigentumsrechts erfährt, dürfte gegen null tendieren. Doch auch bei höherwertigen Sachen stellt sich die Möglichkeit zur Kenntniserlangung nicht wesentlich besser dar. Zwar sieht § 93 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 und Nr. 3 GVGA bei hohem oder gar beträchtlichem Wert eine Bekanntmachung in einer Zeitung vor, sodass in diesen Fällen der Dritte an sich eine realistischere Chance zur Kenntnisnahme hat. Auch diese Bekanntmachungsarten werden auf den durchschnittlich sorgfältigen Dritten jedoch regelmäßig keine alarmierende Wirkung haben, da ihnen, wie allen Bekanntmachungsarten, eine herausragend wichtige Information fehlt: der Name des Schuldners. Dieser ist gem. § 93 Abs. 2 S. 3, 2. HS GVGA ebenso wie der Name des Gläubigers bei der Bekanntmachung wegzulassen. Der Dritte erlangt also – wenn überhaupt – lediglich davon Kenntnis, dass im Rahmen einer Zwangsvollstreckung gegen irgendjemanden eine Sache versteigert wird, bei der es sich, in ihrer groben Bezeichnung, möglicherweise um seine Sache handeln könnte. Von einer echten Warnfunktion kann hier keine Rede sein. Dies ist aber auch gar nicht der Zweck der öffentlichen Bekanntmachung: Laut § 93 Abs. 3 S. 2 GVGA hat diese vielmehr das Ziel, „die Personen, die im Einzelfall als Kaufinteressenten in Betracht kommen, möglichst umfassend auf die bevorstehende Versteigerung hinzuweisen und durch Heranziehung zahlreicher Bieter ein günstiges Versteigerungsergebnis zu erzielen.“ Die Bekanntmachung steht nach dem Willen des Gesetzgebers also ganz unter dem Stern der Effektivität der Zwangsvollstreckung – ein Schutz etwaiger Dritteigentümer ist eher als (wenn auch erwünschte) Nebenfolge zu verstehen.151 b) Anerkennung des kenntnisunabhängigen Präventivrechtsschutzes bei Enteignungen nach Maßgabe der landesrechtlichen Enteignungsgesetze Die Problematik der mangelnden Kenntnis eines drohenden Rechtsverlusts ist gleichwohl kein Alleinstellungsmerkmal des Zwangsvollstreckungsrechts. 150
Differenziert wird insbesondere nach dem Wert des Versteigerungsobjekts. Nicht unproblematisch erscheint neben der Kenntniserlangung im Übrigen auch die zeitliche Komponente. Nach § 93 Abs. 1 S. 2 GVGA muss die öffentliche Bekanntmachung „rechtzeitig“ erfolgen, spätestens aber am Tag vor der Versteigerung. Dem Dritteigentümer bleibt also unter Umständen nur wenig Zeit, um sich gegen die Versteigerung zu wehren. Verschärft wird dies dadurch, dass der üblicherweise nicht rechtskundige Dritteigentümer zunächst rechtlichen Rat wird einholen müssen. 151
D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten
103
Zum Vergleich kann erneut das Enteignungsverfahren herangezogen werden. Wie aufgezeigt wurde, muss auch hier der Betroffene, gegen den sich das Verfahren richtet, den Rechtsentzug präventiv verhindern. Das Planfeststellungsverfahrensrecht setzt grundsätzlich keine tatsächliche Kenntnis des Betroffenen von den einzelnen Verfahrensstufen voraus, wenngleich diese jeweils, sofern der Betroffene nicht reagiert, erhebliche Rechtsnachteile mit sich bringen. In einer ersten Stufe wird – insoweit fehlt ein Pendant im Vollstreckungsrecht – der Plan im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 73 Abs. 3 S. 1 VwVfG von der Gemeinde öffentlich ausgelegt. Spätestens zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist muss jeder, dessen Belange durch den Plan berührt werden, seine Einwendungen gegen diesen geltend machen, § 73 Abs. 4 S. 1 VwVfG. Tut er dies nicht, ist er nach S. 3 für das weitere Verfahren mit seinen Einwendungen ausgeschlossen, es tritt eine materielle Präklusionswirkung152 ein.153 Dies stellt bereits eine entscheidende Weichenstellung für das gesamte weitere Enteignungsverfahren dar. Aufgrund der Präklusion kann der Betroffene seine Einwendungen nicht mehr rechtsbehelfsweise gegen den Planfeststellungsbeschluss geltend machen. Der Planfeststellungsbeschluss ist wiederum bindend für das spätere Enteignungsverfahren, d.h., der Betroffene kann seine Einwendungen auch dort nicht geltend machen.154 Die Geltendmachung der Einwendungen im Anhörungsverfahren ist daher von überragender Bedeutung. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass der Betroffene von der Auslegung nicht individuell in Kenntnis gesetzt wird. Vielmehr sieht § 73 Abs. 5 S. 1 VwVfG grundsätzlich155 lediglich eine ortsübliche Bekanntmachung vor. Welche konkrete Bekanntmachungsform „ortsüblich“ ist, bestimmt das jeweilige Landes- und Gemeinderecht.156 So sieht bspw. § 1 S. 1 ÖffBekV HE vor, dass die Bekanntmachung in einer oder mehreren Zeitungen, in einem Amtsblatt oder im Internet zu erfolgen hat. Die tatsächliche Kenntnisnahme aller Betroffenen ist dadurch freilich keineswegs sichergestellt, was eine entsprechende Einschränkung ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten bedingt.157 Legitimiert wird dies jedoch mit dem Zweck der Präklusion,
152 Im Gegensatz zu einer formellen Präklusion, die nur das Verwaltungsverfahren betrifft, erstreckt sich die materielle Präklusion auch auf das gerichtliche Verfahren (BoK/Schenke, 143. EL, 12/2009, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 758). 153 Knack/Henneke/Schink, § 73 VwVfG Rn. 118. 154 S.o. D. II. 1. c). 155 Abs. 5 S. 3 enthält die Ausnahmeregelung, dass nicht ortsansässige Betroffene, deren Person und Aufenthalt bekannt sind oder sich innerhalb angemessener Frist ermitteln lassen, auf Veranlassung der Anhörungsbehörde von der Auslegung benachrichtigt werden sollen. 156 Knack/Henneke/Schink, § 73 VwVfG Rn. 71. 157 Vgl. Falter, Enteignungsrechtliche Vorwirkung, S. 552.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen und effizient zu gestalten sowie, insbesondere im Interesse des Vorhabenträgers, für Rechtssicherheit zu sorgen.158 Ähnlich verhält es sich bei dem anschließenden Planfeststellungsbeschluss. Dieser wird gem. § 74 Abs. 4 VwVfG nur bestimmten Beteiligten zugestellt und im Übrigen in der Gemeinde zur Einsicht ausgelegt, was wiederum ortsüblich bekannt gemacht wird. Mit Ende der Auslegungsfrist gilt der Beschluss allen übrigen Betroffenen gegenüber als zugestellt. Auch hier wird also eine tatsächliche Kenntnisnahme derjenigen, die eine Enteignung erdulden müssen, nicht vorausgesetzt. Im Enteignungsrecht ist der gewährte Rechtsschutz somit nicht von der tatsächlichen Kenntnis der drohenden Rechtseinbuße des Betroffenen abhängig. Hiergegen werden in der Literatur nur vereinzelt Bedenken in Bezug auf Art. 19 Abs. 4 GG geäußert.159 Sowohl das BVerwG als auch das BVerfG haben die Verfassungsmäßigkeit der Präklusionswirkung des § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG indes ausdrücklich bestätigt.160 Der Umstand, dass ein Betroffener im Enteignungsverfahren von seinem drohenden Rechtsverlust ggf. keine Kenntnis erhält und sich daher gegen die Enteignung nicht präventiv zur Wehr setzen kann, ihm andererseits dadurch aber ein repressiver Rechtsschutz abgeschnitten wird, wird hier also gemeinhin als mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar angesehen. Demnach kann auch in der Zwangsvollstreckung eine fehlende Kenntnis des Rechtsverlusts – isoliert betrachtet – nicht automatisch zu einer Verletzung der Rechtsschutzgarantie führen. 3. Rechtsbetroffenheit Dritter bei eigentumsentziehenden Hoheitsakten Zuletzt ist auf die Besonderheit einzugehen, dass in der Zwangsvollstreckung durch Hoheitsakt das Eigentum eines kenntnislosen Dritten endgültig entzogen wird, der an dem Verfahren überhaupt nicht beteiligt ist. Es soll un-
158
Vgl. Hildebrandt/Koch, NVwZ 2017, 1099; Falter, Enteignungsrechtliche Vorwirkung, S. 552 f. 159 Solveen, Materielle Präklusion, S. 201 ff., 223; Solveen, DVBl 1997, 803, 805 f.; ihm folgend Erbguth, in: GS Jeand’Heur, 391, 400 f. sowie Falter, Enteignungsrechtliche Vorwirkung, S. 553. 160 BVerwG NVwZ 1997, 489 f.; 2008, 678, 679; BVerfGE 61, 82, 109 ff. – „Sasbach“. Demgegenüber hat der EuGH entschieden, dass die Präklusionsvorschriften der §§ 73 Abs. 4 VwVfG und 2 Abs. 3 UmwRG a.F. im Anwendungsbereich der Richtlinien 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-RL) und 2010/75/EU über Industrieemissionen (IE-RL) unionsrechtswidrig sind, weil sie den in den beiden Richtlinien vorgesehenen weitreichenden Zugang zu den Gerichten unzulässig einschränken würden (EuGH NVwZ 2015, 1665) – siehe zu dieser Entscheidung und zu ihrer Rezeption durch die deutschen Gerichte Hildebrandt/Koch, NVwZ 2017, 1099 ff. Die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht näher behandelt werden.
D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten
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tersucht werden, ob es sich hierbei um eine Besonderheit des Zwangsvollstreckungsrechts handelt. Konkret geht es um die Frage, ob die materielle Rechtslage in anderen Fällen eines originären Rechtszuges zulasten eines unbeteiligten Dritten unmittelbaren Einfluss auf die Wirkung des Hoheitsaktes hat und inwieweit dem Dritten zumindest Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Da die hieraus gewonnenen Erkenntnisse auch noch an späterer Stelle relevant werden,161 werden neben der nochmals bemühten Enteignung nach Maßgabe der Landesenteignungsgesetze diverse weitere Beispiele für eine vergleichende Betrachtung herangezogen. a) Enteignung nach §§ 104 ff. BauGB Bevor erneut auf die Enteignung nach Maßgabe der landesrechtlichen Enteignungsgesetze zurückgekommen wird, soll zwecks besserer Darstellbarkeit das baurechtliche Enteignungsverfahren beleuchtet werden.162 Im öffentlichen Bauplanungsrecht kann es notwendig werden, Grundstücke im Wege der Enteignung auf Gemeinden oder Dritte zu übertragen, um die städtebauliche Ordnung der Bauleitplanung zu verwirklichen.163 Diese Form der Enteignung ist in den §§ 85–122 BauGB geregelt, wobei die §§ 104–122 BauGB das Verfahren bestimmen. Auch hier ist ein zweistufiges Verfahren durch Erlass zweier Verwaltungsakte vorgesehen. Zunächst wird das Verfahren auf einen entsprechenden Antrag hin (§ 105 BauGB) durch Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung durch die Enteignungsbehörde eingeleitet, § 108 Abs. 1 BauGB. Sofern keine Einigung zwischen den Beteiligten erreicht werden kann, ergeht eine Entscheidung durch die Enteignungsbehörde in Form eines Enteignungsbeschlusses, § 112 Abs. 1 BauGB. Dieser Verwaltungsakt164 wird den Beteiligten zugestellt und kann durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 217 BauGB angegriffen werden, § 113 Abs. 1 BauGB. Der Beschluss zeitigt noch keine dingliche Wirkung, mit seiner Bestandskraft ist lediglich die Enteignungsentschädigung zu zahlen.165 Dingliche Wirkung entfaltet erst die nach Bestandskraft des Enteignungsbeschlusses von der Enteignungsbehörde angeordnete Ausführung des Enteignungsbeschlusses nach § 117 BauGB. Zum in der Ausführungsanordnung bestimmten Zeitpunkt findet die materielle Rechtsänderung statt, § 117 Abs. 5 S. 1 BauGB.166 161
4. Teil D. 4. b). Vgl. zu diesem Abschnitt Müller, Ablieferung, S. 107 ff. 163 Rabe/Pauli/Wenzel, BauR, C Rn. 475. 164 Hoppe et al., BauR, § 12 Rn. 44. 165 Hoppe et al., BauR, § 12 Rn. 45. 166 Eine Grundbucheintragung ist für die dingliche Wirkung nicht nötig und erfolgt rein deklaratorisch (Hoppe et al., BauR, § 12 Rn. 45). 162
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
Die Rechtsänderung tritt auch dann ein, wenn der Bucheigentümer nicht der wahre Eigentümer ist.167 Aus verwaltungsrechtlicher Sicht ist diese Rechtsfolge außergewöhnlich, da Verwaltungsakte grundsätzlich nach § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG eine individuelle Wirksamkeit entfalten, die von ihrer Bekanntgabe gegenüber dem Betroffenen abhängig ist.168 Die Ausführungsanordnung kann, ebenso wie der Enteignungsbeschluss, durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 217 BauGB angegriffen werden.169 Richtet sich das Enteignungsverfahren gegen einen Bucheigentümer, während tatsächlich ein Dritter Eigentümer des Grundstücks ist und dieser von alledem nichts mitbekommt, so kann der Dritteigentümer die Enteignungsanordnung mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfolgreich anfechten. § 217 BauGB enthält keine Bestimmungen darüber, wer antragsbefugt ist. Der Kreis der Antragsbefugten wird deshalb analog § 42 Abs. 2 VwGO bestimmt und umfasst jeden, der geltend macht, durch einen Verwaltungsakt i.S.d. § 217 Abs. 1 S. 1 BauGB in seinen Rechten verletzt zu sein.170 Der Dritteigentümer, der durch die Ausführungsanordnung sein Eigentumsrecht verloren hat, ist folglich antragsbefugt. Da die Anordnung dem Dritten nicht zugestellt wurde, beginnt für ihn die Monatsfrist des § 217 Abs. 2 S. 1 BauGB nicht zu laufen. Eine zeitliche Befristung kommt nur über das Rechtsinstitut der Verwirkung in Betracht.171 Der Antrag des Dritten wird auch in der Sache Erfolg haben. Zwar können mit der Anfechtung – ohne dass sich dies aus dem Wortlaut der Vorschriften ergibt – keine Einwände geltend gemacht werden, welche die Recht-
167 BKL/Battis, § 117 BauGB Rn. 10; EZBK/Dyong/Groß, 130. EL, 8/2018, § 117 BauGB Rn. 20; Brügelmann/Reisnecker, 42. EL, 8/1999, § 117 BauGB Rn. 24; OLG Hamm NJW 1966, 1132; a.A. MüKo-BGB/Kohler, § 892 BGB Rn. 28; Kohler, Jura 2008, 321 (Fn. 11); Staudinger/Picker, § 892 BGB Rn. 94. 168 Vgl. BeckOK-VwVfG/Schemmer, § 43 VwVfG Rn. 38. 169 BeckOK-BauGB/Petz, § 117 BauGB Rn. 45. 170 BeckOK-BauGB/Dösing, § 217 BauGB Rn. 17 m.w.N. 171 Die Frage der Verwirkung ist dabei alles andere als trivial. Grundsätzlich erfordert die Verwirkung neben dem Verstreichenlassen einer gewissen Zeit („Zeitmoment“) nämlich auch das Hinzutreten besonderer Umstände, welche die Geltendmachung des Rechtsbehelfs als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen („Umstandsmoment“; siehe zum Ganzen SSB/Porsch, 36. EL, 2/2019, § 75 VwGO Rn. 12 f.). In Fällen, in denen der Drittbetroffene selbst überhaupt nichts von seiner Eigentümerstellung weiß und ihm dies auch nicht vorwerfbar ist, erscheint das Vorliegen des Umstandsmoments sehr fraglich. Andererseits wäre es gerade im sensiblen Enteignungsrecht mit der Rechtssicherheit unvereinbar, dem Dritten eine zeitlich allzu umfassende oder gar gänzlich unbefristete Anfechtungsmöglichkeit zu gewähren. Soweit ersichtlich, ist dieses Problem ebenso wie die gesamte Thematik des Rechtsschutzes eines Drittbetroffenen im Enteignungsrecht noch weitestgehend unerforscht.
D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten
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mäßigkeit des zugrundeliegenden Enteignungsbeschlusses betreffen.172 Ähnlich wie dem Planfeststellungsverfahren ist auch dem baurechtlichen Enteignungsverfahren eine Präklusionswirkung immanent. Hier ließe sich allerdings hinterfragen, ob diese Präklusion auch gegenüber dem Drittbetroffenen eintritt, da diesem der Enteignungsbeschluss ja schließlich nicht bekanntgegeben wurde. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da der Dritte seinen Antrag jedenfalls darauf stützen kann, dass die Rechtmäßigkeitsanforderungen der Ausführungsanordnung nicht vorlagen.173 Die Ausführungsanordnung darf gem. § 117 Abs. 1 S. 1 BauGB nämlich nur dann ergehen, wenn der Enteignungsbeschluss nicht mehr anfechtbar ist. Zuzustellen ist der Beschluss nach § 113 Abs. 1 S. 1 BauGB allen Beteiligten. Nach § 106 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 BauGB ist der Grundstückseigentümer Beteiligter; dies gilt auch im Falle eines nicht eingetragenen Dritteigentümers.174 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, die auf den „Eigentümer“ schlechthin abstellt, wohingegen die im Grundbuch eingetragenen Rechte nochmals gesondert erwähnt werden.175 Da der Beschluss dem Dritten nicht zugestellt wurde, begann für ihn keine Rechtsbehelfsfrist zu laufen (§ 217 Abs. 2 S. 1 BauGB). Der Enteignungsbeschluss ist dem Dritten gegenüber somit nicht unanfechtbar geworden. Damit fehlte es an einer materiellen Tatbestandsvoraussetzung für den Erlass der Ausführungsanordnung, sie erging rechtswidrig. Auf den Antrag des Dritten auf gerichtliche Entscheidung muss das Gericht daher die Ausführungsanordnung nach § 226 Abs. 2 S. 2 BauGB aufheben, wodurch der eingetretene Eigentumsübergang rückwirkend entfällt.176 Es kann somit festgehalten werden, dass der kenntnislose Dritteigentümer im baurechtlichen Enteignungsverfahren zwar einen Rechtsverlust erleidet. Dieser ist jedoch nicht unumstößlich, sondern kann rechtsbehelfsweise wieder rückgängig gemacht werden.
172 BeckOK-BauGB/Petz, § 117 BauGB Rn. 45; Brügelmann/Reisnecker, 42. EL, 8/1999, § 117 BauGB Rn. 20; OLG Bremen BRS 45, 662, 667. 173 Vgl. BeckOK-BauGB/Petz, § 117 BauGB Rn. 45. 174 Brügelmann/Reisnecker/Bliese, 108. EL, 10/2018, § 106 BauGB Rn. 5; BKL/Battis, § 106 BauGB Rn. 2; EZBK/Dyong/Groß, 130. EL, 8/2018, § 106 BauGB Rn. 5; Schrödter/ Breuer, § 106 BauGB Rn. 6; BeckOK-BauGB/Dösing, § 106 BauGB Rn. 9; Müller, Ablieferung, S. 108. A.A. soweit ersichtlich nur BerK-BauGB/Holtbrügge, 5. EL, 7/2005, § 106 BauGB Rn. 4 für den Fall, dass der Enteignungsbehörde der wahre Eigentümer bekannt ist. 175 BeckOK-BauGB/Dösing, § 106 BauGB Rn. 9; EZBK/Dyong/Groß, 130. EL, 8/2018, § 106 BauGB Rn. 5. 176 Vgl. zur Wirkung der Anfechtung der Ausführungsanordnung bei bereits eingetretener Rechtsänderung EZBK/Dyong/Groß, 130. EL, 8/2018, § 117 BauGB Rn. 24.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
b) Enteignung nach Maßgabe der landesrechtlichen Enteignungsgesetze Bei dem Rechtsentzug nach den Landesenteignungsgesetzen ist zu differenzieren. aa) Regelfall Die Ausführungen zum baurechtlichen Enteignungsverfahren lassen sich auf die meisten landesrechtlichen Enteignungsverfahren übertragen. Hier findet gleichermaßen ein Eigentumserwerb auch zulasten eines nicht beteiligten Dritteigentümers statt.177 Die meisten Landesgesetze bestimmen ebenfalls, dass die Ausführungsanordnung nur bei einem unanfechtbaren Enteignungsbeschluss ergehen darf.178 Auch hier gilt, dass auch der Dritteigentümer Verfahrensbeteiligter ist,179 an ihn jedoch keine Zustellung des Enteignungsbeschlusses180 erfolgt und dieser insoweit nicht unanfechtbar werden kann. Der Dritteigentümer kann die Ausführungsanordnung demnach, wie bei der baurechtlichen Enteignung, mit dem Einwand angreifen, dass die Erlassvoraussetzungen der Ausführungsanordnung nicht vorgelegen haben. bb) Saarland und Schleswig-Holstein Für die Enteignungsgesetze des Saarlandes und von Schleswig-Holstein ergeben sich allerdings Abweichungen. Hier ergehen keine Ausführungsanordnungen, sondern die dingliche Rechtsänderung tritt nach § 39 Abs. 1 EnteigG SL bzw. § 44 Abs. 1 EnteigG SH mit der Zustellung des Enteignungsbeschlusses an den Unternehmer und den Eigentümer ein. Dem unbekannten Dritteigentümer wird der Beschluss zwar nicht zugestellt, dennoch tritt auch hier die dingliche Enteignungswirkung zu seinen Lasten ein, wenn die Zustellung an den Unternehmer und den vermeintlichen Eigentümer erfolgt.181 Der Dritteigentümer kann diesen Enteignungsbeschluss zwar grundsätzlich anfechten und ist dabei mangels Zustellung an ihn an keine Frist gebunden. Er dürfte damit jedoch keinen Erfolg haben. Denn einerseits kann er nicht – wie bei den anderen landesrechtlichen sowie beim baurechtlichen Enteignungsverfahren – geltend machen, dass die Voraussetzungen für den Erlass des eigentumsentziehenden Hoheitsaktes nicht vorgelegen hätten, denn die Voraussetzungen für den Erlass des Enteig177 Vgl. etwa den Wortlaut des § 32 Abs. 3 S. 1 LEntG BW: „Mit dem in der Ausführungsanordnung festzusetzenden Tag wird der bisherige Rechtszustand durch den im Enteignungsbeschluß geregelten neuen Zustand ersetzt.“ 178 S.o. Fn. 127. 179 Siehe z.B. § 19 Abs. 1 Nr. 3 LEntG BW. 180 Siehe z.B. § 28 Abs. 4 LEntG BW. 181 Vgl. schon zum Badischen Enteignungsgesetz Fuchs, Enteignungsgesetz, § 50 Bad. EntG Anm. I.
D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten
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nungsbeschlusses lagen vor. Andererseits ist die enteignungsrechtliche Vorwirkung zu beachten. Im baurechtlichen Enteignungsverfahren tritt diese mit dem Enteignungsbeschluss ein, der zugestellt werden muss. Da eine Zustellung an den Dritteigentümer nicht erfolgt, wird man darüber streiten können, ob die Vorwirkung auch zulasten des Dritteigentümers gilt. Im landesrechtlichen Enteignungsverfahren tritt die enteignungsrechtliche Vorwirkung dagegen aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses ein. Dieser gilt mit Ende der Auslegungsfrist gegenüber denjenigen Betroffenen, an die keine Zustellung nach § 74 Abs. 4 S. 1 VwVfG erfolgt, als zugestellt. Darunter fällt auch der Dritteigentümer. Es ist daher anzunehmen, dass auch der Dritteigentümer der enteignungsrechtlichen Vorwirkung unterworfen ist. Bei der Anfechtung des Enteignungsbeschlusses ist er folglich mit seinen Einwendungen präkludiert.182 cc) Zwischenergebnis Nach den landesrechtlichen Enteignungsgesetzen verliert der unbeteiligte Dritteigentümer in jedem Fall sein Eigentum. Während er seinen Rechtsverlust in den meisten Ländern anfechten kann, ist sein Rechtsverlust nach den Enteignungsgesetzen des Saarlandes und von Schleswig-Holstein unumkehrbar. c) Enteignung nach §§ 30 ff. VermG Zur weiteren Untersuchung bietet sich die vermögensrechtliche Enteignung in besonderem Maße an, weil hier eine beträchtliche Gefahr für den Eingriff in Dritteigentum besteht.183 Das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) adressiert nicht geklärte Probleme bezüglich solcher Vermögenseinbußen, die sich im Hoheitsgebiet der ehemaligen DDR oder während der NS-Zeit zugetragen haben und die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sind.184 Im Mittelpunkt steht dabei der Restitutionsanspruch derjenigen, die durch einen der in dem Gesetz aufgezählten Unrechtstatbestände in ihrem Vermögen geschädigt wurden.185 Hierzu zählen insbesondere Sachverhalte, in denen der Betroffene entschädigungslos enteignet wurde und sein Vermögen in Volkseigentum überführt wurde, § 1 Abs. 1 lit. a) VermG. In diesen Fällen besteht nach § 3 Abs. 1 S. 1 VermG grundsätzlich ein Restitutionsanspruch, gerichtet 182
Dies gilt, wenn die Einwendungen bereits gegen den Planfeststellungsbeschluss hätten erhoben werden können, was regelmäßig der Fall sein dürfte. 183 Vgl. zu diesem Abschnitt Müller, Ablieferung, S. 111 ff. 184 Vgl. Säcker/Hummert, Vor. § 1 VermG Rn. 1; Adlerstein/Adlerstein, VermögensR, S. 216. 185 Adlerstein/Adlerstein, VermögensR, S. 33.
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auf Rückübertragung des Eigentums. Bei diesem Verfahren besteht ein erhöhtes Risiko, dass von der Rückübertragung das Eigentum Dritter betroffen ist. Dies resultiert daraus, dass die eigentumsrechtliche Sachlage oftmals unklar ist, etwa weil die entsprechenden Akten aus der DDR verschwunden oder fehlerhaft sind oder weil unrichtige Grundbucheintragungen erfolgten. Gibt die Behörde dem Antrag des Berechtigten statt und entscheidet sie auf Rückübertragung des Vermögenswertes, geht dieser gem. § 34 Abs. 1 Nr. 1 VermG mit dem Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Restitutionsbescheides186 auf den Berechtigten über.187 Der Bescheid wird dem – unbekannten – Dritteigentümer gegenüber nicht bekanntgegeben und dementsprechend für ihn auch nicht unanfechtbar. Dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 1 VermG nach sollte demnach kein Eigentumsübergang stattfinden, ist doch die Unanfechtbarkeit des Bescheids eine tatbestandliche Voraussetzung. Allerdings wird § 34 Abs. 1 Nr. 1 VermG dahingehend ausgelegt, dass sich die Unanfechtbarkeit nur auf die tatsächlich an dem Verfahren Beteiligten bezieht.188 Dies führt dazu, dass der Dritte, ohne an dem Verfahren beteiligt zu sein oder auch nur Kenntnis davon zu haben, sein Eigentum verliert. Da der Bescheid ihm gegenüber nicht bestandskräftig wird,189 kann er jedoch grundsätzlich190 unbefristet nach § 36 Abs. 1 S. 1 VermG Widerspruch erheben und seinen Eigentumsverlust somit anfechten. Bei einer stattgebenden Entscheidung wird der Restitutionsbescheid aufgehoben und seine materiell-rechtlichen Wirkungen entfallen rückwirkend.191 Auch hier ist der Rechtsverlust des Dritten somit nicht endgültig. d) Enteignung nach § 13 Abs. 3 BLG Das Bundesleistungsgesetz (BLG) erlaubt es dem Staat, für die übergeordneten Gemeinwohlbelange des § 1 Abs. 1 BLG (z.B. die Abwendung einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes oder zum Zwecke der Verteidigung) Leistungen von den Bürgern anzufordern.192 Zu diesen Leistungen gehört nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 BLG die Überlassung beweglicher Sachen zum 186
Sowie bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Nr. 2–4 VermG. Ausführlich Fieberg/Redeker/Hirtschulz, 34. EL, 1/2014, § 34 VermG Rn. 6 ff.; vgl. Adlerstein/Adlerstein, VermögensR, S. 127. 188 Fieberg/Redeker/Hirtschulz, 34. EL, 1/2014, § 34 VermG Rn. 10b; Müller, Ablieferung, S. 111; offengelassen von BGH WM 02, 768, 770. 189 Fieberg/Redeker/Hirtschulz, 34. EL, 1/2014, § 34 VermG Rn. 10b; Müller, Ablieferung, S. 111. 190 Auch dies gilt unter dem Vorbehalt einer möglichen Verwirkung. 191 So die h.M., vgl. Müller, Ablieferung, S. 112; BGH WM 02, 768, 770; BGHZ 159, 179, 182 f. 192 Zu diesem Abschnitt Müller, Ablieferung, S. 110 f. sowie Huber, Versteigerung, S. 36. 187
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Eigentum. Denkbar ist z.B. der Zugriff auf ein privates Kraftfahrzeug, das in einer Krisensituation für Transportzwecke dringend benötigt wird. Entscheidet die nach § 5 BLG zuständige Behörde, das Eigentum an einer beweglichen Sache anzufordern, erlässt sie einen Leistungsbescheid nach § 35 BLG. Dieser ist dem Eigentümer der Sache als Leistungspflichtigem zuzustellen, §§ 37 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 BLG. Der Eigentumserwerb an der Sache193 tritt gem. § 13 Abs. 3 S. 1 BLG zu dem Zeitpunkt ein, in dem der Leistungsbescheid gegenüber „den Anfechtungsberechtigten, denen er zugestellt wurde, unanfechtbar geworden ist“. Diese Gesetzesformulierung ist unglücklich gewählt; gemeint ist der bzw. sind die Eigentümer der Sache.194 Ergeht der Leistungsbescheid nicht an den Leistungspflichtigen, also an den wahren Eigentümer der Sache, sondern an einen Scheineigentümer, hat dies einerseits zur Folge, dass der Bescheid nach der allgemeinen Regel des § 43 Abs. 1 VwVfG dem wahren Eigentümer gegenüber schon gar nicht wirksam wird; anders als in den vorherigen Fallgruppen gilt hier der verwaltungsrechtliche Grundsatz der individuellen Wirksamkeit.195 Darüber hinaus kann ihm gegenüber aber auch nicht die von § 13 Abs. 3 S. 1 BLG geforderte Unanfechtbarkeit eintreten. Ein Übergang von Dritteigentum findet nach § 13 Abs. 3 BLG daher nicht statt.196 e) Einziehung nach §§ 73 ff. StGB Auch das Strafrecht kennt die hoheitliche Entziehung von Eigentum durch das Rechtsinstitut der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB. Diese dient der Vermögensabschöpfung und richtet sich gegen solche Gegenstände, die auf irgendeine Weise in eine Straftat verwickelt sind, z.B. Tatmittel oder Taterträge.197 Angeordnet wird die Einziehung im Strafurteil oder im Strafbefehl.198 193 Die Ausführungen beziehen sich auf nichtverbrauchbare Sachen. Siehe zum Eigentumserwerb an verbrauchbaren Sachen § 13 Abs. 2 BLG. 194 Dies ging aus der früheren Fassung der Norm noch eindeutig hervor. § 16 Abs. 3 BLG a.F. lautete: „Wird eine nicht verbrauchbare Sache angefordert, so erwirbt der Leistungsempfänger das Eigentum an der Sache, sobald der Leistungsbescheid gegenüber dem bisherigen Eigentümer vollziehbar geworden ist.“ Durch die (misslungene) Änderung des Wortlauts sollte nicht etwa der personale Anknüpfungspunkt der Unanfechtbarkeit verändert werden. Sie war allein der Neuerung des § 39 BLG n.F. geschuldet, der nunmehr die Möglichkeit vorsah, die Anordnung für sofort vollstreckbar zu erklären (BT-Drs. 3/2015, S. 12). 195 Hierzu schon oben unter D. II. 3. a). 196 Huber, Versteigerung, S. 36; Müller, Ablieferung, S. 111; Grau, BLG, Anm. zu § 37 Abs. 1 und zu § 36 Abs. 1 S. 2 BLG; Bauch/Danckelmann/Kerst/Bauch, § 13 BLG Anm. 4 b). 197 Schönke/Schröder/Eser/Schuster, Vor. §§ 73 ff. StGB Rn. 1 f. 198 Schönke/Schröder/Eser/Schuster, Vor. §§ 73 ff. StGB Rn. 4. Auch die landesrechtli-
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
§ 75 StGB bestimmt, dass bei der Einziehung das Eigentum an dem Gegenstand mit dem Eintritt der Rechtskraft der Anordnung auf den Fiskus übergeht,199 sofern es sich um Eigentum des von der Anordnung Betroffenen handelt (Abs. 1 S. 1 Nr. 1) oder der Gegenstand einem Dritten gehört,200 der ihn für die Tat oder andere Zwecke in Kenntnis der Tatumstände gewährt hat (Nr. 2). Für „andere Fälle“ sieht Abs. 1 S. 2 vor, dass das Eigentum an dem Gegenstand mit Ablauf von sechs Monaten nach Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung auf den Staat übergeht, wenn nicht vorher der Dritteigentümer sein Recht bei der Vollstreckungsbehörde anmeldet. Es findet demnach ein aufschiebend bedingter201 Eigentumsübergang statt. Dieser vollzieht sich auch dann, wenn der Dritteigentümer keine Kenntnis von dem Verfahren erlangt. Allerdings kommt zugunsten des Dritteigentümers, der die sechsmonatige Frist unverschuldet versäumt, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 44 ff. StPO in Betracht.202 Er kann somit nachträglich gegen seinen Rechtsentzug vorgehen. Etwas anderes gilt, wenn das Gericht bei der Anordnung der Einziehung irrig davon ausging, dass es sich bei dem einzuziehenden Gegenstand um Eigentum des Betroffenen handelt. § 75 Abs. 1 S. 2 StGB ist in diesem Fall nicht anwendbar. Dies folgt schon daraus, dass keine Mitteilung der Rechtskraft der Anordnung ergeht, mit der die Sechsmonatsfrist des S. 2 zu laufen beginnt (§ 459i StPO).203 In dieser Konstellation findet vielmehr überhaupt kein Eigentumsübergang auf den Staat statt, der Dritteigentümer erleidet also keinen Rechtsverlust.204 chen Polizeigesetze kennen das Rechtsinstitut der Einziehung, vgl. etwa § 34 PolG BW. Auch bei dieser handelt es sich um einen privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt, im Gegensatz zur richterlichen Einziehung jedoch um einen Verwaltungsakt (BeckOK-PolG BW/Reinhardt, § 34 PolG BW Rn. 12). Vgl. zur polizeirechtlichen Einziehung im hiesigen Kontext Müller, Ablieferung, S. 113 f. 199 Kommt es zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 370 Abs. 2 StPO, lebt das Eigentum des Voreigentümers wieder auf (MüKo-StGB/Joecks, § 74e StGB a.F. Rn. 4). 200 Hierdurch soll der „verstrickte“ Dritteigentümer sanktioniert werden (Schönke/ Schröder/Eser/Schuster, § 75 StGB Rn. 4). 201 Schönke/Schröder/Eser/Schuster, § 75 StGB Rn. 5. 202 Schönke/Schröder/Eser/Schuster, § 75 StGB Rn. 5. 203 Schönke/Schröder/Eser/Schuster, § 75 StGB Rn. 5. 204 Dies ist allerdings nicht unumstritten. Wie hier Schönke/Schröder/Eser/Schuster, § 75 StGB Rn. 5; Lackner/Kühl/Heger, § 75 StGB Rn. 1b; MüKo-StGB/Joecks, § 74e StGB a.F. Rn. 5; siehe auch BT-Drs. 18/9525, S. 71; a.A. BeckOK-StGB/Heuchemer, § 75 StGB Rn. 3; NK-StGB/Saliger, § 74e StGB a.F. Rn. 1, nach denen auch bei der „fehlerhaften Dritteinziehung“ der Dritte sein Eigentum verliert. Nach dieser Ansicht steht dem Dritten, der seine Rechte als Einziehungsbeteiligter ohne Verschulden nicht wahrnehmen konnte, jedoch die Möglichkeit offen, die Einziehung im Rahmen des Nachverfahrens nach §§ 433 ff. StPO zu revidieren und sein Eigentumsrecht ex tunc wiederherzustellen (vgl.
D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten
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f) Eigentumszuweisung nach § 8 Abs. 3 HausratsVO Zuletzt ist die zum 31.08.2009 außer Kraft getretene HausratsVO erwähnenswert. Diese sah für den Fall, dass sich Ehegatten im Rahmen ihrer Scheidung nicht darüber einigen können, wer die Wohnungseinrichtung und den sonstigen Hausrat erhalten soll, auf Antrag eine entsprechende richterliche Entscheidung vor, § 1 Abs. 1 HausratsVO. Dem Richter oblag nach § 8 Abs. 3 HausratsVO die gerechte und zweckmäßige Verteilung des Hausrats zum Alleineigentum eines der Ehegatten. Seine Entscheidung wurde gem. § 16 Abs. 1 S. 1 HausratsVO mit Rechtskraft wirksam, mit diesem Zeitpunkt trat also die rechtsgestaltende Wirkung ein.205 Zu dem Fall, dass die richterliche Entscheidung Dritteigentum betrifft, schwieg die Verordnung. Nach einhelliger Meinung fand in diesem Fall jedoch kein Eigentumsübergang statt, die richterliche Entscheidung blieb insoweit folgenlos.206 Auch ein gutgläubiger Erwerb war nicht möglich.207 Die Wirksamkeit der hoheitlichen Eigentumszuweisung hing folglich von der materiellen Rechtslage ab.208 g) Zwischenergebnis Es lässt sich zunächst festhalten, dass zumindest auch nach den Enteignungsgesetzen zweier Länder der unbeteiligte, kenntnislose Dritteigentümer einen unumstößlichen Rechtsverlust erleidet, was für eine grundsätzliche Vereinbarkeit der vollstreckungsrechtlichen Rechtsschutzgewährung mit Art. 19 Abs. 4 GG spricht. Allerdings ist auch zu sehen, dass der Umstand, dass es sich bei dem Zugriffsobjekt um das Eigentum eines verfahrensunbeteiligten Dritten handelt, in allen anderen Fällen Berücksichtigung findet. Dies geschieht entweder unmittelbar dadurch, dass der Hoheitsakt schlichtweg keine materiell-rechtliche Wirkung zeitigt,209 oder mittelbar dadurch, dass dem Dritten eine Möglichkeit gewährt wird, seinen Eigentumsverlust rückHeuchemer a.a.O.; MüKo-StPO/Putzke/Scheinfeld, § 433 StPO Rn. 2). Dem Dritteigentümer wird nach dieser Ansicht also zumindest eine Rechtsschutzmöglichkeit zuerkannt. 205 BeckOK-BGB/Neumann, 11. Aufl., § 8 HausratsVO Rn. 7. 206 BeckOK-BGB/Neumann, 11. Aufl., § 8 HausratsVO Rn. 1, 7; Keidel, JZ 1953, 272, 274 m.w.N.; Palandt/Lauterbach, 26. Aufl., § 8 HausratsVO (Anhang II zum EheG) Anm. 3; Erman/Ronke, 3. Aufl., § 8 HausratsVO Anm. 4; Huber, Versteigerung, S. 33; Müller, Ablieferung, S. 116; Behrendt, Verfügungen, S. 47; OLG München MDR 1951, 623; OLG Saarbrücken OLGZ 1967, 1, 3. 207 Behrendt, Verfügungen, S. 47. 208 Die Neuregelung des § 1568b BGB sieht für die Aufteilung des Hausrats keinen privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt des Richters mehr vor, sondern unterwirft die Verteilung schuldrechtlichen Ansprüchen der Ehegatten (vgl. Müller, Ablieferung, S. 116 [Fn. 99]; BeckOK-BGB/Neumann, § 1568b BGB Vor. Rn. 1). 209 Diese Erkenntnis wird an späterer Stelle relevant (4. Teil D. I. 4. b)).
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
gängig zu machen. Der wirksame und unumkehrbare Eigentumsentzug zulasten eines unbeteiligten Dritten durch Hoheitsakt erweist sich somit zumindest als untypisch. Dieser Befund darf gleichwohl nicht überbewertet werden, da jedes Rechtsgebiet, gerade aber die Zwangsvollstreckung,210 eigene Besonderheiten aufweist, die auch bei der Frage der Rechtsschutzgewährung zu berücksichtigen sind. Umgekehrt erklärt sich die Rechtslage in den untersuchten Fallgruppen a) bis d), in denen dem Dritteigentümer (abgesehen von der Enteignung nach den saarländischen und schleswig-holsteinischen Enteignungsgesetzen) zumindest eine Anfechtungsmöglichkeit zusteht, letztlich daraus, dass der Rechtsentzug in diesen Fällen durch Verwaltungsakte erfolgt und diese ohne Bekanntgabe jedenfalls nicht in Bestandskraft erwachsen können. Weniger rechtsaktspezifisch sind die Befunde in den Fallgruppen e) und f). Hier fällt jedoch auf, dass der Beachtung der materiellen Rechtslage kein nennenswertes Vertrauen der Verfahrensbeteiligten auf die Wirksamkeit des Hoheitsaktes entgegensteht. So geht bei der Einziehung das Eigentum lediglich auf den Staat selbst über. Die Eigentumszuweisung nach der HausratsVO erfolgt indes bloß zur internen Verteilung zwischen Ehegatten, die in aller Regel Kenntnis davon haben, wenn es sich bei Gegenständen um Dritteigentum handelt. Die Unwirksamkeit der jeweiligen Hoheitsakte lässt sich daher anhand der spezifischen Interessenlagen erklären, die den entsprechenden Sachverhalten zugrunde liegen.211 4. Interessenabwägung Erweist sich die Rechtsschutzgewährung im Rahmen der Zwangsvollstreckung somit nicht als generell unvereinbar mit Art. 19 Abs. 4 GG, so muss sie gleichwohl unter Abwägung aller berührten Belange angemessen sein. Insoweit kann jedoch – ohne zu verkennen, dass die Angemessenheit eines Eingriffs für jedes Grundrecht separat zu prüfen ist – umfassend auf die obigen Ausführungen zur Angemessenheitsprüfung des Art. 14 GG verwiesen werden. Dort wurden bereits die von dem Eigentumsübergang betroffenen Interessen dargestellt. Diese sind zwangsläufig gleichermaßen von der Frage der Rechtsschutzausgestaltung gegen den Eigentumsübergang betroffen, insbesondere von der Frage, ob dem Dritteigentümer ein Anfechtungsrecht zustehen sollte.212 Die oben im Rahmen der Interessenabwägung ausgeführten
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Vgl. ausführlich unten 4. Teil B. I. 2. a). Zur Auswirkung der Interessenlage auf die Fehlerfolgen später noch unter 4. Teil D. II. 2. a) ee) (1). 212 Nur hierauf könnte eine Stärkung des Rechtsschutzes hinauslaufen. Eine Verbesserung des präventiven Rechtsschutzes erscheint kaum möglich: Das Hauptproblem, dass 211
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Erwägungen gelten hier folglich entsprechend. Der (Teil-)Unwirksamkeit des eigentumsentziehenden Rechtsaktes steht dabei ein Wegfall des Rechtsaktes im Wege einer Anfechtung gleich, ohne dass sich hieraus Unterschiede in der Sache ergeben. Dementsprechend können die Ergebnisse knapp rekapituliert werden, wobei einige rechtsschutzspezifische Ergänzungen erfolgen sollen. Diesbezüglich ist zunächst nochmals der Bereicherungsanspruch des Dritteigentümers für seinen erlittenen Rechtsverlust in den Fokus zu rücken. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass die Gewährleistung eines hinreichend effektiven Rechtsschutzes von der h.M. – sofern sie sich überhaupt zu diesbezüglichen Ausführungen einlässt – maßgeblich mit dem Bereicherungsanspruch begründet wird.213 Durch solche Darstellungen wird jedoch nicht nur die Rolle des Anspruchs völlig überbewertet, sondern auch seine Funktion verklärt. Hier ist nochmals klarzustellen, dass der Bereicherungsanspruch gerade keine Form von Rechtsschutz darstellt, da das zu schützende Eigentumsrecht den Bestand des Eigentums und nicht dessen Wert gewährleistet. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es sich bei dem privatrechtlichen Bereicherungsanspruch freilich auch nicht um einen Kompensationsanspruch im Sinne eines Sekundärrechtsschutzes handelt,214 denn hierzu bedarf es eines Anspruchs gegen die öffentliche Hand. Der Bereicherungsanspruch führt allein zu einer „Abfederung“ des Rechtsverlusts des Dritten, die, wie oben geschehen, im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen ist. a) Rechtsschutz in der Mobiliarvollstreckung In der Mobiliarvollstreckung kann die Angemessenheit der präventiven Rechtsschutzgewährung dann nicht mehr bejaht werden, wenn von dem Rechtsverlust des Dritteigentümers ein bösgläubiger Ersteigerer profitiert. In diesem Fall ist die Unumkehrbarkeit des Rechtsverlusts sachlich nicht mehr zu rechtfertigen. Es gelten die obigen Ausführungen. Unter der Annahme der Wirksamkeit eines solchen Eigentumsübergangs ist es geboten, dem Drittei-
der Dritteigentümer oftmals keine Kenntnis von der Vollstreckung in sein Eigentum erlangt und deshalb von der Möglichkeit der Erhebung einer Drittwiderspruchsklage keinen Gebrauch machen kann, kann auch durch Maßnahmen des Vollstreckungsorgans nicht behoben werden, da dieses selbst nicht weiß, dass es sich bei dem Vollstreckungsobjekt um Dritteigentum handelt. 213 So etwa Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 27; zu Recht kritisch Stamm, Prinzipien, S. 405 (Fn. 278). 214 Der Sekundärrechtsschutz gewährleistet einen Ausgleich für Rechtsverletzungen und andere, nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen geschützter Rechtsgüter durch Folgenbeseitigungs-, Schadensersatz- oder Ausgleichsansprüche (Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 2005 f.). Umfassend und kritisch zum System des sekundären Rechtsschutzes Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 2005 ff.
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gentümer einen repressiven Rechtsschutz an die Hand zu geben, auch wenn sich dies insbesondere zulasten der Effektivität der Zwangsvollstreckung und des Verkehrsschutzes auswirken würde. Soweit der Rechtsentzug zugunsten eines bösgläubigen Ersteigerers eintritt, ist folglich das von Art. 19 Abs. 4 GG geforderte Mindestmaß an effektivem Rechtsschutz für den Dritteigentümer verletzt.215 b) Rechtsschutz in der Immobiliarvollstreckung aa) Rechtsschutz des Grundstückseigentümers Für den Grundstückserwerb sind nochmals die hohen formellen Hürden216 für eine Änderung des Grundbuchs hervorzuheben, durch die eine Vollstreckung in Dritteigentum schon von Gesetzes wegen weitgehend unterbunden wird. Aus der Perspektive des Art. 19 Abs. 4 GG sind diese hohen Anforderungen für die Grundbuchänderung dabei als bereits im Verfahrensrecht verankerte Rechtsschutzmechanismen zu verstehen.217 Die Rechtsschutzfunktion entsprechender Verfahrensgestaltungen – diskutiert zumeist in Bezug auf das Verwaltungsverfahren – ist heute weitestgehend anerkannt.218 Abgesehen von solchen Verfahrensnormen, die ganz offensichtlich dem Rechtsschutz dienen (z.B. das Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO),219 wird als Beispiel für einen in das Verwaltungsverfah215 Ebenso Stamm, Prinzipien, S. 404 ff.; Marotzke, NJW 1978, 133, 134 ff.; unter Bezugnahme auf diesen Pesch, JR 1993, 358, 360 f.; Säcker, JZ 1971, 156, 159; Müller, Ablieferung, S. 186; Behrendt, Verfügungen, S. 48 ff.; die Verfassungsmäßigkeit zumindest in Frage stellend Piekenbrock/Kienle, Examinatorium, Rn. 390. A.A. ausdrücklich Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 27. 216 S.o. 2. Teil D. II. 3. b) bb) (1) (c) (cc). 217 Müller, Ablieferung, S. 181. 218 Held, Grundrechtsbezug, S. 49 mit zahlreichen Nachweisen (Fn. 125); SchmidtAßmann, NVwZ 1983, 1, 4 („Daß der Verfahrensgedanke daneben auch dem subjektiven Rechtsschutz dienen kann und daß er es besonders dann tut, wenn die Verfahrensgestaltung auf die Betroffenen Rücksicht nimmt, sie zu Wort kommen läßt und überhaupt am Verfahren beteiligt, ist ebenfalls eine alte Erkenntnis der Rechtswissenschaft.“); vgl. ferner Laubinger, VerwArch 1982, 60, passim; Scholz, VVDStRL 1976, 146, 211 ff.; SchmidtAßmann, VVDStRL 1976, 222, 264 ff. Blümel, in: Tagungsband der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 22, 25 f.; Häberle, Verfassung, S. 679; Lorenz, AöR 105 (1980), 623, 626; Lorenz, Rechtsschutz, S. 178 ff.; Dütz, Gerichtsschutz, S. 107; Schwarze, Zusammenhang, S. 32 f., 44, 48 f.; Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2807; Müller, Ablieferung, S. 178 f.; Lerche, BayVBl 1980, 257 f., 262; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 4. Die Rechtsprechung ist diesbezüglich uneinheitlich (Held, Grundrechtsbezug, S. 50 m.w.N.), wobei ein größerer Teil und insbesondere das BVerfG die Rechtsschutzfunktion des Verfahrens anerkennt, vgl. etwa BVerfGE 52, 380, 389 – „Schweigender Prüfling“; 53, 30, 60, 63 ff. – „Mülheim-Kärlich“; OVG Lüneburg DVBl. 1977, 347, 348. 219 Als weitere Beispiele lassen sich die §§ 132 ff. TKG (Beschwerdeverfahren) oder die
D. Überprüfung der Rechtsschutzmöglichkeiten
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ren vorgelagerten Rechtsschutz häufig die Anhörung220 genannt.221 Diese eröffnet dem Betroffenen schließlich die Möglichkeit, seine rechtlichen Einwendungen gegen einen drohenden (belastenden) Verwaltungsakt gegenüber den Entscheidungsträgern vorzubringen sowie den Sachverhalt als Entscheidungsgrundlage zu ergänzen oder zu korrigieren und somit, insbesondere wenn gesetzlich ein Ermessen eingeräumt ist, auf eine für ihn günstige Entscheidung hinzuwirken.222 Dies vorangestellt, kommt auch den §§ 17 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 ZVG eine Rechtsschutzfunktion zu. Nach § 17 Abs. 1 ZVG darf die Zwangsversteigerung nur angeordnet werden, wenn der Schuldner als Eigentümer des Grundstücks eingetragen ist, nach § 28 Abs. 1 S. 1 ZVG hat das Vollstreckungsgericht die Vollstreckung von Amts wegen aufzuheben oder einstweilen einzustellen, wenn ihm ein aus dem Grundbuch ersichtliches Recht bekannt wird, welches der Zwangsversteigerung entgegensteht. Die Normen dienen der Wahrung der eingetragenen Rechte Dritter223 vor einem rechtswidrigen Zugriff. Sie bieten somit sogar einen besonders intensiven Rechtsschutz, da sich der Betroffene nicht erst, wie bei einer Anhörung oder bei der Einlegung eines Rechtsbehelfs, auf sein Recht berufen muss, sondern dieses von Amts wegen berücksichtigt, mithin „automatisch“ geschützt wird.224 Auch unter diesem Blickwinkel stellen die genannten Vorschriften bei der Beurteilung der Angemessenheit des Rechtsschutzes einen wichtigen Faktor dar.225
§§ 155 ff. GWB (Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern) anführen. Siegel spricht hier von einer „primären Rechtsschutzfunktion“ der Normen (Siegel, ZUR 2017, 451, 453). 220 Held, Grundrechtsbezug, S. 49; Häberle, Verfassung, S. 679; Scholz, VVDStRL 1976, 146, 211 f.; Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen, § 28 VwVfG Rn. 5. 221 Zu denken ist ferner bspw. an Beteiligungsverfahren, Akteneinsichtsrechte sowie Belehrungspflichten (Müller, Ablieferung, S. 174). 222 Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen, § 28 VwVfG Rn. 5. 223 Stöber/Nicht, § 28 ZVG Rn. 2; vgl. auch Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 28 ZVG Rn. 4; Löhning/Jobst, § 28 ZVG Rn. 2; Bartels, Zwangsversteigerung, S. 138. 224 Vgl. Bartels, Zwangsversteigerung, S. 160: „Der Eigentümer wird so [durch die Berücksichtigung des Drittrechts von Amts wegen im Rahmen des § 28 ZVG] vom Aufwand einer Intervention nach § 771 ZPO entlastet.“ 225 Der verfahrensimmanente Rechtsschutz ist als Wertungsgesichtspunkt bei der Frage zu berücksichtigen, ob ein hinreichend effektiver Rechtsschutz i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet ist. Nach einer Mindermeinung soll der verfahrensimmanente Rechtsschutz dagegen selbst als Rechtsschutz i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG zu verstehen sein. In diesem Sinne Schwarze, Zusammenhang, S. 50 ff.; Lorenz, Rechtsschutz, S. 145 f., 178 ff.; vgl. auch Werner, JZ 1955, 349, der sich jedoch inhaltlich mit der Vorwirkung des Art. 19 Abs. 4 GG auf das Verwaltungsverfahren auseinandersetzt, ebenso Kopp, Verfassungsrecht, S. 149 und Lerche, ZZP 78 (1965), 1, 27. Dem kann angesichts des Wortlauts der Norm nicht gefolgt werden: Mit „Rechtsweg“ ist eindeutig ein gerichtlicher Rechtsschutz gemeint.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
Im Übrigen sei auf die obigen Ausführungen verwiesen. Unter Berücksichtigung aller widerstreitenden Belange ist der gewährleistete Rechtsschutz des Dritteigentümers danach, selbst bei mangelnder Vorwerfbarkeit der Unrichtigkeit des Grundbuchs und bei deren positiver Kenntnis des Ersteigerers, nicht unangemessen.226 Dies gilt vor allem, weil in der Immobiliarvollstreckung ein erhebliches Bedürfnis an Rechtssicherheit besteht, insbesondere angesichts des großen betroffenen Personenkreises. bb) Rechtsschutz des Zubehörseigentümers Gerade in Bezug auf Grundstückszubehör und dort vor allem bei abhandengekommenen Sachen ist der präventive Rechtsschutz besonders schwach ausgestaltet, was dessen Angemessenheit, insbesondere angesichts der Möglichkeit des Rechtsübergangs an einen bösgläubigen Ersteigerer, fragwürdig erscheinen lässt. Gleichwohl würde eine Trennung von Grundstück und Zubehör und damit die Auflösung des Verbundswertes durch die Gewährung eines separaten repressiven Rechtsschutzes für den Zubehörseigentümer eine erhebliche Minderung der Vollstreckungseffektivität mit sich bringen. Auch hier gelten die obigen Ausführungen. In der Gesamtabwägung ist das von Art. 19 Abs. 4 GG geforderte Mindestmaß an Rechtsschutz daher nicht unterschritten.227
E. Zwischenergebnis Hinsichtlich der Immobiliarvollstreckung ist das verfassungsrechtlich geforderte Mindestniveau an effektivem Rechtsschutz für den Dritteigentümer trotz der angesprochenen Bedenken zu bejahen. Dagegen wird das Untermaßverbot bei der Mobiliarvollstreckung verletzt, soweit der Rechtsentzug zugunsten eines bösgläubigen Ersteigerers erfolgt.
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So auch die g.h.M. Ausdrücklich die Verfassungsmäßigkeit bejahend Raue, Enteignungsbegriff, S. 74 f.; Marotzke, NJW 1978, 133, 135 f.; Bartels, Zwangsversteigerung, S. 379 f.; Müller, Ablieferung, S. 181 f.; Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 61 ff. 227 A.A. Stamm, Prinzipien, S. 598; Hager, in: FS Canaris, 1, 18 f.
4. Teil
Lösungsmöglichkeiten Wenn im 2. und 3. Teil herausgearbeitet wurde, dass die Ablieferung von Dritteigentum an einen bösgläubigen Ersteigerer mit Art. 14 und Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar ist, so ist nunmehr der Frage nachzugehen, ob und wie dieser rechtsstaatlich unbefriedigende Umstand de lege lata gelöst werden kann. Die Geltung der gemischten Theorie wird dabei nicht mehr als Prämisse unterstellt, sondern vielmehr einer kritischen Prüfung unterzogen. Zudem sind die vorgebrachten und durchaus facettenreichen Ansätze jener Autoren, welche die Problematik der Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer erkennen, zu analysieren und zu bewerten.
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien zur Dogmatik des Vollstreckungsverfahrens In Betracht kommt zunächst, auf die öffentlich-rechtliche oder auf die antiquierte privatrechtliche Theorie zurückzugreifen, sollten sich diese als dogmatisch haltbar erweisen.
I. Öffentlich-rechtliche Theorie Mit der öffentlich-rechtlichen Theorie ist dem Problem des verfassungswidrigen Eigentumserwerbs jedoch von vornherein nicht beizukommen. Auch sie geht schließlich davon aus, dass der Eigentumsübergang an den Ersteigerer unabhängig von dessen Bösgläubigkeit und von der Schuldnerzugehörigkeit der Sache erfolgt.
II. Privatrechtliche Theorie Die Heranziehung der privatrechtlichen Theorie erscheint dagegen vielversprechender. Nach ihr handelt es sich bei der Ablieferung um eine privatrechtliche Pfandverwertung, weshalb ein Erwerb von Dritteigentum nach den allgemeinen bürgerrechtlichen Vorschriften nur bei Gutgläubigkeit des Erwerbers möglich ist. Der grundrechtsverletzende Erwerb bei Bösgläubigkeit findet nach dieser Theorie nicht statt. In Anbetracht des Umstands, dass
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
sie heute nicht mehr vertreten wird, ist die Haltbarkeit der privatrechtlichen Theorie jedoch kritisch zu hinterfragen. 1. Begründung der Theorie a) Der Wille des Gesetzgebers und das Wortlautargument Die privatrechtliche Theorie wird zuvorderst darauf gestützt, dass sie auch der Vorstellung des historischen Gesetzgebers zugrunde lag. Tatsächlich war die Frage, ob der Gerichtsvollzieher im Auftrag des Gläubigers ein Pfandrecht begründet, auf das grundsätzlich die §§ 1204 ff. BGB anwendbar sind, oder aber in hoheitlicher Funktion eine öffentlich-rechtliche Beschlagnahme durchführt, welche zugleich ein öffentlich-rechtliches Pfandrecht als Grundlage der Verwertung entstehen lässt, bereits während des Gesetzgebungsverfahrens umstritten.1 Obgleich die öffentlich-rechtliche Konzeption eines Verwertungsrechts, das auf der Hoheitsgewalt des Gerichtsvollziehers beruht, dem Gesetzgeber bekannt war und in der ersten Lesung des CPO-Entwurfs von einzelnen Abgeordneten durchaus befürwortet wurde,2 entschied sich der Gesetzgeber seinerzeit bewusst dagegen und konzipierte das Pfändungspfandrecht3 sowie die Verwertung privatrechtlich im Sinne der Mandatstheorie. Diese wurde im Prozessrecht wie auch im materiellen Recht an verschiedenen Stellen kodifiziert. Der Wortlaut der entsprechenden Vorschriften wird von den Befürwortern der privatrechtlichen Theorie immer wieder als Argument angeführt.4 So ist die dem Gerichtsvollzieher zugewiesene Stellung gut an den Formulierungen der §§ 753 und 754 ZPO („Auftrag“ des Gläubigers, der „beauftragte Gerichtsvollzieher“) erkennbar.5 Dies wird besonders deutlich, wenn man die Vorschriften mit den §§ 765a, 766, 769, 791 f., 794a ZPO vergleicht, die nicht von einem „Auftrag“, sondern von einem „Antrag“ an das jeweilige Gericht als Vollstreckungsorgan sprechen. Wie aus dem Verweis in § 817 Abs. 1 S. 3 ZPO auf § 156 BGB folgt, soll zudem im Rahmen der Verwertung durch Meistgebot und Zuschlag ein schuldrechtlicher Vertrag zustande kommen. Dementsprechend spricht auch
1
Stamm, Prinzipien, S. 339, auch zum Rest des Absatzes. So der Abgeordnete Grimm, der gesetzlich sogar ausdrücklich festhalten wollte, dass der Gläubiger durch die Pfändung kein Pfandrecht erwirbt (zum Änderungsantrag und zu seiner Begründung Hahn/Mugdan, Materialien II/1, S. 825 f.). 3 So heißt es in der Begründung des Entwurfs: „Das Pfandrecht ist von dem Entwurf als Faustpfand konstruirt. […] Auf das Pfand, welches durch den Akt der Pfändung konstruirt wird, kommen die in den einzelnen Rechtsgebieten rücksichtlich des Pfandrechts geltenden Rechtsnormen zur Anwendung“ (Hahn/Mugdan, Materialien II/1, S. 450). 4 Vgl. exemplarisch Pinger, JR 1973, 94, 97. 5 Hierzu und zum Nachfolgenden Säcker, JZ 1971, 156, 158. 2
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
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§ 450 BGB von einem „Verkauf im Rahmen der Zwangsvollstreckung“, 817 Abs. 3 S. 1 ZPO vom „Kaufgeld“. Auch belegt der Gewährleistungsausschluss für den Ersteigerer nach § 806 ZPO, dass grundsätzlich die kaufrechtlichen Vorschriften des BGB Anwendung finden sollten. Der Gesetzgeber beabsichtigte letztlich die Gleichbehandlung gepfändeter Sachen und verpfändeter Sachen. Dies wird besonders sinnfällig an § 804 Abs. 1 ZPO, nach dem der Gläubiger mit der Pfändung ein Pfandrecht erwirbt, und Abs. 2, der dieses Pfandrecht hinsichtlich der gewährten Rechte gegenüber anderen Gläubigern dem Faustpfandrecht gleichstellt.6 Hieraus folgt zugleich, dass nicht – wie in der gemischten Theorie überwiegend vertreten – die Pfändung, sondern das Pfandrecht die Grundlage der Verwertung sein sollte, da dem Faustpfandrecht die Verwertungsbefugnis immanent ist.7 Auch der Eigentumsübergang vollzog sich in den Augen des historischen Gesetzgebers privatrechtlich. Dabei sah er die Ablieferung jedoch nicht als eigenständiges (dingliches) Rechtsgeschäft an, sondern, noch im Sinne des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten, dem das Trennungsund Abstraktionsprinzip fremd war,8 als reinen Vollzugsakt, der zusammen mit dem abgeschlossenen Kaufvertrag den Eigentumsübergang bewirkte. Die Gesetzesmotive belegen, dass ein solcher Eigentumserwerb an einer schuldnerfremden Sache allein bei Gutgläubigkeit des Erwerbers möglich sein sollte.9 Im materiellen Recht fand die privatrechtliche Theorie zudem Niederschlag in den §§ 135 und 161 BGB:10 Nach § 135 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine 6 Beachte die Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung des § 804 ZPO: „Auf das Pfand, welches durch die Pfändung konstituirt wird, kommen die in den einzelnen Rechtsgebieten rücksichtlich des Pfandrechts geltenden Rechtsnormen zur Anwendung. Da aber in den einzelnen Rechtsgebieten die Wirkung des Pfandrechts Dritten gegenüber verschieden geregelt ist, so erschienen einzelne Bestimmungen erforderlich, um dem § 858 Abs. 1 die der Intention des Entwurfs entsprechende Ausführung zu sichern“ (Hahn/Mugdan, Materialien II/1, S. 450) – der Gesetzgeber war der Auffassung, eine umfangreiche Regelung zum Pfandrecht sei aufgrund der Verweisungen auf die privatrechtlichen Vorschriften nicht erforderlich. 7 Noch klarer ging dies aus dem Wortlaut des Gesetzesentwurfs zum damaligen § 658 Abs. 2 S. 1 CPO hervor, in dem es hieß: „Kraft dieses Pfandrechts kann der Gläubiger aus dem gepfändeten Gegenstande seine Befriedigung vor anderen Gläubigern des Schuldners verlangen“ (Hahn/Mugdan, Materialien II/1, S. 84). Der abweichende Wortlaut der kodifizierten Norm sollte den Gedanken des Faustpfandrechts nur noch verdeutlichen (siehe die Begründung des Abgeordneten Struckmann zu seinem Änderungsantrag in Hahn/Mugdan, Materialien II/1, S. 827). 8 Vgl. zum Erfordernis der Besitzverschaffung für den Eigentumserwerb im Allgemeinen Landrecht Hattenhauer/Bernert, ALR, Erster Theil, Neunter Titel, § 3 und Neunter Titel, § 1. 9 Vgl. Hahn/Mugdan, Materialien II/1, S. 451. 10 Stamm, Prinzipien, S. 339 f.; Paulus, in: FS Nipperdey, 909, 918 ff.; vgl. auch Huber,
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Verfügung, die gegen ein gesetzliches Veräußerungsverbot verstößt, relativ unwirksam, nach S. 2 steht eine Verfügung im Rahmen der Zwangsvollstreckung einer rechtsgeschäftlichen Verfügung gleich.11 Ebenso verhält es sich nach § 161 Abs. 1 BGB bei rechtsgeschäftlichen oder vollstreckungsrechtlichen Verfügungen von Gegenständen, über die bereits aufschiebend bedingt verfügt wurde, wenn die Bedingung eintritt. Die beabsichtigte Gleichstellung zwischen beiden Verfügungsarten wird in den Gesetzesmotiven besonders deutlich: „Den Verfügungen und insbesondere den Veräußerungen, welche der Betheiligte selbst vornimmt, stehen diejenigen gleich, welche, wie bei der Zwangsvollstreckung und Arrestvollziehung, aus seinem Rechte erfolgen. Wenn dies in einzelnen Fällen […] im Interesse der Deutlichkeit besonders hervorgehoben ist, so darf daraus für andere Fälle kein gegentheiliger Schluß gezogen werden.“12
b) Der Gläubiger als Subjekt der Zwangsvollstreckung Um die Begründung der privatrechtlichen Theorie auch aus einer anderen Perspektive bemühte sich Schultze.13 Er führt aus, dass dem Pfändungspfandrecht die Vollstreckungsbefugnis immanent sei. Bei dieser handele es sich, wie auch beim Pfändungspfandrecht selbst, um ein dem Gläubiger subjektiv zustehendes Recht. Daraus folge, dass das Subjekt der Zwangsvollstreckung der Gläubiger sei – egal, ob dieser, wie im römischen Recht, selbst zwangsvollstrecken kann, oder ob er sich eines staatlichen Vollzugsorgans bedienen muss. Die Zwischenschaltung eines solchen ändere nichts an der Subjektstellung des Gläubigers, hänge doch das gesamte Vollstreckungsverfahren (von der initiativen Einleitung bis zur Möglichkeit des jederzeitigen Abbruchs der Vollstreckung) einzig von seinem Willen ab. Dieser Wille allein legitimiere das Vorgehen der Staatsgewalt gegen den Schuldner. Der Staat stelle sich in den Dienst und in den Auftrag des Gläubigers und werde zu dessen „Faust“. Der gesamte Vollstreckungsvorgang müsse daher privatrechtlicher Natur sein.
Versteigerung, S. 21 ff., 172 ff. Vgl. außerdem §§ 184 Abs. 2, 883 Abs. 2 S. 2 BGB, die ebenfalls eine Gleichstellung rechtsgeschäftlicher Verfügungen mit solchen im Wege der Zwangsvollstreckung vorsehen. 11 Verfahrensrechtlich wird § 135 BGB zudem durch § 772 ZPO abgesichert, nach dem Gegenstände, für die ein Verfügungsverbot besteht, grundsätzlich nicht im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert werden (S. 1) und zudem aufgrund des Veräußerungsverbots nach Maßgabe des § 771 ZPO Widerspruch erhoben werden kann (S. 2). 12 Motive zum BGB I, S. 128. 13 Zum Folgenden Schultze, Privatrecht und Process, S. 64 ff.
