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German Pages VIII, 121 [123] Year 2020
Georg Schwedt
Grundlagen der Buchrestaurierung Naturwissenschaften im Dienste der Buchkultur
Grundlagen der Buchrestaurierung
Georg Schwedt
Grundlagen der Buchrestaurierung Naturwissenschaften im Dienste der Buchkultur
Georg Schwedt Bonn, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
ISBN 978-3-662-61123-4 ISBN 978-3-662-61124-1 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61124-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Désirée Claus Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Vorwort
Bereits zu Beginn der 1990er-Jahre habe ich mich als Chemiker und Analytiker in Zusammenarbeit mit der Restaurierwerkstatt der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel mit damals aktuellen Problemen der Buchrestaurierung bzw. der Untersuchung an alten Drucken beschäftigt [1], [2]. Themen waren u. a. die zerstörungsfreie pH-Bestimmung von Papieren mit einem Mikrosensor, die Charakterisierung und Identifizierung von Farbstoffen und Pigmenten der Dresdener Handschrift des Sachsenspiegels mittels UV/VIS-Spektroskopie mit einem Lichtleitersystem. Unter der Überschrift „Aufgaben chemischer Analytik in der Restaurierung von Büchern“ [3] schrieb ich einleitend: Tintenfraß, der Zerfall ganzer Bücher infolge säurehaltiger Papiere, aber auch die mittelalterliche Buchmalerei sind interessante Themen für den analytischen Chemiker. Durch Untersuchungen mit möglichst zerstörungsfreien, zumindest das Objekt schonenden Methoden kann er in vielen Fällen dem Buchrestaurator Hinweise für Maßnahmen zur Erhaltung bzw. dem Buchwissenschaftler auch zur Herkunft oder Datierung von Büchern, Inkunabeln und Handschriften geben. Zwischen der Restaurierwerkstatt der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel und dem Institut für Anorganische und Analytische Chemie der TU Clausthal besteht ein Kooperationsvertrag, in dem eine Zusammenarbeit unter dem Leitmotiv ‚Restaurierung mit Hilfe der Chemie‘ vereinbart wurde. Im Rahmen vor allem von Diplomarbeiten sollen Analysen an meist sehr wertvollen Objekten wie dem Sachsenspiegel aus der sächsischen Landesbibliothek in Dresden, an Materialien wie Farben, Tinten, Gerbstoffen (bei Ledereinbänden) und Leimen sowie von Schäden, die an Farben, Tinten, Leder, Pergament oder Papier aufgetreten sind, durchgeführt werden. Hierbei werden Fragestellungen aus der alltäglichen Werkstoffarbeit aufgegriffen und mit problemorientierten physikalisch-chemischen Methoden bearbeitet … [3].
Über die Ausbildung und die Verfahren der Buchrestaurierung im Jahre 2019 konnte ich mich durch Besuche in mehreren Restaurierwerkstätten und vor allem in der TH Köln (Frau Professorin Andrea Pataki-Hundt) Abteilung Konservierung von Schriftgut, Grafik, Fotografie, Buchmalerei Abteilung informieren und ein anschauliches Bild der Praxis gewinnen. Georg Schwedt
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Vorwort
Literatur [1] Schwedt G, Deutscher T (1991) Messungen des pH-Wertes in Papier mit einem Mikrosensor. Restauro 97(4):263–265 [2] Schwedt G (1992) Aufgaben chemischer Analytik in der Restaurierung von Büchern. Mitteilungsblatt der TU Clausthal, 74:18–22 [3] Schwedt G (1991) Chemie zwischen Magie und Wissenschaft. Ex Bibliotheca Chymica 1500–1800, Ausstellungskatalog der Herzog August Bibliothek Nr. 63. Ausstellung im Zeughaus der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 16. Februar bis 28. April 1991. Ausstellung und Katalog Georg Schwedt, Weinheim
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Ausbildungen in der Buchrestaurierung – an Hochschulen in Köln, Hildesheim und Stuttgart. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Aktuelle Beispiele der Buchrestaurierung – von Weimar bis Köln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2 Aus der Geschichte des Buches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.1 Vom Papyrus im alten Ägypten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.2 Vom Pergament-Codex im Mittelalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.3 Zu Besuch in einem mittelalterlichen Skriptorium. . . . . . . . . . . . . . 14 2.4 Kurzer Überblick zur Geschichte des Papiers. . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.5 Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern im 15. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.6 Das Maschinenzeitalter und die Lesewut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3 Die Materialien und ihre Eigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1 Beschreibstoffe: Vom Papyrus und Pergament bis zum Papier. . . . . 33 3.2 Farbmittel und Tinten im Mittelalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.3 Buchdeckel/Bucheinbände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4 Prinzipien und Verfahren der Buchrestaurierung. . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.1 Aufgabenstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.2 Buchrestaurierung am Beispiel einer Buchpatenschaft. . . . . . . . . . . 64 4.3 Verfahren der Buchrestaurierung bzw. Bestandserhaltung . . . . . . . . 71 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 5 Zu Besuch in Buchrestaurierwerkstätten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.1 Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.2 Institut für Bestandserhaltung und Restaurierung der Bayerischen Staatsbibliothek in München. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5.3 Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum (RDZ) – Historisches Stadtarchiv Köln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
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Inhaltsverzeichnis
5.4 Vom Zentrum für Bucherhaltung an der Deutschen Bibliothek zur Preservation Academy (PAL) in Leipzig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5.5 Werkstatt zur Restaurierung von Buch & Papier in Essen. . . . . . . . . 101 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 6 Museen zur Geschichte des Buches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
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Einleitung
Anstelle von Buchrestaurierung wird heute oft auch die Bezeichnung Bestandserhaltung verwendet. Dieser Begriff umfasst alle Maßnahmen zu einer dauerhaften Erhaltung von Museums-, Bibliotheks- und Archivgut. Unterschieden wird zwischen der Sicherung des Erhaltungszustandes und der Konservierung bzw. Restaurierung als Wiederinstandsetzung geschädigten Bibliotheks- und Archivguts. Mit Restaurierung ist grundsätzlich die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gemeint. Man verfolgt aber, wie in der Medizin, auch eine minimal-invasive Restaurierung, bei der möglichst die historische Substanz erhalten bleibt. Mit Konservierung ist die Erhaltung des momentanen Zustandes gemeint; präventiv ist die Konservierung, wenn optimale Bedingungen für die Erhaltung im Hinblick auf Raumklima, Lichteinflüsse, Belüftung, Behältnisse u. Ä. eingehalten werden. Hinzugekommen ist zu der präventiven und der konservierenden Bestandserhaltung im 21. Jahrhundert auch die digitale Bestandserhaltung. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich, wie Karl Dachs feststellte, die Bibliotheken „meist damit begnügt, den schrittweisen Zerfall ihres Buchbestandes durch schlichte buchbinderische Methoden, durch Ausflicken, Reparieren und Neubinden, aufzuhalten.“ [1]. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es vor allem Privatsammler und erste namhafte Restauratoren, die sich mit der einer kulturgeschichtlich gerechten Restaurierung beschäftigten. In der bedeutenden Bibliotheca Vaticana ließ deren Präfekt Franz Ehrle (1845–1934) eine Handschriftenklinik einrichten, vgl. hierzu auch Abb. 1.1. Ehrle wurde 1880 Mitarbeiter und war von 1895 bis 1914 Präfekt der Vatikanischen Bibliothek. Nach dem Ersten Weltkrieg war Ehrle auch Hauptorganisator der päpstlichen Forschungsbibliothek Leonina (ab 1922 als Kurienkardinal). 1938 schuf Alfonso Gallo (gest. 1952) das Instituto di Patologia del Libre in Rom als Forschungsinstitut zur Entwicklung von Methoden zur Buchrestaurierung, das noch heute existiert und nach dessen Gründer benannt wurde. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Schwedt, Grundlagen der Buchrestaurierung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61124-1_1
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1 Einleitung
Abb. 1.1 Bibliotheca Vaticana (Kupferstich o. J. um 1780; Guckkastenbild von Jean-Francoise Daumont, Paris)
1931 wurde auch in der Abtei von Grottaferrata (Kloster von St. Marien in den Albaner Bergen, 20 km südlich von Rom) ein „Laboratorium zur Restaurierung alter Bücher und Handschriften“ in einem Saal im alten Gästehaus der Mönche eingerichtet. Es gilt als das erste nach wissenschaftlichen Kriterien angelegte derartige Laboratorium, das nach einer Idee von Pater Nilo Borgia (1870–1942) entstanden war. Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es jedoch nur einzelne solcher Einrichtungen. Als im März 1943 bei einem Luftangriff auf München auch die Bayerische Staatsbibliothek durch Brandbomben schwer getroffen wurde, mussten aus dem Brandschutz gerettete 15.000 wertvolle Bände restauriert werden. Aus diesem Anlass wurde noch im April 1944 von der Generaldirektion der Bayerischen Staatsbibliothek der Aufbau einer hauseigenen „Wiederinstandsetzungsstelle fliegergeschädigter Werke der Bayerischen Staatsbibliothek München“ angeordnet – von 1944 bis 1949 provisorisch in der Gaststätte Klinglwirt in Weidach bei Glonn/Oberbayern. Unter dem Namen „Institut für Bestandserhaltung und Restaurierung“ (IBR) ist es noch heute eine Abteilung der Bayerischen Staatsbibliothek mit den Referaten „Bestandserhaltung und Restaurierung“ und „Materialwissenschaft und Kunsttechnologie“.
1.1 Ausbildungen in der Buchrestaurierung – an Hochschulen in Köln …
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1.1 Ausbildungen in der Buchrestaurierung – an Hochschulen in Köln, Hildesheim und Stuttgart Ein Studium der Buchrestaurierung (Bachelor) ist heute an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim, an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und an der TH Köln (Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut, Studienrichtung Schriftgut, Grafik und Buchmalerei) möglich. Buchrestauratoren sind auch im Berufs- und Fachverband „Verband der Restauratoren“ organisiert (Fachgruppe „Grafik, Archiv- und Bibliotheksgut“) – mit Geschäftsstellen in Bonn und Berlin.
Köln TH, Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (www. th-koeln.de/studium, [2]), Studienrichtung „Schriftgut, Grafik, Fotografie und Buchmalerei“
Inhalte des Studiums Gegenstand des Bachelorstudiums sind zum einen die Schriftträger, zu denen man nicht nur einzelne beschriebene, bemalte oder bedruckte Blätter wie Urkunden, Dokumente oder Grafiken, Buchmalereien und Zeichnungen zählt, sondern auch gebundene Bücher, dreidimensionale Objekte wie beispielsweise Globen oder Theatermodelle, Großobjekte wie Papier- und Ledertapeten sowie analoge Fotografien. Zum anderen wird im Studium die Frage behandelt, wie sich Tinten und Tuschen, die Farbmaterialien und Bindemittel, die Druckerschwärze und Stempelfarben im Laufe der Zeit verändern. Dazu gehört auch die Reaktion mit alten und modernen Restaurierungsmitteln. Lehrangebot Ein wichtiger Aspekt der Lehre ist es, den Studierenden materialwissenschaftliche Kenntnisse der zugrundeliegenden Materialien wie Papyrus, Papier, Leder und Siegelmaterialien sowie Fotografien und Buchmaterialien, aber auch die der exotischeren Materialien wie Birkenbast und Palmblatt zu vermitteln. Die Studierenden sollen im Laufe des Bachelorstudiums dazu befähigt werden, die jeweils sinnvollste Konservierung eines Objekts vornehmen sowie die Dauerhaftigkeit und Reversibilität der verwendeten Restaurierungsmaterialien einschätzen zu können. Dazu wird einerseits naturwissenschaftliches Wissen der benötigten Materialien zur Restaurierung, Konservierung und Archivierung vermittelt sowie andererseits die restauratorischen manuellen Fähigkeiten.
1 Einleitung
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Praxisorientierung Grundlegend ist zudem, den Studierenden eine konservatorisch „richtige“, also ethische, Einstellung zum Objekt zu vermitteln, die durch Erfahrungen bei Exkursionen und Arbeiten mit anderen Studieneinrichtungen und Werkstätten vertieft wird. Über kunsttechnologische Untersuchungen wird darüber hinaus das Verständnis historischer Materialen und ihrer Verwendung verdeutlicht. Ziel des Bachelorstudiums ist, Fachkräfte auszubilden, die anspruchsvolle Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten auf der Grundlage von vorbereitenden Untersuchungen und auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen basierend manuell und materialtechnisch einwandfrei durchführen zu können. Daher wird die Hälfte der Studienzeit darauf verwendet, die restaurierungswissenschaftlichen Erkenntnisse an originalen Objekten in der Praxis umzusetzen. Die Absolventinnen und Absolventen verfügen nach Abschluss des Studiums nicht nur über die manuellen Techniken der Schriftgutrestaurierung, sondern können auch Archive, grafische Sammlungen und Bibliotheken konservatorisch betreuen und sind somit den zukünftigen Restaurierungsproblemen gewachsen. Die Studienrichtung möchte damit einen Beitrag zur wissenschaftlichen Weiterentwicklung des noch jungen Restaurierungsfaches leisten. Weitere Informationen s. [2]
Hildesheim (www.hawk.de, [3])
Studiengang Konservierung und Restaurierung Die Erhaltung von Kulturgut ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft. Denn es sind jene Kulturgüter, die die Identität einer Gesellschaft prägen und an ihre Geschichte erinnern. Das Studium legt breite Grundlagen zur Kenntnis der Materialien und Techniken, die an historischen Objekten zu finden sind, weckt Verständnis für die Zusammenhänge von Alterung, Schäden den äußeren Rahmenbedingungen, denen das Kulturgut ausgesetzt ist. Dazu werden Ihnen die theoretischen und praktischen Fähigkeiten in diesen Bereichen vermittelt:
• Schadensprävention • Technologische Untersuchung • Feststellung des Zustands • Konservierungs- und Restaurierungstechnik • Wissenschaftliche Dokumentation • Kunst- und Kulturgeschichte • Geschichte und Theorie der Restaurierung [4]
1.1 Ausbildungen in der Buchrestaurierung – an Hochschulen in Köln …
Studienrichtung Schriftgut, Buch und Graphik Sie befassen sich mit der Herstellung von historischen Dokumenten, Büchern und Kunstobjekten. Sie lernen verschiedene Schrift- und Bildträger, Farbmittel und Bucheinbände kennen. Sie untersuchen ihren Materialzustand sowie die Arbeitstechniken und erlernen Methoden der Konservierung und Restaurierung. Und als kleiner Ausblick: Auch im Masterstudiengang beschäftigen Sie sich mit Aufgaben der Archive, Bibliotheken und Museen [4].
In weiteren Texten wird vor allem auf die „Verbindung von Theorie und Praxis, von natur- und geisteswissenschaftlichen Inhalten“ hingewiesen, die dieses Studium „einzigartig“ machen.
Stuttgart (www.abk-stuttgart.de, [5])
Konservierung und Restaurierung von Kunstwerken auf Papier, Archiv- und Bibliotheksgut Für den Studiengang stehen insgesamt 800 m2 mit Bibliothek und Vorlesungsraum sowie folgende Arbeitsplätze zur Verfügung: Restaurierungsatelier (276 qm): Studierende haben für die Dauer des Studiums einen eigenen Arbeitsplatz (mit Beleuchtung, flächiger Ablage, Schubladenrollwagen) (…) Fotodokumentation (25 qm) (…) Nasschemisches Labor (50 qm): Geräumige Arbeitsstationen mit gut sortierter Laborausrüstung, Spezialinstrumenten und einem geräumigen Digestorium erlauben die Durchführung von Untersuchungen, Behandlungen, Analysen und die Aufbereitung von Chemikalien. Nassraum (35 qm) (…) Befeuchtungsraum (24 qm) (…) Holz- und Metallbearbeitung (16 qm) (…) Fotolabor (12 qm) (…) Materiallager (46 qm): Umfangreiche Sammlung von Restaurierungs- und Labormaterialien und ein gut sortierter Fundus an Probematerialien für die Durchführung von Versuchen. Instrumentenraum und analytische Geräte: Für die Durchführung von Alterungstests in Zusammenhang mit Studien- und Forschungsarbeiten stehen drei Heraeus-Vötsch Klimaalterungsschränke, ein Trockenschrank, ein Q-SUN Lichtalterungsgerät zur Verfügung. Farbmessungen werden mit einem Datacolor Spektrometer, einem X-Rite Colorchecker, spektrophotometrische Untersuchungen werden mit dem Fiber Optic Refelectance Spectrophotometer (FORS) ermöglicht. Weitere Geräte zur instrumentellen Analytik (Raman, FTIR, Keyence-Digitalmikroskop, Gefriertrocknungsgerät, Röntgen, etc.) sind innerhalb des Instituts für Konservierungswissenschaften verfügbar [6].