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
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2. Exkurs: Grundsätzliche Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs im Rahmen der Zwangsversteigerung Bevor zur privatrechtlichen Theorie Stellung genommen wird, soll zunächst auf die mit dieser einhergehenden Anwendbarkeit des § 1244 BGB eingegangen werden. a) Die Kritik Münzbergs Hier ist Münzberg der Auffassung, dass die Anwendung des § 1244 BGB den Eigentumserwerb nicht nur bei Bösgläubigkeit, sondern de facto auch bei Gutgläubigkeit des Ersteigerers verhindern würde. Dies folgert er daraus, dass jeder Ersteigerer als grob fahrlässig anzusehen sei, da weder der Schuldner sein Eigentum an dem Pfandobjekt behauptet, noch der Gerichtsvollzieher die Eigentumslage prüft. Es gebe deshalb keinen Vertrauenstatbestand. Gutgläubigkeit könne allenfalls in dem eher theoretischen Fall angenommen werden, dass der Schuldner dem Ersteigerer gegenüber sein Eigentumsrecht glaubhaft versichert.14 Diese Bedenken sind jedoch unbegründet. Grobe Fahrlässigkeit ist dem Ersteigerer erst dann zu attestieren, wenn sich diesem das fehlende Schuldnereigentum und damit das fehlende Pfändungspfandrecht hätte aufdrängen müssen. Davon wird man allein aufgrund der von Münzberg dargelegten Umstände jedoch schwerlich ausgehen können. b) Bestehen eines Rechtsscheinträgers Die Kritik Münzbergs dürfte in der Sache wohl eher darauf abzielen, dass es in der Zwangsvollstreckung mangels Rechtsscheins grundsätzlich keinen gutgläubigen Erwerb geben könne.15 Dogmatisch wäre dies zutreffend, ist doch das Bestehen eines Rechtsscheins stets Voraussetzung für einen gutgläubigen Erwerb.16 Doch geht die Prämisse des mangelnden Rechtsscheins
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Stein/Jonas/Münzberg, § 817 ZPO Rn. 21. Zutreffend daher auch Hager, in: FS Canaris, 1, 7, nach dem Münzberg mit seinem Einwand „die Frage nach dem Rechtsscheinträger mit der Frage nach der Redlichkeit [vermengt]“. 16 Daraus erklärt sich, warum ein gutgläubiger Forderungserwerb nicht möglich ist. Hier vollzieht sich die Übertragung alleine durch die Abtretung des Zedenten an den Zessionar; der Letztere muss sich dabei bezüglich der Inhaberschaft der Forderung auf die Worte des Ersteren verlassen, ohne dass es etwas „Greifbares“ gäbe, an das er sein Vertrauen knüpfen könnte. Dies erschien dem Gesetzgeber als unzureichend für die Zulassung eines gutgläubigen Forderungserwerbs. Lediglich in den Fällen, in denen das Vertrauen ausnahmsweise doch einen körperlichen Anknüpfungspunkt hat, ermöglicht das Gesetz einen gutgläubigen Forderungserwerb, namentlich bei der Schuldurkunde (§ 405 BGB) und beim Erbschein (§ 2366 BGB). Siehe zum Ganzen Zeranski, JuS 2002, 340, 341. 15
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
fehl. Wie bereits oben ausgeführt,17 begründet der Gewahrsam gleichermaßen einen Rechtsschein für die Eigentümerstellung des Schuldners, wie es der Besitz18 für den Besitzer tut. Ein gutgläubiger Erwerb ist demnach durchaus möglich.19 Dies dürfte selbst dann gelten, wenn man, wie teilweise vertreten, zusätzlich zum Bestehen des Rechtsscheins fordert, dass sich der Veräußerer diesen „zu eigen machen“ bzw. „für sich in Anspruch nehmen“ muss.20 Bei den §§ 932 ff. BGB geschieht dies dadurch, dass der Veräußerer dem Erwerber den Besitz verschafft.21 Zum Teil wird auch diese Besitzverschaffungsmacht selbst und nicht der Besitz als Rechtsscheinträger angesehen.22 Der Schuldner in der Zwangsvollstreckung verschafft dagegen zwar niemandem Gewahrsam. Hier erscheint es jedoch vertretbar, das Sich-zu-eigen-Machen des Rechtsscheins dadurch zu bejahen, dass der Schuldner die Vollstreckung in die Sache geschehen lässt.23 3. Stellungnahme a) Der Wille des Gesetzgebers Zur Begründung der privatrechtlichen Theorie wird regelmäßig der Wille des Gesetzgebers angeführt. Es soll daher zunächst analysiert werden, wie stichhaltig dieses Argument aus methodischer Sicht ist.
17
S.o. 2. Teil D. II. 2. c) cc) (2). Dass der Besitz den Rechtsscheinträger bei beweglichen Sachen bildet, entspricht der g.h.M., vgl. BGHZ 10, 81, 86; 34, 153, 158; 56, 123, 128 f.; Hager, Verkehrsschutz, S. 239 mit zahlreichen Nachweisen (Fn. 77); Palandt/Herrler, Vor. § 929 BGB Rn. 6; Giehl, AcP 161 (1962), 357, 363 ff.; Deutsch, JZ 1978, 385, 386. 19 Im Falle der Pfändung einer im Gewahrsam des Gläubigers oder eines Dritten befindlichen Sache nach § 809 ZPO kann der Gewahrsam zwar keinen Rechtsschein erzeugen, wohl aber die in diesem Fall vorzunehmende Prüfung der Schuldnerzugehörigkeit der Sache durch den Gerichtsvollzieher (s.o. 2. Teil Fn. 163). 20 Zeranski, JuS 2002, 340, 342. 21 Zeranski, JuS 2002, 340, 342. 22 Vgl. Hager, Verkehrsschutz, S. 245 ff.; BeckOK-BGB/Kindl, § 932 BGB Rn. 1; Thomale/Schüßler, ZfPW 2015, 454, 461; kritisch dagegen Kunkel, Verkehrsschutz, S. 224. 23 Vgl. hierzu Behrendt, Verfügungen, S. 64 f. Auch dieser stellt auf das Geschehenlassen der Versteigerung von Dritteigentum durch den Schuldner ab, will darin jedoch selbst den Rechtsschein für die Eigentümerstellung des Schuldners sehen. 18
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
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aa) Grundsätzliche Bedeutung des Willens des Gesetzgebers bei der Rechtsanwendung Die Frage, inwieweit dem Willen des historischen Gesetzgebers eine Bedeutung beizumessen ist, hängt unmittelbar mit der übergeordneten Frage der richtigen Gesetzesauslegung, genauer mit der Frage des Auslegungsziels, zusammen.24 Auslegung bedeutet, „den konkreten Sinn einer Norm ermitteln, um die Subsumtion des Sachverhalts unter den Gesetzestatbestand zu ermöglichen“25. Worin dieser Sinn jedoch besteht, was also das Auslegungsziel ist, wird unterschiedlich beantwortet. Konkret herrscht Streit darüber, ob insoweit auf den subjektiven Willen des Gesetzgebers abgestellt werden soll (subjektive Theorie) oder ob eine objektiv sinnvolle und gerechte Auslegung anzustreben ist (objektive Theorie).26 Es handelt sich hierbei um ein in der Methodenlehre angesiedeltes Grundlagenproblem, zu dem schon unzählige Autoren Stellung bezogen haben. Manch einer27 geht davon aus, dass es sich – wie alle echten Grundlagenprobleme – nie endgültig wird lösen lassen.28 Die nachfolgende Behandlung erfolgt in der im Rahmen dieser Arbeit gebotenen Kürze.29 (1) Subjektive Theorie Nach der subjektiven Theorie30 ist das Ziel der Auslegung der historische „Wille des Gesetzgebers“ als Subjekt der in der Norm kodifizierten Erklä24
Es befremdet, dass auf diesen doch wesentlichen Punkt in der wissenschaftlichen Diskussion über die privatrechtliche Theorie grundsätzlich nicht eingegangen wird. 25 Hassold, ZZP 94 (1981), 192. 26 Reimer, Methodenlehre, Rn. 247. Zwischen den beiden dargestellten Theorien gibt es eine ganze Palette von Mischformen, die stets auf einer der beiden Theorien basieren, sich jedoch mehr oder weniger stark für die jeweils andere Ansicht öffnen (Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 202 f.). Darunter finden sich u.a. auch eine „subjektiv-zeitgemäße“ und eine „objektiv-historische“ Theorie (vgl. Höhn, Gesetzesauslegung, S. 121 f.; kritisch hierzu Bydlinski, Methodenlehre, S. 429). Vgl. zu den „gemäßigten“ Varianten der beiden Theorien auch Schwacke, Methodik, S. 85 ff. m.w.N. 27 Engisch, Einführung, S. 143. 28 Tatsächlich ist bei diesem Theorienstreit sogar umstritten, über was überhaupt gestritten wird: Während einige (wie hier vertreten) das Auslegungsziel als Kernpunkt des Streits betrachten, sehen ihn andere in dem bloßen Wert der Gesetzgebungsmaterialien (vgl. Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 193). 29 Eine umfassende Darstellung bietet Mennicken, Gesetzesauslegung, passim. 30 Zu den Hauptvertretern zählten Savigny, System, § 33 (wobei einige Autoren Savigny fälschlicherweise nicht zu den Subjektivisten zählen wollen – vgl. hierzu Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, Rn. 796 [Fn. 1104]); Nawiasky, Rechtslehre, S. 126 ff., der allerdings zuvor die objektive Theorie vertrat (vgl. S. 131); Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, Bd. I/1, § 54 II.; Bierling, Prinzipienlehre IV, S. 230 ff.; Heck, Gesetzesauslegung, S. 59 ff.; Windscheid, Pandektenrecht, § 21; Regelsberger, Pandekten, S. 143; Stammler, Rechts-
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
rung.31 Der gesetzgeberische Wille umfasst dabei insbesondere den Zweck der Norm, und zwar in dem Sinne, wie ihn der historische Gesetzgeber sah.32 Da der Gesetzgeber als solcher nicht willensbildungsfähig ist, müsste an sich auf den Willen der an der Gesetzgebung beteiligten natürlichen Personen abgestellt werden.33 Da dies wiederum aufgrund der Vielzahl der Gesetzgebungsbeteiligten faktisch unmöglich ist, wird ein einheitlicher Wille des Gesetzgebers fingiert.34 Dieser Wille des Gesetzgebers ist durch den klassischen, auf von Savigny zurückgehenden Auslegungskanon aus grammatischer (wörtlicher), systematischer, historischer und teleologischer Auslegung35 zu ermitteln.36 Dabei kommt freilich der historischen Auslegung eine herausragende Bedeutung zu, da sie in aller Regel die besten Rückschlüsse auf die gesetzgeberischen Absichten und Wertentscheidungen zulässt37 und dadurch zugleich den der Norm vom Gesetzgeber beigemessenen Zweck ergründet, welcher wiederum die Grundlage für das teleologische Auslegungsmittel darstellt.38 Die historische Auslegung umfasst einerseits39 die Auswertung der Gesetzgebungsphilosophie, § 129. Aus der jüngeren Literatur folgen ihr etwa Beaucamp/Treder, Rechtsanwendung, Rn. 192; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, § 9 Rn. 28 ff.; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 194. 31 Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 198. 32 Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 199. 33 Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 198. Rein sprachlich wird hier der Willensbegriff überdehnt, wenn man einen „Kollektivwillen“, den es als solchen nicht gibt (es gibt nur Einzelwillen der Individuen, die im Übrigen in aller Regel differieren), als einheitlichen Willen des Gesetzgebers ausgibt (Schwalm, in: FS Heinitz, 47, 50). 34 Vgl. Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 198 f., der in diesem Kontext allerdings von einer „normativen Zurechnung“ spricht. 35 So lautet der Auslegungskanon in seiner fortentwickelten, heute allgemein anerkannten Form (Bydlinski, Methodenlehre, S. 437, auch m.w.N. zu leicht veränderten Kanones in Fn. 57). Ursprünglich bestand der Auslegungskanon aus den Elementen der grammatischen, logischen, systematischen und historischen Auslegung – siehe hierzu Savigny, System, S. 212 ff. Ein Überblick zur Methodenlehre Savignys findet sich in Larenz, Methodenlehre, S. 11 ff. 36 Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 199. 37 Hassold, in: FS Larenz, 211, 226. Teilweise wird die subjektive daher auch als historische Auslegungsmethode bezeichnet (Nawiasky, Rechtslehre, S. 126). 38 Vgl. Hassold, in: FS Larenz, 211, 228 f.; Wank, Auslegung, S. 71. Indem die subjektive Theorie den Telos der Norm der gesetzgeberischen Intention entnimmt, legt sie der teleologischen Auslegung subjektiv-teleologische Kriterien zugrunde (Wank a.a.O.). Es besteht demnach eine enge Verknüpfung zwischen historischer und teleologischer Auslegung. 39 In der Methodenlehre wird zum Teil zwischen historischer und genetischer Auslegung unterschieden: Während Erstere die historischen Tatsachen zur Zeit der Normentstehung berücksichtigt, befasst sich die Letztere mit der Entstehungsgeschichte der Norm, also vor allem mit den Gesetzgebungsmaterialien (so etwa Deckert, Rechtsanwendung, S. 44 f.). Nach hier vertretener Auffassung stellt die genetische jedoch einen Teilbereich der histo-
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
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materialien (amtliche Begründungen, Parlamentsvorlagen, Entwürfe etc.), andererseits berücksichtigt sie aber auch in einer Art Gesamtbetrachtung die sozialen, wirtschaftlichen, sprachlichen, rechtlichen und sonstigen Verhältnisse zur Entstehungszeit der Norm.40 Die subjektive Theorie hilft allerdings naturgemäß in solchen Fällen nicht weiter, in denen sich ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht ermitteln lässt. In diesem Fall muss auch sie auf objektive Kriterien zurückgreifen.41 (2) Objektive Theorie Während die subjektive Theorie den „Willen des Gesetzgebers“ zu ergründen sucht, rückt die (noch) herrschende42 objektive Theorie43 den „Willen des Gesetzes“ in den Vordergrund: Auslegungsziel sei demnach der objektive Sinn der Norm.44 Um diesen zu bestimmen, wollen die Objektivisten durch zeitgemäße45 Interpretation des Gesetzes diesem das „Vernünftige, Zweckmäßige und Angemessene“ entnehmen.46 Hierfür sind eigene Bewertungen des Rechtsanwenders nicht nur zulässig, sondern gerade erforderlich.47
rischen Auslegung und kein eigenes Auslegungsmittel dar (ebenso Bydlinski, Methodenlehre, S. 449 ff.; Engisch, Einführung, S. 112; Hassold, in: FS Larenz, 211, 226). 40 Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 199. 41 Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 199 f.; Hassold, in: FS Larenz, 211, 228; Engisch, Einführung, S. 143 f.; vgl. Burckhardt, Gesetzesauslegung, S. 64. 42 Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 798; Muthorst, JA 2013, 721, 724; Wank, Auslegung, S. 32; Beaucamp/Treder, Rechtsanwendung, Rn. 185; Engisch, Einführung, S. 134; Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 194. Gerade in der jüngeren Literatur findet die subjektive Theorie jedoch wieder vermehrt Zustimmung, vgl. etwa Neuner, BGB-AT, § 4 Rn. 44 m.w.N. sowie die in Fn. 30 aufgeführten Vertreter. 43 Die objektive Theorie geht zurück auf Binding, Hdb Strafrecht, S. 450 ff.; Wach, Civilprozessrecht, S. 254 ff. und Kohler, GrünhutsZ 1886, 1, passim (vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 32 f.). Zu ihren Vertretern aus der älteren Literatur zählen insbesondere Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 110 ff.; Rumpf, Gesetz, S. 120 ff.; Reichel, Gesetz, S. 68 ff.; Burckhardt, Gesetzesauslegung, S. 62 ff.; Bekker, JherJb 1895, 1, 71 ff.; Brütt, Rechtsanwendung, S. 50 ff.; Esser, Einführung, S. 183 f.; Schwinge, Begriffsbildung, S. 57 f., aus der jüngeren Literatur etwa Palandt/Grüneberg, Einl. Rn. 40; Bork, BGB-AT, Rn. 122. 44 Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 200; zum Ganzen Larenz, Methodenlehre, S. 32 ff. 45 Im Gegensatz zur subjektiven Theorie, die auf den gesetzgeberischen Willen zur Zeit der Normentstehung abstellt, ist die objektive Theorie also geltungszeitlich konzipiert: Entscheidend ist der Normsinn im Zeitpunkt der jeweiligen Rechtsanwendung. 46 Engisch, Einführung, S. 136. In den Worten Bindings: „Das Gesetz denkt und will, was der vernünftig auslegende Volksgeist aus ihm entnimmt“ – wobei er mit dem Volksgeist „das Volk als Inbegriff der Rechtsgenossen“ versteht, „soweit es sich denkend mit dem Gesetz beschäftigt“ (Binding, Hdb Strafrecht, S. 456 f.). 47 Schwalm, in: FS Heinitz, 47, 51.
128
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Norm, sobald sie verkündet und damit geltendes Recht geworden ist, sich von ihrem Urheber loslöse und fortan ein objektives Dasein führe.48 Der Gesetzgeber habe mit der Verabschiedung des Gesetzes seine Funktion erfüllt und trete nunmehr in den Hintergrund.49 Zu den Rechtsunterworfenen spreche der Gesetzgeber nicht durch die persönlichen Äußerungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, sondern allein durch das erlassene Gesetz.50 Um deutlich zu machen, dass der gesetzgeberische Wille häufig lückenhaft oder gar widersprüchlich ist und der Gesetzgeber zudem regelmäßig nicht sämtliche Einzelfälle bedenken kann,51 welche von der Norm erfasst werden sollen, liest man häufig auch das auf Radbruch52 zurückgehende Bonmot, das Gesetz habe klüger zu sein als der Gesetzgeber.53 Zur Ermittlung des objektiven Sinns der Norm bedient sich auch die objektive Theorie der klassischen Auslegungsregeln. Dabei werden im Rahmen der historischen Auslegung auch die Gesetzgebungsmaterialien berücksichtigt, wenngleich deren Inhalt nicht als verbindlich angesehen wird; der historischen Auslegung kommt daher nur eine untergeordnete Bedeutung zu.54 Eine wichtige Rolle spielt demgegenüber die teleologische Auslegung,55 wobei der Zweck der Norm nach objektiv-teleologischen Kriterien bestimmt wird. Als entsprechende Kriterien gelten etwa die Natur der Sache, Grundsätze und Prinzipien der Rechtsordnung sowie deren Freiheit von Wertungswidersprüchen.56 Die Rechtsprechung betrachtet rechtswegübergreifend den „objektivierten Willen des Gesetzgebers“, häufig auch im terminologischen Gewand des
48
Engisch, Einführung, S. 135. Engisch, Einführung, S. 135. 50 Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 111. 51 Vgl. Rumpf, Gesetz, S. 121. 52 Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 111. 53 Vgl. Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 628; Beaucamp/Treder, Rechtsanwendung, Rn. 189; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 797. Da das Gesetz selbst nicht denkt und daher nicht „klug“ sein kann, müsste es allerdings richtigerweise heißen, dass der Rechtsanwender klüger sein muss als der Gesetzgeber (zutreffend Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 629). 54 Vgl. Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 630, die die historische Auslegung als eigenständige Auslegungsregel gar als „abgeschafft“ erklären. 55 So kommt nach Canaris der teleologischen Auslegung der „höchste Rang unter den Auslegungsmitteln zu“ (Canaris, Systemdenken, S. 91). Siehe zum Ganzen und mit zahlreichen Nachweisen Hassold, in: FS Larenz, 211, 231. 56 Hassold, in: FS Larenz, 211, 228. 49
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
129
„objektiven Willens des Gesetzgebers“, als Auslegungsziel57 und folgt damit, trotz der begrifflichen Unklarheit,58 weitgehend der objektiven Theorie.59 (3) Stellungnahme Die subjektive Theorie weist der Rechtsprechung vor allem die Funktion zu, eine einmal getroffene gesetzgeberische Entscheidung durch entsprechende Gesetzesanwendung umzusetzen.60 Verfassungsrechtlich kann sie sich dabei
57
Ursprünglich deutete die Rechtsprechung des BVerfG eher auf die subjektive Theorie hin (BVerfGE 1, 117, 127 – „Finanzausgleichsgesetz“; siehe dazu Müller, JZ 1962, 471). Der „objektivierte Wille des Gesetzgebers“ wurde erstmals 1952 in einer grundlegenden Entscheidung des 2. Senats des BVerfG formuliert (BVerfGE 1, 299, 312 – „Wohnungsbauförderung“), vom 1. Senat übernommen (BVerfGE 6, 55, 75 – „Steuersplitting“) und sodann von beiden Senaten fortgeführt (BVerfGE 8, 274, 307 – „Preisgesetz“; 10, 20, 51 – „Preußischer Kulturbesitz“; 10, 234, 244 – „Platow-Amnestie“; 11, 126, 130 – „Nachkonstitutioneller Betätigungswille“; 16, 82, 88; 18, 38, 45; 19, 354, 362; 20, 283, 293; 23, 272, 274; 29, 39, 43; 34, 269, 288 – „Soraya“). Daneben ist in einigen Entscheidungen des BVerfG vom „objektiven Willen des Gesetzgebers“ die Rede (BVerfGE 8, 274, 307 – „Preisgesetz“; 13, 153, 164; 19, 354, 362). Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine sprachliche Umgestaltung, nicht um eine inhaltliche Änderung. Dies folgt daraus, dass kontinuierlich auf jene Entscheidungen Bezug genommen wurde, die von dem „objektivierten Willen“ sprachen. Von einer konsequenten Anwendung der objektiven Theorie kann allerdings keine Rede sein, da in einzelnen Entscheidungen immer wieder auch auf die subjektive Theorie zurückgegriffen wird (siehe etwa BVerfGE 54, 277, 297 f. – „Revisionsannahme“; aktuell BVerfG (K) NJW 2019, 351, Rn. 31; zur Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung Müller, JZ 1962, 471, 472 ff.; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 630; Staudinger/Honsell, Einl. zum BGB, Rn. 135). Die Formel des BVerfG hat sich gleichwohl in der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgesetzt (BGHSt 17, 21, 23; 20, 104, 107; BGHZ 18, 44, 45; 23, 377, 390; 33, 321, 330; 37, 58, 60; 46, 74, 76; BVerwGE 11, 314, 317; 17, 43, 47; BFHE 57, 254, 260 f.; 87, 425, 427; BSGE 6, 252, 254 f.; 27, 269). Auch hier gibt es jedoch immer wieder abweichende Entscheidungen, vgl. etwa BGHZ 3, 162, 167; 46, 74, 80; 62, 340, 350; 124, 147, 150. Zum Ganzen und mit weiteren Nachweisen Schwalm, in: FS Heinitz, 47; zu den beiden Theorien in der älteren Rechtsprechung des BVerfG Müller, JZ 1962, 471, passim. 58 Vgl. Müller, JZ 1962, 471, 473. 59 Sich von der subjektiven Theorie ausdrücklich distanzierend: BVerfGE 1, 299, 312 – „Wohnungsbauförderung“; 11, 126, 129 f. – „Nachkonstitutioneller Betätigungswille“. Repräsentativ BVerfGE 62, 1, 45 – „Mißtrauensvotum“ m.w.N.: „Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß die Gesetzesmaterialien mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden sollen, als sie auf einen ,objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen‘ […]. Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen […].“ 60 Muthorst, JA 2013, 721, 723.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
auf das Prinzip der Gewaltenteilung berufen: Die Rechtssetzung ist Sache der Legislative, die Judikative kann allenfalls bei der Ausformung unbestimmter Rechtsbegriffe „assistieren“.61 Der gegen die objektive Theorie gerichtete Vorwurf des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung dadurch, dass der Richter letztlich selbst die Rolle des Gesetzgebers einnimmt, findet sich denn auch bei nahezu allen Vertretern der subjektiven Theorie und ist in der Tat ernst zu nehmen. Allerdings ist hier eine differenzierte Betrachtung geboten: Auf technischer Ebene ist die Tätigkeit des Richters nach der objektiven Theorie durchaus mit der des Gesetzgebers vergleichbar.62 Er muss durch Geistesarbeit und vernünftige Erwägungen einen solchen allgemeinen Satz aufstellen (bzw. modifizieren), der es verdient, Rechtsgeltung für sich zu beanspruchen.63 Der von ihm aufgestellte Rechtssatz gilt jedoch stets nur für den entschiedenen Einzelfall und hat darüber hinaus keinerlei Bindungswirkung. Auf rechtlicher Ebene übt der Richter daher keineswegs gesetzgebende Tätigkeit aus.64 Vor diesem Hintergrund relativiert sich der Vorwurf des Verstoßes gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz. Im Übrigen kann sich auch die objektive Theorie zur Begründung einer eigenständigeren Rolle des Richters auf die Verfassung berufen, da nach Art. 20 Abs. 3 GG die Rechtsprechung nicht nur an das „Gesetz“, sondern auch an das „Recht“ gebunden ist.65 Auch die weiteren, typischerweise zur Begründung der subjektiven Theorie angebrachten Argumente vermögen bei näherer Betrachtung nicht zu überzeugen.66 So wird sie etwa darauf gestützt, dass ein Gesetz als Willensakt des Gesetzgebers im Sinne einer geistigen Schöpfung zu verstehen und anhand dieses Willens zu interpretieren sei, da der Gesetzgeber gewisse Wertvorstellungen zum Ausdruck bringen wollte.67 Dagegen spricht zum einen der bereits erwähnte Umstand, dass es „den Gesetzgeber“ im Sinne eines willensbildungsfähigen Subjekts überhaupt nicht gibt. Einen tatsächlichen Willen aller gesetzgebungsbeteiligten Individuen anhand der Gesetzgebungsmaterialien zu fingieren ist jedoch mit einer erheblichen Unsicherheit behaftet und wird regelmäßig nicht der Realität entsprechen. Auch vermeintlich verlässliche Erkenntnisquellen wie Gesetzesbegründungen sind trügerisch, da diese der Feder des Entwurfsverfassers entspringen, nicht aber des parlamentarischen Organs, das das Gesetz letztlich beschließt.68 Dies gilt umso mehr,
61
Vgl. Nawiasky, Rechtslehre, S. 129. Burckhardt, Gesetzesauslegung, S. 94. 63 Burckhardt, Gesetzesauslegung, S. 94. 64 Burckhardt, Gesetzesauslegung, S. 94. 65 Muthorst, JA 2013, 721, 723. 66 Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf der umfassenden Untersuchung von Mennicken, Gesetzesauslegung, S. 21 ff. 67 Vgl. Heck, Gesetzesauslegung, S. 59. 68 Nawiasky, Rechtslehre, S. 127. 62
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
131
wenn man sich vor Augen führt, dass Gesetzesentwürfe häufig in einer modifizierten Form beschlossen werden.69 Aus den Aufzeichnungen über die Debatten über das Gesetz – sofern es solche überhaupt gibt – können zwar unter Umständen Rückschlüsse auf die gesetzgeberische Intention gezogen werden. Verlässlich ist auch dies jedoch nicht, zumal im Nachhinein nicht rekonstruiert werden kann, welchen Einfluss solche Debatten auf das Meinungsbild hatten.70 Zum anderen müsste ein derartiges Rekurrieren auf den Willen des Gesetzgebers aber auch dazu führen, dass dieser, sobald er einer Vorschrift eine abweichende Bedeutung beimisst, mitunter ein neues Gesetz erlassen müsste, das sogar mit dem bisherigen Gesetz wortgleich sein könnte. Die Absurdität dieses Ergebnisses liegt auf der Hand. Als wichtiges Argument für die subjektive Theorie wird weiter vorgebracht, dass nur sie Rechtssicherheit gewähre. Denn der gesetzgeberische Wille sei anhand der entsprechenden Materialien objektiv nachprüfbar, es könne sich mithin jedermann danach richten. Die Bindung der Gerichte an diesen Willen führe zu einer Stabilisierung der Rechtsordnung. Vor diesem Hintergrund wird häufig reklamiert, die subjektive Auslegung sei tatsächlich objektiv, wohingegen die objektive Auslegung in Wahrheit subjektiv sei.71 Hieran ist jedoch zweierlei auszusetzen. Erstens gibt es eine Vielzahl von Normen, bei denen sich ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht feststellen lässt. Dieser Umstand hat bislang jedoch nicht zu einer spürbaren Rechtsunsicherheit im Hinblick auf ebenjene Normen geführt. Zum anderen ist ganz grundsätzlich fraglich, ob die Rechtssicherheit dadurch gefördert wird, dass man für das Verständnis eines Gesetzes auch dessen Gesetzgebungsmaterialien heranziehen muss. Dem durchschnittlichen Laien werden diese Dokumente regelmäßig nicht zur Verfügung stehen. Gerade er als Rechtsunterworfener sollte jedoch in der Lage sein, den Sinn aus dem Gesetz selbst zu entnehmen.72 Mit dieser Begründung macht daher auch die objektive Theorie das Argument der Rechtssicherheit für sich geltend. Dies erscheint letztlich überzeugender, wurde doch „die Publizität des verbindlichen Gesetzes seinerzeit [gefordert], um gegenüber der Unsicherheit des Gewohnheitsrechtes und der Unübersichtlichkeit und Unbekanntheit der Weisungen der absoluten Gewaltinhaber Rechtssicherheit zu begründen“73. Die subjektive Theorie erinnert dagegen eher der Rechtsvorstellung aus der Zeit des
69
Vgl. Reichel, Gesetz, S. 69. Nawiasky, Rechtslehre, S. 127. 71 Exemplarisch Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 631. 72 Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass auch eine Gesetzesauslegung nach der objektiven Theorie einen Rechtsunkundigen vielfach vor Schwierigkeiten stellt. 73 Nawiasky, Rechtslehre, S. 127 f., mit Verweis auf Burckhardt, Gesetzesauslegung, S. 64 ff. 70
132
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Absolutismus, als das „Gesetz“ noch gleichbedeutend mit den persönlichen Vorstellungen des Landesherrn war.74 Gegen die subjektive Theorie spricht außerdem, dass sie zumindest zu Unklarheiten führt, wenn sich der Rechtsanwender einer Normenkette bedienen muss, deren einzelnen Normen der Gesetzgeber verschiedene Sinngehalte beigemessen hat. Gleiches gilt, wenn eine Vorschrift im Laufe der Zeit geändert wird und ihr daher unterschiedliche gesetzgeberische Intentionen zugrunde liegen75 – hierzu noch sogleich. Vor allem aber ist die subjektive Theorie dem Vorwurf ausgesetzt, dass der Wille des historischen Gesetzgebers als Auslegungsziel einer zeitgemäßen Gesetzesanwendung entgegensteht. Angesichts der sich stetig wandelnden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, technischen,76 politischen und moralischen Verhältnisse besteht jedoch ein praktisches Bedürfnis nach einer flexiblen und gegenwartsbezogenen Rechtsanwendung, welchem durch die statische subjektive Theorie nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann.77 Nach alledem erscheint die objektive Theorie vorzugswürdig. Dies gilt jedenfalls für ältere Gesetze. Bei jüngeren Gesetzen bestehen, insbesondere angesichts des zuletzt genannten Gesichtspunktes, weniger Bedenken, dem Willen des Gesetzgebers zumindest ein etwas höheres Gewicht beizumessen.78 bb) Das gewandelte Verständnis des modernen Gesetzgebers Einer der soeben ausgeführten Punkte ist konkret in Bezug auf die Ablieferung nochmals aufzugreifen: die Möglichkeit eines abweichenden Willens des Gesetzgebers bei der Reformierung einzelner Vorschriften. Obgleich in der Wissenschaft wenig beachtet, ist genau dies nämlich bei der Änderung des § 817 Abs. 2 ZPO geschehen.
74
Reichel, Gesetz, S. 69 f.; vgl. Burckhardt, Gesetzesauslegung, S. 72. Vgl. Nawiasky, Rechtslehre, S. 127. 76 Nur beispielhaft sei hier die Entwicklung des Internets genannt und die dadurch aufkommenden Rechtsfragen – etwa, ob eine online abgegebene Willenserklärung eine solche unter Abwesenden i.S.d. § 130 BGB darstellt und damit die Annahmefrist für Anträge gem. § 147 Abs. 2 BGB gilt. Solche Fragestellungen konnte der historische Gesetzgeber selbstverständlich nicht bedenken (Schwacke, Methodik, S. 87). 77 Vgl. Engisch, Einführung, S. 136 f. Letztlich anerkennt auch die subjektive Theorie die Bedeutung objektiver und gegenstandsbezogener Kriterien; diese sollen nach ihr allerdings nicht im Rahmen der Auslegung, sondern nur im Rahmen der Rechtsfortbildung berücksichtigt werden (Hassold, ZZP 94 (1981), 192, 197). 78 Ähnlich auch Walz, ZJS 2010, 482, 485 f., sowie Staudinger/Honsell, Einl. zum BGB, Rn. 136; vgl. auch Wank, Auslegung, S. 33; Schwacke, Methodik, S. 88. Vgl. zum Geltungsverlust der subjektiven Theorie bei älteren Gesetzen zudem BVerfGE 34, 269, 288 f. – „Soraya“; 54, 277, 297 – „Revisionsannahme“. 75
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
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Nachvollziehen lässt sich dies durch den „Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz über die Internetversteigerung in der Zwangsvollstreckung“ vom 29.04.2009,79 dem sich der Rechtsausschuss angeschlossen hat80 und aufgrund dessen insbesondere die §§ 814 und 817 Abs. 1 und 2 ZPO geändert wurden. In dem Entwurf heißt es auf Seite 8 unter II. („Geltende Rechtslage“) zunächst: „Der Zuschlag ist ein Hoheitsakt, mit dem ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem Staat, vertreten durch den Gerichtsvollzieher oder den Vollziehungsbeamten, und dem Ersteher begründet wird.“ Bereits hieraus folgt, dass der moderne Gesetzgeber die Vorstellung des historischen Gesetzgebers von einer privatrechtlichen Verwertung nicht mehr teilt. Noch deutlicher kommt dies vier Absätze später zum Ausdruck: „Bewährt hat sich im geltenden Recht die Ausgestaltung der öffentlichen Versteigerung als öffentlich-rechtliche Verwertung. Bei ihr gilt zum einen der bereits erwähnte Gewährleistungsausschluss nach § 806 ZPO. Zum anderen fällt, anders als bei privatrechtlichen Veräußerungsgeschäften, keine Umsatzsteuer an.“
Unter II. („Künftiges Recht“) wird sodann auf die Möglichkeit einer privatrechtlichen Verwertung eingegangen, von der man sich aber klar distanziert: „Die Internetversteigerung soll als öffentlich-rechtliche Verwertungsart grundsätzlich den Regeln der Präsenzversteigerung folgen. Diskutiert worden ist, die vorhandenen gewerblichen Auktionsplattformen auch für die Versteigerung gepfändeter Sachen zu nutzen. Die damit verbundene privatrechtliche Verwertung böte zwar den Vorteil einer erheblichen Verfahrensvereinfachung. Allerdings dürften die Nachteile einer privatrechtlichen Verwertung bei einer Gesamtschau überwiegen. Bei einer privatrechtlichen Verwertung entfiele der umfassende Gewährleistungsausschluss. Anders als bei der nun vorgesehenen öffentlich-rechtlichen Verwertungsart wären die Vorschriften über den Fernabsatzvertrag (§§ 312c ff. BGB) und den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) grundsätzlich anwendbar. Zudem entstünden umsatzsteuerpflichtige Lieferungen zwischen dem staatlichen Vollstreckungsorgan und dem Erwerber. Dies verringerte nicht nur den Verwertungserlös, sondern führte auch zu einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand bei dem Vollstreckungsorgan wegen der Umsatzsteuer-Voranmeldungen und der Umsatzsteuer-Jahreserklärungen.“
Es besteht nach alledem kein Zweifel daran, dass der moderne Gesetzgeber, anders als der historische, von einer öffentlich-rechtlichen Verwertung ausgeht. In einem solchen Fall wird man mit Nawiasky81 annehmen müssen, dass nicht mehr auf den überholten Willen des historischen, sondern auf den jüngsten erkennbaren Willen des modernen Gesetzgebers abzustellen ist. 79
BT-Drs. 16/12811. BT-Drs. 16/13444, S. 9: „Soweit der Ausschuss den Gesetzesentwurf unverändert übernommen hat, wird auf die jeweilige Begründung des Gesetzesentwurfs (Drucksache 16/12811) verwiesen.“ 81 Nawiasky, Rechtslehre, S. 130. Wenig bescheiden bezeichnet er seine Auffassung selbst als „veredelte subjektive Methode“. 80
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Damit ist die Aussage, die privatrechtliche Theorie entspreche dem Willen des Gesetzgebers, aus heutiger Sicht falsch. b) Dogmatische Betrachtung Nachdem somit feststeht, dass die privatrechtliche Theorie nicht mit dem Willen des Gesetzgebers begründet werden kann, gilt es nunmehr, sie aus dogmatischer Sicht zu beleuchten. aa) Pfändungspfandrecht als öffentliches Recht Die Vertreter der öffentlich-rechtlichen Theorie erheben gegen die privatrechtliche Theorie den Einwand, das Pfändungspfandrecht sei nicht privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Natur. Diese Kritik richtet sich gleichermaßen gegen die gemischte Theorie, die schließlich ebenfalls von einem privatrechtlichen Pfändungspfandrecht ausgeht. Als Argument wird angeführt, dass die Pfändung (unstreitig) ein hoheitlicher Akt ist. Ein durch einen solchen Akt entstehendes Pfandrecht müsse zwangsläufig ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur sein.82 Dass diese pauschale Schlussfolgerung unzutreffend ist, kann jedoch dem Zwangsvollstreckungsrecht selbst entnommen werden. Bekanntlich bewirkt die Pfändung ein Verfügungsverbot des Schuldners nach § 135 BGB. Dieses ist jedoch nach einhelliger Meinung privatrechtlicher Natur. Aus der öffentlich-rechtlichen Qualifizierung eines Rechtsaktes resultiert demnach nicht zwangsläufig, dass sämtliche Folgen dieses Aktes dessen Rechtsnatur teilen.83 Stattdessen ist mit der h.M. vielmehr von einer privatrechtlichen Natur des Pfändungspfandrechts auszugehen. Dies belegt insbesondere die Vorschrift des § 50 Abs. 1 InsO, in dem das Pfändungspfandrecht in einem Atemzug mit den übrigen privatrechtlichen Pfandrechten84 genannt wird und dem Gläubiger gleichermaßen eine abgesonderte Befriedigung gewährt.85
82
Vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 50 Rn. 46. MüKo-ZPO/Gruber, § 804 ZPO Rn. 11; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 50 Rn. 60. 84 Die rechtsgeschäftlichen und die gesetzlichen Pfandrechte. 85 Die öffentlich-rechtliche Theorie ist zudem wenig konsequent, wenn sie zwar ein öffentlich-rechtliches Pfändungspfandrecht annimmt, bei der Frage des Behaltendürfens des Erlöses letztlich aber doch wieder auf das materielle Recht rekurrieren will, ohne diesen Rückgriff jedoch dogmatisch plausibel begründen zu können (vgl. zum Ganzen MüKoZPO/Gruber, § 804 ZPO Rn. 12 ff.) Die öffentlich-rechtliche Theorie ist daher insgesamt abzulehnen. 83
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
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bb) Gerichtsvollzieher als Amtsträger Die privatrechtliche Theorie kann auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass es sich bei dem Gerichtsvollzieher um ein Staatsorgan handelt und er aufgrund dieser hoheitlichen Position nicht in Ausübung eines privaten Rechts des Gläubigers handeln könne.86 Eine solche Argumentation müsste gleichermaßen für den Pfandverkauf nach §§ 1234 ff. BGB gelten. Schließlich wird auch hier die Versteigerung von einem Gerichtsvollzieher durchgeführt, der als Amtsträger, mithin in hoheitlicher Funktion, agiert.87 Gleichwohl ist allgemein anerkannt, dass der Gerichtsvollzieher bei dieser Versteigerungsform als Vertreter des Pfandgläubigers handelt.88 Die amtliche Stellung des Gerichtsvollziehers kann demnach nicht ausschlaggebend sein.89 cc) Hoheitliches Handeln des Gerichtsvollziehers Die privatrechtliche Theorie wird jedoch gemeinhin – hierin sind sich die Vertreter der öffentlich-rechtlichen und der gemischten Theorie einig – mit dem Verweis darauf abgelehnt, dass die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung nach der modernen Rechtsdogmatik hoheitlicher Natur sei.90 Diesem modernen Verständnis liegt ein Wandel der Anschauung des gesamten Prozessrechts zugrunde.91 Angestoßen wurde diese „Emanzipation des Privatrechts vom Aktionenrecht“92 schon im 19. Jahrhundert durch Windscheid,93 der die materiellen Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien von der Klagemöglichkeit entkoppelte und die actio durch den Anspruchsbegriff ersetzte.94 Dies führte zu einem Bestreben der Prozessrechtsdogmatik, das Prozessrecht „aus den Fesseln zivilistischen Denkens“95 zu befreien und „einen vom materiellen Recht gelösten Prozeßbegriff zu entwickeln, der sich dazu eignete, die Beteiligung des Gerichts an der Verwirklichung der Privatrechtsordnung konstruktiv zu erklären“96. Die Prozessualisten zogen nun die 86
Die Stellung des Gerichtsvollziehers als Staatsorgan besonders hervorhebend bspw. Schwinge, Staatsakt, S. 106; Lüke, ZZP 67 (1954), 356, 358 ff.; Kuchinke, JZ 1958, 198, 201. 87 Ausführlich Huber, Versteigerung, S. 41 f. 88 Siehe nur MüKo-BGB/Damrau, § 1242 BGB Rn. 1. 89 So auch Gaul, Rpfleger 1971, 1, 2. 90 Nikolaou spricht insoweit von einer „gesicherte[n] These der Rechtswissenschaft“ (Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 43). 91 Zu diesem Absatz Huber, Versteigerung, S. 14 f. 92 Goldschmidt, Beiträge, S. 27. 93 Windscheid, Actio, passim. 94 Degenkolb, Zivilprozess, S. 6. 95 Jauernig, Zivilurteil, S. 1; ganz ähnlich Hellwig, Klagrecht, S. 10. 96 Huber, Versteigerung, S. 15. Vgl. hierzu Degenkolb, Zivilprozess, S. 3 ff.; Boor, Rechtssystem, S. 16 ff.; Simshäuser, Recht und Prozeßrecht, S. 71 ff.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Konsequenzen aus der schon länger erkannten publizistischen Natur des Prozessrechts und qualifizierten die Maßnahmen, die im Prozess durch die berufenen Staatsorgane ergingen, als Hoheitsakte, die als solche keiner privatrechtlichen Behandlung zugänglich, sondern nach eigenen Regeln zu behandeln seien. Obwohl es bereits vorher durchaus entsprechende Ansätze gab,97 konnte sich diese Sichtweise im Vollstreckungsrecht erst mit dem Wirken Steins durchsetzen.98 Bis dahin musste die privatrechtliche Behandlung des Vollstreckungsrechts in den Worten Hubers „als Relikt einer im Bereich des Erkenntnisverfahrens bereits überwundenen Epoche erscheinen“99. Zu beachten ist dabei zwar, dass der skizzierte Wandel der Rechtsanschauung konkret in den Jahren nach 1933 zumindest auch durch eine generelle Huldigung der Majestät und Autorität des Staates motiviert war.100 Auch die Rechtsprechungsänderung des Reichsgerichts in RGZ 156, 395 ff. war von diesem Gedanken beeinflusst.101 Bruns sprach prägend von dem „mystische[n] Gedanke[n] von der Staatsallmacht“102, mit dem die Annahme der hoheitlichen Tätigkeit des Gerichtsvollziehers mitunter kritisiert wird. Entscheidend ist jedoch nicht dieses zeitbedingte Motiv ideologischer Art, sondern vielmehr die zu Recht gezogene Konsequenz daraus, dass es sich beim Zwangsvollstreckungsrecht um Zivilprozessrecht und somit um öffentliches Recht handelt.103 Erfolgen Pfändung und Verwertung nach öffentlichrechtlichen Vorschriften,104 so können ebenjene Handlungen des Gerichtsvollziehers nicht privatrechtlich beurteilt werden.105 dd) Staatliche Vollstreckungsgewalt Für die Annahme eines hoheitlichen Handelns des Gerichtsvollziehers ist es allerdings unerlässlich, dass dessen Zwangsbefugnisse durch die Staatsgewalt begründet werden, da sie ja gerade nicht auf dem Gläubigerrecht beruhen können. Dass der Gerichtsvollzieher in Ausübung staatlicher Rechtsmacht handelt, wird dementsprechend allgemein bejaht.106 Hier bedarf es allerdings einer näheren Betrachtung. 97
Vgl. etwa Hachenburg, BGB, S. 143; Dernburg, Pfandrecht, S. 417 ff.; Wach, Civilprozessrecht, S. 322 f. 98 S.o. 1. Teil B. III. 4. 99 Huber, Versteigerung, S. 15. 100 Säcker, JZ 1971, 156, 160. 101 Säcker, JZ 1971, 156 f., 160; vgl. auch Pesch, JR 1993, 358, 359 f.; Behrendt, Verfügungen, S. 41 ff., 47. 102 Bruns, ZVR, S. 91; vgl. Jestaedt, Pfändungspfandrecht, S. 38. 103 Säcker, JZ 1971, 156, 160. 104 Lippross/Bittmann, ZVR, Rn. 231; vgl. auch Schilken, AcP 208 (2008), 850, 853. 105 Vgl. nur Säcker, JZ 1971, 156, 160. Zur Besonderheit der Formenwahlfreiheit im Rahmen der Leistungsverwaltung noch unter C. I. 2. b). 106 Siehe schon RGZ 156, 395, 397 f. Repräsentativ Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 1 Rn. 17, § 31 Rn. 5; Baur/Stürner/Bruns, ZVR, Rn. 5.13.
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
137
(1) Ablehnung der privatrechtlichen Vollstreckungsgewalt Vorab ist jedoch anzumerken, dass auch mit Blick auf die Vollstreckungsgewalt des Gerichtsvollziehers Zweifel an der privatrechtlichen Theorie angebracht sind. Nach dieser handelt der Gerichtsvollzieher in Ausübung eines privaten Rechts des Gläubigers. Es ist jedoch wenig überzeugend, hieraus die dem Gerichtsvollzieher nach § 758 ZPO zustehenden Zwangsbefugnisse ableiten zu wollen.107 Schwer erklärbar erscheint außerdem die Regelung des § 888 Abs. 3 ZPO, die anordnet, dass – trotz Bestehens eines vollwertigen materiell-rechtlichen Anspruchs – eine Vollstreckung zur Leistung von Diensten nicht erfolgt.108 Die Annahme einer dem materiellen Recht immanenten109 Zwangsvollstreckungsbefugnis ist daher letztlich nicht konsistent.110 (2) Quelle der Rechtsmacht des Gerichtsvollziehers Zu untersuchen bleibt aber, woraus genau eine hoheitliche Vollstreckungsmacht des Gerichtsvollziehers abgeleitet werden kann. Innerhalb der gemischten Theorie wird diese Frage konkret in Bezug auf die Verwertungsbefugnis dahingehend beantwortet, dass diese auf der Pfändung bzw. der Verstrickung beruhe. Die Begründung dieser These lieferte bereits der Vater der gemischten Theorie. Stein argumentierte, dass die Pfändung eine Unterart der staatlichen Beschlagnahme darstelle:
107
Gaul, Rpfleger 1971, 1, 2. Vgl. Stein, Grundfragen, S. 6. 109 Vgl. Schultze, Privatrecht und Process, S. 65; Tuhr, Allgemeiner Teil I, S. 111, 115, 176 ff.; Pesch, JR 1993, 358, 359. 110 Dies ändert nichts daran, dass dem Faustpfandrecht durchaus eine Verwertungsbefugnis immanent ist. In Bezug hierauf stellte schon das Reichsgericht den Unterschied zwischen den beiden Pfandrechtsarten dar: „Die Zivilprozeßordnung hat besondere Vorschriften über die Verwertung gepfändeter Sachen. Diese Verwertung steht auch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt als der Pfandverkauf. Mit dem Pfandverkauf nutzt der Pfandgläubiger das dem Pfandrecht wesentliche Recht, also ein Privatrecht aus. Bei der Zwangsvollstreckung […] entsteht zwar auch ein Pfandrecht, das zahlreichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts über das rechtsgeschäftlichen Pfandrecht unterliegen mag, die Verwertung […] geschieht aber nicht in Ausnutzung des privatrechtlichen Pfandrechts, sondern im Verlaufe der Zwangsvollstreckung auf Grund des Rechts und der Pflicht der Rechtsordnung, dem Gläubiger nicht nur ein Pfandrecht, sondern das Geld, das er von dem Schuldner verlangen kann, durch Verwertung der durch die Pfändung und Verstrickung der Verwertung zugeführten Sache zu verschaffen“ (RGZ 156, 395, 398). Das Erfordernis der Vornahme des Pfandverkaufs durch einen Gerichtsvollzieher (oder eine andere öffentlich angestellte Person gem. § 383 Abs. 3 S. 1 BGB) soll den Pfandverkauf lediglich „mit einer gewissen Sicherheit umkleide[n]“ (RGZ a.a.O.). 108
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
„Soweit die Beschlagnahme im Dienste der Zwangsvollstreckung erfolgt, soll sie also das Recht des Staates, über den gepfändeten Gegenstand weiter zu Vollstreckungszwecken zu verfügen, begründen, mag diese Verfügung durch Veräußerung, Ueberweisung, Nutzung oder wie sonst geschehen […]“111.
Mit anderen Worten bewirke eine Beschlagnahme stets, dass die gepfändete Sache „dem rechtlichen Machtbereich des Schuldners“112 entzogen und „der Verfügungsmacht des Staates unterstellt werde“113. Daher rührt das überkommene Dogma der gemischten Theorie, die Vollstreckung beruhe nicht auf dem Pfandrecht, sondern auf der Pfändung. Zur Überprüfung dieser These ist eine differenzierte Betrachtung nötig. Zunächst kann festgestellt werden, dass die mit der Pfändung eintretende Verstrickung ein öffentlich-rechtliches Herrschaftsverhältnis begründet. Dies ist insbesondere durch den strafrechtlichen Schutz des § 136 StGB eindeutig belegt. Ferner ist allgemein anerkannt, dass die Pfändung, jedenfalls i.E., zu einem relativen Verfügungsverbot nach §§ 136, 135 BGB führt, dem Betroffenen also insoweit die Verfügungsmacht über den gepfändeten Gegenstand entzogen wird. Über die Frage, wodurch dieses Verfügungsverbot konkret eintritt, besteht allerdings Uneinigkeit. Während das Verfügungsverbot überwiegend als Folge der Verstrickung angesehen wird,114 will eine Mindermeinung115 das Verfügungsverbot von der Verstrickung trennen und als unabhängige Rechtsfolge der Pfändung behandeln.116 Nach letzterer Ansicht sollen Verstrickung und Verfügungsverbot ggf. auseinanderfallen können, etwa bei der Vollstreckung in eine schuldnerfremde Sache oder gegen eine andere als die im Titel bezeichnete Person. In diesen Fällen existiere kein Vollstreckungsanspruch des Gläubigers, der durch ein privatrechtliches Verfügungsverbot abgesichert werden müsse.117
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Stein, Grundfragen, S. 25; zustimmend Schwinge, Staatsakt, S. 9. Stein, Grundfragen, S. 25 f. 113 Zusammenfassend Huber, Versteigerung, S. 46. 114 Siehe nur Stein/Jonas/Münzberg, § 803 ZPO Rn. 4; Wieczorek/Schütze/Lüke, § 803 ZPO Rn. 30; Brox/Walker, ZVR, Rn. 361; Bruns/Peters, ZVR, S. 124 f.; Musielak/ Voit/Flockenhaus, § 803 ZPO Rn. 9a; Schwinge, Staatsakt, S. 9; HK-ZPO/Kemper, § 803 ZPO Rn. 6; RGSt 65, 248, 249. Dementsprechend findet sich häufig die Formulierung, die Verstrickung (und nicht unmittelbar die Pfändung) sei Grundlage der Vollstreckung, siehe bspw. MüKo-ZPO/Gruber, § 803 ZPO Rn. 55; Hoche/Wiener, ZVR, Rn. 191. 115 MüKo-ZPO/Gruber, § 803 ZPO Rn. 53; Blomeyer, ZPR, § 41 II 4; Fahland, Verfügungsverbot, S. 48 ff.; vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 50 Rn. 14 ff. 116 Vereinzelt wird zudem vertreten, dass überhaupt kein Verfügungsverbot nach §§ 136, 135 BGB eintrete, weder durch die Pfändung noch durch die Verstrickung (entgegen allen Huber, Versteigerung, S. 46 ff., 57). 117 MüKo-ZPO/Gruber, § 803 ZPO Rn. 53; Fahland, Verfügungsverbot, S. 51 ff.; Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 50 Rn. 17. 112
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
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Auf diesen Streit muss jedoch nicht näher eingegangen werden. Denn wie Huber in seiner Untersuchung bereits dargelegt hat, ist es so oder so nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, weshalb mit dem Entzug der Verfügungsmacht beim Betroffenen automatisch ein Zuwachs an Verfügungsmacht bei einem anderen einhergehen sollte.118 Eine solche Rechtsfolge wäre geradezu außergewöhnlich.119 Darüber hinaus müsste ein solcher Zuwachs, wenn überhaupt, doch bei der Person eintreten, zu deren Gunsten das relative Verfügungsverbot wirkt – also bei der Person des Gläubigers, nicht aber beim Gerichtsvollzieher.120 Maßgeblich für die Annahme einer hoheitlichen Verwertung ist daher nicht die Frage der Entziehung der Verfügungsbefugnis beim Betroffenen, sondern allein die Begründung der Verfügungsbefugnis beim Gerichtsvollzieher. Wie Huber121 bewiesen hat, ist es jedoch nicht überzeugend, hier im Sinne der Lehre Steins auf die Pfändung als Form einer Beschlagnahme abzustellen. Erstens existiert keine allgemeine Regel zur Rechtsfigur der Beschlagnahme dahingehend, dass der Staat durch sie die Verfügungsbefugnis über die beschlagnahmte Sache erlangt.122 Zu denken ist nur an die strafprozessuale Beschlagnahme von Beweismitteln nach § 94 Abs. 2 StPO; entsprechend dem Zweck der Norm, lediglich einen Beweisverlust zu verhindern,123 berechtigt die Beschlagnahme den Staat nicht zu Verfügungen über den Gegenstand.124 118
So aber explizit BGHZ 100, 95, 103 f.: „Mit der im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens erfolgten Pfändung, insbesondere der Beschlagnahme des PKW, trat dessen öffentlich-rechtliche Verstrickung mit der Folge ein, daß die Verfügungsbefugnis nunmehr von der Klägerin als materiell-rechtlicher Eigentümerin auf den Gerichtsvollzieher als staatliches Vollstreckungsorgan überging.“ 119 Huber, Versteigerung, S. 55. 120 Huber, Versteigerung, S. 55 f. In diese Richtung argumentiert denn auch die öffentlich-rechtliche Theorie, die davon ausgeht, dass dem Gläubiger aufgrund seines öffentlichrechtlichen Pfändungspfandrechts die Verwertungsbefugnis zustehe. Diese Befugnis sei jedoch nur eine mittelbare, zu ihrer Ausübung müsse sich der Gläubiger des Gerichtsvollziehers bedienen. Die sich gleichermaßen aus dem Pfändungspfandrecht abgeleitete unmittelbare Verwertungsbefugnis stehe dagegen dem Staat zu (eingehend Lüke, JZ 1955, 484, 485). Wie die öffentlich-rechtliche Theorie jedoch von einer ursprünglich dem Schuldner bzw. Dritteigentümer zustehenden, sodann auf den Gläubiger übertragenen privatrechtlichen Verfügungsbefugnis, die der Gläubiger mittelbar durch „Zwischenschaltung“ des Gerichtsvollziehers ausübt, auf dessen hoheitliche Verfügungsbefugnis schließen will, ist nicht nachvollziehbar (zum Ganzen Huber, Versteigerung, S. 56 und mit weiterer Kritik zur Konstruktion Lükes auf S. 43 ff.). 121 Zu den folgenden drei Absätzen Huber, Versteigerung, S. 52. 122 In diesem Sinne jedoch Binding, Lehrbuch des Strafrechts, S. 609 ff. 123 BeckOK-StPO/Gerhold, § 94 StPO Rn. 1. 124 Vgl. RGZ 100, 219, 221 in Bezug auf § 94 StPO: „Beschlagnahme bedeutet […] nichts
140
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Zweitens beruht in den Fällen, in denen der Staat über eine beschlagnahmte Sache verfügen kann, diese Verfügungsbefugnis nicht auf der Beschlagnahme selbst. Dieser Schluss muss gezogen werden, wenn Gesetze eine Verfügungsbefugnis des Staates unabhängig davon vorsehen, ob der Verwertung eine – grundsätzlich mögliche – Beschlagnahme vorangegangen ist oder nicht. Als Beispiel lässt sich das BLG anführen, nach dessen § 45 Abs. 1 die Anforderungsbehörde zur Sicherstellung einer anzufordernden Leistung die Beschlagnahme einer Sache anordnen kann. Die Enteignung, mithin die Ausübung von Verfügungsmacht, findet folglich ohne Rücksicht auf die vorherige Beschlagnahme statt. Gleichermaßen erfolgt auch die Einziehung nach § 74 StGB unabhängig davon, ob die Sache zuvor nach §§ 111b ff. StPO beschlagnahmt wurde. Drittens ist die These, die Verfügungsbefugnis folge aus der Beschlagnahme, nicht einmal für jene Fälle haltbar, in denen der staatlichen Verfügung zwingend eine Beschlagnahme vorauszugehen hat. Erforderlich ist auch in diesen Fällen stets ein zu der entsprechenden Verfügung ermächtigendes Gesetz. Hierauf deuten nicht nur die zuvor bemühten125 Ausführungen des Reichsgerichts in RGZ 100, 219, 221 hin. Sinnfällig wird dies vielmehr auch bei der Immobiliarvollstreckung:126 Hier erwirbt der Ersteigerer nach § 90 Abs. 2 ZVG neben dem Grundstück alle Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt hat. Die Versteigerung erstreckt sich auf alle beschlagnahmten Gegenstände (§ 55 Abs. 1 ZVG), darüber hinaus jedoch auch auf nicht beschlagnahmtes Zubehör, das sich im Besitz des Schuldners befindet, jedoch im Eigentum eines Dritten steht (§ 55 Abs. 2 ZVG). Dies belegt, dass sich die Verfügungsbefugnis des Staates nicht aus der Beschlagnahme ableiten kann. Sie beruht stattdessen unmittelbar auf dem Gesetz.127 Viertens ist es nach dem allgemeinen Rechtsempfinden doch etwas befremdlich, wenn der Gerichtsvollzieher die Pfändung bewirken und sich durch diese Handlung selbst weitere Rechtsbefugnisse verschaffen können soll.128 Gaul vergleicht die Rolle des Gerichtsvollziehers in diesem Zusammenhang mit der „des Barons von Münchhausen […], der sich am eigenen Zopfe aus dem Sumpfe zieht“129. Die These ist auch aus rechtsstaatlicher
anderes, als ein durch behördlichen Zwang erfolgendes Ingewahrsamnehmen von Gegenständen behuts Sicherstellung […]. Eine weitere Verfügung des Staates über die beschlagnahmten Gegenstände wird gesetzlich erst ermöglicht durch die Einziehung, die in den strafrechtlichen Normen vorgesehen ist […].“ 125 Siehe Fn. 124. 126 Vgl. Huber, Versteigerung, S. 56, 154. 127 Huber, Versteigerung, S. 56; Gaul, Rpfleger 1971, 1, 4; Schmidt, Pfändungspfandrecht, S. 132 f.; Jestaedt, Pfändungspfandrecht, S. 51. 128 Vgl. Kuchinke, JZ 1958, 198, 201. 129 Gaul, Rpfleger 1971, 1, 4 (Fn. 38).
A. Rückgriff auf die klassischen Theorien
141
Sicht nicht unbedenklich. Deutlicher tritt die Problematik am Beispiel eines Polizeibeamten zutage, der allein durch den Akt der Ingewahrsamnahme einer Person weitere rechtliche Befugnisse erhalten soll, etwa zur körperlichen Untersuchung. Eine solche Ansicht würde wohl niemand vertreten. Die Annahme einer aus der Pfändung resultierenden Verwertungsbefugnis erscheint daher auch mit Blick auf Art. 20 Abs. 3 GG zumindest fragwürdig.130 Nach alledem kann die Verwertungsbefugnis des Gerichtsvollziehers nicht aus der Pfändung abgeleitet werden. Deutlich plausibler ist dagegen die Annahme, dass sie sich, wie auch bei der Immobiliarvollstreckung, unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.131 Die Rechtsmacht des Gerichtsvollziehers zur Verwertung der Sache unterscheidet sich somit ihrer Substanz nach nicht von seiner Rechtsmacht, die Sache zu pfänden.132 Die Vollstreckungsbefugnis ist mithin insgesamt eine gesetzliche. Die Befugnis zur Ablieferung folgt dabei aus § 817 Abs. 2 ZPO.133 Demgemäß ist Huber beizupflichten, wenn er ausführt: „,Grundlage‘ der hoheitlichen Verwertung ist demnach weder die derselben vorangehende Pfändung bzw. die durch dieselbe herbeigeführte öffentlich-rechtliche Verstrickung noch das durch die Pfändung entstehende Pfändungspfandrecht, sondern das zum Eingriff ermächtigende Gesetz.“134
Die Pfändung kann lediglich insoweit als „Grundlage“ der Verwertung angesehen werden, als § 814 Abs. 1 ZPO sie zur Vornahme der Verwertung zwin130
Zum gesamten Absatz Müller, Ablieferung, S. 138 f. So auch Huber, Versteigerung, S. 58; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 50 Rn. 21; Gaul, ZZP 112 (1999), 135, 173; Gaul, Rpfleger 1971, 1, 2, 4; Jauernig/Berger, ZVR, § 16 Rn. 26; Müller, Ablieferung, S. 137 ff.; Schmidt, Pfändungspfandrecht, S. 132 f.; Jestaedt, Pfändungspfandrecht, S. 61; Fahland, Verfügungsverbot, S. 63; Henckel, Prozessrecht, S. 328; Lindacher, JZ 1970, 360, 361; BeckOK-ZPO/Fleck, § 804 ZPO Rn. 4; unklar MüKo-ZPO/Gruber, § 804 ZPO Rn. 7, nach dem die Verwertung „auf der Verstrickung und dem dazu ermächtigenden Gesetz“ beruht. Die Ähnlichkeit zwischen Mobiliar- und Immobiliarvollstreckung betonte auch das RG in seiner wenig beachteten Entscheidung RGZ 153, 257, 261, in der es ausführte, dass „bei der Versteigerung nach § 817 ZPO der Gerichtsvollzieher, ebenso wie der Versteigerungsrichter im Fall des § 90 ZVG, als Staatsorgan kraft der ihm vom Gesetz gegebenen Macht [handelt]“. Von einer „gesetzlichen Befugnis“ der Vollstreckungsorgane ist auch die Rede in RGZ 16, 396, 409; 17, 332, 333; 56, 84, 90. Die Möglichkeit einer gesetzlich begründeten Verwertungsbefugnis verkennt dagegen Lüke, wenn er ausführt: „Scheidet demnach die Verstrickung als Verwertungsgrundlage aus, so ist die gemischte privat- und öffentlichrechtliche Auffassung unhaltbar. Als Grundlage für die Verwertung kommt nunmehr bloß noch das in § 804 ZPO erwähnte Pfandrecht in Frage“ (Lüke, JZ 1957, 239, 241). 132 Kuchinke, JZ 1958, 198, 201. 133 Ebenso vertretbar ist es, als Ermächtigungsgrundlage neben § 817 Abs. 2 ZPO zusätzlich auf § 814 Abs. 1 ZPO abzustellen (so Müller, Ablieferung, S. 139). 134 Huber, Versteigerung, S. 58. 131
142
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
gend vorschreibt. Treffender ist es hier jedoch, von einer Bedingung oder Voraussetzung der Verwertung zu sprechen.135 (3) Weitere Kritik an Schultze Leitet sich die Vollstreckungsmacht des Gerichtsvollziehers nicht aus dem Gläubigerrecht ab, so ist der darauf aufbauenden Begründung Schultzes bereits die Grundlage entzogen. Nicht der Gläubiger, sondern der Staat erweist sich als „Subjekt der Zwangsvollstreckung“.136 Nur ergänzend ist jedoch anzumerken, dass die Argumentation von Schultze, die von der vermeintlichen Subjektstellung des Gläubigers auf die privatrechtliche Rechtsausübung des Gerichtsvollziehers zu schließen sucht, auch unabhängig von dieser Erkenntnis nicht schlüssig ist. Dies wird mit Blick auf das Erkenntnisverfahren deutlich.137 Auch hier macht der Kläger ein ihm zustehendes Recht gegen den Beklagten geltend und bedient sich dazu lediglich einer staatlichen Institution (des Gerichts), wobei er über das Ob (Klageerhebung) und Wie des Verfahrens (z.B. durch Klageerweiterung oder -änderung, aber auch durch Beendigung des Prozesses etwa durch Klagerücknahme) im Rahmen der prozessrechtlichen Vorgaben frei bestimmen kann. Auch hier müsste Schultze konsequenterweise die Subjektstellung des Klägers bejahen. Es wird jedoch niemand ernstlich in Abrede stellen wollen, dass das Verfahren durch einen Hoheitsakt in Form des Urteils beendet wird. 4. Zwischenergebnis Es wurde aufgezeigt, dass der Wille des Gesetzgebers für die Gesetzesauslegung nicht entscheidend ist. Doch selbst wenn dem so wäre, handelt es sich bei der Verwertung nach dem aktualisierten Willen des Gesetzgebers um einen öffentlich-rechtlichen Vorgang. So oder so kann die privatrechtliche Theorie mit dem Willen des historischen Gesetzgebers nicht begründet werden. Dagegen kann der allgemeinen Meinung zugestimmt werden, dass die privatrechtliche Theorie mit der modernen Rechtsdogmatik nicht vereinbar ist. Der Gerichtsvollzieher übt in der Zwangsvollstreckung eine hoheitliche Tätigkeit aus. Seine Vollstreckungsmacht folgt dabei unmittelbar aus dem Gesetz. In Anbetracht dessen ist den für die privatrechtliche Theorie sprechenden Argumenten der Boden entzogen. Dies gilt nicht nur für die ohnehin nicht 135 Vgl. Huber, Versteigerung, S. 58 f. mit Verweis darauf, dass gleichermaßen in der Immobiliarvollstreckung die Beschlagnahme nicht Grundlage, sondern Bedingung für die Verwertung ist; Kuchinke, JZ 1958, 198, 201; Müller, Ablieferung, S. 139 f. 136 Stein, Grundfragen, S. 10, 61. 137 Vgl. zu diesem Absatz Stein, Grundfragen, S. 10.
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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überzeugende Erwägung Schultzes bezüglich der Subjektstellung des Gläubigers, sondern auch für den Verweis auf den Wortlaut der o.g. Vorschriften in ZPO und BGB. Wortlaut und Systematik jener Vorschriften entspringen schließlich der privatrechtlichen Vorstellung des historischen Gesetzgebers. Erweisen sich solche Vorstellungen, wie hier, als unvereinbar mit der modernen Rechtsdogmatik, so sind Wortlaut und Systematik, die auf der Grundlage eben jener Vorstellungen geschaffen wurden, ihrer Maßgeblichkeit beraubt. Aus ihnen lassen sich keine Erkenntnisse mehr ableiten.138
B. Nichtigkeit der Ablieferung Kann die Grundrechtsproblematik nicht durch Rückgriff auf die privatrechtliche Theorie gelöst werden, weil es sich bei der Zwangsvollstreckung um hoheitliche Tätigkeit handelt, so wirft dies als Nächstes die Frage nach der Wirksamkeit der Ablieferung auf. Schließlich können Hoheitsakte unter bestimmten Voraussetzungen nichtig sein. Wäre dies bei der Ablieferung von schuldnerfremdem Eigentum an einen bösgläubigen Ersteigerer der Fall, so würde sich die Grundrechtsproblematik nicht stellen. Der Nichtigkeitsfrage vorgelagert ist die Frage, um welche konkrete Art von Hoheitsakt es sich bei der Ablieferung handelt.