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1.2 Aktuelle Beispiele der Buchrestaurierung – von Weimar bis Köln 1.2.1 Weimar: Die Bibliothek brennt Am 3. September 2004 berichtete die Frankfurter Allgemeine unter dem Titel „Verheerender Großbrand in Anna-Amalia-Bibliothek“ [7], dass 30.000 wertvolle Bücher unwiederbringlich verloren seien. Und weiter hieß es: Gut 500 Menschen waren in der Nacht im Einsatz. Etwa 120.000 Bände konnten geborgen werden. Der Marktwert der zerstörten und beschädigten Bücher ist nach Auskunft von Bibliotheksleiter Michael Knoche nicht abzuschätzen, da die Bestände einmalig waren … [7].
2006 erschien von Michael Knoche, dem Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek seit 1991, das Buch Die Bibliothek brennt. Ein Bericht aus Weimar (3. Aufl. 2007) [8] – ein auch heute noch lesenswerter Bericht. S. dazu auch Abb. 1.2. Am 2. September 2004 war, verursacht durch eine defekte Kabelverbindung im dritten Obergeschoss, ein Feuer entstanden und um 20.25 Uhr Feueralarm ausgelöst worden. Das zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Gebäude hätte nur wenige Monate später für eine Totalsanierung geschlossen werden sollen. Im Buch ist auch ein Kapitel mit Auszügen eines Expertengesprächs mit Restauratoren am 6. Oktober 2004 in Leipzig enthalten, aus dem sich einige der geplanten Restaurierungsmaßnahmen entnehmen lassen.
Abb. 1.2 Gebäude der Fürstlichen Bibliothek in Weimar um 1850, heute Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB)
1.2 Aktuelle Beispiele der Buchrestaurierung – von Weimar bis Köln
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Das Vorgehen „Schritt für Schritt“ enthält das Auspacken, die Reinigung, Sortierarbeiten und das Tiefgefrieren der geborgenen Bücher. Als erste Maßnahmen werden u. a. als Material zum Einpacken der Bücher in Weimar durchsichtige oder schwarze Stretchfolie oder Plastiktüten und Seidenpapier genannt. Probleme gab es vor allem dadurch, dass ganze Buchblocks mit kolorierten Seiten „verbackt“ waren, als auffallendes Schadensbild an zahlreichen Lederbänden wurde auch festgestellt, dass sich diese weder öffnen noch schließen ließen. Der Leim im Rücken hatte sich durch die Hitzewirkung verflüssig und bei der Gefriertrocknung war das Rückenleder unflexibel geworden.
1.2.2 Köln: Das Stadtarchiv stürzt ein Am 3. März 2009 stürzte im Zusammenhang mit dem U-Bahnbau (Nord-SüdStadtbahn) der gesamte Gebäudekomplex in der Severinstraße mit zwei Wohnhäusern ein. 90 % des Archivguts wurden dabei verschüttet, von denen nach einem halben Jahr etwa 86 % geborgen werden konnten. Im Hauptgebäude lagerten damals die Hauptbestände des Historischen Archivs der Stadt Bonn einschließlich der Codices der Sammlung Wallraf, d. h. der mittelalterlichen Handschriftenabteilung. Bei der Bergung des Archivgutes mithilfe der Mitarbeiter, der Feuerwehr, des Technischen Hilfswerkes und freiwilliger Helfer wurde trockenes oder nur feuchtes Archivmaterial in ein Erstversorgungszentrum gebracht und dort grob gereinigt, durchnässtes oder angeschimmeltes Material in Folien verpackt und in Kühlhäusern gefriergetrocknet. Am 21. Juli 2009 wurden die Bergungsarbeiten eingestellt, im November 2010 offiziell beendet, nachdem etwa 95 % der Archivalien gerettet werden konnten. Nach einer internen Berechnung würden 200 Restauratoren 30 Jahre ununterbrochen arbeiten müssen, um alle Schäden an den Archivalien zu beheben – mit geschätzten Kosten von 300 Mio. EUR. Zu Beginn des Jahres 2019 waren etwa 10.000 Stücke vollständig restauriert, 240.000 Einheiten (etwa 15 %) hatten die erste Konservierungsphase (wie die Trockenreinigung) durchlaufen, wovon 55 % im Original auch wieder benutzbar sind. Eine Broschüre der Stadt Köln mit dem Titel „Bergen, Ordnen, Restaurieren – Der Wiederaufbau des Historischen Archivs Köln“ enthält ein Kapitel zur „Konservierung und Restaurierung“ (S. 29–43) [9]; s. auch [10]. In einer Lagerhalle in Köln Porz-Lind (Frankfurter Straße 50) wurde ab 2011 ein Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum eingerichtet. Infolge der Verunreinigung des Archivgutes durch alkalischen Betonstaub und Erdreich war als erster Schritt eine Trockenreinigung mit speziellen Schwämmen, Bürsten, Pinseln und durch Druckluft erforderlich. Die Gefriertrocknung konnte in sieben Anlagen deutschlandweit bis 2014 abgeschlossen werden. Die durch das genannte Ereignis aufgetretenen speziellen Schäden des Archivguts werden schon heute als „Kölner Schadensbilder“ bezeichnet (s. auch Abschn. 5.3). Ein neues Historisches Archiv der Stadt Köln entsteht seit Mitte 2016 (Grundsteinlegung 17. März 2017, Richtfest 2. März 2018) am Eifelwall in Köln. Das Historische Archiv besitzt auch einen digitalen Lesesaal, in dem bereits digitalisierte Archivalien zur Geschichte der Stadt Köln eingesehen werden können.
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1.2.3 Göttingen: Die historischen Bestände – trotz Digitalisierung – vor dem Zerfall bewahren An der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek arbeitet seit 1997 das Göttinger Digitalisierungszentrum (GDZ) an der Erfassung und Bereitstellung der historischen Bestände. Mit etwa 8 Mio. Bücher, Zeitschriften, Karten, Handschriften und digitalen Medien zählt die mit der Gründung der Georg-August-Universität bereits 1734 in den Räumlichkeiten des ehemaligen Paulinerklosters eingerichtete Bibliothek zu den bedeutendsten und größten in Deutschland [11], hierzu auch Abb. 1.3. 1992 bezog die SUB Göttingen einen Neubau auf dem Campus des Geisteswissenschaftlichen Zentrums – als Zentralbibliothek auf dem Platz der Göttinger Sieben. Die Paulinerkirche und die historischen Räume im Gebäude Papendiek/Ecke Prinzenstraße wurde 2000 bis 2006 saniert, und seitdem sind dort über 560.000 Bände bis zum Erscheinungsjahr 1800 untergebracht. Der Abteilung Spezialsammlungen und Bestandserhalten ist auch die Gruppe Restaurierung zugeordnet. Dort werden handschriftliche und gedruckte historische Dokumente, die entweder bereits beschädigt oder im Bestand gefährdet sind, bearbeitet. Konservatorische und restauratorische Verfahren der Papier- und Einbandrestaurierung kommen hier zur Anwendung. Eine weitere Gruppe dieser Abteilung beschäftigt sich mit der Buchbinderei. Das Historische Gebäude der SUB ist auch ein Ort der historischen Forschung und der Vermittlung von Forschungsergebnissen an eine
Abb. 1.3 Historischer Bibliothekssaal der Universitätsbibliothek Göttingen (Kupferstich G. D. Heumann um 1750)
Literatur
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breite Öffentlichkeit. In der Paulinerkirche finden Ausstellungen statt – so 1999 die große Goethe-Ausstellung unter dem Titel „Goethe, Göttingen und die Wissenschaft“, vgl. dazu [12]. (Zur Praxis der Buchrestaurierung s. auch [13] und [14])
Literatur 1. Dachs K (1971) Bayerische Staatsbibliothek München, Buchrestaurierung. Methoden und Ergebnisse, Ausstellung 11. November 1971, 15. Januar 1972, „Das Institut für Buch- und Handschriftenrestaurierung“, S. 9 ff. 2. www.th-koeln.de/studium. Zugegriffen: 1. Okt. 2019 3. www.hawk.de. Zugegriffen: 1. Okt. 2019 4. https://www.romoe.com/de/bildung-studium/hochschule-hawk/. Zugegriffen: 1. Okt. 2019 5. www.abk-stuttgart.de. Zugegriffen: 1. Okt. 2019 6. http://www.abk-stuttgart.de/papierrestaurierung.html. Zugegriffen: 1. Okt. 2019 7. Honold A (2004) Verheerender Großbrand in Anna-Amalia-Bibliothek. Frankfurter Allgemeine Zeitung 03(09):2004 8. Knoche M (2006) Die Bibliothek brennt. Ein Bericht aus Weimar. Wallstein, Göttingen 9. Stadt Köln (2017) https://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf44/bergen-ordnenrestaurieren.pdf (Hrsg) Die Oberbürgermeisterin (s. auch wikipedia „Historisches Archiv der Stadt Köln“) 10. Schmidt-Czaia B, Soénius US (2010) Gedächtnisort. Das Historische Archiv der Stadt Köln. Böhlau, Köln 11. Schwedt G (Hrsg) (1983) Zur Geschichte der Göttinger Universitätsbibliothek. Zeitgenössische Berichte aus drei Jahrhunderten. Verlag Göttinger Tageblatt, Göttingen 12. Mittler E, Purpus E, Schwedt G (1999) (Hrsg) „Der gute Kopf leuchtet überall hervor“ Goethe, Göttingen und die Wissenschaft. Wallstein, Göttingen 13. Schwedt G (1992) Aufgaben chemischer Analytik in der Restaurierung von Büchern. Mitteilungsblatt der TU Clausthal 74: 18–22 14. Schwedt G, Deutscher T (1991) Messungen des pH-Wertes in Papier mit einem Mikrosensor. Restauro 97(4): 263–265
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Aus der Geschichte des Buches
2.1 Vom Papyrus im alten Ägypten Seit etwa dem 3. Jahrhundert v. Chr. wurde im antiken Ägypten Papyrus, gewonnen aus der Staude des Echten Papyrus (Cyperus papyrus), eine Art aus der Gattung der Zypergräser, als Beschreibstoff verwendet, s. hierzu Abb. 2.1. Der römische Schriftsteller Plinius d. Ä. (23–79 n. Chr.) beschrieb im 13. Buch seiner Naturgeschichte (Naturalis historia) die Herstellung von Papyrus wie folgt: Das Mark der Pflanzenstängel wird in breite Streifen (etwa bis zu 4 cm) geschnitten. Solche Streifen werden dann leicht überlappend aneinandergelegt, und zwei kreuzweise überlagernde Schichten dieser Streifen werden zu einem festen Blatt gepresst und geklopft. Durch die Klebekraft des stärkehaltigen Pflanzensaft erfolgt dadurch eine Art von Verleimung. Die so entstandene Platte wird abschließend getrocknet und ist dann zum Bemalen und Beschreiben vorbereitet. Plinius überliefert auch einen Spezialleim zur Glättung (Satinieren) der Blätter und zur Verklebung in einheitlicher Faserrichtung zu Rollen von unterschiedlichen Formaten. In späteren Jahrhunderten wurden Papyrusrollen auch zu Codizes (ein von zwei Holzbrettchen umschlossenen Block gefalteter oder gehefteter sowohl Papyrus- als auch Pergamentblätter) verarbeitet. Die ältere Buchform der Schriftrolle wurde etwa im 4. Jahrhundert n. Chr. durch den Kodex verdrängt, der schon in der römischen Kaiserzeit neben der Schriftrolle in Gebrauch kam. Eine sehr anschauliche Beschreibung der Gewinnung von Papyrus als Beschreibstoff ist in einer frühen Brockhausausgabe [1] enthalten – unter dem Stichwort Papier (das), jenes altbekannte und vorzüglich um darauf zu schreiben und zu drucken benutzte Erzeugniß des menschlichen Kunstfleißes, hat seinen Namen von der hier abgebildete Papyrus- oder Papierstaude, einer Art Cypergras, welche in Ägypten, Syrien und auf der Insel Sicilien an Flüssen und andern Gewässern wächst und aus welcher das älteste in Europa bekannte Papier von der Ägyptern gemacht wurde. Die Stengel
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Abb. 2.1 Papyrusstaude. (© [1]) dieser Pflanze werden über acht F. hoch, sind dreikantig und tragen die Blütendolden zwischen langen Blättern an der Spitze. Ihre Wurzel wurde von den Alten gegessen, aus den Halmen verfertigte man Seile und Bänder, die berühmteste Verwendung derselben war aber die zu Papier, welche im 4. Jahrh. v. Chr. von Ägypten aus in Gang kam. Man zertheilte nämlich die Halme in verschiedene Lagen, aus denen sie bestehen, breitete die dadurch erhaltenen Streifen dicht nebeneinander auf eine Tafel, feuchtete sie mit Nilwasser an, welches mit dem Pflanzensafte wie Leim wirkte, und legte andere kreuzweise darüber, preßte und trocknete das Ganze in der Sonne und glättete das Bessere mit einem Zahne. Später wurde die Fabrikation des Papiers in Rom sehr vervollkommnet, wo man es zu den Zeiten des Kaisers Augustus dahin durch Bleiche und Zurichtung gebracht hatte, daß die beste frühere Sorte die dritte geworden war. Das feinste wurde nach August selbst benannt und die nächste Sorte führte den Namen seiner Gemahlin Livia, andere die der Orte, wo sie Ägypten gemacht wurden. Die auf diese Art erhaltenen Blätter waren schmal und nur etwa sechs Finger breit, und wurden Ende an Ende zu 20 zusammengeleimt und in eine Rolle geformt. Das ägypt. Papier blieb in Italien bis ins 11. Jahrh. in Gebrauch, obgleich aus dem Innern Asien schon zu Anfang des 8. Jahrh. die Verfertigung von Papier aus Baumwolle zu den Arabern und weitere verbreitete, von ihnen im 11. Jahrh. auch nach Spanien verpflanzt wurde … [1].
2.1 Vom Papyrus im alten Ägypten
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Zu den bedeutenden Papyrusrestauratoren in Deutschland gehörte Hugo Ibscher (1874–1943). Der gelernte Buchbinder, der auch eine Kunstschule in Berlin besuchte, wurde 1890 Gehilfe des Arabisten Ludwig Abel (1863–1900), Dozent an der Königlichen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin. Bei dieser Tätigkeit verschaffte er sich umfassende Kenntnisse über die Strukturen der Papyri, so zum Verlauf der Faserungen, über Farbnuancen und das Zusammenfügen kleinster Teile. Um 1900 war in Berlin eine umfangreiche Sammlung an Papyrusschriften im Ägyptischen Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen entstanden, s. auch Abb. 2.2. Das Museum war aus der 1828 auf Empfehlung Alexander von Humboldts gegründeten ägyptischen Abteilung der Kunstsammlungen König Friedrich Wilhelm III. hervorgegangen. Ibscher wurden aus dieser Sammlung u. a. wertvolle Elephantine-Papyri von der ägyptischen Nilinsel Elephantine in der Nähe von Assuan zur Restaurierung anvertraut. Diese Papyri enthalten Dokumente aus der dort ansässigen Militärkolonie mit Soldaten verschiedener Herkunft und somit auch in verschiedenen Sprachen wie Altgriechisch, Aramäisch, Latein und Koptisch. Weitere bedeutende restauratorische Arbeiten führte Ibscher in der Universitätsbibliothek Uppsala (Codex Argenteus, gotische Bibel des Bischofs Wulfila) und im Vatikan (Papsturkunden) durch. Ibscher restaurierte auch kostbare Papierhandschriften, so u. a. die Hohe Messe (h-Moll-Messe 1748/1749) von Johann Sebastian Bach (nach Karl Dachs, Kap. 1). Das Manuskript gehört seit 2015 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe und gelangte von der Bach-Gesellschaft Leipzig 1857 durch Verkauf an die
Abb. 2.2 Blatt aus Papyrus mit ägyptischem Motiv aus dem 19. Jahrhundert (Privatbesitz)
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2 Aus der Geschichte des Buches
taatsbibliothek in Berlin (Handschrift P 180). 2009 wurden bei Untersuchungen S mittels Röntgenfluoreszenzanalyse jedoch noch Schäden durch Tintenfraß, mehrfache Fremdeinträge, ausradierte Stellen und Löcher festgestellt [2].
2.2 Vom Pergament-Codex im Mittelalter Pergament heißt nach Art der Weißgerberei, also ohne Lohe gahr gemachtes und nachher durch eigenthümliche Behandlung für die verschiedenen Gebrauchszwecke mehr oder weniger glatt und steif hergestelltes Leder, das zu Schreibmaterial für wichtige Urkunden, zum Bemalen, zu Schreibtafeln, Büchereinbänden, Pauken- und Trommelfellen verwendet wird. Auf Thierhäute geschrieben wurde schon sehr früh, die Bearbeitung der dazu bestimmten Häute aber scheint später in den Stadt Pergamus (…) besonders vervollkommnet und eifrig betrieben worden zu sein, sodaß man Erfindung und Namen des Pergaments, welche lange Zeit die Stelle des später erfundenen Papiers vertrat, zuweilen von derselben herleitet. Gegenwärtig wird es hauptsächlich von Kalb-, Schaf-, Ziegen-, Schweins- und Eselsfellen verfertigt, welche nach erfolgter Abhaarung und Reinigung und Reinigung auf der Fleischseite, auf dem Schabebaume möglichst gleichmäßig ausgestrichen, dann in Rahmen gespannt, von allen faserigen Unebenheiten vollends gesäubert, durch Behandlung mit Kreide und Bimsstein vollends glatt gemacht und endlich getrocknet werden … [3]
Nicht genannt wird in diesem Textauszug die Behandlung der Häute mit Kalk, um die Entfernung der Fleischreste zu erleichtern. Der letzte Pergamenter in Deutschland und wohl auch in Europa, der echtes Hautpergament herstellte, war Manfred Wildbrett in Bobingen bei Augsburg, der seine Firma Carl Wildbrett nach einer 144-jährigen Firmengeschichte 2012 aus Altersgründen aufgab. Er übergab seine Materialien und Geräte dem Heimatverein D’Hochsträßler, der sie im Museum in der Pestalozzistraße 1 (Dachgeschoss der Hauptschule) in Bobingen ausstellt. Die Sammlung der Dauerausstellung in einem Raum des Textil- und Hauswirtschaftsmuseums umfasst faksimilierte Beispiele mittelalterlicher Buchkunst, originale Pergamentseiten eines Psalters und eines großen Gebetbuches und auch Dokumente zur Geschichte und Herstellung des als Beschreibstoff wertvollen Pergaments. Vgl. dazu auch Abb. 2.3.
2.3 Zu Besuch in einem mittelalterlichen Skriptorium Nicht nur die Freunde mittelalterlicher Handschriften, Codices und Bücher aus der Zeit vom 6. bis 17. Jahrhundert, sondern auch kulturgeschichtliche Chemiker wurden von der Ausstellung der Bibliotheca Palatina 1986 zum 600-jährigen Bestehen der Universität Heidelberg in der Heilig-Geist-Kirche angesprochen. 1421 vermacht Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz (1378–1436) seine Bücher aus den drei oberen Fakultäten Theologie, Recht und Medizin dem Heilig-Geist-Stift zu Heidelberg. Diese Bestände werden durch seine Nachfolger großzügig vergrößert. Im Dreißigjährigen Krieg fällt der Feldherr Tilly im Jahr 1622 in Heidelberg ein und lässt im Auftrag von Papst Gregor XV. bzw. seines
2.3 Zu Besuch in einem mittelalterlichen Skriptorium
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Abb. 2.3 Pergamentmacher (Pergamenter) – Kupferstich 1698 (Christoph Weigel)
kriegsführenden katholischen Fürsten Herzog Maximilian von Bayern sämtliche Bücher aus Heilig-Geist-Kirche, Schloss und Universität nach Rom in den Vatikan transportieren. Am 14. Februar 1623 verlässt ein Tross von fünfzig Fuhrwerken mit 8000 Handschriften, Schriftrollen und Büchern in Kisten verpackt die Stadt: die Bibliotheca Palatina. Am 9. August wird nach fast fünfmonatiger Reise über München, Graubünden, Mailand, Pavia und Ferrara zu Lande und zuletzt zu Schiff der Empfang dieser bedeutendsten calvinistischen Bibliothek vom Kustos der Vatikanischen Bibliothek bestätigt. 1986 kehren per Flugzeug 580 Schriften für vier Monate auf die Empore der Heilig-Geist-Kirche zurück. Siehe hierzu [4]. Zu dieser Ausstellung konnte der Besucher auch eine Abteilung mit der Bezeichnung Scriptorium besichtigen, die danach auch an anderen Orten (Bibliotheken, Museen und Klöstern) zu sehen war. Dort hatte die Kunsthistorikerin Vera Trost (später Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart) auf der Grundlage
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2 Aus der Geschichte des Buches
eigener wissenschaftlicher Arbeiten an zahlreichen Exponaten die Buchherstellung im Mittelalter vorgestellt [5]. Scriptorien zur Herstellung bzw. Vervielfältigung von Büchern erfolgten im Mittelalter in der Klosterschreibstube, s. auch Abb. 2.4. Sie waren Wortfabriken mit einer klargefügten, hierarchischen Ordnung. Von den technischen, handwerklichen Arbeitsgängen bis zur Fertigstellung eines Buches gibt es eine Reihe von schriftlichen und auch bildlichen Überlieferungen, vor allem in Handschriften aus dem Mittelalter. Vgl. dazu Abb. 2.5. Pergamentherstellung In einer Handschrift aus der Zeit um 800 (Kapitularbibliothek Lucca in der Toskana) ist in Latein zu lesen, wie Pergament hergestellt werden soll. In deutscher Übersetzung lautet der Text: Man lege die Tierhaut in Kalkwasser und lasse sie drei Tage liegen, spanne sie dann in einem Gestell auf und schabe sie auf beiden Seiten mit einem scharfen Messer ab; danach lasse sie trocknen. [5], vgl. auch Abb. 2.6. Die weiteren Arbeitsschritte Andere Handschriften wie die AmbrosiusHandschrift aus dem dritten Viertel des 12. Jahrhunderts (Staatsbibliothek Bamberg) vermitteln die Tätigkeiten in einem Skriptorium in bildlicher Darstellung. Zunächst wird das Konzept für eine Seite mit einem Griffel in eine Wachstafel eingeritzt. Das Pergament wurde im späten Mittelalter in Italien aus
Abb. 2.4 Mittelalterliches Skriptorium (aus Miracles de Notre Dame nach 1456)
2.3 Zu Besuch in einem mittelalterlichen Skriptorium
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Abb. 2.5 Verkauf von Pergament an einen Mönch – mit Pergamentrahmen und rundem Schabeisen zwischen den Personen. (Ausschnitt aus der Hamburger Handschrift von 1255, © Original Königliche Bibliothek Kopenhagen)
Abb. 2.6 Pergamentherstellung nach Diderot im 18. Jahrhundert
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2 Aus der Geschichte des Buches
Ziegenhaut gewonnen und vor dem Trocknen mit Kreideaufguss zum Schreiben vorbereitet. Insulares Pergament wurde aufgeraut. Das Pergament wurde zu einer Seite zugeschnitten, der Schriftspiegel festgelegt, Zeilenabstände mit einem Zirkel markiert, mit einem Griffel die Zeilen gezogen. Das Schreiben erfolgte mit einer Gänsefeder, Fehler mit einem Federmesser ausbessert, die Tinte in einem Rinderhörnchen aufbewahrt. Eine malerische Ausschmückung von speziellen, ausgewählten Seiten stellt dann noch eine eigene Arbeit dar. Schließlich werden die beschriebenen und bemalten Blätter zu Lagen gefalzt und in einer Buchbinderlade zu einem Buchblock zusammengefügt. Hölzerne (oder auch lederne) Buchdeckel werden den Maßen angepasst, Schließen und Beschläge z. B. auf einem kleinen Amboss gefertigt. Die Abteilung „Technische Arbeiten in einem hochmittelalterlichen Skriptorium“ der Ausstellung Bibliotheca Palatina zeigte auch die Werkstoffe der Künstler: Vom Gänsekiel als Schreibfeder über das Rinderhorn als Tintenfass, das Schaffell für die Pergament-Herstellung bis zu den Materialien zum Schreiben und Malen (Farbmittel). Auch die Abteilung über Bucheinbände aus Holz, Schweinsund Kalbsleder, mit Emailplatten, Knochenschnitzereien (z. B. Walrosszahnreliefs oder Elfenbein) und Gold sowie farbenprächtige Malereien vermittelten einen Eindruck von den Materialien mittelalterlicher Buchkunst – s. dazu auch Kap. 3 „Die Materialien und ihre Eigenschaften“.
2.4 Kurzer Überblick zur Geschichte des Papiers Das erste Jahrtausend n. Chr. Auf das Jahr 105 n. Chr. ist die erste Erwähnung des chinesischen Papierherstellungsverfahrens datiert – als Erfinder gilt Cai Lun (Tsá Lun – lebte um 50 bis um 121 n. Chr.), Beamter der kaiserlichen Arsenale zur Zeit der Han-Dynastie. Er beschreibt das Aufschließen von Bambusgras, Maulbeerbast, Hanf, auch von alten Lumpen und Fischnetzen und das Verfahren des Verfilzens durch Schöpfen mit einer Form. Bereits im 2. Jahrhundert wird über Papiertaschentücher in China und Toilettenpapier (aus Stroh, weich und parfümiert) für die kaiserliche Familie berichtet. Um 300 wird über die Technik des schwimmenden Siebs durch die Thais berichtet: Das geschöpfte Blatt musste im Sieb trocknen, es waren viele Siebe erforderlich. Um 600 bzw. 625 ist die Technik mit dem Schöpfsieb auch in Korea bzw. Japan nachweisbar. Im 7. Jahrhundert führt der chinesische Kaiser Gaozong (649–683) aus der Tang-Dynastie aus Mangel an Kupfer Papiergeld ein. Um 750 gelangt das Geheimnis des Papiermachens durch chinesische Kriegsgefangene eines arabischen Heeres in die arabische Welt. Nach 1000 n. Chr. 1144 entsteht die erste Papiermühle in Spanien, 1268 wird auch in Italien Papier hergestellt. 1282 wird in Italien das Wasserzeichen erfunden – in Fabriano (Provinz Acona am Osthang des Appenins), heute Sitz bedeutender Papierfabriken. 1389/1390 entsteht die erste Papiermühle nördlich der Alpen – Gleismühl,
2.4 Kurzer Überblick zur Geschichte des Papiers
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durch Ulman Stromer (1329–1407) in Nürnberg. 1445 Johannes Gutenberg (um 1400–1468) entwickelt den Buchdruck mit beweglichen Lettern. Um 1670 wird der Holländer erfunden, eine Maschine, die den Faserbrei in einem Trog mithilfe rotierender Messerwalzen zerkleinert, mit hoher Rotationsgeschwindigkeit, schnellerem Faserdurchgang als im Stampfwerk. S. hierzu Abb. 2.7. 18. Jahrhundert Jacob Christian Schäffer (1718–1780, Theologe) berichtete 1765–1771 über „Versuche und Muster, ohne alle Lumpen oder doch mit einem geringen Zusatze
Abb. 2.7 Der Papyrer (Hans Sachs 1568)
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2 Aus der Geschichte des Buches
derselben, Papier zu machen“ – aus Pappelwolle, Moos, Flechten, Hopfen, Weinreben, Stroh und vielen mehr sowie auch Sägespänen. 1774 berichtete Justus Claproth (1728–1805, Jurist, Professor in Göttingen) über seine „Erfindung aus gedrucktem Papier neues Papier zu machen“. Die Druckerschwärze entfernte er mithilfe von Terpentinöl und „Wascherde“ (gemahlener Ton, wird im marokkanischen Atlasgebirge seit dem 8. Jahrhundert abgebaut) – in einem ersten Deinking-Verfahren in der Papiertechnik. 1785 entwickelte der französische Chemiker Claude Louis Berthollet (1748–1822) die Chlorbleiche für die Anwendung auf Hadern zur Papierherstellung. 1799 erfand Nicholas-Louis Robert (1716–1828) die Langsieb-Papiermaschine (zu sehen im Österreichischen Papiermacher-Museum in Laakirchen-Steyrermühl). 19. Jahrhundert 1805 erfindet der englische Ingenieur Joseph Brahmah (1748–1814) die Rundsieb-Papiermaschine. 1807 wurde die Masseleimung mit alkalisch verseiftem Kolophonium durch Moritz Friedrich Illig (1777–18459, Papiermacher in Erbach/ Odenwald, eingeführt. 1843 entwickelte Friedrich Gottlob Keller (1816–1895) ein Verfahren zur Herstellung von Papier aus Holzschliff (Gedenkstätte in Bad Schandau). Holz verarbeitete er auf einem Schleifstein in der Faserquerrichtung mithilfe von Wasser zu Holzschliff. 1851 gewann der Chemiker Hugh Burgess (1825– 1892) mit Charles Watt Zellstoff durch die Behandlung von Holz mit Natronlauge. 1871 wurde die erste deutsche Holzzellstoff-Fabrik durch M. Dressler in Dalbke (Sennestadt) nach dem Natronlauge-Verfahren gegründet. 1877 entstand an der Forstakademie in Hann. Münden die erste Sulfitzellstoff-Anlage nach einem Verfahren des Chemikers Alexander Mitscherlich (1836–1918). 1892 wurde „Die erste deutsche Kunstdruckpapierfabrik Carl Scheufelen“ in Lenningen (südlich von Kirchheim unter Teck) gegründet – in der seit 1773 bestehenden Papiermühle Oberlenningen, ab 1855 in Besitz von Carl Scheufelen (1832–1902) – alle Angaben nach [6]. Sehr anschaulich berichtete Hans Dominik (1872–1945, Schriftsteller und Sachbuchautor, bekannt als Science-Fiction-Autor) über die Herstellungsverfahren von Papier aus Holz – in Das Buch der Chemie [7] im Kapitel „Zellulosechemie“, woraus sich auch die Eigenschaften der auf die beschriebene Weise gewonnenen Papiere aus dieser Zeit ableiten lassen (vgl. hierzu auch Abb. 2.8): Die Fabrikation beginnt in jedem Falle mit einer möglichst weitgehenden mechanischen Zerkleinerung der Rohstoffe. Das Stroh wird auf besonderen Häckselmaschinen zu einem sehr feinen Häcksel zerschnitten. Die Holzstämme werden sorgsam entrindet (Abb. 11a), auf Kreissägen in kurze, etwas fußlange Stücke zerschnitten und auf besonderen Bohrmaschinen von allen Aststellen befreit (Abb. 11b). So vorbereitet kommen die Holzblöcke in die Schleifmaschinen, in denen sie, auf schnell laufenden Sandsteinen unter kräftiger Beigabe von Wasser faserig zerschliffen, in den sogenannten Holzschliff verwandelt werden. (Abb. 12) Der Holzschliff enthält noch nebeneinander Zellulosefasern und Ligninkrusten. Er wird vielfach ohne weitere Behandlung zur Herstellung von Papieren benutzt. Da aber die Lignine unter dem Einfluss von Luft und Licht starke Veränderungen erfahren, insbesondere dunkel und brüchig werden, so erfreuen sich diese Holz- und Strohpapiere
2.4 Kurzer Überblick zur Geschichte des Papiers
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Abb. 2.8 a Die Herrichtung des Holzes für die Zellulosefabrik, b Die weitere Verarbeitung des Holzes für die Zellulosefabrikation
eines recht schlechten Rufes. Etwas anderes ist es dagegen mit Papieren aus reiner Holzzellulose. Diese sind den besten Lumpenpapieren vollkommen ebenbürtig und dürfen nicht mit den Holzschliffpapieren verwechselt werden. [7]
Die in der Abb. 2.9 dargestellte Zelluloseschleifmaschine wird wie folgt beschrieben:
Abb. 2.9 Zelluloseschleifmaschine
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2 Aus der Geschichte des Buches Die Maschine besitzt einen großen durch motorische Kraft angetriebenen Schleifstein (Sandsteine), um den strahlenförmig die einzelnen Holzkammern angeordnet sind. Die in die Kammern gebrachten Holzblöcke werden unter gleichzeitiger Zugabe von Wasser durch kräftige Stahlfedern gegen den rotierenden Stein gepreßt und in feinste Fäserchen zerschliffen. [7]