I. Ablieferung als nichtiger Verwaltungsakt Müller qualifiziert die Ablieferung als Verwaltungsakt und nimmt im Falle eines bösgläubigen Ersteigerers ihre Nichtigkeit an. 1. Die Theorie Müllers Müller beschäftigt sich in seiner Abhandlung zunächst mit der Einordnung der Zwangsvollstreckung im Rahmen der Gewaltenteilung. Während die h.M. die Zwangsvollstreckung als besonderes Verfahren der „Rechtspflege“ kategorisiert,139 wirft Müller der h.M. vor, sich damit eines unscharfen Auffangbegriffs zu bedienen.140 Eine ganzheitliche Zuordnung der Zwangsvoll138
Lindacher, JZ 1970, 360, 361. Vgl. mit Bezug auf diesen und gewollt überspitzt auch Säcker, JZ 1971, 156: „Der Gesetzestext (hier das 8. Buch der ZPO) ist unbeachtlich geworden, rechtswissenschaftliche Theorie in den Rang des Gesetzes eingerückt; die aus ihr abzuleitenden Konsequenzen allein sind es, die die Entscheidung des Richters determinieren sollen.“ Ähnlich auch Paulus, in: FS Nipperdey, 909, 926: „Zwar gelten die alten Gesetze; aber man möchte keinem Kandidaten empfehlen, auf sie zu rekurrieren.“ Vgl. ferner Lüke, JZ 1957, 239, 241. 139 Müller, Ablieferung, S. 52 m.w.N. 140 Müller, Ablieferung, S. 57 f.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
streckung sei zudem angesichts ihrer Vielgestaltigkeit überhaupt nicht möglich.141 Die Mobiliarvollstreckung sieht er als Verwaltungsverfahren an, ordnet sie also der Exekutive zu.142 Er begründet dies zunächst damit, dass der Gerichtsvollzieher gleich einer zur Durchführung der Zwangsvollstreckung berufenen (Verwaltungs-)Behörde agiere. Mit der Ausübung richterlicher Gewalt im klassischen Sinne habe seine Tätigkeit nichts mehr zu tun. An diesem Umstand ändere auch die Eingliederung des Gerichtsvollziehers in die Justiz nichts. Auch bestünden im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung keine Bedenken, das Handeln des Gerichtsvollziehers als Verwaltungstätigkeit einzuordnen, da er ohnehin keine spezifische Rechtsprechungstätigkeit ausübe.143 Nicht nur hinsichtlich der Funktion des Gerichtsvollziehers, auch bezüglich des Ablaufs der Zwangsvollstreckung bestünden Parallelen zum Verwaltungsverfahren. So sei das Vollstreckungsverfahren von schlichter Gesetzesanwendung durch den Gerichtsvollzieher geprägt, der bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die vorgesehenen Rechtshandlungen vornehme. Auch das zweistufige Rechtsbehelfssystem erinnere an das Verwaltungsverfahren.144 In der Sache konsequent, versteht Müller die Ablieferung als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG.145 Die Voraussetzungen seien erfüllt, insbesondere handele es sich bei dem Gerichtsvollzieher um eine „Behörde“ im Sinne der Norm: Er sei zwar formell ein justizielles Organ, übe im Rahmen der Mobiliarverwertung jedoch „materielle Verwaltungstätigkeit“ aus.146 Da er mit der Ablieferung zugleich den Rechtsverlust des bisherigen Eigentümers wie auch den originären Rechtserwerb des Ersteigerers herbeiführe, handele es sich dabei um einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. Dies vorausgeschickt und unter der weiteren Annahme, dass der Eigentumserwerb einer schuldnerfremden Sache jedenfalls bei einem bösgläubigen Ersteigerer gegen Art. 14 und 19 Abs. 4 GG verstoße – insoweit in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der hiesigen Arbeit –, untersucht Müller sodann die Wirksamkeit einer solchen Ablieferung.147 Da die Ablieferung gegen Grundrechte verstoße, sei sie zwar rechtswidrig. Ob dies zur Nichtigkeit führe, sei nach der allgemeinen Regel des § 44 VwVfG zu beurteilen. Mangels Einschlägigkeit der Abs. 2 und 3 sei die Wirksamkeit der Ablieferung an der Generalklausel des Abs. 1 zu messen. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, 141
Müller, Ablieferung, S. 58 ff. Müller, Ablieferung, S. 60 ff. 143 Müller, Ablieferung, S. 61. 144 Müller, Ablieferung, S. 61. 145 Müller, Ablieferung, S. 87 ff. 146 Müller, Ablieferung, S. 88. 147 Müller, Ablieferung, S. 188 ff.
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B. Nichtigkeit der Ablieferung
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soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Die beiden Kriterien stünden insoweit in einer Wechselbeziehung zueinander, als dass ein schwerwiegender Fehler in aller Regel auch offensichtlich sei und umgekehrt.148 I.E. bejaht Müller beide Kriterien und gelangt auf diesem Wege zur Nichtigkeit der Ablieferung. 2. Stellungnahme Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Verwaltungs- und Zwangsvollstreckungsverfahren durch die von Müller angesprochenen Punkte ist sicher nicht von der Hand zu weisen.149 Gänzlich fernliegend ist die Idee, das Vollstreckungsverfahren dem Verwaltungsrecht zu unterwerfen, daher nicht. Dies zeigt sich auch daran, dass schon in der Vergangenheit vielfach entsprechende Versuche unternommen wurden.150 Dem sind allerdings auch seit jeher gewichtige Stimmen entgegengetreten, und zwar bemerkenswerterweise nicht nur aus der Prozess-, sondern auch aus der Verwaltungsrechtslehre.151 Auch deshalb ist die Theorie Müllers kritisch zu hinterfragen. a) Verwaltungsrechtliche Einordnung der Zwangsvollstreckung Der Klärung bedarf zunächst, was „Verwaltung“ überhaupt bedeutet. Es handelt sich hierbei um einen verfassungsrechtlichen Begriff: Die Verwaltung bildet zusammen mit der Regierung die Staatsgewalt der Exekutive (wobei die Regierung teilweise auch als besondere Spielart der Verwaltung angesehen wird152). Die Frage, ob die Zwangsvollstreckung der Verwaltung zuzuordnen ist, ist demnach zugleich eine Frage der Abgrenzung der Staatsgewalten. Da es sich bei der Zwangsvollstreckung ersichtlich nicht um Legislative handelt, kommt alternativ nur eine Zuordnung zur Judikative in Betracht. Bei der Abgrenzung dieser beiden Staatsgewalten ist auch zu ergründen, wo die von der h.M. bemühte „Rechtspflege“ zu verorten ist.
148
Müller, Ablieferung, S. 196. Vgl. auch Stein/Jonas/Münzberg, Vor. § 704 ZPO Rn. 1 („mögen auch manche Hoheitsakte in einem materiellen oder funktionellen Sinne eher Verwaltungsakten ähneln“). 150 So schon Oetker, Grundbegriffe, S. 17 ff., 35; ebenso Blomeyer, Erinnerungsbefugnis, S. 35 ff.; Blomeyer, JR 1969, 289, 291 f.; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 74 f.; Müller, Ablieferung, S. 60 ff.; Stamm, Prinzipien, S. 22 ff.; König, Rechtsstaatsprinzip, S. 23 ff.; Huber, Versteigerung, S. 30 f., 61; Hein, ZZP 69 (1956), 231, 246 f.; Bruns, AcP 171 (1971), 358, 362; Pilz, DÖV 2009, 104; Säcker, JZ 1971, 156, 160; Hau, GPR 2008, 142 f.; vgl. auch Schlosser, Zivilprozeßrecht II, Rn. 27 f. 151 Siehe für Nachweise Fn. 299. 152 Vgl. Creifelds/Weber, „Vollziehende Gewalt“. 149
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
aa) Terminologische Unklarheit Die Einordnung der Zwangsvollstreckung in die Exekutive oder in die Judikative sollte, so könnte man meinen, nicht übermäßig schwierig sein. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG schreibt die Aufteilung der Staatsgewalt in Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung vor; jede Form hoheitlicher Machtausübung muss sich einer dieser drei Gewalten zuordnen lassen.153 Leider geht mit der fundamentalen Bedeutung der Gewaltenteilung für den Rechtsstaat nicht die nötige Klarheit einher, wie die drei Gewalten voneinander abzugrenzen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass zwischen den einzelnen Gewalten zahlreiche Verschränkungen bestehen.154 Vergleichsweise unproblematisch stellt sich die Abgrenzung zwischen der Legislative und den anderen beiden Gewalten dar: Während sich die Tätigkeit der Ersteren in der Rechtssetzung erschöpft, bewegen sich die beiden Letzteren auf dem Gebiet der Rechtsanwendung.155 Als Beispiele für Verschränkungen zwischen Legislative und Exekutive lassen sich etwa das parlamentarische Regierungssystem oder die Satzungsautonomie von Selbstverwaltungsträgern nennen.156 Sie sind aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht weiter problematisch. Ungleich kritischer ist jedoch die Abgrenzung zwischen Exekutive und Judikative. Für die Letztere schreibt Art. 92 GG schließlich vor, dass „die rechtsprechende Gewalt“ den Richtern anvertraut ist. Die rechtsprechende Gewalt ist nach h.M. gleichbedeutend mit der Rechtsprechung i.S.d. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, bezeichnet also die Judikative.157 Dieses Verständnis soll auch hier zunächst zugrunde gelegt werden. Einfachgesetzlich spiegelt sich die scharfe Trennung der Rechtsprechung von den anderen Staatsgewalten in § 4 DRiG wider, nach dessen Abs. 1 ein Richter Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt und Aufgaben der anderen beiden Gewalten nicht zugleich wahrnehmen darf (Abs. 2 sieht jedoch Ausnahmen vor, z.B. die Wahrnehmung von Aufgaben der Gerichtsverwaltung). Die richterliche Unabhängigkeit und
153 Ev. Staatslexikon/Bettermann, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2773; Wallerath, VerwR, § 1 Rn. 3; vgl. HStR IV/Kirchhof, § 84 Rn. 7; HStR V/Wilke, § 112 Rn. 6. 154 Vgl. zu den Verschränkungen zwischen den Gewalten MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 210 ff.; HStR V/Wilke, § 112 Rn. 7 f. Nach Merk würde die vollständige Trennung der Gewalten gar zur Auflösung der staatlichen Einheit führen (Merk, Dt. VerwR, S. 53). 155 Stern, StaatsR II, S. 894. 156 Ev. Staatslexikon/Bettermann, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2773. 157 HStR V/Wilke, § 112 Rn. 3; SHH/Hopfauf, Art. 92 GG Rn. 1; Sachs/Detterbeck, Art. 92 GG Rn. 4; BoK/Achterberg, 42. EL, 4/1981, Art. 92 GG Rn. 60; BeckOKGG/Morgenthaler, Art. 92 GG Rn. 4; MD/Hillgruber, 51. EL, 12/2007, Art. 92 GG Rn. 18.
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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damit mittelbar auch die erforderliche strikte Trennung zu den anderen Staatsgewalten kommt zudem in Art. 97 Abs. 1 GG, § 1 GVG und § 25 DRiG zum Ausdruck.158 So wesentlich die Differenzierung zwischen Exekutive und Judikative vor diesem Hintergrund auch erscheint, gibt es dabei doch ein großes Problem: Beiden Begriffen mangelt es an einer belastbaren Definition. Gleiches gilt für die – hier mit der h.M. der Judikative gleichgestellten – Begriffe der rechtsprechenden Gewalt und der Rechtsprechung, aber auch für die Begriffe der Rechtspflege, der Justiz und der Gerichtsbarkeit. Hier erfolgt in Gesetzestexten, Judikatur und Literatur ein völlig uneinheitlicher Gebrauch, in dessen Rahmen zum Teil allen Begriffen eine eigenständige, differenzierte Bedeutung beigemessen wird, während sie andernorts in unterschiedlichen Konstellationen synonym verwendet werden.159 Ohne Übertreibung sprach Menger bereits vor einem halben Jahrhundert insoweit von einem „terminologischen Chaos“160, das sich bis heute durch zusätzliche Publikationen ohne ein einheitliches Verständnis sogar noch verschlimmert hat. (1) Der Rechtsprechungsbegriff Die Bestimmung des Rechtsprechungsbegriffs ist angesichts des Richtervorbehalts des Art. 92 GG äußerst bedeutsam. Über die Jahrzehnte hinweg hat sich hierzu jedoch ein unübersichtliches Sammelsurium an Definitionsversuchen, vermeintlichen Charakteristika und Fallgruppen gebildet. Überwiegend wird zwischen einem formellen, einem funktionellen und einem materiellen Rechtsprechungsbegriff unterschieden.
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Ev. Staatslexikon/Bettermann, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2796. 159 Vgl. bspw. HStR V/Wilke, § 112 Rn. 3, der die Begriffe „rechtsprechende Gewalt“, „Rechtsprechung“, „Judikative“, „Justiz“ und „Jurisdiktion“ gleichsetzt; „Rechtsprechung“ und „Gerichtsbarkeit“ synonym gebrauchend SBHH/Hopfauf, Art. 92 GG Rn. 4. Dagegen ist etwa für Bettermann (Ev. Staatslexikon, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2792) „Rechtsprechung“ nur dann auch „rechtsprechende Gewalt“, wenn sie durch einen Hoheitsträger ausgeübt wird (in Abgrenzung zur Schiedsgerichtsbarkeit als „private Rechtsprechung“). Vgl. zum Ganzen Menger, System, S. 21 ff. mit zahlreichen Nachweisen. Der Begriff der „Gerichtsbarkeit“ wird im Rahmen dieser Arbeit als kompetenzieller Begriff gebraucht, der die Wahrnehmungszuständigkeiten der Gerichtszweige bezeichnet (ebenso Menger, System, S. 51; BK-GG/Achterberg, 42. EL, 4/1981, Art. 92 GG Rn. 63). 160 Menger, System, S. 21.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
(a) Rechtsprechung im formellen und funktionellen Sinne Unter Rechtsprechung im formellen Sinne wird die gesetzliche – also die konstitutionelle oder einfachgesetzliche – Zuweisung von Aufgaben und Zuständigkeiten an die Gerichte und Richter verstanden.161 Auf diese Weise kann die Rechtsprechung i.S.d. Art. 92 GG jedoch nicht begriffen werden. Nicht nur stellt ein solches Begriffsverständnis eine bloße Tautologie dar.162 Eine solche Interpretation würde auch dazu führen, dass der Gesetzgeber den Umfang des Rechtsprechungsmonopols durch eine beliebige Aufgabenzuweisung bestimmen könnte. Der verfassungsrechtlich verbürgte Richtervorbehalt würde dadurch unterlaufen.163 Im Übrigen würde eine formelle Abgrenzung den Verschränkungen zwischen den Staatsgewalten nicht gerecht – so ist es z.B. anerkannt, dass die Gerichte mit der ihr anvertrauten Justizverwaltung nach §§ 23 ff. EGGVG eine Verwaltungstätigkeit verrichten.164 Es besteht daher weitestgehend Einigkeit darüber, dass Art. 92 GG nicht die Rechtsprechung im formellen Sinne meint, sondern in einem materiellen Sinne verstanden werden muss. Das BVerfG hat daneben allerdings noch einen weiteren, funktionellen Rechtsprechungsbegriff etabliert, der ebenfalls von Art. 92 GG umfasst sein soll.165
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Stamm, Prinzipien, S. 25; Tams, Rpfleger 2007, 581, 582; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 43; HStR V/Wilke, § 112 Rn. 57; Münch/Kunig/Meyer, Art. 92 GG Rn. 16; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 48; BeckOK-GG/Morgenthaler, Art. 92 GG Rn. 4. Laut Hillgruber soll der formelle Rechtsprechungsbegriff nur solche Zuständigkeiten und Aufgaben umfassen, die dem Gericht bzw. Richter in der Verfassung – also nicht durch einfaches Recht – zugewiesen werden (MD/Hillgruber, 51. EL, 12/2017, Art. 92 GG Rn. 33). Nach a.A. sollen mit der Rechtsprechung im formellen Sinne dagegen nur die einfachgesetzlich zugewiesenen Aufgaben gemeint sein (SHH/Hopfauf, Art. 92 GG Rn. 9; AK-GG/Wassermann, 2001, Art. 92 GG Rn. 27). Das BVerfG spricht im Hinblick auf die grundgesetzlichen Rechtswegeröffnungen und Richtervorbehalte unpassenderweise von „materieller Rechtsprechung“ (vgl. BVerfGE 22, 49, 64 – „Strafgewalt der Finanzämter“; 103, 111, 137 – „Wahlprüfung Hessen“; dazu noch sogleich); kritisch hierzu auch MD/Hillgruber, 51. EL, 12/2017, Art. 92 GG Rn. 32. 162 Vgl. Smid, Rechtsprechung, S. 97; BK-GG/Achterberg, 42. EL, 4/1981, Art. 92 GG Rn. 66 m.w.N. 163 HStR V/Wilke, § 112 Rn. 57; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 GG Rn. 25; vgl. MüKoZPO/Zimmermann, § 1 GVG Rn. 2; vgl. auch BVerfGE 22, 49, 75 – „Strafgewalt der Finanzämter“. 164 Stamm, Prinzipien, S. 25. 165 Hierzu sogleich unter B. I. 2. a) aa) (1) (b) (bb).
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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(b) Rechtsprechung im materiellen Sinne Nach g.h.M. ist der Terminus der rechtsprechenden Gewalt in Art. 92 GG in einem materiellen Sinne zu verstehen.166 Was dies wiederum konkret bedeutet, ist jedoch bis heute heillos umstritten.167 Keiner der zahlreichen Definitionsversuche konnte sich bislang durchsetzen.168 (aa) Literatur Um nur ein paar Beispiele zu nennen, findet sich in der älteren Literatur etwa die Definition materieller Rechtsprechung von Stern als „die in besonders geregelten Verfahren zu letztverbindlicher Entscheidung führende rechtliche Beurteilung von Sachverhalten in Anwendung des geltenden Rechts durch ein unbeteiligtes (Staats-)Organ, den Richter“169. Thoma definierte sie als „den verselbständigten Ausspruch dessen, was in Anwendung des geltenden Rechtes auf einen konkreten Tatbestand im Einzelfalle Rechtens ist, durch eine staatliche Autorität“170. Nach Friesenhahn handelt in Ausübung materieller Rechtsprechung „jedes staatliche Organ, das als unbeteiligter Dritter mit obrigkeitlicher Gewalt ausspricht, was bei Anwendung der allgemeinen Rechtsnormen auf den konkreten Tatbestand Rechtens ist, um einen Rechtsstreit zwischen zwei Parteien zu entscheiden“171. Nach Bettermann übt der Staat materielle Rechtsprechung aus, „wenn er als neutrale Instanz an Hand von Normen potentiell verbindlich entscheidet, was Rechtens ist“172. In der jüngeren Literatur finden sich bspw. die Definitionen Schilkens als „letztverbindliche Entscheidung in Angelegenheiten der Rechtsanwendung durch einen unbeteiligten Dritten unter notwendig besonderen Richtigkeitsgarantien“173 sowie Schmidt-Aßmanns als „die ausschließlich nach Methoden und Maßstäben des Rechts in einem qualifizierten Verfahren zu treffende verbindliche Entscheidung von Fällen, die typischerweise durch die Gegensätzlichkeit von Rechtsauffassungen gekennzeichnet sind“174. Obwohl sich die Ansätze im Kern ähneln und teilweise gleiche Kriterien aufstellen, können sie im Einzelfall doch zu gänzlich unterschiedlichen Beurteilungen führen. 166 HStR V/Wilke, § 112 Rn. 73 m.w.N.; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 45; MüKo-ZPO/Zimmermann, § 1 GVG Rn. 5. 167 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 43. 168 Wittreck, Verwaltung, S. 5; Mielke, ZRP 2003, 442. 169 Stern, StaatsR II, S. 898. 170 Anschütz/Thoma, Hdb Staatsrecht, S. 129. 171 Friesenhahn, in: FS Thoma, 21, 27. 172 Ev. Staatslexikon/Bettermann, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2783. 173 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 54. 174 HStR II/Schmidt-Aßmann, § 26 Rn. 52.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
(bb) Bundesverfassungsgericht Auch das BVerfG hat sich mehrmals mit der Thematik befasst, verzichtete trotz anfänglicher Ansätze175 aber letztlich auf eine eigene Definition.176 Der 2. Senat sah sich noch nach der Jahrtausendwende zu dem Bekenntnis gezwungen, dass „der Begriff der rechtsprechenden Gewalt […] durch die Verfassungsrechtsprechung nicht abschließend geklärt [ist]“177. Stattdessen hat das BVerfG einzelne Elemente herausgestellt, die das Vorliegen materieller Rechtsprechung begründen sollen.178 Die Rechtsprechung im materiellen Sinne umfasse demnach jene Tätigkeiten, die das Grundgesetz selbst den Richtern bzw. Gerichten überträgt.179 Dies betrifft Rechtswegzuweisungen sowie konkrete Richtervorbehalte.180 Eine solche „verfassungsrechtliche Qualifizierung“181 umfasst jedoch weder die Zivil- noch die Strafrechtsprechung, die aber klassischerweise zur Rechtsprechung gezählt werden. Das BVerfG ergänzte daher im Wege einer „traditionellen Qualifizierung“182, „daß der Verfassungsgeber die traditionellen Kernbereiche der Rechtsprechung – bürgerliche Rechtspflege und Strafgerichtsbarkeit – der rechtsprechenden Gewalt zugerechnet hat, auch wenn sie im Grundgesetz nicht besonders aufgeführt sind“183. Ob es sich hierbei jedoch um ein taugliches Abgrenzungskriterium handelt, darf angesichts seiner Unschärfe bezweifelt werden.184 Das BVerfG machte denn auch selbst keinen Hehl daraus, dass die „exakte Grenzziehung in Einzelfällen schwierig“ sein könne.185 Für weitere Unsicherheit sorgten zudem seine nachfolgenden Ausführungen zu der Enumeration der Gerichtsbarkeiten in den Art. 95, 96 GG, welcher das BVerfG i.E. entnimmt, dass „zumindest der Kernbereich der herkömmlicherweise den einzelnen Gerichtsbarkeiten übertragenen Aufga-
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Nach BVerfGE 4, 358, 363 – „Reichsgesetz über den Finanzausgleich“ bedeutet Rechtsprechung im materiellen Sinne „in einzelnen Rechtssachen mit verbindlicher Wirkung zu entscheiden, und zwar in Verfahren, in denen durch Gesetz die erforderlichen prozessualen Sicherungen gewährleistet sind und der verfassungsrechtlich geschützte Anspruch auf rechtliches Gehör besteht“. 176 Die Kriterien für die Bestimmung materieller Rechtsprechung ausdrücklich offenlassend BVerfGE 8, 197, 207 – „Bußgeldverfahren“; 12, 264, 274. 177 BVerfGE 103, 111, 136 – „Wahlprüfung Hessen“. 178 Siehe zum gesamten Abschnitt HStR V/Wilke, § 112 Rn. 72 ff. 179 BVerfGE 22, 49, 76 f. – „Strafgewalt der Finanzämter“; 27, 18, 28 – „Kammergerichtsbarkeit“. 180 BeckOK-GG/Morgenthaler, Art. 92 GG Rn. 7. 181 BeckOK-GG/Morgenthaler, Art. 92 GG Rn. 7. 182 BeckOK-GG/Morgenthaler, Art. 92 GG Rn. 10. 183 BVerfGE 22, 49, 77 f. – „Strafgewalt der Finanzämter“. 184 Kritisch auch HStR V/Wilke, § 112 Rn. 73. 185 BVerfGE 22, 49, 77 – „Strafgewalt der Finanzämter“.
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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ben als Rechtsprechung im materiellen Sinne“186 anzusehen sei.187 Es gebe demgegenüber aber auch „gerichtlich[e] Zuständigkeiten, die von vornherein nicht materielle Rechtsprechung zum Gegenstand habe“188. Eine an dieser Stelle gebotene Aussage darüber, nach welchen Kriterien hier eine Unterscheidung erfolgen sollte, traf das Gericht indes nicht.189 Auch in jüngerer Zeit hat das BVerfG an seiner Bestimmung der Rechtsprechung im materiellen Sinne festgehalten. So bestätigte es in der bereits eingangs zitierten „Wahlprüfung Hessen“-Entscheidung, dass materielle Rechtsprechung vorliege, „wenn bestimmte hoheitsrechtliche Befugnisse bereits durch die Verfassung Richtern zugewiesen sind oder es sich von der Sache her um einen traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung handelt“190. Das Gericht führte jedoch ferner aus, dass der Rechtsprechungsbegriff des Art. 92 GG nicht nur materielle Rechtsprechung umfasse, sondern auch dann einschlägig sei, „wenn der Gesetzgeber für einen Sachbereich, der nicht schon materiell dem Rechtsprechungsbegriff unterfällt, eine Ausgestaltung wählt, die bei funktioneller Betrachtung nur der rechtsprechenden Gewalt zukommen kann“191. Zur Konkretisierung stellt das BVerfG an das Vorliegen funktioneller Rechtsprechung die Anforderung, dass „der Gesetzgeber ein gerichtsförmiges Verfahren hoheitlicher Streitbeilegung vorsieht und den dort zu treffenden Entscheidungen eine Rechtswirkung verleiht, die nur unabhängige Gerichte herbeiführen können“192. Das Gericht schlug der rechtsprechenden Gewalt i.S.d. Art. 92 GG damit neben der materiellen auch die „funktionelle“ Rechtsprechung zu. Auch diese „Kombinationstheorie“193 des BVerfG kann zur Abgrenzung der Staatsgewalten nicht überzeugen. Den materiellen Rechtsprechungsbegriff vermag das BVerfG inhaltlich nicht zu klären. Die Anknüpfung der rechtsprechenden Gewalt i.S.d. Art. 92 GG an den funktionellen Rechtsprechungsbegriff verbietet sich indes, weil der Gesetzgeber das Rechtsprechungsmonopol in diesem Falle einfachgesetzlich beliebig erweitern könnte.194 Im Übrigen ist die vorgenommene Anreicherung des Rechtspre186
BVerfGE 22, 49, 78 – „Strafgewalt der Finanzämter“. Ebenso BVerfGE 27, 18, 28 – „Kammergerichtsbarkeit“; vgl. zudem für die Strafgerichtsbarkeit BVerfGE 8, 197, 207 – „Bußgeldverfahren“; 12, 264, 274. 188 BVerfGE 22, 49, 78 – „Strafgewalt der Finanzämter“. 189 HStR V/Wilke, § 112 Rn. 73. 190 BVerfGE 103, 111, 137 – „Wahlprüfung Hessen“. 191 BVerfGE 103, 111, 137 – „Wahlprüfung Hessen“. 192 BVerfGE 103, 111, 137 – „Wahlprüfung Hessen“. Als wesentliche Begriffsmerkmale benannte das Gericht „das Element der Entscheidung, der letztverbindlichen, der Rechtskraft fähigen Feststellung und des Ausspruchs dessen, was im konkreten Fall rechtens ist“. 193 HStR V/Wilke, § 112 Rn. 75. 194 Es gilt insoweit dasselbe wie zum formellen Rechtsprechungsbegriff, s.o. B. I. 2. a) aa) (1) (a). Den funktionellen Rechtsprechungsbegriff des BVerfG neben 187
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chungsbegriffs des Art. 92 GG mit der funktionellen Rechtsprechung aber auch nicht für den vom BVerfG verfolgen Zweck erforderlich, die richterliche Bindung an die gerichtsverfassungsrechtlichen und prozessualen Gewährleistungen des IX. Abschnitts des GG sicherzustellen. Die Vorschriften setzen nicht die Ausübung von Rechtsprechung i.S.d. Art. 92 GG voraus, sondern gelten ohnehin immer dann, wenn der Gesetzgeber den Gerichten Aufgaben überträgt und dafür das reguläre gerichtliche Verfahren vorsieht.195 (2) Der Verwaltungsbegriff Hinsichtlich des Verwaltungsbegriffs wird regelmäßig zwischen Verwaltung im organisatorischen, im formellen und im materiellen Sinne unterschieden, wobei die ersten beiden Verwaltungsbegriffe keine besonderen definitorischen Schwierigkeiten bereiten. (a) Verwaltung im organisatorischen und im formellen Sinne Hier nicht weiter von Belang ist der organisatorische Verwaltungsbegriff, der „die Verwaltungsorganisation, die aus der Gesamtheit der Verwaltungsträger, Verwaltungsorgane und sonstigen Verwaltungseinrichtungen besteht“196 meint. Der formelle Verwaltungsbegriff ist demgegenüber handlungsbezogen und bezeichnet „die gesamte von den Verwaltungsbehörden ausgeübte Tätigkeit“197. Angesichts dessen, dass anerkannte Verwaltungstätigkeiten auch von Organen der Legislative (z.B. die Ausübung des Hausrechts durch den Bundestagspräsidenten oder Haushaltsangelegenheiten) oder von den Gerichten (z.B. Führung des Handelsregisters oder die Justizverwaltung) verrichtet werden, ist der formelle Verwaltungsbegriff zur Abgrenzung zwischen den Staatsgewalten jedoch nicht geeignet.198 Es wird daher auch hier auf einen materiellen Begriff abgestellt. (b) Verwaltung im materiellen Sinne Ähnlich wie beim materiellen Rechtsprechungsbegriff konnte sich auch hinsichtlich des materiellen Verwaltungsbegriffs keiner der zahlreichen positiven Definitionsansätze199 durchsetzen.200 Die Schwierigkeit einer Definition beHStR V/Wilke, § 112 Rn. 75 ebenfalls kritisierend Wild, DVBl 2001, 888, 891 f.; Schmidt, JuS 2001, 545, 547. 195 Pfeiffer, ZRP 2000, 378, 380; ausführlich HStR V/Wilke, § 112 Rn. 57, 77. 196 Maurer/Waldhoff, VerwR, § 1 Rn. 2. 197 Maurer/Waldhoff, VerwR, § 1 Rn. 2. 198 Vgl. Peine/Siegel, VerwR, Rn. 17. 199 Siehe Strunz, in: Öff. Verwaltung, 3, 13 ff. sowie Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, VerwR, § 1 Rn. 6, jeweils mit zahlreichen Nachweisen. Als Beispiele genannt seien die Definitionen materieller Verwaltung als „sinnvolle, nämlich zweckgerichtete und darum grundsätzlich
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steht hier in der enormen Vielfalt des Verwaltungshandelns, welche von ihr umfasst sein müsste.201 Zu denken ist beispielhaft nur an die Vermittlung von Bildung und Kultur durch den Betrieb von Schulen und Universitäten bzw. Theatern und Museen, die Bereitstellung und Unterhaltung der Infrastruktur durch den Straßenbau sowie die Regelung des darauf stattfindenden Verkehrs, die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung durch die Polizei, die Erhebung von Steuern und Abgaben und die entsprechende Mittelverwendung, die Vermittlung von Arbeitskraft durch die Bundesagentur für Arbeit, die finanzielle Förderung von Unternehmen oder die Beaufsichtigung und Kontrolle von Finanzinstituten durch die BaFin bis hin zum Sozialversicherungswesen.202 Alle Definitionsvorschläge weisen dementsprechend einen hohen Abstraktionsgrad auf und sind für die Einordnung in Grenzfällen kaum von Nutzen. Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass sämtliche positiven Definitionsversuche letztlich als unbefriedigend abgelehnt wurden.203 Notgedrungen behalf man sich stattdessen im Anschluss an die frühen Untersuchungen von Mayer204 und Jellinek205 mit einer negativen Definition: Nach der heute gängigen Subtraktionsformel ist Verwaltung schlichtweg alles, was nicht zur materiellen Rechtsprechung oder zur Gesetzgebung zählt.206 In An-
planmäßige Tätigkeit zur Besorgung von Angelegenheiten“, wobei „der Verwaltende (wie der Waltende) selbst handelnd beteiligt ist und nicht wie ein Richter als Unbeteiligter lediglich urteilt“ (Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 3 Rn. 9) oder „als jener Bereich der Tätigkeit des Staates und anderer Gemeinwesen, der mit dem planmäßigen, zweckgerichteten Vollzug bereits getroffener politischer Entscheidungen, d.h. mit der Umsetzung der großen Entscheidungen in Einzelmaßnahmen, betraut ist“ (Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 8; anders jedoch in der nachfolgenden 4. Aufl., in der er die Subtraktionsformel befürwortet). 200 Wittreck, Verwaltung, S. 8 f.; Strunz, in: Öff. Verwaltung, 3, 14. 201 Strunz, in: Öff. Verwaltung, 3, 14; Maurer/Waldhoff, VerwR, § 1 Rn. 8. In den Worten Forsthoffs: „Die Mannigfaltigkeit, in der sich die einzelnen Verrichtungen der Verwaltung ausfächern, spottet der einheitlichen Formel“ (Forsthoff, VerwR, S. 1). 202 Vgl. Forsthoff, VerwR, S. 1 f. 203 Vgl. auch die ausführliche, letztlich aber ergebnislose Untersuchung von Funk, in: FS Koja, 539, passim. Dementsprechend gehen zahlreiche Autoren davon aus, dass sich die materielle Verwaltung nicht definieren, sondern lediglich beschreiben lasse (Peine/Siegel, VerwR, Rn. 15; Wallerath, VerwR, § 1 Rn. 4; Schmalz, VerwR, Rn. 6 f.). 204 Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 7. 205 Jellinek, VerwR, S. 5 f. 206 HStR V/Schröder, § 106 Rn. 19; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, VerwR, § 1 Rn. 6 f.; Peine/Siegel, VerwR, Rn. 18. Häufig wird die Formel mit dem Zusatz ergänzt, dass es sich auch nicht um Regierungstätigkeit handeln dürfe. Dies hängt mit dem – für die hiesige Untersuchung irrelevanten – Streit darüber zusammen, ob Regierungshandeln ein Sonderfall von Verwaltungshandeln darstellt oder von der Verwaltung zu trennen ist (vgl. zur Übersicht Strunz, in: Öff. Verwaltung, 3, 14 m.w.N.).
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
betracht der vorherigen Ausführungen offenbart sich jedoch das große Problem an dieser Formel: Es ist nach wie vor unklar, was unter materieller Rechtsprechung zu verstehen ist. Angesichts dessen hilft auch die negative Abgrenzung wenig.207 (3) Der Rechtspflegebegriff Auch dem Begriff der Rechtspflege werden unterschiedliche Sinngehalte beigemessen. Der Verfassung lassen sich diesbezüglich keine Hinweise entnehmen, da der Begriff in ihr überhaupt nicht auftaucht. Rechtspflege wird teilweise synonym für „Rechtsprechung“208 gebraucht, womit aber wiederum nur selten die materielle Rechtsprechung gemeint ist.209 Häufiger wird die Rechtspflege als übergeordneter Begriff verwendet und in Relation mit dem materiellen Rechtsprechungsbegriff gesetzt. So soll etwa nach Bettermann die materielle Rechtsprechung die wichtigste Entscheidungsform der Rechtspflege darstellen, wobei sich Letztere nicht definieren, sondern nur beschreiben lasse.210 Teilweise werden als „Rechtspflege“ alle den Gerichten zugewiesenen Aufgaben angesehen211 – damit wäre sie gleichbedeutend mit dem formellen Rechtsprechungsbegriff212 –, nach a.A. nur jene, die nicht dem materiellen Rechtsprechungsbegriff unterfallen.213 Andere unterscheiden wiederum bei den Gerichten übertragenen Aufgaben, die nicht materielle Rechtsprechung sind, zwischen Rechtspflege und Rechtsprechungsverwaltung. Erstere umfasse „Tätigkeiten, die in engem Zusammenhang zur (materiellen) Rechtsprechung stehen, aber zum Teil nicht zu letztverbindlichen Entscheidungen führen und zum Teil nicht von Richtern, sondern von besonderen Organen der Rechtspflege wahrgenommen werden“214. Gelegentlich wird der materielle Verwaltungsbegriff auch durch eine Kombination von Subtraktionsformel und positiven Merkmalen zu bestimmen versucht (so z.B. Stern, StaatsR II, S. 738). 207 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, VerwR, § 1 Rn. 8; Maurer/Waldhoff, VerwR, § 1 Rn. 6. 208 So etwa Gaul, Rpfleger 1971, 41, 45; vgl. auch Menger, System, S. 21 f.; Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 5, der auch „Justiz“ sowie „Gerichtsbarkeit“ als weitere Synonyme versteht. 209 Stamm, Prinzipien, S. 26. 210 Ev. Staatslexikon/Bettermann, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2788 ff. 211 Tilch/Kissel, „Rechtspflege“; Heyde, in: Hdb VerfR, § 33 Rn. 17. Zirkulär die Rechtspflege als „Tätigkeit, die im Rahmen der Gerichtsbarkeit ausgeübt wird“ und die Gerichtsbarkeit als „Ausübung der Rechtspflege“ definierend Creifelds/Groh, „Rechtspflege“ und Creifelds/Groh/Weber, „Gerichtsbarkeit“. 212 So ausdrücklich Schilken, AcP 208 (2008), 850, 853. 213 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 47. 214 Stern, StaatsR II, S. 900 ff.
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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Teilweise wird unter Rechtspflege auch die Tätigkeit der Verwaltungsgerichte verstanden.215 Mitunter finden sich auch klar bereichsübergreifende Definitionen. So versteht Menger unter Rechtspflege „die Verwirklichung von Staats- und sonstigen öffentlichen Zwecken seitens der damit betrauten Staatsorgane durch das Mittel der Rechtsanwendung; d.h. durch Subsumtion des zu ordnenden oder zu gestaltenden Sachverhalts unter den Tatbestand des dafür vorgesehenen, in der positiven Rechtsordnung enthaltenen Rechtssatzes und durch Vollziehung der an diesen Tatbestand geknüpften Rechtsfolge“216. Jedenfalls nach dieser und ähnlichen Definitionen müsste die Rechtspflege auch Teile der Exekutive umfassen.217 Wieder andere zählen zur Rechtspflege die Tätigkeit des Rechtsanwalts oder des Notars,218was angesichts der gesetzlichen Bestimmungen des § 1 BRAO („Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege“) und § 1 BNotO („Als unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes werden für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege in den Ländern Notare bestellt“) zwar naheliegt, von anderen Stimmen jedoch wiederum mit der Begründung abgelehnt wird, das Gesetz benutze den Begriff der Rechtspflege als „leere Worthülse“219. Unterm Strich bleibt allein die nüchterne Feststellung, dass es auch für den Begriff der „Rechtspflege“ keine allgemeingültige Definition gibt und die verschiedenen Ansätze hier sogar besonders stark voneinander abweichen. bb) Sachgeleitete Einordnung der Zwangsvollstreckung innerhalb der Gewaltentrias Die unklare und verworrene Terminologie zu den Begriffen der Verwaltung, der Rechtsprechung und der Rechtspflege erschwert die Einordnung der Zwangsvollstreckung erheblich.
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Vgl. Stamm, Prinzipien, S. 24. Menger, System, S. 30. 217 Mitunter wird der Rechtspflege dabei zudem die Eigenschaft materieller Verwaltung unterstellt – so Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, § 1 VwVfG Rn. 201 m.w.N.; Münch/Kunig/Meyer, Art. 92 GG Rn. 23, der allerdings eine „unklare terminologische Lage“ konstatiert; vgl. auch SHH/Hopfauf, Art. 92 GG Rn. 32. Umgekehrt bezeichnet Wolff das Handeln der Verwaltungsbehörden als „materielle Rechtspflege“ (Wolff, MDR 1951, 523). 218 So etwa MD/Hillgruber, 51. EL, 12/2007, Art. 92 GG Rn. 19; HK-GG/Wolff, IX. Rn. 3; vgl. auch Feuerich/Weyland/Brüggemann, § 1 BRAO Rn. 5. 219 Stamm, Prinzipien, S. 26 (Fn. 95). Bezogen auf § 1 BRAO begründet er dies damit, dass im Rahmen der Norm die Betonung nicht auf der rechtssystematischen Zugehörigkeit des Rechtsanwalts zur Rechtspflege liege, sondern auf der Unabhängigkeit seiner Rechtsstellung. 216
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Da unter den Begriff der Rechtspflege mitunter auch exekutives Handeln gefasst wird, erscheint eine Unterscheidung zwischen Verwaltung und Rechtspflege jedoch nicht sinnvoll. Zielführender ist es, allein zwischen Verwaltung und Rechtsprechung abzugrenzen und die Zwangsvollstreckung einer der beiden Gewalten zuzuordnen. Da die Zwangsvollstreckung insgesamt gesetzlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist, gehört sie zweifellos der Rechtsprechung im formellen Sinne an.220 Daran, dass die Mobiliarvollstreckung keine Rechtsprechung im materiellen (oder funktionellen) Sinne darstellt, besteht – trotz aller terminologischen Unsicherheiten – ebenfalls kein Zweifel. Sie nun allein deswegen und ungeachtet aller sachlichen Erwägungen gem. der Subtraktionsformel der Verwaltung zuzuschlagen, erscheint jedoch wenig überzeugend.221 So machte Gaul schon vor rund 50 Jahren darauf aufmerksam, dass die teils vertretene Zuordnung der Zwangsvollstreckung zur Verwaltung dem Umstand geschuldet ist, dass man sich zur Bestimmung des diffusen Verwaltungsbegriffs nicht anders als durch die Subtraktionsmethode zu helfen weiß.222 Völlig zu Recht stellte er diesbezüglich klar: „Es besteht aber vom Standpunkt des Vollstreckungsrechts aus keine Veranlassung, der begriffsjuristischen Verlegenheit der Staats- und Verwaltungsrechtslehre dadurch abzuhelfen, daß man die Zwangsvollstreckung ,materiell‘ der Verwaltung zuschlägt.“223
Auch die gemeinhin übliche Verwendung der scheinbar eigenständigen, staatsrechtlich jedoch nebulösen Kategorie der Rechtspflege bezeugt, dass gegen die Abgrenzung im Sinne der Subtraktionstheorie, mithin gegen die ausschließliche Alternativität von Verwaltung und materieller Rechtsprechung, Vorbehalte bestehen. Wie dargelegt, variieren zwar auch die Definitionen der Rechtspflege. Gleichwohl wird der Rechtspflegebegriff doch vielfach als gerichtliche oder zumindest gerichtsnahe Tätigkeit verstanden und – insbesondere auch in Bezug auf die Zwangsvollstreckung – gerade in Abgrenzung zur Verwaltung verwendet.224 Auf der anderen Seite wird die Rechtspflege jedoch weiter gefasst als die materielle Rechtsprechung. Wenn die h.M. die Zwangsvollstreckung schlichtweg als Rechtspflege deklariert, entzieht sie sich somit nicht nur einer klaren Zuordnung zu einer Staatsgewalt, sie setzt sich auch stillschweigend in direkten Widerspruch zur Sub220
Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 5; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 43; Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 49; vgl. Stamm, Prinzipien, S. 30. 221 Zu Recht steht die Subtraktionsformel auch grundsätzlich in der Kritik, vgl. nur Peine/Siegel, VerwR, Rn. 18. Es handelt sich bei ihr um nichts anderes als eine Notlösung. 222 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50. 223 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50. 224 Siehe nur Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 1: „[Die Zwangsvollstreckung] ist Rechtspflege und nicht Verwaltung“, m.w.N.; Blomeyer, ZPR, § 1 II; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 37 m.w.N.
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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traktionstheorie, indem sie eine Rechtsmaterie weder als materielle Rechtsprechung noch als Verwaltung auffasst. Müllers Vorwurf, dass sich die h.M. mit der Zuordnung der Zwangsvollstreckung zur Rechtspflege eines unscharfen Auffangbegriffs bedient,225 ist demnach ebenso berechtigt wie die vorhergehende Kritik von Stamm, der insoweit von einem „Dilemma“ der h.M. spricht und dieser vorhält, unter Verwerfung der drei anerkannten Formen nach einer vierten Staatsgewalt zu suchen, die jedoch jeglicher verfassungsrechtlicher Legitimation entbehrt.226 Eine sachgerechte und vor allem widerspruchsfreie (tertium non datur) Lösung der Zuordnungsproblematik kann nur darin bestehen, bei dem Begriff der rechtsprechenden Gewalt bzw. der Rechtsprechung zu differenzieren: Während die rechtsprechende Gewalt i.S.d. Art. 92 GG zur Sicherung des Richtermonopols zweifellos als materielle Rechtsprechung verstanden werden muss, ist sie i.S.d. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, also als Staatsgewalt der Judikative, in einem weiteren Sinne zu verstehen und nicht zwangsläufig mit richterlicher Tätigkeit verknüpft. Diese Auffassung findet sich denn auch sowohl schon in der älteren Literatur, insbesondere in den Werken von Mayer227 und Merk228, als auch in der modernen Lehre.229 Ein Definitionsversuch der so verstandenen Judikative, um den sich schon Mayer bemühte,230 soll hier nicht unternommen werden. Angesichts der bis heute schwelenden Abgrenzungsproblematik der Staatsgewalten liegt die Vermutung nicht fern, dass auch hier keine allgemeinverbindliche Definition, sondern lediglich eine Beschreibung möglich ist. Jedenfalls bei „grenzwertigen“ Rechtsmaterien wie der Zwangsvollstreckung231 dürfte eine reine Be225
Müller, Ablieferung, S. 57 f. Vgl. Stamm, Prinzipien, S. 30 f., 36. 227 Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 5 f. 228 Merk, Dt. VerwR, S. 61 ff. (unter Bezeichnung der dritten Staatsgewalt als „Rechtspflege“). 229 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 GG Rn. 25 und Dreier a.a.O., Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 53, die die dritte Gewalt im Sinne des formellen Rechtsprechungsbegriffs verstehen; ebenso Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 47 m.w.N.; Pflugmacher, Beweiserhebung, S. 13 ff.; für eine eigenständige Bedeutung auch Münch/Kunig/Meyer, Art. 92 GG Rn. 15. Nach der h.M. haben die Begriffe der Rechtsprechung bzw. der rechtsprechenden Gewalt in beiden Verfassungsnormen den gleichen Inhalt, s.o. Fn. 157. 230 Nach Mayer ist unter „Justiz“, die er synonym für „Rechtsprechung“ gebraucht, „die obrigkeitliche Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung bei den für Zivilund Strafrechtspflege bestellten Gerichten“ zu verstehen (Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 5). Die Ausklammerung der anderen Gerichtsbarkeiten in seiner Definition ist historisch bedingt. 231 Äußerst problematisch ist auch die Einordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das BVerfG hat die Frage, „ob die Tätigkeit der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit ihrem sachlichen Gehalt nach der ,Rechtsprechung‘ im Sinn des Art. 92 GG zugerechnet werden kann“, ausdrücklich offengelassen (BVerfGE 21, 139, 144 – „Freiwillige Gerichtsbarkeit“). 226
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
griffsjurisprudenz jedoch ohnehin nicht zielführend sein. Mit Gaul sollte die Einordnung vielmehr aufgrund sachlicher Gründe erfolgen.232 In diesem Sinne begründeten auch jene Stimmen, die die Zwangsvollstreckung der Verwaltung zuordneten, ihre Auffassung regelmäßig mit einer vergleichenden Betrachtung und der Herausstellung inhaltlicher Parallelen zwischen Zwangsvollstreckung und klassischem Verwaltungshandeln.233 Umgekehrt muss demnach gelten: Fehlen der Zwangsvollstreckung solche Merkmale, die für die Verwaltung wesenstypisch sind, so ist sie staatsrechtlich der dritten Gewalt zuzuordnen. (1) Methodische Zweifel an der isolierten Betrachtung der Mobiliarvollstreckung Im Hinblick auf die von Müller vorgenommene isolierte Betrachtung der Mobiliarvollstreckung ist ihm sicherlich darin beizupflichten, dass das Vollstreckungsrecht sowohl bezüglich der involvierten Vollstreckungsorgane als auch der möglichen Vollstreckungsarten und der damit verbundenen Maßnahmen äußerst vielgestaltig ist.234 Eine differenzierte Untersuchung der verschiedenen Vollstreckungsarten bietet sich daher durchaus an.235 Gleichwohl darf nicht ignoriert werden, dass es sich bei dem Zwangsvollstreckungsrecht um ein zusammenhängendes Regelungsgefüge handelt.236 Eine gänzlich isolierte Betrachtung eines einzelnen Teilbereichs unter Ausblendung des rechtlichen Kontextes ist abzulehnen.237 Nachfolgend finden sich daher auch gesamtsystematische Erwägungen. (2) Einwände gegen die Einordnung als Verwaltung Die Ähnlichkeit zwischen Vollstreckungs- und Verwaltungsverfahren wurde bereits mit der Theorie Müllers dargestellt,238 es bedarf insoweit keiner weiEs lassen sich gute Gründe dafür anführen, dass diese heterogene Rechtsmaterie sowohl materielle Verwaltung als auch materielle Rechtsprechung beinhaltet (vgl. Bettermann, in: GS Jellinek, 361, 372 f.; Bettermann, in: FS Lent, 17, 24; dagegen will Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 33 ff. im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwischen materieller Rechtsprechung und „Rechtspflegeaufgaben“ unter expliziter Betonung der Eigenständigkeit der Letzteren unterscheiden). 232 Vgl. Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50. 233 Vgl. Blomeyer, Erinnerungsbefugnis, S. 35 ff.; Müller, Ablieferung, S. 60 ff.; Stamm, Prinzipien, S. 28 ff.; König, Rechtsstaatsprinzip, S. 23 ff.; Huber, Versteigerung, S. 30; Hein, ZZP 69 (1956), 231, 246 f. 234 Müller, Ablieferung, S. 58 f. 235 Vgl. Gaul, Rpfleger 1971, 41, 43. 236 Vgl. Strauß, Nichtigkeit, S. 126. 237 Vgl. Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 51, 57. 238 S.o. B. I. 1.
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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teren Ausführungen. Einige der Argumente Müllers sind jedoch kritisch zu hinterfragen. Im Übrigen ist zu untersuchen, welche Einwände gegen die Einordnung der Zwangsvollstreckung als Verwaltung sprechen. (a) Kritik an der Begründung Müllers Müller verdient sicherlich Zustimmung in seiner Feststellung, dass die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers durch reinen Gesetzesvollzug geprägt ist und daher exekutiv anmutet. Zu seiner Behauptung, dass der Gerichtsvollzieher aufgrund dessen weit vom „hergebrachten Bild der Ausübung richterlicher Gewalt entfernt“239 sei, ist allerdings anzumerken, dass rechtshistorisch nicht nur das Erkenntnisverfahren, sondern auch die Zwangsvollstreckung dem Richter oblag240 – nicht ohne Grund trägt die Justitia neben der Waage auch das Schwert.241 Doch abgesehen davon ist die Rechtsprechung als Staatsgewalt nach hiesiger Ansicht ohnehin nicht auf die Ausübung richterlicher Tätigkeit beschränkt. Nicht gefolgt werden kann Müller darin, dass die nachträgliche, richterliche Kontrollmöglichkeit der Vollstreckungshandlungen des Gerichtsvollziehers für das Vorliegen von Verwaltung spreche. Das Erfordernis eines gerichtlichen und (grundsätzlich) repressiven Rechtsschutzes folgt aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die „öffentliche Gewalt“ i.S.d. Norm meint jedoch, wie oben dargestellt,242 die Exekutive im weitesten Sinne und ist nicht auf die Verwaltung beschränkt. Fehl geht auch seine Argumentation bezüglich der Rechtsbehelfssysteme. Zwar lässt sich hier hinsichtlich der Zweistufigkeit durchaus eine gewisse Parallelität zwischen Verwaltungsverfahren (Widerspruch und Anfechtungsklage) und Mobiliarvollstreckung (Erinnerung und sofortige Beschwerde) erkennen. Allerdings richten sich die Rechtsbehelfe des Adressaten im Verwaltungsverfahren stets gegen den Staat, wohingegen die Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung gegen eine Partei des Verfahrens erhoben werden müssen.243 Der Vergleich der Rechtsbehelfsmöglichkeiten spricht daher bei
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Müller, Ablieferung, S. 60 f. Wach, Civilprozessrecht, S. 317 zum gemeinen Recht, in dem es an gerichtlichen Ämtern überhaupt nur den Richter selbst und den sog. Gerichtsschreiber als Protokollant gab (der Richter konnte zwar weitere Personen mit Aufgaben betrauen, diese waren jedoch bloße Boten und Diener); Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50 m.w.N.; zur Entwicklung hin zum heutigen Gerichtsvollziehersystem ausführlich Gaul, Rpfleger 1971, 81 ff. 241 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50. 242 3. Teil B. II. 1. 243 Vgl. Gaul, Rpfleger 1971, 41, 42; Strauß, Nichtigkeit, S. 127. Vereinzelt wurden in der Literatur Versuche unternommen, den Staat als Gegner der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe darzustellen. Siehe hierzu Hein, ZZP 69 (1956), 231, 246 f. (Fn. 35), nach dem sich die Vollstreckungserinnerung des Schuldners gegen den Staat richten soll. 240
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Lichte betrachtet gerade gegen das Vorliegen eines Verwaltungsverfahrens.244 Tatsächlich handelt es sich hierbei um einen bedeutenden Unterschied, auf den nochmals zurückzukommen sein wird.245 (b) § 4 S. 2 EGGVG a.F. Keinen Anhaltspunkt zur Einordnung der Zwangsvollstreckung liefert § 4 S. 2 EGGVG a.F. Die 2006 außer Kraft getretene246 Norm bestimmte, dass andere Gegenstände der Verwaltung als die Justizverwaltung den ordentlichen Gerichten nicht übertragen werden dürfen.247 Teilweise wird argumentiert, dass, wäre die Zwangsvollstreckung Verwaltung, eine Übertragung an die ordentliche Gerichtsbarkeit daher nicht hätte erfolgen dürfen, weil die Zwangsvollstreckung keine Justizverwaltung sei.248 Die Frage des Vorliegens von Justizverwaltung kann dem nächsten Punkt vorbehalten bleiben, da die Argumentation bereits aus einem anderen Grund nicht verfängt: § 4 EGGVG a.F. regelte ausschließlich die Gesetzgebungskompetenzen der Länder.249 Hinsichtlich der bundesgesetzlichen Zuweisung der Zwangsvollstreckung an die Gerichtsbarkeit durch die ZPO ist die Vorschrift irrelevant.250 (c) Sachnähe zum Privatrecht Gegen die Einordnung als Verwaltung lässt sich indes die besondere Sachnähe des Vollstreckungsrechts zum Privatrecht anführen.251 Die Sachnähe ist dem Ziel der Zwangsvollstreckung, der Gläubigerbefriedigung, geschuldet. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das Vollstreckungsrecht in die materiellrechtliche Güterzuordnung eingreifen. Dies wiederum ist nur möglich, wenn es sich den Rechtsformen des Privatrechts anpasst.252
244 Vgl. Ev. Staatslexikon/Bettermann, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2781 f. 245 S.u. B. I. 2. a) bb) (2) (e) (cc). 246 Siehe Art. 14 des Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19. April 2006 (BGBl. I, S. 866). 247 Vgl. Jellinek, VerwR, S. 11. 248 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 70; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 1. 249 Stamm, Prinzipien, S. 28. 250 Wieczorek/Schütze/Schreiber, 3. Aufl., § 4 EGGVG Rn. 1. 251 Vgl. Blomeyer, ZPR, § 1 IV; Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 29; Kuchinke, JZ 1958, 198, 199. Zum Nachfolgenden ausführlich Gaul, Rpfleger 1971, 1, 6 ff. mit zahlreichen weiteren Beispielen und Nachweisen. 252 Beachte in diesem Zusammenhang auch nochmals die §§ 135 Abs. 1 S. 2, 161 Abs. 1 S. 2, 184 Abs. 2, 883 Abs. 2 S. 2 BGB, in denen jeweils rechtsgeschäftliche Verfügungen mit jenen im Wege der Zwangsvollstreckung gleichgestellt werden.
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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Die besondere Sachnähe lässt sich an diversen Beispielen veranschaulichen. So ist etwa bei der Forderungspfändung die Anpassung an das bürgerlich-rechtliche Zessionsrecht unverkennbar, wenn § 851 Abs. 1 ZPO die Pfändbarkeit der Forderung von deren Übertragbarkeit abhängig macht.253 Zudem ordnet § 830 ZPO an, dass für die Pfändung einer hypothekarisch gesicherten Forderung auch die Übergabe des Hypothekenbriefs erforderlich ist, was zu einem Gleichlauf mit den §§ 1253 f., 1274 BGB zur Verpfändung und Übertragung einer Hypothekenforderung führt. Überhaupt kommt die Sachnähe bei den Grundpfandrechten besonders deutlich zum Ausdruck: Indem § 1147 BGB vorschreibt, dass eine Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstück im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt,254 stellt das materielle Recht hier eine unmittelbare Verknüpfung zum Vollstreckungsrecht her. Die Sachnähe zum Privatrecht besteht aber auch bei den anderen Vollstreckungsarten. Für den Bereich der Mobiliarvollstreckung zeigt sich dies insbesondere an der Besitzergreifung bei der Pfändung als äußerliches Zuordnungsmerkmal sowie an dem Pfändungspfandrecht, das für den Gläubiger den Rechtsgrund für den Erhalt des Erlöses darstellt und somit (auch) die Funktion einer materiell-rechtlichen Güterzuordnung hat, die über das Vollstreckungsfahren hinaus ihre Gültigkeit behält.255 Außerhalb der Vollstreckung wegen Geldforderungen kann etwa die Vollstreckung bei Verurteilung zur Übereignung herangezogen werden. So wie bei § 929 BGB neben der dinglichen Einigung auch die Übergabe der Sache für die Eigentumsübertragung erforderlich ist, genügt auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung die Fiktion der Einigungserklärung nach § 894 ZPO nicht, sondern es muss gem. §§ 883 Abs. 1, 897 Abs. 1 ZPO zusätzlich eine „Übergabe“ (Wegnahme der Sache durch den Gerichtsvollzieher) erfolgen. Hinsichtlich der Fiktion der Einigungserklärung besteht zudem eine so weitgehende Annäherung an das materielle Recht, dass auf den Erwerb die bürgerlich-rechtlichen Gutglaubensvorschriften Anwendung finden. (d) Zwangsvollstreckungsrecht als Prozessrecht Neben der Privatrechtsnähe spricht auch die Systematik der Zwangsvollstreckung im 8. Buch der ZPO gegen eine verwaltungsrechtliche Klassifizierung.256 253
Vgl. auch § 857 Abs. 3 ZPO. Ab Eintritt der Pfandreife ist jedoch auch die Vereinbarung einer anderen Befriedigungsart zulässig, wie aus § 1149 BGB folgt (HK-BGB/Staudinger, § 1147 BGB Rn. 1). 255 Gaul bezeichnet das Pfändungspfandrecht daher als „Bindeglied zwischen Vollstreckungsrecht und materiellem Recht“ (Gaul, Rpfleger 1971, 1, 6). 256 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 1; vgl. auch KG OLGZ 1985, 82, 84 f. (Aufgabenübertragung an den Gerichtsvollzieher durch die ZPO als „starkes Indiz“ für das Vorliegen von Rechtspflege). 254
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Diese Überlegung beschränkt sich freilich nicht darauf, dass die Zwangsvollstreckung der Gerichtsbarkeit zugewiesen ist; dass es sich bei ihr um Rechtsprechung im formellen Sinne handelt, wurde bereits festgestellt. Entsprechend schwach ist insoweit das gelegentlich angeführte Argument, dass nach § 801 Abs. 1 ZPO die Landesgesetzgebung nicht gehindert ist, die „gerichtliche Zwangsvollstreckung“ auch aufgrund anderer als der in §§ 704, 794 ZPO bezeichneten Titel zuzulassen.257 Mit der Formulierung dürfte lediglich die organisatorische Zuweisung der Zwangsvollstreckung an die Gerichte gemeint sein.258 Die Norm gewährt den Ländern eine ergänzende Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Vollstreckungstitel und entbindet sie zugleich vom Aufbau einer eigenen Behördenstruktur.259 Eine darüber hinausgehende Aussage zur Qualität der Zwangsvollstreckung als rechtsprechende Tätigkeit kann der Norm schwerlich entnommen werden.260 Wenig aussagekräftig ist auch der Umstand, dass die Zwangsvollstreckung gewisse verfahrensrechtliche Verbindungen zu dem vorangegangenen Erkenntnisverfahren als Ausübung materieller Rechtsprechung aufweist (bspw. erstreckt sich die Prozessvollmacht gem. § 81 ZPO auch auf das Vollstreckungsverfahren).261 Da der Zwangsvollstreckung keineswegs zwangsläufig ein Erkenntnisverfahren vorauszugehen hat (vgl. § 794 ZPO), lassen sich hieraus keine Erkenntnisse gewinnen. Von Bedeutung ist jedoch, dass das Zwangsvollstreckungsrecht Teil des Prozessrechts ist und als ebensolches funktioniert.262 Das Vollstreckungsverfahren ist, wie auch das Erkenntnisverfahren, mit den Worten Nieses „von dem Erfordernis einer strengen Justizförmigkeit beherrscht“263, was in beiden Verfahren gleichermaßen wichtig ist.264 Für die Vollstreckungsorgane gilt, wie es auch allgemein im Prozessrecht der Fall ist, dass „jeder prozessuale Vorgang stets zunächst auf seine formalen, vom Prozeßrecht aufgestellten Gültigkeitsbedingungen hin zu untersuchen“265 ist. Das Vollstreckungsverfahren ist als „ein auf die Befriedigung des Gläubigers hinzielendes Gefüge prozessualer Lagen“, als „Stufenfolge in- und übereinandergreifender prozessualer Vorgänge“266 zu verstehen und unterliegt damit einer spezifisch prozessualen Betrachtungsweise.267 Dass es sich bei der Zwangsvollstreckung um typisches 257
Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 1; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 51. Stamm, Prinzipien, S. 27. 259 Stamm, Prinzipien, S. 27. 260 Stamm, Prinzipien, S. 27. 261 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 51. 262 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 51, auch Rest des Absatzes. 263 Niese, Prozeßhandlungen, S. 118; vgl. auch Blomeyer, ZPR, § 1 II 2. 264 Niese, Prozeßhandlungen, S. 119. 265 Niese, Prozeßhandlungen, S. 97. 266 Jeweils Kuchinke, JZ 1958, 198, 200, 201. 267 Die prozessuale Betrachtungsweise des Zwangsvollstreckungsrechts betonen natur-
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Prozessrecht handelt, zeigt sich zudem daran, dass die Parteien mit der Erinnerung nach § 766 ZPO jederzeit den Vollstreckungsrichter anrufen und das gesamte Verfahren gerichtlich überprüfen lassen können.268 Materiell-rechtliche Einwendungen müssen zwar vom Schuldner bzw. vom Dritten nach §§ 767, 771 ZPO außerhalb des Vollstreckungsverfahrens klageweise geltend gemacht werden. Auch sie wirken jedoch durch die einstweilige Einstellungsanordnung nach §§ 769 f. (i.V.m. § 771 Abs. 3 S. 1) ZPO und schließlich die Unzulässigerklärung nach § 775 ZPO auf das Zwangsvollstreckungsverfahren ein.269 (e) Zwangsvollstreckung als „fremde Angelegenheit“ Entscheidend gegen eine Zuordnung der (Mobiliar-)Vollstreckung zur Verwaltung spricht allerdings, dass es der Zwangsvollstreckung an einem wesenstypischen Merkmal der öffentlichen Verwaltung fehlt: Bei Letzterer wird der Staat stets in eigener Sache tätig, das Vollstreckungsverfahren stellt dagegen eine fremde Angelegenheit – eine solche des betreibenden Gläubigers – dar.270 (aa) Kein Hinweis in § 35 VwVfG Müllers271 Versuch, dies im Anschluss an Stamm272 damit zu widerlegen, dass § 35 VwVfG keinen Hinweis auf das Erfordernis eines Handelns in eigener gemäß vor allem die Vertreter der öffentlich-rechtlichen Theorie besonders. Vgl. repräsentativ Lüke, JZ 1957, 239, 241. 268 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 51. 269 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 51. 270 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50; Gaul, in: FS Stürner, 687, 716; Gaul/Schilken/BeckerEberhard, ZVR, § 2 Rn. 4; Stein/Jonas/Münzberg, Vor. § 704 ZPO Rn. 16; Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 50 f.; Strauß, Nichtigkeit, S. 136 f.; Blomeyer, ZPR, § 1 II 2; Windel, ZZP 102 (1989), 175, 188 f.; Schilken, AcP 208 (2008), 850, 853; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 70; vgl. auch Bettermann, AöR 92 (1967), 496, 507; ausführlich Bettermann, in: Hdb der Grundrechte, 523, 526 ff.; Lüke, JZ 1959, 270, 271; Ev. Staatslexikon/Bettermann, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2778; Bettermann, in: GS Jellinek, 361, 364, 372 ff.; Kelsen, Staatsrechtslehre, S. 495; Schlosser, Zivilprozeßrecht II, Rn. 27; Pflugmacher, Beweiserhebung, S. 10 ff. Inkonsistent Stamm, der zur Begründung des Vorliegens von Verwaltungstätigkeit zunächst ausführt, dass „die staatliche Gewaltanwendung in der Vollstreckung nicht etwa altruistisch erfolgt, sondern auf vorrangige staatliche Interessen zurückzuführen ist“ (Stamm, Prinzipien, S. 30), später jedoch konstatiert: „Abweichend von sonstigen Verwaltungsverfahren ist zu berücksichtigen, dass der Staat mit der Gewaltanwendung nicht die Verwirklichung eigener staatlicher Interessen, wie zum Beispiel die Herstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, bezweckt, sondern die Verwirklichung fremder privater Interessen, nämlich die Erfüllung des Anspruchs eines privaten Gläubigers“ (a.a.O. S. 379). 271 Müller, Ablieferung, S. 62. 272 Stamm, Prinzipien, S. 29.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Angelegenheit enthält, überzeugt nicht. § 35 VwVfG beinhaltet die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes (S. 1) bzw. einer Allgemeinverfügung (S. 2) als Unterfall des Verwaltungsaktes. Die Norm dient allein dazu, diese konkrete Form des Verwaltungshandelns zu definieren273 und, angesichts der für sie geltenden Besonderheiten, eine Abgrenzung zu anderen Formen des Verwaltungshandelns zu erlauben. Eine Aussage zu den generellen Charakteristika des Verwaltungshandelns bzw. der Verwaltung als solcher trifft sie nicht. (bb) Öffentliches Interesse Zur Abgrenzung zwischen einer eigenen und einer fremden Angelegenheit wird einerseits darauf abgestellt, ob die Tätigkeit im öffentlichen Interesse erfolgt, ob die Handlung mithin einen staatlichen Selbstzweck verwirklicht. Diesbezüglich argumentiert Müller, dass es auch im Verwaltungsrecht Konstellationen gebe, in denen zugleich private und öffentliche Interessen verwirklicht werden. Auch sei im Verwaltungsrecht die „Einflussnahme auf Interessenkonflikte zwischen einzelnen Bürgern“ vorgesehen, „wenn an einer bestimmten Lösung des Konflikts auch ein öffentliches […] Interesse besteht“274. Er verweist dabei auf Stamm, der die Zwangsvollstreckung mit dem Bauordnungsrecht in solchen Fällen vergleicht, in denen ein Nachbar durch rechtswidrige Bebauung in seinen Rechten beeinträchtigt wird und dagegen vorgeht.275 Als Beispiel sei etwa daran gedacht, dass die Baubehörde auf Antrag des Nachbarn gegen den die Bauvorschriften missachtenden Bauherrn eine Abrissverfügung erlässt. Stamm betont, dass niemand auf die Idee kommen würde zu behaupten, dass die Baubehörde hier in einer fremden Angelegenheit tätig werde.276 Zwar besteht durchaus eine gewisse Ähnlichkeit zum Vollstreckungsrecht insoweit, als die Verwaltungstätigkeit zumindest auch im Interesse des beeinträchtigten Nachbarn erfolgt, denn ein subjektives Recht auf behördliches Einschreiten setzt nach der Schutznormtheorie stets ein individuelles Interesse voraus.277 Zudem ist auch dem beeinträchtigten Nachbarn die Selbsthilfe verboten. Er hat, wie Stamm insoweit zutreffend herausstellt, lediglich einen Anspruch278 gegen die Bauordnungsbehörde auf Einschreiten, so wie auch 273
BeckOK-VwVfG/von Alemann/Scheffczyk, § 35 VwVfG Rn. 1. Müller, Ablieferung, S. 63. 275 Stamm, Prinzipien, S. 29 f. 276 Stamm, Prinzipien, S. 29. 277 Vgl. SSB/Wahl/Schütz, Grundwerk, § 42 Abs. 2 VwGO Rn. 89. 278 Sofern der Behörde ein Ermessen eingeräumt ist, besteht der Anspruch nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null, im Übrigen besteht lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. Große-Suchsdorf/Mann, § 79 NBauO Rn. 70 ff.; BeckOKHBO/Otting, § 82 HBO Rn. 101 ff.). 274
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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der einen Vollstreckungstitel innehabende Gläubiger einen Anspruch gegen den Staat auf Durchführung des Vollstreckungsverfahrens hat.279 Gleichwohl werden bei näherer Betrachtung die Unterschiede zwischen den beiden Verfahren deutlich. So ist schon hinsichtlich der soeben erwähnten Ansprüche des Gläubigers und des Nachbarn gegen den Staat zu sehen, dass der beeinträchtigte Nachbar im Bauordnungsrecht ausschließlich einen Anspruch gegen den Staat auf Einschreiten hat, während keinerlei direkte Ansprüche gegen den störenden Bauherrn bestehen. Der Staat trifft wiederum Anordnungen allein gegenüber dem Bauherrn. Es bestehen mithin nur Rechtsbeziehungen auf vertikaler Ebene. Anders in der Zwangsvollstreckung: Dem gesamten Verfahren liegt ein horizontaler Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner, ein unmittelbares Recht des einen gegen den anderen, zugrunde.280 Der Vollstreckungsanspruch gegen den Staat besteht nur um dieses privatrechtlichen Anspruchs willen.281 Allzu pauschal sollten hier daher keine Parallelen gezogen werden. Wichtiger ist jedoch, dass das Bauordnungsrecht in erster Linie ein objektives Regelwerk darstellt. Sein Zweck sind „die Abwehr von Gefahren zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Verhinderung von verunstalteten baulichen Anlagen, der Schutz des Orts- und Landschaftsbildes gegen Verunstaltung sowie die Wahrung sozialer Belange“282. Individuelle Interessen werden nur ausnahmsweise geschützt. Selbst wenn dies der Fall ist, dann tritt dieser Schutz stets nur neben die objektive Anordnung der Norm.283 Das Handeln der Behörde ist somit primär am öffentlichen Interesse ausgerichtet. Noch besser als am Bauordnungsrecht als besonderes Polizeirecht lässt sich dies am allgemeinen Polizeirecht veranschaulichen. Hier tragen die aufgabenrechtlichen Generalklauseln der Länder der Polizei den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf, wobei die öffentliche Sicherheit auch die Rechte des Einzelnen umfasst.284 Schützt die Polizei demgemäß ein Individualrecht, handelt sie gleichwohl primär im öffentlichen Interesse; der Schutz des Verletzten ist bloße Reflexwirkung.285 Dass die Bauordnungsbehörde primär im öffentlichen Interesse handelt, kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass sie die entsprechende Maßnahme auch ohne die Initiative des beeinträchtigten Nachbarn treffen kann, denn
279
Stamm, Prinzipien, S. 29 f. Vgl. Windel, ZZP 102 (1989), 175. 281 Gaul, JuS 1962, 1, 2. 282 EZBK/Krautzberger, 131. EL, 10/2018, Einl. Rn. 79. 283 Dementsprechend verlangt die Schutznormtheorie, dass eine Vorschrift nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch den Interessen des Betroffenen zu dienen bestimmt ist (BeckOK-HBO/Schulz/Krampetz/Vornholt, § 71 HBO Rn. 22). 284 BeckOK-HSOG/Mühl/Fischer, § 1 HSOG Rn. 14. 285 Bettermann, in: GS Jellinek, 361, 371. 280
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
ein Anspruch des Nachbarn auf Einschreiten der Behörde setzt immer einen objektiven Rechtsverstoß voraus.286 Die Bauordnungsbehörde kann von sich aus intervenieren, weil die Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften im öffentlichen Interesse liegt. Diese Möglichkeit des aktiven Vorgehens ist für die (Eingriffs-)Verwaltung typisch.287 In der Zwangsvollstreckung ist die Situation demgegenüber eine andere. Hier verfolgt der Staat keinen Selbstzweck.288 Wie bereits an früherer Stelle ausgeführt,289 dient die Zwangsvollstreckung zwar auch öffentlichen Interessen. Im Vordergrund steht jedoch die Befriedigung des betreibenden Gläubigers. Die Zwangsvollstreckung ist damit primär an einem Individualinteresse ausgerichtet.290 Dem entspricht es, dass die Zwangsvollstreckung niemals durch die Vollstreckungsorgane selbst initiiert werden kann, sondern es stets der Verfahrenseinleitung durch den Antrag des Gläubigers bedarf. Der Vergleich mit den bauordnungsrechtlichen Nachbarfällen geht somit fehl. Doch ungeachtet dessen sind durchaus generelle Bedenken daran angebracht, ob die Tätigkeit im (primär) öffentlichen oder privaten Interesse ein tauglicher Indikator für die Bestimmung der eigenen bzw. fremden Angelegenheit sein kann. Schließlich hat Müller nicht ganz Unrecht mit seinem Argument, dass sich nicht immer klar herausarbeiten lässt, inwieweit staatliche Tätigkeit im privaten oder im öffentlichen Interesse erfolgt.291 Vor allem aber ist die oben292 dargestellte „Baulandumlegung“-Entscheidung des BVerfG in Erinnerung zu rufen, in der das Gericht ausführte, dass die Baulandumlegung nach §§ 45 ff. BauGB „in erster Linie auf den Ausgleich der privaten Interessen der Eigentümer gerichtet“293 ist. Daran, dass es sich bei dem Umlegungsverfahren um Verwaltungstätigkeit handelt und es demnach auch als eigene Angelegenheit des Staates angesehen werden muss, bestehen jedoch keine Zweifel.