Es folgt die Beschreibung des Sulfit-Zellstoff-Verfahrens: Die weitere Verarbeitung des Holzschliffes oder des fein gehäckselten Strohs erfolgt nun durch Kochen in druckfesten Gefäßen, wobei dem Wasser solche Chemikalien zugesetzt werden, welche die Verunreinigungen lösen und die Zellulose selbst nach Möglichkeit unverändert lassen. Hierbei ist der Umstand vorteilhaft, daß Zellulose selbst in den meisten Stoffen nicht löslich ist. Von den vielen in der Praxis benutzten Stoffen und Verfahren mag hier nur das Sulfitverfahren genannt werden. Die Zellulosefabrik stellt sich dabei selbst eine möglichst konzentrierte Sulfitlauge her, indem sie schweflige Säure [Schwefeldioxid] durch eine Schicht von Kalksteinen strömen läßt, während diese gleichzeitig mit Wasser berieselt werden. Dabei treibt die schweflige Säure zunächst die Kohlensäure aus dem kohlensauren Kalk. Da nun aber schweflige Säure im Überschuß vorhanden ist, so geht die Reaktion weiter, und aus dem neutralen, schwer löslichen schwefligsauren Kalk bildet sich saurer, leicht löslicher schwefligsaurer Kalk [als Calciumhydrogensulfit], der mit dem Wasser zusammen die Sulfitlauge ergibt. Weiterhin wird nun diese Sulfitlauge mit dem Holzschliff zusammen in den druckfesten Kocher gebracht, wobei man etwa 2 Kubikmeter Lauge auf 1 Kubikmeter Holzschliff rechnet. Danach folgt das Kochen, indem man mittelst der eingebauten Dampfheizschlangen den Inhalt des ganzen Kochers möglichst schnell auf eine Temperatur von 110 Grad bringt und dann möglichst gleichmäßig etwa 12 Stunden hindurch auf dieser Höhe hält. Danach erfolgt eine allmähliche Steigerung bis auf 117 Grad, und in etwa 36–48 Stunden ist die Kochung beendet, d. h. sämtliche Lignine haben sich in der Lauge gelöst, und nur noch reine Zellulose ist in fester Form vorhanden. Es folgt die Entleerung des Kessels, die Trennung der Lauge von der Zellulose und eine gründliche Spülung dieser letzteren, an die sich eine Durcharbeitung in einem Stampfwerk unter weiterer kräftiger Spülung anschließt. Nach diesem Verfahren kann die nasse, reine Zellulose sofort für die Papierfabrikation verwendet werden … [7]
2.5 Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern im 15. Jahrhundert Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern durch Johann Gutenberg (1400–1468) um 1450 stellte einen bedeutenden Einschnitt in der Geschichte des Buches dar. Die Geschichte des Buches als größeres Schrift- oder Druckwerk aus miteinander verbundenen, in einen Einband eingefügten einzelnen Blättern beginnt jedoch außerhalb Europas schon viel früher. Die Buchdruckerkunst, d. h. die typographische oder die Kunst, mit einzeln beweglicher, aus Metall gegossener Schrift (Typen oder Lettern) zu drucken, ist ihrer Gemeinnützigkeit wegen eine der wichtigsten
2.5 Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern im 15. Jahrhundert
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Erfindungen des menschlichen Geistes. Sie ging zunächst aus der Xylographie oder Holzschneidekunst hervor … [8]
Drucklettern aus Holz wurden bereits im 8./9. Jahrhundert für koreanische Drucke verwendet. Aus dem Jahr 868 stammt die erste Druckversion des Diamant-Sutra (Texte des Mahayana-Buddhismus) mittels Holztafeldruck. Dazu wurden die Zeichen spiegelverkehrt in einen Holzstock geschnitten, das umgebende Holz entfernt. Die dadurch entstandenen erhabenen Linien wurden eingefärbt und auf Papier übertragen. Dieses klassische Holzdruckverfahren wurde in China bis in das 19. Jahrhundert angewendet. 1974 wurde bei einer Grabung in Xi’an (Ort der berühmten Terrakotta-Armee) ein auf Hanfpapier gedrucktes Dharani-Sutra (magische Texte) aus der Zeit um 660 als wohl frühestes Beispiel eines Blockdrucks entdeckt. Vereinzelte Drucke mit bereits beweglichen Lettern (aus Holz und auch Metall) sind aus Ostasien (China und vor allem aus Korea) etwa seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar. In der Französischen Nationalbibliothek wird ein Druckwerk, mit Metalllettern hergestellt, aus einem koreanischen Tempel von 1377 aufbewahrt, welches Predigten buddhistischer Weiser enthält. In der Bayerischen Staatsbibliothek befindet sich ein mit Tonlettern gedruckter Arzneimittelkatalog aus dem Jahr 1433 aus der Regierungszeit des koreanischen Königs Sejong (1397–1450). Johann Gutenberg (eigentl. Gensfleisch), s. Abb. 2.10, begann bereits 1436 in Straßburg, ab 1440 in Mainz, mit Versuchen, einzelne und gleichgestaltete, beliebig zusammensetzbare Bleilettern zu verwenden. Das beschriebene Verfahren des Abdruckens von Holzdruckstöcken auf Papier war auch in Europa seit dem späten 14. Jahrhundert bekannt. Gutenbergs Konzept bestand darin, jeden Text in seine Einzelelemente, also in Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen zu zerlegen.
Abb. 2.10 Johann Gutenberg (Kupferstich André Thevets 1584)
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2 Aus der Geschichte des Buches Es ging darum, ein Verfahren zu finden, das eine Mengenproduktion dieser Elemente ermöglichte, einen einwandfreien Druck der daraus zusammengesetzten Texte und eine Wiederverwendung der Elemente, die nicht nur material-, sondern auch platzsparend sein sollte. [9]
Die Einzelschritte des neuen Druckverfahrens lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die einzelnen Buchstaben und Zeichen, Figuren genannt, in Größe und Stil einheitlich, wurden in ein hartes Metall (Stahl) graviert. So entstand ein Stempel, der in ein weiches Metall abgeschlagen, d. h. senkrecht eingetieft werden konnte. Es entstand somit zunächst eine Negativform, die Matrize, aus einem rechteckigen Körper (z. B. aus Kupfer oder einem anderen weichen Metall). Entscheidend für eine Mengenfertigung war dann die Entwicklung eines Handgießgerätes. Es bestand aus einer Hohlform aus Metall mit Holzbacken und aus zwei Teilen, in die die Matrize eingelegt werden konnte. In die Öffnung dieses Gerätes wurde das Gießmetall, eine Legierung aus Blei, Zinn und weiteren Zusätzen wie Antimon eingegossen. Die Legierung erstarrte, die entstandene Letter wurde aus dem Gerät entnommen, der Angusszapfen entfernt und in einen Setzkasten abgelegt. Im bereits zitierten „Volks-Brockhaus“ [8] wird der Beginn des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Gutenberg anschaulich und ausführlich beschrieben: … es (ist) erwiesen, daß Joh. Gutenberg (…) schon 1436 in Straßburg ein Druckerzeug mit einer Presse besaß, die ihm nach seiner Angabe ein gewisser Konrad Sasbach gebaut hatte und daß er dort schon 1442 Druckversuche mit einzeln geschnittenen, beweglichen Lettern machte. Seine Mittel waren jedoch zur Ausführung seiner Erfindung im Großen nicht hinreichend, so kehrte er 1445 in seine Vaterstadt Mainz zurück, wo er jedoch anfänglich mit denselben Hindernissen zu kämpfen hatte, vielleicht hauptsächlich darum, weil er seine Pläne keinem Zweiten offenbaren wollte. Endlich wandte er sich aber an einen reichen Mainzer Goldschmidt, Joh. Fust oder Faust [um 1400–1466], welcher ihm auch Geld vorschoß, aber als ein sehr gewinnsüchtiger Mann sich nicht blos ansehnliche Zinsen, sondern auch Antheil am Gewinn ausbedingte und sich Gutenbergs Druckerzeug verpfänden ließ. Allein dieser erste Vorschuß reichte auch nicht dazu hin, die Einrichtungen zu dem beabsichtigten Drucke der lat. Bibel zu treffen und Faust verstand sich nur unter der Bedingung zu einem zweiten, daß Gutenberg ihn als völligen Theilhaber seiner Druckerei anerkenne, doch sollte ihm für die Leitung derselben 300 Gulden jährlicher Gehalt verbleiben. Beide traten demgemäß 1449 zu einer typographischen Gesellschaft zusammen, in welche einige Jahre später auch Peter Schöffer [um 1425–1503] von Gernsheim als vielgereister und mit großem Erfindungstalent begabter Mann aufgenommen wurde, den Faust noch dadurch zu fesseln suchte, daß er ihm seine einzige Tochter zur Frau gab. Wer von ihnen zuerst darauf kam, die geschnittenen Lettern durch gegossene zu ersetzen, ist ungewiß, das älteste in Mainz von ihnen damit gedruckte größere Werk ist jedoch die um 1459 vollendete sogenannte Gutenberg’sche lat. Bibel … [8]
Die Tätigkeit eines Druckers der Frühzeit, vgl. dazu Abb. 2.11 und 2.12, wird ebenfalls unter dem Stichwort Buchdruckerkunst im Brockhaus beschrieben (der Autor konnte in der Mitte der 1950er-Jahre diese Tätigkeiten an einem Tag der offenen Tür in der Druckerei seiner Heimatzeitung, der Schaumburger Zeitung in Rinteln an der Weser, neben den Druckmaschinen noch kennenlernen):
2.5 Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern im 15. Jahrhundert … die blos durch lange Übung erreichbare außerordentliche Fertigkeit der Arbeiter macht die Leichtigkeit begreiflich, mit welcher diese hochwichtige und schwierige Kunst jetzt ausgeübt wird. Sie zerfällt zunächst in zwei Haupttheile, nämlich in das Setzen und das Drucken, daher auch die in einer Buchdruckerei thätigen Personen entweder Setzer oder Drucker sind. Dem Setzer liegt das, große Übung und Aufmerksamkeit erfordernde Geschäft ob, die Formen der abzudruckenden Bogen so vollständig vorzubereiten, daß sie unmittelbar in die Presse genommen werden können. Er muß demnach zuerst den Inhalt jedes Bogens aus den gegossenen Buchstaben, den Lettern oder Typen zusammensetzen, welche der schräg aufgestellte Schriftkasten enthält, vor welchem der Setzer steht. In den 108 bis 148 Fächern desselben sind alle Buchstaben, Zahlen und andere bei deutschen und lat. Schriftgattungen gebräuchlichen Zeichen nicht nach der Reihenfolge, sondern so vertheilt, daß die am meisten vorkommenden in die größten und dem Setzer nächsten Fächer, und die übrigen in demselben Verhältnisse mehr oder weniger entfernt, die Anfangsbuchstaben oder sogenannten Versalien aber in die obersten Reihen zu liegen kommen. Die Handschrift oder überhaupt die Blätter, welche abgesetzt werden sollen,
Abb. 2.11 Offizin um 1520 – rechts: Schriftsetzer, Mitte Drucker an der Spindelpresse
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2 Aus der Geschichte des Buches
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Abb. 2.12 Setzer mit Winkelhaken werden mittels einer langen hölzernen Klammer, des Zeilenweisers, auf dem Tenakel oder Blatthalter befestigt, der aus einer dünnen Holzleiste besteht und mit einer Stahlspitze unter versehen ist, um nach des Setzers Bequemlichkeit auf den Schriftkasten gesteckt werden zu können. Die Blicke meist auf die Handschrift gerichtet, wählt nun der Setzer nach den Worten derselben die Buchstaben aus den verschiedenen Fächern, welche er mit derselben Fertigkeit zu finden weiß, wie ein Clavierspieler die Tasten seines Instruments, und sammelt sie in dem hier abgebildeten Winkelhaken, welchen er in der linken Hand hält. [8] Dieser besteht aus einem messingenen, an zwei Seiten rechtwinklig mit hohem Rande versehenen Lineale, an dem ein hin und her beweglicher und durch eine Schraube festzustellender Schieber zu gleichmäßiger Bezeichnung des Raumes angebracht ist, den die Zeilen eines Buchs in der Breite einnehmen sollen. Die Buchstaben kommen im Winkelhaken mit den Köpfen nach oben zu stehen und der Setzer sieht oder fühlt an den Signatur, d. h. an der an jedem Buchstaben befindlichen Kerbe, ob derselbe richtig gestellt ist. Alle weißen Stellen einer bedruckten Seite müssen im Satze ebenfalls ausgefüllt werden, was mit den Spatien oder Quadraten geschieht, welche auch aus Schriftmasse gegossen, allein kürzer als die Buchstaben sind, damit sie nicht abdrucken können. Ist der Winkelhaken durch mehrere Zeilen angefüllt, so bringt sie der Setzer aus demselben in das Schiff, ein auf drei Seiten mit erhöhten Leisten versehenes Bret(t). Ist eine Columne im Schiffe fertig geworden, so wird sie mit starkem Bindefaden mehrmals fest umwunden und aus dem Schiffe auf das Setzbret(t) gebracht, welches ein gewöhnliches Bret(t) ist
2.5 Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern im 15. Jahrhundert
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und auf zwei Leisten ruht, um es bequem anfassen und mehre übereinander stellen zu können. Sind so viele Seiten gesetzt, als zu einem Bogen je nach dem Format der Bücher erforderlich sind, (…), so werden auf dem Setzbret(t)e die Formen, eine für jede Seite eines Bogens, gebildet. Man füllt zu dem Ende zwischen den Columnen so viel Raum mit hölzernen oder metallenen Stegen aus, als die Größe des zu bedruckenden Papierbogens erlaubt und schließt das Ganze in eiserne Rahmen ein, in denen entweder durch an zwei Seiten angebrachte Schrauben oder durch Keile die Stege und der Satz in der gehörigen Lage befestigt werden. Hierauf werden einige Probe- oder Correcturabdrücke genommen, welche der Corrector oder ein anderer Sachverständiger sorgfältig überliest und am Rande die aufgefundenen Fehler und ihre Verbesserungen meist durch allgemein eingeführte Zeichen bemerkt. Der Setzer besorgt hiernach die nöthigen Änderungen, wobei er die Form aufschließen und den Satz locker machen muß, um die unrechten Schriftzeichen ausheben und richtige dafür einsetzen zu können. Ist dies Alles mit möglichster Genauigkeit geschehen und die Form wieder geschlossen worden, so erhält sie endlich der Drucker, hebt gewöhnlich zuerst die Schöndrucksform mit der ersten Seite des Bogens, später die andere oder Wiederdrucksform in die Presse ein und richtet sie zu, d. h. er gibt ihr die dem Papier angemessene richtige Lage, in der sie unbeweglich befestigt wird. Bei einer Presse sind regelmäßig zwei Arbeiter angestellt, von denen einer sonst mit den Druckerballen, an deren Stelle jetzt um ihre Achse drehbare Walzen getreten sind, die aus Leinölfirniß und Kienruß bereitete Farbe oder Buchdruckerschwärze auf die Form aufträgt, während der andere in den offenen Deckel (g) einen weißen, wegen besserer Annahme der Farbe angefeuchteten Bogen legt und mit einem Rähmchen (h) festhält, welches ihn nur an den zu bedruckenden Stellen mit der Form in Berührung kommen läßt und der Beschmuzung durch die von Farbe nicht rein zu haltenden Stege schützt. Der Deckel wird dann auf die Form gelegt (k) und diese mit dem leicht beweglichen Theile der Presse, in welchem sie ruht und welcher der Karren heißt, halb unter die Preßplatte oder den Tiegel (m) gebracht. Diese wird, indem der Arbeiter mit der rechten Hand den Preßbengel mit aller Kraft an sich zieht, herabgedrückt, dadurch die halbe Form abgedruckt, der Preßbengel dann wieder zurückgeführt, die andere Hälfte der Form untergeschoben und auf dieselbe Weise gedruckt. Hierauf wird der Karren wieder hervorgezogen, der auf der einen Seite bedrucket Bogen herausgenommen und dies so oft wiederholt, als Abdrücke von einer Form gebraucht werden. Auf gleiche Weise wird die andere Seite des Bogens bedruckt, die Formen aber werden nachher sorgfältig gereinigt und dann vom Setzer abgelegt, d. h. wieder in die Fächer des Schriftkastens vertheilt. [8]
In der Abb. 2.13 wird eine historische Buchdruckpresse anschaulich dargestellt. Sowohl das Gutenberg-Museum Mainz als auch das Museum Plantin-Moretus Prentekabinet in Antwerpen vermitteln Einblicke in die frühe Buchdruckkunst. In Mainz findet der Besucher eine rekonstruierte Gutenberg-Werkstatt (mit Vorführungen) und Exponate wie Frühdrucke (Inkunabeln), deutsche Bibeln, Landkarten, die schönsten Bücher von der Renaissance bis zum Rokoko, Exponate aus der Epoche der eisernen Druckerpressen (u. a. eine Columbia-Presse von 1824 sowie das Modell von Koenigs Hochdruck-Doppel-Schnellpresse 1814) und auch zu Papier sowie Kunst und Handwerk des Bucheinbandes. In Antwerpen befindet sich im genannten Museum, dessen gesamter Komplex in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen wurde, … eine alte und intakt gebliebene Druckerei, ein historisches Wohnhaus mitsamt seiner Einrichtung, die von einer berühmten und wohlhabenden Familie hinterlassen wurde, eine Kunstsammlung, eine prachtvolle Bibliothek, ein außergewöhnliches Firmen- und Familienarchiv und einen idyllischen Innenhof [10].
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2 Aus der Geschichte des Buches
Abb. 2.13 Buchdruckpresse, a gußeisernes Gestell, b hölzerner Untersatz, c Bengel, d Spindel (um die eigene Achse drehbar), e Hebel, f Pressspindel, g Hebel, h Rähmchen, k bewegliches Fundament, m Tiegel, n kürzerer Hebel (an der Pressschraube befestigt). © [8]
Der über drei Jahrhunderte bestehende Familienbetrieb wurde 1550 von dem französischen Gerber und Buchbinder Christoph Plantin (um 1520–1589) gegründet, der 1555 sein erstes Buch druckte und 1576 mit seinem Betrieb zum Vrijdagmarkt umzog. Sein Schwiegersohn Jan Moretus setzte die Tradition fort. Seit 1876 ist der Komplex zusammen mit einem Kupferstichkabinett ein Museum. In der Druckerei wurden neben religiösen Schriften auch aufwändige geistes- und naturwissenschaftliche Werke hergestellt. Zu sehen sind u. a. auch die beiden ältesten noch erhaltenen Druckerpressen (um 1600) aus Eichenholz und Metall.
2.6 Das Maschinenzeitalter und die Lesewut 1860 schrieb der Apotheker Theodor Gerding (1820–1874) in seiner V olks-Chemie [11] im Kapitel Buchdruckerkunst u. a.: „Erst nachdem man bewegliche Lettern aus Metall durch den Guß herstellen konnte, waren die größten Hindernisse beseitigt und die Buchdrucker konnten größere Unternehmungen beginnen“, worunter Gerding vor allem die Anwendung von Schnellpressenmaschinen versteht: „Eine wesentliche Vervollkommnung ist (…) die Erfindung der Schnellpressen, die dem Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts angehört; …“ [11].
2.6 Das Maschinenzeitalter und die Lesewut
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Neben den Schnellpressen war auch die Letterngießmaschine entwickelt worden: Ferner hat man sowohl zum Gießen großer, als auch kleiner Lettern sogenannte Gießpumpen eingeführt. In dem mit flüssigem Schriftzeug gefüllten Kessel steht eine kleine eiserne Druckpumpe, deren Kolben durch Druck der Hand auf einen Hebel niedersteigt, und durch ein Rohr mit Mundstück das Metall in das vorgehaltene gewöhnliche Gießinstrument spritzt. Die Pumpe ersetzt aber nur den Gießlöffel; alles Uebrige bleibt Handarbeit. Die vielfach benutzte Gießmaschine oder Letterngießmaschine besteht aus einer Verbindung der eben erwähnten Gießpumpe mit dem Gießinstrument in der Weise, daß Letzteres nicht mit der Hand bedient wird, sondern alle Bewegungen (das Pumpen, das Oeffnen und Schließen des Instruments, das Herauswerfen der gegossenen Lettern etc.) durch Theile des Mechanismus bewirkt wird … [12]
Gerding gibt auch die Zusammensetzung des sogenannten Schriftzeugs, der Legierungen für die Lettern an. 4 bis 5 Teile Blei auf 1 Teil Antimon; zu den feinsten Buchdrucklettern wohl nur 3, zu den größten 6–7, ja sogar 16 Thl. Blei auf 1 Thl. Antimon. Ein Zusatz von Eisen oder Kupfer (bis zu 5 %) vermehrt die Härte und Dauerhaftigkeit sehr. Um die Schmelzbarkeit zu erhöhen, setzt man auch wohl etwas Wismuth hinzu und nimmt dann z. B. 10 Thl. Blei, 2 Thl. Antimon und 1 Thl. Wismuth. In England hat man ein Gemisch von 3 Thl. Zinn und 1 Thl. Antimon mit 1-2 Thl. Blei als hartes aber auch freilich theures Letternmetall angewandt. [11]
Zu den verschiedensten Drucktechniken bzw. -verfahren gehört auch der Kupferstich, dessen Anfänge als Tiefdruck ebenfalls bereits im 15. Jahrhundert festzustellen sind. Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte Alois Sennefelder (1771–1834) den Steindruck als Flachdruck. Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Buchdrucks war auch die Stereotypie: Stereothypen nennt man die in Metall gemachten Abformungen ganzer aus gewöhnlichen Lettern gesetzter Seiten in dünne Platten von Schriftmetall, mit welche man dann ganz in derselben Art, wie sonst mit den aus beweglichen Schriften zusammengesetzten Drucktafeln drucken kann.
– 1804 von Lord Stanhope wieder entdeckt. Das Maschinenzeitalter ist ein kulturhistorischer Begriff. Er bezeichnet die Epoche der Industrialisierung, die auch für den Buchdruck und die Verbreitung von Büchern eine wesentliche Rolle spielte. Die zunehmende Technisierung führte u. a. zur Entwicklung der Schnellpresse durch Friedrich Koenig (1774– 1833, ab 1803 in Suhl) 1812, der Rotationsdruckmaschine 1846 in London (für die Times),1863 in New York und 1873 in Deutschland, der Offsetdruck 1905 in den USA und1907 durch Caspar Hermann (1871–1934) in Leipzig. Der Offsetdruck ist ein Flachdruckverfahren. Das Druckbild wird von einer Druckform zunächst auf einen mit einem Gummituch bespannten Zylinder und von diesem auf den Bedruckstoff (Papier) übertragen. 1893 wurde auch der Mehrfarbendruck eingeführt. Die Druckverfahren unserer Zeit wurden ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend von elektronischen Medien bestimmt.
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2 Aus der Geschichte des Buches
Abb. 2.14 Buchhändler – Buch als Ware (um 1700)
Mit dem Begriff Lesewut (auch Lesesucht) wird die im 18. Jahrhundert starke Zunahme sowohl des lesenden Publikums als auch der vom Einzelnen gelesenen Bücher bezeichnet. Vor der Entwicklung des Buches als preiswerte Massenware war das Lesen (und vor allem der Erwerb) von Büchern dem Adel und wohlhabenden Bürgertum vorbehalten. Mit den beschriebenen Entwicklungen im Maschinenzeitalter nahm die Zahl der produzierten Bücher zu und deren Preise nahmen ab. Im Zuge der Aufklärung nahm die Ehrfurcht vor dem Buch (das Lesen als religiöses oder literarisches Ereignis) ab. Das Buch wurde zum Kulturträger schlechthin, es diente der Kommunikation und der Erweiterung des moralischen und geistigen Horizonts. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts änderte sich das intensive Lesen sogar in ein extensives Lesen, in eine Lesewut. Das Leseverhalten wurde von einer Begierde nach immer neuer, abwechslungsreicher Lektüre nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur Information bestimmt. Vgl. hierzu Abb. 2.14.
Literatur
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Literatur 1. Brockhaus (1839) Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk. Ein Handbuch zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und zur Unterhaltung. Dritter Band M-R, Leipzig, S 397 2. Wolf U, Wolf T (2009) Wer schrieb was? Röntgenfluoreszenzanalyse am Autograph von J. S. Bachs Messe h-Moll BWV 232, in Bach-Jahrbuch Band 95, S 117–134 3. Brockhaus (1839) Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk. Ein Handbuch zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und zur Unterhaltung. In vier Bänden. Dritter Band M-R. Brockhaus, Leipzig, S 442 4. Schwedt G (1987) Chemie im Skriptorium der „Bibliotheca Palatina“. CLB Chemie für Labor und Betrieb 38(1): 19 und 20 5. Trost V (1986) Bibliotheca Palatina. Begleitheft zur Ausstellung. Scriptorium. Die Buchherstellung im Mittelalter, Heidelberger Bibliotheksschriften 25; s. auch im Haus der bayerischen Geschichte, Augsburg: Link Themen & Suche „Skriptorium – mittelalterliche Buchkunst“ (www.hdbg.de) 6. Schwedt G (2014) Kurzer Überblick zur Geschichte des Papiers in: Experimente zur Papierchemie. Von der Zellulose bis zum Zeitungspapier. Shaker, Aachen, S 2–7 7. Dominik H (1926) Das Buch der Chemie. Errungenschaften der Naturerkenntnis. Ullstein, Berlin, S 261–266 8. Brockhaus (1837) Buchdruckkunst in: Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk. Ein Handbuch zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und zur Unterhaltung, Bd 1. Brockhaus, Leipzig, S 340–345 9. Hanebutt-Benz E, Mittenzwei St (2001) Das Gutenberg-Museum Mainz. Ein Führer durch das Druck- und Schriftenmuseum. Mainz, S 9 10. De Rynck P (2009) Museum Plantin-Moretus Prentenkabinat. Museumsführer, Antwerpen 11. Gerding Th (1860) Illustrirte Volks-Chemie für Hausfrauen und Gewerbsleute. Allgemein verständlich und meist durch Recepte dargestellt. Hirzel, Frankfurt a. M., S 792–796 12. Brockhaus (1841) Buchdruckkunst in: Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk. Ein Handbuch zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und zur Unterhaltung, Bd 4. Brockhaus, Leipzig, S 288–290
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Die Materialien und ihre Eigenschaften
3.1 Beschreibstoffe: Vom Papyrus und Pergament bis zum Papier 3.1.1 Papyrus Faserstruktur und die Klebefähigkeit des Pflanzensaftes sind die Eigenschaften, welche Papyrus zu einem Beschreibstoff gemacht haben – s. auch Abschn. 2.1 „Aus der Geschichte des Buches“. In der Zeit der Pharaonen war die Herstellung von Schreibmaterial ein staatliches Monopol – den Namen Papyrus haben die Griechen von dem ägyptischen Wort „papuro“ (der Königliche bzw. „das des Pharaos“ zur Zeit der Ptolemäer unter königlichem Monopol) abgeleitet. Durch die Griechen und Römer kam Papyrus im 4. Jahrhundert v. Chr. auch nach Europa und war bis zum 2. Jahrhundert hier verbreitet, bis es vom Pergament verdrängt wurde. In Ägypten reichte die Zeit der Papyrusherstellung bis etwa 640 n. Chr.; danach ging das Wissen der Papyrusherstellung offensichtlich verloren und die Verbreitung der Pflanzen selbst war stark rückläufig. Zur Beschriftung von Papyrus wurde schwarze oder rote Farbe verwendet. Die schwarze Farbe bestand aus Ruß und einer Lösung von Gummi arabicum (Pflanzensaft von Akazienbäumen, z. B. Gummiarabikumbaum (Senegalia senegal) oder der Arabischen Gummi-Akazie (Vachellia nilotica). Die rote Farbe enthält in der Regel Ocker, das von Gelb durch Erhitzen zu einem roten Pigment (gebrannter Ocker; Dehydration verschiedener Eisenoxide) umgewandelt wurde. Als Schreibgeräte wurden Pinsel aus Binsen, in griechisch-römischer Zeit auch Schreibrohr (lat. calamus) verwendet, und zwar bevorzugt parallel zur Faserrichtung (recto), zur Längsseite der Papyrusbahn. In einer Schriftrolle ist diese die Innenseite. Die Klebekraft des Saftes ist auf den Stärkegehalt bzw. hochmolekulare (dickflüssige) Schleimstoffe (Mucilagines bzw. Gummiharze) und durch das Klopfen der Streifen (u. a. Verkleisterung durch Erwärmen) zurückzuführen. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Schwedt, Grundlagen der Buchrestaurierung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61124-1_3
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3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
Papyrus ist gegen mechanische Beanspruchung, Feuchtigkeit und auch Wurmfraß empfindlich. In trockenem (Wüsten-)Klima ist jedoch Papyrus über Jahrhunderte gut erhalten geblieben. Die Ägypter haben auch Zedernöl als natürliches Insektizid verwendet. Gleichzeitig wurde durch diesen Zusatz auch die Hygroskopie des Beschreibmaterials verringert, andererseits sind spätere Bräunungen auf oxidierbare Inhaltsstoffe (Terpene) des Öles zurückzuführen, s. hierzu Abb. 3.1.
3.1.2 Pergament „Pergament heißt nach Art der Weißgerberei, also ohne Lohe gahr gemachtes und nachher durch eigenthümliche Behandlung für die verschiedenen Gebrauchszwecke mehr oder weniger glatt und steif hergestelltes Leder (…).“ – s. ausführliches Zitat im Kap. „Vom Pergament-Codex im Mittelalter“ [1]. „Pergament (…), Beschreibstoff aus enthaarten, geglätteten, häufig mit Kreideschlamm behandelten, ungegerbten Tierhäuten (Schaf-, Ziegen-, Kalbfelle), die unter Spannung getrocknet werden; durchscheinend oder lichtundurchlässig. (….) [2]. In der ersten Definition ist auch der Begriff Weißgerberei, also Leder, enthalten. Die zweite Definition verwendet die Bezeichnung Tierhaut. Ausgehend von der Tierhaut als Rohhaut, die aus der Lederhaut und der Oberhaut (Epidermis) besteht, lässt sich die Herstellung von Pergament wie folgt beschreiben: Mithilfe von Kalkmilch (Äschern) wird die Rohhaut von der wasserreichen Schicht I der Oberhaut (s. Abb. 3.2) und mithilfe eines Haarmessers von der Schicht II zusammen mit den Haaren entfernt. Durch das Calciumhydroxid
Abb. 3.1 Struktur von Papyrus
3.1 Beschreibstoffe: Vom Papyrus und Pergament bis zum Papier
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Abb. 3.2 Querschnitt durch die Haut
(Ätzkalk) erfolgt eine hydrolytische Spaltung der sogenannten Präkeratine in der basalen Zellschicht der Epidermis. Keratine sind Skleroproteine, d. h. Gerüsteiweißstoffe bzw. Faserproteine, einfache fibrilläre Eiweiße. Die ungegerbte Lederhaut, die Blöße, ist somit die von der Oberhaut und dem Unterhautbindegewebe befreite Tierhaut – mit 60 bis 80 % Wasser und Fett und dem Rest mit 98 % an Kollagen. Kollagene gehören ebenfalls zu den Skleroproteinen; sie gehen bei längerem Kochen in Wasser in Lösung und bilden einen kolloidal löslichen Leim, der beim Erkalten erstarrt – die sogenannte Gelatine. Sie sind aus Polypeptidketten aufgebaut, die nur geringe Abweichungen bei verschiedenen Tierarten aufweisen. Diese Polypeptidketten sind in Dreiergruppen in Form einer alpha-Helix (Tripelhelix) umeinander gewunden. Die Kollagenmoleküle, wiederum zu Fünfergruppen, zu zentrisch orientierten Bündeln, lateral (seitlich) zusammengelagert, werden als Primärfilamente bezeichnet. Diese bilden schließlich größere Fibrillen. Bei einem Durchmesser von mehr als 20 nm wird ein charakteristisches Querstreifenmuster sichtbar [3]. Nach Otto Wächter [4] sind die wichtigsten, hier detailliert beschriebenen Vorgänge, als Arbeitsgänge wie folgt zu benennen: das Enthaaren, das „Äschern“ im Kalk zur Verseifung des Naturfettgehaltes, das Spannen und Schaben. Westliche Pergamenter hätten die Haut mit Bimsstein und Kreide gerieben. Dadurch entstand eine samtige, matte Oberfläche, die auch eine bessere Adsorption von Pigmenten der Miniaturmalerei und von Tinten ermöglichte. Griechische Pergamenter erzeugten einen natürlichen Glanz durch die Verwendung von Eiklar und durch eine Leinölzugabe als Grundierung, um Farben dick auftragen zu können. Durch die Grundierung wurde die Adhäsion der Farben wesentlich erhöht und ein Abblättern verhindert. Da Pergament ein kostbarer Beschreibstoff war, schabte man ihn auch, wenn die Texte nicht mehr benötigt wurden. Danach wurden sie neu beschriftet; es entstanden sogenannte Palimpseste. Mithilfe von Fluoreszenzlampen lassen sich abgeschabte Texte meist wieder lesen. Trotz der beschriebenen Behandlungsverfahren bleibt Pergament hygroskopisch. Infolge der Äscherung sind sie auch leicht alkalisch. Tintenfraß (Säureeinfluss) spielt somit keine Rolle.