286
Vgl. BeckOK-HBO/Schulz/Krampetz/Vornholt, § 71 HBO Rn. 25. Vgl. Ev. Staatslexikon/Bettermann, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2779; Bettermann, in: GS Jellinek, 361, 371 f.; Maurer/Waldhoff, VerwR, § 1 Rn. 11. 288 Gaul, Rpfleger 1971, 1, 7; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50. 289 S.o. 2. Teil D. I. 3. 290 Nicht gefolgt werden kann Stamm daher in seiner Behauptung, die vollstreckungsrechtliche Gewaltanwendung sei auf vorrangige staatliche Interessen zurückzuführen (Stamm, Prinzipien, S. 30). 291 Müller, Ablieferung, S. 62. 292 S.o. 2. Teil D. I. 3. 293 BVerfGE 104, 1, 10 – „Baulandumlegung“. 287
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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(cc) Eigene Beteiligung des Staates Letztlich kommt es für die hiesige Untersuchung auf die interessenorientierte Unterscheidung nicht an. Denn die Zwangsvollstreckung entbehrt jedenfalls einer weiteren Eigenschaft, die für die Bejahung einer eigenen Angelegenheit erforderlich ist: die eigene Beteiligung des Staates.294 Bei verwaltender Tätigkeit ist der Staat an dem Rechtsverhältnis stets selbst unmittelbar beteiligt, er tritt dem Bürger als Partei gegenüber.295 Die Rechtsakte der Verwaltungsbehörde gegenüber dem Adressaten betreffen damit auch ihren eigenen Rechtskreis. Dies gilt selbstverständlich auch im Bauordnungsrecht: Lehnt die Bauordnungsbehörde den Antrag des Nachbarn ab, so tut sie dies als selbst an dem Rechtsverhältnis Beteiligte. Der Nachbar hat dementsprechend die Möglichkeit, gegen die Behörde Verpflichtungsklage zu erheben. Unterliegt die Behörde vor Gericht, so hat sie selbst die Verfahrenskosten zu tragen. Besonders deutlich kommt die Parteienrolle des Staates jedoch im Steuerrecht zum Ausdruck – hier sprechen die §§ 37 ff. AO ausdrücklich von einem „Steuerschuldverhältnis“ zwischen Staat und Bürger.296 Im Zwangsvollstreckungsrecht ist der Staat demgegenüber niemals selbst Partei des Vollstreckungsrechtsverhältnisses. Die Vollstreckungsorgane stehen dem Gläubiger, dem Schuldner und ggf. Dritten vielmehr als neutrale Instanz gegenüber, ähnlich wie der Richter im Erkenntnisverfahren dem Kläger und dem Beklagten.297 Die Parteien haben, obgleich auch hier die Rechtmäßigkeit des Verhaltens eines Hoheitsträgers infrage steht, ausschließlich die Möglichkeit, gegeneinander Rechtsbehelfe einzulegen, auch die Kosten des Verfahrens müssen immer von einer der Parteien getragen werden. Auch insoweit besteht Ähnlichkeit mit einem Richterspruch. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn die Zwangsvollstreckung als „Justizgewährung in einem besonderen Verfahrensstadium“298 bezeichnet wird.
294
Vgl. die Nachweise in Fn. 270. Dies gilt zumindest für die hier interessierende Eingriffsverwaltung. Vgl. zu den seltenen Ausnahmen im Bereich der vor- und fürsorgenden Verwaltung Bettermann, in: GS Jellinek, 361, 374. Diesbezüglich stellt Bärmann allerdings infrage, ob es sich überhaupt um Verwaltungstätigkeit handelt (Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 37). 296 Bettermann, in: GS Jellinek, 361, 374 (Fn. 54). 297 Dies gilt insbesondere auch für Gerichtsvollzieher und Rechtspfleger, vgl. § 155 GVG und §§ 9 f. RPflG (Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 4). Kritisch Stamm, Prinzipien, S. 39 f., der vor allem darauf verweist, dass die Rechtslage de lege lata allein historischen Umständen geschuldet sei. 298 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50; vgl. Blomeyer, ZPR, § 1 II 2. 295
168
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
(3) Zwischenergebnis Es bleibt damit festzuhalten, dass die Zwangsvollstreckung keine Verwaltungstätigkeit darstellt. Dagegen spricht vor allem, dass der Staat in ihr nicht als Beteiligter, sondern als neutraler Dritter und daher nicht in einer eigenen, sondern in einer fremden Angelegenheit handelt. Damit fehlt es der Zwangsvollstreckung an einem der Verwaltung wesenstypischen Merkmal. Stattdessen ist die Zwangsvollstreckung der Rechtsprechung im Sinne der dritten Staatsgewalt zuzuordnen.299 cc) Exkurs: Materielle Rechtsprechung in der Zwangsvollstreckung Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der vom Gerichtsvollzieher durchgeführten Mobiliarvollstreckung evident nicht um Rechtsprechung im materiellen Sinne. Dies lässt sich allerdings nicht ohne Weiteres auf das gesamte Vollstreckungsrecht verallgemeinern. Sollte die Zwangsvollstreckung jedoch Elemente materieller Rechtsprechung beinhalten, so wäre dies im Hinblick auf den Richtervorbehalt des Art. 92 GG nicht unproblematisch. Der Frage soll daher nachgegangen werden. Da über den materiellen Rechtsprechungsbegriff keine Einigkeit besteht,300 ist die Untersuchung zwangsläufig mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Wittreck hat allerdings einen Kern von Kriterien herausgearbeitet, der den meisten Definitionen gemein ist und auf den auch hier abgestellt werden soll. Zu jenen Kriterien zählen das Vorliegen einer Einzelfallentscheidung, die Neutralität des rechtsprechenden Organs, dessen ausschließliche Bindung an Recht und Gesetz sowie die Verbindlichkeit der Entscheidung.301 Soweit Wittreck als zusätzliches Kriterium anführt, dass die Entscheidung durch den Richter ergeht, kann ihm dagegen nicht gefolgt werden. Der Richtervorbehalt stellt erst die Rechtsfolge des Art. 92 GG dar, während die Norm einen Begriff der rechtsprechenden Gewalt (im materiellen Sinne)
299 I.E. (ggf. durch Klassifizierung als Rechtspflege, diese aber wiederum der Rechtsprechung als Staatsgewalt zuordnend) ebenso: Stein, Justiz und Verwaltung, S. 54 ff.; Wach, Civilprozessrecht, S. 129; Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 5 f.; Jellinek, VerwR, S. 11; Merk, Dt. VerwR, S. 79; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 1 ff.; Gaul, in: FS Stürner, 687, 716; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 49 ff.; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 70; Schilken, AcP 208 (2008), 850, 853; Baur/Stürner/Bruns, ZVR, Rn. 5.7; Ev. Staatslexikon/Bettermann, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2788; Stein/Jonas/Münzberg, Vor. § 704 ZPO Rn. 1; Stern, StaatsR II, S. 900 f.; Blomeyer, ZPR, § 1 II 2; Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 54 f.; Lüke/Zawar, JuS 1970, 205, 206; Windel, ZZP 102 (1989), 175, 188 f.; vgl. auch Waldhoff, Staat und Zwang, S. 16; Lüke, JZ 1959, 270, 271; zusammenfassend Strauß, Nichtigkeit, S. 123. 300 S.o. B. I. 2. a) aa) (1). 301 Wittreck, Verwaltung, S. 6 f.
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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bereits voraussetzt.302 Dieser Sichtweise entspricht es, dass das BVerfG die Verhängung von Kriminalstrafen als materielle Rechtsprechung qualifiziert und ihre Anordnung durch die Finanzverwaltung als Verstoß gegen den Richtervorbehalt des Art. 92 GG gerügt hat.303 Als zusätzliches Kriterium ist stattdessen aufzunehmen, dass die Entscheidung durch einen unabhängigen und unbeteiligten Dritten ergeht.304 (1) Entscheidung Das Vollstreckungsverfahren sieht weniger Entscheidungen im Sinne einer Erkenntnis dessen, was rechtens ist,305 vor, sondern vor allem die Rechtsdurchsetzung durch Realakte – nicht bloß in Form der Zugriffsakte des Gerichtsvollziehers, sondern auch durch gerichtliche Anordnungen.306 Dass auch Letztere nicht mit einer rechtlichen Erkenntnis verbunden sind, wird insbesondere an den §§ 829, 835 ZPO deutlich: Gem. § 835 Abs. 2 ZPO gilt der Gläubiger bei der Überweisung an Zahlungs statt als befriedigt, soweit die Forderung besteht. Gepfändet wird also stets nur die angebliche Forderung,307 eine entsprechende gerichtliche Überprüfung findet gerade nicht statt.308 § 828 ZPO spricht daher zutreffend von gerichtlichen Handlungen.309 Charakteristisch für das Vollstreckungsrecht sind mithin nicht Entscheidungen, sondern Vollstreckungshandlungen/-maßnahmen.310 Gleichwohl zählen zu den Aufgaben der Vollstreckungsorgane daneben aber auch Entscheidungen.311 Zu denken ist etwa an die Anordnung der Zwangsversteigerung sowie die Zuschlagsentscheidung (§§ 17 und 90 ZVG), die Entscheidung über die Pfändbarkeit von Bezügen (§ 850b Abs. 2 ZPO)
302
Vgl. Stern, StaatsR II, S. 898. BVerfGE 22, 49, 73 – „Strafgewalt der Finanzämter“; vgl. hierzu Stern, StaatsR II, S. 898. 304 Dahingehend ebenso Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 55; Friesenhahn, in: FS Thoma, 21, 27, 30; Stamm, Prinzipien, 25. 305 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 43. 306 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 43. 307 BeckOK-ZPO/Riedel, § 829 ZPO Rn. 38. 308 Vgl. Gaul, Rpfleger 1971, 41, 43. 309 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 43. 310 Vgl. § 764 Abs. 1 („Die den Gerichten zugewiesene Anordnung von Vollstreckungshandlungen […])“, § 766 Abs. 2 („Vollstreckungshandlung“), § 776 ZPO („Vollstreckungsmaßregeln“; „Vollstreckungshandlungen“). Allerdings verwendet das Gesetz die Begriffe inkonsequent. Vgl. etwa § 764 Abs. 3 ZPO: „Die Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts ergehen durch Beschluss“ (Hervorhebung durch Verf.). Siehe zum Ganzen Gaul, Rpfleger 1971, 41, 43. Zur Abgrenzung zwischen vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen und Entscheidungen BeckOK-ZPO/Preuß, § 766 ZPO Rn. 12 ff. 311 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 44 mit den nachfolgenden sowie weiteren Beispielen. 303
170
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
oder die Gewährung von Vollstreckungsschutz aufgrund der allgemeinen Härteklausel (§ 765a ZPO). (2) Neutralität; ausschließliche Bindung an Recht und Gesetz; Unabhängigkeit; Unbeteiligtheit Die Neutralität des Richters als klassisches Entscheidungsorgan wird durch Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften, etwa in §§ 41 ff. ZPO, 22 ff. StPO, 54 VwGO, gewährleistet.312 Seine ausschließliche Bindung an Recht und Gesetz ist bereits in Art. 20 Abs. 3 GG verankert und wird in Art. 97 Abs. 1 GG nochmals hervorgehoben.313 Die persönliche Unabhängigkeit des Richters, d.h. der Schutz vor Ab- und Versetzung, folgt bereits aus Art. 97 Abs. 2 S. 1 GG sowie einfachgesetzlich aus §§ 18 Abs. 3, 30 ff. DRiG,314 seine sachliche Unabhängigkeit im Sinne von Weisungsfreiheit aus Art. 97 Abs. 1 GG sowie § 1 GVG und § 25 DRiG.315 Im Vollstreckungsverfahren werden die Entscheidungen allerdings regelmäßig nicht durch einen Richter getroffen. Vielmehr sind aufgrund der §§ 3 Nr. 1 i) und 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG sämtliche Geschäfte nach dem ZVG sowie die meisten Geschäfte nach dem 8. Buch der ZPO auf den Rechtspfleger übertragen. Dies gilt insbesondere für die zuvor genannten Entscheidungsbeispiele. Auf den Rechtspfleger sind die Regelungen des Art. 97 GG nicht übertragbar,316 da die Norm nur für Richter gilt. Allerdings ordnet § 10 RPflG an, dass die für die Ausschließung oder Ablehnung eines Richters geltenden Vorschriften auf den Rechtspfleger anwendbar sind. Damit ist die Neutralität auch des Rechtspflegers gewährleistet. Die sachliche317 Unabhängigkeit des Rechtspflegers sowie dessen ausschließliche Bindung an Recht und Gesetz 312
Vgl. Eickmann, Rpfleger 1976, 153, 157; Bettermann, AöR 92 (1967), 496, 506. Allerdings ist der Richter nach Art. 97 Abs. 1 GG nur dem Gesetz unterworfen, wohingegen das Recht hier keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden hat. Ob den Begriffen überhaupt eine unterschiedliche Bedeutung beizumessen ist, ist umstritten (siehe etwa BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 169.1 m.w.N.; ausführlich, insbesondere zur Problematik einer eigenständigen Bindung an das Recht MD/Grzeszick, 51. EL, 12/2007, Art. 20 GG VI Rn. 63 ff.). Die praktische Relevanz des Streits ist gering. 314 Stern, StaatsR II, S. 911. 315 Stern, StaatsR II, S. 912. 316 BVerfGE 101, 397, 404 f. – „Nachlasspfleger“. 317 Eine persönliche Unabhängigkeit des rechtsprechenden Organs kann dagegen kein Kriterium für das Vorliegen materieller Rechtsprechung sein, da die persönliche Unabhängigkeit speziell mit der Richtereigenschaft verknüpft ist (vgl. Tams, Rpfleger 2007, 581, 585), der Richtervorbehalt jedoch erst die Rechtsfolge des Art. 92 GG darstellt und folglich nicht der Bestimmung des von der Norm vorausgesetzten materiellen Rechtsprechungsbegriffs dienen kann. Im Übrigen ist die persönliche Unabhängigkeit selbst bei Richtern nicht konsequent gewährleistet (etwa bei ehrenamtlichen Richtern oder Richtern auf Probe, vgl. Stern, StaatsR II, S. 910 f.). 313
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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sind einfachgesetzlich in § 9 RPflG kodifiziert.318 Auf die Unbeteiligtheit aller Vollstreckungsorgane an dem Verfahren wurde bereits zuvor verwiesen.319 (3) Verbindlichkeit Die Entscheidungen dürfen von keiner anderen Staatsgewalt überprüfbar und müssen zumindest potentiell letztverbindlich sein.320 Dazu ist zumindest die formelle Rechtskraft der Entscheidung, also deren Unanfechtbarkeit,321 erforderlich.322 Diese ergibt sich daraus, dass die vollstreckungsrechtlichen Entscheidungen der fristgebundenen323 sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO unterliegen.324 Ob darüber hinaus auch eine materielle Rechtskraftfähigkeit325 erforderlich ist, ist umstritten,326 die Frage ihres Vorliegens ist bei den vollstreckungsrechtlichen Entscheidungen zudem generell schwer zu beantworten.327 Zu bejahen ist die materielle Rechtskraft aber jedenfalls bei dem Zuschlagsbeschluss nach § 90 ZVG sowie bei der Vollstreckungsschutzentscheidung nach § 765a ZPO.328 Dies wurde in beiden Fällen bereits durch die Rechtsprechung bestätigt.329
318 Der Rechtspfleger ist dabei der einzige Beamte, der aufgrund der sachlichen Unabhängigkeit weisungsfrei handeln kann (HK-ZV/Radke, § 9 RPflG Rn. 1). 319 S.o. B. I. 2. a) bb) (2) (e) (cc). 320 Stern, StaatsR II, S. 897. 321 MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 ZPO Rn. 1. 322 Nach Schilken soll eine Rechtskraftfähigkeit dagegen nicht erforderlich sein. Ausreichend sei es, „wenn eine Abänderung jedenfalls nur durch die Rechtsprechung selbst erfolgen kann“ (Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 55). 323 Es gilt die zweiwöchige Notfrist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO. 324 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 47; BeckOK-ZPO/Preuß, § 766 ZPO Rn. 12. 325 Materielle Rechtskraft bedeutet, dass der Inhalt der Entscheidung in weiteren Verfahren als gegeben gilt und insoweit für die Parteien und die später angerufenen Gerichte Bindungswirkung entfaltet (MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 ZPO Rn. 1). 326 Stern, StaatsR II, S. 897. Befürwortend etwa Arndt, NJW 1959, 605, 607; Seuffert, AöR 104 (1979), 169, 171 f.; Schmidt, JZ 1963, 73, 74. 327 Ausführlich Gaul, Rpfleger 1971, 41, 47 f. 328 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 47 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 27 Rn. 18; Gaul, in: FS Stürner, 687, 720, 729; zum Zuschlagsbeschluss zudem Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 82 ZVG Rn. 4; Stadlhofer-Wissinger, Gebot, S. 87; Eickmann, Rpfleger 1976, 153, 155 m.w.N. 329 Zu § 765a ZPO: OLG Hamburg MDR 1959, 394; LG Traunstein MDR 1962, 580. Zu § 90 ZVG: BGHZ 53, 47, 50 mit Verweis auf RGZ 138, 125, 127 und die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts; BGH WM 1960, 25, 26; NJW-RR 1986, 1115, 1116; NJWRR 2010, 232; 1366, 1367; vgl. auch Bartels, Zwangsversteigerung, S. 104 f., 375 f.
172
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Es kann damit festgehalten werden, dass das Zwangsvollstreckungsrecht auch materielle Rechtsprechung beinhaltet. Dies gilt namentlich zumindest für die Entscheidungen nach § 765a ZPO und § 90 ZVG.330 (4) Vereinbarkeit mit Art. 92 GG Wird jedoch in der Zwangsvollstreckung materielle Rechtsprechung von Rechtspflegern ausgeübt, stellt sich die Frage, wie dieser Umstand mit Art. 92 GG vereinbar ist, nach dem die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist. Abzulehnen ist zunächst der eher gewagte Vorschlag der Literatur, den Rechtspfleger als Richter i.S.d. Art. 92 GG anzusehen.331 Eine solche Gleichstellung verbietet sich bereits deshalb, weil dem Rechtspfleger keine persönliche Unabhängigkeit zuteilwird und ihm somit eine wesentliche Eigenschaft des Richters fehlt.332 330 Das Vorliegen materieller Rechtsprechung wird vor allem in Bezug auf § 90 ZVG vielfach bejaht, siehe etwa Gaul, in: FS Stürner, 687, 736 ff.; Gaul, in: GS Arens, 89, 118 f.; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 47 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 9; § 27 Rn. 18; § 66 Rn. 13; Bartels, Zwangsversteigerung, S. 104 f., 369 f., 375 f. m.w.N.; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 82 ZVG Rn. 2; Stadlhofer-Wissinger, Gebot, S. 85 f., 155; Lindacher, Rpfleger 1987, 45; Böttcher/Böttcher, § 90 ZVG Rn. 2; Eickmann, Rpfleger 1976, 153; Stöber/Becker, § 79 ZVG Rn. 3; a.A. BVerfGE 49, 220, 240 f. – „Zwangsversteigerung“ (Obiter Dictum Böhmer) mit Verweis auf BVerfGE 49, 252, 256 f. – „Versagung rechtlichen Gehörs“, in der das Gericht zu der Frage zwar nicht konkret Stellung nimmt, aber stillschweigend von der Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG auf den Zuschlagsbeschluss ausgeht; Gerhardt, ZZP 95 (1982), 467, 473. Auch der BGH ging im Anschluss an das RG hinsichtlich des Zuschlags wohl lange Zeit vom Vorliegen materieller Rechtsprechung aus, wenngleich seine Formulierungen eher vorsichtig waren (der Zuschlag habe „die Bedeutung eines Richterspruchs“ oder sei eine „einem Urteil vergleichbare Entscheidung“, vgl. RGZ 60, 48, 54 f.; 129, 155, 159; 153, 252, 254; BGHZ 53, 47, 50; BGH KTS 1971, 263, 264; BGH Rpfleger 1986, 396). Lediglich in seinem Beschluss vom 10.12.2009 (BGH NJW-RR 2010, 1366, 1367) weicht der BGH von seiner bisherigen Linie ab, jedoch mit wenig überzeugender Begründung (kritisch hierzu Assmann, ZZP 123 (2010), 367, 369 ff. sowie Gaul, in: FS Stürner, 687, 736 ff.). Konsequenz dieser Erkenntnis ist, dass der Zuschlagsbeschluss keinen Akt öffentlicher Gewalt i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG darstellt und das Grundrecht somit nicht eingreift. Es findet jedoch der allgemeine Justizgewährungsanspruch Anwendung (s.o. 3. Teil A. III.). 331 So Böttcher/Böttcher, § 1 ZVG Rn. 7 und § 90 ZVG Rn. 2; Tams, Rpfleger 2007, 581 (passim); Habscheid, NJW 1970, 1775, 1779; Lindacher, Rpfleger 1987, 45, 48 f. (diesen kritisierend Smid, Rechtsprechung, S. 354 f., Fn. 142); Eickmann, Rpfleger 1976, 153, 161; aus der Rechtsprechung LG Frankfurt, Rpfleger 1992, 271. 332 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 45; Gaul, in: FS Stürner, 687, 708, 710; Mielke, ZRP 2003, 442 f. Dass der Rechtspfleger kein Richter im verfassungsrechtlichen Sinne ist, entspricht der g.h.M., insbesondere der ständigen Rechtsprechung des BVerfG, des BGH sowie des BVerwG. Siehe nur Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 27 Rn. 17; Friesenhahn, in: FS Thoma, 21, 31 ff.; BerK-GG/Burkiczak, 37. EL, 5/2012, Art. 92 GG Rn. 111; SHH/Hopf-
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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Die wohl einzige Möglichkeit, die entsprechenden Aufgabenübertragungen an den Rechtspfleger nicht als mit Art. 92 GG unvereinbar erklären zu müssen, dürfte darin bestehen, die Entscheidung des Rechtspflegers lediglich als „Vorschaltung“ eines weiteren Organs zu betrachten und es zur Wahrung des Art. 92 GG ausreichen zu lassen, dass gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers gem. § 11 Abs. 1 RPflG stets eine richterliche Entscheidung herbeigeführt werden kann.333 Eine solche Sichtweise stößt allerdings einerseits durch die Rechtsprechung des BVerfG auf Bedenken. Dieses sah in seiner Entscheidung „Strafgewalt der Finanzämter“ einen Verstoß gegen Art. 92 GG darin begründet, dass eine Finanzbehörde eine Kriminalstrafe verhängt und damit materielle Rechtsprechung ausübt, und führte explizit aus: „Ein ,Vorverfahren‘ oder ,Vorschaltverfahren‘ der Verwaltungsbehörden ist […] auch dann unzulässig, wenn es auf Antrag in ein gerichtliches Verfahren übergeleitet werden kann“334. Ob sich diese Aussage auch auf die Vorschaltung eines Rechtspflegers übertragen lässt, ist allerdings fraglich,335 weil das BVerfG seine Aussagen zum einen ausdrücklich auf den Kernbereich des Strafrechts bezog und zum anderen zuvor die Unterschiede zwischen Verwaltungsverfahren und gerichtlichem Verfahren herausstellte.336 Das Verfahren vor dem Rechts-
auf, Art. 92 GG Rn. 41; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 GG Rn. 53; Sachs/Detterbeck, Art. 92 GG Rn. 25, 27; Herbst, Rpfleger 1994, 481, 482; Jauernig, ZPR, § 15 Rn. 6; Gaul, in: FS Stürner, 687, 707 f. m.w.N.; BVerfGE 51, 97, 113 f. – „Durchsuchungsanordnung“; 55, 370, 371 f.; 57, 346, 354 f. – „Unterhaltsanspruch“; 61, 75, 77; 101, 397, 404 f. – „Nachlasspfleger“; 107, 395, 406 – „Fachgerichtlicher Rechtsschutz“; BGH NJW 2000, 3358, 3360; 2007, 224, Rn. 20; Rpfleger 2009, 335, 336; 2010, 277, 278; BVerwGE 125, 365, Rn. 18. Vgl. zudem die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zum Rechtspflegergesetz (BTDrs. 5/3134, S. 2, 14): „Der Rechtspfleger ist nicht Richter im Sinne des Grundgesetzes. – Danach sind bei der Übertragung auch weiterhin die Grenzen des Art. 92 GG, nach dem die rechtsprechende Gewalt dem Richter anvertraut ist, zu wahren.“ 333 So Gaul, Rpfleger 1971, 41, 49, der diese Lösung selbst als „freilich nicht unproblematisch“ bezeichnet. In diesem Sinne hielt auch die mit der Vorbereitung des RPflG befasste Kommission die Aufgabenübertragung auf den Rechtspfleger für mit Art. 92 GG vereinbar (Bericht der Kommission für Rechtspflegerrecht, S. 80). Vgl. auch Gaul, JZ 1973, 473, 474 f.; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 72, der die Begründung für „keineswegs überzeugend“ hält, „zumal auf dieser Grundlage weitergehende Einschnitte in den Bereich richterlicher Rechtsprechungstätigkeit möglich sind“. 334 BVerfGE 22, 49, 81 – „Strafgewalt der Finanzämter“. 335 Verneinend Gaul, Rpfleger 1971, 41, 49; bejahend Stamm, Prinzipien, S. 32 f. 336 „Das Verwaltungsstrafverfahren nach der Abgabenordnung ist als Verwaltungsverfahren und nicht als gerichtliches Verfahren gestaltet. […] Die zur Entscheidung berufenen Beamten sind Verwaltungsbeamte, die weder sachliche noch persönliche Unabhängigkeit genießen. Das nichtöffentliche, nicht notwendig unmittelbare und weithin formlose Verfahren ist nicht dem gerichtlichen Verfahren nachgebildet“ (BVerfGE 22, 49, 79 – „Strafgewalt der Finanzämter“).
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
pfleger entspricht demgegenüber dem Verfahren vor dem Richter weitestgehend, insbesondere ist auch der Rechtspfleger – anders als der Verwaltungsbeamte – neutral und sachlich unabhängig.337 Vor diesem Hintergrund ließe sich argumentieren, dass aus praktischen Erwägungen – Entlastung der Richter, Erstentscheidung durch den in seiner Rechtsmaterie hervorragend geschulten Rechtspfleger338 – die Vorschaltung des Rechtspflegers mit Art. 92 GG vereinbar ist, soweit jedenfalls nachfolgend der Richter zur Entscheidung angerufen werden kann und diesem somit das letzte Wort gebührt.339 Auf der anderen Seite hat sich die verfassungsrechtliche Problematik durch die Änderung des § 11 RPflG von 1998 (BGBl. I, S. 2030) nochmals verschärft: Während früher gegen Entscheidungen des Rechtspflegers nach § 11 Abs. 1 S. 2 RPflG a.F. stets die form- und kostenlose Durchgriffserinnerung innerhalb desselben Verfahrens möglich war, ist nach § 11 Abs. 1 RPflG n.F. lediglich das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften auch gegen eine richterliche Entscheidung zulässige Rechtsmittel gegeben. Die Entscheidung des Rechtspflegers steht damit de facto einer richterlichen Entscheidung in erster Instanz gleich.340 Unter der neuen Rechtslage erscheint die Argumentation mit der bloßen Vorschaltung des Rechtspflegers kaum noch haltbar.341 Hält man die Zuständigkeit des Rechtspflegers insofern für verfassungswidrig, so ist de lege ferenda entweder eine Aufweichung des Art. 92 GG342 oder eine Änderung des RPflG zwingend geboten. 337 Darüber hinaus argumentiert Gaul, Rpfleger 1971, 41, 49, es sei für den Bürger eine größere Hürde, von einem Verwaltungsverfahren in ein (ggf. an einem anderen Ort anzustrengendes) gerichtliches Verfahren überzugehen, während das Verfahren vor dem Rechtspfleger sich bereits innerhalb der Gerichtsbarkeit abspielt. Mit Verweis auf die im Verwaltungsverfahren dagegen ergehende Rechtsbehelfsbelehrung kritisch Stamm, Prinzipien, S. 32 f. 338 Vgl. Lindacher, Rpfleger 1987, 45, 49; Smid, Rechtsprechung, S. 353. 339 In diesem Sinne – allerdings noch unter der alten Gesetzeslage des § 11 RPflG – Gaul, Rpfleger 1971, 41, 49; Gaul, JZ 1973, 473, 474 f.; vgl. auch Wertenbruch, RPflBl 1965, 57, 58. Kritisch Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 4 Rn. 72. Ablehnend Stamm, Prinzipien, S. 32 f. („Drahtseilakt der juristischen Argumentation“); Habscheid, Rpfleger 1968, 237, 240. Auch die h.M. dürfte diesem Ergebnis ablehnend gegenüberstehen, verlangt sie in Bezug auf Art. 92 GG doch, dass dem Richter nicht nur das „letzte“, sondern auch das „erste Wort“ gebührt; materielle Rechtsprechung dürfe also ausschließlich durch den Richter ausgeübt werden (siehe nur Ev. Staatslexikon/Bettermann, „Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt“, Sp. 2783 f.; Bettermann, AöR 92 (1967), 496, 497 f.). Die Verfassungswidrigkeit unter der neuen Rechtslage zumindest in Bezug auf § 765a ZPO nun auch bejahend Gaul, in: FS Stürner, 687, 729 ff.; ähnlich Assmann, ZZP 123 (2010), 367, 371; vgl. auch BerK-GG/Burkiczak, 37. EL, 5/2012, Art. 92 GG Rn. 17; Münch/Kunig/Meyer, Art. 92 GG Rn. 24; a.A. jedoch MKS/Classen, Art. 92 GG Rn. 32. 340 Gaul, in: FS Stürner, 687, 730. 341 Siehe zum Ganzen Gaul, in: FS Stürner, 687, 721 ff.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 27 Rn. 18 ff. 342 So Eickmann, Rpfleger 1976, 153, 163; Böttcher, Rpfleger 1986, 201, 206; Herbst,
B. Nichtigkeit der Ablieferung
175
b) Tatbestandliches Vorliegen eines Verwaltungsaktes i.S.d. § 35 VwVfG Ungeachtet der systematischen Einordnung der Zwangsvollstreckung sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass es sich bei der Ablieferung auch nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG handeln könnte. An dieser Vorstellung irritiert bereits, dass es keinen bei der administrativen Vollstreckung ansonsten stets vorhandenen343 Grundverwaltungsakt geben soll.344 Auch die Qualifizierung des Gerichtsvollziehers als „Behörde“ i.S.d. § 1 Abs. 4 VwVfG erscheint bedenklich.345 Vor allem aber indizieren die nicht abschließenden346 Ausnahmen in § 2 VwVfG, dass sich der Anwendungsbereich des VwVfG nicht auf solche Rechtsgebiete erstreckt, die eigene und spezielle Verfahrensregeln beinhalten, so wie es bei der ZPO der Fall ist.347 3. Zwischenergebnis Die Einordnung der Zwangsvollstreckung zur Verwaltung oder zur Rechtsprechung ist aufgrund der terminologischen Unklarheiten beider Begriffe nicht einfach. Letztlich kann die Einordnung nur anhand sachlicher Erwägungen erfolgen. Hierbei hat sich insbesondere gezeigt, dass der Staat bei der Zwangsvollstreckung nicht in eigener, sondern in fremder Angelegenheit handelt. Da es somit an einer wesenstypischen Eigenschaft der Verwaltung fehlt, ist die Zwangsvollstreckung insgesamt der Rechtsprechung im Sinne der Judikative zuzuordnen. Die Behandlung der Ablieferung als nichtiger Verwaltungsakt im Sinne Müllers geht damit fehl. Selbst wenn man die Zwangsvollstreckung der Verwaltung zuschlüge, wäre im Übrigen das VwVfG auf den Ablieferungsakt nicht anwendbar, weil die ZPO spezifisches Verfahrensrecht bereithält. Nach hier vertretener Auffassung beinhaltet das Vollstreckungsrecht mitunter auch Rechtsprechung im materiellen Sinne. Da diese durch den Rechtspfleger als nichtrichterliches Organ ausgeübt wird, bestehen gravierende Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 92 GG. Es ist zu hoffen, dass sich dieser im Rahmen der hiesigen Arbeit letztlich nicht weiter relevanten Problematik in der künftigen Forschung verstärkt angenommen wird.
Rpfleger 1994, 481, 487, der auch zu einem entsprechenden Antrag der Bundesleitung des Bundes Deutscher Rechtspfleger beim Gemeinsamen Verfassungsausschuss des Bundestages und des Bundesrates vom 30.12.1991 zur Änderung des Art. 92 GG Stellung nimmt. 343 Vgl. Waldhoff, Staat und Zwang, S. 16. 344 Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 58. Stamm beschreitet an dieser Stelle einen anderen Weg, indem er in dem Vollstreckungstitel zugleich einen Grundverwaltungsakt sieht. Hierzu noch unter C. I. 1. 345 Ablehnend Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 58. 346 Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, § 2 VwVfG Rn. 11. 347 Vgl. Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 58.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
II. Ablieferung als nichtiger Justizverwaltungsakt Die Ablieferung stellt zwar keinen Verwaltungsakt dar, doch könnte es sich bei ihr, wie von Nikolaou348 vertreten, um einen Justizverwaltungsakt handeln. Bei Bejahung dieser Frage wäre zu untersuchen, unter welchen Umständen ein Justizverwaltungsakt nichtig ist. Regelungen zum Justizverwaltungsakt enthalten die §§ 23 ff. EGGVG, die ihn jedoch nicht definieren. Eine ausdrückliche Erwähnung findet er nur in der amtlichen Überschrift zum 3. Abschnitt des EGGVG. Der Justizverwaltungsakt wird jedoch gemeinhin als Sammelbegriff für die in § 23 Abs. 1 und 2 EGGVG genannten „Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen“ bzw. „Verwaltungsakte“ verstanden.349 Es besteht ferner Einigkeit darüber, dass eine bestimmte Handlungsform nicht erforderlich, der Begriff also insofern350 weit auszulegen ist.351 Insoweit könnte auch die Ablieferung einen Justizverwaltungsakt darstellen. 1. Gerichtsvollzieher als Justizbehörde Voraussetzung ist nach dem Wortlaut des Abs. 1 S. 1 jedoch stets, dass die entsprechende Maßnahme durch eine Justizbehörde vorgenommen wird. Bei dem Gerichtsvollzieher müsste es sich folglich um eine solche handeln. Dies kann jedenfalls nicht mit der Begründung verneint werden, dass die Behörde in § 1 Abs. 4 VwVfG als „jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt“ legaldefiniert wird.352 Zwar wurde zuvor bereits dargelegt, dass die Zwangsvollstreckung keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung ist. Jedoch gilt die Definition des § 1 Abs. 4 VwVfG ausweislich ihres Wortlauts nur für das VwVfG. Die Definition lässt sich auch nicht ohne Weiteres auf das EGGVG übertragen, weil in den verschiedenen Rechtsgebieten durchaus unterschiedliche Behördenbegriffe verwendet werden.353
348
Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 110 ff. Wieczorek/Schütze/Schreiber, § 23 EGGVG Rn. 7; auf Abs. 1 S. 1 beschränkend Conrad, Justizverwaltungsakt, S. 22 f. 350 Grundsätzlich sind die §§ 23 ff. EGGVG als abdrängende Sonderzuweisung von der Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eng auszulegen (Kissel/Mayer, GVG, § 23 EGGVG Rn. 6). 351 MüKo-ZPO/Pabst, § 23 EGGVG Rn. 3. Schreiber definiert den Justizhoheitsakt demnach als „jedes hoheitliche Handeln einer Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf einem der in Abs. 1, 2 genannten Gebiete, das geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen, also auch schlicht-hoheitliches Handeln bis hin zum Realakt“ (Wieczorek/Schütze/Schreiber, § 23 EGGVG Rn. 7). 352 So aber Stamm, Prinzipien, S. 27 f. 353 BeckOK-VwVfG/Ronellenfitsch, § 1 VwVfG Rn. 65; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, § 1 VwVfG Rn. 226 m.w.N. 349
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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Eine eigene Definition der Justizbehörde enthält das EGGVG indes nicht.354 Es besteht allerdings weitgehend Konsens darüber, dass der Begriff nicht in einem organisatorischen (ressortmäßige Zugehörigkeit zur Justiz), sondern in einem funktionellen Sinne (Aufgabenwahrnehmung in einem der in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Bereiche) zu verstehen ist.355 Wenig überzeugend ist es daher, wenn Gaul die Justizbehördeneigenschaft des Gerichtsvollziehers mit der Begründung verneint, dass dieser im Bereich der ZPO als Organ der Zivilgerichtsbarkeit handele.356 Auch seine Argumentation, dass die Qualifizierung als Justizbehörde dazu führen würde, dass nach § 25 Abs. 1 S. 1 EGGVG ein OLG-Senat über die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Gerichtsvollziehers entscheiden müsste, was kaum gewollt sein könne,357 verfängt aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG nicht. Da die ZPO ein eigenes Rechtsbehelfssystem vorsieht, ist eine Anfechtung nach §§ 23 ff. EGGVG generell ausgeschlossen.358 Letztlich muss auf die Frage der Justizbehördeneigenschaft jedoch nicht näher eingegangen werden. 2. Justizverwaltung als materielle Verwaltung Die Qualifizierung der Ablieferung als Justizverwaltungsakt scheitert jedenfalls aus einem anderen Grund: Bei Justizverwaltungsakten handelt es sich immer um materielle Verwaltungstätigkeit.359 Die Überprüfung von Maßnahmen in den in § 23 Abs. 1, 2 EGGVG genannten Gebieten ist lediglich aus Gründen der Sachnähe den insoweit besser gerüsteten ordentlichen Gerichten anstelle der Verwaltungsgerichte zugewiesen.360 Dies wird auch an der Gesetzesbegründung zu den heutigen §§ 23 ff. EGGVG deutlich, in der es heißt: 354
KK-StPO/Mayer, § 23 EGGVG Rn. 10. BeckOK-GVG/Köhnlein, § 23 EGGVG Rn. 4 m.w.N.; Wieczorek/Schütze/Schreiber, § 23 EGGVG Rn. 4. 356 Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 43. 357 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 51; Gaul, in: FS Stürner, 687, 735; Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 42 f. 358 Etwas anderes würde nur gelten, wenn man – wie Nikolaou – die Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 GVG für unanwendbar halten würde, was jedoch abzulehnen ist (s.o. 3. Teil D. I. 1. c)). 359 MüKo-ZPO/Zimmermann, § 1 GVG Rn. 6; vgl. auch BeckOK-GVG/Köhnlein, § 23 EGGVG Rn. 7; KK-StPO/Mayer, § 23 EGGVG Rn. 20; Conrad, Justizverwaltungsakt, S. 44; BGH NJW-RR 2016, 445, 447 („Die §§ 23 ff. EGGVG sind inhaltlich der Verwaltungsgerichtsordnung nachgebildet und haben die Aufgabe, auf bestimmten Rechtsgebieten den durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten umfassenden Rechtsschutz gegen Verwaltungsmaßnahmen zu gewähren“); fast wortgleich schon BGH NJW 1994, 1950, 1951. 360 Conrad, Justizverwaltungsakt, S. 89 ff. m.w.N.; BeckOK-GVG/Köhnlein, § 23 EGGVG, vor Rn. 1; BGH NJW 1994, 1950, 1951; BVerwGE 47, 255, 260; vgl. auch Wieczorek/Schütze/Schreiber, § 23 EGGVG Rn. 3. 355
178
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
„Die Nachprüfung der spezifisch justizmäßigen Verwaltungsakte der Justizverwaltung sollte den ordentlichen Gerichten übertragen werden, da diese über die für die Nachprüfung erforderlichen zivil- und strafrechtlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen.“361
Da die Ablieferung keine Verwaltungstätigkeit darstellt, kann es sich bei ihr demnach auch nicht um einen Justizverwaltungsakt handeln.362
III. Ablieferung als nichtiger Vollstreckungsakt nach den Kriterien der h.M. Nachdem die Behandlung der Ablieferung als (Justiz-)Verwaltungsakt abgelehnt wurde, bleibt zu untersuchen, wonach sich die Nichtigkeit von Vollstreckungsakten im Übrigen richtet. 1. Mangelnde Fehlerfolgenbestimmung de lege lata Die Vorschriften der ZPO halten keine explizite Antwort auf diese Frage bereit. Während in anderen Gesetzen die Folgen der Fehlerhaftigkeit363 eines Hoheitsaktes dezidiert geregelt sind – bspw. in den §§ 43 ff. VwVfG für den Verwaltungsakt –, enthält das Zwangsvollstreckungsrecht lediglich Bestimmungen zur Anfechtbarkeit in den §§ 766, 793 ZPO. Dazu, wann darüber hinaus die Nichtigkeit eines Rechtsakts anzunehmen ist, schweigt das Gesetz weitgehend. Lediglich vereinzelt ordnen Vorschriften ausdrücklich an, dass sich ein Gesetzesverstoß auf die Wirksamkeit des Rechtsakts auswirkt (vgl. § 808 Abs. 2 S. 2 ZPO: „[…] so ist die Wirksamkeit der Pfändung dadurch bedingt […]“; § 929 Abs. 3 S. 2 ZPO: „[Die Vollziehung] ist jedoch ohne Wirkung, wenn […]“).364 Auch die Formulierung, dass die Pfändung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen als „bewirkt“ anzusehen ist (vgl. §§ 829 Abs. 3, 830 Abs. 2, 831, 857 Abs. 2 ZPO), legt nahe, dass das Gesetz die entsprechenden Voraussetzungen als wirksamkeitsbegründend einstuft.365 361
BT-Drs. 3/55, S. 61. Hierzu auch Conrad, Justizverwaltungsakt, S. 89 f. Ebenso (i.E.): Gaul, Rpfleger 1971, 41, 51 (Fn. 240) m.w.N.; Gaul, in: FS Stürner, 687, 735; Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 42 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, S. 19 (Fn. 4) m.w.N.; Henckel, Prozessrecht, S. 316 f.; Huber, Versteigerung, S. 102 m.w.N.; unklar Kissel/Mayer, GVG, § 23 EGGVG Rn. 127; vgl. auch KG OLGZ 1985, 82, 84 f. Einen Justizverwaltungsakt bejahen dagegen: Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 112; MüKoZPO/Pabst, § 23 EGGVG Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Schreiber, § 23 EGGVG Rn. 9; seinen alten Standpunkt insoweit variierend neuerdings auch Stamm, JZ 2012, 67, 69, 72; wohl implizit bejahend (durch Verneinung eines Rechtsschutzes nach §§ 23 ff. EGGVG wegen der Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG): Zöller/Lückemann, § 23 EGGVG Rn. 10; KG DGVZ 1982, 40 f. 363 Die Fehlerhaftigkeit eines Hoheitsaktes meint dessen Rechtswidrigkeit. Auch die Verfassungswidrigkeit stellt damit eine Fehlerhaftigkeit dar (Hößlein, Unrecht, 37 f.). 364 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 3; Strauß, Nichtigkeit, S. 100, 103 ff. 365 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 3; Strauß, Nichtigkeit, S. 100 ff. 362
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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Aus diesen sporadischen Regelungen lässt sich jedoch kein ganzheitliches Konzept ableiten, unter welchen Umständen ein vollstreckungsrechtlicher Hoheitsakt nichtig sein soll.366 Im Übrigen sind auch dem allgemeinen Sprachgebrauch der ZPO kaum belastbare Anhaltspunkte zu entnehmen. Insbesondere ist ihr die aus dem BGB bekannte Unterscheidung zwischen zwingenden Vorschriften und bloßen Ordnungsvorschriften („Muss-“ und „Soll“-Vorschriften) fremd.367 2. Nichtigkeitskriterien der h.M. Es stellt sich somit die Frage, wonach die Nichtigkeit eines Vollstreckungsaktes zu beurteilen ist. Die h.M. – man wird hier wohl sogar von der allgemeinen Meinung sprechen können – orientiert sich hierbei grundsätzlich an den aus dem Verwaltungsrecht bekannten Kriterien der Schwere des Fehlers und dessen Offensichtlichkeit (§ 44 Abs. 1 VwVfG), wobei jedoch Uneinigkeit über die Anwendbarkeit des letzteren Kriteriums besteht. Ob die Anwendung der Kriterien der h.M. auf den hiesigen Fall des verfassungswidrigen Ablieferungsaktes sachgemäß ist, soll später noch erörtert werden.368 An dieser Stelle sei die Anwendbarkeit zu Untersuchungszwecken postuliert. a) Besonders schwerer Fehler Die Nichtigkeit eines Vollstreckungsaktes setzt einen besonders schweren Fehler voraus.369 Abzustellen ist auf dessen Gewicht und Bedeutung.370 Nach ständiger Rechtsprechung ist es erforderlich, dass der Rechtsakt mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar ist,371 der Fehler muss den Rechtsakt mithin als „schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen“372.
366
Strauß, Nichtigkeit, S. 120 f. Dazu schon Schwinge, Staatsakt, S. 2 f.; siehe auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 3 m.w.N. 368 S.u. D. II. 1. 369 Nachweise in Fn. 379. 370 Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 44 VwVfG Rn. 103. Gegen die besondere Schwere des Fehlers kann nicht angeführt werden, dass die g.h.M. hier überhaupt keinen (Verfassungs-)Rechtsverstoß erkennen will. Dies betrifft allein die Frage der Offensichtlichkeit, nicht die der Schwere des Fehlers. 371 BVerwGE 104, 289, 296. Vgl. auch BVerwGE 23, 237, 238; BVerwG NJW 1971, 578. 372 BVerwG NVwZ 2000, 1039, 1040. Ebenso BVerwG NVwZ 1998, 1061, 1062 mit Verweis auf BVerwG NVwZ 1985, 836; VGH Mannheim NVwZ-RR 2005, 137, 138; vgl. auch Obermayer/Funke-Kaiser/Baumeister, § 44 VwVfG Rn. 21. 367
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Ein besonders schwerer Fehler kann nicht schlichtweg deshalb angenommen werden, weil die Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer gegen Grundrechte verstößt, denn ein Verfassungsverstoß führt nicht zwangsläufig zum Vorliegen eines besonders schweren Fehlers. Selbst bei einem Verstoß gegen Unionsrecht kann dies – trotz des unionsrechtlichen Anwendungsvorranges – nicht ohne Weiteres angenommen werden.373 Die Schwere des Fehlers ist gleichwohl zu bejahen. Wie Müller374 zutreffend ausführt, ergibt sich dies jedenfalls aus der Unumkehrbarkeit des verfassungswidrigen Eigentumsentzuges. Es ist nämlich zu beachten, dass zu den zuvor erwähnten tragenden Verfassungsprinzipien der in Art. 20 Abs. 3, 2. HS GG verankerte Gesetzmäßigkeitsgrundsatz zählt. Dieser besagt einerseits, dass Exekutive und Judikative gem. den Gesetzen handeln müssen.375 Zugleich beinhaltet er aber auch die Kollisionsregel, dass untergesetzliche Rechtsakte nicht im Widerspruch zu formellem oder, wie hier, gar konstitutionellem Recht stehen dürfen.376 Zwar folgt hieraus nicht automatisch die Nichtigkeit fehlerhafter Rechtsakte – gerade für die Unterscheidung zwischen bloßer Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit wurden schließlich Regelungen wie die §§ 43 ff. VwVfG377 geschaffen. Der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz steht gleichwohl der uneingeschränkten Wirksamkeit eines rechtswidrigen Rechtsaktes entgegen; allein die Art der Sanktionierung des Rechtsverstoßes bleibt dabei dem Gesetzgeber überlassen.378 Die gänzlich unsanktionierte Grundrechtsverletzung durch den Ablieferungsakt verstößt daher gegen einen fundamentalen Grundsatz der Rechtsordnung und stellt somit einen besonders schweren Fehler dar. b) Zusätzliches Kriterium der Offensichtlichkeit Umstritten ist, ob die schwere Fehlerhaftigkeit zudem offensichtlich sein muss.379 Offensichtlichkeit ist dann anzunehmen, wenn der besonders 373 Knack/Hennecke/Peuker, § 44 VwVfG Rn. 28; Will/Rathgeber, JuS 2012, 1057, 1061; BeckOK-VwVfG/Schemmer, § 44 VwVfG Rn. 18; Kopp/Ramsauer/Ramsauer, § 44 VwVfG Rn. 11; vgl. auch Obermayer/Funke-Kaiser/Baumeister, § 44 VwVfG Rn. 22; BVerwG NJW 1978, 508. 374 Vgl. zum Nachfolgenden Müller, Ablieferung, S. 200 f. 375 MD/Grzeszik, 51. EL, 12/2007, Art. 20 GG VI Rn. 73. 376 MD/Grzeszik, 51. EL, 12/2007, Art. 20 GG VI Rn. 73. 377 Vgl. auch die Parallelvorschriften der §§ 124 ff. AO und §§ 39 ff. SGB X. 378 Hierzu später noch ausführlicher unter D. II. 2. c) bb) (3). 379 Die zusätzliche Heranziehung des Evidenzkriteriums befürworten zahlreiche Autoren, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen. Jene Stimmen, die das Vollstreckungsverfahren als Verwaltungsverfahren ansehen, gelangen freilich ohnehin zu einer unmittelbaren Anwendbarkeit des § 44 VwVfG (z.B. Stamm, Prinzipien, S. 360 f.). Im Übrigen wird zum Teil eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 1 VwVfG befürwortet (Pesch, JR 1993, 358, 362; Musielak/Voit/Lackmann, Vor. § 704–§ 802 ZPO Rn. 32; Schultes, JR
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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schwere Fehler „für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres er-
1995, 136, 138). Andere lehnen eine Analogie ab (ausdrücklich Stelkens/Bonk/ Sachs/Sachs, § 44 VwVfG Rn. 2) und wollen die Nichtigkeit stattdessen unabhängig bestimmen: mit Verweis auf die „Grundsätze vom fehlerhaften Staatsakt nach Maßgabe des Zwangsvollstreckungsrechts“ Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 5, wobei auch diese Ansicht letztlich doch auf die Kriterien der Schwere des Fehlers und der Offensichtlichkeit abstellt (vgl. a.a.O. Rn. 5 ff.); ebenfalls für eigenständige Kriterien Fischer, Rpfleger 2007, 12, 18 f. sowie Stein/Jonas/Münzberg, Vor. § 704 ZPO Rn. 129 Fn. 549, der das Evidenzkriterium allerdings wohl nur in Zweifelsfällen anwenden will. Vgl. zur Übersicht Strauß, Nichtigkeit, S. 149 m.w.N. Auch die Rechtsprechung geht weitgehend von einer Nichtigkeit aus, „wenn es sich nicht nur um einen besonders schweren, sondern zusätzlich um einen bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundigen Fehler handelt“ (BGHZ 121, 98, 102 f.; siehe auch OLG Hamm NJW-RR 1998, 87, 88; OLG München BeckRS 2013, 17940; NJW 2016, 2815). Der BGH wies in der Entscheidung zwar auf die „Ähnlichkeit“ zur Regelung des § 44 Abs. 1 VwVfG hin, erkannte jedoch ausdrücklich die zwischen Vollstreckungs- und Verwaltungsakt bestehenden Unterschiede an. Noch weiter näherte sich das OLG München (BeckRS 2013, 17940) an § 44 VwVfG an, wonach für die Beurteilung der Nichtigkeit der „Maßstab“ der Norm heranzuziehen sei; beides i.E. gleichstellend auch BGHZ 66, 79, 80 f. Zwischen Rechtsprechung und der die Evidenztheorie befürwortenden Literatur gibt es folglich keine nennenswerten Unterschiede (vgl. Musielak/Voit/Lackmann, Vor. § 704–§ 802 ZPO Rn. 32; Müller, Ablieferung, S. 199). Allerdings folgte die Rechtsprechung bei der Frage der Nichtigkeit von Vollstreckungsakten in der historischen Gesamtschau keiner klaren Linie (ausführlich Strauß, Nichtigkeit, S. 58 ff., 160 ff.). Auf der anderen Seite wird vielfach auf das zusätzliche Kriterium der Evidenz verzichtet und i.E. allein auf die Schwere des Fehlers abgestellt (Stehle/Bork, Zwangsvollstreckung, Rn. 151; Baumann/Brehm, Zwangsvollstreckung, § 12 III 2 c); Blomeyer, ZPR, § 30 I; Hoche/Wiener, ZVR, Rn. 138; Muthorst, ZVR, § 2 Rn. 14; Thomas/Putzo/Seiler, Vor. § 704 ZPO Rn. 57 f.; Wieczorek/Schütze/Paulus, Vor. § 704 ZPO Rn. 86; Stöber, Forderungspfändung, Rn. B.417; Jauernig/Berger, ZVR, § 7 Rn. 12; Bähr, KTS 1969, 1, 2; Schreiber, JR 1979, 236, 238; Noack, DGVZ 1980, 33, 35). Auch die Versuche der Etablierung konkreter Nichtigkeitsregeln von Schwinge, Staatsakt, S. 110 und passim, der, bezogen auf Verstrickung, Versteigerung und Pfändungspfandrecht auf den „Mangel begriffswesentlicher Voraussetzungen“ abstellen will, sowie von Geib, Pfandverstrickung, S. 110, der die Nichtigkeit der Pfändung bei dem Fehlen derjenigen „allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Vollstreckungsverfahrens […], die für die Begründung eines konkreten Vollstreckungsrechtsverhältnisses unerläßliches Erfordernis sind“ annimmt, zielen auf eine besonders schwere Fehlerhaftigkeit des Vollstreckungsaktes ab. Vgl. aus der Rechtsprechung BGHZ 30, 173, 175; NJW 1976, 851, 852; 1979, 2045. Eine umfassende Übersicht m.w.N. bietet Strauß, Nichtigkeit, S. 147 f. Häufig findet sich bei den Fundstellen in Anknüpfung an BGHZ 30, 173, 175 die Formulierung, dass Vollstreckungsakte nur „bei grundlegenden Verstößen gegen wesentliche Formvorschriften oder bei Feh-
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
sichtlich ist“380. Ob es sich hierbei um ein sachgemäßes Kriterium handelt, ist jedoch kritisch zu hinterfragen. Grundsätzliche Kritik an dem Evidenzkriterium übte zuletzt ausführlich Leisner, der insbesondere die Einwände der älteren Verwaltungsrechtslehre wieder aufgriff.381 Sein wichtiger Beitrag liegt den nachfolgenden Ausführungen zugrunde. aa) Historischer Rückblick Das Evidenzkriterium ist das Resultat der im Verwaltungsrecht entwickelten Evidenztheorie. Nach dieser sollte nur ein besonders schwerer Rechtsfehler, der zudem für einen urteilsfähigen Bürger offensichtlich sein muss, zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes führen.382 Die auf Hatschek383 zurückgehende384 Theorie wurde in der Literatur nach Ende des Zweiten Weltkriegs verstärkt befürwortet,385 fand zunächst Eingang in die Judikatur diverser Oberverwaltungsgerichte386 und Anfang der 70er Jahre schließlich auch in die höchstrichterliche387 Rechtsprechung.388 Mit Erlass des VwVfG im Jahr 1977 wurde die inzwischen schon herrschende389 Evidenztheorie schließlich vom Gesetzgeber in § 44 Abs. 1 VwVfG kodifiziert.
len jeglicher Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung“ nichtig seien. Insbesondere bei der aufgeführten Rechtsprechung ist allerdings nicht immer klar, ob die bloße Nichterwähnung des Evidenzkriteriums als dessen generelle Ablehnung verstanden werden kann. So findet sich in BGH NJW 1979, 2045 u.a. der Verweis auf BGHZ 66, 79, 81 – in dieser Entscheidung wurde jedoch gerade die Parallelität der Nichtigkeitsbestimmung von Vollstreckungsakten zu jener von Verwaltungsakten betont. 380 BVerwGE 75, 62, 65 – noch in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „offenkundig“ des § 44 Abs. 1 VwVfG a.F., was jedoch gleichbedeutend mit „offensichtlich“ der n.F. ist (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 13/8884, S. 5). Siehe auch Steinbach, AöR 140 (2015), 367, 400; Krugmann, Evidenzfunktionen, S. 151. 381 Leisner, DÖV 2007, 669, passim. 382 Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 44 VwVfG Rn. 102. 383 Hatschek/Kurtzig, VerwR, S. 102. 384 Heike, DÖV 1962, 416. 385 Siehe etwa Bachof, SJZ 1950, 488, 490; Bachof, DÖV 1951, 275, 276; Bender, DVBl 1953, 33, 36 ff.; Jesch, Bindung, S. 129; Lerche, Rechtsweg, S. 48; Ule, DVBl 1957, 26 f.; vgl. Heike, DÖV 1962, 416 m.w.N. in Fn. 6. 386 VGH Kassel VerwRspr 1 (1949), 152, 153; OVG Lüneburg VerwRspr 4 (1952), 567; OVG Hamburg VerwRspr 4 (1952), 146, 152; VGH Stuttgart DÖV 1958, 713, 714; vgl. Heike, DÖV 1962, 416 (Fn. 7 und 8). 387 BVerwG NJW 1971, 578; 1985, 2658, 2659; DVBl 1990, 702; BSGE 24, 162, 165; 25, 251, 256; 28, 111, 113. 388 Leisner, DÖV 2007, 669, 670. 389 Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 44 VwVfG Rn. 102.
B. Nichtigkeit der Ablieferung
183
bb) Grundsätzliche Bedenken Trotz ihrer weiten Verbreitung regte sich gegen die Evidenztheorie schon früh erheblicher Widerstand von namhaften Stimmen390 der Verwaltungsrechtslehre.391 Bei der Kritik ging es weniger darum, dass die Evidenztheorie nie substantiiert begründet wurde392 – und im Übrigen auch bis heute zumeist ohne tiefere Auseinandersetzung behandelt wird393 –, obwohl allein dieser Umstand schon bedenklich stimmen sollte. Stattdessen wies etwa Forsthoff darauf hin, dass die Evidenz kein zwingendes Kriterium für die Bestimmung der Nichtigkeit sein könne, weil es derart gravierende Rechtsfehler gebe, dass sie auch ohne Offensichtlichkeit der Gültigkeit des Verwaltungsaktes entgegenstünden.394 Seine Aussage, die sich ohne Weiteres auf das Zwangsvollstreckungsrecht übertragen lässt, verdient sicherlich Zustimmung. Nicht von der Hand zu weisen ist auch der Einwand Thiemes, der das Evidenzkriterium unter Wertungsgesichtspunkten für unbillig hält. Ist die Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes offensichtlich, so rechtfertige doch gerade dieser Umstand es, den Betroffenen auf den – nach § 42 Abs. 1 VwGO regelmäßig eröffneten – Rechtsweg zu verweisen.395 Den mit der Nichtigkeit einhergehenden Rechtsschutz ipso iure verdiene dagegen doch vielmehr derjenige, dem sich die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes gerade nicht offenbart.396 Das Ergebnis der Evidenztheorie, dass ein Verwaltungsakt, dessen schwere Fehlerhaftigkeit dem Adressaten erst nach Eintritt der Bestandskraft zur Kenntnis gelangt, unumstößlich wirksam ist, wohingegen derjenige Adressat, für den die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes sofort offensichtlich war, sich auch nach Jahren noch auf dessen Nichtigkeit berufen kann, lässt sich mit den Worten Thiemes durchaus als „sonderlich“397 bezeichnen. Auch diese Argumentation lässt sich jedenfalls grund-
390 Siehe neben den nachfolgenden Nachweisen auch Bettermann, MDR 1949, 394, 396 f.; Baur, DRZ 1949, 395, 398; Eyermann/Fröhler, VwGO, 3. Aufl., Anhang § 42 VwGO Rn. 2 sowie Quidde, DÖV 1963, 339, 341, der das Evidenzkriterium allerdings bei begünstigenden Verwaltungsakten für anwendbar hält (diesbezüglich kritisch die Entgegnung von Thieme, DÖV 1963, 341 f.). 391 Leisner, DÖV 2007, 669, 671. 392 Leisner, DÖV 2007, 669, 671. 393 Leisner, DÖV 2007, 669, 670; ausgehend vom damaligen Stand schon Heike, DÖV 1962, 416. 394 Forsthoff, ZMR 1952, 53, 54. Das Evidenzkriterium soll nach Forsthoff allerdings berücksichtigt werden können, wenn nicht schon die Schwere des Rechtsfehlers die Nichtigkeit gebietet. 395 Thieme, DÖV 1962, 686, 688. 396 Thieme, DÖV 1962, 686, 688. 397 Thieme, DÖV 1962, 686, 688.