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3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
3.1.3 Papier Papier besteht im Wesentlichen aus Fasern pflanzlicher Herkunft (aus Zellstoff = Cellulose, aus Holz, Stroh oder Baumwolle) und stellt einen flächigen Werk- bzw. Beschreibstoff dar. Zur Schreibweise von Z(C)ellulose: In der gemeinsprachlichen Schreibweise wird sie Zellulose, in der Fachsprache Cellulose geschrieben. Im Folgenden wird (außer bei Zitaten) einheitlich die Schreibweise Cellulose verwendet. Ein Papiervlies (Vlies als Faserschicht) ist aus Cellulosefasern aufgebaut – bei einem gewöhnlichen Bogen Schreibpapier sind es bis zu einer Million solcher Fasern pro Gramm flächenbezogener Masse, die so miteinander verfilzt sind, dass Papier (auch noch in feuchtem Zustand) eine hohe Festigkeit und Flexibilität aufweist. Die Grundlagen der Papierchemie beruhen somit vor allem auf den Eigenschaften der Cellulose – s. in [5]. In den Cellulose sind im Unterschied zur Stärke die D-Glucosemoleküle β(1,4)- und nicht α(1,4)-glucosidisch verknüpft. Dadurch entsteht keine Helixstruktur (Stärke), sondern es bilden sich wegen der wechselnden räumlichen Anordnung der Sauerstoffbrücken lange Ketten, die zu Bündeln vereinigt sind. Die Kettenmoleküle der Cellulose bilden miteinander Mizellen, d. h. Molekülbündel, aus denen sich dann die Fibrillen und aus diesen schließlich die Cellulosefasern aufbauen. Native Cellulosen weisen unterschiedliche Polymerisationsgrade auf – mit folgenden Mindestpolymerisationsgraden (n) nach der Summenformel (C6H10O5)n: Baumwolle 7700 – Holzcellulose >3000 – Papierzellstoffe 600–1600. Cellulose lässt sind in Fraktionen einteilen: Kurzkettige Anteile lösen sich in verdünnten Laugen – wie die β-Cellulose, die aus Natronlauge mit Essigsäure wieder ausgefällt werden kann, und die γ-Cellulose, die jedoch nicht mit Essigsäure fällbar ist. α-Cellulose dagegen ist alkaliresistent (Beispiel Baumwolle), vgl. auch Abb. 3.3. Cellulose quillt in 17,3 %iger Natronlauge stark auf – der Vorgang wird als Alkoholat-Bildung bezeichnet. In der Papiertechnologie wird auch der Begriff der Hydratcellulose verwendet. Sie weist eine Veränderung in der Stellung der Celluloseketten im Gitter auf sowie auch einen mehr oder weniger starken Abbau der Cellulosemoleküle, und sie entsteht u. a. durch eine Quetschmahlung (als amorphe Cellulose) und bei der Verwendung starker Laugen. Die verholzten Zellwände von Laub- und Nadelhölzern weisen folgende Bestandteile auf: Cellulose (42–51 %), Hemicellulose (24–40 %), Lignin (18–30 %), löslicher Extraktstoffe (2–10 %) und Mineralstoffe (0,2–0,8 %). Lignin ist eine hochmolekulare aromatische Substanz, die sich in den Räumen zwischen den Zellmembranen befindet. An Lignin sind auch andere Polysaccharide (Polyosen) gebunden, s. hierzu Abb. 3.4. Hemicellulosen sind Gemische aus die Cellulose begleitenden Kohlenhydraten (Polysacchariden). Sie lösen sich zum größten Teil in Laugen und sind durch verdünnte Säure hydrolysierbar. Sie sind einerseits die Begleitstoffe der nativen Cellulose, entstehen andererseits aber auch beim Holzaufschluss – als sekundäre
3.1 Beschreibstoffe: Vom Papyrus und Pergament bis zum Papier
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Abb. 3.3 Vergleich der Bindungen in Stärke (a) und Cellulose (b)
Hemicellulosen. Sie sind schließlich an der Blattfestigkeit des Papiers wesentlich beteiligt, da ihre Hydroxygruppen Wasserstoffbrücken bilden können. Wasser spielt bei der Papierherstellung ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Festigkeit von Papier entsteht zunächst durch die physikalischen Anziehungskräfte der Fasern. Ganz wesentlich ist jedoch auch die chemische Bindung zwischen Wasser und Cellulose. Bereits in der Fasersuspension entsteht eine lockere Bindung zwischen OH-Gruppen und Wassermolekülen über Wasserstoffbrücken-Bindungen. Beim Trocknen sind am Ende des Vorgangs die Cellulosemoleküle nur noch durch eine monomolekulare Wasserschicht voneinander getrennt – es entsteht ein reißverschlussartiges System von Wasserstoffbrücken. Ein großer Anteil der Papierfestigkeit ist auf dieses System zurückzuführen. Nimmt Papier wieder Wasser auf, so lösen sich diese Bindungen – es handelt sich somit um einen reversiblen Vorgang (Sehr ausführlich werden diese vereinfacht dargestellten Vorgänge und Eigenschaften der Papierherstellung bzw. der Cellulose und des Papiers in [6] beschrieben). Über einige konservatorische Aspekte berichtet auch Otto Wächter [4]: Im Hinblick auf das Zerkleinern bei der Papierherstellung weist auf er auf Rostflecke durch rostige Eisenpartikel hin; vielleicht habe sich unter den Lumpen ein rostiger Nagel befunden. Aber auch Holzhämmer der Stampfwerke seien meist mit Eisennägeln beschlagen worden. Und zum eigentlichen Schöpfvorgang merkt er an, dass dieser entscheidend für die Dauerhaftigkeit des Papiers sei. In der wässrigen Suspension quellen die Faser, und unter dem Mikroskop könne man
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3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
Abb. 3.4 Struktur der Lignine
Rauigkeiten an der Oberfläche der Faser erkennen. Beim Entwässern würden sich diese Rauigkeiten an den Kreuzungspunkten der Fasern fixieren, wodurch ein stabiles Gerüst entstehe – die chemische Erklärung s. o. –, und dem Schütteln während des Entwässerns komme somit eine entscheidende Bedeutung zu. Alten, brüchigen Papieren könne man durch Wässerungs- und Schwenkprozesse diese Verfestigung restauratorisch wieder vermitteln, so dass auch ungeleimte Blätter ursprünglich schon eine hohe Festigkeit aufwiesen. In der Buchrestaurierung wird häufig Japanpapier verwendet. Es handelt sich um ein handgeschöpftes, durchscheinendes Papier aus Japan, das auch als Reispapier bezeichnet wird, obwohl es nicht aus Reispflanzen hergestellt wird. In der Buchrestaurierung wird es zum Ausgleich von Lücken und Fehlstellen eingesetzt. Japanpapier wird aus Bastfasern von Gehölzen niedriger Wuchshöhe hergestellt, u. a. vom Papierbaum (Gampi, Pflanzenart aus der Gattung Seidelbast) oder Papiermaulbeerbaum (Kozo, Broussonetia papyrifera, auch japanischer Papierbaum genannt, und Mitsumata, Edgeworthia chrysantha, ebenfalls ein Seidelbastgewächs). Gampi wächst nur in einem milden Klima und die Fasern ergeben ein beständiges Papier. Kozo wird im Unterschied zu Gampi häufig angebaut;
3.1 Beschreibstoffe: Vom Papyrus und Pergament bis zum Papier
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die Papiere aus deren Fasern sind sehr zäh. Papiere mit feiner Faserung und von besonderer Weichheit werden aus Mitsumata hergestellt.
Papierleimung Leimen in der Papiermacherei bedeutet Hydrophobierung, wozu man früher Tierleim verwendete – daher auch der Fachausdruck. Papier ist infolge des hydrophilen Charakters der Cellulose, der Porosität der Cellulosefasern und das kapillaren Hohlraumnetzwerks im Faservlies sehr saugfähig, s. hierzu auch Abb. 3.5. Heute verwendet man z. B. modifizierte Baumharze, Polyacrylate, Polyurethane und langkettige Ketenderivate. Es wird zwischen Masse- und Oberflächenleimung unterschieden. Bei der Masseleimung werden die Stoffe der wässrigen Suspension der Papierrohstoffe, also vor der Blattbildung, zugesetzt. Bei der Oberflächenleimung werden sie auf das fertige Papier aufgebracht. Als Beispiel für einen makromolekularen Leimstoff sei auch die Gelatine genannt [7]. Im Hinblick auf die Restaurierung alter Papiere (d. h. aus der Zeit vor 1900) vermittelt eine ausführliche Darstellung zum Leimen von Papier aus dem Buch Die Chemie im täglichen Leben [8] wesentliche Details: Um ihm [dem Papier] eine größere Festigkeit zu erteilen und sein Aufsaugevermögen aufzuheben, wird es deshalb geleimt, wie der Ausdruck lautet, der den Vorgang nicht ganz richtig bezeichnet; denn wenn man Leim einfach dem so wasserreichen Papierbrei zusetzte, müßte er ja im Wasser gelöst bleiben, und nur ein unbedeutender Rest davon könnte im schließlichen Papier zur Wirkung kommen. Setzt man aber außer Leim dem Papierbrei noch Alaun zu, so ändert sich der Vorgang. (…) Die Faser hält Thonerde [Aluminiumoxid – Vergleich zur Alaungerbung] fest, und diese ihrerseits bindet den Leim. Kommt also der Papierbrei, nachdem ihm diese beiden Stoffe zugesetzt sind, auf
Abb. 3.5 Tinte auf ungeleimtem und geleimtem Papier
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3 Die Materialien und ihre Eigenschaften das Sieb, so läuft das Wasser nach wie vor ab, aber in den Fäserchen steckt der durch Thonerde festgehaltene Leim, und trocknet man solches Papier, so verkleben die Fäserchen miteinander. Jetzt kann man darauf auch schreiben, weil die Fasern ihre Aufsaugfähigkeit verloren haben. Die darin steckende wasserunlösliche Leimung macht das Papier nun auch gegen das Naßwerden unempfindlich.[8]
Und chemische Einzelheiten werden auch im Text zum Papier aus Lumpen (Baumwolle) beschrieben: Um die Lumpen in Papierbrei zu verwandeln, stampft man sie nun heute nicht mehr nach kurzem Faulen, sondern, nachdem man die die Zellulose inkrustierenden Substanzen durch Kochen mit einem starken Alkali [Natronlauge] möglichst gelöst hat, kommen sie in einen länglichen Trog, in dem sich eine mit Messern besetzte Walze dreht. (…) Man bezeichnet einen derartigen Apparat als Holländer, und indem darin die Walze durch mechanische Kraft gedreht wird, werden die gekochten Lumpen allmählich völlig zerkleinert und mit dem Messer zu einem Brei vermahlen. Der Brei wird mit Chlorkalk gebleicht und dann durch Antichlor [= Natriumthiosulfat] jede schädigende Wirkung des Bleichmittels aufgehoben. Hierauf wird die Leimung vorgenommen. Aber bei der Herstellung des Maschinenpapiers kommt eigentlicher Leim gar nicht mehr zur Verwendung. Man löst vielmehr geeignete Harze, wie Kolophonium, die weit billiger als Leim sind, durch Kochen mit Natronlauge in Wasser als harzsaures Natron und setzt die Lösung sowie den Alaun dem Brei zu. Die Thonerde wird auch hier von der Zellulose festgehalten. Sie bindet wiederum die Harzbestandteile, die die Fasern im Papier zusammenkleben und es für Schreibzwecke brauchbar machen.[8]
Otto Wächter weist in diesem Zusammenhang auf folgende Papierschädigungen hin: Die Alaunbehandlung, seit Beginn des 19. Jh. üblich, kann zur Bildung von Schwefelsäure im Papier führen. Alaunzusatz kann mit dem bei der Bleiche verwendeten Chlorkalk zur Bildung von Salzsäure führen. Unsachgemäße Chlorbleiche (industriell ist die Bleiche mit Chlorkalk seit Ende des 18. Jh. aktuell) kann die Papierfasern durch Zerbrechen der Langkettenmoleküle schädigen (depolymerisieren), wenn der Chlorkalk nach der Bleiche nicht entsprechend entfernt wurde.[4]
Papieralterung Ergebnisse einer Papieralterung sind die Abnahme der Festigkeit und eine Verfärbung. Die Abbaumechanismen sind: a) chemisch: saure Hydrolyse, alkalische Abbaureaktionen, Oxidation; b) biologisch: enzymatische Hydrolyse durch Mikroorganismen; c) physikalisch: mechanische Beanspruchungen. Wasser kommt bei den physikalisch-chemischen Vorgängen eine Schlüsselrolle zu, denn sie beruhen auf einem durch Säuren verursachten Abbau der Cellulose und auf einer Oxidation der Cellulose. Der wichtigste Prozess ist der durch Säuren bewirkte hydrolytische Abbau der Cellulose, welcher für den Festigkeitsverlust des Papiers verantwortlich ist. Auch die Oxidation der Cellulose, durch die Einwirkung ultravioletter Strahlung ausgelöst, u. a. durch Eisen- und Kupferionen katalysiert, führt nicht
3.1 Beschreibstoffe: Vom Papyrus und Pergament bis zum Papier
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nur zur Bildung gelbbrauner Farbstoffe, sondern auch zum Abbau der Cellulosemoleküle. Untersuchungen zu den Säuregehalten von Buchpapieren von 1500 bis 1900 zeigten, dass die Extrakt-pH-Werte von 8,5 bereits um 1600 auf Werte unter 7 und zwischen 1700 und 1900 auf pH-Werte bis 4,5 abnahmen. Die Mechanismen der Papieralterung lassen sich nach dem Stand des Wissens heute auf die hydrolytische Spaltung der Cellulose durch Einführung von Wassermolekülen in ihre Molekülstruktur, die Celluloseoxidation, auch auf den alkalischen Abbau (β-Eliminierung: Molekülspaltung in β-Position zu oxidierten Gruppen an Anhydroglucoseeinheiten) und auf eine lokale physikalische Belastung (Faserquellung und -schrumpfung) zurückführen. Der Abbau von Cellulose und Hemicellulosen führt generell auch zu einer Zunahme an Carbonyl- und Hydroxygruppen und damit verbunden zu einer Senkung der Falzzahl (Maß für die Festigkeit eines Papiers beim Falzen). Bei Falzen nicht vergilbter Papier lösen sich zwar Bindungen von Faser zu Faser, bei vergilbten Papiere jedoch führt das Falzen zu Faserbrüchen. Die Entstehung von Carbonylgruppen begünstigt Reaktionen benachbarter Molekülgruppen, u. a. auch eine Spaltung β-glykosidischer Bindungen der Cellulose. Eine weitere Ursache der Papieralterung wird auch in der Mahlung des sogenannten Halbzeuges genannt: Bei der Mahlung wird einmal die innere Struktur der Faserwand aufgelockert, es erfolgt eines stärkere Aufspaltung in lamellenartige Strukturen, wodurch das Wasser besseren Zugang hat und eine höhere Flexibilität und Plastizität der Faser erreicht wird.[9]
Zugleich wird auch die reaktions(bindungs-)fähige Oberfläche bei diesem Herstellungsprozess vergrößert. Die Strukturauflockerung fördert auch den Abbau der die Festigkeit von Papier bestimmenden Polysaccharide. Zum Abbau der Cellulose und Hemicellulosen tragen auch Mikroorganismen bei, von denen die cellulolytisch wirksamen Organismen Cellulasen produzieren, Enzyme, die das Substrat Papier bis zur Glucose abbauen können. Fasst man alle physikalisch-chemischen, chemischen und biochemischen Vorgänge als ein System zusammen, so sind Temperatur, Luftfeuchte, Licht und auch Luftverunreinigungen die hierbei wichtigsten Einflussfaktoren im Hinblick auf die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Papieralterung. Und zusätzlich kann auch die Diffusion von Stoffen aus dem Klebstoff oder aus Schreibmaterialien die Papieralterung beeinflussen. Die einzelnen Faktoren und Prozesse werden in der genannten Literatur detailliert beschrieben [10]. Speziell ist noch die Vernetzung von Fibrillen und Fasern über Wasserstoffbrücken zu nennen: Amorphe Bereiche der Cellulose werden wegen der geringeren Zahl an Wasserstoffbrücken zuerst angegriffen. Dadurch sinkt der Durchschnittspolymerisationsgrad (DP) relativ schnell. Die Kristallinität der Cellulose wird erhöht, wodurch die Fasern spröde werden. Der Abbau der kristallinen Bereiche erfolgt langsamer. Die amorphen Bereiche der Cellulose bestimmen die Biegsamkeit und Elastizität von Papier. Wenn danach neue starre Bindungen in diesen Bereichen entstehen, wird das Papier zunehmend brüchig [11].