184
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
sätzlich auf Vollstreckungsakte übertragen, da auch hier regelmäßig eine Anfechtungsmöglichkeit besteht.398 Unter Wertungsgesichtspunkten ist außerdem zu beachten, dass das Evidenzkriterium eine zusätzliche Hürde für den Betroffenen aufstellt, um einen belastenden Rechtsakt ignorieren zu können.399 Der erlassende Hoheitsträger wird dadurch privilegiert. Ob diese Privilegierung gerechtfertigt ist, erscheint angesichts dessen, dass der Hoheitsträger einen schwer fehlerhaften Rechtsakt erlässt, fraglich.400 Der Rechtssicherheit wäre durch den Verzicht auf das Evidenzkriterium, wie sogleich aufzuzeigen ist, kein Abbruch getan. Auch vermag der Gedanke der Staatsautorität die Wirksamkeit nicht-evidenter, schwer fehlerhafter Rechtsakte nicht zu legitimieren.401 cc) Mangelnde Präzisierung von Erkenntnisorgan und Erkenntnisklarheit Abgesehen von diesen eher grundsätzlichen Bedenken machte bereits Wolff auf das Kernproblem der Evidenztheorie aufmerksam, indem er die Frage aufwarf, auf welchen objektiven Betrachter für die Beurteilung der Offensichtlichkeit konkret abzustellen sein soll, insbesondere welche Sachkenntnis ihm unterstellt werden kann.402 Bezüglich des Erkenntnisorgans soll nicht etwa auf den Adressaten abzustellen sein und ebenso wenig auf jedermann, sondern auf einen „objektiven Durchschnittsbetrachter“.403 Zur Konkretisierung wird insbesondere in der Rechtsprechung häufig darauf verwiesen, dass dieser Durchschnittsbetrachter „aufmerksam“, „verständig“, „urteilsfähig“, „aufgeschlossen“ oder „unvoreingenommen“ zu sein habe.404 Während das letztgenannte Attribut nichts anderes als Sachlichkeit bedeutet und damit überflüssig ist, handelt es sich bei den zuvor genannten um klassische Leerformeln, die sich zwar in einer Urteilsbegründung gut hören lassen, inhaltlich aber keinerlei Nutzen
398
Nicht jedoch bei der Ablieferung. Hierzu noch unter D. II. 1. b). Vgl. Leisner, DÖV 2007, 669, 671. 400 Vgl. Leisner, DÖV 2007, 669, 673 f.; MSU/Leisner-Egensperger, § 44 VwVfG Rn. 25 (Fn. 62). 401 Hierzu noch unter D. II. 2. b) aa). Auch bei begünstigenden Rechtsakten erweist sich das Evidenzkriterium im Übrigen nicht als interessengerecht – vgl. hierzu Thieme, DÖV 1963, 341, 342 sowie Leisner, DÖV 2007, 669, 674. 402 Wolff, MDR 1951, 523, 524. 403 Leisner, DÖV 2007, 669, 671; speziell in Bezug auf das Zwangsvollstreckungsrecht BGHZ 121, 98, 103. Vgl. zu abweichenden Auffassungen im Zwangsvollstreckungsrecht Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 8 (Fn. 26): So wird zum Teil auf die Sicht des Vollstreckungsorgans oder auf die eines verständigen Beteiligten abgestellt. 404 Vgl. Kopp/Ramsauer/Ramsauer, § 44 VwVfG Rn. 12; Knack/Hennecke/Peuker, § 44 VwVfG Rn. 30; Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 44 VwVfG Rn. 126; Schiedeck, Nichtigkeit, S. 27, jeweils m.w.N. 399
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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bringen.405 Man wird den sog. Durchschnittsbetrachter daher schlichtweg als solchen hinnehmen müssen. Ein solcher Durchschnittsbetrachter soll die Offensichtlichkeit der Fehlerhaftigkeit unter Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände beurteilen, was freilich deren Kenntnis voraussetzt. Der Durchschnittsbetrachter soll daher mit den Umständen des Einzelfalls „vertraut“ sein.406 Doch wie weit kann und soll diese Vertrautheit reichen? Konkret bezogen auf den Ablieferungsakt ist unklar, welche konkreten Umstände des Falles als vertraut unterstellt werden können. Während dies für die grundlegenden Gegebenheiten (Pfändung der Sache, Versteigerung, Zuschlag, Ablieferungsakt) selbstverständlich gilt, ergeben sich Zweifel bezüglich des Vorliegens von Dritteigentum. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gerichtsvollzieher evidentes Dritteigentum schon gar nicht pfänden darf. Noch größere Zweifel bestehen hinsichtlich des Umstands der Bösgläubigkeit – hierbei handelt es sich um eine innere Tatsache aus der Sphäre des Ersteigerers, die sich als solche fremder Kenntnis entzieht.407 Es überrascht wenig, dass die Frage, welche Umstände als bekannt unterstellt werden können, denn auch umstritten ist.408 Zur Gewährleistung einer sachgerechten Beurteilungsgrundlage wird man nicht umhinkommen, von der vollen Kenntnis sämtlicher Umstände auszugehen. Zwar kann Leisner nicht gefolgt werden, wenn er ausführt, dass aufgrund dessen eine objektiv-distanzierte Betrachtung, welche die Evidenztheorie für sich in Anspruch nimmt, nicht möglich sei,409 denn ein entsprechender Kenntnisstand kann dem hypothetischen Durchschnittsbetrachter doch schlichtweg unterstellt werden. Allerdings entfremdet man durch diesen Kunstgriff den Durchschnittsbetrachter so weit von einem realen Betrachter, dass sich die Frage stellt, warum die Evidenztheorie überhaupt auf die Sicht-
405
Vgl. Leisner, DÖV 2007, 669, 671. Will/Rathgeber, JuS 2012, 1057, 1060 f. 407 Vgl. Stamm, Prinzipien, S. 375; Müller, Ablieferung, S. 202. 408 Die Frage nach dem Kenntnisstand des objektiven Dritten wurde innerhalb der Evidenztheorie seit jeher kontrovers diskutiert. Das Meinungsspektrum reicht von der Ansicht, dass der Fehler für jeden objektiven Dritten erkennbar sein muss (Ule, DVBl 1957, 26, 27; Bender, DVBl 1953, 33, 36; Heike, DÖV 1962, 416, 418), über die Auffassung, dass eine „besondere Vertrautheit mit der tatsächlichen […] Lage nicht notwendig“ sei (MSU/Leisner-Egensperger, § 44 VwVfG Rn. 27, Hervorhebung durch Verf.) bis zu dem Standpunkt, dass er nur für einen solchen objektiven Dritten offensichtlich sein muss, der alle Umstände des Einzelfalls kennt (Bachof, DÖV 1951, 275, 276; Jesch, DÖV 1957, 22, 23). Bei vielen Stimmen unterbleibt jedoch eine nähere Bestimmung (bspw. Andersen, Ungültige Verwaltungsakte, S. 67; zum Ganzen und m.w.N. Huber, Versteigerung, S. 128), was zur generellen Schwammigkeit der Theorie beiträgt. 409 Leisner, DÖV 2007, 669, 672. 406
186
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
weise eines solchen Homunkulus abstellt und die Würdigung nicht unmittelbar dem Rechtsanwender überlässt.410 Ungeachtet dieser Ungereimtheiten ist das eigentliche Problem der Evidenztheorie jedoch, dass dem Durchschnittsbetrachter bei der Bewertung der Offensichtlichkeit der schweren Fehlerhaftigkeit keine besonderen Rechtskenntnisse unterstellt werden sollen,411 er hat vielmehr eine Parallelwertung in der Laiensphäre vorzunehmen.412 Wie dies indes durchführbar sein soll, bleibt ein Rätsel. Schon Wolff warf zu Recht ein, dass selbst Juristen über die Frage der „offensichtlichen“ Rechtswidrigkeit von Rechtsakten erbittert streiten können.413 Insbesondere in Anbetracht der Fülle, Komplexität und Unübersichtlichkeit des geltenden Rechts414 ist die Frage der Offensichtlichkeit eines schweren Rechtsfehlers für einen juristisch Ungeschulten schlichtweg nicht zu beantworten.415 Diesen Missstand offenbar erkennend, wird gelegentlich vorgeschlagen, in „komplizierten Fällen […] den mit dem öffentlichen Recht Vertrauten als hypothetische Bezugsperson heranzuziehen“416. Dies wirft jedoch nur noch weitere Fragen auf: Wann ist ein Fall kompliziert? Wie vertraut mit dem öffentlichen Recht soll die Bezugsperson sein? Es zeigt sich schnell, dass auch dieser Vorschlag nicht weiterhilft. Die der Evidenztheorie damit anhaftende, eklatante Ergebnisunsicherheit417 wird zudem noch dadurch befeuert, dass sie auch den Grad an Erkenntnisklarheit nicht hinreichend zu bestimmen vermag.418 So soll sich die schwere Fehlerhaftigkeit dem Durchschnittsbetrachter geradezu „aufdrängen“419, die Fehlerhaftigkeit soll dem Rechtsakt „auf die Stirn geschrieben“ sein.420 Mit solch plakativen Formulierungen ist wenig gewonnen.421 Wenn in 410
Vgl. Leisner, DÖV 2007, 669, 671 f. Vgl. BVerwG NJW 1971, 578; NVwZ 1998, 1061, 1062; 2000, 1039, 1040. 412 Kopp/Ramsauer/Ramsauer, § 44 VwVfG Rn. 12 m.w.N.; BeckOK-VwVfG/Schemmer, § 44 VwVfG Rn. 17. 413 Wolff, MDR 1951, 523, 524. 414 Schon zum damaligen Stand Wolff, MDR 1951, 523, 524. 415 Vgl. Martens, NVwZ 1990, 624, 625. 416 BeckOK-VwVfG/Schemmer, § 44 VwVfG Rn. 17.1 sowie Meyer/Meyer, § 44 VwVfG Rn. 9. 417 Strauß, Nichtigkeit, S. 155 f. 418 Leisner, DÖV 2007, 669, 672. 419 Kopp/Ramsauer/Ramsauer, § 44 VwVfG Rn. 12 m.w.N. 420 Kopp/Ramsauer/Ramsauer, § 44 VwVfG Rn. 12 m.w.N.; vgl. BeckOKVwVfG/Schemmer, § 44 VwVfG Rn. 17; Wallerath, VerwR, § 9 Rn. 130; aus der Rechtsprechung BGH NJW 1966, 1668; OLG Köln NJW 1979, 2161. 421 Leisner, DÖV 2007, 669, 672. Am gangbarsten ist noch die Formulierung, dass aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters nicht die ernsthafte Möglichkeit bestehen darf, dass der Rechtsakt rechtmäßig sein könnte (BeckOK-VwVfG/Schemmer, § 44 VwVfG Rn. 17; Knack/Hennecke/Peuker, § 44 VwVfG Rn. 30). Auch hier bleibt jedoch das Problem, dass der laienhafte Betrachter zu einer solchen Beurteilung schlichtweg nicht in der Lage ist, ungelöst. 411
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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scheinbarer Konkretisierung zusätzlich gefordert wird, dass die schwere Fehlerhaftigkeit „sofort“422 und „ohne weitere Ermittlungen oder besondere rechtliche Überlegungen“423 für den Durchschnittsbetrachter offensichtlich sein soll, so steht dies sogar im Widerspruch zu dem Erfordernis einer „verständigen Würdigung“, die doch gerade auf eine sorgfältige Bewertung der Umstände im Sinne einer kritischen Reflexion abzielen muss.424 Nach alledem ist das Evidenzkriterium als untauglich abzulehnen.425 Dem von den Vertretern der Evidenzlehre gerne angeführten Aspekt der Rechtssicherheit426 erweist es einen Bärendienst.427 Ein gänzlicher Verzicht und das alleinige Abstellen auf die Schwere des Fehlers ist angesichts dessen, dass es sich bei der Evidenz um ein inhaltlich selbständiges428 Kriterium handelt, im Übrigen auch die sauberere Lösung als die wohl ergebnisorientierten Versuche in Literatur und Rechtsprechung, eine Konnexität zwischen Schwere und Offensichtlichkeit herzustellen – ein besonders schwerer Fehler soll demnach regelmäßig auch offensichtlich sein und andersherum429 – oder gar die Offensichtlichkeit ganz ungeniert direkt mit der besonderen Schwere des Fehlers zu begründen.430
422
Knack/Hennecke/Peuker, § 44 VwVfG Rn. 31. Kopp/Ramsauer/Ramsauer, § 44 VwVfG Rn. 12. 424 Leisner, DÖV 2007, 669, 672. Dieser kritisiert darüber hinaus zu Recht, warum die Evidenz zu verneinen sein soll, wenn die schwere Fehlerhaftigkeit erst im Nachhinein durch eine Rechtsprechungsänderung ersichtlich wird bzw. wenn in der Judikatur unterschiedliche Auffassungen bestehen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 44 VwVfG Rn. 125). Kommt es für die Beurteilung der Evidenz allein auf die Sicht des Durchschnittsbetrachters an, ist es doch inkonsequent, dessen Urteil i.E. von den Ansichten der Rechtsprechung abhängig zu machen. 425 Seine Kodifizierung u.a. in § 44 Abs. 1 VwVfG erweist sich somit als gesetzgeberischer Fehlgriff. 426 Vgl. Heike, DÖV 1962, 416, 417. 427 Der Umstand, dass sich das Evidenzkriterium in anderen Zusammenhängen durchaus als taugliches Differenzierungsmerkmal erweisen kann (vgl. Heike, DÖV 1962, 416, 418), steht diesem Befund nicht entgegen – hierzu ausführlich Leisner, DÖV 2007, 669, 672. 428 Kopp/Ramsauer/Ramsauer, § 44 VwVfG Rn. 12; Leisner, DÖV 2007, 669; Heike, DÖV 1962, 416, 417. 429 Vgl. in Bezug auf das Zwangsvollstreckungsrecht Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 8; Geib, Pfandverstrickung, S. 107 Rn. 12; Fischer, Vollstreckungszugriff, S. 518 f.; Müller, Ablieferung, S. 196, der auf dieser Grundlage die Nichtigkeit der Ablieferung nach der Evidenztheorie annimmt. 430 Vgl. VGH Kassel NVwZ 1982, 514, 515 und 1986, 315; VGH München NJW 1984, 626; OVG Münster NVwZ 1986, 580, 581; zum Ganzen Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 44 VwVfG Rn. 124. 423
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
3. Zwischenergebnis Es besteht Einigkeit darüber, dass für die Beurteilung der Nichtigkeit eines Vollstreckungsaktes die Schwere von dessen Fehlerhaftigkeit ausschlaggebend ist. Wenn darüber hinaus die Evidenz des Fehlers und seiner Schwere gefordert wird, so ist dieses Kriterium aufgrund seiner mangelnden Bestimmtheit abzulehnen. Unter dem damit verbleibenden Beurteilungsmaßstab ist die Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer nichtig, weil die unsanktionierte Grundrechtsverletzung des Dritteigentümers mit einem tragenden Verfassungsprinzip (Gesetzmäßigkeitsprinzip) unvereinbar ist und die Ablieferung somit an einem besonders schweren Fehler krankt.
IV. Nichtigkeit nach Treu und Glauben Zuletzt soll untersucht werden, ob sich eine Nichtigkeit der Ablieferung auch aus Treu und Glauben ergeben kann. 1. Die Theorie Tiedtkes Tiedtke ist der Ansicht, es verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sich ein Ersteigerer, der positive Kenntnis vom Nichtbestehen des Pfändungspfandrechts hat, auf seinen Eigentumserwerb beruft.431 Es wird allerdings nicht gänzlich klar, wie seine Aussage gemeint ist. Die Formulierung, der Ersteigerer verstoße gegen Treu und Glauben, wenn er sich auf den Eigentumserwerb beruft, deutet darauf hin, dass Tiedtke von dem Vorliegen einer Einwendung auf der Grundlage des § 242 BGB ausgeht – dazu sogleich. Der Satz ist jedoch im Kontext zu sehen: Im vorhergehenden Satz erklärt Tiedtke, dass es zur Vermeidung eines unbilligen Schutzes des Ersteigerers nicht des Rückgriffs auf § 1244 BGB bedürfe. Die Anwendung des § 1244 BGB würde jedoch dazu führen, dass die materiell-rechtliche Wirkung der Ablieferung ausbleibt. Vor diesem Hintergrund ist Tiedtkes Ausführung mit Schmitt-Kästner432 wohl dahingehend zu verstehen, dass der Verstoß gegen Treu und Glauben dem Eigentumserwerb des Ersteigerers auf materiellrechtlicher Ebene entgegenstehen soll.433
431
Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 294 f. Schmitt-Kästner, Schranken der Rechtsausübung, S. 184 f. 433 Dasselbe gilt für die deckungsgleichen Ausführungen von Reinicke/Tiedtke, JA 1984, 202, 215. Auch Jauernig ging einst davon aus, dass der Erwerb eines bösgläubigen Ersteigerers, wenn auch erst „bei Hinzutreten besonderer Umstände […] wegen Arglist unbeachtlich sein [kann]“ (Jauernig/Lent, ZVR, 19. Aufl., S. 80). Dass er damit wohl eine Unbeachtlichkeit auf materiell-rechtlicher Ebene zum Ausdruck bringen wollte, folgt aus seinem Verweis auf Peters: „Beispiel nach Bruns/Peters S. 158: G läßt einen, wie er weiß, dem S nur in Verwahrung gegebenen, wertvollen Teppich pfänden und ersteigert ihn; 432
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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2. Stellungnahme Der Gedanke einer Treuwidrigkeit im Falle der bösgläubigen Ersteigerung ist keineswegs fernliegend. Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet schließlich nach der sog. Innentheorie eine allen Rechten und Rechtspositionen immanente Inhaltsbeschränkung.434 Auch findet er trotz seiner primären Verortung in § 242 BGB435 nicht nur im Privatrecht, sondern auch im öffentlichen Recht,436 insbesondere im Zwangsvollstreckungsrecht437 Anwendung. Eine Nichtigkeit des Eigentumserwerbs nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ist dogmatisch jedoch ausgeschlossen. Liegt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vor, so bewirkt § 242 BGB eine Korrektur der durch den Missbrauch herbeigeführten Rechtsfolge.438 Dies geschieht dadurch, dass eine tatsächlich bestehende Rechtsposition so behandelt wird, als sei sie nicht existent, oder indem eine tatsächlich nicht bestehende Rechtsposition gleichwohl zuerkannt wird.439 Kurzum verhindert § 242 BGB die Ausübung des treuwidrig erlangten Rechts bzw. die Geltendmachung einer solchen Rechtsposition.440 § 242 BGB stellt eine amtswegig zu beachtende Einwendung dar.441 In dieser Funktion hat sich § 242 BGB durchaus als Korrektiv bei der Rechtsausübung im Rahmen der Zwangsvollstreckung bewährt.442 So hat
Eigentum erwirbt er nicht“ (Hervorhebung durch Verf.). Die Fundstelle in Bruns/Peters, ZVR, S. 158 behandelt die analoge Anwendbarkeit des § 1244 BGB und damit die Frage des materiell-rechtlichen Eigentumserwerbs, der explizit trotz des möglichen Bestehens von Ansprüchen nach §§ 823, 826 BGB als unbillig abgelehnt wird. Beachte zur aktuellen Auflage jedoch Fn. 458. 434 BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 47. 435 Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 1 ff. 436 Vgl. Walker, in: FS Stürner, 829. Speziell der hier in Betracht kommende Rechtsmissbrauch aufgrund treuwidrigen Rechtserwerbs ist fester Bestandteil verwaltungsrechtlicher Dogmatik (Müller-Grune, Treu und Glauben, S. 45, 65 f., 117, 171, 174 f.). 437 Die Anwendbarkeit für das Prozess- und Zwangsvollstreckungsrecht explizit bejahend Walker, in: FS Stürner, 829 m.w.N.; Lippross/Bittmann, ZVR, Rn. 9; MüKoBGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 2. 438 Walker, in: FS Stürner, 829. 439 Walker, in: FS Stürner, 829; MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 200; Staudinger/Loorschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 225. 440 MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 200; ausführlich Staudinger/Loorschelders/ Olzen, § 242 BGB Rn. 225 ff. 441 Walker, in: FS Stürner, 829; NK-BGB/Krebs, § 242 BGB Rn. 37, 70; vgl. BeckOKBGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 52. Der Einwendungsbegriff ist umstritten (vgl. Ulrici/Purrmann, JuS 2011, 104 f.). Hier wird er im Sinne einer amtswegigen Berücksichtigung gebraucht. 442 Vgl. Schmitt-Kästner, Schranken der Rechtsausübung, S. 184.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
bspw.443 das OLG Düsseldorf444 die Vollstreckungsabwehrklage eines Unterhaltsschuldners wegen unzulässiger Rechtsausübung abgewiesen, weil sich dieser auf einen titelabändernden Vergleich berief, der evident falsch protokolliert wurde, indem ein bereits titulierter Unterhaltsanspruch der Gläubigerin gegen ihn versehentlich nicht aufgenommen wurde. Der Schuldner wollte hier also eine formale Rechtsposition dazu ausnutzen, sich ohne sachlichen Grund einem bereits titulierten Anspruch zu entziehen. Das Gericht versagte ihm die Berufung auf diese Rechtsposition. Ebenso erteilte der BGH der auf Herausgabe des Versteigerungserlöses gerichteten „verlängerten Drittwiderspruchsklage“ eines Sicherungseigentümers mit Verweis auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung eine Absage.445 Hier war der Kläger zwar formal noch Sicherungseigentümer des versteigerten Pfandobjekts, jedoch war der Sicherungszweck durch Erfüllung bereits entfallen. Er wäre demnach schuldrechtlich verpflichtet gewesen, das sicherungsübereignete Eigentum (bezüglich dessen durch die Verwertung die dingliche Surrogation des Erlöses eintrat) rückzuübertragen. Wie auch die vorgenannten Beispiele zeigen, kommt die Einwendung des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB stets nur im Rahmen einer Rechtsausübung, typischerweise bei der Geltendmachung von Ansprüchen446 oder bei der Ausübung von Gestaltungsrechten,447 zum Tragen. Tatsächlich ist für die Beurteilung, ob ein Verhalten einen Rechtsmissbrauch darstellt, gerade auf den Zeitpunkt ebenjener Rechtsausübung abzustellen.448 Die materielle Rechtslage bleibt von § 242 BGB dagegen unberührt; die Einwendung bewirkt schließlich eine Korrektur der Rechtsfolgen, gerade weil die materielle Rechtslage unbillig ist. Eine Nichtigkeit der Ablieferung auf der Grundlage des § 242 BGB kommt daher nicht in Betracht.449 Denkbar ist es dagegen, dem Ersteigerer im Nachgang der Verwertung wegen Verstoßes gegen § 242 BGB die Berufung auf sein durch die Ablieferung begründetes Eigentumsrecht zu versagen. Diese Annahme wird nicht nur in der Literatur, teilweise auch auf § 826 BGB gestützt, befürwortet,450 sie 443 Zu den nachfolgenden und diversen weiteren Beispielen Walker, in: FS Stürner, 829, 830 ff. 444 OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1093. 445 BGH NJW 1987, 1880 ff. 446 Vgl. Medicus/Petersen, BGB-AT, § 13 Rn. 94; Bitter/Röder, BGB-AT, § 3 Rn. 9 ff.; Bork, BGB-AT, § 2 Rn. 90; Petersen, Jura 2008, 422, passim. 447 Vgl. Neuner, BGB-AT, § 20 Rn. 77, § 21 Rn. 12; Leipold, BGB-AT, § 36 Rn. 2. 448 Staudinger/Loorschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 218. 449 Schmitt-Kästner, Schranken der Rechtsausübung, S. 184. 450 Nach Lippross/Bittmann, ZVR, Rn. 261 ist bei dem Ersteigerer die Berufung „auf den Eigentumserwerb wegen Arglist nicht [zu] beachten“, wenn er positive Kenntnis vom Vorliegen von Dritteigentum hatte. Auch wenn hier von Arglist die Rede ist, thematisieren die Autoren ausdrücklich einen Verstoß gegen § 242 BGB. Sie fordern allerdings weiter-
B. Nichtigkeit der Ablieferung
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stünde auch im Einklang mit der Rechtsprechung, die in mehreren Entscheidungen zur Immobiliarvollstreckung anerkannt hat, dass dem Ersteigerer die Berufung auf den Zuschlag – wenn auch aus anderen Gründen als dem bösgläubigen Erwerb eines schuldnerfremden Grundstücks – verwehrt sein kann.451 Die Frage, ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt, ist im Wege einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten.452 Zu den Abwägungsfaktoren nach § 242 BGB zählen sämtliche betroffenen privaten und öffentlichen Interessen, wobei insbesondere die Risikozuordnung, subjektive Elemente und die Grundrechte zu berücksichtigen sind.453 Eine entsprechende Abwägung wurde bereits oben durchgeführt,454 dementsprechend ist hier von einem Verstoß gegen Treu und Glauben auszugehen. Bestätigung findet diese Annahme darin, dass in der Typologie des § 242 BGB der Rechtsmissbrauch durch den gehend, dass „besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Erstehers anstößig erscheinen lassen“. Nach Mohrbutter, VollstreckungsR, § 15 V, kann der Berufung des Ersteigerer auf die Ablieferung ggf. die Arglisteinrede entgegenstehen, wofür er ebenfalls das Hinzutreten weiterer Umstände fordert, ohne dies jedoch näher zu konkretisieren; im Gegensatz zu Lippross geht Mohrbutter von einer Arglisteinrede nach § 826 BGB aus. Ebenso wohl auch Geißler, DGVZ 1994, 33, 36, demzufolge „ein Beharren [des Ersteigerers] auf seinen Eigentumserwerb als rechtsmißbräuchlich zurückzuweisen“ wäre, wenn dieser „auf den Gang des Verfahrens in arglistiger Weise Einfluß genommen hat“. Neben der Treuwidrigkeit (§ 242 BGB) stellt auch die Rechtsausübung entgegen den guten Sitten (§ 826 BGB) einen Rechtsmissbrauch dar (Neuner, BGB-AT, § 20 Rn. 77). In diesem Fall kann der missbräuchlichen Rechtsausübung die Arglisteinrede (exceptio doli) entgegengehalten werden (Brox/Walker, BGB-AT, § 32 Rn. 4; MüKo-BGB/Wagner, § 826 BGB Rn. 58; BeckOK-BGB/Förster, § 826 BGB Rn. 45; HK-BGB/Staudinger, § 826 BGB Rn. 11). Die Abgrenzung zwischen treu- und sittenwidriger Rechtsausübung kann jedoch schwierig sein (vgl. Leipold, BGB-AT, § 36 Rn. 2), zumal ein Sittenverstoß regelmäßig auch einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt (Neuner, BGB-AT, § 20 Rn. 81; MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 131; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 36). 451 Vgl. BGH NJW-RR 1986, 1115, 1116 („[…] ein Vollstreckungszugriff derart, daß der Zuschlag gegenüber einem oder allen Gläubigern des Schuldners als nicht erfolgt gilt […]“; BGHZ 53, 47, 50 (die Entscheidungen thematisieren die Unbeachtlichkeit allerdings auf der Grundlage des § 826 BGB); sowie aktuell BGH, Urt. v. 22. Februar 2019 – V ZR 244/17, Rn. 23 ff. (Rn. nach juris; Urteil verkürzt wiedergegeben in MDR 2019, 1088 f.). 452 BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 18; MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 46. Dabei ist generell eine gewisse Vorsicht geboten, da das geltende Recht nicht durch eine ausufernde Billigkeitsjustiz entwertet werden darf (Sutschet a.a.O. Rn. 49). Vorliegend sind solche Bedenken jedoch unbegründet, da die Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer einen außerordentlichen Sonderfall darstellt. 453 BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 18 ff.; MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 46 ff. 454 S.o. 2. Teil D. II. c) cc) (4) und (5).
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
unredlichen Erwerb einer Rechtsstellung als Verstoß gegen Treu und Glauben anerkannt ist.455 Diskutabel erscheint allein, ob ein missbräuchliches Verhalten nur bei positiver Kenntnis oder auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Ersteigerers bejaht werden kann. Grundsätzlich erfordert die Treuwidrigkeit weder Vorsatz noch Verschulden,456 sodass aufgrund der Interessenlage eine Bejahung auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis naheliegt. Andererseits ist eine restriktive Handhabung des Grundsatzes von Treu und Glauben geboten, da es sich hierbei um ein bloßes „Notventil“ handelt.457 Hier erscheint beides gut vertretbar. 3. Zwischenergebnis Der Grundsatz von Treu und Glauben vermag den materiell-rechtlichen Rechtsübergang nicht zu verhindern. Gut vertretbar ist es allerdings, dem Ersteigerer, jedenfalls bei positiver Kenntnis von der Schuldnerfremdheit der Sache, die Berufung auf den unredlichen Eigentumserwerb zu versagen. Konkret erscheint es etwa denkbar, die Ablieferung als Rechtsgrund unberücksichtigt zu lassen und dem Dritteigentümer somit einen Anspruch gegen den Ersteigerer aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB zuzusprechen. Eine solche Anwendung des § 242 BGB wäre allerdings insoweit eher ungewöhnlich, als der Einwand der Treuwidrigkeit regelmäßig als Beschränkung der aktiven Rechtsausübung des treuwidrig Handelnden gebraucht wird. Aufgrund dessen sowie angesichts der Bezugnahme auf § 826 BGB in den vorigen Ausführungen drängt sich auf der schuldrechtlichen Ebene eher die Frage auf, ob dem Dritteigentümer ein Schadensersatzanspruch gegen den Ersteigerer nach § 826 BGB zustehen kann, gerichtet auf die Rückübertragung seines Eigentums.458 Hierauf wird später noch zurückzukommen sein.459
455 Vgl. BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 58 ff.; MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 145, 256 ff. 456 BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 59 m.w.N.; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 43. 457 MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 2. 458 Vgl. Walker, in: FS Stürner, 829, 843: „Der Rechtsmissbrauch wird also dadurch sanktioniert, dass der Erwerber gem. §§ 826, 249 BGB im Wege der Naturalrestitution zur Rückübereignung an den ursprünglichen Eigentümer verpflichtet ist.“ Auch Jauernig, der früher von der Unbeachtlichkeit der Ablieferung wegen Arglist ausging (s.o. Fn. 433), führt in der aktuellen Auflage gemeinsam mit Berger aus, dass in einer solchen Konstellation „der Erwerb nach § 826 BGB an den vormals Berechtigten zurückzuübertragen sein [kann]“ (Jauernig/Berger, ZVR, § 18 Rn. 21). 459 S.u. C. III.
C. Weitere Lösungsansätze
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C. Weitere Lösungsansätze In der Literatur finden sich neben der Befürwortung der privatrechtlichen Theorie und der Behandlung der Ablieferung als nichtiger Hoheitsakt noch weitere Vorschläge zum Schutz des Dritteigentümers.
I. Die privatrechtliche Behandlung der Verwertung durch Aufspaltung des Vollstreckungsverfahrens Einen außergewöhnlichen Standpunkt zur Dogmatik des Zwangsvollstreckungsrechts nimmt Stamm ein. In seiner Habilitationsschrift „Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts“ propagiert er eine Aufspaltung des Vollstreckungsverfahrens. 1. Die „Aufspaltungstheorie“ Stamms Stamm geht davon aus, dass es sich bei der Zwangsvollstreckung insgesamt um ein Verwaltungsverfahren handelt.460 Der am Beginn einer jeden Vollstreckung stehende Vollstreckungstitel (genauer gesagt der darin enthaltene Leistungstenor) stelle dabei einen Grundverwaltungsakt dar. Dies gelte sowohl für das Leistungsurteil, bei dem sich die spruchrichterliche Tätigkeit auf die Feststellung des Anspruchs beschränke, während der Leistungstenor einen darüber hinausgehenden Verwaltungsakt darstelle, als auch für alle sonstigen Vollstreckungstitel des § 794 Abs. 1 ZPO.461 Bei einem Prozessvergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO etwa begründe die gerichtliche Protokollierung die Verwaltungsaktseigenschaft, bei einer notariellen Unterwerfungserklärung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die notarielle Beurkundung.462 Die Mobiliarvollstreckung unterteilt Stamm in zwei wesensverschiedene Abschnitte. Zunächst stelle das Vollstreckungsverfahren staatliche Zwangsausübung im Sinne einer Willensbeugung des leistungsunwilligen Schuldners dar. Diese Phase hoheitlicher Machtausübung ende jedoch mit der Pfändung. Bis zu diesem Zeitpunkt weist Stamm das Vollstreckungsverfahren als öffentlich-rechtlichen Vorgang dem Regelungsregime des Verwaltungsrechts zu. Die Pfändung qualifiziert er konsequent als Verwaltungsakt.463 Die der Pfändung nachfolgende Verwertung erfolge dagegen „gewaltfrei“ und sei reine Leistungsverwaltung. Vor dem Hintergrund, dass der Staat bei der Leistungsverwaltung – im Gegensatz zur Eingriffsverwaltung – eine For460 Stamm, Prinzipien, S. 22 ff. Zumindest diese Grundthese übernahm auch sein Schüler Müller (s.o. B. I. 1.). 461 Stamm, Prinzipien, S. 219 ff.; siehe auch Stamm, in: Tagungsband BMJV, 19, 24. 462 Stamm, Prinzipien, S. 230 ff. 463 Zum Ganzen Stamm, Prinzipien, S. 22 ff., 345, 348 ff., 364 ff., 378 ff.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
menwahlfreiheit hat und sich somit nicht nur hoheitlicher, sondern auch privatrechtlicher Handlungsformen bedienen kann, qualifiziert Stamm das gesamte Verwertungsverfahren in Rückbesinnung auf die Motive des historischen Gesetzgebers privatrechtlich.464 Der Gerichtsvollzieher sei zwar ein Hoheitsträger, er handele bei der Verwertung jedoch nicht hoheitlich, sondern als Vertreter des Gläubigers. Bei der Versteigerung schließe folglich der Gläubiger, vertreten durch den Gerichtsvollzieher, durch den Zuschlag einen Kaufvertrag mit dem Ersteigerer ab und übereigne ihm das Pfandobjekt sodann nach §§ 929 ff. BGB. Da bei der Ablieferung § 1244 BGB analog anwendbar sei,465 erwerbe ein bösgläubiger Ersteigerer kein Eigentum an schuldnerfremden Sachen. Die Rechtsmacht zur Eigentumsübertragung erlange der Gläubiger durch das mit der Pfändung entstandene Pfändungspfandrecht, auf dem die Verwertung demnach beruhe.466 In Bezug auf die Immobiliarvollstreckung ist Stamm der Ansicht, dass auch hier ein Dualismus zwischen Pfändungs- und Verwertungsvorgang bestehe. Im Rahmen einer „Rückführung auf die zivilrechtlichen Strukturen des Pfandrechts“467 erachtet er die Zwangshypothek als das „Pfändungspfandrecht der Immobiliarvollstreckung“468. Die Regelung des § 1147 BGB interpretiert er als bloßen Verweis auf die für die Zwangsverwaltung bzw. -versteigerung geltenden Regelungen, aus der Norm lasse sich dagegen kein Titelerfordernis ableiten. Die Verwertung erfolge sodann durch Zwangsversteigerung oder -verwaltung. Da diese auf Grundlage der Zwangshypothek erfolgten, bedürfe es de lege ferenda keiner Beschlagnahme. Die Verwertung vollziehe sich auch im Rahmen der Immobiliarvollstreckung privatrechtlich.469 2. Stellungnahme Der recht gewagte Vorstoß Stamms rief mitunter positive Resonanz hervor,470 erfuhr jedoch insbesondere durch Gaul, Schilken und Müller auch erhebliche Kritik.471 Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse dieser Arbeit kann Stamm bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil die Zwangsvollstreckung insge-
464
Stamm, Prinzipien, S. 345. Vgl. Müller, Ablieferung, S. 65. Stamm, Prinzipien, S. 370 ff. 466 Zum ganzen Absatz Stamm, Prinzipien, S. 345 f., 348 ff., 364 ff., 376 ff., 427 ff. Die nach h.M. als Verwertungsgrundlage dienende Rechtsfigur der Verstrickung lehnt Stamm als überflüssig ab (a.a.O. S. 450). 467 Stamm, Prinzipien, S. 450. 468 Stamm, Prinzipien, S. 462. 469 Zum ganzen Absatz Stamm, Prinzipien, S. 449 ff. 470 Völzmann-Stickelbrock, JZ 2008, 355 f.; Hau, GPR 2008, 142 f. 471 Siehe die Nachweise in den folgenden Ausführungen. 465
C. Weitere Lösungsansätze
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samt keine Verwaltungstätigkeit darstellt.472 Wegen des unkonventionellen Ansatzes soll gleichwohl weitergehend Stellung genommen werden. a) Vollstreckungstitel als Grundverwaltungsakt Unabhängig von der generellen Zuordnung der Zwangsvollstreckung als Verwaltungstätigkeit bestehen erhebliche Bedenken, wenn Stamm die Vollstreckungstitel als Grundverwaltungsakte kategorisiert. Dies gilt besonders für das Leistungsurteil als Prototyp des Vollstreckungstitels. Mit – angesichts der Bedeutung dieser Feststellung für sein Gesamtwerk – erstaunlicher Eile bejaht Stamm das Vorliegen eines Verwaltungsaktes i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG,473 während bei zivilprozessualen Leistungstiteln tatsächlich noch nicht einmal der Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet ist.474 Stamm räumt an dieser Stelle zwar ein, dass sich die erforderliche Behördeneigenschaft nicht auf das erkennende Gericht übertragen lässt, führt dieses Problem jedoch keiner Lösung zu. Stattdessen geht er sogleich auf das verfassungsrechtliche Problem der Gewaltenteilung ein. Der Grundsatz der Gewaltenteilung steht der These Stamms, dass eine spruchrichterliche Tätigkeit zugleich ein exekutiver Akt sei, diametral entgegen.475 Stamms Bemühungen, die Durchbrechung dieses Grundsatzes mit Erwägungen der Sachnähe des Gerichts und der Effektivität der Zwangsvollstreckung zu rechtfertigen,476 überzeugen dabei nicht. Auch ist nicht ersichtlich, warum eine solche Durchbrechung überhaupt erfolgen sollte. Während Stamm einen exekutiven Leistungsbefehl zur Legitimation der Handlungen der Vollstreckungsorgane für erforderlich hält, kann für diese Legitimation doch unproblematisch auf den Leistungstitel als judikativen Rechtsakt abgestellt werden.477 Im Übrigen verfängt die Annahme eines Grundverwaltungsaktes auch in Bezug auf Vergleiche und Unterwerfungserklärungen nicht. Hier ist allein schon zu beachten, dass auch das (klassische) Verwaltungsrecht den Vergleichsvertrag (§ 55 VwVfG) sowie die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 61 VwVfG) kennt, ohne dass bislang jemand auf die Idee gekommen wäre, diese Rechtsakte als Verwaltungsakte zu qualifizieren.478
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S.o. B. I. 2. a). Stamm, Prinzipien, S. 220. 474 Schilken, AcP 208 (2008), 850, 853; vgl. auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 3. 475 Vgl. Bettermann, in: GS Jellinek, 361, passim; Bettermann, in: Hdb der Grundrechte, 523, 527 f. 476 Stamm, Prinzipien, S. 220 f. 477 Schilken, AcP 208 (2008), 850, 853. 478 Schilken, AcP 208 (2008), 850, 853. 473
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
b) Aufspaltung des Vollstreckungsverfahrens Stamms Kernthese, der Aufspaltung des Vollstreckungsverfahrens in einen hoheitlichen ersten und einen privatrechtlichen zweiten Abschnitt, muss schon deshalb bedenklich stimmen, weil dadurch die Zwangsvollstreckung als einheitliches Gesamtgefüge auseinandergerissen wird.479 Die Einheitlichkeit des Verfahrens lässt sich insbesondere daran festmachen, dass die vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen und Entscheidungen ebenso von Beginn bis Ende der Zwangsvollstreckung der Erinnerung bzw. der sofortigen Beschwerde unterliegen, wie auch die materiellen Rechtsbehelfe der §§ 767, 771 und 805 ZPO durchgehend geltend gemacht werden können.480 Inhaltlich kritisiert Schilken481 an der Aufspaltung zudem, dass die Vollstreckungsorgane nicht nur bei der Pfändung, sondern auch bei der Verwertung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften und daher hoheitlich handelten. Diese Schlussfolgerung ist jedoch, wie Müller in seiner ausführlichen Analyse482 zu Recht feststellt, etwas vorschnell. Richtig ist zwar, dass sich (auch) die Verwertung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften richtet.483 Dies führt gleichwohl nicht zwangsläufig dazu, dass auch die einzelnen Maßnahmen des jeweils adressierten Hoheitsträgers öffentlich-rechtlicher Natur sein müssen, denn der Staat kann sich zur Erfüllung seiner Aufgaben auch privatrechtlicher Handlungsformen bedienen.484 Dieses Formenwahlrecht gilt allerdings, wie Stamm selbst ausführt, nur im Bereich der Leistungsverwaltung.485 Die Verwertung müsste daher ausschließlich eine staatliche Leistung an den Gläubiger darstellen und dürfte kein eingriffsverwaltungsrechtliches Element enthalten.486 Zu dieser Einschätzung gelangt Stamm anhand seiner These, dass nur bis zum Zeitpunkt der Pfändung487 staatlicher Zwang 479 Vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 3; Schilken, AcP 208 (2008), 850, 854; für eine einheitliche Betrachtung des Vollstreckungsverfahrens schon RGZ 56, 84, 88 f. 480 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 2 Rn. 3; Schilken, AcP 208 (2008), 850, 854. 481 Schilken, AcP 208 (2008), 850, 853. 482 Umfassend zur Theorie Stamms Stellung nehmend Müller, Ablieferung, S. 69 ff. Hierauf basieren die nachfolgenden Ausführungen dieses Abschnitts. 483 S.o. 4. Teil A. II. 3. b) cc). 484 Ehlers, Privatrechtsform, S. 27; Niehaus, in: FS Ehlers, 439, 440; SSB/Ehlers/Schneider, 28. EL, 3/2015, § 40 VwGO Rn. 243 m.w.N.; vgl. BVerwGE 13, 47, 54; BGHZ 37, 1, 27; 38, 49, 51. 485 Stamm, Prinzipien, S. 380; siehe auch Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, § 1 VwVfG Rn. 104 m.w.N.; Müller, Ablieferung, S. 70. Zur Leistungsverwaltung werden klassischerweise z.B. die Sozial-, Förderungs- und Vorsorgeverwaltung gezählt (Creifelds/Weber, „Leistungsverwaltung“). 486 Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, § 35 VwVfG Rn. 106 sowie Schmitz a.a.O. § 1 VwVfG Rn. 104 m.w.N.; MüKo-BGB/Säcker, Einl. BGB Rn. 2; Ehlers, Privatrechtsform, S. 65; eingehend Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 112 ff. 487 Diese scharfe Zäsur erscheint schon in zeitlicher Hinsicht problematisch. Zu denken
C. Weitere Lösungsansätze
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ausgeübt werde. Er begründet dies damit, dass das Vollstreckungsverfahren lediglich bis zum Pfändungsakt auf die „gewaltsame Willensbeugung des Schuldners“488 gerichtet sei. Bei der Verwertung sei dies nicht mehr der Fall, weshalb „das staatliche Gewaltmonopol nicht mehr in Erscheinung [trete]“489, die Verwertung mithin frei von Zwang erfolge.Stamm nutzt also das Kriterium der „gewaltsamen Willensbeugung“ zur Abgrenzung zwischen der Ausübung staatlichen Zwangs bis zur Pfändung und dem anschließenden zwangsfreien Verwertungsverfahren.490 Genauere Ausführungen dazu, wodurch sich eine solche gewaltsame Willensbeugung auszeichnet, bleibt er jedoch schuldig. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG zum Gewaltbegriff491 müsste im ersten Abschnitt des Vollstreckungsverfahrens staatliche Hoheitsmacht (jedenfalls auch) durch physische Zwangswirkung ausgeübt werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Regelmäßig wird der Schuldner den Besitz an dem Pfandobjekt zwar gegen seinen Willen verlieren, jedoch ohne die Leistung körperlicher Gegenwehr. Die Pfändung wird daher nur in Ausnahmefällen durch physisch vermittelten Zwang ausgeführt (und in diesen Fällen im Übrigen auch nicht durch den Gerichtsvollzieher, sondern durch Polizeibeamte im Rahmen der Amtshilfe).492 Gänzlich haltlos ist die Annahme einer gewaltsamen Willensbeugung zudem bei der durchweg vergeis-
ist etwa an die regelmäßige auftretende Konstellation, dass das Pfandobjekt zunächst gem. § 808 Abs. 2 ZPO im Gewahrsam des Schuldners belassen und später gegen dessen Willen vom Gerichtsvollzieher abgeholt wird. Stamms Verweis darauf, dass eine solche Wegnahme „in unmittelbarem Zusammenhang mit der Pfändung“ stehe und dass diese die Grundlage für die Wegnahme darstelle (Stamm, Prinzipien, S. 363), mutet dabei als wenig überzeugender Versuch an, die fehlende Trennschärfte zwischen den Abschnitten der Ausübung hoheitlicher Zwangsgewalt und zwangsfreier Verwertungshandlungen zu überspielen. Wenig nachvollziehbar wäre die Zäsur auch bei der Vollstreckung in Geld. Hier nimmt der Gerichtsvollzieher das Geld in Besitz und liefert es an der Gläubiger ab, §§ 808 Abs. 1, 815 Abs. 1 ZPO. Theoretisch könnte der Gläubiger bei der Pfändung vor Ort sein und die Ablieferung der Pfändung unmittelbar nachfolgen. Wenn der Schuldner während des gesamten Vorgangs gegen das Vorgehen des Gerichtsvollziehers protestiert, erscheint es willkürlich, eine Ausübung staatlichen Zwangs nur bis zum Zeitpunkt der Wegnahme des Geldes zu bejahen. Unverständlich wäre im Übrigen auch der „Rollenwechsel“ des Gerichtsvollziehers von hoheitlicher zu privatrechtlicher Tätigkeit innerhalb weniger Augenblicke und im Rahmen eines einheitlichen, zusammenhängenden Lebensvorgangs. Zum Ganzen überzeugend Müller, Ablieferung, S. 70 f. 488 Stamm, Prinzipien, S. 336, ähnlich S. 353. 489 Stamm, Prinzipien, S. 381. 490 Vgl. Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 30. 491 BVerfGE 92, 1, 17 f. – „Sitzblockade III“; 104, 92, 101 ff. – „Blockadeaktion“; vgl. auch 73, 206, 242 ff. – „Sitzblockade I“. 492 Vgl. Mroß, DGVZ 2008, 89, 90.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
tigten Forderungs- oder Rechtspfändung.493 Hieran wird deutlich, dass die „Zwangs“-Vollstreckung sich gerade nicht durch physischen, sondern vielmehr durch rechtlich organisierten Zwang auszeichnet.494 Vor allem aber impliziert Stamms Abgrenzung, dass eine gewaltsame Machtausübung notwendige Voraussetzung der Eingriffsverwaltung sei. Mit dem modernen Eingriffsbegriff, der jegliche Art staatlichen Handelns genügen lässt, ist eine solche Sichtweise jedoch unvereinbar. Selbst für den engeren, klassischen Eingriffsbegriff war eine gewaltsame Machtausübung des Staates nicht erforderlich. Lässt man das zur Abgrenzung ungeeignete495 Kriterium einer gewaltsamen Willensbeugung zu Recht unberücksichtigt und beurteilt das Verwertungsverfahren allein nach dem gängigen Eingriffsbegriff, so ist ein Eingriff durch den Entzug des Eigentumsrechts freilich zu bejahen.496 Die einzig denkbare Möglichkeit, einen Eingriff zu verneinen, bestünde darin, der Pfändung eine solche Rechtswirkung beizumessen, dass der letztlich eintretende Eigentumsverlust keine Intensivierung der Beeinträchtigung der Rechtsposition mehr darstellen würde. Auch wenn man mit Stamm davon ausgeht, dass der Gläubiger mit dem Pfändungspfandrecht ein Verwertungsrecht an der Sache erlangt und daher eine entsprechende Belastung des Eigentums annimmt, ist dies jedoch nicht vertretbar. Die Pfändung, gleich welche konkrete Rechtswirkung man ihr auch beimisst, ist niemals zwangsläufig mit dem Eigentumsverlust verbunden, da der Schuldner auch noch nach der Pfändung den Gläubiger befriedigen und eine Verwertung auf diesem Wege verhindern kann. Diese Möglichkeit wird vom Gesetz ausdrücklich anerkannt. So ordnet § 816 Abs. 1 ZPO an, dass die Versteigerung regelmäßig nicht vor Ablauf einer Woche seit dem Tag der Pfändung erfolgen soll, um dem Schuldner eine letzte Gelegenheit zur Zahlung zu gewähren.497 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Einräumung von Zahlungsfristen oder Ratenzahlung nach § 802b Abs. 2 ZPO. Die praktische Bedeutung der Möglichkeit der Gläubigerbefriedigung nach der Pfändung ist immens: Nur in weniger als 1 % der Mobiliarvollstreckungsaufträge kommt es tatsächlich zur Verwertung, im Übrigen wird die Versteigerung noch durch Zahlung abgewendet.498 Der Eigentumsverlust durch die Verwertung kann daher keineswegs als bereits der Begründung des Pfändungspfandrechts inhärenter Eingriff angesehen werden.499 Gänzlich an Bodenhaftung verliert eine solche 493
Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 30. Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 30; Gaul, ZZP 112 (1999), 135, 138 f. 495 Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 30. 496 S.o. 2. Teil C. 497 MüKo-ZPO/Gruber, § 816 ZPO Rn. 2; BeckOK-ZPO/Forbriger, § 816 ZPO Rn. 1. 498 Seip, NJW 1994, 352. Es ist zu vermuten, dass sich an der Zahl bis heute nicht viel geändert hat. 499 Ausdrücklich einen eigenständigen Eingriff durch den Verwertungsakt bejahen auch 494
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Sichtweise schließlich bei der Vollstreckung in Dritteigentum – da in diesem Fall überhaupt kein Pfändungspfandrecht entsteht, stellt hier die Ablieferung den ausschließlichen Eingriff in das bis dahin ungeschmälert fortbestehende Eigentumsrecht dar. c) Immobiliarvollstreckung Nur noch kurz, da hier letztlich nicht weiter relevant, soll auf Stamms Ausführungen zur Immobiliarvollstreckung eingegangen werden.500 Auch hier erweist sich die Theorie als wenig belastbar. Wenn die Zwangshypothek als Grundpfändungspfandrecht der Immobiliarvollstreckung angesehen wird, so wird dadurch verkannt, dass es sich bei der Zwangshypothek neben der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung um eine eigenständige Art der Immobiliarvollstreckung handelt, die auf Verlangen des Gläubigers allein oder neben den übrigen ausgeführt werden kann, § 866 Abs. 1, 2 ZPO.501 Für die anderen beiden Verwertungsarten wird eine Zwangshypothek gerade nicht vorausgesetzt.502 Das Pendant zum Pfändungspfandrecht in der Mobiliarvollstreckung bildet im Rahmen der Immobiliarvollstreckung vielmehr das durch die Beschlagnahme (§§ 20, 23 ZVG) entstehende Befriedigungsvorrecht nach Maßgabe der §§ 10 Abs. 1 Nr. 5, 11 Abs. 2 ZVG.503 Ein Pfandrecht hat der Gesetzgeber hier bewusst nicht vorgesehen – Grund dafür war das damit verbundene Eintragungserfordernis.504
Raue, Enteignungsbegriff, S. 166 ff., 289; Lippross, Vollstreckungsschutz, S. 127 ff.; Fischer, Vollstreckungszugriff, S. 497 ff.; Müller, Ablieferung, S. 78 ff. 500 Ausführlich zu Stamms Theorie kritisch Stellung beziehend, insbesondere in Bezug auf die Immobiliarvollstreckung Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 29 ff. 501 Gleichwohl betont Stamm die Eigenständigkeit der drei Vollstreckungsarten selbst (Stamm, Prinzipien, S. 450). Auf S. 456 ist dagegen einschränkend nur noch von einer „vermeintliche[n] Eigenständigkeit“ die Rede. 502 Schilken, AcP 208 (2008), 850, 854; Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 33. 503 Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 33; MüKo-ZPO/Gruber, § 804 ZPO Rn. 3. 504 „Von der Begründung eines Pfandrechtes durch die Beschlagnahme muß […] abgesehen werden, weil nach dem B.G.B. ein solches Recht an einem Grundstücke nur durch Eintragung in das Grundbuch entstehen kann, für den Entwurf aber ein zwingender Grund nicht vorliegt, zu Gunsten des die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubigers das Erforderniß der Eintragung aufzugeben. Das Interesse dieses Gläubigers erheischt nur, daß ihm das Grundstück […] als Gegenstand der Befriedigung nicht durch das Andringen anderer Gläubiger entzogen werde. Dieses Ziel aber wird erreicht, wenn an die Beschlagnahme das Recht des Gläubigers auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Grundstücke geknüpft wird“ (Motive zum ZVG, S. 94). Vgl. auch MüKo-ZPO/Gruber, § 804 ZPO Rn. 3; Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 34; Gaul, Rpfleger 1971, 1, 5 f.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Eher abwegig erscheint darüber hinaus die Annahme einer privatrechtlichen Verwertung im Rahmen der Immobiliarvollstreckung. Stamm will hier „die Regelung des § 90 ZVG in gleicher Weise wie § 817 ZPO [interpretieren] und den Eigentumserwerb als ,Ablieferung‘, d.h. als rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb im Sinne der privaten Pfandrechtstheorie [verstehen]“505. Er stützt dies insbesondere darauf, dass sich der Gesetzgeber bei § 90 ZVG des Begriffs des Zuschlags bediente, was als Bezugnahme auf § 156 BGB zu verstehen sei.506 Dass es an einer solchen Bezugnahme gerade fehlt, wird jedoch daran deutlich, dass in § 90 ZVG, anders als in § 817 Abs. 1 S. 3 ZPO, auf einen Verweis auf § 156 BGB verzichtet wurde.507 Bei der Immobiliarvollstreckung geht das Gesetz vielmehr von einem einstufigen Verwertungsakt durch den Zuschlag aus.508 Abzulehnen ist es zuletzt, wenn das für die Zwangsversteigerung nach § 1 ZVG zuständige Vollstreckungsgericht als Gläubigervertreter angesehen wird.509 Diese Sichtweise ist mit der Rechtsstellung des handelnden Rechtspflegers unvereinbar, der nach § 9 RPflG sachlich unabhängig und nur an Recht und Gesetz gebunden ist.510 Vom hiesigen Standpunkt, nach dem der Rechtspfleger mit dem Zuschlagsbeschluss Rechtsprechung im materiellen Sinne ausübt, gilt dies freilich umso mehr. d) Zwischenergebnis Stamms Ausführungen kann schon aufgrund der bisherigen Ergebnisse dieser Arbeit nicht gefolgt werden. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass es sich bei der Zwangsvollstreckung nicht um Verwaltungstätigkeit handelt. Doch auch unabhängig davon enthält die Theorie viele Ungereimtheiten. Allen voran müsste es sich, unterstellt man ein Verwaltungshandeln, auch beim Verwertungsverfahren um Eingriffsverwaltung handeln, da der Staat durch den Eigentumsentzug im Verhältnis zum Schuldner oder Dritteigentümer einen belastenden Rechtsakt vornimmt. Damit besteht jedoch keine Formenwahlfreiheit, die Handlungen des Staates sind zwingend hoheitlicher Natur. Besonders entschieden ist die Übertragung des Aufspaltungsansatzes, insbesondere der Idee einer privatrechtlichen Verwertung, auf die Immobiliar505
Stamm, Prinzipien, S. 461. Stamm, Prinzipien, S. 461. 507 Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 34. 508 Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 34; vgl. Gaul, ZZP 112 (1999), 135, 166 f.; HK-ZV/Stumpe, § 90 ZVG Rn. 2; Böttcher/Böttcher, § 90 ZVG Rn. 3 f.; ebenso die ständige Rechtsprechung von RG und BGH (RGZ 60, 48, 54 f.; 138, 125, 127; 153, 257, 261; BGHZ 53, 47, 53; 112, 59, 61 ff.; 166, 313, Rn. 12). 509 Stamm, Prinzipien, S. 460 f. 510 Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 35. 506
C. Weitere Lösungsansätze
201
vollstreckung zurückzuweisen. Während Stein die Regelungen zur Immobiliarvollstreckung zum Anlass nahm, die Mobiliarvollstreckung neu zu denken und zu einem hoheitlichen Verfahren zu emanzipieren, geht Stamm hier gewissermaßen den umgekehrten Weg, indem er die Immobiliarvollstreckung auf einen Dualismus von Pfändung und Verwertung „rückzuführen“511 versucht und dem Privatrecht unterstellen will.512 Doch ist der Immobiliarvollstreckung nicht nur ein zugrundeliegendes Pfandrecht fremd, auch stellt sich die Annahme einer privatrechtlichen Verwertung als noch weniger gangbar als bei der Mobiliarvollstreckung heraus.
II. (Analoge) Anwendung des § 1244 BGB Von den Stimmen in der Literatur, die die verfassungsrechtliche Problematik der Ablieferung von Dritteigentum an einen bösgläubigen Erwerber erkannt haben, das hoheitliche Handeln des Gerichtsvollziehers aber gleichwohl nicht infrage stellen, befürworten einige die direkte oder entsprechende Anwendung des § 1244 BGB. Ein solcher Ansatz erscheint vom Grunde her sachgerecht, führt er doch zu denselben billigen Ergebnissen wie die unzeitgemäße privatrechtliche Theorie, ohne dass diese reanimiert werden müsste. 1. Direkte Anwendung des § 1244 BGB Zu einer direkten Anwendbarkeit des § 1244 BGB auf die Zwangsversteigerung nach der ZPO gelangt Behrendt, und dies sogar gleich auf zweierlei Wegen. So führt er einerseits aus, dass es sich bei dem Pfändungspfandrecht um ein gesetzliches Pfandrecht handele, weshalb über § 1257 BGB auch die Vorschrift des § 1244 BGB anwendbar sei.513 Darüber hinaus sei § 1244 BGB aber auch unabhängig von § 1257 BGB und ohne Bemühung einer Analogie anwendbar.514 Dies folge daraus, dass die Vorschriften des BGB schlichtweg generell auf die Verwertung im Rahmen der Zwangsvollstreckung anwendbar seien, soweit die ZPO keine spezielleren Normen enthält. Dies folgert Behrendt aus einer detaillierten Auslegung der privatrechtlichen Vorschriften nach Historie, Systematik und Wortlaut515 sowie aus der Erkenntnis, dass auch teleologische Erwägungen nicht dagegen sprächen.516 Auch wenn die Ausführungen Behrendts durchaus lesenswert sind, kann eine tiefergehende Auseinandersetzung mit seiner These unterbleiben. Ihr
511
Vgl. Stamm, Prinzipien, S. 450, 460, 462. Gaul, ZZP 130 (2017), 3, 32 f. 513 Behrendt, Verfügungen, S. 36 ff. 514 Behrendt, Verfügungen, S. 44. 515 Behrendt, Verfügungen, S. 55 ff. 516 Behrendt, Verfügungen, S. 64 ff. 512
202
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
kann schon in ihren wesentlichen Weichenstellungen nicht gefolgt werden. Dass es sich bei dem Pfändungspfandrecht nicht um ein gesetzliches Pfandrecht i.S.d. § 1257 BGB, sondern um eine dritte und eigenständige Art privater Pfandrechte handelt, ist § 50 Abs. 1 InsO zu entnehmen: Die Norm zählt das Pfändungspfandrecht explizit neben dem rechtsgeschäftlichen und dem gesetzlichen Pfandrecht auf. Die Haltlosigkeit dieser These resultiert im Übrigen bereits daraus, dass das Pfändungspfandrecht gerade nicht durch Gesetz, sondern gem. § 804 Abs. 1 ZPO durch die Pfändung des Gerichtsvollziehers entsteht.517 Dies wird auch deutlich, wenn man den Wortlaut des § 804 Abs. 1 ZPO („Durch die Pfändung erwirbt der Gläubiger ein Pfandrecht an dem gepfändeten Gegenstande“) mit dem Wortlaut von Vorschriften zu gesetzlichen Pfandrechten wie §§ 562, 592, 647, 704 BGB, 397, 464, 475b HGB vergleicht, die allesamt eine einheitliche, von § 804 Abs. 1 ZPO abweichende Terminologie aufweisen („Der [z.B. Unternehmer] hat für [seine/alle] Forderungen aus [z.B. dem Vertrag] ein Pfandrecht an […]“). Fehl geht auch die Annahme der generellen, direkten Anwendbarkeit der privatrechtlichen Vorschriften auf das Verwertungsverfahren. Bei dem BGB handelt es sich um das Kerngebiet des Privatrechts, seine Regelungen gelten für alle Bürger.518 Zugleich ist der sachliche Anwendungsbereich des BGB aber auch auf privatrechtliche Rechtsbeziehungen beschränkt.519 Dies belegt insbesondere Art. 55 EGBGB: Die Norm ordnet an, dass die privatrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze außer Kraft treten, soweit BGB und EGBGB nichts Abweichendes bestimmen. Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften bleiben davon unberührt.520 Eine Anwendung der BGB-Vorschriften auf das Verwertungsverfahren verbietet sich daher.521 Dies gilt jedenfalls für die direkte Anwendung; die Möglichkeit einer Analogie bleibt zu untersuchen.522
517
Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 50 Rn. 48. Palandt/Grüneberg, Einl. Rn. 1; MüKo-BGB/Säcker, Einl. Rn. 1; Klunzinger, Einführung, S. 7; Rüthers/Stadler, BGB-AT, § 1 Rn. 16 f. 519 Palandt/Grüneberg, Einl. Rn. 1; Rüthers/Stadler, BGB-AT, § 1 Rn. 16 f.; Bork, BGBAT, § 2 Rn. 59; vgl. auch Neuner, BGB-AT, § 8 Rn. 9; Brox/Walker, BGB-AT, § 2 Rn. 30 sowie schon die Ausführungen von Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 117 (Fn. 7): „Wenn ein Gesetzbuch so zielbewußt alles Gebiet des öffentlichen Rechts unberührt lassen will, wie unser B.G.B. […]“. 520 Wall, Anwendbarkeit, S. 23 f. m.w.N. 521 Vgl. Wall, Anwendbarkeit, S. 56; Middel, Willenserklärungen, S. 69 ff.; Simons, Leistungsstörungen, S. 87, jeweils m.w.N. Missverständlich dagegen BGH VerwRspr. 11 (1959), 287: „Für vermögensrechtliche Ansprüche, mögen sie bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art sein, gilt in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 195 BGB im allgemeinen die dreißigjährige Verjährungsfrist […].“ 522 Dazu sogleich (C. II. 3.). 518
C. Weitere Lösungsansätze
203
2. Privatrechtliche Fiktion Zunächst soll jedoch noch auf den Ansatz von Säcker eingegangen werden. a) Die Theorie Säckers Säcker erklärt zunächst zutreffend, dass der historische Gesetzgeber von einer privatrechtlichen Zwangsvollstreckung ausging, und belegt dies mit den einschlägigen Normen aus BGB und ZPO.523 Er führt sodann zum Wandel der Rechtstheorie hin zur heutigen gemischten Theorie aus und stimmt dabei der modernen Auffassung zu, dass es sich bei den Handlungen der Vollstreckungsorgane um Hoheitsakte handelt. Einen Rückzug auf die privatrechtliche Theorie lehnt er als „mit dem heutigen, dogmatisch fortgeschrittenen Entwicklungsstand des öffentlichen Rechts […] nicht vereinbar“524 ab.525 Angesichts der Divergenz zwischen der modernen Auffassung und dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes wirft er allerdings die Frage auf, inwieweit die Lehre die Rechtsnatur einer gesetzgeberisch geschaffenen Institution verändern darf, da das Gesetzgebungsmonopol schließlich beim Parlament liege und dessen Vorgaben nicht unterlaufen werden dürften.526 Er beantwortet sie dahingehend, dass für den Rechtsanwender eine Gesetzesbindung hinsichtlich der in den Gesetzen zum Ausdruck kommenden Wertentscheidungen bestehe,527 nicht aber hinsichtlich Wortlaut und Systematik. Dem Gesetzgeber stehe insbesondere keine Macht zur verbindlichen rechtstheoretischen Qualifizierung zu.528 Folglich sei es methodologisch erlaubt, die Rechtsnatur der Vollstreckungsakte anders zu beurteilen als der Gesetzgeber, jedoch nur soweit dabei nicht gegen gesetzgeberische Wertentscheidungen verstoßen werde. Eine gesetzgeberische Wertentscheidung liege jedoch darin, dass der Gesetzgeber die Zwangsvollstreckung als privatrechtlichen Vorgang ansah und damit die Interessenkonflikte, die insbesondere bei der Vollstreckung von Dritteigentum entstehen, bewusst nach den Vorgaben der privatrechtlichen Vorschriften aufzulösen gedachte.529 Diese Wertentscheidung gelte es auch dann zu respektieren, wenn man Handlungen des Gerichtsvollziehers als Hoheitsakte klassifiziert. Dies will Säcker im Wege einer Fiktion erreichen:
523
Säcker, JZ 1971, 156, 158 f. Zu den entsprechenden Normen bereits oben unter A. II. 1. a). 524 Säcker, JZ 1971, 156, 160. 525 Säcker, JZ 1971, 156, 160 f. 526 Säcker, JZ 1971, 156, 161. 527 Vgl. auch Canaris, Systemdenken, S. 100 ff.; Mayer-Maly, in: FS Nipperdey, 509, 522. 528 Säcker, JZ 1971, 156, 161. 529 Säcker, JZ 1971, 156, 161; ebenso Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 45.
204
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Die Versteigerung sei „so zu behandeln, als wäre sie Handlung eines Beauftragten des Vollstreckungsgläubigers“530. Dass die h.M. einen bösgläubigen Eigentumserwerb zulässt, führt Säcker dagegen auf eine verfehlte Begriffsjurisprudenz zurück.531 Aus der Erkenntnis, dass der Gerichtsvollzieher hoheitlich handelt, habe man zwangsläufig auf die Unanwendbarkeit des privatrechtlichen Regelungsregimes geschlossen. Aus der hoheitlichen Qualifizierung könnten jedoch keine Rechtsfolgen abgeleitet werden, durch die gesetzgeberische Wertentscheidungen ignoriert werden.532 b) Stellungnahme Zu Säckers Ausführungen hinsichtlich der Bindungswirkung gesetzgeberischer Wertentscheidungen kann auf die obigen533 Ausführungen zur objektiven und subjektiven Theorie verwiesen werden. Sein Ansatz führt gleichwohl zu sachgerechten Ergebnissen: Über die Anwendung der Vorschriften des BGB aufgrund der Fiktion privatrechtlichen Handelns des Gerichtsvollziehers findet ein bösgläubiger Erwerb nicht statt. Säcker verkennt dabei nicht, dass der privatrechtlichen Theorie aus heutiger Sicht nicht mehr gefolgt werden kann, und zeigt vor diesem Hintergrund eine pragmatische Lösung auf. An Säckers Ausführungen lässt sich allerdings kritisieren, dass diese nicht gänzlich konsequent sind. So gelangt er mit einigem argumentativen Aufwand zu der Erkenntnis, dass aus der hoheitlichen Rechtsnatur der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers keine konkreten Rechtsfolgen abzuleiten seien. Diese These bringt er jedoch überhaupt nicht zur Anwendung, wenn er dem Gerichtsvollzieher durch die privatrechtliche Fiktion das hoheitliche Handeln i.E. doch wieder abspricht534 und sich der privatrechtlichen Vorschriften bedient. Hierdurch vergibt Säcker die Möglichkeit, die Frage zu diskutieren, ob eine hoheitliche Eigentumsübertragung zwangsläufig unbedingt erfolgen muss, oder ob den privatrechtlichen Wertentscheidungen, die er sich durch seine Lösung zu wahren bemüht, nicht auf anderem Wege Rechnung getragen werden könnte.535 530
Säcker, JZ 1971, 156, 161. Er verweist dabei auf Baur, der bezüglich der (streitigen) Rechtsstellung des Insolvenzverwalters (damals Konkursverwalter) feststellte: „Indessen wäre es verfehlt und Ausdruck einer unzulässigen Begriffsjurisprudenz, aus einer begrifflichen Festlegung der Rechtsstellung des Konkursverwalters rechtliche Schlußfolgerungen für gesetzlich nicht geklärte Zweifelsfragen zu ziehen“ (Baur/Schönke, ZVR, S. 259). 532 Säcker, JZ 1971, 156, 161 f. 533 S.o. A. II. 3. a) aa) (3). 534 Vgl. Mertens, JuS 1967, 97, 102: „Die Fiktion […] setzt sich unter Vorwegnahme der eigentlichen juristischen Bewertung über die Natur der Sache hinweg.“ 535 Hierzu noch später (D. I. 4.). 531
C. Weitere Lösungsansätze
205
In dogmatischer Hinsicht ist Säckers Ansatz nicht unproblematisch. Die Rechtsfigur der Fiktion passt nicht recht auf die hiesige Konstellation. Eine Fiktion ist die aus bestimmten Gründen gebotene, rechtliche Gleichbewertung unterschiedlicher Fakten.536 Bspw. ordnet § 894 ZPO die Fiktion an, dass bei einer Verurteilung des Schuldners zur Abgabe einer Willenserklärung diese als abgegeben gilt, sobald das Urteil rechtskräftig ist. Das Faktum der Abgabe der Willenserklärung wird hier also gleichgesetzt mit dem Faktum der Rechtskraft des Urteils.537 Im Gegensatz dazu geht es bei der vorliegenden Problematik allein darum, die rechtliche Bewertung eines Faktums zu fingieren, indem die Ablieferung so behandelt werden soll, als habe sie nicht eine hoheitliche, sondern eine privatrechtliche Rechtsnatur. Begründen ließe sich die Fiktion allenfalls – und nur mäßig überzeugend – damit, dass man als gleichgesetzte Fakten auf die Verwertung im Rahmen der Zwangsvollstreckung und die privatrechtliche Pfandverwertung abstellt. Darüber hinaus ist bei dem Gebrauch von Fiktionen grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Einerseits verleiten sie den Rechtsanwender dazu, sich anstelle einer dezidierten inhaltlichen Auseinandersetzung auf eine bloße Scheinbegründung zurückzuziehen.538 Dies trifft gewissermaßen auch hier zu, wenn Säcker sich durch die Fiktion einer Stellungnahme dazu entzieht, ob die gesetzgeberische Wertentscheidung nicht auch bei Anerkennung des hoheitlichen Handelns der Gerichtsvollziehers berücksichtigt werden könnte. Vor allem aber ist andererseits die Reichweite der Fiktionswirkung oftmals unklar. Eine Fiktion erfolgt stets nur für bestimmte Zwecke und soll daher keineswegs zu einer vollständigen Gleichsetzung mit dem fingierten Tatbestand führen.539 Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Rechtsanwender sämtliche für den fingierten Tatbestand geltenden Regelungen unreflektiert
536
Esser, Rechtsfiktionen, S. 27, 29, 32; Mertens, JuS 1967, 97, 101; Creifelds/Groh, „Fiktion“. 537 Weitere Beispiele: § 1923 Abs. 2 BGB, wonach derjenige, der zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits gezeugt war (1. Faktum), gleichgesetzt wird mit demjenigen, der vor dem Erbfall bereits geboren war (2. Faktum); § 377 Abs. 2 HGB, wonach die unterlassene Mängelanzeige nach Abs. 1 (1. Faktum) gleichgesetzt wird mit der Genehmigung der Ware (2. Faktum). 538 Larenz, Methodenlehre, S. 264 zur Fiktion in Entscheidungsbegründungen. 539 Bei gesetzlichen Fiktionen ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, inwieweit die rechtliche Gleichbewertung sachgerecht ist (Esser, Rechtsfiktionen, S. 32 m.w.N.). Esser verweist a.a.O. auf S. 33 f. (Fn. 78) darauf, wie das RG (Entscheidung v. 15.07.1937 – 1 D 264/37) dies eklatant verkannte, indem es die Fiktion des § 1589 Abs. 2 BGB in der Fassung vom 01.01.1900, wonach ein uneheliches Kind und dessen Vater als nicht verwandt galten, zum Anlass nahm, der unehelichen Tochter eines Angeklagten ihr strafprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht abzusprechen. Dabei sollte die Fiktion lediglich für einzelne erbund familienrechtliche Beziehungen (z.B. das elterliche Sorgerecht und Unterhaltsansprüche) gelten.
206
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
auf die Fiktionsbasis überträgt – die relative Fiktion wird dadurch zu einer absoluten.540 Gut aufzeigen lässt sich das Problem an der gesetzlichen Fiktion des § 377 Abs. 2 HGB: Wenn nach der Norm die unterlassene Mängelanzeige als Genehmigung gilt und es sich bei einer Genehmigung um eine Willenserklärung handelt, so ließe sich durchaus folgern, dass auf die fingierte Genehmigung die Vorschriften über die Erklärungsanfechtung anzuwenden seien.541 Auch bei der von Säcker vorgeschlagenen privatrechtlichen Fiktion wäre etwa mit Blick auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger, Gerichtsvollzieher und Ersteigerer oder hinsichtlich der Amtshaftung des Gerichtsvollziehers nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht klar, wie weit die Fiktionswirkung reichen sollte. Vor diesem Hintergrund gilt generell wie auch speziell bezüglich der Versteigerung: Wenn und soweit der Zweck der Fiktion auch auf anderem Wege erreicht werden kann, sollte nicht auf eine solche zurückgegriffen werden.542 Säckers Vorschlag ist daher – trotz dogmatischer Bedenken – nicht gänzlich zu verwerfen, auf ihn sollte jedoch nur dann zurückgegriffen werden, wenn die Annahme der Fiktion zum Ausschluss des bösgläubigen Erwerbs zwingend erforderlich ist. 3. Analogie des § 1244 BGB In der Literatur finden sich einige Stimmen, die eine analoge Anwendung des § 1244 BGB befürworten.543 a) Begründung der Analogie Eingehend führt Peters544 zur analogen Anwendung der Norm aus und hält sie angesichts der Ähnlichkeit von privatrechtlicher und vollstreckungsrechtlicher Versteigerung bezüglich Voraussetzungen und Verfahren für angebracht. Dem Argument der h.M., dass sich eine Analogie aufgrund des hoheitlichen Eigentumserwerbs in der Zwangsvollstreckung verbiete, begegnet er damit, dass auch die privatrechtliche Versteigerung gem. § 383 BGB durch einen Gerichtsvollzieher oder einen zu Versteigerungen befugten anderen
540
Vgl. Esser, Rechtsfiktionen, S. 31 f.; Mertens, JuS 1967, 97, 101. Esser, Rechtsfiktionen, 32. 542 Vgl. Bierling, Prinzipienlehre I, S. 102: „Wo es möglich ist, einen bestimmten Rechtszweck, speziell die Anwendung anderer schon bestehender Rechtsnormen auf einen neuen Fall, auf geradem Wege durch einfache Verweisung oder wenigstens auf einem bequem gangbaren Umwege ohne Fiktion zu erreichen, da erscheint der Gebrauch einer Fiktion als überflüssig und darum im Interesse der Wahrheit und Klarheit verwerflich“. 543 So Bruns/Peters, ZVR, S. 157 ff.; Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 24 ff.; Börger, Zwangsvollstreckung, S. 28. 544 Bruns/Peters, ZVR, S. 157 ff. 541
C. Weitere Lösungsansätze
207
Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer geleitet wird und somit ebenfalls einen öffentlich-rechtlichen Einschlag habe.545 Im Übrigen spricht er sich grundlegend gegen den bereits zuvor erwähnten546 „mystische[n] Gedanken von der Staatsallmacht“ aus, nach dem die hoheitliche Rechtsnatur des Eigentumsübergangs dessen Fehlerhaftigkeit beim bösgläubigen Erwerb schuldnerfremden Eigentums rechtfertigen soll.547 Eine Vergleichbarkeit der Ablieferung mit dem Zuschlagsbeschluss nach § 90 ZVG verneint er, da bei Letzterem das Grundbuch als Garant für weitestgehende Fehlerfreiheit zugrunde liege, eine Vielzahl von Rechten betroffen sei und Grundpfandrechte zudem eine Vollstreckung in das Grundstück unabhängig von der Eigentumslage ermöglichten.548 Zuletzt wirft er der h.M. Inkonsequenz vor, wenn sie einerseits einen bösgläubigen Erwerb zulassen, andererseits aber bei Fehlern bei der Pfändung, die zu deren Nichtigkeit führen, auch den Eigentumsübergang für nichtig erklären will.549 Das Argument der h.M., dass der Gutglaubensschutz der Zwangsvollstreckung unangemessen sei – hiermit bezieht er sich wohl auf den Effektivitätsgrundsatz – anerkennt er gleichwohl insoweit, als er die analoge Anwendung des § 1244 BGB auf die positive Kenntnis des Ersteigerers beschränken will.550 b) Stellungnahme Die Möglichkeit der analogen Anwendung des § 1244 BGB hängt davon ab, ob die allgemeinen Analogievoraussetzungen erfüllt sind. Dem vorgelagert ist allerdings die Frage, ob eine Analogie von privatrechtlichen Vorschriften auf öffentlich-rechtliche Rechtsakte grundsätzlich zulässig ist.
545
Bruns/Peters, ZVR, S. 158. S.o. A. II. 3. b) cc). 547 Bruns/Peters, ZVR, S. 158. 548 Bruns/Peters, ZVR, S. 158. 549 Bruns/Peters, ZVR, S. 159. Hierzu schon oben (2. Teil Fn. 180). 550 Zu demselben Ergebnis kommt auch Backhaus in seiner Untersuchung. Dieser führt zunächst eine umfassende Abwägung der im Vollstreckungsverfahren betroffenen staatlichen und privaten Interessen durch. Dies sei erforderlich, weil es in der ZPO keine den §§ 1242–1244 BGB entsprechenden Vorschriften gibt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass ein Eigentumserwerb bei einem Ersteigerer, der positive Kenntnis von der wahren Rechtslage hat, nicht vertretbar sei. Aufgrund der vergleichbaren Interessenlage bejaht er die analoge Anwendung des § 1244 BGB mit der Maßgabe, dass die Bösgläubigkeit auf positive Kenntnis zu beschränken sei (Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 24 ff.). 546
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
aa) Grundsätzliche Analogiefähigkeit privatrechtlicher Vorschriften auf Hoheitsakte Die Möglichkeit einer solchen Analogie wurde von Vertretern der klassischen Verwaltungsrechtslehre unter Hinweis auf die wesentlichen Unterschiede beider Rechtsgebiete abgelehnt.551 Ob solche wesentlichen Unterschiede tatsächlich bestehen, mag hier dahingestellt bleiben.552 Denn der Einwand zielt mit anderen Worten doch nur auf eine fehlende Vergleichbarkeit zwischen bürgerlichem und öffentlichem Recht ab. Da die Vergleichbarkeit der Interessenlagen aber ohnehin eine Analogievoraussetzung ist, erscheint es unnötig, die Analogiefähigkeit mit dieser Begründung von vornherein abzulehnen. Für die Zulässigkeit der Heranziehung privatrechtlicher Normen spricht zudem, dass das Privatrecht weitestgehend durchnormiert ist, wohingegen das öffentliche Recht mitunter erhebliche Lücken aufweist.553 Auch wäre die Ablehnung der Analogiefähigkeit privatrechtlicher Vorschriften vor dem Hintergrund unverständig, dass verwaltungsrechtlichen Vorschriften vielfach bürgerlich-rechtliche Begriffe zugrunde liegen – wenn etwa die Polizeigesetze der Länder eine Polizeipflichtigkeit für den Eigentümer einer Sache statuieren, richtet sich dabei die Eigentümerstellung selbstverständlich nach den privatrechtlichen Vorschriften.554 Zu Recht hat sich daher bis heute die Meinung durchgesetzt, dass auch rechtsbereichsübergreifende Analogien privatrechtlicher Vorschriften auf das öffentliche Recht möglich sind.555 551 Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 116 f. („Es ist unzulässig, sie [die Lehre von unseren Rechtsinstituten] verbessern und ergänzen zu wollen durch Heranziehung zivilrechtlicher Bestimmungen auf dem Wege der Analogie. Die Rechtsähnlichkeit wirkt ja in letztem Grunde nur durch Auslegung des anzuwendenden Gesetzeswillens; für den Willen eines Zivilrechtssatzes aber kann ein öffentlichrechtliches Verhältnis nie etwas Rechtsähnliches sein“); i.E. ebenso Hartmann, DJZ 1912, 1519; vgl. ferner Meier-Branecke, AöR 50 (1926), 230, 231; Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 31. Ebenfalls kritisch Peters, Verwaltung, S. 156: „Das BGB bezieht sich nur auf bürgerrechtliche Rechtsverhältnisse, und die Lage zwischen Hoheitsträgern untereinander sowie zwischen Hoheitsträgern und untergeordneten Privatpersonen ist grundsätzlich so verschieden von der zwischen gleichberechtigten Privaten, daß sowohl eine unmittelbare als auch eine analoge Anwendung des bürgerlichen Rechts ausgeschlossen ist. […] Es gilt daher der Grundsatz, daß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf öffentliche Rechtsverhältnisse nicht anwendbar sind.“ Er räumt auf der nachfolgenden Seite jedoch ein, dass eine Übertragbarkeit dann möglich sein soll, wenn „das öffentliche Recht keine Vorschriften enthält, wo aber diese Lücken durch sinngemäße Anwendung des BGB geschlossen werden können, ohne daß damit dem Charakter des öffentlichen Rechts irgendwie Zwang angetan wird.“ 552 Dagegen ausführlich Meier-Branecke, AöR 50 (1926), 230, 233 ff. 553 Maurer/Waldhoff, VerwR, § 3 Rn. 42. 554 Beispiel nach Jellinek, VerwR, S. 153. 555 Aus der älteren Literatur Nebinger, VerwR, S. 51; Forsthoff, VerwR, S. 168; Jellinek, VerwR, S. 152 ff.; Kuchinke, JZ 1958, 198, 199; Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 32; Meier-Branecke, AöR 50 (1926), 230, 243 f.; aus der neueren Literatur Maurer/Wald-
C. Weitere Lösungsansätze
209
Abgesehen von den üblichen Analogievoraussetzungen der planwidrigen Regelungslücke und der vergleichbaren Interessenlage soll allerdings als weitere Voraussetzung hinzutreten, dass die Lücke nicht auch durch Heranziehung einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift geschlossen werden kann.556 Diese zusätzliche Voraussetzung ist sinnvoll, da die öffentlich-rechtlichen Normen besser auf die rechtsgebietsspezifischen Eigenarten zugeschnitten sind557 und daher den Vorzug verdienen. bb) Vorliegen der Analogievoraussetzungen (1) Planwidrige Regelungslücke Eine Analogie setzt zunächst eine Regelungslücke voraus.558 Eine solche liegt vor, „wenn ein Gesetz hinsichtlich des zu beurteilenden Falles, der dem Regelungsbereich des Gesetzes zuzurechnen ist, keine (adäquate) Lösung enthält“559 – erforderlich ist demnach eine Unvollständigkeit des Gesetzes.560 Eine „echte“ Regelungslücke in dem Sinne, dass eine Norm einer Bestimmung entbehrt, ohne die die Norm nicht sinnvoll angewendet werden kann, liegt bei § 817 Abs. 2 ZPO als Rechtsgrundlage der Ablieferung nicht vor.561 In Betracht kommt aber eine „unechte“ Regelungslücke in dem Sinne, dass eine Norm eine Regelung nicht enthält, obwohl ein Regelungsbedürfnis besteht.562 Insoweit könnte man argumentieren, dass dies hinsichtlich des bösgläubigen Erwerbs von Dritteigentum der Fall sei, da es hierfür keine ausdrückliche Regelung gibt. Zu beachten ist jedoch, dass für die Beurteilung des Vorliegens einer Lücke auf den möglichen Wortsinn einer Vorschrift abzustellen ist.563 Dadurch unterscheidet sich die Analogie als Mittel der
hoff, VerwR, § 3 Rn. 42 ff.; Engisch, Einführung, S. 208 m.w.N.; zusammenfassend Adrian, Grundprobleme, S. 904: „Allgemein ist zu sagen, daß jeder Rechtssatz analogiefähig ist“; aus der Rechtsprechung BGHZ 58, 386, 392. 556 Maurer/Waldhoff, VerwR, § 3 Rn. 44; Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 32; Meier-Branecke, AöR 50 (1926), 230, 244. 557 Meier-Branecke, AöR 50 (1926), 230, 244. 558 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 25. 559 Adrian, Grundprobleme, S. 894. 560 Larenz, Methodenlehre, S. 371. 561 Ein Beispiel für eine echte Regelungslücke ist § 904 S. 2 BGB: Hier wird dem Eigentümer ein Schadensersatzanspruch zugesprochen, es wird jedoch nicht bestimmt, gegen wen (den Einwirkenden oder den Begünstigten) sich dieser richtet, vgl. MüKoBGB/Brückner, § 904 BGB Rn. 16 ff. 562 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 372 zu den Begriffen der „echten“ bzw. „unechten“ Lücke. Die Terminologie ist jedoch uneinheitlich – so verwendet etwa Engisch (Einführung, S. 198) den Begriff der unechten Lücke als Bezeichnung für die rechtspolitische Fehlerhaftigkeit eines Gesetzes aufgrund bewusster Nichtregelung. 563 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 20, 23; Adrian, Grundprobleme, S. 894.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Rechtsfortbildung von der bloßen Auslegung.564 Erst wenn sich das gewünschte Ergebnis nicht mehr mit dem möglichen Wortsinn einer Vorschrift vereinbaren lässt, kann ggf. auf Mittel der Rechtsfortbildung zurückgegriffen werden.565 Auslegung und Analogie stehen in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander.566 In Anbetracht dessen fällt auf, dass der Wortlaut des § 817 Abs. 2 ZPO („Die zugeschlagene Sache darf nur abgeliefert werden, wenn das Kaufgeld gezahlt worden ist oder bei Ablieferung gezahlt wird“) äußerst vage ist und der Eigentumsübergang überhaupt keinen konkreten Niederschlag im Wortlaut der Norm gefunden hat. Die Vorschrift ordnet explizit weder den Eigentumserwerb des Ersteigerers noch den Eigentumsverlust des bisherigen Eigentümers an. Vielmehr werden beide Rechtsfolgen in die Ablieferung „hineingelesen“, wobei dies freilich der gesetzgeberischen Intention entspricht und der Eigentumsübergang für die Durchführung der Zwangsvollstreckung unerlässlich ist. Dass mit der Ablieferung der Eigentumsübergang stattfindet, kann daher nicht ernsthaft bestritten werden. Dennoch ordnet der Wortlaut des § 817 Abs. 2 ZPO die Rechtsfolgen der Ablieferung nicht ausdrücklich an.567 Angesichts dessen kann ihm aber erst recht keine Aussage darüber entnommen werden, unter welchen Voraussetzungen diese Rechtsfolgen eintreten sollen. Demnach wäre vom möglichen Wortsinn der Norm auch eine dahingehende Interpretation möglich, dass der Eigentumserwerb an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist – konkret an die Gutgläubigkeit des Ersteigerers im Falle der Vollstreckung in Dritteigentum. Das Vorliegen einer Regelungslücke ist folglich zu verneinen, wodurch einer Analogie die Grundlage entzogen ist.568 Gleichwohl soll auch noch zu den übrigen Analogievoraussetzungen Stellung genommen werden. Das Vorliegen einer Regelungslücke sowie deren Planwidrigkeit569 seien unterstellt.
564
Canaris, Lücken im Gesetz, S. 22 f. m.w.N. Wank, Auslegung, S. 83. 566 Adrian, Grundprobleme, S. 903. 567 Angesichts dessen entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, wenn Schwinge lobend ausführt: „Wenn es eine Forderung des Rechtsstaatsgedankens ist, daß obrigkeitliche Eingriffe in Freiheit und Eigentum des einzelnen nur auf Grund genau umschriebener gesetzlicher Ermächtigungen erfolgen dürfen, so trägt dem unser geltendes Zwangsvollstreckungsrecht in vorbildlicher Weise Rechnung“ (Schwinge, Staatsakt, S. 1). 568 Erstaunlicherweise wird die Frage des Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke sowohl von Peters als auch von Backhaus bei der Bejahung einer Analogie schlichtweg übergangen. 569 Hierzu Canaris, Lücken im Gesetz, S. 39 f.; Beaucamp/Treder, Rechtsanwendung, Rn. 274 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 373 ff.; Koller, Theorie des Rechts, S. 227; Adrian, Grundprobleme, S. 895. 565
C. Weitere Lösungsansätze
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(2) Vergleichbare Interessenlage Weitere Voraussetzung für eine Analogie ist die vergleichbare Interessenlage bei dem geregelten Tatbestand und der ungeregelten Rechtsfrage. Da die Analogie dazu dient, nach wesentlichen Wertungsgesichtspunkten Gleiches gleich zu behandeln570, dürften zwischen dem Pfandverkauf nach dem BGB und der Zwangsversteigerung keine solchen Unterschiede bestehen, die einer Gleichbehandlung entgegenstünden. Die Vergleichbarkeit der Interessenlage ist hier besonders kritisch zu prüfen, da bei hoheitlichem Handeln des Staates regelmäßig die Interessen der Allgemeinheit im Vordergrund stehen, während das Privatrecht vor allem auf den Ausgleich von Individualinteressen ausgerichtet ist.571 Die Interessenlage bei der Zwangsvollstreckung wurde bereits ausführlich dargestellt – es kann insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.572 Insbesondere steht hier trotz hoheitlichen Handelns gerade kein öffentliches, sondern ein individuelles Interesse im Vordergrund. Tatsächlich lassen sich die obigen Ausführungen auch auf die privatrechtliche Pfandverwertung übertragen. In beiden Fällen hat der Ersteigerer ein Interesse an einem möglichst sicheren Erwerb, der Dritteigentümer primär an dem Erhalt seiner Eigentumsposition sowie sekundär an der Vernichtbarkeit seines Eigentumsverlustes und der Gläubiger an der Befriedigung seiner Forderung. Dass insoweit gleichartige Interessen bestehen, ist angesichts des ähnlichen Ablaufs der beiden Versteigerungsarten,573 auf den Peters zutreffend hinweist, nicht überraschend. Allein mit Blick auf das öffentliche Interesse erscheint die Vergleichbarkeit fraglich. Zwar besteht in beiden Fällen ein Verkehrsinteresse, allerdings ist bei der Verwertung im Rahmen der Zwangsvollstreckung zusätzlich das öffentliche Interesse der Effektivität der Zwangsvollstreckung zu beachten. Eine völlig andere Interessenlage ergibt sich hieraus jedoch nicht. Auch der Regelung des § 1244 BGB liegt der Gedanke zugrunde, durch die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs schuldnerfremden Eigentums eine höhere Bieterbeteiligung und damit höhere Erlöse, mithin eine erfolgreiche und effektive Verwertung zu gewährleisten.574 Man wird dem Effektivitätsinteresse in der 570
Adrian, Grundprobleme, S. 904; Larenz, Methodenlehre, S. 392. Vgl. Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 32. 572 S.o. 2. Teil D. II. 2. c) aa). 573 Eingehend zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden Eichelberger, Jura 2013, 82, passim. 574 Vgl. Motive zum BGB III, S. 832: „Ohne eine solche Erweiterung des Schutzes des guten Glaubens würde das Ergebniß des Pfandverkaufes zum Nachtheile sowohl des Gläubigers, als des Eigenthümers durch die Ungewißheit des Erwerbes ungünstig beeinflußt werden“. Siehe auch Staudinger/Wiegand, § 1244 BGB Rn. 1; MüKo-BGB/Damrau, § 1244 BGB Rn. 1. 571
212
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
als staatliches Verfahren durchgeführten Zwangsvollstreckung zwar einen höheren Stellenwert einräumen müssen als in der privatrechtlichen Pfandverwertung, gleichwohl kann hierin kein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Verfahren gesehen werden, der eine Analogie ausschließen würde. Ein solcher wesentlicher Unterschied könnte letztlich allein darin liegen, dass sich die BGB-Versteigerung privatrechtlich, jene im Rahmen der Zwangsvollstreckung dagegen hoheitlich vollzieht. In diesem Sinne konstatiert denn auch Walker die fehlende Vergleichbarkeit mit der Begründung, dass sich der Ersteigerer in der Zwangsvollstreckung auf die Wirksamkeit der hoheitlichen Eigentumsübertragung verlassen können müsse.575 Unabhängig davon, dass es sich hierbei, wie bereits an anderer Stelle dargelegt,576 um ein schwaches Argument handelt, wird ein solches Vertrauen bei praxisnaher Betrachtung doch weniger mit der Verfahrensart verknüpft sein als vielmehr mit der Person des Gerichtsvollziehers als „vertrauenswürdigem“ Amtsträger. Hier setzt jedoch der Einwand Peters’ an, dass auch die Versteigerung nach dem BGB insoweit einen öffentlich-rechtlichen Einschlag aufweise, als auch sie gem. § 383 Abs. 3 S. 1 BGB von einem Gerichtsvollzieher577 öffentlich durchgeführt wird.578 Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich aus diesem Gesichtspunkt demnach nicht. Tatsächlich ist es für den Besucher einer Versteigerung ohne Weiteres gar nicht erkennbar, um welche Art von Versteigerung es sich handelt.579 Zu weit geht es allerdings, wenn Peters in diesem Zusammenhang meint, der tragende Grund für den gutgläubigen Erwerb nach § 1244 BGB sei die Veräußerung durch einen Amtsträger, was ja gerade auch bei der Zwangsvollstreckung gegeben sei. Dass für die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs die Amtsträgereigenschaft des Versteigerers ausschlaggebend sein sollte, ist nicht ersichtlich. Dogmatisch beruht der gutgläubige Erwerb vielmehr auf dem Rechtsschein des Besitzes.580 Gegen eine analoge Anwendung des § 1244 BGB führt Walker weiter an, dass es bei dem Pfandverkauf auf die Berechtigung des Veräußerers und den guten Glauben daran ankomme, wohingegen bei der vollstreckungsrechtlichen Versteigerung allein die Berechtigung des Gerichtsvollziehers entscheidend sei, die jedoch nicht von materiellen Voraussetzungen abhänge.581 Dies 575
Brox/Walker, ZVR, Rn. 411; vgl. Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 294. S.o. 2. Teil D. II. 2. c) cc) (1). 577 Oder von einem anderen, zu Versteigerungen befugten Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer. 578 Bruns/Peters, ZVR, S. 158. 579 Säcker, JZ 1971, 156, 158. Allerdings soll der Gerichtsvollzieher in der Versteigerungsbekanntmachung kenntlich machen, ob es sich um eine Versteigerung im Rahmen der Zwangsvollstreckung oder um einen Pfandverkauf handelt, §§ 93 Abs. 2 S. 3, 182 Abs. 1 S. 5 GVGA. 580 S.o. 2. Teil D. II. 2. c) cc) (2) und 4. Teil A. II. 2. b). 581 Brox/Walker, ZVR, Rn. 411. 576
C. Weitere Lösungsansätze
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ist zwar zutreffend, doch wirkt sich dieser Umstand nicht auf die Interessenlage der involvierten Personen aus. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wenn Walker weiter ausführt, dass es „deshalb nicht sachgerecht“582 sei, dem bösgläubigen Erwerber den Eigentumserwerb zu versagen. Für die Beurteilung, ob diese Rechtsfolge sachgerecht ist, ist nicht der benannte Umstand, sondern eine umfassende Interessenabwägung maßgebend. Diese führt jedoch gerade zu dem Ergebnis, dass allein die Versagung des Eigentumserwerbs bei einem bösgläubigen Ersteigerer sachgerecht ist, da der Hoheitsakt andernfalls verfassungswidrig ist.583 Sonstige Gründe für eine mangelnde Vergleichbarkeit sind nicht ersichtlich. (3) Keine analogiegeeignete Norm des öffentlichen Rechts Ein Rückgriff auf privatrechtliche Normen ist dann zu versagen, wenn an deren Stelle auch eine Norm des öffentlichen Rechts herangezogen werden kann. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.584 cc) Zwischenergebnis Einer analogen Anwendung des § 1244 BGB steht keine mangelnde Vergleichbarkeit der Interessenlagen bei privat- und vollstreckungsrechtlicher Versteigerung entgegen. Die Vergleichbarkeit ist trotz der dogmatischen Unterschiede zwischen beiden Versteigerungsformen zu bejahen.585 Eine Analogie scheidet jedoch deshalb aus, weil es an der erforderlichen Regelungs-
582
Brox/Walker, ZVR, Rn. 411. Gleichwohl sollte dem von Walker betonten dogmatischen Unterschied bei einer Analogie des § 1244 BGB Rechnung getragen werden. Dass § 1244 BGB den guten Glauben an das Bestehen des Pfandrechts schützt, ist sinnvoll, da sich die Verfügungsbefugnis gerade aus dem Pfandrecht ableitet. Bei der Zwangsversteigerung ist dies nicht der Fall; dem Pfändungspfandrecht kommt hier eine ganz andere Funktion zu. Es erscheint daher fraglich, ob das Pfändungspfandrecht ein sinnvoller Bezugspunkt für den guten Glauben sein kann (den guten Glauben daran knüpfend z.B. Pinger, JR 1973, 94, 96). Eine solche Annahme wirft nämlich die Frage auf, warum der gute Glaube an das tatsächlich nicht bestehende Pfändungspfandrecht dann nicht auch in solchen Fällen geschützt werden sollte, in denen es aus anderen Gründen als der Schuldnerfremdheit der Sache nicht besteht, etwa bei nichtiger Pfändung (vgl. o. 2. Teil Fn. 180). Sachgerechter erscheint es daher, hinsichtlich der Gutgläubigkeit nicht auf das Pfändungspfandrecht, sondern auf die Zugehörigkeit des Vollstreckungsobjekts zum Schuldnereigentum abzustellen (ebenso Hager, in: FS Canaris, 1, 13 f.; Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 33; vgl. auch Bruns/ Peters, ZVR, S. 159). 584 Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 32 m.w.N. 585 Vgl. auch die ausführliche Darstellung von Huber, Versteigerung, S. 149 ff., der zum gleichen Ergebnis gelangt. 583
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
lücke fehlt. Das beabsichtigte Ergebnis der Analogie, nämlich der Ausschluss eines bösgläubigen Eigentumserwerbs, ist vom möglichen Wortlaut des § 817 Abs. 2 ZPO gedeckt.
III. Rückübereignungsanspruch aus § 826 BGB Zuletzt wird von Teilen der Literatur586 vertreten, dass dem Dritteigentümer nach der Verwertung ein Rückübereignungsanspruch gegen den Ersteigerer aus §§ 826, 249 Abs. 1 BGB zusteht, wenn dieser positive Kenntnis von der Schuldnerfremdheit der Sache hatte. Zwar besteht Einigkeit darüber, dass der Dritteigentümer nach der Versteigerung seines Eigentums keine Ansprüche gegen den Ersteigerer aus den §§ 985, 1007, 823 oder 812 ff. BGB hat.587 Dass gleichwohl ein Anspruch aus § 826 BGB in Betracht kommen kann, bestätigt insbesondere eine Entscheidung des BGH588 aus dem Jahre 1978. Hier wurde nach erfolgter Grundstücksversteigerung zwar keinem Dritteigentümer, wohl aber einer nachrangigen Grundpfandrechtsinhaberin ein Anspruch aus § 826 BGB gegen den Erwerber zuerkannt, weil dieser unter kollusivem Zusammenwirken mit der Schuldnerin und unter Ausnutzung der damals missbrauchsanfälligen Rechtslage – es galt noch das in §§ 60, 61 ZVG a.F. verankerte „Zielerprinzip“ – den Bieterwettbewerb faktisch ausschaltete, um sich zum Nachteil der übrigen an der Versteigerung Beteiligten einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Auch die Literatur geht, häufig mit Verweis auf das genannte Urteil, von der grundsätzlichen Möglichkeit eines Anspruchs nach § 826 BGB in Ausnahmefällen aus.589
586
Piekenbrock/Kienle, Examinatorium, Rn. 389, 398; Schmitt-Kästner, Schranken der Rechtsausübung, S. 185 f.; Behrendt, Verfügungen, S. 64; vgl. zudem die Nachweise in Fn. 589. 587 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 54. 588 BGHZ 72, 234 f.; vgl. auch RGZ 69, 277, 279 ff.; BGH WM 1955, 189, 191 f.; NJW 1961, 1012, 1013; aktuell BGH, Urt. v. 22. Februar 2019 – V ZR 244/17, Rn. 23 ff. (Rn. nach juris; Urteil verkürzt wiedergegeben in MDR 2019, 1088 f.). Die Frage nach einer sittenwidrigen Schädigung durch einen bösgläubigen Ersteigerer wird allerdings in keiner der Entscheidungen behandelt. 589 Vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 54; Schuschke/Walker/Raebel/ Thole, Anhang zu § 771 ZPO Rn. 15 sowie Walker a.a.O. § 817 ZPO Rn. 11; Brox/Walker, ZVR, Rn. 462; Stein/Jonas/Münzberg, § 817 ZPO Rn. 21; Jauernig/Berger, ZVR, § 18 Rn. 21; Stadler/Bensching, Jura 2002, 438, 443; Walker, in: FS Stürner, 829, 843; Raue, Enteignungsbegriff, S. 39 f.
C. Weitere Lösungsansätze
215
1. Tatbestand des § 826 BGB a) Sittenwidrige Handlung Bei dem Eigentum des Dritten handelt es sich um ein von der Norm geschütztes Rechtsgut.590 Fraglich ist aber, ob das Verhalten des bösgläubigen Ersteigerers gegen die guten Sitten verstößt. Nach der heute allgemein anerkannten Anstandsformel ist dies zu bejahen, wenn die Handlung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.591 Für eine solche Feststellung ist stets eine Würdigung aller Umstände im konkreten Einzelfall erforderlich.592 Die Rechtsprechung hat diese eher konturlose593 Formel dahingehend präzisiert, dass der Handlung eine besondere Verwerflichkeit anhaften muss, wobei sich diese „aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann“594. Das von dem Ersteigerer eingesetzte Mittel – die Teilnahme an der Versteigerung, einschließlich der Abgabe seines Gebotes – ist formal von der Rechtsordnung gedeckt und daher nicht rechtswidrig. Dies ist für § 826 BGB allerdings nicht entscheidend,595 denn die Rechtsordnung erlaubt nur einen solchen Gebrauch der von ihr zur Verfügung gestellten Rechte, der mit den guten Sitten vereinbar ist.596 Gleichwohl ist dem eingesetzten Mittel kein Unwertgehalt beizumessen, der eine Sittenwidrigkeit begründen könnte. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der übrigen Faktoren. Wer es sich wissentlich zunutze macht, dass sich die Staatsgewalt versehentlich gegen Vermögenswerte eines Unbeteiligten richtet, um daraus einen persönlichen Vorteil zu ziehen, der verfolgt nicht nur ein unlauteres Ziel, sondern bringt zugleich eine verwerfliche Gesinnung, insbesondere eine mangelnde Anerkennung der privatrechtlichen Güterzuordnung, zum Ausdruck. Die dadurch eingetretene Folge des vollständigen Eigentumsverlustes wiegt für 590
Vgl. nur BeckOK-BGB/Förster, § 826 BGB Rn. 25. BeckOK-BGB/Förster, § 826 BGB Rn. 10. 592 HK-BGB/Ansgar/Staudinger, § 826 BGB Rn. 7. 593 Wagner kritisiert die Formel als „klassische Leerformel“ (MüKo-BGB/Wagner, § 826 BGB Rn. 10). 594 BGH NJW 2014, 1380, Rn. 8; ständige Rechtsprechung, siehe etwa BGH NJW 2017, 2613, Rn. 16; 2014, 1098, Rn. 23; NJW-RR 2013, 1448, Rn. 14, jeweils m.w.N.; vgl. auch BeckOK-BGB/Förster, § 826 BGB Rn. 19 m.w.N. 595 BeckOK-BGB/Förster, § 826 BGB Rn. 26. Nach a.A. soll die Sittenwidrigkeit stets die Rechtswidrigkeit implizieren (Jauernig/Teichmann, § 826 BGB Rn. 9; HK-BGB/Ansgar/Staudinger, § 826 BGB Rn. 8; Palandt/Sprau, § 826 Rn. 1). In der Sache ergeben sich hieraus keine Unterschiede. 596 BGHZ 3, 94, 103; 72, 234, 235. Vgl. auch BGH, Urt. v. 22. Februar 2019 – V ZR 244/17, Rn. 32 (Rn. nach juris; Urteil verkürzt wiedergegeben in MDR 2019, 1088 f.) mit Verweis auf BGHZ 172, 218, Rn. 12. 591
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
den Dritten schwer, zumal er keine Möglichkeit hat, diesen wieder umzukehren. Der Umstand, dass der Ersteigerer eine Gegenleistung in Form der Gebotszahlung erbringen muss, fällt dabei nicht wesentlich ins Gewicht, weil dieser oft hinter dem wirtschaftlichen Wert des Versteigerungsobjekts zurückbleibt, das ideelle Interesse des Dritten daran nicht berücksichtigt wird und der Erlös im Übrigen nicht dem Dritten, sondern zunächst dem Gläubiger zugutekommt. Für die Geltendmachung seines Regressanspruchs trägt der Dritteigentümer das Prozess- und Bonitätsrisiko.597 Ob die genannten Umstände insgesamt eine besondere Verwerflichkeit zu begründen vermögen, erscheint gleichwohl vor dem Hintergrund zweifelhaft, dass in der Literatur für die Bejahung einer Sittenwidrigkeit in der hiesigen Konstellation neben der Bösgläubigkeit des Ersteigerers mehrheitlich das Hinzutreten weiterer Umstände gefordert wird.598 Einschlägige Rechtsprechung konkret zum vorliegenden Fall ist, soweit ersichtlich, nicht vorhanden. Auch die anerkannten Fallgruppen,599 in denen eine sittenwidrige Schädigung regelmäßig vorliegt, geben wenig Aufschluss. Es erscheint jedoch gut vertretbar, in der hiesigen Konstellation auch ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ein sittenwidriges Verhalten des Ersteigerers zu bejahen. b) Kausalität und Vorsatz Problematisch ist jedoch die haftungsbegründende Kausalität zwischen der sittenwidrigen Handlung und dem Eintritt des Schadens. Zwar ist das Gebot des Ersteigerers in jedem Fall dafür kausal, dass er Eigentum an dem Versteigerungsobjekt erwirbt. Der Schaden des Dritten besteht jedoch nicht im Eigentumserwerb des Ersteigerers, sondern allein in seinem eigenen Eigentumsverlust. Für diesen Eigentumsverlust ist die Handlung des Ersteigerers jedoch nur dann kausal, wenn er der einzige Bieter war. Sobald auch nur ein weiterer Mitbieter hinzutritt, wäre der Eigentumsverlust des Dritteigentümers auch ohne das Zutun des Ersteigerers eingetreten – der Mitbieter hätte den Zuschlag erhalten und das Versteigerungsobjekt wäre an ihn abgeliefert worden. Das Gebot des bösgläubigen Ersteigerers ist in diesem Fall nicht nur keine Kausalbedingung im Sinne einer Conditio sine qua non, es erweist sich 597 Hier kommen erneut die oben (2. Teil D. II. 2. c) cc)) behandelten Wertungsgesichtspunkte zur Anwendung. 598 So etwa Schuschke/Walker/Raebel/Thole, Anhang zu § 771 ZPO Rn. 15: „Der Ersteher des Gegenstands haftet nur ausnahmsweise nach § 826 BGB, wenn er bewusst mit dem Gläubiger oder dem Schuldner zusammengearbeitet hat, um in Kenntnis des Dritteigentums den Gegenstand in der Versteigerung zu erwerben“; dahingehend auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 54; siehe ferner Jauernig/Berger, ZVR, § 18 Rn. 21; Brox/Walker, ZVR, Rn. 411, 462; Walker, in: FS Stürner, 829, 843; Raue, Enteignungsbegriff, S. 39 f. 599 Übersichtlich MüKo-BGB/Wagner, § 826 BGB Rn. 64 ff.
C. Weitere Lösungsansätze
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sogar als schadensmindernd, da der Dritteigentümer aufgrund des höheren Gebotes zumindest einen höheren Kondiktionsanspruch geltend machen kann. Da davon auszugehen ist, dass sich bei den meisten Zwangsversteigerungen mehrere Bieter beteiligen, dürfte der Tatbestand regelmäßig nicht erfüllt sein. In den übrigen Fällen ist die Kausalität gegeben. Der Ersteigerer handelt auch vorsätzlich, wenn er positive Kenntnis von dem bestehenden Dritteigentum hat.600 2. Rechtsfolge: Naturalrestitution durch Rückübereignung Sofern die Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen, ist der Ersteigerer zur Leistung von Schadensersatz nach §§ 249 ff. BGB verpflichtet. Nach dem Grundsatz des § 249 Abs. 1 BGB hat er den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (Naturalrestitution). Hat das schädigende Ereignis zu einer Eigentumsübertragung geführt, so besteht die Naturalrestitution in der Rückübereignung der Sache. Zwar besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass das Eigentumsrecht des Dritten hoheitlich zum Erlöschen gebracht und zugleich originäres Eigentum des Ersteigerers begründet wurde. Dadurch ergibt sich jedoch keine abweichende Rechtsfolge, da auch in diesem Fall der ursprüngliche Zustand durch eine Übereignung (nur dass es sich hier nicht um eine Rückübereignung im eigentlichen Sinne handelt) wiederhergestellt werden kann. 3. Zwischenergebnis Auch wenn man, wie hier vertreten, das Verhalten des Ersteigerers als sittenwidrige Schädigung qualifiziert, so ist ein Anspruch aus § 826 BGB dennoch nur in der wohl überschaubaren Anzahl von Fällen gegeben, in denen der Ersteigerer positive Kenntnis von der Schuldnerfremdheit der Sache hat und (kumulativ) als einziger Bieter an der Versteigerung teilgenommen hat. In diesen Fällen führt der Anspruch zwar zu dem wünschenswerten Ergebnis, dass letztlich der privatrechtliche Soll-Zustand wiederhergestellt wird (wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass der Dritteigentümer das Prozessrisiko trägt). Abgesehen davon, dass der Anspruch eben nur in bestimmten Fällen besteht, hilft dieser jedoch nicht darüber hinweg, dass der Dritteigentümer zunächst sein Eigentum verliert, und zwar durch einen grundrechtswidrigen Hoheitsakt. Diese Rechtsfolge gänzlich zu vermeiden wäre aus rechtsstaatlicher Sicht vorzugswürdig. 600 Der Vorsatz des Schädigers muss sich nach der h.M. nicht auf die Sittenwidrigkeit seines Handelns, sondern nur auf die tatsächlichen, die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände und auf den Schaden beziehen (Staudinger/Oechsler, § 826 BGB Rn. 61 ff.).
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
D. Eigener Lösungsansatz Nachdem vorstehend diverse Ansätze diskutiert wurden, soll nunmehr eine eigene Stellungnahme zum Umgang mit der verfassungsrechtlichen Problematik der Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer erfolgen. Dabei wird unter I. zunächst die Frage behandelt, welche Auswirkungen sich aus der festgestellten Verfassungswidrigkeit der Ablieferung auf abstrakt-genereller Ebene, mithin für § 817 Abs. 2 ZPO, ergeben. Sodann sind die Konsequenzen auf der Einzelaktebene zu erörtern (II.).
I. Abstrakt-generelle Ebene § 817 Abs. 2 ZPO stellt die Ermächtigungsgrundlage für die Ablieferung durch den Gerichtsvollzieher dar. Die allgemeine Meinung versteht den undifferenzierten Norminhalt dahingehend, dass die Eigentumsübertragung von keinerlei Bedingungen abhängig ist, mithin auch der Erwerb seitens eines bösgläubigen Ersteigerers zugelassen wird. Der Umstand, dass die Ablieferung schuldnerfremden Eigentums an einen bösgläubigen Ersteigerer verfassungswidrig ist, wirft angesichts dessen die Frage auf, ob es sich bei § 817 Abs. 2 ZPO um eine verfassungswidrige Norm handelt – in diesem Fall wäre sie nichtig.601 1. Verfassungswidrigkeit des § 817 Abs. 2 ZPO Wie beim Ablieferungsakt selbst ist allein die Verhältnismäßigkeit der Norm – nach dem Verständnis der allgemeinen Meinung – fraglich. Die obigen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Ablieferung602 lassen sich dabei weitestgehend auf die des § 817 Abs. 2 ZPO übertragen. Allein im Rahmen der Erforderlichkeit lässt sich auf abstrakt-genereller Ebene zusätzlich überlegen, ob ein gänzlicher Eigentumsverlust an dem Vollstreckungsobjekt zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung erforderlich ist.603 Als milderes Mittel käme eine Verwertung durch zwangsweise Gebrauchsüberlassung der Sache bis zur Befriedigung des Gläubigers, entsprechend der Zwangsverwaltung im Rahmen der Immobiliarvollstreckung, in Betracht. Auch könnte man erwägen, von wirtschaftlich gleichwertigen Sachen nur die Vollstreckung in diejenige zuzulassen, die für den Eigentümer den geringsten individuellen Wert604 hat. Beides wäre jedoch evident mit einem erheblichen 601
Zum sog. Nichtigkeitsdogma später noch unter D. II. 2. a) cc). S.o. 2. Teil D. II. 2. 603 Zum gesamten Absatz Raue, Enteignungsbegriff, S. 32 f. 604 Hierzu wären jedenfalls der Gebrauchswert sowie das ideelle Interesse zu berücksichtigen. 602
D. Eigener Lösungsansatz
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Mehraufwand und dem daraus resultierenden Zeitverlust verbunden. Durch diese Mittel kann der verfolgte Zweck daher nicht gleichermaßen effektiv gefördert werden. Im Übrigen muss die Verhältnismäßigkeit des § 817 Abs. 2 ZPO nach Lesart der allgemeinen Meinung letztlich aus den genannten Gründen an der mangelnden Angemessenheit der Regelung scheitern. Die Verhältnismäßigkeit lässt sich hier auch nicht mit einem Verweis auf den gesetzgeberischen Beurteilungsspielraum „retten“.605 Denn einerseits ist zu beachten, dass der bösgläubige Erwerb überhaupt nicht auf den Erwägungen des Gesetzgebers beruht.606 Der historische Gesetzgeber ging vielmehr von einer privatrechtlichen Verwertung und damit gerade nicht von der Möglichkeit des Erwerbs durch einen bösgläubigen Ersteigerer aus.607 Dessen ungeachtet wäre jedoch auch der gesetzgeberische Beurteilungsspielraum überschritten: Die gegen die Zulassung des bösgläubigen Erwerbs streitenden Sachgründe sind derart schwerwiegend, dass die Regelung eines bedingungslosen Rechtserwerbs schlichtweg unvertretbar ist.608 2. Teleologische Auslegung des § 817 Abs. 2 ZPO Zur Vermeidung des mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einhergehenden Nichtigkeitsverdiktes zu § 817 Abs. 2 ZPO kommt jedoch eine von der allgemeinen Meinung abweichende, teleologische Auslegung der Norm in Betracht. a) Gebot der verfassungskonformen Auslegung Die teleologische als eine der vier klassischen Auslegungsmethoden erforscht den Zweck (Telos) der Norm und schließt auf dieser Grundlage auf ihren Sinn.609 Wie bereits zuvor erwähnt, sucht die teleologische Auslegung den 605
Dahingehend aber Raue, Enteignungsbegriff, S. 40. Zum Nachfolgenden Müller, Ablieferung, S. 169. 607 Daran ändert auch nichts, dass der moderne Gesetzgeber den hoheitlichen Charakter der Ablieferung mittlerweile anerkannt hat (s.o. A. II. 3. a) aa) (3)), da mit der schlichten Anerkennung keinerlei Ermessensausübung verbunden war. 608 So auch Müller, Ablieferung, S. 169. Mitunter wird denn auch – obgleich die verfassungsrechtliche Diskussion sich regelmäßig auf die Einzelaktebene beschränkt und bezüglich der abstrakt-generellen Ebene überwiegend Schweigen herrscht – ein unmittelbarer Verstoß des § 817 Abs. 2 ZPO gegen Art. 14, 19 Abs. 4 GG und daher die Nichtigkeit der Ermächtigungsgrundlage konstatiert (Pesch, JR 1993, 358, 361; i.E. auch Marotzke, NJW 1978, 133, 135 f.). Auch aufgrund dieses Befundes müsse die Verwertungsbefugnis aus dem Pfändungspfandrecht abgeleitet werden, weshalb die Autoren die privatrechtliche Theorie befürworten. 609 Engisch, Einführung, S. 110. Wenn, wie häufig, von einer Auslegung nach „Sinn und Zweck“ gesprochen wird (vgl. Adrian, Grundprobleme, S. 395; RGZ 142, 36, 40; BGHZ 606
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Zweck einer Norm durch vernünftige, angemessene und zweckmäßige Erwägungen zu ergründen.610 Dazu zählt, neben anderen Kriterien wie etwa der Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit anderen Teilen der Rechtsordnung, der Verwirklichung rechtsethischer Prinzipien und Grundsätze,611 der „Natur der Sache“, dem Gleichheitssatz, den Sachstrukturen des Normbereichs, anerkannten gesellschaftlichen Wertungen oder auch politisch-weltanschaulichen Postulaten,612 auch der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung.613 Nach diesem ist eine Norm, bei der mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen, von denen eine zur Verfassungswidrigkeit, eine andere zur Verfassungsmäßigkeit der Norm führen würde, stets im letzteren Sinne auszulegen.614 Indem eine Norm dadurch von der unerwünschten Nichtigkeit 17, 266, 276; 18, 44, 49), so ist dies unpräzise. Anschaulich hierzu Höhn, Gesetzesauslegung, S. 217 f.: „Der Norm-Zweck (,telos‘) ist das Verhalten, das der Staat mit der in der Norm getroffenen Anordnung erreichen will. Er ist ein Kriterium zur Ermittlung des Norm-Sinns. Der Norm-Sinn ist die Bedeutung (bzw. der Inhalt) der Norm, d.h. das, was die Norm tatsächlich anordnet, auch wenn damit der beabsichtigte Zweck nicht erreicht wird. Der Norm-Sinn ist das Ziel der Auslegungstätigkeit; die Auslegung soll den Inhalt der Norm ermitteln. Norm-Zweck und Norm-Sinn können übereinstimmen; sie müssen es jedoch nicht. Der Norm-Zweck kann über den Norm-Sinn (-Inhalt) hinausgehen und umgekehrt.“ 610 S.o. A. II. 3. a) aa) (2). Mit teleologischer Auslegung ist hier die objektiv-teleologische Auslegung gemeint. 611 Adrian, Grundprobleme, S. 395; Larenz, Methodenlehre, S. 333 ff. 612 Vgl. Hassold, in: FS Larenz, 211, 228; Deckert, Rechtsanwendung, S. 46. 613 Nach hiesiger Ansicht ist das Gebot verfassungskonformer Auslegung methodisch der teleologischen Auslegung zuzuordnen (ebenso Adrian, Grundprobleme, S. 868 ff.; Looschelders/Roth, Methodik, S. 177 ff.; Deckert, Rechtsanwendung, S. 46; Baumann, Einführung, S. 110; Hassold, in: FS Larenz, 211, 234, der die verfassungskonforme Auslegung jedoch zugleich auch der systematischen Auslegung zuschlagen will; so auch Bogs, Verfassungskonforme Auslegung, S. 25 f.) Nach anderer, ebenso gut vertretbarer Ansicht wird die verfassungskonforme Auslegung als Unterfall der systematischen Auslegung behandelt – so etwa Palandt/Grüneberg, Einl. Rn. 42; Beaucamp/Treder, Rechtsanwendung, Rn. 154; MüKo-BGB/Säcker, Einl. Rn. 140 ff. m.w.N.; BVerfGE 2, 266, 282 – „Notaufnahmegesetz“; 27, 142, 151; 92, 140, 153 – „Sonderkündigung“. Nach a.A. stellt die verfassungskonforme Auslegung tatsächlich gar keine Auslegung dar, sondern eine vorgezogene Normenkontrolle (in diesem Sinne Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 180; Bettermann, Verfassungskonforme Auslegung, S. 22; für eine eigenständige Funktion ebenfalls Reimer, Methodenlehre, Rn. 630). Der Sache nach ergibt sich daraus jedoch kein Unterschied, da der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung an sich allgemein anerkannt ist (vgl. Geis, NVwZ 1992, 1025, 1026; Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 1; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 184). 614 Larenz, Methodenlehre, S. 339; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 175; Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 1. Die Verbindlichkeit dieses Grundsatzes stellte das BVerfG immer wieder heraus (siehe nur BVerfGE 2, 266, 282 – „Notaufnahmegesetz“; 14, 56, 73 – „Gemeindegerichtsbarkeit“; 18, 18, 34 – „Hausgehilfinnenverband“; 33, 52, 65 – „Zensur“). Zur rechtstheoretischen Begründung eingehend Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 184 ff.
D. Eigener Lösungsansatz
221
verschont bleibt, dient das Gebot der verfassungskonformen Auslegung sowohl der Rechtssicherheit615 als auch dem Schutz der Autonomie des Gesetzgebers.616 Allerdings erweist sich der letztgenannte Aspekt als ambivalent: Zwar kommt die Erhaltung von Rechtssätzen dem Gesetzgeber grundsätzlich zugute, gleichzeitig besteht jedoch die Gefahr, dass durch eine allzu starke Deformierung des Inhalts durch die Rechtsprechung eine Norm entsteht, die der Gesetzgeber nie erlassen wollte.617 In Anbetracht dessen ist auch eine verfassungskonforme Auslegung nicht unbegrenzt möglich. b) Wortlaut als Auslegungsgrenze So gilt es zu berücksichtigen, dass sich eine verfassungskonforme Auslegung stets noch im Rahmen des möglichen Wortlauts der Norm (in deren „Unschärfebereich“) bewegen muss.618 Bei einer Überschreitung des möglichen Wortlautes kommt nicht mehr eine Auslegung, sondern nur noch eine Rechtsfortbildung in Betracht.619 Zum äußerst vagen Wortlaut des § 817 Abs. 2 ZPO wurde bereits zuvor ausgeführt.620 Er lässt durchaus eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend zu, dass eine Ablieferung nur in jenen Fällen erfolgt, in denen es sich bei dem Pfandobjekt um schuldnereigenes Eigentum handelt oder der Ersteigerer gutgläubig ist. Durch eine solche Auslegung wird ein Verstoß gegen Art. 14 und Art. 19 Abs. 4 GG vermieden, weswegen ihr vor jeder anderen Auslegung der Vorzug zu geben ist. c) Wille des Gesetzgebers als Auslegungsgrenze Nach h.M., insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG, gilt als zusätzliche Grenze der verfassungskonformen Auslegung ein klarer entgegenstehender Wille des Gesetzgebers, sofern sich ein solcher aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt. Die Überwindung eines solchen Willens sei 615
Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 191 f., 196. Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 9 f. 617 Schnelle, Fehlerfolgenlehre, S. 170. 618 Beaucamp/Treder, Rechtsanwendung, Rn. 154; MSKB/Bethge, 56. EL, 2/2019, § 31 BVerfGG Rn. 265; MüKo-BGB/Säcker, Einl. Rn. 142; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 193 f.; Hassold, in: FS Larenz, 211, 234 f.; Schnelle, Fehlerfolgenlehre, S. 171; Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 12; Stern, NJW 1958, 1435; Reimer, Methodenlehre, Rn. 635; BVerfGE 99, 341, 358 – „Testierausschluss Taubstummer“; 101, 312, 329 – „Versäumnisurteil“; 101, 397, 408 – „Nachlasspfleger“; 119, 247, 274 – „Teilzeitbeamter“; 130, 372, 398 – „Maßregelvollzugszeiten“. 619 Hassold, in: FS Larenz, 211, 233. Die Übergänge zwischen teleologischer Auslegung und teleologischer Reduktion als Mittel der Rechtsfortbildung können jedoch fließend sein, vgl. Brandenburg, Reduktion, S. 2. 620 S.o. C. II. 3. b) bb) (1). 616
222
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
ebenfalls nur im Wege der Rechtsfortbildung möglich.621 Eine derartige Begrenzung der verfassungskonformen Auslegung muss angesichts der hier befürworteten622 objektiven Theorie der Gesetzesauslegung auf Bedenken stoßen. Darauf kommt es aber letztlich nicht an. Denn der historische Gesetzgeber ging von einer privatrechtlichen Verwertung aus, wonach ein bösgläubiger Erwerb von Dritteigentum nicht stattfand – die verfassungskonforme Auslegung entspricht damit gerade dem Willen des historischen Gesetzgebers. Selbst wenn man abweichend auf den Willen des modernen Gesetzgebers abstellen wollte, der die Verwertung gem. den Gesetzgebungsmaterialien als hoheitlichen Akt ansieht, würde daraus nichts anderes folgen. Denn zu einer Bedingungslosigkeit der Ablieferung hat sich der moderne Gesetzgeber schlichtweg keine Gedanken gemacht, ihm kann auch kein „beredtes Schweigen“ unterstellt werden. Auch insoweit stünde also kein klarer gesetzgeberischer Wille entgegen. d) Zwischenergebnis Methodisch ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 817 Abs. 2 ZPO möglich und geboten. Zu untersuchen bleibt allerdings, ob eine solche Auslegung mit der rechtsgestaltenden Wirkung und der hoheitlichen Rechtsnatur der Ablieferung vereinbar ist. 3. Vereinbarkeit mit der rechtsgestaltenden Wirkung der Ablieferung Der Ausschluss des bösgläubigen Eigentumserwerbs könnte deshalb auf Bedenken stoßen, weil privatrechtliche Gestaltungsrechte (z.B. Anfechtung, Rücktritt oder Kündigung) nach h.M. generell nicht bedingt oder befristet ausgeübt und nicht widerrufen werden können.623 Diese Dogmen sollen Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass dem Gestaltungsgegner ein Schwebezustand zugemutet wird.624 Die Abhängigkeit des Rechtserwerbs 621 MüKo-BGB/Säcker, Einl. Rn. 142; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 193 f.; Hassold, in: FS Larenz, 211, 234 f.; MSKB/Bethge, 56. EL, 2/2019, § 31 BVerfGG Rn. 265; Schnelle, Fehlerfolgenlehre, S. 170 f.; Stern, NJW 1958, 1435; BVerfGE 67, 382, 390 – „Personalratswahl“; 71, 81, 105 – „Arbeitnehmerkammern Bremen“; 93, 37, 79 – „Einigungsstelle“; 101, 312, 329 – „Versäumnisurteil“; 130, 372, 398 – „Maßregelvollzugszeiten“; dagegen etwa Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 12. Nach a.A. ergibt sich die Grenze der verfassungskonformen Auslegung aus der Anwendung sämtlicher klassischen Auslegungsmethoden (Rieger, NVwZ 2003, 17, 21; vgl. Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 12). Sieht man den Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung selbst als Teil der teleologischen (wie hier vertreten) bzw. der systematischen Auslegung an, ist die letztgenannte Ansicht jedoch zirkulär. 622 S.o. A. II. 3. a) aa) (3). 623 Hattenhauer, Rechtsgestaltung, S. 283, 306 f. m.w.N., der sich selbst jedoch gegen die genannten Dogmen stellt (S. 303 f., 400 ff.) 624 Hattenhauer, Rechtsgestaltung, S. 255.
D. Eigener Lösungsansatz
223
durch die Ablieferung von der Gutgläubigkeit des Ersteigerers führt zwar zu keinem Schwebezustand, sie ist aber zweifellos der Rechtssicherheit abträglich. Dies steht der Auslegung jedoch nicht entgegen. Zu beachten ist nämlich, dass sich die genannten Dogmen im Privatrecht herausgebildet haben und demnach von der Situation ausgehen, dass ein Privatrechtssubjekt einem anderen gegenüber sein Gestaltungsrecht ausübt und damit gestaltend auf das Rechtsverhältnis zwischen beiden einwirkt. Die Dogmen basieren dabei auf der Annahme, dass durch die Ausübung des Gestaltungsrechts Rechtswirkungen ohne den Willen des Gestaltungsgegners eintreten625 – aus diesem Grund wird dem Gestaltungsgegner ein besonderer Schutz zuerkannt. So nachvollziehbar diese Erwägung auch ist, so wenig lässt sie sich auf den Ablieferungsakt übertragen. Schließlich nimmt der Gerichtsvollzieher den rechtsgestaltenden Ablieferungsakt nicht ohne, sondern gerade mit dem Willen des Ersteigerers vor. Der Erwerbswille des Ersteigerers manifestiert sich dabei in seinem abgegebenen Gebot,626 das – mittelbar627 – auf den Eigentumserwerb durch Ablieferung gerichtet ist. Auch wenn die Ablieferung für sich betrachtet einen privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt darstellt, handelt es sich daher bei dem Verwertungsvorgang der Sache nach um ein konsensuales Austauschgeschäft. Ein besonderes Schutzbedürfnis des Ersteigerers besteht daher nicht. 4. Vereinbarkeit mit der hoheitlichen Rechtsnatur der Ablieferung Die andere Frage, ob eine Abhängigkeit der Wirksamkeit der Ablieferung von der Gutgläubigkeit des Ersteigerers mit dem hoheitlichen Charakter der Ablieferung vereinbar ist, wird von der h.M. verneint. Repräsentativ erklärte schon Schwinge: „Wer einmal erkannt hat, daß Pfändung und Versteigerung Staatshoheitsakte sind, […] wird den Erwerb des versteigerten Gegenstands durch den Ersteher von dessen Gutgläubigkeit unabhängig stellen.“628 Man geht gemeinhin davon aus, dass die materielle Rechtslage für die Wirksamkeit der hoheitlichen Eigentumsübertragung gänzlich irrelevant ist. Doch woher stammt diese Überzeugung? Eine Begründung findet sich in aller Regel nicht. Die Wirksamkeit des Eigentumserwerbs ungeachtet der materiellen Rechtslage scheint schlichtweg der hoheitlichen Rechtsnatur geschuldet. Dem ist näher nachzugehen.
625
Vgl. Tuhr, Allgemeiner Teil II, S. 209; Hattenhauer, Rechtsgestaltung, S. 255. Lüke, ZZP 67 (1954), 356, 368 f. 627 Unmittelbar ist das Gebot auf die Erteilung des Zuschlags gerichtet. 628 Schwinge, Staatsakt, S. 108. Vgl. auch Lüke, AcP 153 (1954), 533, 546 (durch die Behandlung der Übereignung als Staatsakt werde diese von der Gutgläubigkeit des Ersteigerers unabhängig gemacht). 626
224
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
a) Lehre vom originären Eigentumserwerb Das dogmatische Fundament dieser Annahme ist die Lehre vom originären Eigentumserwerb. Diese beschäftigt sich mit der Frage der Wirkungen eigentumsgestaltender Hoheitsakte und beantwortet sie dahingehend, dass kein derivativer Erwerb des Rechts des Voreigentümers auf den Erwerber stattfindet, sondern dass das Recht des Voreigentümers erlischt und neues (originäres) Eigentum beim Erwerber entsteht.629 Ziel des Staatsaktes sei dabei allein die Schaffung des originären Eigentums, das Erlöschen des Rechts beim Voreigentümer stelle dagegen lediglich eine notwendige Nebenfolge dar. Daraus folgert man, dass für die Wirksamkeit des Hoheitsaktes die materielle Rechtslage unbeachtlich sei – die Rechtsfolge trete auch dann ein, wenn der Voreigentümer an dem Verfahren nicht beteiligt ist. Entwickelt wurde diese Lehre im Enteignungsrecht. Die Enteignung wurde – ähnlich der Ablieferung – ursprünglich als rechtsgeschäftlicher Vorgang verstanden. Der Enteignungsbeschluss ersetzte die fehlende Willenserklärung des Eigentümers und führte zu einem Zwangsverkauf, aufgrund dessen der Eigentümer zur Übertragung seines Eigentums verpflichtet war.630 Der Eigentumsübergang selbst erfolgte erst durch den dinglichen Vollzug dieser Verpflichtung. Zu diesem Vollzug bedurfte es der Mitwirkung des bisherigen, tatsächlichen Eigentümers, sodass die Wirksamkeit der Enteignung von der materiellen Rechtslage abhing. Dieses Rechtsverständnis änderte sich unter dem Einfluss Labands.631 Dieser zog den Eigentumsübergang kraft Rechtsgeschäft in Zweifel und propagierte stattdessen einen öffentlich-rechtlichen Eigentumsübergang.632 Die Grundsätze des rechtsgeschäftlichen Erwerbs seien auf die Enteignung nicht anwendbar, da das Recht des Voreigentümers nicht übertragen werde, sondern kraft öffentlichen Rechts erlösche. Ohne eine weitergehende Erklärung konstatierte er, die Beteiligung des Eigentümers an dem Verfahren sei für die Wirksamkeit der Enteignung ohne Belang.633 Seine These fand schnell Anklang634 und sorgte etwa dafür, dass § 44 des Preußischen Enteignungsgesetzes nunmehr dahingehend ausgelegt wurde, dass nicht mehr eine Zustellung des Enteignungsbeschlusses an den tatsächlichen Eigentümer für die Wirksamkeit der Enteignung erforderlich sein sollte, sondern nur noch die Zustellung an denjenigen, der im Verfahren 629
Zum Nachfolgenden Huber, Versteigerung, S. 31 ff. Laband, AcP 52 (1869), 151, 171; vgl. auch Bürckner, Staatsakt, S. 113; Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 23. Nach a.A. löste der Enteignungsbeschluss eine „Zustandsobligation“ des Eigentümers aus, welche sich aber inhaltlich von der Verpflichtung aus einem (Zwangs-)Kauf nicht unterscheide (so Meyer, Expropriation, S. 184 ff.). 631 Laband, AcP 52 (1869), 151, 174 ff., passim. 632 Laband, AcP 52 (1869), 151, 178. 633 Laband, AcP 52 (1869), 151, 174 ff. 634 Vgl. nur RGZ 61, 102; Rouquette, JW 1938, 899. 630
D. Eigener Lösungsansatz
225
als Eigentümer auftritt.635 Die materielle Rechtslage war nunmehr für die Wirksamkeit der Enteignung nicht mehr relevant. Die Lehre vom originären Eigentumserwerb wurde mit der Abkehr von der privatrechtlichen Theorie hin zur gemischten Theorie auf den Ablieferungsakt übertragen.636 Die Frage der Unbeachtlichkeit der materiellen Rechtslage nach dem heutigen Verständnis der Verwertung ist daher an der Überzeugungskraft der Lehre vom originären Eigentumserwerb zu messen. b) Kritische Würdigung Auffallend ist zunächst, dass es nicht nur an einer tragfähigen, sondern überhaupt an einer Begründung für die Unbeachtlichkeit der materiellen Rechtslage mangelt: Es wird lediglich konstatiert, dass es sich bei der Enteignung um eine absolute, dingliche Verfügung handele.637 Die Unbeachtlichkeit der materiellen Rechtslage wird mit Verweis auf den originären Erwerb schlichtweg behauptet. Damit beruht die Lehre vom originären Eigentumserwerb jedoch auf einer Inversion, eine sachliche Feststellung soll aus einer terminologischen hergeleitet werden.638 Methodisch geboten wäre das Gegenteil: Aufgrund des Beweises, dass die materielle Rechtslage unbeachtlich ist, könnte eine Einordnung des Rechtserwerbs als originär erfolgen.639 Belastbare Ausführungen in diesem Sinne sucht man jedoch vergeblich. Zwar schickte sich Jellinek an, den richtigen Weg zu beschreiten, indem er aus der Unbeachtlichkeit auf den originären Erwerb schloss.640 Jedoch lieferte auch er keine Begründung für die Unbeachtlichkeit. Als zirkulär stellen sich demgegenüber die Begründungsversuche Mayers dar, der aus dem originären Eigentumserwerb die Unerheblichkeit der Verfahrensbeteiligung des Voreigentümers folgert, zuvor jedoch aus ebenjener Unerheblichkeit auf das Vorliegen eines originären Eigentumserwerbs schließt.641 Bei genauerer Betrach-
635 Neufang, Grundstücksenteignungsrecht, § 44 GrundEntG Anm. 226; Jellinek, VerwR, S. 407; vgl. auch Meyer/Thiel/Frohberg, Enteignung, § 44 GrundEntG Anm. 4; Koffka, Enteignung, § 44 GrundEntG Rn. 1 ff. 636 Vgl. Rouquette, JW 1938, 899; Mainka, Unterschiede, S. 42; Baur/Schönke, ZVR, § 24 III 1 b); Lüke, Öffentlichrechtliche Theorie, S. 28; Amend, Pfändungspfandrecht S. 51. Der Lehre vom originären Eigentumserwerb folgen letztlich – jedenfalls stillschweigend – alle Vertreter der öffentlich-rechtlichen wie auch der gemischten Theorie, vgl. Huber, Versteigerung, S. 31 (Rn. 8). 637 Zum gesamten Absatz Huber, Versteigerung, S. 34. 638 Brauer/Schneider, Zivilrechtsfall, S. 59 f. 639 Brauer/Schneider, Zivilrechtsfall, S. 61. 640 Jellinek, VerwR, S. 407: „Da die Enteignung gültig ist, auch wenn man sich versehentlich mit einem Nicht-Eigentümer eingelassen hatte, ist der Eigentumsübergang ursprünglicher, nicht abgeleiteter Art.“ 641 Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 25.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
tung erweist sich die Lehre vom originären Eigentumserwerb damit als bloße Behauptung. Schon aus diesem Grund können aus ihr keine Schlüsse gezogen werden. Doch auch ungeachtet dessen kann die Lehre vom originären Eigentumserwerb keinen generellen Aufschluss über eigentumsgestaltende Hoheitsakte geben, da sie nicht verallgemeinerungsfähig ist.642 Als Beleg kann auf die oben durchgeführte Untersuchung zu anderen eigentumsgestaltenden Hoheitsakten verwiesen werden.643 Diese ergab, dass bei der Eigentumsübertragung nach dem BLG, bei der strafrechtlichen Einziehung644 von irrig im Tätereigentum vermuteten Gegenständen sowie nach der ehemaligen HausratsVO die materielle Rechtslage von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit des Eigentumsübergangs ist – steht der Gegenstand nicht im Eigentum des Adressaten des Hoheitsaktes, bleiben dessen Rechtsfolgen aus.645 Der originäre Rechtserwerb ist folglich keineswegs mit der Unbeachtlichkeit der materiellen Rechtslage verbunden. Die heute unter dem Begriff des originären Rechtserwerbs zusammengefassten Fallgruppen zeichnen sich allein durch das negative Merkmal aus, dass der Eigentumsübergang nicht auf dem rechtsgeschäftlichen Willen des Rechtsvorgängers und des Rechtsnachfolgers beruht.646 Nach alledem handelt es sich bei der Lehre vom originären Eigentumserwerb, mit den Worten Hubers, lediglich um „eine durch die dogmengeschichtliche Entwicklung bedingte Hilfskonstruktion zur Überwindung privatrechtlicher Vorstellungen im Enteignungsrecht“647. Erkenntnisse zum Eigentumserwerb durch die Ablieferung lassen sich aus ihr nicht ableiten.