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3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
Unter dem Begriff Vergilbung werden Prozesse zusammengefasst, die primär zu einer Gelbfärbung des Papiers und zugleich die Brüchigkeit des Papiers erhöhen. Hier spielt das Lignin eine entscheidende Rolle, denn Papiere aus reiner Cellulose vergilben nicht. Der Gelbstich solcher Papiere wird auch als Gilb bezeichnet. Die Ursache der Vergilbung ist die Einwirkung des Sonnenlichts, des UV-Strahlungsanteiles, wodurch Doppelbindungen des Lignins (s. dazu Abb. 3.6) aktiviert werden. Dadurch wird ein Angriff des Sauerstoffs möglich, und es können chinoide Verbindungen (Benzochinone sind gelb gefärbt) entstehen. Lignin ist vor allem in Holzschliffpapieren enthalten.
Papieranalytik Die möglichst zerstörungsfreie pH-Messung von Papieren ermöglicht Aussagen über deren Erhaltungszustand und die Alterungsbeständigkeit. Dafür wurden u. a. eine klassische „Spinnenelektrode“ (pH-Einstabmesskette mit Flachmembran) und ein pH-Sensor im Taschenformat mit einer miniaturisierten Elektrodenoberfläche (Sensorfläche) anstelle von Kalt- oder Heißextrakten eingesetzt [12]. Der einfach zu handhabende pH-Sensor ergab mit der klassischen „Spinnenelektrode“ vergleichbare Ergebnisse. Der pH-Sensor eignet sich für Messungen direkt auf der mit destilliertem Wasser befeuchteten Oberfläche. Andererseits können auch p H-bestimmende (wasserlösliche) Stoffe mithilfe eines saugfähigen
Abb. 3.6 Vergleich von vergilbtem und nicht vergilbtem Papier
3.1 Beschreibstoffe: Vom Papyrus und Pergament bis zum Papier
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Sulfat
pezialpapiers herausgelöst und dieses auf die Sensoroberfläche gelegt werden. S Die gemessenen pH-Werte für sehr unterschiedliche Papiere von 1857 bis 1991 lagen zwischen 4,07 (1857) und 7,8 (Schreibpapier, Recyclingpapier „Leinetal“). Im Zusammenhang mit den genannten pH-Untersuchungen wurde auch ein einfaches Gerät entwickelt, welches es erlaubt, geringe Mengen eines Extraktes auf dem Wege über ein Durchflusssystem zu erhalten. Das zu untersuchende Papier wird an einer Ecke in einen Plexiglasblock eingespannt, in dem sich ein Durchflusskanal geringen Durchmessers befindet. Mithilfe einer peristaltischen Schlauchpumpe wird nun im Kreislauf über eine geringe Fläche bidestilliertes CO2-freies Wasser gepumpt und auf diese Weise ein Extrakt von wenigen hundert Mikrolitern erzeugt. Zu Untersuchungen wurden u. a. die Ionenchromatographie (10 μl) und die UV-Spektroskopie (Mikroküvette) eingesetzt. Für zwei Papiere aus den Jahren 1943 (Zeitung; pH 4) bzw. 1990 (pH 7,8) ergaben sich im Vergleich folgende Ergebnisse: Der niedrige pH-Wert des Extraktes aus der Zeitung ist auf den ionenchromatographisch ermittelten hohen Sulfat-Wert infolge der Verwendung von Alaun zurückzuführen. Der Vergleich der UV-Spektren zeigt, dass dieses Papier im Extrakt eine deutliche Absorption zwischen 200 und 350 nm mit einer Schulter um 250 nm, charakteristisch für aromatische Verbindungen, aufweist. Daraus lässt sich erkennen, dass ein Zerfall des Papiers eingesetzt hat [13]. Vgl. hierzu auch Abb. 3.7. Als instrumentelle Methoden der Papieranalytik sind heute weiterhin zu nennen: die Infrarotspektroskopie (IR als ATR-Technik – attenuated total reflection, durch abgeschwächte Totalreflexion), die Festphasenmikroextraktion für flüchtige (gasförmige) Papierbestandteile in Verbindung mit der Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC–MS) und die Elektronenspray desorption in Verbindungen mit der Massenspektrometrie.
E
Chlorid
E 2.28
3.6
Unidentif.
Nitrat
Papler 10 ohne Aromatenbande
Papler 7 mit Aromatenbande
2.7
1.52
1.8
Start
stop
0.76 0.9
0 200
400
600
λ
Abb. 3.7 Ionenchromatogramm und UV-Spektren von Papierextrakten
0 200
400
600
λ
44
3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
Die IR-ATR-Technik, bei der ein IR-Strahl durch einen Kristall direkt auf der Probe gelenkt wird, ermöglicht aus der teilweisen Reflektion bzw. Absorption der IR-Strahlung Rückschlüsse auf die Anwesenheit oxidierter Cellulosefunktionalgruppen, d. h. von Carbonyl- und Carboxylgruppen. Bei Anwendung der Festphasenmikroextraktion werden in einem Papierstapel bzw. aus Papier freigesetzte flüchtige Substanzen adsorbiert, nach der thermischen Desorption im Gaschromatographen getrennt und in der Massenspektrometrie identifiziert. Damit werden jedoch nicht nur Abbauprodukte infolge der Papieralterung, sondern auch Umgebungsstoffe erfasst. Die Elektronensprayadsorption in Verbindung mit der Massenspektrometrie (DESI-MS) dagegen setzt durch die Verwendung eines elektrisch geladenen Nebels aus Lösemittemolekülen aus einer Oberfläche gezielt Ionen frei, die durch eine Vakuumvorrichtung in ein Massenspektrometer gelangen. (Weitere Methoden mit ausführlichen Beschreibungen s.[14].
3.2 Farbmittel und Tinten im Mittelalter Aus einem überlieferten Traktat des deutschen Mönches Theophilus (aus dem frühen 12. Jahrhundert) stammt eine ausführliche Anweisung zur Herstellung einer Tinte, die von Dornenrinde (Schlehdorn) ausgeht. Nach einem genau beschriebenen Prozess – Ausziehen des Saftes mit Wasser, Kochen des Extraktes mit Rinde, Eindicken, Zusatz von Wein, Eintrocknen – erhält man in einem Pergamentbeutel schließlich eine rotbraune, lackartige Masse, die sich in Stücke brechen lässt [15]. Durch Lösen in warmem Weißwein entsteht eine dunkelbraune, schreibfähige Tinte. Die Farbtiefe lässt sich durch den Zusatz von Ruß oder durch Eintauchen eines glühenden Stückes Eisen verstärken. Das Theophilus-Traktat „De Diversis Artibus“ enthält auch Buchmalereirezepte. Nach dem 12. Jahrhundert entstanden Kunst- und Illuminierbücher, vor allem auch in den Nationalsprachen und nicht nur ausschließlich in Latein, die weitere Tinten- und Farbrezepte enthalten. Bei dem Benediktinermönch Theophilus Presbyter handelt es sich möglicherweise um Roger von Helmarshausen (bei Karlshafen). Die wichtigsten Farbmittel (s. auch Abb. 3.8) der Buchmalerei im Mittelalter lassen sich in drei Gruppen einteilen: 1. Natürliche, anorganische Farbmittel: Kreide (CaCO3), Lapislazulistein (blau, Na6[Al6Si6O24]SxCa mit x > 1 oder auch 3 NaAlSiO6 ⋅ Na2S), Azurit (Kupferlasur, Bergblau, 2 CuCO3 ⋅ Cu(OH)2), Malachtigrün (Berggrün, CuCO3 ⋅ Cu(OH)2), Auripigmentgelb (Rauschgelb, As2S3), Realgarorange (Rauschrot, As2S2), natürliches Zinnober (Cinnabarit, rot, HgS) – Gold und Silber 2. Synthetische, anorganische Farbmittel: Bleiweiß (PbCO3), Bleigelb (Chromgelb, PbCrO4), Mennige (2 PbO ⋅ PbO2 = Pb3O4), Grünspan (Cu(OOCCH2)2 ⋅ Cu(OH)2 ⋅ n H2O), Rußschwarz C
3.2 Farbmittel und Tinten im Mittelalter
45
CH3
O
OH
HOOC
R
HO
OH
O OH Carmin Kermessäure [R = H] Kermessäure [R = Glucose] O
H R
N N
R
H
O
Indigo (R = H) : blau Purpur (R = Br) : rotviolett H7C3
C7H3
C
C
C
C
0=C 0
C=0 0
N
N N
N
Nordin (in Drachenblut, mexikanisch)
COOH
HOOC Crocetin (Safrangelb)
0
0 Abb. 3.8 Strukturen einiger ausgewählter Farbmittel
Luteolion (in Färberwau)
46
3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
Mennige (lat. minium), die am häufigsten verwendete rote Farbe, wurde durch Erhitzen aus Bleiweiß gewonnen. Da dieses hellorange bis leuchtendrote Pigment vor allem für Auszeichnungsschriften und Bilder verwendet wurde, ist auch der Begriff Miniatur von der lateinischen Bezeichnung abgeleitet. Ocker bzw. Eisenoxide weisen Farbtöne von Gelb über Braun bis Rot auf. Eine leuchtend rote Farbe weist Zinnober auf. Für gelbe Flächen wurde sowohl Ocker als auch das giftige Auripigment verwendet. Aus Bleiweiß erhielt man durch Erhitzen das gelbe Oxid. Bei der Verwendung von Bleifarben sind oft Schwarzfärbungen zu beobachten – durch die Reaktion mit Schwefelwasserstoff bzw. Sulfiden. 3. Natürliche, organische Farbstoffe: Carminaus Purpur Drachenblut
getrockneten weiblichen Cochenille-Läusen urpurschnecken P Harzmasse aus den Früchten der südostasiatischen Kletterpalme (Calamus draco) Indigoblauaus indischer Indigopflanze (Indigofera tinctoria) oder deutschen Färberwaid (Isatis tinctoria) Safrangelb Crocin und Crocetin aus Safran (Crocus sativus) Waugelb Luteolin aus Blättern, Blüten und Stempel von Reseda luteola Chlorophylle Pflanzen-(Blatt-)grün Brasilholz Caesalpina-Rotholzarten Ausführliche Informationen zu den Farbmitteln der abendländischen Buchmalerei sind auch auf der Webseite des RDK-Labors [16], der O nline-Plattform kunsthistorischer Objektforschung (hervorgegangen aus dem Reallexikon Deutscher Kunstgeschichte RDK) des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München zu finden. Dort ist eine Übersicht in Form eines Katalogs nach den Farben (rot-gelbgrün-blau-weiß-schwarz) zu finden. Dort ist u. a. zum Folium (Folio: Blatt einer mittelalterlichen Handschrift bzw. auch Buchformat in der Größe eines halben Bogens und Doppelseite des Geschäftsbuches) zu lesen, dass es sich um den Saft aus Früchten oder auch aus Pflanzen des Krebskrautes (Croton tinctorium L.) handelt [17]. Nach Theophilus soll das ursprünglich rotbraune Folium bei Behandlung mit Holzaschenurin purpurfarben und durch weiteres Hinzufügen von ungelöschtem Kalk saphirblau werden. Die Rußtinte wird aus Kerzenruß und dem fein verriebenen Harz von Kirschund Pflaumenbäumen (als Gummi bezeichnet) durch Auflösen in Wasser gewonnen. Im Spätmittelalter erfreute sich die Eisengallustinte besonderer Beliebtheit, eine Mischung aus Galläpfelextrakt (mit vor allem Gallussäure) und Eisenvitriol (FeSO4 ⋅ 7 H2O), die mit Wein, Regenwasser oder Essig angesetzt wurde. Die chemische Zusammensetzung dieser tiefschwarzen Tinte bewirkt aufgrund der Gehalte an Säuren, dass mit der Zeit Löcher im Pergament und vor allem Papier entstehen.
3.2 Farbmittel und Tinten im Mittelalter
47
Zur Hervorhebung von Buchstaben, Wörtern oder Anfangszeilen wird Ziegelrot (Mennige) häufig verwendet. Kostbare Evangeliare und Psalterien enthalten Goldund Silberschriften oder sind mit Sepia (aus Tintenfischen, chemisch Sepiapterin) geschrieben. Insgesamt weist die Palette der Farbmittel eine stattliche Reihe recht giftiger Stoffe. Um die verschiedensten Farbmittel auf Pergament und ab dem 13. Jahrhundert auch auf Papier fixieren zu können, wurden Bindemittel aus Eiweiß, Kirsch- und Pflaumengummi und auch der Fischleim aus der Schwimmblase des Störs verwendet. Essig und Wein haben bei der Tintenherstellung vor allem die Aufgabe, die Bildung von Schimmel zu verhindern [18]. Eine ausführliche Vorschrift zur Herstellung von Grünspan stammt von einem Autor namens Heraclius aus dem 13. Jahrhundert, dessen Werk von den mittelalterlichen und auch römischen Schreibtechniken handelt, bzw. auch von Theophilus [19]. Ein ausgehöhltes Eichenholz wird mit Kupferblechstreifen, die mit Honig und Salz bestreut sind, und Reisigruten gefüllt. Dann fügt man Urin oder Essig bis zu einem Drittel des Hohlraumes hinzu, bevor die Höhlung mit gleichem Holz verschlossen und mit Ton, der mit Eselsmist gut vermengt ist, abgedichtet wird. In dieser alchemistisch anmutenden Mixtura mirabilis werden sicher nicht nur basische Kupferacetate – die hätte man auf einfachere Weise erhalten können –, sondern aufgrund des verwendeten Eichenholzes auch Kupferkomplexe mit Gerbstoffen entstanden sein, die schließlich als Farbmittel in die mittelalterlichen Bücher gelangten – s. auch [20] und [21].