642
Huber, Versteigerung, S. 33 ff. S.o. 3. Teil D. 3. 644 Bei der Einziehung ist die materielle Rechtslage darüber hinaus dadurch von Relevanz, dass gem. § 75 Abs. 2 S. 1 StGB Drittrechte (beschränkt dingliche Rechte sowie sonstige vergleichbare Sicherungsrechte, Schönke/Schröder/Eser/Schuster, § 75 StGB Rn. 7) an dem Einziehungsgegenstand grundsätzlich bestehen bleiben (vgl. Huber, Versteigerung, S. 36 f.). 645 Dieser Umstand wird immerhin vereinzelt zur Kenntnis genommen. Grau zieht daraus jedoch fälschlicherweise den Schluss, dass es sich bei dem Eigentumserwerb nach dem BLG nicht um einen originären Erwerb handeln könne, weil bei einem solchen die Rechtsfolge „ohne Rücksicht auf die wahren Eigentumsverhältnisse“ eintreten müsse (Grau, BLG, Anm. zu § 13 Abs. 2 BLG), anstatt diese Prämisse zu hinterfragen – insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber ausweislich der amtlichen Begründung explizit von einem „originären“ Eigentumserwerb ausging (BT-Drs. 2/1804 S. 28). 646 Baur/Stürner, SachenR, § 53 Rn. 1. Der dortige Zusatz, dass der originäre Rechtserwerb unmittelbar auf dem Gesetz beruhe, geht jedoch fehl, da der Erwerb auch – wie bei der Ablieferung – auf einem Hoheitsakt beruhen kann. Zum Begriff des originären Erwerbs schon oben 1. Teil Fn. 65. 647 Huber, Versteigerung, S. 34. 643
D. Eigener Lösungsansatz
227
c) Unbedenklichkeit subjektiver Wirksamkeitsvoraussetzungen Bedenken könnten sich zuletzt noch im Hinblick darauf ergeben, ob die Wirksamkeit eines Hoheitsaktes von subjektiven, in der Person des vom Hoheitsakt Betroffenen liegenden Voraussetzungen abhängen kann. Diese Frage kann jedoch kurzum bejaht werden. Einerseits hängt die Wirksamkeit von Vollstreckungsakten ohnehin schon von subjektiven Voraussetzungen ab, da stets die Prozessfähigkeit von Gläubiger und Schuldner erforderlich ist.648 Ist diese nicht gegeben, etwa aufgrund einer unerkannten Geisteskrankheit, zeitigt die entsprechende Vollstreckungshandlung keine Wirkung. Für die Wirksamkeit speziell der Ablieferung ist darüber hinaus auch die Prozessfähigkeit des Ersteigerers erforderlich.649 Dass die Wirkung von Hoheitsakten ohne Weiteres auch von der Gutgläubigkeit des Betroffenen abhängen kann, zeigt zudem § 325 Abs. 2 ZPO. Hiernach tritt die Rechtskrafterstreckung des Urteils auf den Rechtsnachfolger einer streitbefangenen Sache dann nicht ein, wenn dieser hinsichtlich der Rechtshängigkeit in gutem Glauben war.650 Konkret zum Gutglaubenserfordernis bei einer vollstreckungsrechtlichen Verwertungshandlung ist im Übrigen das Urteil des RG vom 15.10.1929651 zu beachten. In der Entscheidung ging es um eine Pfandverwertung „in anderer Weise“ nach § 825 Abs. 1 S. 1 ZPO durch gerichtlichen Übereignungsbeschluss und Übergabe des Pfandobjekts durch den Gerichtsvollzieher. Das Gericht erkannte, dass es sich bei dem Übereignungsbeschluss um einen Staatsakt handelt,652 erklärte aber die bürgerlich-rechtlichen Gutglaubensvorschriften ausdrücklich für anwendbar.653 Auch wenn die Entscheidung aufgrund ihrer mangelnden Stringenz in Bezug auf den Übereignungsvorgang654 berechtigte Kritik655 erfahren hat, bezeugt auch sie, dass die hoheitliche Rechtsnatur der Pfandverwertung einer Abhängigkeit vom guten Glauben des Erwerbers nicht entgegensteht.656 648
Mroß, DGVZ 2011, 66; Brox/Walker, ZVR, Rn. 25 (im Einzelnen jedoch str.). Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 25; Stein/Jonas/Würdinger, § 817 ZPO Rn. 23; nach a.A. soll die fehlende Prozessfähigkeit dagegen unbeachtlich sein (Jauernig/Berger, ZVR, § 18 Rn. 19). 650 Die Einzelheiten sind str., siehe Musielak/Voit/Musielak, § 325 ZPO Rn. 23 f. 651 RGZ 126, 21 ff. Zu dieser Entscheidung bereits oben 1. Teil Fn. 83. 652 RGZ 126, 21, 23 f. 653 RGZ 126, 21, 26. 654 Während zunächst von der gerichtlichen „Übereignung“ der Sache die Rede ist (S. 23), behandelt das Gericht den Übereignungsbeschluss auf S. 26 lediglich als Ersatz für die fehlende Einigung. 655 Lüke, ZZP 67 (1954), 356, 364. 656 Siehe zur Möglichkeit der Berücksichtigung des guten Glaubens auch bei hoheitlicher Eigentumsübertragung zudem Huber, Versteigerung, S. 146 ff. (auf diesen verweisend auch Pinger, JR 1973, 94, 96); Behrendt, Verfügungen, S. 45 f. sowie Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 30 f., 35 f. 649
228
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
5. Zwischenergebnis Auf abstrakt-genereller Ebene kann und muss § 817 Abs. 2 ZPO dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass ein Eigentumsübergang durch den Ablieferungsakt im Falle von schuldnerfremdem Eigentum nur dann erfolgt, wenn der Ersteigerer gutgläubig ist. Die Rechtsnatur der Ablieferung als privatrechtsgestaltender Hoheitsakt steht einer solchen Auslegung nicht entgegen.657
II. Einzelaktebene Nunmehr ist zur Einzelaktebene und damit zur Frage zurückzukehren, wie mit der verfassungswidrigen Ablieferung einer schuldnerfremden Sache an einen bösgläubigen Ersteigerer umzugehen ist. 1. Zweifel an der Anwendbarkeit der Nichtigkeitskriterien der h.M. auf die Ablieferung Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass die Ablieferung unter Anwendung des gemeinhin zur Nichtigkeitsbestimmung von Vollstreckungsakten herangezogenen Schwerekriteriums nichtig ist. Ob dessen Anwendung – wie auch jene des bereits aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnten Evidenzkriteriums – speziell auf die Ablieferung sachgemäß ist, ist jedoch zweifelhaft. a) Rechtswidrigkeit nur durch Verfahrensfehler Zu sehen ist einerseits, dass die Diskussion zur Nichtigkeit von Vollstreckungsakten stets unter der Prämisse geführt wird, dass sich eine Rechtswidrigkeit ausschließlich aus der Verletzung von Verfahrensvorschriften, also aus Verfahrensfehlern, ergeben könne.658 Die Frage, wie mit materiellen Fehlern659 umzugehen ist, wird dagegen überhaupt nicht thematisiert. Die Annahme, ein Vollstreckungsakt könne nur bei Verletzung einer Verfahrensvorschrift fehlerhaft sein, hat den Hintergrund, dass die Vollstreckungsorgane wegen des Formalisierungsgrundsatzes nur ebenjene Verfahrensvorschriften 657
Vgl. Behrendt, Verfügungen, S. 54. Vgl. exemplarisch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 8: „Es bedarf deshalb der wertenden Betrachtung der jeweils anzuwendenden Verfahrensnorm, wie ,wesentlich‘ sie für die Wirksamkeit des betreffenden Vollstreckungsakts ist und wie ,schwerwiegend‘ deshalb ihr Mangel ist“ (Hervorhebung durch Verf.); Gaul, NJW 1989, 2509, 2511; Lüke, in: FS Kaufmann, 565, 570 f.; Schwinge, Staatsakt, S. 105 ff.; entgegen allen Huber, Versteigerung, S. 66 ff., der auch dann eine Rechtswidrigkeit bejaht, wenn die Verwertung im Widerspruch zur materiellen Rechtslage steht. 659 Zur Klarstellung: Gemeint ist hier die materielle Fehlerhaftigkeit im öffentlichrechtlichen Sinne, nicht der Verstoß gegen das materielle Recht i.S.d. Privatrechtsordnung. 658
D. Eigener Lösungsansatz
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und nicht die materielle Rechtslage zu prüfen und zu beachten haben.660 Die Ablieferung von Dritteigentum, mithin ein nach der Privatrechtsordnung ungerechtfertigter Eigentumserwerb, wird als fehlerfreier Hoheitsakt angesehen.661 Diese generelle Beurteilung der Fehlerhaftigkeit allein nach dem Prozessrecht und ohne Berücksichtigung des Privatrechts ist, wenngleich sie im ersten Moment irritieren mag, rechtstheoretisch unbedenklich. Schließlich handelt es sich bei privatem und öffentlichem Recht trotz aller Verflechtungen um eigenständige Rechtsordnungen, die auch miteinander konkurrieren können. Ein Verhalten kann daher nach der einen Rechtsordnung missbilligt sein, während es von der anderen zugelassen wird.662 Die Privatrechtswidrigkeit der Ablieferung steht daher der Annahme ihrer Rechtmäßigkeit aus der Perspektive des Vollstreckungsrechts nicht entgegen.663 Gleichwohl hat die hiesige Untersuchung ergeben, dass die Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer gegen Art. 14 und 19 Abs. 4 GG verstößt. Die Verfassungswidrigkeit eines Hoheitsaktes stellt in jedem Fall eine Fehlerhaftigkeit nach öffentlichem Recht dar. Dieser Umstand kann auch nicht unter Berufung auf den Formalisierungsgrundsatz ignoriert werden.664 Diese Konstellation eines Vollstreckungsaktes, der trotz Beachtung der Verfahrensvor-
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Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 2 m.w.N. Gaul, NJW 1989, 2509, 2513; Lindacher, JZ 1970, 360, 361. 662 Bettermann, in: FS Huber, 25, 27, der auch Beispiele für unterschiedliche Rechtmäßigkeitsmaßstäbe innerhalb des öffentlichen Rechts nennt. 663 HK-ZV/Haertlein, Schwerpunktbeitrag 9 Rn. 16; Muthorst, ZVR, § 1 Rn. 13; Henckel, Prozessrecht, S. 250; Henckel, JZ 1973, 27, 32; Loyal, ZfPW 2017, 67 f.; vgl. auch BGHZ 58, 207, 210. Inkonsistent ist diese Sichtweise allerdings insoweit, als der Rechtsbehelf des § 771 ZPO, mit dem bekanntlich ausschließlich materielle Einwendungen geltend gemacht werden können, gleichwohl an den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG gemessen wird (vgl. nur Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 27; Baur/Stürner/Bruns, ZVR, Rn. 7.33.). Wie bereits ausgeführt, setzt dieses Grundrecht eine mögliche Rechtsverletzung voraus (s.o. 3. Teil B. I.). Für eine Rechtsverletzung bedarf es wiederum eines rechtswidrigen Hoheitsaktes (MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 153). Wenn aber eine verfahrensgemäße Zwangsvollstreckungsmaßnahme nach öffentlichem Recht immer rechtmäßig ist, dann leuchtet es nicht ein, warum Art. 19 Abs. 4 GG für die Drittwiderspruchsklage von Relevanz sein sollte. 664 Der Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung an sich wird dabei nicht infrage gestellt. Dieses Rechtsprinzip und die damit einhergehende beschränkte Prüfungspflicht der Vollstreckungsorgane ist für eine effektive Zwangsvollstreckung unerlässlich. Nachzugehen ist allein der Frage, wie sich eine bei Beachtung des Formalisierungsgrundsatzes gleichwohl mögliche Verfassungs- und damit einhergehende Rechtswidrigkeit des Vollstreckungsaktes (auch nach Maßgabe des öffentlichen Prozessrechts) auf das Vollstreckungsverfahren auswirkt – konkret, welche Folgen ein solcher formalisierter Vollstreckungsakt auf materiell-rechtlicher Ebene zeitigt. 661
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
schriften wegen Verstoßes gegen Verfassungsrecht dennoch aus öffentlichrechtlicher Sicht materiell fehlerhaft ist, stellt eine echte Besonderheit dar. Auf diesen Fall undifferenziert die Kriterien der h.M. anzuwenden erscheint fragwürdig, weil die Verfassungswidrigkeit eines Vollstreckungsaktes im Vergleich zu einem bloßen Verstoß gegen Verfahrensrecht eine qualitative Steigerung des staatlichen Unrechts darstellt. Demgemäß bestehen auch aus rechtsstaatlicher Sicht unterschiedliche Anforderungen an den Umgang mit materiellen Fehlern und mit Verfahrensfehlern.665 b) Kriterien als Trennlinie zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit Doch auch unabhängig von der Besonderheit der materiellen Rechtswidrigkeit der Ablieferung drängen sich bei näherer Betrachtung Bedenken auf, die Kriterien der h.M. auf die Ablieferung anzuwenden. Denn es gilt zu beachten, dass die Nichtigkeitskriterien stets zur Abgrenzung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit eines Vollstreckungsaktes herangezogen werden.666 Die Nichtigkeitsbestimmung erfolgt immer unter der Annahme, dass ein wirksamer Vollstreckungsakt der Anfechtung nach Maßgabe der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe unterliegt.667 Dies verwundert nicht, hat doch schon Schwinge, auf dessen grundlegendem Werk668 sich die h.M. bis heute stützt,669 ausdrücklich die Abgrenzung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit zum Gegenstand seiner Untersuchung erklärt670 und gewährt doch die ZPO insbesondere in § 766 grundsätzlich einen umfassenden, verfahrensinternen Gerichtsschutz671 gegen fehlerhafte Vollstreckungsakte. In diesen Regelfällen, in denen bei Gültigkeit des Rechtsaktes jedenfalls noch eine Anfechtungsmöglichkeit besteht, ist eine Orientierung an den Nichtigkeitskriterien des Verwaltungsrechts, die schließlich gleichermaßen von der „Auf665
Hierzu noch unter D. II. 2. c) bb) (3). Vgl. nur Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 7 f. 667 Repräsentativ Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 3: „Handeln die Vollstreckungsorgane gesetzwidrig, so kennt das Gesetz nur die Anfechtbarkeit der so zustande gekommenen Vollstreckungsmaßnahmen […]. Ob darüber hinaus die Fehlerhaftigkeit auch zur Unwirksamkeit des Vollstreckungsakts führen kann, lässt das Gesetz offen“ (Hervorhebung durch Verf.), sowie Rn. 10: „Hinzu kommt, dass das Zwangsvollstreckungsrecht […] über einen verfahrensinternen Gerichtsschutz verfügt, der dem Beschwerten jederzeit die Anfechtung des fehlerhaften Vollstreckungsakts erlaubt, das Nichtigkeitsverdikt mithin solch schwerwiegenden und evidenten Mängeln vorbehalten bleiben kann, angesichts deren dem Betroffenen die Anfechtung nicht zumutbar ist“; Geib, Pfandverstrickung, S. 100 ff., nach dem ebenfalls die zur Nichtigkeit führenden Mängel zugunsten „bloßer Anfechtbarkeit“ einzuschränken sind. 668 Schwinge, Staatsakt, passim. 669 Geib, Pfandverstrickung, S. 101. 670 Schwinge, Staatsakt, S. 2. 671 Vgl. Strauß, Nichtigkeit, S. 155. 666
D. Eigener Lösungsansatz
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fangrechtsfolge“ der Anfechtbarkeit des Verwaltungsaktes ausgehen,672 trotz der bestehenden Unterschiede beider Rechtsgebiete durchaus naheliegend.673 Diese Prämisse der Anfechtbarkeit trifft im Falle der Ablieferung jedoch gerade nicht zu. Ist der Rechtsakt einmal vollzogen, kann der Dritteigentümer ihn nicht mehr vernichten.674 Die Kriterien der h.M. können hier die ihnen angedachte Funktion – die Weichenstellung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit – nicht erfüllen. Durch ihre Anwendung überträgt man ihnen stattdessen mit der Bestimmung über Nichtigkeit oder unumstößliche Gültigkeit eine Aufgabe, für die sie überhaupt nicht geschaffen wurden. Dabei ist zu beachten, dass die Kriterien unter Abwägung öffentlicher und individueller Belange entwickelt wurden, wobei zu den Letzteren auch das Interesse an einer Rechtsschutzgewährung zählt.675 Ist trotz Gültigkeit des Rechtsakts kein Rechtsschutz in Form einer Anfechtbarkeit gegeben, führt dies zu einer erheblichen Interessenverschiebung, was für das Abwägungsresultat, also die konkreten Beurteilungskriterien, nicht unberücksichtigt bleiben kann. c) Zwischenergebnis Die Anwendung der Nichtigkeitskriterien der h.M. – ungeachtet der grundsätzlichen Ablehnung des Evidenzkriteriums – auf die Ablieferung erweist sich als unsachgemäß. Dies folgt zum einen daraus, dass die Kriterien lediglich der Abgrenzung von Nichtigkeit und Anfechtbarkeit dienen und daher nicht ohne Weiteres zur Entscheidung über die Wirksamkeit der unanfechtbaren Ablieferung herangezogen werden können. Speziell bei der Ablieferung schuldnerfremden Eigentums an einen bösgläubigen Ersteigerer handelt es sich zudem um einen materiell rechtswidrigen Vollstreckungsakt, wohingegen die h.M. bei der Nichtigkeitsbestimmung stets vom Vorliegen eines rechtsstaatlich weniger heiklen Verfahrensfehlers ausgeht.
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Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 44 VwVfG Rn. 2. Gleichwohl ist zu kritisieren, dass die Übertragung der verwaltungsrechtlichen Nichtigkeitskriterien selten fundiert begründet wird. Wenig nachvollziehbar etwa Berghaus, Schutz der Zwangsvollstreckung, S. 116, der aus der bloßen Feststellung, dass es sich bei Vollstreckungsakten um Staatsakte handelt, ableitet, dass die Grundsätze zum fehlerhaften Verwaltungsakt auf Vollstreckungsakte anwendbar seien. Zu begrüßen ist dagegen der kritische Hinweis Geibs, dass aufgrund der Besonderheiten des Vollstreckungsverfahrens der Vollstreckungsakt nicht „beziehungslos als ein Staatsakt im Sinne eines Behördenakts gesehen werden kann“ (Geib, Pfandverstrickung, S. 115; zustimmend Gaul, FamRZ 1972, 533, 535). Regelmäßig wird zur „Begründung“ der Heranziehung der Kriterien schlichtweg auf andere Autoren verwiesen (vgl. Strauß, Nichtigkeit, S. 145). 674 Auch Gaul verweist darauf, dass dieser Umstand bei der Nichtigkeitsbestimmung zu berücksichtigen ist (Gaul, Rpfleger 1971, 1, 5). 675 In Bezug auf § 44 Abs. 1 VwVfG Steinbach, AöR 140 (2015), 367, 392. Die Rechtsschutzgewährung ist jedoch auch objektiv-rechtlich geboten (s.o. 3. Teil A. III.). 673
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
2. Anderweitige Anhaltspunkte zur Nichtigkeit der Ablieferung Aufgrund der erheblichen Bedenken gegen die Nichtigkeitskriterien der h.M. soll im Folgenden untersucht werden, ob anderweitige Anhaltspunkte zur Nichtigkeit der Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer ausgemacht werden können. a) Fehlerfolgen bei anderen Hoheitsakten Hierzu bietet sich zunächst eine Untersuchung an, unter welchen Umständen andere fehlerhafte, d.h. wegen Verstoßes gegen formelles oder materielles Recht rechtswidrige676 Hoheitsakte nichtig sind. Für die Aufarbeitung ist es allerdings unerlässlich, diese Frage im übergeordneten Rahmen der Fehlerfolgen von Hoheitsakten zu beleuchten. Sollten sich diese systematisieren lassen, so ließen sich ggf. Schlüsse zur Behandlung der Ablieferung ableiten. aa) Verwaltungsakte Rechtswidrige Verwaltungsakte bleiben gem. § 43 Abs. 2 VwVfG wirksam, solange sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder auf andere Weise erledigt sind. Damit gilt für sie der schon in § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG angelegte Grundsatz, dass die Wirksamkeit unabhängig von der Rechtmäßigkeit zu beurteilen ist.677 Rechtswidrige Verwaltungsakte unterliegen grundsätzlich einer befristeten Anfechtbarkeit. Nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist678 wird ihnen durch die Bestandskraft eine dauerhafte Wirksamkeit zuteil. Für Ausnahmefälle sieht § 58 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1, 2. HS, Var. 2 VwGO eine unbefristete Anfechtbarkeit vor. Rechtswidrige Verwaltungsakte können zudem nach § 48 VwVfG von der Behörde zurückgenommen werden.679 Im Übrigen sieht das VwVfG in § 45 Abs. 1 und 2 Heilungsmöglichkeiten680 für Verfahrens- und
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Die Begriffe Fehlerhaftigkeit und Rechtswidrigkeit sind Synonyme und bezeichnen die Nichtübereinstimmung eines Rechtsakts mit dem Recht. Speziell bei Judikaten ist der Terminus der Rechtswidrigkeit jedoch weniger geläufig. Dies mag daran liegen, dass der Gedanke eines rechtswidrigen Aktes der rechtsprechenden Gewalt befremdlich wirkt (Hößlein, Unrecht, S. 37 f., 41 f.). 677 Glaser, Handlungsformenlehre, S. 88. 678 § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO für den Widerspruch, § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO für die Anfechtungsklage. 679 Auch ein Widerruf nach § 49 VwVfG ist möglich, da die Norm a maiore ad minus auch für rechtswidrige Verwaltungsakte gilt (BeckOK-VwVfG/Abel, § 49 VwVfG Rn. 2). Spezialgesetzliche Regelungen finden sich z.B. in §§ 15 Abs. 1 GastG, 45 Abs. 1 WaffG. 680 Dass das Gesetz hier von einer „Unbeachtlichkeit“ der entsprechenden Fehler spricht, ist in Anbetracht der Existenz echter Unbeachtlichkeitsklauseln (dazu sogleich) terminologisch unglücklich (vgl. Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2810).
D. Eigener Lösungsansatz
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Formfehler vor und bestimmt in § 46, dass die Aufhebung solcher Fehler nicht beansprucht werden kann, wenn die fehlende Kausalität dieser Fehler für die Sachentscheidung offensichtlich ist. Zudem regelt § 47 VwVfG die Möglichkeit der Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes.681 Zur Nichtigkeit führt die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes nur bei Vorliegen eines Katalogtatbestandes nach § 44 Abs. 2 VwVfG oder wenn er nach Abs. 1 an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies offensichtlich ist. Nach Abs. 4 ist auch die Nichtigkeit nur eines Teils des Verwaltungsaktes möglich. Aufgrund der hohen Anforderungen des § 44 Abs. 1 und 2 VwVfG stellt die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes die absolute Ausnahme dar. bb) Öffentlich-rechtliche Verträge Die Fehlerfolgen bei öffentlich-rechtlichen Verträgen regelt § 59 VwVfG. Abs. 2 enthält einen Katalog besonderer Nichtigkeitsgründe für subordinationsrechtliche Verträge i.S.d. § 54 S. 2 VwVfG.682 Das Nichtigkeitsverdikt tritt danach etwa ein, wenn ein Verwaltungsakt mit dem entsprechenden Inhalt nichtig wäre (Nr. 1) oder sich die Behörde eine unzulässige Gegenleistung versprechen lässt (Nr. 5). Darüber hinaus enthält § 59 Abs. 1 VwVfG die für alle öffentlich-rechtlichen Verträge geltende Regel, dass ein Vertrag nichtig ist, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des BGB ergibt. Zwar sieht § 134 BGB die Nichtigkeit für Rechtsgeschäfte vor, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Da die konsequente Anwendung dieser Norm jedoch die differenzierten Tatbestände des § 59 Abs. 2 VwVfG unterlaufen würde, besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass nicht jeder Gesetzesverstoß zur Nichtigkeit führen kann, sondern ein qualifizierter, besonders schwerer Gesetzesverstoß erforderlich ist.683 Auch bei öffentlich-rechtlichen Verträge können Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit demnach auseinanderfallen. Anders als bei Verwaltungsakten steht dem Bürger bei der Rechtswidrigkeit jedoch keine Anfechtungsmöglichkeit zur Verfügung;684 das VwVfG hält in § 60 allein die Möglichkeit der 681 Den Regelungen der §§ 45, 46 VwVfG liegt dabei der Gedanke zugrunde, dass ein Verwaltungsakt, der formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, i.E. gleichwohl mit der materiellen Rechtslage in Einklang stehen kann und seine Wirksamkeit deshalb behalten soll. Die Vorschriften dienen damit, ebenso wie § 47 VwVfG, der Prozess- und Verfahrensökonomie (vgl. BeckOK-VwVfG/Schemmer, § 46 VwVfG Vor. Rn. 1, Rn. 3 und § 47 Vor. Rn. 1). 682 BeckOK-VwVfG/Kämmerer, § 54 VwVfG Rn. 82. 683 BVerwGE 89, 7, 10; 98, 58, 63; Peine/Siegel, VerwR, Rn. 794 f.; Detterbeck, VerwR, Rn. 816; Stelkens/Bonk/Sachs/Bonk/Neumann/Siegel, § 59 VwVfG Rn. 12. 684 Beachte jedoch die abweichende Sonderregelung in § 126 Abs. 3 LVwG SH.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Anpassung oder Kündigung des Vertrages bereit, was jedoch nur in Ausnahmefällen möglich ist. cc) Rechtssätze Die Fehlerfolgen bei Rechtssätzen sind grundsätzlich durch das Nichtigkeitsdogma geprägt. Es bestehen jedoch Unterschiede zwischen formellen Gesetzen und untergesetzlichen Normen, konkret Satzungen. (1) Formelle Gesetze Für formelle Gesetze gilt nach traditioneller deutscher Rechtsauffassung685 das Nichtigkeitsdogma: Die Rechtswidrigkeit eines formellen Gesetzes, d.h. der Verstoß gegen höherrangiges Recht,686 bewirkt die Nichtigkeit des Gesetzes.687 Entsprechend führt die teilweise Rechtswidrigkeit auch zu einer Teilnichtigkeit, sofern der Rechtssatz sinnvoll teilbar ist.688 Hinsichtlich landesrechtlicher Normen, die gegen Bundesrecht verstoßen, folgt die Nichtigkeit aus Art. 31 GG, wonach Bundesrecht Landesrecht bricht. „Brechen“ meint dabei nicht die bloße Unanwendbarkeit der inferioren Norm, sondern deren Nichtigkeit.689 Für vorkonstitutionelles Recht re-
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Roth, Organstreitigkeiten, S. 810; MSKB/Bethge, 56. EL, 2/2019, § 31 BVerfGG Rn. 142; HStR XII/Battis, § 275 Rn. 48. 686 Hinsichtlich formeller Fehler besteht allerdings Uneinigkeit. Während einerseits vertreten wird, dass diese stets zur Nichtigkeit führen (so etwa Papier, Staatsakt, S. 28 ff.; bezogen auf untergesetzliche Normen Kopp/Schenke/Schenke/Schenke, § 47 VwGO Rn. 112), ist das BVerfG der Auffassung, dass Normen nur dann nichtig seien, „wenn ein grober Mangel im Gesetzgebungsverfahren vorliegt, wenn sie inhaltlich mit übergeordnetem Recht unvereinbar sind oder wenn eine inkompetente Stelle sie erlassen hat“ (BVerfGE 31, 47, 53; vgl. auch BVerfGE 34, 9, 25 – „Hausgut-Entscheidung“, wo gar die Evidenz des Mangels gefordert wird). Das BVerfG fordert also das Vorliegen eines qualifizierten Verfahrensfehlers. Dies erscheint mit Blick auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG, nach denen das BVerfG bei der abstrakten Normenkontrolle ausdrücklich über die „förmliche und sachliche Vereinbarkeit“ der zu prüfenden Norm mit höherrangigem Recht entscheidet, äußerst bedenklich (so auch Papier, Staatsakt, S. 29). 687 SSB/Panzer, 30. EL, 2/2016, Vor. § 47 VwGO Rn. 6; HStR XII/Battis, § 275 Rn. 47; HStR III/Löwer, § 70 Rn. 120; Maurer/Waldhoff, VerwR, § 4 Rn. 57; MSKB/Bethge, 56. EL, 2/2019, § 31 BVerfGG Rn. 142 ff.; Roth, Organstreitigkeiten, S. 810; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 23 ff.; Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2806 ff.; Forsthoff, VerwR, S. 138; BerKBauGB/Petz, 27. EL, 5/2014, § 214 BauGB Rn. 1 ff. 688 HStR III/Löwer, § 70 Rn. 115; BeckOK-BVerfGG/Karpenstein, § 78 BVerfGG Rn. 13; vgl. etwa die Leitsätze in BVerfGE 102, 41 ff. – „Beschädigtengrundrente“ und 136, 9 ff. – „ZDF-Staatsvertrag“. 689 Breuer, DVBl 2008, 555, 556. Eine gewisse Einschränkung des Nichtigkeitsdogmas kann jedoch darin gesehen werden, dass seit der Föderalismusreform (Gesetz zur Ände-
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gelt Art. 123 Abs. 1 GG, dass dieses nur fortgilt, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Dem Grundgesetz widersprechendes, vorkonstitutionelles Recht ist folglich außer Kraft gesetzt690 und somit nichtig.691 Auch insoweit ist das Nichtigkeitsdogma verfassungsrechtlich verankert. Im Übrigen gilt, dass das Bundesverfassungsgericht eine Norm,692 die gegen die Verfassung verstößt, gem. §§ 78 S. 1, 82 Abs. 1, 95 Abs. 3 S. 1 BVerfGG für nichtig erklärt. Die Nichtigkeitserklärung erfolgt dabei rein deklaratorisch693 – die Norm war schon ipso iure unwirksam.694 Eine Einschränkung erfährt das Nichtigkeitsdogma jedoch dadurch, dass das BVerfG einen Rechtssatz nicht in jedem Fall für nichtig erklären muss, sondern alternativ auch dessen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz feststellen kann (vgl. §§ 31 Abs. 2 S. 2 und 3, 79 Abs. 1 BVerfGG). Dies führt zu einer interimistischen Weitergeltung der rechtswidrigen Norm.695 Der Gesetzgeber ist in diesen Fällen verpflichtet, in angemessener Zeit eine der Verfassung entsprechende Gesetzeslage herzustellen.696 Das BVerfG kann dem Gesetzgeber hierzu eine Frist setzen sowie anderweitige Rechtsfolgen tenorieren.697 Die Unvereinbarkeitserklärung dient der Erzielung sachgerechter Ergebnisse. Die Nichtigkeit einer Norm kann nämlich mitunter zu unbilligen Konsequenzen führen – etwa wenn ein Kläger erfolgreich die Verfassungswidrigkeit einer Besoldungsregelung geltend macht, durch deren Nichtigkeit nunmehr aber gar keine Rechtsgrundlage mehr für seine Besoldung bestünde, wenn die Nichtigkeitserklärung eines Steuergesetzes ruinöse Folgen für den Bundeshaushalt hätte698 oder wenn der Wegfall der Norm schlichtweg rung des Grundgesetzes vom 28.08.2006, BGBl. I, S. 2034) die Länder auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG Gesetze erlassen dürfen, welche sodann den bundesgesetzlichen Normen vorgehen (Breuer a.a.O.). 690 MKS/Wolff, Art. 123 GG Rn. 39. 691 BoK/Hense, 176. EL, 12/2015, Art. 123 GG Rn. 63; Breuer, DVBl 2008, 555, 556; Ipsen will hier terminologisch nicht von einer Nichtigkeit, sondern von einem AußerKraft-Treten sprechen (Ipsen, Rechtsfolgen, S. 161). 692 Dies gilt gleichermaßen für formelle Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen. 693 HStR XII/Battis, § 275 Rn. 48. 694 So die g.h.M., siehe nur BVerfGE 1, 14, 36 f. – „Südweststaat“; 68, 384, 390; 90, 263, 276 – „Ehelichkeitsanfechtung“; 101, 397, 409 – „Nachlasspfleger“; Maurer, StaatsR, § 20 Rn. 84; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 379; BoK/Stern, 44. EL, 3/1982, Art. 93 GG Rn. 270 ff.; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 69 ff., 164 ff.; Detterbeck, Streitgegenstand, S. 105; instruktiv Bettermann, in: FS Eichenberger, 593, passim. Hiergegen wenden sich jedoch die Vertreter der sog. Vernichtbarkeitslehre: Böckenförde, Nichtigkeit, S. 41 ff.; Moench, Gesetz und Normenkontrolle, S. 123 ff.; Söhn, Verfassungswidrigkeit, S. 15 ff. 695 HStR III/Löwer, § 70 Rn. 123. 696 BVerfGE 55, 100, 110 f. – „Kindergeld“; 81, 363, 384 – „Beamtenbaby“; 90, 60, 105 – „Rundfunkgebühren“. 697 HStR III/Löwer, § 70 Rn. 123; vgl. BVerfGE 99, 202, 216 – „Erstattungspflicht des Arbeitgebers“. 698 HStR III/Löwer, § 70 Rn. 121. Eine wichtige Fallgruppe stellt es zudem dar, wenn
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit führen würde.699 Das Nichtigkeitsdogma bedarf mithin der Korrektur, wenn es zu einer solchen Rechtslücke führen würde, die rechtsstaatlich noch unerwünschter wäre als die (vorübergehende) Anwendung der rechtswidrigen Norm selbst.700 (2) Untergesetzliche Normen Das Nichtigkeitsdogma gilt grundsätzlich auch für Rechtsverordnungen und Satzungen als untergesetzliche Normen.701 Während dies in Bezug auf Rechtsverordnungen bislang kaum infrage gestellt wurde,702 erfährt das Nichtigkeitsdogma bei Satzungen jedoch erhebliche Einschränkungen.703 Die intensivste Einschränkung besteht darin, dass bestimmte Fehler für unbeachtlich erklärt werden. Solche Vorschriften enthält insbesondere das BauGB. So erklärt § 214 BauGB bei den als Satzungen erlassenen Bebauungsplänen bestimmte Fehler für absolut unbeachtlich704 – in diesem Fall bleibt die Rechtswidrigkeit gänzlich unsanktioniert – oder knüpft die Beachtlichkeit an bestimmte Voraussetzungen, z.B. an die Offensichtlichkeit des Fehlers oder an seine Ergebnisrelevanz (bedingte Unbeachtlichkeit).705 Als Bedingung wird häufig auch auf eine zeitliche Komponente abgestellt. So müssen nach § 215 Abs. 1 BauGB die dort genannten Fehler innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe der Satzung gegenüber der Gemeinde geltend gemacht werden, ansonsten werden sie unbeachtlich. Mit Ablauf der Frist tritt insoweit eine Art „Bestandskraft“ ein.706 Auch die Gemeindeordnungen der Länder ordnen vielfach an, dass eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften nur dann beachtlich ist, wenn sich der Fehler kausal auf den Satzungsinhalt ausgewirkt hat oder dies zumindest nicht auszuschließen eine begünstigende Norm gegen den Gleichheitssatz verstößt, die Nichtigkeit jedoch zu einer Schlechterstellung der bisher Begünstigten führen würde, während der Gesetzgeber stattdessen auch die Begünstigung der bisher Benachteiligten beschließen könnte (Roth, Organstreitigkeiten, S. 815; HStR III/Löwer, § 70 Rn. 121). 699 Roth, Organstreitigkeiten, S. 815. 700 Vgl. Roth, Organstreitigkeiten, S. 815; Graßhof, Normenkontrollentscheidungen, S. 142. 701 Roth, Organstreitigkeiten, S. 810. 702 HStR V/Ossenbühl, § 103 Rn. 79. Entgegen allen jedoch Schnelle, der ein differenziertes Fehlerfolgensystem bei Rechtsverordnungen propagiert (Schnelle, Fehlerfolgenlehre, S. 149 ff., 224 ff.). 703 Vgl. Glaser, Handlungsformenlehre, S. 90; Roth, Organstreitigkeiten, S. 813 f. 704 § 214 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 2a BauGB. Ähnlich auch § 11 Abs. 1, 2, 4 ROG. 705 Vgl. Schnelle, Fehlerfolgenlehre, S. 212 ff. Ausführlich zum Fehlerfolgenregime der §§ 214 ff. BauGB und seinem Verhältnis zum Nichtigkeitsdogma Koch, in: Koch/Hendler, BauR, § 18 Rn. 1 ff.; vgl. auch SSB/Panzer, 30. EL, 2/2016, Vor. § 47 VwGO Rn. 12. 706 Vgl. Gern/Brüning, Kommunalrecht, Rn. 899; BerK-BauGB/Petz, 27. EL, 5/2014, § 214 BauGB Rn. 4; Glaser, Handlungsformenlehre, S. 90.
D. Eigener Lösungsansatz
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ist.707 Die meisten Gemeindeordnungen enthalten zudem gleichermaßen Bestimmungen, dass bestimmte Verfahrens- und Formfehler unbeachtlich werden,708 wenn sie nicht fristgemäß (von einem bestimmten Amtsträger709 oder von Dritten710) gerügt werden.711 Das Gesetz entkoppelt mit solchen Unbeachtlichkeitsklauseln die Rechtmäßigkeit der Norm von ihrer Wirksamkeit712 und stellt sich insoweit dem Nichtigkeitsdogma entgegen. Abgesehen von den Unbeachtlichkeitsklauseln ist auch die Heilung rechtsfehlerhaft zustande gekommener Satzungen möglich. So eröffnet § 214 Abs. 4 BauGB die Möglichkeit, eine Satzung durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern713 auch rückwirkend in Kraft zu setzen. Bis zum Eintritt einer solchen Heilung ist die Satzung schwebend unwirksam.714 dd) Judikate Verglichen mit anderen Hoheitsakten werden die Fehlerfolgen bei gerichtlichen Entscheidungen in der Wissenschaft eher stiefmütterlich behandelt.715 Nichtsdestoweniger können auch sie selbstverständlich an Fehlern kranken. Eine gerichtliche Entscheidung kann sachfehlerhaft sein. Dies ist einerseits dann der Fall, wenn die Entscheidung nicht mit dem materiellen Recht 707 Roth, Organstreitigkeiten, S. 811 f.; Gern/Brüning, Kommunalrecht, Rn. 897. Vgl. exemplarisch § 31 Abs. 6 GO NRW. 708 Vgl. § 4 Abs. 4 GemO BW; § 5 Abs. 4 HGO; § 5 Abs. 5 KV M-V; § 7 Abs. 6 GO NRW; § 24 Abs. 6 GemO RP; § 3 Abs. 4 BbgKVerf; § 12 Abs. 6 KSVG SL; § 4 Abs. 4 SächsGemO; § 8 Abs. 3 KVG LSA; § 21 Abs. 4 ThürKO. Der Wortlaut variiert. Teilweise heißt es in den genannten Vorschriften auch, dass nach Ablauf der Frist der Fehler nicht mehr geltend gemacht werden kann oder die Satzung als gültig erlassen gilt. 709 Vgl. etwa §§ 4 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 Var. 1, 18 Abs. 6 S. 2 GemO BW; § 7 Abs. 6 S. 1 lit. c) GO NRW. 710 Vgl. etwa § 5 Abs. 4 HGO; § 7 Abs. 6 S. 1 lit. d) GO NRW. 711 Gern/Brüning, Kommunalrecht, Rn. 898. Zu den kommunalrechtlichen Unbeachtlichkeits- und Heilungsvorschriften Wilhelm, NVwZ 1984, 424, passim; Hill, DVBl 1983, 1, passim; kritisch Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2812. 712 Roth, Organstreitigkeiten, S. 813. 713 Das gesetzlich nicht näher geregelte ergänzende Verfahren vollzieht sich dergestalt, dass der fehlerhafte sowie die darauffolgenden Verfahrensschritte rechtsfehlerfrei wiederholt werden. Die Satzung setzt sich somit i.E. aus zwei einander ergänzenden Teilnormgebungsakten zusammen (BeckOK-BauGB/Uechtritz, § 214 BauGB Rn. 139; SSB/Panzer, 30. EL, 2/2016, § 47 VwGO Rn. 109a). 714 Roth, Organstreitigkeiten, S. 814; SSB/Panzer, 30. EL, 2/2016, § 47 VwGO Rn. 109b; BKL/Battis, § 214 BauGB Rn. 2; BVerwG ZfBR 2000, 266, 268. Teilweise wird eine schwebende Unwirksamkeit auch bei der fristbedingten Unbeachtlichkeit eines Fehlers angenommen, vgl. hierzu Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2810; Schnelle, Fehlerfolgenlehre, S. 162. 715 An monographischen Abhandlungen finden sich, soweit ersichtlich, lediglich Jauernig, Zivilurteil, Hein, Urteil, sowie aus jüngerer Zeit Hößlein, Unrecht.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
im Einklang steht716 – es geht also um das klassische Fehlurteil. Andererseits kann das Urteil aber auch aus sonstigen sachlichen Gründen fehlerhaft sein, etwa wenn es eine nicht vorgesehene Rechtsfolge anordnet.717 Daneben kann sich die Fehlerhaftigkeit auch aus der Verletzung von Verfahrensvorschriften ergeben.718 Dass sich eine solche Verfahrensverletzung in dem Urteil manifestiert, ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus dem Gesetz ergibt: So bestimmt etwa § 344 ZPO, dass die Kosten eines in gesetzlicher Weise ergangenen Versäumnisurteils grundsätzlich der säumigen Partei aufzuerlegen sind. In gesetzlicher Weise ergangen ist das Urteil, wenn alle sachlichen und prozessualen Urteilsvoraussetzungen vorlagen.719 Dazu zählen bspw. die Vorgaben des § 335 ZPO,720 nach dessen Abs. 1 Nr. 2 ein Versäumnisurteil nicht ergehen darf, wenn die nicht erschienene Partei nicht ordnungsgemäß geladen wurde. Hieraus wird deutlich, dass die Verletzung von Verfahrensvorschriften auch dann zur „Ungesetzlichkeit“ und somit zur Fehlerhaftigkeit des Urteils führt, wenn sich der Verfahrensfehler nicht in dem Urteil manifestiert.721 Die Regelung des § 344 ZPO entstammt zwar der Zivilprozessordnung, sie ist aber verallgemeinerungsfähig. Dass die Rechtsordnung in Bezug auf gerichtliche Entscheidungen unterschiedliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen verwendet, ist mangels gegenteiliger Befunde nicht anzunehmen.722 Vielmehr wird die aus § 344 ZPO gewonnene Erkenntnis von den Regelungen der §§ 137 Abs. 1 VwGO, 545 Abs. 1 ZPO, 337 Abs. 1 StPO723 bestätigt. Diese ordnen jeweils an, dass eine Revision auf die Verletzung des Rechts bzw. des Gesetzes gestützt werden kann. Da es sich bei der Revision um ein Mittel der Rechtskontrolle handelt,724 kann diesen Vorschriften ein „Prüfprogramm“725 für die Frage der Rechtmäßigkeit entnommen werden. Unter die Begriffe des Rechts bzw. des Gesetzes fallen auch die gerichtlichen Prozessordnungen.726
716
Huber, Versteigerung, S. 61; vgl. MüKo-ZPO/Krüger, § 543 ZPO Rn. 17. Hößlein, Unrecht, S. 39. 718 Vgl. zur hier verwendeten Fehlertypologie Hein, Urteil, S. 19. 719 MüKo-ZPO/Prütting, § 344 ZPO Rn. 14. 720 MüKo-ZPO/Prütting, § 344 ZPO Rn. 14. 721 Zum gesamten Absatz Hößlein, Unrecht, S. 42 f. 722 Hößlein, Unrecht, S. 43, auch zum Rest des Absatzes. 723 Ähnliche Vorschriften finden sich ferner bspw. in § 162 SGG, § 118 Abs. 1 S. 1 FGO sowie in § 73 Abs. 1 S. 1 ArbGG. 724 BeckOK-VwGO/Berlit, § 132 VwGO Rn. 1. 725 SSB/Eichberger/Buchheister, 25. EL, 4/2013, § 137 VwGO Rn. 4 (bezogen auf § 137 VwGO). 726 Zum Begriff des Rechts i.S.d. 137 Abs. 1 VwGO SSB/Eichberger/Buchheister, 25. EL, 4/2013, § 137 VwGO Rn. 20; zum Begriff des Rechts i.S.d. § 545 ZPO MüKo-ZPO/Krüger, § 545 ZPO Rn. 3 ff.; zum Begriff des Gesetzes i.S.d. § 337 Abs. 1 StPO BeckOK-StPO/Wiedner, § 337 StPO Rn. 3. 717
D. Eigener Lösungsansatz
239
Die Verletzung der darin enthaltenen Verfahrensregeln führt folglich zur Fehlerhaftigkeit des Urteils. Für fehlerhafte gerichtliche Entscheidungen gilt der Grundsatz der Anfechtbarkeit.727 Sie sind demnach grundsätzlich wirksam728 und müssen von dem Betroffenen nach Maßgabe des jeweiligen Prozessrechts durch Rechtsbehelfe angegriffen werden. Die zuvor genannten Vorschriften schränken die Angreifbarkeit allerdings dahingehend ein, dass die Revision nur darauf gestützt werden kann, dass die angegriffene Entscheidung auf der Rechts- bzw. Gesetzesverletzung beruht, wodurch nichtkausale729 Verfahrensfehler als Anfechtungsgrund ausgeschlossen werden. Von dem Grundsatz der Anfechtbarkeit gibt es jedoch Ausnahmen. Ohne dass insoweit gesetzliche Regelungen bestehen würden, werden bestimmte Fehler von der h.M.730 als derart schwerwiegend angesehen, dass sie zu einer Nichtigkeit eo ipso führen.731 Eine Systematik bei der Bestimmung solcher Fehler ist nicht erkennbar, sie erfolgt vielmehr rein kasuistisch und mit divergierenden Begründungen.732 Im Einzelnen ist vieles umstritten. Als (mögliche) Beispiele können das Fehlen der Gerichtsbarkeit,733 der Ausspruch einer unbekannten, unzulässigen oder unmöglichen Rechtsfolge,734 ein Urteil gegen einen Nichtexistenten oder ein Urteil ohne Antrag735 genannt werden. Die Beispiele bekunden die Einigkeit der h.M. darin, dass die Nichtigkeit jedenfalls auf absolute Ausnahmefälle begrenzt sein muss.736
727
Hößlein, Unrecht, S. 60, 71, 74; Hein, Urteil, S. 18, 33 f. Vgl. § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO: Danach wird im Fall einer Klagerücknahme ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Im Umkehrschluss heißt das, dass für die Unwirksamkeit grundsätzlich eine gerichtliche Aufhebung nötig ist (Hößlein, Unrecht, S. 72). 729 Das „Beruhen“ meint die Kausalität (SSB/Eichberger/Buchheister, 25. EL, 4/2013, § 137 VwGO Rn. 107). 730 Vgl. Löwe/Rosenberg/Kühne, Einl. Abschn. K Rn. 105 ff.; Hein, Urteil, S. 18, jeweils m.w.N. 731 Zu den Anforderungen der unterschiedlichen Meinungen Löwe/Rosenberg/Kühne, Einl. Abschn. K Rn. 115. 732 Hein, Urteil, S. 18, 80, 83 ff. m.w.N.; Hößlein, Unrecht, S. 71. 733 Löwe/Rosenberg/Kühne, Einl. Abschn. K Rn. 120 ff.; Musielak/Voit/Musielak, § 300 ZPO Rn. 5; SSB/Clausing, 25. EL, 4/2013, § 107 VwGO Rn. 11. 734 Baumbach/Lauterbach/Hunke, Vor. § 300 ZPO Rn. 14 ff.; Musielak/Voit/Musielak, § 300 ZPO Rn. 5; SSB/Clausing, 25. EL, 4/2013, § 107 VwGO Rn. 11. 735 Hein, Urteil, S. 83. 736 Löwe/Rosenberg/Kühne, Einl. Abschn. K Rn. 105, 114 m.w.N. 728
240
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
ee) Auswertung (1) Fehlerfolgen als Abwägungsentscheidung Die Darstellung führt vor Augen, dass das Fehlerfolgenregime unserer Rechtsordnung äußerst vielschichtig ist und sich die einzelnen Fehlerfolgen in ihrer Wirkungsweise mitunter erheblich voneinander unterscheiden. Sie reichen von737 der absoluten Nichtigkeit des Rechtsaktes als gravierendste Fehlerfolge738 über die Teilnichtigkeit, die schwebende Unwirksamkeit, die befristete und unbefristete Anfechtbarkeit, die befristete Weitergeltung des Rechtsaktes,739 die eigenständige Aufhebbarkeit des Rechtsaktes durch den Hoheitsträger und die Heilbarkeit des Fehlers bis hin zu dessen Folgenlosigkeit.740 Die Verknüpfung eines Fehlers mit einer dieser Folgen ist dabei weder historischen Zufälligkeiten geschuldet, noch geschieht sie aus gesetzgeberischer Willkür.741 Die Fehlerfolge eines Hoheitsaktes stellt vielmehr – wie oben bereits in Bezug auf die Nichtigkeitskriterien zu Vollstreckungs- bzw. Verwaltungsakten angeschnitten742 – immer das Resultat eines Abwägungsvorgangs dar.743 Zu beachten744 sind dabei die sich teilweise gegenüberstehen-
737 Vgl. zur nachfolgenden Aufzählung Schnelle, Fehlerfolgenlehre, S. 159 ff., Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2810 ff. und Morlok, Verfahrensfehler, S. 140 ff. 738 Jellinek, Staatsakt, S. 45. 739 Dies betrifft die Unvereinbarkeitserklärung von Gesetzen durch das BVerfG. 740 Zur Folgenlosigkeit zählt neben der absoluten und der bedingten Unbeachtlichkeit des Fehlers auch die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes nach § 47 VwVfG. Darüber hinaus sind auch die auf Restitution (Folgenbeseitigungsanspruch) oder auf Entschädigung gerichteten Ansprüche des Staatshaftungsrechts zu den Fehlerfolgen zu rechnen (Voßkuhle, VERW 1996, 511, 529; Di Fabio, in: Wandel der Handlungsformen, 47, 54; Morlok, Verfahrensfehler, S. 142; vgl. auch Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 64 ff., 144 ff.). Eine Beschränkung der Fehlerfolgen auf rechtsvernichtende oder wirkungseinschränkende Konsequenzen würde dazu führen, dass an rechtswidrige Realakte des Staates keinerlei Fehlerfolgen geknüpft werden könnten, da sie keinen Regelungscharakter haben. Dies würde jedoch die Zulässigkeit des Realaktes als staatliche Handlungsform infrage stellen, da die Typisierung gemeinsamer Fehlerfolgen zu den wesentlichen Funktionen des Handlungsformensystems zählt (zum Ganzen Di Fabio, in: Wandel der Handlungsformen, 47, 52 ff.). 741 Voßkuhle, VERW 1996, 511, 529; Roth, Organstreitigkeiten, S. 827. 742 S.o. D. II. 1. b). 743 Roth, Organstreitigkeiten, S. 827 f.; Voßkuhle, VERW 1996, 511, 529; Maurer, in: Perspektiven der Gesetzgebung, 233, 237 f.; Morlok, Verfahrensfehler, S. 57 f.; Hein, Urteil, S. 33; Hößlein, Unrecht, S. 68 ff.; Breuer, DVBl 2008, 555, 562; Schmidt-Aßmann, DVBl 1984, 582, 587; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 240. 744 Zu den nachfolgenden Abwägungsfaktoren Roth, Organstreitigkeiten, S. 827 f.; vgl. auch Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2812; Müller, Ablieferung, S. 191, Morlok, Verfahrensfehler, S. 57 ff.; Maurer, in: Perspektiven der Gesetzgebung, 233, 238.
D. Eigener Lösungsansatz
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den745 verfassungsrechtlichen Grundsätze und Gebote wie die Rechtssicherheit, der Vertrauensschutz, die Einzelfallgerechtigkeit sowie die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes, aber auch die Grundrechte in ihrer objektivrechtlichen Dimension. Je nach Handlungssubjekt und -form sind zudem etwa der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz, die Funktionsfähigkeit und Effizienz der Verwaltung oder, bei öffentlich-rechtlichen Verträgen, auch der Grundsatz der Vertragsbindung (pacta sunt servanda) zu berücksichtigen. Daneben ist bei der Bestimmung der Fehlerfolge aber auch den individuellen Rechten und Interessen der vom Hoheitsakt Betroffenen Rechnung zu tragen. Die Fehlerfolge liegt somit stets im Spannungsfeld zwischen diesen rechtsstaatlichen Geboten und Individualinteressen und soll, jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Handlungsform, von Gegenstand und Regelungsgehalt des fehlerhaften Rechtsaktes, Grund und Schwere des Rechtsverstoßes sowie der Struktur des jeweiligen Verfahrens, sämtliche Belange bestmöglich miteinander in Einklang bringen. Ein konkretes Ergebnis in Form einer spezifischen Fehlerfolge ist dabei unter rechtslogischen wie auch unter rechtstheoretischen Gesichtspunkten nicht vorgegeben, die Fehlerfolge ist vielmehr Gegenstand einer politischen Entscheidung.746 Sie wird grundsätzlich vom Gesetzgeber bestimmt, dem dabei ein entsprechender Spielraum zukommt.747 Die Fehlerfolge der Nichtigkeit kann allerdings auch dann angenommen werden, wenn der Gesetzgeber diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung getroffen hat. Dies belegen insbesondere die Nichtigkeitskriterien der h.M. für Vollstreckungsakte und jene für Gerichtsentscheidungen. Auch wurde oben bereits dargestellt, dass es sich bei den Nichtigkeitskriterien für Verwaltungsakte nach § 44 Abs. 1 VwVfG lediglich um die Kodifizierung einer zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon herrschenden und von der Rechtsprechung bereits angewandten Auffassung handelte.748 (2) Roths Analyse nach Wertungsgesichtspunkten Eine eingehende Analyse der Fehlerfolgen und der dahinterstehenden Wertungsgesichtspunkte hat Roth749 durchgeführt, der in den Fehlerfolgen ein „gewisses, wenngleich vielleicht nicht vollkommenes System“750 erkennen 745
Typischerweise kollidieren z.B. die Gebote der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des effektiven Rechtsschutzes mit der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz (Müller, Ablieferung, S. 191). 746 Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2811; vgl. auch Bettermann, in: FS Eichenberger, 593, 598; Olshausen, JZ 1967, 116, 117. 747 Roth, Organstreitigkeiten, S. 828. 748 S.o. B. III. 2. b) aa). 749 Roth, Organstreitigkeiten, S. 827 ff. 750 Roth, Organstreitigkeiten, S. 827.
242
4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
will. Seine wichtigsten Befunde sollen in der gebotenen Kürze dargestellt werden. Nach Roth tritt die Nichtigkeit als gravierendste Fehlerfolge in solchen Fällen ein, in denen „die Rechtsordnung durch die Hinnahme der Existenz des rechtswidrigen Rechtsaktes besonders schwer beeinträchtigt oder gar in sich widersprüchlich würde“751 und daher ein überragendes rechtsstaatliches Interesse752 an der Vermeidung einer solchen Rechtswidrigkeit besteht. Dies ist einerseits dann der Fall, wenn der Grad der Rechtswidrigkeit besonders intensiv ist und die Existenz eines solchen rechtswidrigen Hoheitsaktes mit fundamentalen Rechtsvorstellungen unvereinbar wäre. Speziell bei Rechtssätzen, andererseits, resultiert das besondere Interesse an der Verhinderung rechtswidriger Hoheitsakte nicht zwangsläufig aus dem besonders hohen Grad an Rechtswidrigkeit. Entscheidend ist hier vielmehr zum einen der weite Adressatenkreis des Hoheitsaktes – die Rechtswidrigkeit betrifft also eine hohe Anzahl von Rechtsunterworfenen – und zum anderen die Funktion von Rechtsnormen als Fundament unserer Rechtsordnung, was eine besondere Sensibilität gegenüber Rechtsverstößen bedingt. Vertrauensschutzerwägungen müssen demgegenüber generell zurücktreten. Daher gilt das Nichtigkeitsdogma.753 Auf Satzungen ist dies jedoch nur eingeschränkt übertragbar. Die hier bestehenden Unbeachtlichkeits- und Heilungsvorschriften sind vor allem dem Interesse an einer funktionsfähigen öffentlichen Verwaltung geschuldet. Gerade Bebauungspläne kommen in einem äußerst personal- und zeitintensiven Verfahren zustande, weisen jedoch zugleich aufgrund der Vielzahl der zu beachtenden (Verfahrens-)Vorschriften eine hohe Fehleranfälligkeit auf.754 Die Nichtigkeit einer Satzung durch jedweden Verfahrens- oder Formfehler würde insbesondere kleinere Gemeinden schlichtweg überfordern.755 Die abweichende Fehlerfolgenregelung bei Satzungen756 im Vergleich zu formellen 751
Roth, Organstreitigkeiten, S. 828. Roth selbst spricht nicht von einem rechtsstaatlichen Interesse, sondern davon, dass „das Gesetzmäßigkeitsprinzip“ in solchen Fällen „absoluten Vorrang beansprucht“ (Roth, Organstreitigkeiten, S. 828). Dies ist jedoch insoweit nicht schlüssig, als er nachfolgend auch zu formellen Rechtssätzen ausführt, für die das Gesetzmäßigkeitsprinzip nicht gilt. 753 Allerdings zeigen die Unvereinbarkeitserklärung sowie die Möglichkeit einer flexiblen Fehlerfolgenbestimmung durch entsprechende Tenorierung des BVerfG besonders deutlich, dass sich beim Umgang mit den Fehlerfolgen von Hoheitsakten eine schematische Lösung verbietet und eine interessengerechte Antwort auf die Fehlerhaftigkeit gefunden werden muss. 754 BerK-BauGB/Petz, 27. EL, 5/2014, § 214 BauGB Rn. 4. 755 Roth, Organstreitigkeiten, S. 813 m.w.N. 756 Durch die umfangreichen Unbeachtlichkeits- und Heilungsvorschriften der §§ 214 f. BauGB wird das Nichtigkeitsdogma bezeichnenderweise gerade bei solchen Rechtssätzen besonders stark aufgeweicht, bei denen eine hohe Ähnlichkeit zu Verwaltungsakten (in 752
D. Eigener Lösungsansatz
243
Gesetzen ist auch deshalb sachgerecht, weil Letztere einen geringeren Adressatenkreis als Erstere betreffen, wodurch sich rechtswidrige formelle Gesetze und rechtswidrige Satzungen als unterschiedlich starke Störungen der Rechtsordnung erweisen.757 Während die Fehlerfolgen bei Rechtssätzen gleichwohl grundsätzlich durch das Nichtigkeitsdogma geprägt sind, stehen die Dinge bei öffentlichrechtlichen Verträgen, Verwaltungsakten und Gerichtsentscheidungen anders. Diese Hoheitsakte sind nur ausnahmsweise und lediglich bei qualifizierten Rechtsverstößen nichtig. Im Vordergrund stehen hier die Rechtssicherheit758 im Einzelfall und der Schutz des berechtigten Vertrauens in ihren Bestand, die einer Wirksamkeit nur rechtmäßiger Rechtsakte entgegenstehen. Der Vertrauensschutzgedanke erlangt besonders bei öffentlich-rechtlichen Verträgen Bedeutung. Hier kontrahieren Staat und Bürger einvernehmlich, was auf beiden Seiten ein schützenswertes Vertrauen auf die Einhaltung des Vertrages begründet – insbesondere dann, wenn zur Erfüllung des Vertrages bereits entsprechende Dispositionen getroffen werden. Die Möglichkeit, sich einseitig von dem Vertrag zu lösen, wäre daher unbillig. Dementsprechend ist eine behördliche Aufhebung des Vertrages ebenso ausgeschlossen, wie auch dem Bürger keine Anfechtungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt wird. Bei Verwaltungsakten und Gerichtsentscheidungen gibt es demgegenüber kein anerkennenswertes Vertrauen des Staates in den Bestand, da es sich um einseitige Hoheitsakte handelt. Indessen kann bei Betroffenen, vor allem bei einer Begünstigung, durchaus ein schützenswertes Vertrauen bestehen. Daher ist es stimmig, dass rechtswidrige Verwaltungsakte nur dann zurückgenommen werden können, wenn kein schutzwürdiges Vertrauen des Adres-
Form von Allgemeinverfügungen) besteht. Da § 35 S. 2 VwVfG bestimmt, dass Regelungsgegenstand einer Allgemeinverfügung auch die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache sein kann, wozu auch die Bebaubarkeit zählt, ließe sich der Bebauungsplan auch als sachbezogene Allgemeinverfügung verstehen (vgl. Forsthoff, VerwR, S. 309 f.; Stelkens/ Bonk/Sachs/Stelkens, § 35 VwVfG Rn. 264). Durch die Kodifizierung des § 10 Abs. 1 BauGB, nach dem Bebauungspläne als Satzungen zu beschließen sind, wurde zwar der zuvor geführte Streit über deren Rechtsnatur (siehe nur Forsthoff, VerwR, S. 309 ff.; Balscheit, Rechtsnatur des Planes, S. 19 ff.) beendet. An den Gemeinsamkeiten zwischen Bebauungsplan und Verwaltungsakt änderte sich dadurch aber nichts. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Umstand, dass die Fehlerfolgen eines Bebauungsplans nach §§ 214 f. BauGB in ihren Konsequenzen eine deutliche Ähnlichkeit zu den Fehlerfolgen von Verwaltungsakten aufweisen (zum Ganzen eingehend Roth, Organstreitigkeiten, S. 829 f.). 757 Vgl. BerK-BauGB/Petz, 27. EL, 5/2014, § 214 BauGB Rn. 4. 758 Das Bedürfnis an Rechtssicherheit besteht insbesondere bei Judikaten. Eine generelle Nichtigkeit fehlerhafter gerichtlicher Entscheidungen, auf die sich jedermann uneingeschränkt berufen könnte, wäre rechtsstaatlich unerträglich (ausführlich Hößlein, Unrecht, S. 69 f.).
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
saten entgegensteht.759 Seitens des Betroffenen können Verwaltungsakte ebenso wie (nicht letztinstanzliche) Gerichtsentscheidungen dagegen angefochten werden. Im Vordergrund steht hier zunächst die Rechtmäßigkeit im Einzelfall. Mit dem Eintritt der Rechts- bzw. Bestandskraft tritt dieses Interesse allerdings hinter jenem an Rechtssicherheit sowie einem etwaigen Vertrauen Dritter auf den Bestand des Hoheitsaktes zurück. (3) Stellungnahme und Erkenntnisse für die Ablieferung Roth gelingt in seiner Analyse, die freilich weitaus detaillierter ist als hier resümiert, die nachvollziehbare Veranschaulichung der hinter den Fehlerfolgen der verschiedenen Hoheitsakte stehenden Interessenlagen. Seine Ausführungen verdienen in weiten Teilen Zustimmung. Für die hiesige Untersuchung ist der entscheidende Punkt jener, dass außerhalb von Rechtssätzen, mithin bei einzelfallbezogenen Hoheitsakten, ein Fehler dann zur Nichtigkeit führt, wenn er so gravierend ist, dass die – auch nur zeitweise – Wirksamkeit des Hoheitsaktes mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren ist. Roth erklärt somit letztlich die Schwere des Fehlers als maßgebendes Kriterium für die Nichtigkeitsbestimmung. Dieser Befund scheint die h.M. zur Nichtigkeitsbestimmung von Vollstreckungsakten zu bestätigen. Allerdings kann die von Roth gezogene Folgerung bei näherer Betrachtung nicht überzeugen. Erstens ist seine Analyse rein empirischer Art.760 Um Schlüsse auf andere Hoheitsakte zuzulassen, müssten diese mit den untersuchten Hoheitsakten hinreichend vergleichbar sein. Hier stellt sich jedoch erneut das Problem, dass an die Ablieferung keine anderweitigen Fehlerfolgen geknüpft sind. Sie ist insbesondere nicht anfechtbar, was einen wesentlichen Unterschied nicht nur zu Verwaltungsakten, sondern auch zu Judikaten darstellt. Auch gegen die Vergleichbarkeit mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag bestehen Bedenken, handelt es sich bei diesem doch nicht um einen ein-, sondern um einen beiderseitigen Rechtsakt, für den zudem als Besonderheit der Grundsatz der Vertragstreue gilt.761 Viel wichtiger ist jedoch, dass die diesbezüglichen Ausführungen Roths in sich nicht schlüssig sind. Er anerkennt zunächst, insoweit zutreffend, die Schwere des Fehlers als einen Faktor, den es im Rahmen der zur Fehlerfol-
759
Siehe § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG. Kritisch zu einer darauf beruhenden Herleitung von Regeln zur Fehlerfolgenbestimmung a priori schon Hippel, Untersuchungen, S. 66 f. 761 Auch wenn man, wie teilweise innerhalb der gemischten und öffentlich-rechtlichen Theorie vertreten (s.o. 1. Teil B. III. 2.), in der Ablieferung einen Übereignungsvertrag erblicken will, ist dieser als rein dingliches Rechtsgeschäft nicht mit einem schuldrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag vergleichbar. 760
D. Eigener Lösungsansatz
245
genbestimmung durchzuführenden Abwägung zu berücksichtigen gilt.762 Angesichts dessen kann die Schwere des Fehlers jedoch nicht ohne inneren Widerspruch zugleich als Richtwert für das Abwägungsergebnis bei einzelfallbezogenen Hoheitsakten dienen. Hierdurch würde der Abwägungsvorgang als solcher konterkariert. Es kann schließlich auch einem besonders schweren Fehler ein besonders hohes Interesse an der Geltung des Rechtsaktes entgegenstehen. Nicht die Schwere des Fehlers, sondern allein das Ergebnis der Abwägung kann daher für die Frage entscheidend sein, ob „die Rechtsordnung nicht einmal die zeitweilige Wirksamkeit des […] fehlerhaften Rechtsaktes anerkennen kann“763. Die Abwägung wiederum erfolgt – zwangsläufig – stets rechtsakt- und fehlerspezifisch, wie Roth selbst ausführt.764 Wenn die o.g. Faktoren insoweit individuell gegeneinander abgewogen und miteinander in billigen Ausgleich gebracht werden müssen, so ist jedoch der Versuch, von den Fehlerfolgen eines oder auch mehrerer Hoheitsakte auf die eines anderen zu schließen, letztlich aussichtslos. Dementsprechend ist Hößlein und Bumke in ihrer Feststellung zuzustimmen, dass eine echte Systematisierung der Fehlerfolgen von Hoheitsakten nicht möglich ist.765 ff) Zwischenergebnis Die Rechtsordnung hält eine Vielzahl von Fehlerfolgen für rechtswidrige Hoheitsakte bereit. Die Bestimmung einer konkreten Fehlerfolge erfolgt stets durch eine Interessenabwägung, die grundsätzlich der Gesetzgeber zu treffen hat. Die den Fehlerfolgen zugrundeliegenden Interessenlagen lassen sich zwar nachvollziehen. Eine Systematisierung der Fehlerfolgen ist gleichwohl nicht möglich, da die Abwägungsentscheidungen jeweils auf spezifische Konstellationen zugeschnitten sind. Schlussfolgerungen zur Behandlung der rechtswidrigen Ablieferung lassen sich aus den Fehlerfolgen anderer Hoheitsakte somit nicht ableiten. Fehlt, wie hier, eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, so kann die Frage der Nichtigkeit des Hoheitsakts nur wertend beantwortet werden. Bestätigung findet diese Erkenntnis auch in den grundlegenden Untersuchungen von Hippels und Imbodens zur Nichtigkeit fehlerhafter Staatsakte.766 762
Roth, Organstreitigkeiten, S. 828. Roth, Organstreitigkeiten, S. 828. 764 Roth, Organstreitigkeiten, S. 827 f. 765 Hößlein, Unrecht, S. 54; Bumke, Rechtswidrigkeit, S. 201 ff. Vgl. auch Hippel, Untersuchungen, S. 67. 766 Hippel, Untersuchungen, S. 67 ff.; Imboden, Staatsakt, S. 68 (bezogen auf das Schweizer Recht, jedoch ohne Weiteres auf das deutsche Recht übertragbar: „Gibt das Gesetz keine Antwort auf die Frage, ob ein bestimmter Mangel die Nichtigkeit oder nur die Anfechtbarkeit zur Folge habe, so ist auf die der Rechtsordnung zugrundeliegenden allgemeinen Wertgedanken zurückzugehen. […] So kann auch die praktische Frage, ob ein 763
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Sind somit allein Wertungsgesichtspunkte ausschlaggebend, so kann hier auf die oben durchgeführte, umfassende Interessenabwägung verwiesen werden. Demzufolge besteht kein Zweifel daran, dass die Annahme der Nichtigkeit der Ablieferung geboten ist. Dies gilt jedenfalls für hier bestehende Alternativität zwischen Nichtigkeit und (unbeschränkter) Wirksamkeit. De lege ferenda stünde es dem Gesetzgeber selbstverständlich frei, eine andere Fehlerfolge, z.B. die Anfechtbarkeit, vorzusehen. b) Grundsätze zur Fehlerfolgenbestimmung In Literatur und Rechtsprechung trifft man mitunter auf vorgebliche Grundsätze zu den Fehlerfolgen von Hoheitsakten. Sie streiten tendenziell gegen die Nichtigkeit der Ablieferung. aa) Vermutung der Wirksamkeit von Hoheitsakten So stößt man häufig auf den Grundsatz, dass Hoheitsakte die „Vermutung der Wirksamkeit“ in sich trügen.767 Der Gedanke geht zurück auf Mayer. In Abgrenzung zu privatrechtlichen Rechtsakten führte dieser aus, dass Hoheitsakte mit ihrem Erlass zugleich die obrigkeitliche Bezeugung beinhalten würden, dass die gesetzlichen Gültigkeitsvoraussetzungen erfüllt seien.768 Es hat sich daher auch die Formel der „Selbstbezeugung der Staatsakte“ etabliert.769 Die Vermutung basiert also auf der Staatsautorität.770 Auch sei es für bestimmter Akt als nichtig zu qualifizieren sei, nicht begrifflich, sondern nur wertend gelöst werden“); die Maßgeblichkeit der Interessenabwägung für die Nichtigkeitsbestimmung von Vollstreckungsakten herausstellend auch Schwinge, Staatsakt, S. 110 („die Frage, welche Wirkung die Verletzung irgendeiner Verfahrensvorschrift hat, [läßt sich] niemals a priori beantworten, sondern stets bedarf es einer Untersuchung ihres materiellen Inhalts, des Zweckes der Bestimmung und der Interessen, zu deren Schutze sie bestimmt ist“). Die wesentlichen Aussagen der drei Werke zusammenfassend Strauß, Nichtigkeit, S. 29 ff., 43 ff., 51 ff. Auf die mittlerweile über 110 Jahre zurückliegende Untersuchung Jellineks zur Nichtigkeit fehlerhafter Hoheitsakte (Jellinek, Staatsakt, passim) soll dagegen nicht eingegangen werden, da sie auf der heute als überwunden anerkannten dogmatischen Grundlage des Rechtspositivismus erfolgte (vgl. Strauß, Nichtigkeit, S. 157 f.). 767 Huber, Versteigerung, S. 35, 111 ff.; Roth, Organstreitigkeiten, S. 833; Krugmann, Evidenzfunktionen, S. 148; Müller, Ablieferung, S. 223; Breuer, DVBl 2008, 555, 558, 561, 565; vgl. auch Quidde, DÖV 1963, 339, 340; aus der Rechtsprechung etwa BVerwGE 23, 237, 238 im Anschluss an BVerwGE 1, 67, 69; BVerwG NVwZ 2000, 1039; BGHZ 1, 223; 4, 302, 308. Der Terminus „Vermutung“ ist dabei irreführend, da hier nicht eine Vermutung im juristischen Sinne gemeint ist, ein Hoheitsakt also nicht mutmaßlich und vorbehaltlich des gegenteiligen Beweises als wirksam anzusehen ist, sondern der Umstand, dass ein Hoheitsakt regelmäßig tatsächlich wirksam ist (zutreffend Roth, Organstreitigkeiten, S. 833; vgl. ferner Rupp, Grundfragen, S. 56 f.; Huber, Versteigerung, S. 112 f.). 768 Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 95 f. 769 Huber, Versteigerung, S. 114. 770 Vgl. Forsthoff, VerwR, S. 224; Bettermann, in: GS Jellinek, 361, 378.
D. Eigener Lösungsansatz
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das Funktionieren des staatlichen Gewaltmonopols unabdingbar, dass die Rechtsunterworfenen generell die Wirksamkeit staatlicher Machtausübung anerkennen.771 Der letztgenannte Punkt ist sicherlich richtig. Unhaltbar war daher die Theorie Kelsens, nach der jeder Form staatlicher Machtausübung stets der Wille des jeweiligen Hoheitsträgers zugrunde liegt, innerhalb der Rechtsordnung zu handeln, weshalb die Rechtswidrigkeit eines Hoheitsaktes immer zu dessen Nichtigkeit führen müsste.772 Könnte gem. dieser Auffassung der Rechtsunterworfene jedweden Hoheitsakt generell infrage stellen, würde die Gesellschaft im Chaos versinken. Der behauptete Grundsatz der Wirksamkeitsvermutung verdient dennoch keine Zustimmung. Einerseits ist er als Pauschalaussage nach der vorangegangenen Untersuchung schlichtweg unzutreffend, da für Rechtssätze mit dem Nichtigkeitsdogma gerade ein gegenteiliges Prinzip gilt.773 Andererseits überzeugt aber auch die Begründung eines solchen Grundsatzes durch Verweis auf die Staatsautorität nicht. Ein derartiges Hervorheben der Staatsautorität mutet anachronistisch an, beschreibt es doch treffend die Zustände in einem absolutistischen Staat, in dem allein die Herrschaftsmacht des Monarchen die Rechtslage bestimmt.774 Im modernen Rechtsstaat ist die Staatsgewalt dagegen reglementiert und muss sich gem. Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung bzw. an Recht und Gesetz halten.775 Diese Gesetzesbindung ließe sich tatsächlich als Argument für den umgekehrten Schluss anführen, dass nämlich ein gegen das Recht verstoßender Hoheitsakt grundsätzlich unwirksam sein muss. Ein solcher Schluss wurde, zumindest in Bezug auf Verwaltungsakte, denn auch durchaus von Teilen der Literatur gezogen.776 Zur Begründung wurde insbesondere darauf verwiesen, dass rechtswidrige Verwaltungsakte eher unwirksam sein müssten als Privatrechtsakte, weil das Gesetz bei Ersteren die Quelle der Wirkung sei, bei Letz771
Breuer, DVBl 2008, 555, 561 f. Kelsen, GrünhutsZ 1914, 1, 7, 86. Genau genommen soll nach Kelsens Auffassung im Falle eines Rechtsverstoßes überhaupt kein dem Staat zurechenbarer Rechtsakt vorliegen. 773 Vgl. Hößlein, Unrecht, S. 62. Insoweit ist allerdings anzumerken, dass der mit der Staatsautorität begründete Wirksamkeitsgrundsatz vielfach auf Verwaltungsakte (Forsthoff, VerwR, S. 224; Jellinek, VerwR, S. 263; so auch schon Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 95 f.) und ggf. Gerichtsentscheidungen (konkret zu diesen Wetzell, System, S. 701 f.) beschränkt wird. 774 Nicklisch, Bindung, S. 49; Hößlein, Unrecht, S. 62; vgl. auch Gilles, Rechtsmittel, S. 231 f.; Huber, Versteigerung, S. 114; Bachof, SJZ 1950, 488, 489. 775 Vgl. Morlok, Verfahrensfehler, S. 58 f. 776 Maurer, in: Perspektiven der Gesetzgebung, 233, 235; Nicklisch, Bindung, S. 49.; Herrnritt, Grundlehren, S. 284 f. Fn. 7; Thieme, DÖV 1962, 686, 687; Bettermann, MDR 1949, 394, 396. Letzterer hat seinen Standpunkt jedoch später geändert (vgl. Bettermann, in: GS Jellinek, 361, 378). Vgl. auch Olshausen, JZ 1967, 116, 117. 772
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
teren lediglich die Schranke der Privatautonomie.777 Darüber hinaus bestehe im Verwaltungsrecht ein öffentliches Interesse an der Unwirksamkeit rechtswidriger Hoheitsakte, wohingegen im Privatrecht die Anfechtung von Rechtsakten dem Gutdünken der Parteien überlassen werden könne.778 Durch ein Abstellen auf die Staatsautorität lässt sich nach alledem keine Vermutung der Wirksamkeit von Hoheitsakten begründen.779 Konkret in Bezug auf Ablieferung gilt dies sogar erst recht. Die mit aus der Staatsautorität abgeleitete Wirksamkeitsvermutung wird nämlich vor allem damit gerechtfertigt, dass die entsprechenden Hoheitsträger in aller Regel ihre eigenen Handlungen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen.780 Auf die Wirksamkeitsvermutung könnte dann jedoch nur in dem Maße abgestellt werden, in dem eine solche Rechtmäßigkeitsprüfung erfolgt. In der Mobiliarvollstreckung findet eine Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit durch den Gerichtsvollzieher nicht statt. Im Falle der Versteigerung von Dritteigentum ist der auf die Staatsautorität gestützten Wirksamkeitsvermutung somit der Boden entzogen.781 bb) Grundsatz der Erhaltung fehlerhafter Hoheitsakte In eine ähnliche Richtung geht auch der von der Expertenkommission zur Novellierung des BauGB in den Raum gestellte „Rechtsgrundsatz der Rechtserhaltung auch bei Fehlerhaftigkeit eines Rechtsakts“782, welcher von dieser gar als „leitender Gedanke unserer Rechtsordnung“783 bezeichnet wurde.784 Die Expertenkommission suchte diesen Grundsatz durch den Ver-
777
Bettermann, MDR 1949, 394, 396. Herrnritt, Grundlehren, S. 284 f. (Fn. 7). 779 Ebenso Nicklisch, Bindung, S. 48 ff.; Hößlein, Unrecht, S. 60 ff. 780 Vgl. Imboden, Staatsakt, S. 73; Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S. 35. 781 Zum ganzen Absatz Huber, Versteigerung, S. 114 f., 141. Vgl. hierzu schon oben 2. Teil D. II. 2. c) cc) (1). 782 Bericht der Expertenkommission zur Novellierung des BauGB, Rn. 104. 783 Bericht der Expertenkommission zur Novellierung des BauGB, Rn. 103. Dort heißt es weiter: „In einer entwickelten Rechtsordnung stellt die Fehlerfolgenbegrenzung, die aus dem Gedanken der Erhaltung von Rechtsakten trotz Rechtsfehlerhaftigkeit entwickelt worden ist, eine bewährte Tradition dar.“ Zumindest in Bezug auf hoheitliche Rechtsakte kann dem nicht gefolgt werden. Traditionell ist hier vielmehr das Nichtigkeitsdogma (Nachweise in Fn. 685). 784 Dass Fehlerfolgen (zumindest auch) im Wege einer Abwägung bestimmt werden, bestreitet die Expertenkommission nicht: „Dieser Gedanke der Erhaltung von Rechtsakten auch bei Fehlerhaftigkeit gilt nicht absolut ohne jede Einschränkung, sondern abwägend-differenzierend: Kein rigides Alles-oder-Nichts-Denken. Das Prinzip der Erhaltung und das Prinzip der Abwägung zwischen den Rechtsgütern, die für die Erhaltung, und den Rechtsgütern, die für die Nichtigkeit von Rechtsakten stehen, spielen ineinander, verschränken und bedingen sich zu einer fruchtbaren Symbiose“ (Bericht der Expertenkom778
D. Eigener Lösungsansatz
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weis auf öffentlich-rechtliche wie auch zivilrechtliche Rechtsinstitute wie die Teilnichtigkeit, die geltungserhaltende Auslegung, die teleologische Reduktion oder die Umdeutung zu belegen.785 Ebenso wie die Vermutung der Wirksamkeit von Hoheitsakten stellt auch dieser (behauptete) Grundsatz die Nichtigkeitsfolge eines rechtswidrigen Hoheitsaktes als atypische Ausnahme dar, stützt sich dabei jedoch weniger auf dogmatische als vielmehr auf empirische Erwägungen. Wie Roth bereits in seiner Abhandlung bewiesen hat, geht auch dieser Gedanke – zumindest in Bezug auf die hier interessierenden hoheitlichen Rechtsakte – jedoch fehl.786 Er weist zutreffend darauf hin, dass zwischen den einzelnen Rechtsinstituten bzw. -instrumenten, die vermeintlich eine Rechtserhaltung bewirken, differenziert werden muss. Auf der einen Seite stehen die Auslegung, die einen Rechtsakt gänzlich vor der Rechtswidrigkeit bewahrt, die Reduktion und die Teilnichtigkeit, durch die jeweils ein Hoheitsakt auf seinen rechtmäßigen Gehalt beschränkt wird, sowie die Umdeutung, welche einen an sich rechtswidrigen Hoheitsakt in ein rechtmäßiges Aliud überführt. Diesen Fallgruppen ist gemein, dass ein rechtswidriger Hoheitsakt gerade nicht zur Anwendung gelangt. Auf der anderen Seite gibt es die Unbeachtlichkeits- und Präklusionsvorschriften. Nur diese bewirken, dass ein rechtswidriger Hoheitsakt tatsächlich zur Anwendung kommt und zudem seine Aufhebbarkeit ausgeschlossen ist – hier wird ein rechtswidriger Hoheitsakt tatsächlich „erhalten“. Erhaltungsvorschriften mögen dort, wo sie Anwendung finden, aufgrund der fachbereichsspezifischen Besonderheiten ihre Berechtigung haben. Bezogen auf die jeweiligen Bereiche lassen sich sogar durchaus Grundsätze feststellen, etwa der Grundsatz der Planerhaltung.787 Sie betreffen jedoch nur einen kleinen Teil rechtswidriger Hoheitsakte und vermögen keineswegs einen allgemeinen Grundsatz der Rechtsordnung zu begründen. Der Gedanke eines solchen Grundsatzes wäre im Übrigen auch rechtspolitisch äußerst fragwürdig,788 schließlich bedeutet die Erhaltung rechtswidriger Hoheitsakte mission zur Novellierung des BauGB, Rn. 103). Der letzte Satz impliziert jedoch, dass der Abwägungsvorgang lediglich ein „Prinzip“ sei, das es bei der Bestimmung der Fehlerfolge zu berücksichtigen gelte, während daneben das (gleichwertige?) Prinzip der Erhaltung trete. Unklar bleibt zudem, ob daneben noch weitere „Prinzipien“ Berücksichtigung finden sollen. 785 Bericht der Expertenkommission zur Novellierung des BauGB, Rn. 104. 786 Zum Nachfolgenden Roth, Organstreitigkeiten, S. 833 f. 787 Zum Grundsatz der Planerhaltung im Baurecht, in dem er sogar als amtliche Überschrift der §§ 214–216 BauGB Niederschlag gefunden hat, Erbguth/Schubert, Baurecht, § 5 Rn. 176 ff. und § 15 Rn. 80 m.w.N.; Dolde, NVwZ 1996, 209, 211; im Energierecht: Theobald/Kühling/Missling, 86. EL, 9/2015, § 43e EnWG Rn. 16 ff.; im Umweltrecht: Landmann/Rohmer/Riese, 75. EL, 1/2015, § 68 WHG Rn. 210 ff. 788 Kritik gibt es im Übrigen auch schon an dem Planerhaltungsgrundsatz. Bezogen auf
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
nichts anderes als die Erhaltung staatlichen Unrechts. Dies kann zwar bei einer entsprechenden Interessenlage ausnahmsweise geboten sein, in einem Rechtsstaat jedoch niemals einen allgemeinen Grundsatz darstellen. cc) Zwischenergebnis Die sog. Grundsätze zur Fehlerfolgenbestimmung halten einer kritischen Prüfung nicht stand. Sie liefern somit keinen Erkenntnisgewinn zur Behandlung der Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer. c) Verfassungsrechtliche Vorgaben Zu untersuchen bleibt zuletzt, ob sich der Verfassung Anhaltspunkte zur Behandlung der rechtswidrigen Ablieferung entnehmen lassen. Zwar wurde zuvor klargestellt, dass aus den verfassungsrechtlichen Geboten und Grundsätzen keine spezifische Fehlerfolge für rechtswidrige Hoheitsakte hergeleitet werden kann. Vorliegend geht es jedoch allein um die Entscheidung zwischen der uneingeschränkten Wirksamkeit und der Nichtigkeit der Ablieferung.789 Insoweit lassen sich durchaus verfassungsrechtliche Vorgaben ausmachen. aa) Nichtigkeit als Ersatz für fehlenden Rechtsschutz Es wurde festgestellt, dass gegen die rechtswidrige Ablieferung kein hinreichend effektiver Rechtsschutz gewährleistet ist, weshalb der betroffene Dritteigentümer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt wird. Wie oben dargestellt, handelt es sich bei dem Grundrecht um eine Versubjektivierung der objektiv-rechtlichen Justizgewährungspflicht, welche aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt.790 Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ist mithin selbst eine Emanation des Rechtsstaatsprinzips.791 Eine unzureichende Rechtsschutzgewährung ist daher stets auch rechtsstaatlich unbefriedigend.
das Bauplanungsrecht wird mitunter von einem „Verlust von wesentlichen Elementen des […] Konzepts von Rechtmäßigkeit und Rechtskontrolle der Bauleitplanung“ gesprochen, mit dem „auch eine schleichende Erodierung des Individualrechtsschutzes“ einhergehe (Erbguth/Schubert, Baurecht, § 5 Rn. 179). Mit ausführlicher Kritik, auch aus unionsrechtlicher Perspektive Koch, in: Koch/Hendler, BauR, § 18 Rn. 36 ff. 789 Andere Fehlerfolgen als die der Nichtigkeit hätten einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Kodifizierung bedurft, vgl. o. D. II. 2. a) ee) (1). 790 S.o. 3. Teil A. III. 791 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 875; MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 354; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 35; Maurer, in: FS Bethge, 535; SchmidtAßmann, NVwZ 1983, 1, 2; vgl. Kopp, Verfassungsrecht, S. 148 m.w.N.; Morlok, Verfahrensfehler, S. 66 f.; Müller, Ablieferung, S. 173 f.
D. Eigener Lösungsansatz
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Ist die unzureichende Rechtsschutzgewährung nicht bloß den konkreten Umständen des Einzelfalls geschuldet, sondern besteht gegen bestimmte hoheitliche Maßnahmen generell kein hinreichend effektiver Rechtsschutz, wie es bei der rechtswidrigen Ablieferung der Fall ist, so ist die Annahme der Nichtigkeit des entsprechenden Rechtsaktes demnach rechtsstaatlich geboten. Das Nichtigkeitsverdikt verhindert die Rechtsverletzung des Grundrechtsträgers, wodurch sich die Gewährung eines Rechtsschutzes erübrigt. Die Fehlerfolge der Nichtigkeit fungiert insoweit anerkanntermaßen als Ersatz für den fehlenden Rechtsschutz.792 Umgekehrt entfällt aus rechtsstaatlicher Sicht das Bedürfnis, einem Hoheitsakt seine Wirksamkeit abzusprechen, solange und soweit dem Betroffenen ein hinreichend effektiver gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung steht, mithilfe dessen er sich gegen seine Rechtsverletzung wehren kann.793 Die jeweils gegebenen Möglichkeiten, eine Rechtsverletzung gerichtlich geltend zu machen, und die Frage der Nichtigkeit des fehlerhaften Hoheitsaktes stehen daher in einem Verhältnis der Wechselbezüglichkeit, sie beeinflussen sich gegenseitig.794 Grundlage dieses Dogmas ist der Umstand, dass sich Fehlerfolgen, wie dies zuvor dargelegt wurde,795 nicht logisch deduzieren lassen, sondern nur anhand von Wertungsund Zweckmäßigkeitserwägungen bestimmbar sind.796 792 Roth, Organstreitigkeiten, S. 832 und 834; Huber, Versteigerung, S. 104; vgl. Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 160; BVerwGE 23, 237, 238 („der mit der Nichtigkeit verbundene Gedanke des unbefristeten Rechtsschutzes“); in Bezug auf das Nichtigkeitsdogma Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2807, Heckmann, Geltungskraft, S. 93 sowie Kment, Rechtsschutz, S. 15; zur Rechtsschutzfunktion der Nichtigkeit ferner HK-VerwR/Schwarz, § 44 VwVfG Rn. 1 („allgemeine Ansicht“) m.w.N.; Müller, Ablieferung, S. 176, 178 m.w.N.; Kopp/Ramsauer/Ramsauer, § 44 VwVfG Rn. 1. Die Aussage ist aus rechtstheoretischer Sicht richtig. Für die Praxis weist Schnelle allerdings zutreffend darauf hin, dass der Rechtsunterworfene auch die Nichtigkeit des Hoheitsaktes regelmäßig durch ein Gericht bestätigen lassen muss (Schnelle, Fehlerfolgenlehre, S. 147 f.). 793 Roth, Organstreitigkeiten, S. 834 f.; Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 160; Müller, Ablieferung, S. 194; vgl. Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2807; Heckmann, Geltungskraft, S. 93; Kment, Rechtsschutz, S. 15; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 43; Thieme, DÖV 1962, 686, 687; vgl. in Bezug auf das Zwangsvollstreckungsrecht Huber, Versteigerung, S. 104; Gaul, Rpfleger 1971, 1, 5; Münzberg, in: FS Zöllner, 1203, 1205; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 31 Rn. 10; Berghaus, Schutz der Zwangsvollstreckung, S. 116 f.; Strauß, Nichtigkeit, S. 155. 794 Roth, Organstreitigkeiten, S. 834; Huber, Versteigerung, S. 103 ff.; Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2807; Heckmann, Geltungskraft, S. 93; Riemer, Stand der Lehre, S. 48 ff.; vgl. ferner Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 160; Kment, Rechtsschutz, S. 15; Schnelle, Fehlerfolgenlehre, S. 75; Stern, StaatsR IV/2/Dietlein, S. 1974; Hippel, Untersuchungen, S. 80 ff.; Imboden, Staatsakt, S. 81 ff.; Kormann, System, S. 217; Bachof, SJZ 1950, 488, 490; Schnelle, Fehlerfolgenlehre, S. 146 ff., der selbst jedoch einen anderen Standpunkt einnimmt. 795 S.o. D. II. 2. a) ee). 796 Vgl. Huber, Versteigerung, S. 105.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
Diese Wechselbezüglichkeit zwischen Nichtigkeit und Rechtsschutzmöglichkeiten ist auch in der Rechtsprechung anerkannt, wie sich anhand diverser Beispiele belegen lässt.797 So ging schon das RG im Bereich des Wohnungsrechts in einer Reihe von Entscheidungen davon aus, dass die durch § 7 der Mieterschutzverordnung vom 23.11.1918 für unanfechtbar erklärten Beschlüsse der Mieteinigungsämter nichtig seien, wenn diese ihre Zuständigkeit überschritten haben. Eine „Zuständigkeitsüberschreitung“ verstand das RG jedoch extrem weit und fasste darunter auch Inhalts- und Verfahrensfehler des Beschlusses (vgl. RGZ 101, 115, 116; 103, 314, 315 f.; 103, 271, 273 f.; 104, 153, 154). Diese Rechtsprechung endete bezeichnenderweise mit dem Erlass des Mieterschutzgesetzes vom 01.06.1923, das in § 43 die Unanfechtbarkeit der Beschlüsse beseitigte. Ganz ähnlich gingen RG und RAG bei der Beurteilung von Schiedssprüchen und der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen vor: Auch hier begründeten die Gerichte die Nichtigkeit mit äußerst weit verstandenen „Zuständigkeitsverstößen“, unter die sie auch hier Inhalts- und Verfahrensfehler fassten.798 Nipperdey verwies zur Legitimation dieser Spruchpraxis ausdrücklich auf den fehlenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz bei arbeitsrechtlichen Verwaltungsakten und erklärte, es müsse, solange dies der Fall sei, „in stärkstem Umfang das Nachprüfungsrecht der Gerichte und bei entsprechenden Fehlern die Nichtigkeit der Verwaltungsakte angenommen werden“799. Besonders deutlich ist die Wechselbezüglichkeit auch bei der Entwicklung der Fehlerfolgen von Verwaltungsakten erkennbar. Indem die gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Verwaltungsakte kontinuierlich ausgeweitet wurden,800 verlor die Fehlerfolge der Nichtigkeit zunehmend ihre Rechtsschutzfunktion und wurde konsequenterweise immer weiter eingeschränkt.801 Heute ist sie aufgrund der umfassenden verwaltungsgerichtlichen Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO nahezu bedeutungslos.802 Die Einführung der Generalklausel wirkte sich auch auf die Rechtsprechung aus.803 So waren die Verwaltungsgerichte vor ihrer Einführung bei der Annahme der Nichtig-
797
Zu den nachfolgenden Ausführungen zur Rechtsprechung Huber, Versteigerung, S. 105 ff. 798 Vgl. RAG BenshSlg 5, 167, 175; RG BenshSlg 8, 543, 547; weitere Nachweise bei Huber, Versteigerung, S. 106 (Fn. 18). 799 Nipperdey, BenshSlg 5, 259, 270. Vgl. auch Jacobi, JW 1929, 1276, 1278. 800 Die Entwicklung zusammenfassend Huber, Versteigerung, S. 106 (Fn. 19); Heike, Stand der Lehre, S. 28 (Fn. 38). 801 Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2807; Kment, Rechtsschutz, S. 15; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 175. 802 Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2807. 803 Zum Rest des Absatzes Huber, Versteigerung, S. 106 f.; vgl. auch Heike, Stand der Lehre, S. 27 ff.
D. Eigener Lösungsansatz
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keit unanfechtbarer Verwaltungsakte deutlich großzügiger.804 Die Zivilgerichte nahmen zunächst auch nach der Einführung der Generalklausel im Wege der Inzidentkontrolle weiterhin die Nichtigkeit von Verwaltungsakten bei Fehlern an, die seit der Einführung gemeinhin nicht mehr als nichtigkeitsbegründend angesehen wurden.805 Während man diese Spruchpraxis der Zivilgerichte zuvor noch als erforderlich ansah, um „eine in unerträglichem Maße sich von Gesetz und Recht entfernende Verwaltungspraxis in ihre Schranken zurückzuweisen“806, wurde nach Einführung der Generalklausel jedoch eine kritische Durchsicht der Nichtigkeitsgründe gefordert, weil es dem Betroffenen nunmehr zumutbar sei, den eröffneten Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten.807 Es lässt sich somit festhalten: Ist gegen einen fehlerhaften Hoheitsakt generell kein effektiver Rechtsschutz gegeben, so ist es geboten, diesen rechtsstaatlich unbefriedigenden Zustand durch die Nichtigkeit des Hoheitsaktes aufzulösen. Wenngleich die vorherigen Ausführungen sich vor allem auf den repressiven Rechtsschutz als Normalfall808 der Rechtsschutzgewährung beziehen, gilt dies natürlich auch für die präventive Rechtsschutzgewährung. Für eine Kompensation mangelhafter gerichtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten durch die Fehlerfolge der Nichtigkeit besteht gleichermaßen kein Bedürfnis, wenn und soweit ausnahmsweise ein hinreichend effektiver Präventivrechtsschutz besteht. In diesem Fall sind die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG auch ohne eine nachträgliche Abhilfemöglichkeit erfüllt. Es besteht folglich kein Rechtsschutzdefizit, das durch die Nichtigkeit des Hoheitsaktes ausgeglichen werden müsste. Bei der rechtswidrigen Ablieferung trifft dies jedoch gerade nicht zu. Es ist daher rechtsstaatlich geboten, die unzulängliche Rechtsschutzgewährung für den Dritteigentümer durch die Nichtigkeit der Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer zu kompensieren. bb) Gesetzmäßigkeitsgrundsatz Ein weiterer Anhaltspunkt ist dem Rechtsstaatsprinzip zudem in seiner Ausprägung des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes zu entnehmen.
804
Huber, Versteigerung, S. 106 (Fn. 20). Siehe für Rechtsprechungsnachweise die Zusammenstellungen bei Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht II, S. 99 f., 676 ff. 806 Kleinrahm, DV 1949, 365, 366. 807 Sträter, NJW 1949, 681, 683; Bachof, SJZ 1950, 488, 490; Baur, DRZ 1949, 395, 397. 808 S.o. 3. Teil D. II. 1. a). 805
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
(1) Unterlassungspflicht Nach Art. 20 Abs. 3, 2. HS GG sind vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Dieser Gesetzmäßigkeitsgrundsatz809 gehört zu den traditionellen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und ist ein wesentlicher Garant für die Gewaltenteilung.810 Die vollziehende Gewalt i.S.d. Norm ist gleichermaßen weit zu verstehen wie die öffentliche Gewalt i.S.d. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG.811 Ihr unterfällt folglich auch die Vollstreckungstätigkeit des Gerichtsvollziehers. Aus dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz folgt zunächst die Pflicht der vollziehenden Gewalt, nicht gegen Gesetz und Recht zu verstoßen, mithin kein Unrecht zu begehen.812 Diese Unterlassungspflicht kann der Staat zwar nicht gänzlich erfüllen – ansonsten bedürfte es insoweit keiner Fehlerfolgen –, er kann ihre Einhaltung aber zumindest fördern. Hierzu kommen strenge objektiv-rechtliche Vorgaben für das dem Erlass des Hoheitsaktes vorangehende Verfahren in Betracht, aber auch Beteiligungs- und Anhörungsrechte für die von dem Hoheitsakt Betroffenen813 oder die Gewährung eines gerichtlichen Präventivrechtsschutzes i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG.814 Nimmt ein Betroffener seine Beteiligungsrechte wahr oder bedient er sich präventiver Rechtsbehelfe, so kommt dies also zugleich dem rechtsstaatlichen Gebot zugute, Unrecht zu unterlassen.815 809 Häufig wird auch vom „Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung“ gesprochen (bspw. MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 270; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 GG [Rechtsstaat] Rn. 92). Zwar ist es selbstverständlich richtig, dass auch die Verwaltung als Teil der Exekutive dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz unterliegt. Die Terminologie ist jedoch etwas irreführend, suggeriert sie doch, dass sich der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz allein auf die Verwaltung beschränke, wohingegen Art. 20 Abs. 3, 2. HS GG einerseits die Bindung an Gesetz und Recht auch für die Rechtsprechung statuiert und andererseits die vollziehende Gewalt i.S.d. Norm mehr umfasst als nur die Verwaltung. 810 BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 164. 811 BoK/Robbers, 165. EL, 1/2014, Art. 20 GG Rn. 3314; MD/Grzeszick, 51. Lfg, 12/2007, Art. 20 GG VI Rn. 71, jeweils m.w.N. 812 Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 12; MD/Grzeszick, 51. Lfg, 12/2007, Art. 20 GG VI Rn. 141; Müller, Ablieferung, S. 174; vgl. Bettermann, in: FS Huber, 25. 813 Vgl. zu verfahrensrechtlichen Bestimmungen insgesamt Schmidt-Aßmann, NVwZ 1983, 1, 4: „Das Verfahren ist dem Verwaltungsrecht zunächst in einer objektiven Funktion vertraut als […] Entscheidungsprozeß, der […] praktiziert wird, um ,richtige‘ Entscheidungen zu erhalten.“ 814 Vgl. Müller, Ablieferung, S. 174. 815 Vgl. MKS/Huber, Art. 19 GG Rn. 343: „Auch ein lückenloser Individualrechtsschutz hat einen edukatorisch-präventiven Effekt vor allem auf die Verwaltung, die bei ihrer gesamten Tätigkeit stets die mögliche Inanspruchnahme von Rechtsschutz in Rechnung stellen muss. Darüber hinaus hat das Unionsrecht den Blick dafür geschärft, dass die Inanspruchnahme von Individualrechtsschutz, selbst wenn sie der Sicherung individueller Interessen dient, immer eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle der öffentlichen Hand
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(2) Beseitigungspflicht Kommt es dennoch zu einem Rechtsverstoß durch die vollziehende Gewalt, so liegt es auf der Hand, dass der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz dieser Missachtung der Unterlassungspflicht nicht neutral gegenüberstehen kann.816 Aus ihm folgt daher die – auch rechtssoziologisch817 und rechtspolitisch818 gebotene – grundsätzliche819 Pflicht des Staates, das entstandene Unrecht zu beseitigen und dadurch den rechtmäßigen „Soll-Zustand“ wiederherzustellen.820 Diese Beseitigungspflicht umfasst sowohl die Pflicht zur Beseitigung des Unrechts selbst, z.B. durch Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes, als auch die Beseitigung der rechtswidrigen Folgen des Unrechts, die etwa durch den Vollzug eines solchen Verwaltungsaktes eingetreten sein können.821 Die Beseitigungspflicht stellt dabei keine eigenständige staatliche Pflichtenstellung dar, sie ist vielmehr als Fortsetzung der missachteten Unterlassungspflicht zu verstehen.822 Hierdurch wird der Schutzfunktion des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes zugunsten der gesetzgeberischen Entscheidungen, welche die vollziehende Gewalt bei ihrem Handeln beachten muss, effektiv Geltung verschafft. Würde das Gesetzmäßigkeitsprinzip sich lediglich darstellt […]. Willentlich oder nicht: Jeder Kläger ist insoweit funktional immer auch Organ der Rechtsordnung, verantwortlich für das Ganze, ,citoyen‘ im klassischen Sinne des Wortes.“ 816 Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 12. 817 Müller, Ablieferung, S. 174. 818 Maurer, in: Perspektiven der Gesetzgebung, 233, 238 f. 819 Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 14. Zur Einschränkung dieser grundsätzlich bestehenden Pflicht sogleich. 820 Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 5, 11 ff.; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 222; Sachs/Sachs, Art. 20 GG Rn. 111; MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 271; Stern, StaatsR III/1, S. 675; Müller, Ablieferung, S. 174; Voßkuhle, VERW 1996, 511, 530; Maurer, DÖV 1966, 477, 484; Morlok, Verfahrensfehler, S. 63; vgl. auch Schenke, in: FS Maurer., 723, 733 sowie Bettermann, in: FS Huber, 25. Das Bestehen der prinzipiellen staatlichen Pflicht zur Unrechtsbeseitigung ist allgemein anerkannt (Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 5; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 364). Teilweise wird sie auch unmittelbar aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip hergeleitet (Morlok, Verfahrensfehler, S. 140; Morlok, VERW 1992, 371, 376 ff.). 821 Vgl. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 6 f.; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 352 ff. Zur staatlichen Pflicht zur Beseitigung der Folgen staatlichen Unrechts BVerwGE 69, 366, 370: Aus „Art. 20 Abs. 3 GG, durch dessen Regelungen die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden wird […], läßt sich die Verpflichtung der vollziehenden Gewalt ableiten, die rechtswidrigen Folgen ihrer Amtshandlungen wieder zu beseitigen.“ Siehe auch BVerwGE 82, 76, 95: „[Dem Folgenbeseitigungsanspruch] liegt die sowohl grundrechtlich als auch rechtsstaatlich motivierte Forderung zugrunde, diesen [den rechtswidrigen] Zustand mit der rechtsnormativen Lage zur Deckung zu bringen“. 822 Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 12; vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 364; Gusy, ZJS 2008, 233, 235.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
auf die Unterlassungspflicht beschränken und keinerlei Aussagen über die Folgen eines Verstoßes treffen, könnte diese Schutzfunktion nicht erfüllt werden.823 (3) Reaktionspflicht Diese Unrechtsbeseitigungspflicht darf jedoch nicht isoliert gesehen werden.824 Die kompromisslose Durchsetzung der staatlichen Beseitigungspflicht durch die uneingeschränkte Vernichtung jeglichen staatlichen Unrechts wäre insbesondere mit dem ebenfalls in Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnden Gebot der Rechtssicherheit unvereinbar,825 das das Vertrauen des Rechtsunterworfenen in den Bestand staatlicher Entscheidungen und angeordneter Rechtsfolgen schützt.826 Durch das Gebot der Rechtssicherheit wird die staatliche Pflicht zur Unrechtsbeseitigung daher auf eine staatliche Reaktionspflicht reduziert. Der Staat muss das Unrecht also nicht unbedingt beseitigen, er muss aber jedenfalls in irgendeiner Weise darauf reagieren.827 Die Reaktion erfolgt durch die Bestimmung einer Fehlerfolge.828 Wie bereits dargestellt, kommt dem Gesetzgeber dabei ein Ermessensspielraum zu.829 Auch aus dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz lässt sich keine konkrete Fehlerfolge ableiten.830 Allerdings gebietet es die staatliche Reaktionspflicht grundsätzlich, dass jedenfalls materielle Rechtsverstöße nicht gänzlich un-
823
Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 12. Zum diesem Absatz Müller, Ablieferung, S. 175 f. 825 Zum Spannungsverhältnis zwischen Gesetzmäßigkeit und Rechtssicherheit HStR II/Schmidt-Aßmann, § 26 Rn. 62; Maurer, in: Perspektiven der Gesetzgebung, 233, 237; Morlok, Verfahrensfehler, S. 63; Luhmann, Entschädigung, S. 92; Voßkuhle, VERW 1996, 511, 529 f.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 14; vgl. Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 80. 826 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 146 ff.; MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 292 ff., 304. 827 Maurer, in: Perspektiven der Gesetzgebung, 233, 237; Maurer/Waldhoff, VerwR, § 25 Rn. 6; Voßkuhle, VERW 1996, 511, 530, 532 f.; HStR II/Schmidt-Aßmann, § 26 Rn. 62; vgl. Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2811 f.; Voßkuhle, VERW 1996, 511, 529 f.; Morlok, VERW 1992, 371, 376 ff.; Luhmann, Entschädigung, S. 91 f. 828 Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 13 f.; Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 64 ff.; Morlok, Verfahrensfehler, S. 57; Morlok, VERW 1992, 371, 376 ff.; Maurer, in: Perspektiven der Gesetzgebung, 233, 236 ff.; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 281 ff.; Müller, Ablieferung, S. 176. 829 S.o. D. II. 2. a) ee) (1). 830 Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 62 f., 80; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 12; Hößlein, Unrecht, S. 69; HStR II/Schmidt-Aßmann, § 26 Rn. 62; Maurer, in: Perspektiven der Gesetzgebung, 233, 237; Niedobitek, DÖV 2000, 761, 767 f.; Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2807; Breuer, DVBl 2008, 555, 556; BVerwGE 55, 337, 341; vgl. auch Voßkuhle, VERW 1996, 511, 529; Böckenförde, Nichtigkeit, S. 55 f.; Papier, Staatsakt, S. 27. 824
D. Eigener Lösungsansatz
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sanktioniert bleiben dürfen.831 Sieht der Gesetzgeber die Unbeachtlichkeit des Fehlers vor, so betrifft dies daher in aller Regel bloße Verfahrensfehler.832 Die Unbeachtlichkeit und damit herbeigeführte Sanktionslosigkeit eines materiellen Rechtsverstoßes beschränkt sich auf absolute Ausnahmefälle833 und kann überhaupt nur dann zulässig sein, wenn für die Unbeachtlichkeit gewichtige Gründe von Verfassungsrang sprechen. Von solchen Sonderfällen abgesehen bleibt es jedoch bei dem Grundsatz, dass bei Vorliegen eines materiellen Fehlers die völlige Sanktionslosigkeit im Sinne einer uneingeschränkten Wirksamkeit des Hoheitsaktes aus rechtsstaatlicher Sicht nicht hinnehmbar ist. Ist ein materiell rechtswidriger Hoheitsakt nicht anfechtbar und sind an ihn auch keine anderweitigen Fehlerfolgen geknüpft, drängt Art. 20 Abs. 3 GG daher regelmäßig834 zu einer Sanktionierung eines solchen Hoheitsaktes durch das Nichtigkeitsverdikt. Eine Sanktionierung allein durch die Gewährung staatshaftungsrechtlicher Ansprüche kommt dagegen nicht in Betracht. Dies folgt daraus, dass die grundsätzlich bestehende Beseitigungspflicht für staatlich verursachtes Unrecht gegenüber staatshaftungsrechtlichen Ansprüchen vorrangig ist, sofern
831 Häufig wird dies auch unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip geschlossen. Vgl. Hößlein, Unrecht, S. 69 f. („Wenn auch Art. 20 Abs. 3 GG keine explizite Aussage zu den Folgen eines Verfassungs- oder Gesetzesverstoßes trifft, so ist dennoch anzunehmen, dass die Effizienz der Rechtsordnung einer völligen Sanktionslosigkeit oder einer nur schwachen Reaktion entgegensteht“); Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2811; Maurer, in: Perspektiven der Gesetzgebung, 233, 237 (der die Sanktionierungspflicht ausdrücklich auch auf formelle Fehler erstreckt, wohingegen Ossenbühl a.a.O. eine Sanktionierung formeller Fehler nur dann für zwingend erforderlich hält, soweit die verletzte Verfahrensnorm verfassungsrechtlich geboten ist); Müller, Ablieferung, S. 176; MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 282; BerK-GG/Gärditz, 31. EL, 1/2011, Art. 20 GG (6. Teil) Rn. 87; Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 44 VwVfG Rn. 45; Niedobitek, DÖV 2000, 761, 768; Morlok, Verfahrensfehler, S. 58, 65 mit Verweis auf die „Unverbrüchlichkeit des Rechts“, ebenso Morlok, VERW 1992, 371, 376 (vgl. zur Unverbrüchlichkeit des Rechts Ipsen, Rechtsfolgen, S. 159 f.); vgl. ferner Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 12 (der Vorrang des Gesetzes kann „der fortdauernden Durchbrechung des Gesetzesrechts nicht neutral gegenüberstehen“); Schmidt-Aßmann, DVBl 1984, 582, 586; BVerwG DÖV 1982, 281 f. 832 Vgl. MD/Schmidt-Aßmann, 72. EL, 7/2014, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 287; Maurer/ Waldhoff, VerwR, § 10 Rn. 71. In der Anordnung der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern kommt der Gedanke der dienenden Funktion des Verfahrens gegenüber der materiellen Sachentscheidung zum Ausdruck (vgl. Siegel, ZUR 2017, 451, 452). 833 So umfasst etwa die Unbeachtlichkeitsklausel des § 214 Abs. 2 BauGB (auch) materielle Rechtsverstöße (EZBK/Stock, 134. EL, 8/2019, § 214 BauGB Rn. 5; BeckOKBauGB/Uechtritz, § 214 BauGB Rn. 80), wohingegen sich die Unbeachtlichkeit nach den Absätzen 1 und 2a auf Verfahrens- und Formfehler beschränkt (Stock a.a.O.). Dies verkennt Müller, wenn er ausführt, Unbeachtlichkeitsklauseln hätten ausschließlich Verfahrensfehler zum Gegenstand (Müller, Ablieferung, S. 176). 834 Vorbehaltlich der sogleich folgenden, weiteren Ausführungen.
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
die Beseitigung möglich835 ist836 – mit den Worten Morloks gilt „ein Primat der Beseitigung des Unrechtsaktes“837. Der staatshaftungsrechtliche Folgenbeseitigungsanspruch kommt lediglich in solchen Fällen zur Anwendung, in denen die Beseitigung des Unrechtsaktes selbst nicht ausreicht, um das entstandene Unrecht aus der Welt zu schaffen. Rein kompensatorische Ansprüche kommen erst bei Unmöglichkeit der Folgenbeseitigung in Betracht.838 (4) Ausnahme bei hinreichend intensiver Unrechtsprävention Zu erwähnen bleibt jedoch, dass man von dem Sanktionierungszwang für materiell-rechtliche Fehler eine Ausnahme wird zulassen müssen. Wie zuvor dargestellt, handelt es sich bei der Reaktionspflicht um eine Fortsetzung der ursprünglichen Pflicht, Unrecht zu unterlassen, mithin um einen Teil einer einheitlichen staatlichen Pflichtenstellung. Fördert der Staat seine Unterlassungspflicht durch entsprechende Vorkehrungen in besonders hohem Maße, dürfte dies ein Absenken der Anforderungen an die Unrechtsreaktion rechtfertigen, da der Staat seiner einheitlichen Pflichtenstellung insgesamt immer noch hinreichend entspricht. Ein solcher Ausnahmefall dürfte insbesondere dann gegeben sein, wenn der Staat einen effektiven Präventivrechtsschutz gewährleistet. Hierdurch fördert der Staat seine Unterlassungspflicht erheblich, denn der Betroffene selbst kann den Erlass des unrechtmäßigen Hoheitsaktes durch die Herbeiführung einer verbindlichen gerichtlichen Entscheidung verhindern. Durch eine solche Sichtweise wird dem Rechtsstaatsprinzip in konsistenter Weise Rechnung getragen. Schließlich wäre es widersprüchlich, dem Gesetzmäßigkeitsprinzip als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips die Annahme einer grundsätzlichen Nichtigkeit materiell-rechtlich fehlerhafter Staatsakte, für die keine sonstigen Fehlerfolgen vorgesehen sind, zu entnehmen, wenn dem Betroffenen doch ein effektiver Präventivrechtsschutz zur Verfügung steht, durch den im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit zwischen Rechtsschutz-
835
Unmöglich ist die Beseitigung des Unrechts bspw. bei hoheitlichen Realakten, etwa bei der rechtswidrigen Ausübung unmittelbaren Zwangs durch einen Polizeibeamten. 836 Morlok, VERW 1992, 371, 377 f.; in Bezug auf die entsprechenden Ansprüche Maurer/Waldhoff, VerwR, § 25 Rn. 6. Auch hierbei kann es jedoch bei Vorliegen gewichtiger, verfassungsrechtlicher Gründe Ausnahmen geben (Morlok a.a.O.). 837 Morlok, VERW 1992, 371, 379. 838 Übersichtlich Morlok, VERW 1992, 371, 378 ff., der die Beseitigung als erste, die Folgenbeseitigung als zweite und die Kompensation als dritte Stufe des Sekundärrechts bezeichnet. Vgl. auch BVerwGE 94, 100, 103: „Es unterliegt keinen ernsthaften Zweifeln, daß Grundsätze des materiellen Rechtsstaates, zu denen auch die Grundrechte gehören, bei rechtswidrigem Handeln eine Sanktion verlangen, die sich nicht nur in der Zahlung einer Entschädigung erschöpfen kann.“
D. Eigener Lösungsansatz
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gewährung und Fehlerfolge der Nichtigkeit gerade kein rechtsstaatliches Bedürfnis für die Letztere besteht. In Bezug auf die rechtswidrige Ablieferung spielt dies jedoch keine Rolle, da kein effektiver Präventivrechtsschutz gewährleistet ist. Hier verlangt der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz folglich die Annahme der Nichtigkeit. d) Zwischenergebnis In der Gesamtschau zeichnet sich ein recht klares Bild ab. Regelt der Gesetzgeber die Nichtigkeit eines rechtswidrigen Hoheitsaktes nicht selbst, so ist diese im Wege einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen. Bei einer solchen wertenden Betrachtung ist bei der Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer die Annahme der Nichtigkeit zwingend erforderlich. Dieses Ergebnis ist zugleich aus rechtsstaatlicher Sicht geboten. Hier verlangt einerseits der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz eine Reaktion auf den materiellen Rechtsverstoß. Eine solche ist gesetzlich jedoch nicht vorgesehen. Dem Dritteigentümer wird lediglich ein Kondiktionsanspruch zuerkannt. Bei diesem handelt es sich jedoch um kein Reaktionsmittel im Sinne einer Fehlerfolge; im Übrigen muss die staatliche Reaktion primär auf die Beseitigung des Unrechts gerichtet sein.839 Nach dieser Lage der Dinge vermag allein die Nichtigkeit der staatlichen Reaktionspflicht und damit dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz gerecht zu werden. Bestätigt wird dies zudem durch die Wechselbezüglichkeit zwischen Nichtigkeit und Rechtsschutzgewährung. Ein repressiver Rechtsschutz gegen den Ablieferungsakt ist nicht vorgesehen. Präventive Rechtsschutzmöglichkeiten sind zwar vorhanden, sie erfüllen jedoch nicht die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG. Das dadurch bestehende Rechtsschutzdefizit kann und – aus rechtsstaatlicher Sicht – muss durch die Nichtigkeit der Ablieferung ausgeglichen werden. Nach alledem erweist sich die Ablieferung von schuldnerfremdem Eigentum an einen bösgläubigen Ersteigerer als nichtig.
839 Eine rein kompensatorische Fehlerfolge bedarf dagegen der sachlichen Legitimation (s.o. Fn. 836). Eine solche ist bei der Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer jedoch nicht gegeben. Auch die Annahme eines staatshaftungsrechtlichen Entschädigungsanspruchs wäre daher aus rechtsstaatlicher Sicht unzureichend. Teilweise befürwortet wird insoweit ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff (vgl. Haertlein, DGVZ 2002, 81, 83 f.; Säcker, JZ 1971, 156, 159 f.; Marotzke, NJW 1978, 133, 134), der von der h.M. aber zurecht verneint wird (Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rn. 53 m.w.N.; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 42; Stein/Jonas/Münzberg, Vor. § 704 ZPO Rn. 142; BGHZ 32, 240, 244 ff.; BGH BB 1967, 941; vgl. eingehend Nikolaou, Schutz des Eigentums, S. 95 ff. m.w.N.).
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4. Teil: Lösungsmöglichkeiten
3. Materiell-rechtliche Folgen Die Nichtigkeit der Ablieferung hat zur Folge, dass der Dritteigentümer seine Sache nach der Verwertung gem. § 985 BGB von dem Ersteigerer herausverlangen kann. Der Dritte ist nach wie vor Eigentümer, dem Ersteigerer steht mangels wirksamer Ablieferung kein Recht zum Besitz zu. Als weitere Anspruchsgrundlage ist § 1007 Abs. 1 BGB denkbar, da der Dritteigentümer früherer und der Ersteigerer aktueller Besitzer der Sache ist. Allerdings setzt die Norm die Bösgläubigkeit des Anspruchsgegners voraus. Diese muss sich auf sein Besitzrecht beziehen, er darf also im Zeitpunkt des Besitzerwerbs kein Besitzrecht gehabt haben und muss dies gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst haben.840 Grundsätzlich bewirkt die Ablieferung einen Eigentumserwerb des Ersteigerers und somit auch die Begründung eines Besitzrechts. Für den Anspruch wäre es erforderlich, dass der Ersteigerer weiß oder grob fahrlässig nicht weiß, dass die Ablieferung nichtig ist und ihm somit kein Besitzrecht vermittelt. Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis der Nichtigkeit wird man jedoch im Regelfall eines juristischen Laien verneinen müssen. Ein Anspruch aus § 1007 Abs. 1 BGB besteht daher regelmäßig nicht. Ein weiterer Herausgabeanspruch folgt jedoch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB. Mangels wirksamer Ablieferung hat der Ersteigerer den Besitz an dem Pfandobjekt rechtsgrundlos erlangt, und zwar in sonstiger Weise und auf Kosten des Dritteigentümers. Darüber hinaus besteht bei positiver Kenntnis des Ersteigerers und Kausalität ein Herausgabeanspruch aus § 826 BGB.841 Der Ersteigerer wiederum kann den ausgekehrten Erlös von dem Gläubiger herausverlangen. Der Anspruch besteht allerdings nicht aus § 985 BGB, da der Gerichtsvollzieher mit der Erlösauskehr das Eigentum an dem Erlös qua Hoheitsakt auf den Gläubiger überträgt. Aus demselben Grund ist nach § 1007 Abs. 3 S. 2 BGB auch ein Anspruch aus § 1007 BGB ausgeschlossen. Der Herausgabeanspruch folgt gleichwohl aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB.842 Der Gläubiger hat durch die Auskehr des Gerichtsvollziehers, also auf sonstige Weise, das Eigentum an dem Erlös auf Kosten des Ersteigerers erlangt. Ein Rechtsgrund hierfür besteht nicht, da dem Gläubiger kein materielles Befriedigungsrecht an dem Erlös zusteht. Dies gilt sogar aus zwei Gründen: Erstens ist wegen der Schuldnerfremdheit des Pfandobjekts schon gar kein Pfändungspfandrecht entstanden und zweitens würde sich ein solches mangels dinglicher Surrogation nicht am Erlös fortsetzen.
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Soergel/Münch, § 1007 BGB Rn. 5; Staudinger/Thole, § 1007 BGB Rn. 21. Vgl. o. C. III. Der Schaden besteht zwar nicht im Eigentumsverlust, wohl aber im Verlust des berechtigten Besitzes. 842 Ebenso Müller, Ablieferung, S. 205 (Fn. 434). 841
5. Teil
Gesamtergebnis Die Untersuchung hat ergeben, dass es durchaus angebracht ist, den vollstreckungsrechtlichen Eigentumserwerb nach dem Verständnis der h.M. zu hinterfragen. Die Zwangsvollstreckung vollzieht sich nach zutreffender Ansicht öffentlich-rechtlich, bei den Verwertungsakten handelt es sich mithin um Hoheitsakte. Wird durch diese in das von Art. 14 GG geschützte Eigentum eines Dritteigentümers eingegriffen, so bedarf es dafür einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Diese ist an Art. 14 Abs. 1 und 2 GG zu messen, da der vollstreckungsrechtliche Eigentumsentzug keine Enteignung darstellt. Zudem hat der Dritteigentümer in der Mobiliarvollstreckung einen grundrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG. Bei der Immobiliarvollstreckung ist dies nicht der Fall, da es sich hier bei dem Zuschlagsbeschluss des Rechtspflegers um materielle Rechtsprechungstätigkeit handelt. Insoweit wurde auf die bestehende, erhebliche Problematik mit dem Richtervorbehalt des Art. 92 GG hingewiesen, die vom Gesetzgeber de lege ferenda dringend bereinigt werden sollte. Dem Dritteigentümer steht jedenfalls ein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nur nach dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch zu, der i.E. jedoch die gleichen Anforderungen wie Art. 19 Abs. 4 GG stellt. Diesen Anforderungen ist in der Immobiliarvollstreckung bei umfassender Würdigung aller Umstände Genüge getan, obgleich ausschließlich ein präventiver Rechtsschutz gewährt wird. Dieselben sachlichen Erwägungen rechtfertigen zugleich den Eingriff in das Eigentumsgrundrecht durch den Zuschlag. Dies gilt sowohl für den Grundstückseigentümer als auch für den Eigentümer von Grundstückszubehör. Anders verhält es sich dagegen bei der Mobiliarvollstreckung: Hier kann der Eigentumsverlust des Dritteigentümers sachlich nicht gerechtfertigt werden, er wird in seinem Grundrecht aus Art. 14 GG verletzt. Zugleich verstößt der ihm zur Verfügung stehende Rechtsschutz gegen das Untermaßverbot des Art. 19 Abs. 4 GG.1 1 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigte Grundrechtsproblematik keineswegs auf den Zivilprozess beschränkt. So erklären § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO, § 85 Abs. 1 S. 3 ArbGG, § 95 Abs. 1 FamFG, § 198 Abs. 1 SGG sowie § 151 Abs. 1 S. 1 FGO hinsichtlich der Zwangsvollstreckung jeweils die Vorschriften des 8. Buches der ZPO für grundsätzlich anwendbar. Vor diesem Hintergrund sind die zwangs-
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5. Teil: Gesamtergebnis
Aus diesem Befund kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die Regelung des § 817 Abs. 2 ZPO verfassungswidrig wäre. Die Norm kann und muss vielmehr dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass sie die Ablieferung schuldnerfremden Eigentums nur bei Gutgläubigkeit des Ersteigerers zulässt. Der vage Wortlaut lässt eine solche Interpretation durchaus zu, auch dogmatisch steht dem nichts entgegen. Insbesondere steht der originäre Rechtserwerb einer Berücksichtigung der materiellen Rechtslage und der Gutgläubigkeit des Ersteigerers nicht im Wege. Der Standpunkt der h.M., die dies abstreitet, fußt auf der anachronistischen Lehre vom originären Rechtserwerb, die anhand diverser Beispiele widerlegt wurde und aus der für das moderne Rechtsverständnis keine Erkenntnisse mehr geschöpft werden können. Auf der Einzelaktebene kann die Problematik der verfassungswidrigen Ablieferung nicht durch eine Reanimation der privatrechtlichen Theorie gelöst werden. Das Argument der h.M., dass diese mit der modernen Rechtsauffassung eines hoheitlichen Vollstreckungsverfahrens unvereinbar ist, hat sich bestätigt. Hervorzuheben ist zudem mit Blick auf das Hauptargument der privatrechtlichen Theorie, dass diese dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht – ungeachtet der generellen Schwäche einer solchen Argumentation –, der bislang wenig beachtete Aspekt, dass das Verständnis des historischen Gesetzgebers von dem modernen Gesetzgeber nicht mehr geteilt wird und sich dieser stattdessen der herrschenden Dogmatik angeschlossen hat. Weiter wurde bewiesen, dass es sich bei der Zwangsvollstreckung nicht um Verwaltungstätigkeit handelt, sodass eine Nichtigkeit der Ablieferung als (Justiz-)Verwaltungsakt nicht infrage kommt. Die Einordnung der Zwangsvollstreckung im Gefüge der drei Staatsgewalten ist dabei alles andere als trivial. Es wurde herausgearbeitet, dass sich die h.M. mit der Qualifizierung der Zwangsvollstreckung als Rechtspflege, wie von ihren Kritikern vorgeworfen, tatsächlich einer nebulösen Kategorie bedient, die mit der Staatsrechtslehre nicht vereinbar ist. Bei der gebotenen, sachgeleiteten Betrachtung ist die Zwangsvollstreckung jedoch der Judikative zuzuordnen. Eine Nichtigkeit scheidet auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben aus, da dieser Grundsatz den materiell-rechtlichen Rechtsübergang nicht zu verhindern vermag. Anzunehmen ist eine Nichtigkeit allerdings unter Zugrundelegung des nach der h.M. für Vollstreckungsakte geltenden Schwerekriteriums. Sofern die h.M. zusätzlich auf die Evidenz des Fehlers rekurriert, ist dieses Kriterium wegen genereller Untauglichkeit abzulehnen.
vollstreckungsrechtlichen Regelungen der ZPO über den Zivilprozess hinaus von erheblicher praktischer Relevanz. Umso eindringlicher gilt es daher, auf Konflikte mit dem Verfassungsrecht hinzuweisen und diese einer Lösung zuzuführen.
5. Teil: Gesamtergebnis
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Gegen die Nichtigkeitsbestimmung nach der h.M. bestehen allerdings erhebliche Bedenken. Sucht man stattdessen unbefangen nach anderen Anhaltspunkten zur Beurteilung der Nichtigkeit, so erweisen sich die sog. Grundsätze zur Fehlerfolgenbestimmung als wenig erkenntnisstiftend. Auch führt eine Analyse der Fehlerfolgen anderer Hoheitsakte letztlich nicht weiter, da die Fehlerfolgen stets das Resultat einer Interessenabwägung und insoweit individuell auf das jeweilige Anwendungsgebiet zugeschnitten sind. Allerdings drängt eine solche Interessenabwägung im Fall der Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer zur Annahme des Nichtigkeitsverdikts. Dieses Ergebnis gebietet zudem das Rechtsstaatsprinzip, und zwar gleich in zweifacher Hinsicht. Zum einen ist die Nichtigkeit nötig, um das ansonsten bestehende Rechtsschutzdefizit zu kompensieren. Zum anderen verlangt das Gesetzmäßigkeitsprinzip die Sanktionierung der verfassungswidrigen und damit materiell rechtswidrigen Ablieferung. Da der Gesetzgeber keine anderweitigen Möglichkeiten vorgesehen hat, muss die Sanktionierung durch die Nichtigkeit erfolgen. Da somit die Nichtigkeit der Ablieferung an einen bösgläubigen Ersteigerer belegt ist, bedarf es keines Rückgriffs auf die weiteren in der Literatur vertretenen vorgeschlagenen Ansätze. Diesbezüglich bleibt jedoch anzumerken, dass die Vorschläge zur direkten oder analogen Anwendung des § 1244 BGB einer kritischen Prüfung nicht standhalten. Zwar finden sich für letzteren Vorschlag durchaus einige Befürworter und erscheint eine Analogie auch durchaus naheliegend, doch fehlt es bei genauerer Betrachtung an einer Regelungslücke als zwingender Analogievoraussetzung. Schon eher gangbar, aufgrund dogmatischer Bedenken gleichwohl nicht vollends überzeugend erwies sich die Annahme einer privatrechtlichen Fiktion im Sinne Säckers. Gut vertretbar ist es hingegen, dem Dritteigentümer einen Anspruch auf Rückübereignung aus § 826 BGB zuzusprechen, wenngleich der Anspruch nur in bestimmten Konstellationen einschlägig ist. Auf schuldrechtlicher Ebene kommt außerdem in Betracht, dem Ersteigerer die Berufung auf seinen Rechtserwerb nach Treu und Glauben zu versagen. Auch auf diese Lösungen muss jedoch angesichts der hier vertretenen Nichtigkeit der Ablieferung nicht zurückgegriffen werden. Dennoch ist es erfreulich, dass die verfassungsrechtliche Problematik des Erwerbs schuldnerfremden Eigentums durch einen bösgläubigen Ersteigerer jedenfalls von Teilen der Literatur erkannt und sich auf unterschiedlichen Wegen um eine Lösung bemüht wird. Die dabei eingebrachten Vorschläge liefern wichtige Denkanstöße, die Anlass zum weiteren wissenschaftlichen Diskurs geben und nicht zuletzt zu einer Sensibilisierung für die Problematik beitragen. Anzeichen dafür, dass sich der Gesetzgeber dieser annehmen wird, gibt es bislang nicht. Angesichts dessen bleibt allein zu hoffen, dass die h.M. künftig ihren Standpunkt des – nochmals: sachlich ungerechtfertigten und dogmatisch nicht gebotenen – uneingeschränkten Rechtserwerbs durch die
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5. Teil: Gesamtergebnis
Ablieferung überdenkt und sich ein erstes mutiges Gericht findet, das sich der überkommenen Rechtsprechung des BGH entgegenzustellen bereit ist. Im Zwangsvollstreckungsrecht wäre ein solcher paradigmatischer Wandel der Rechtsanschauung wohl der bedeutendste seit Stein; zur Wahrung der Grundrechte ist er de lege lata alternativlos.
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Sachregister Ablieferung – als Justizverwaltungsakt 176 – als Verwaltungsakt 143 ff. – als Vollstreckungsakt 177 – Bedingungslosigkeit 222 – Endgültigkeit 58 – Enteignungscharakter 40 – Ermächtigungsgrundlage 218 – Fehlerhaftigkeit 179 f. – Grundrechtseingriff 41 – beiderseitiger Rechtsakt 244 – materielle Rechtswidrigkeit 230 – materiell-rechtliche Wirkung 188 – Nichtigkeit 144 – Nichtigkeitskriterium 179 f. – privatrechtliche Verwertung 119 – Privatrechtswidrigkeit 229 – Rechtmäßigkeitsannahme 229 – Rechtsfolge 210 – Rechtsschutz 250 – Schwerekriterium 228 – Übereigungsvertrag 12 – Vergleich mit Hoheitsakt 244 – Vergleich mit Zuschlagsbeschluss 207 – Verwaltungsakt 144, 175 f. – Wirksamkeit 143 ff., 223, 227 Allokationseffizienz 50 Aufspaltungstheorie 193 ff. Bauordnungsrecht 106, 164 ff. Bundesleistungsgesetz 111 Dritteigentümer – Anspruchsgrundlage 260 – Bereicherungsanspruch 50, 89, 92 – Bestandsinteresse 47, 51, 57 – Drittwiderspruchsklage 100 – Eigentumserhalt 211 – Eigentumsidentifikation 101 – Erlösherausgabe 44
– freiwillige Übergabe an Schuldner 53, 57 – Gläubigeransprüche 42 – Grundrechtsverletzung 92, 250 – Grundstückszubehör 61 – Herausgabeanspruch 42, 260 – Interessenkonflikt 203 – Kenntnis des Rechtsverlustes 101 – Kompensation 50 – Kondiktionsanspruch 58 – Rechtsbehelf 93 – Rechtserhalt 47 – Rechtsschutzgewährung 87 f., 251 – Rechtsverlust 100 – strafrechtliche Eigentumsentziehung 112 – unfreiwilliger Besitzverlust 55, 60 – Verfassungsbeschwerde 92 – Vermögensgesetz 110 – Zuschlagsbeschlussbeschwerde 90 Effektivitätsinteresse 57 Eigentumsentzug – siehe auch Eigentumsübergang – abhandengekommene Sache 56 – Allgemeinwohl 37, 39 – beständiger Rechtserwerb 59 f. – derivativer Erwerb 224 – Duldungspflicht des Eigentümers 40 – hoheitlicher 223 – originärer 224 – ungerechtfertigter 229 Eigentumsgrundrecht 29 ff., 47, 50 Eigentumsübergang 12, 16, 18, 223 f. – siehe auch Eigentumserwerb Enteignung – Administrativenteignung 35 – Baurecht 105 – Definition 36 – dingliche Verfügung 225 – dinglicher Vollzug 224
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Sachregister
– Güterbeschaffung 37 – Hausratsverordnung 113 – Irrtum über Eigentümer 36 – Landesrecht 108 – Legalenteignung 35 – Leistungsbescheid 111 – öffentliches Interesse 38 – Rechtsverlust 37 – zielgerichtete 36 Enteignungsobjekt, siehe Pfandobjekt Erlösauskehr 42, 260 Ersteigerer – Bösgläubigkeit 51, 57, 60, 215, 228 – Erwerbsinteresse 47, 51 – Erwerbswille 223 – fahrlässige Unkenntnis 57 – Gutgläubigkeit 45, 51, 63, 71, 214, 228 – Herausgabeanspruch 260 – Meistgebot 62 – Prozessfähigkeit 227 – Rückübereigung 217 – Verhalten 215 – Zubehör 71 ff. – Zuschlagserteilungsanspruch 62 – Verfügungsverbot 217 Evidenzkriterium 228 Evidenztheorie 182 f. Fiktion 161, 205 Forderungspfändung 20 Gerichtsvollzieher – als Teil der Justiz 144 – als Verwaltungsbehörde 144 – Amtstheorie 10 – Amtsträger 135 – Auskehr 260 – Beauftragter 8 – Bekanntmachung 101 – Berechtigung 212 – Fiktion privatrechtlichen Handelns 204 – Gesetzmäßgkeitsgrundsatz 254 – Grundrechtseingriff 35 – Haftung 14 f., 206 – Handlungsfolgen 204 – hoheitliches Handeln 135 – Mandatstheorie 10, 120 – öffentliche Gewalt 84
– privatrechtliche Vollstreckungsgewalt 137 – Rechtsmachtsquelle 137 – Verfahrensbeteiligter 10 – Verfügungsbefugnis 141 Gesetz über die Zwangsversteigerung, siehe Zwangsversteigerungsgesetz Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, siehe Vermögensgesetz Gläubiger 7, 39, 42, 48, 51, 121, 161, 194, 198, 227 Grundbuch 67 f., 116, 207 Grundbuchamt 65 Grundrechtseingriff 35 f., 41 ff., 50 Grundstückspfändung, siehe Immobiliarvollstreckung Grundstückszubehör 23 f., 61, 72 ff. Hoheitsakt – Bestandskraft 244 – Beteiligungsrecht 254 – eigentumsgestaltender 224, 226 – einseitiger 243 – fehlerhafter 244, 248 – Handlungswille 247 – Nichtigkeit 243, 247, 251 – Präklusionsvorschrift 249 – qualifizierter Rechtsverstoß 243 – Rechtserhaltung 248 – Rechtskraft 244 – Umdeutung 249 – Unbeachtlichkeitsklausel 249 – Vertrauensschutz 244 Immobiliarvollstreckung – Anfechtung 59 – Beschlagnahme 21 – Beteiligte 68 – dingliche Surrogation 61 – Drittwiderspruchsklage 90 – Eigentumserwerb 22, 62, 200 – Gesamterlös 73 – Gläubigerbefriedigung 21 – Grundbucheintrag 21 – Grundbuchprüfung 65 – Grundstückszubehör 23, 140 – privatrechtliche Verwertung 194 – Rechtsanmeldung 64 – Rechtschein des Grundbuchs 67 f.
Sachregister – Rechtsschutzmöglichkeit 90 f. – Rücknahme des Verwaltungsakts 60 – Teilungsplan § 115 ZVG 61 – Unredlichkeitsmaßstab 70 – Verfahren 21 – Vertrauensschutz 69 – Verwaltungsakt 59 – Vollstreckungskosten 61 – Warnfunktion § 37 ZPO 65 – Zuschlagsbeschluss 22, 90 – Zwangshypothek 199 – Zwangsverwaltung 218 Mobiliarvollstreckung 8, 41, 62, 87 f., 144, 158 – siehe auch Pfändung Naturalrestitution 217 Nichtigkeitsdogma 234, 236 f. öffentlich-rechtlicher Vertrag 233 f., 243 Pfandobjekt – Abhandenkommen 56 – Ablieferung 12 – Erwerbssicherheit 44 – Gewahrsam 54 – Gewaltenverhältnis 6 – Güterbeschaffung 37 – Inbesitznahme 6 – Übereignung 11 – unmittelbarer Besitz 54 – Verstrickung 6, 21, 138 – Verwertung 7 f., 9 Pfändung 193, 198, 223 – siehe auch Mobiliarvollstreckung Pfändungspfandrecht 9, 13, 22, 42, 122, 134, 199, 201 f. Pfändungszuschlag 12 Planfeststellungsverfahren 103 Realakt 169 Realgläubiger 69 Rechtsbehelf 93 ff., 104, 196 Rechtspfleger 170 ff. Rechtsprechung 148 ff., 170 f. Rechtsschutz 85, 94 ff., 99 ff., 114, 241 Rechtsschutzgarantie 77, 86, 93 ff., 100, 114
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Rechtswegeröffnung 77 Rechtswegzuweisung 150 Richtervorbehalt 150, 168 Sanktionierungszwang 258 Schuldner 7, 54, 124, 134, 193, 197, 227 Staatsakt 245 f. – siehe auch Hoheitsakt Strafrecht 111 f. Urteil 237 ff. Verfahrenseinheitlichkeit 196 Verfahrensgarantie 31 f. Verfügung 122 Verfügungsbefugnis 139 f. Vermögensgesetz 109 f. Versteigerung 7, 101, 194, 198, 223 Verstrickung, siehe Pfandobjekt Vertrauensschutz 241 Verwaltungsakt 232, 243 f., 252 – siehe auch Vollstreckungsakt Verwertung – Austauschgeschäft 223 – Bedingung 142 – durch Dritte 19 – Effektivitätsinteresse 211 – Eingriffsverwaltung 200 – Forderungsvollstreckung 20 – Formwahlrecht 196 – gewaltfreie 193 – hoheitliches Handeln 196 – Internet 17 – öffentlich-rechtlicher Vorgang 11, 142 – privatrechtliches Handeln 196 – Zwangsversteigerung 194 – Zwangsverwaltung 194 Vollstreckung 40, 161, 197, 203, 218 Vollstreckungsakt – siehe auch Verwaltungsakt – Abwägungsentscheidung 240 – Anfechtbarkeit 230 – Evidenztheorie 183 – fehlerhafter 228, 232 – Nichtigkeit 179, 228, 230, 240 f. – Rechtswidrigkeit 231 – Wirksamkeit 227 Vollstreckungsgläubiger, siehe Gläubiger Vollstreckungsorgan 167 ff.
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Sachregister
– siehe auch Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger Vollstreckungsschutzentscheidung 171 Vollstreckungstitel 193, 195 Vollstreckungsverfahren – Aufspaltung 196 – Dogmatik 119 Vorverfahren 173 Vorwirkung 98, 100 Zuschlag 22, 90, 169, 218 Zwang 197 f. Zwangsverwaltung 199, 218 Zwangsversteigerungsgesetz 117 Zwangsvollstreckung – Anfechtbarkeit 178 – Anspruchsgrundlage 5 – Bekanntmachung 101 – bewegliche Sachen 6 f. – Effektivität 44, 46, 211 – Eigenbeteiligung des Staates 167 – Einordnung in Gewaltentrias 155 f., 175 – Enteignungscharakter 35 f.
– Erforderlichkeit 45 – fremde Angelegenheit 163 – Funktionsfähigkeit 44 – Individualinteresse 166 – Interessenslage 211 – Kontrollmöglichkeit 159 – öffentliches Interesse 44, 48 – organisatorische Zuweisung 162 – Rechtsdurchsetzung durch Realakt 169 – Rechtsschein 123 – Rechtsschutzmöglichkeit 159 – Subjekt 142 – Subjektstellung des Gläubigers 122, 142 – Teil der Rechtspflege 143, 154, 156 – Teil der Rechtsprechung 156 – Teil der Verwaltung 156 – Teil des Verwaltungsverfahrens 144 – Unzulässigkeit 100 – Verkehrsschutz 48 – Verkehrssicherheit 49 – Verwaltungstätigkeit 168 – Willensbeugung 193, 197 – Zuordnung 145 f.