3.2.1 Zur Analytik von Farbmitteln In eigenen „Untersuchungen an mittelalterlichen Buchmalereifarben“ berichteten wir in Zusammenarbeit mit der Restaurierwerkstatt der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel auch über die Analytik [22]: Ein besonders anziehendes Gebiet stellt für den Chemiker und Analytiker die mittelalterliche Buchmalerei dar. Bei Untersuchungen an den verwendeten Malstoffen sind wegen des hohen Wertes der Objekte in der Regel nur zerstörungsfreien Methoden einsetzbar. Die Frage- und Aufgabenstellungen reichen von der Identifizierung des Malstoffes [Farbmittels], der möglichen Zuordnung zu einer bestimmten Malwerkstatt bis zu den Ursachen von Veränderungen. (…) Für Vergleichsuntersuchungen stehen in vielen Fällen nachvollziehbare Vorschriften aus meist spätmittelalterlichen Musterbüchern zur Verfügung. Kunstwissenschaftler [Kunsthistoriker] und Chemiker haben sich mit diesen Themen bereits häufiger beschäftigt, für die Praxis der Buchrestaurierung fehlen jedoch oft noch praktikable Untersuchungsverfahren, die sich der jeweiligen Fragestellung leicht anpassen lassen. Bei den Farbpigmenten sind anorganische und organische Stoffe zu unterscheiden; die anorganischen bzw. organischen Pigmente sind nochmals in natürliche (Erdfarbenpigmente bzw. Tier- und Pflanzenfarben) und künstliche (Mineralfarbenpigmente bzw. Teerfarbenpigmente) zu unterteilen. Sehr oft verwendete anorganische Malstoffe sind Zinnober (HgS), Mennige (Pb3O49, Realgar (As4S4), Auripigment (As2S3), Cadmiumsulfid (CdS), Chromoxid (Cr2O3), Grünspan (basisches Kupferacetat), Umbra (eisen- und manganhaltiger Ton), Siena (Eisenoxidhydrat), Azurit (2 CuCO3 x Cu(OH)2), Malachit (CuCO3 x Cu(OH)2). Aus dem Bereich der Pflanzen- und Tierfarben waren zum
3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
48
Beispiel Wegedorngrün und Safrangelb wie auch Krapp und Carmin besonders beliebt. Bei allen Untersuchungen ist zu beachten, daß diese Farbpigmente nicht allein, sondern im Gemisch mit Bindemitteln und ähnlichem meist auf Pergament aufgebracht wurden, was die Untersuchungen je nach Fragestellung wesentlich erschweren kann. Als Untersuchungsmethoden wurden unter anderem die Röntgenfluoreszenzanalyse (zur Bestimmung anorganischer Stoffe bzw. Elemente), die UV/VIS-Spektrometrie (Reflexionsmessungen), die Raman-Spektrometrie in Verbindung mit Laseranregung (Gefahr der Beschädigung der Objekte) unter Verwendung eines Mikroskops sowie neuerdings für anorganische Pigmente auch die sogenannte ‚Abrasive strippping voltammetry‘ eingesetzt. (…) Abrasive stripping voltammetry Bei dieser elektrochemischen Technik wird eine sehr geringe probenmenge durch Reiben auf eine Graphitelektrode übertragen. Diese spezielle vorbereitete (paraffinimprägnierte) Elektrode wird nun zur inversen voltammetrischen Analyse verwendet, eine vorherige Auflösung des Probenmaterials ist also nicht erforderlich. Diese Technik wurde für einige Minerale und synthetische anorganische Stoffe eingesetzt. (…) Das Verfahren ist relativ neu und hat wegen der nicht zerstörungsfreien Durchführung noch [1992] keine Anwendung auf mittelalterliche Werke, sondern nur auf anhand von Malbüchern nachgearbeitete Pigmente gefunden.[22]
Vgl. hierzu auch Abb. 3.9. UV/VIS-Spektrometrie mit Reflexionsmessungen Diese Methode kann tatsächlich als zerstörungsfrei bezeichnet werden. Hierbei wird das Reflexionsvermögen der Malfarbe gemessen, die aus fester Materie, feingemahlen in ein transparentes Bindemittel eingebettet, besteht. Die Farbwirkung insgesamt hängt von der Oberfläche, der selektiven Absorption und Transmission des Bindemittels, vom Pigment selbst und auch vom Grund ab, auf dem sich beide befinden. Zur Messung von Lichtreflexionen in Abhängigkeit von der Wellenlänge des eingestrahlten Lichtes wurden ein Dünnschicht-Scanner (eigentlich zur Auswertung von 6.0E-05 T1/A
1.ZE-04 T1/A Z 1
Azurit
Mennige
3
1 0.0E+00
0.0E+00 +E/V
0.600
+E/V
Abb. 3.9 Abrasive stripping Voltammogramme von Azurit (links) und Mennige
0.000
3.2 Farbmittel und Tinten im Mittelalter Trennungen aus der Dünnschicht-Chromatographie konzipiert) und ein U V/VIS-Spektrometer mit Lichtleiter verwendet. Die kritische Auswertung im Rahmen einer Diplomarbeit zeigte jedoch, daß Identifizierungen von Farbpigmenten anhand der meist breiten Spektren und aufgrund der kurz angesprochenen vielfältigen Einflüsse nicht möglich waren. Untersuchungen am Dresdner Sachsenspiegel Das älteste und wohl auch einflussreichste Rechtsbuch des deutschen Mittelalters wurde von dem sächsischen Adeligen Eike von Repgow zunächst 1224 bis 1231 lateinisch geschrieben und dann in die niederdeutsche Sprache übertragen. In Thüringen behielt dieses Gesetzesbuch mit seinen gewohnheitsrechtlichen Regeln des Landrechts bis 1900 seine Gültigkeit. Eine der wenigen Bilderhandschriften wird in der Dresdener Landesbibliothek aufbewahrt. Weitere wertvolle Exemplare befinden sich in Oldenburg, Heidelberg und Wolfenbüttel. Nach der Bombardierung Dresdens am Ende des Zweiten Weltkrieges erlitt diese Handschrift durch einen in den Kellerräumen aufgetretenen Wassereinbruch erhebliche Schäden. Dazu gehören eine zum Teil sehr weitgehende Zerstörung der Kolorierung und auch eine Schrumpfung des gesamten Buchblocks. Vom Leiter der Restaurierwerkstatt in Wolfenbüttel, Dag-Ernst Petersen, wird der Erhaltungszustand im Wesentlichen wie folgt charakterisiert: Das Pergament zeigt eine durchgehende, einheitliche braungraue Färbung. Die intensive schwarz-rotbraune Eisengallustinte zeigt an allen Blättern ein Durchschlagen auf die Rückseite und hat sich durch die Feuchtigkeitseinwirkung teilweise gelöst. Das Kolorit in den Zeichnungen ist auffallend bräunlich verfärbt. Die Stellen mit Grün, Blau, Rot, Schwarz und Gold sind erhalten und fallen dadurch besonders auf. Es handelt sich dabei um die stabilen anorganischen Pigmente Azurit und Preußischblau [oder Berliner Blau], Zinnober, Ruß, Grünspan und Umbra sowie Gold. Eine auffallende Erscheinung ist im Inneren des Schriftspiegels der Übergang des Grüns in einen bräunlichen Farbton. Aus dieser Bestandsaufnahme ergaben sich für den Analytiker folgende Hauptfragen bzw. Aufgaben: Es sollte der pH-Wert (mit der neu entwickelten Technik) des Pergaments im Schriftspiegel und am Rande des Pergaments ermittelt und verglichen werden. Anhand von Malproben sollte er[ge]klärt werden, ob sich die Farbänderung von Grün nach Braun möglicherweise durch den Säureeinfluß auf Pflanzengrün erklären läßt. Alle Messungen am Sachsenspiegel selbst mußten im Tresorraum der Herzog-August-Bibliothek durchgeführt werden, wo der Dresdener Sachsenspiegel zusammen mit den anderen genannten Exemplaren aufgestellt wurde.[23] Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Mit Hilfe des Cardy-Compact-pH-Meters ließ sich eindeutig ermitteln, daß die pH-Werte im braunen Bereich deutlich niedriger als in den grünen Bereichen lagen (5,5 gegenüber 5,8). Weiterhin stimmt der niedrigere pH-Wert mit dem im Bereich der verlaufenen Schrift überein, wird demnach durch die Eisengallus-Tinte verursacht. Die Annahme, daß es sich bei den grünen Farben um Chlorophyll handelt, konnte durch Untersuchungen des pH-Einflusses bestätigt werden: Ein Vergleich der Spektren ergab aufgrund der großen Ähnlichkeit, daß die Braunfärbung offensichtlich durch den Säuereeinfluß aufgetreten ist.[22]
Vgl. auch Abb. 3.10. Trotz der Einschränkungen in der Anwendung der UV/VIS-Spektrometrie zur Identifizierung von Farbpigmenten lassen sich jedoch in einigen Fällen ähnliche farbgebende Stoffe doch unterscheiden – so zum Beispiel Einzelstoffe bzw. Gemische in der Gruppe Grünspan (blaugrün) sowie Azurit (blau) von blauem Holunderbeersaft (Abb. 27). S. hierzu auch Abb. 3.11. (…) [22]
49
3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
50
100%
100%
T
T
0
350
λ (nm)
750
350
λ (nm)
750
0
Chlorophy11
Chlorophy11 nach Säureelnfluß 100%
100%
T
T
0
200
λ (nm)
900
200
Braum
λ (nm)
900
0
Grün
Farbpigment des Sachsenspiegels Abb. 3.10 UV/VIS-spektroskopische Untersuchungen zur Veränderung von Chlorophyll durch Säureeinfluss – in Lösung (oben) und an Farbpigmenten des Sachsenspiegels (unten)
3.2.2 Druckfarben – von Gutenberg bis ins 21. Jahrhundert Als Druckfarben werden Gemische von Farbkörpern (Farbstoffen bzw. -pigmenten) mit Bindemitteln und einem Trockenzusatz zu einer Flüssigkeit, die den Übergang (Verdunsten, Wegschlagen, d. h. Eindringen in den Bedruckstoff bzw. durch eine chemisch-physikalische Reaktion flüssig/fest), ermöglicht. Für die Druck(er)schwärze wird seit Beginn des Letterndrucks durch Gutenberg Ruß als feinpulveriger und deshalb vollkommener Farbkörper verwendet. Gutenberg nutzte offensichtlich die Erfahrungen von Künstlern, „die für die Abdrucke der von ihnen geschnitzten Holztafeln (den Reiberdrucken) Rußfarben
3.2 Farbmittel und Tinten im Mittelalter 40
40
Azuril (blau) TRANSMISSION
Geersaft (orange)
51
20
20
Holunderbeersaft (blau)
650.0
550.0
450.0
350.0
750.0
700.0
650.0
600.0
550.0
500.0
450.0
400.0
750.0
700.0
650.0
600.0
550.0
500.0
450.0
400.0
250.0
0
0 (nm)
Abb. 3.11 UV/VIS-Reflexionsspektren der Pigmente Grünspan, Azurit und Holunderbeersaft auf Papier
verwendeten.“ [24]. Ruß wurde mit Ölen als Bindemittel zu einer glatten, geschmeidigen, gut verdruckbaren Farbe verarbeitet. Die genannten Autoren beschreiben auch die Herstellungsarten von Ruß in neuerer Zeit – als Flammen-, Lampen- oder Gasruß, s. auch Abb. 3.12. „Für die schwelende, unvollständige Verbrennung des Rußes werden kohlenstoffhaltige Stoffe, wie Gase, Öle und Rückstände der Steinkohlendestillation verwendet.“ [24] Als Druckfarben wurden auch natürliche Mineralfarben – Erdfarben – eingesetzt: Ocker, Umbra, Terra di Siena und Eisenoxidfarben. Die Aufbereitung erfolgt in den Schritten Schlämmen, Mahlen, Trocknen und auch Brennen – mit dem Ziel, unerwünschte Beimengungen (wie Sand durch Schlämmen) zu entfernen bzw. einen bestimmten Feinheitsgrad (durch Mahlen) zu erzielen. Zu den künstlichen Mineralfarben als Druckfarben zählen die auf nassem Wege gewonnenen Pigmente wie Chromgelb (Bleichromat), Milorblau (Berliner Blau,
Abb. 3.12 Gewinnung von Gasruß
52
3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
Preußischblau, auch Pariser Blau) oder Seidengrün (Gemisch aus Chromgelb und Pariser Blau) – ausführliche Darstellungen und Bezeichnungen in [25]. In einem kleinformatigen Kleinen Druckfarben-Lexikon der Berger & Wirth Farbenfabriken – „für die Verbraucher unserer Erzeugnisse“ [26] ist zu Milorblau zu lesen: Milorblau, eine künstliche Mineralfarbe, auch Berliner-, Pariser-, Stahl- oder Bronzeblau genannt. Zunächst wird aus wäßrigen Lösungen von gelbem Blutlaugensalz und Eisensalzen ein sogenannter Weißteig hergestellt, der dann durch Oxydationsmittel in das Blau überführt wird. Trotz seiner in trockenem Zustand bemerkenswerten Härte besitzt es infolge seiner Körperfeinheit eine ausgezeichnete Druckfähigkeit, scharfe Trockenfähigkeit, hohe Lichtechtheit und Ergiebigkeit. Es ist eine Lasurfarbe, die in konzentrierter Form deckend wirkt … [26]
Die Datierung des Kleinen Druckfarben-Lexikons ist ungefähr anhand folgender Angabe am Schluss des Büchleins möglich: In der Offizin Haag-Drugulin zu Leipzig gesetzt, und während der Leipziger Frühjahrsmesse auf einem Victoria-Zylinder-Automaten > Pollux Anschnüren< der Deckel an den Buchblock – das Verbinden des Buchblockes mit den Deckeln geschieht mittels des Durchziehens der Bundmaterialien durch die vorbereiteten Öffnungen und Kanäle im Holz mit nachfolgendem Verpflocken (Einschlagen von kleinen Holzdübeln, um eine Zurückziehen der Bünde zu verhindern) –, wird der Buchkörper mit dem Einbandmaterial überzogen.[32]
Unter Überziehen versteht man eine Bedeckung des gesamten Buchkörpers mit Einbandmaterial; es wird an allen Kanten nach innen eingeschlagen. An der Vorderkanten der Buchdeckel wurden bei den frühen Drucken (oder auch Handschriften) sehr oft Schließen angebracht – zu dem Zweck, die Buchdeckel am Vorderschnitt gut geschlossen zu halten. Mit einer Schließe wurde ein Sperren des Holzdeckels verhindert und das Buch vor dem Verstauben geschützt. In der Entwicklung zu einer industriellen Buchherstellung wurde dann der Einband um eine Rückeneinlage meist aus kartonähnlichem Material erweitert. Von Beginn der Buchherstellung an wurden Einbände auch mit Verzierungen versehen – als Blinddruck, Vergoldung, Bemalung oder Lederschnitt. Beim Blinddruck wurden Stempel, d. h. mit eingravierten Formen versehene Metallwerkzeuge, verwendet. Sie wurden erhitzt und in das Leder gedrückt, das zuvor befeuchtet worden war, um eine Anbrennen des Leders zu vermeiden und auch dem Stempel weniger Widerstand entgegensetzen zu können. Diese manuelle Fertigung wurde am Ende des 15. Jahrhunderts durch die Anwendung einer Presse und Verwendung von gravierten Metallplatten ersetzt. Die Handvergoldung kam in Europa auch im 15. Jahrhundert in Gebrauch. Dazu wurde mithilfe des Blinddrucks zunächst ein vertieft im Leder erscheinender Abdruck hergestellt und mit einem Bindemittel, meist Hühnereiweiß in einer verdünnten Lösung, bestrichen. Darauf wurde dann das dünne Blattgold aufgetragen und in die Konturen des Blinddruckes vorsichtig eingedrückt. Mit einem erhitzten Stempel erfolgte unter Druck ein weiterer Abdruck genau in den ersten Abdruck. Dadurch koagulierte das Eiweiß, bildete mit dem Leder eine stabile Verbindung und hielt zugleich auch das Metall fest. Zur Geschichte des Bucheinbandes berichtet u. a. auch Wilhelm H. Lange in Das Buch im Wandel der Zeiten [33]: … Die Holzdeckel wurden im Mittelalter mit Leder oder Pergament überzogen. Da nun die wichtigsten Bücher die liturgischen waren, denen also eine hohe Verehrung entgegengebracht wurde, stattete man diese besonders kostbar aus. Als eine Erinnerung an das Altertum darf es angesehen werden, daß die Vorder- und manchmal auch die Rückseite mit Elfenbeinplatten geschmückt wurde. (…) Die früheste Bearbeitung des Lederbandes bestand in dem Lederschnitt, (…). Sie besteht darin, daß in die Lederfläche die Kontur des Bildes oder Ornaments mit dem Messer eingeschnitten und dann nach Tränkung mit Leimwasser etwas herausgehoben wird, (…).[33]
56
3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
Und zum blindgeprägten Stempel ist zu lesen: Die eigentliche Blütezeit des mit Stempeln geprägten Lederbandes ist das 15. und 16. Jahrhundert. (…) Meist werden dicht beieinander gepreßte ornamentale Einzelstempel zu waagerechten, senkrechten, diagonalen oder sich kreuzenden Reihen zusammengefügt, wodurch die Fläche in Felder eingeteilt wird. Oft ist in der Mitte ein größeres freies Feld, das eine Darstellung oder ein Einzelbild (meist religiöser Art: Christus am Kreuz, Maria, Heiligenfiguren, aber auch Tiere oder Pflanzen usw.) aufnehmen sollte, freigelassen. An ornamentalen Motiven begegnen uns Pflanzen, Ranken, Maßwerk, kleine Spitzbogen und ähnliches. Die größeren Darstellungen werden nicht aus Stempeln, sondern mit Platten geprägt, wozu eine Presse benötigt wird.[33]
Der venezianische Buchdrucker und Verleger Aldus Munutius (1449–1515) gilt als der Erste, der bis zu seiner Zeit üblichen Holzdeckel durch Pappe ersetzte. Er unterhielt eine große Buchbinderwerkstatt und gab als Verleger seine Bücher nicht nur in losen Bogen, sondern in eigenen Verlegerbänden ab, von denen bis heute noch viele erhalten sind. Zum äußeren Kleide des Buches gehört heute stets der Umschlag. Er ist keine Erfindung der Neuzeit. Bereits in der Renaissance begegnen wir Holzschnittumschlägen – ja, man kann noch weiter zurückgehen, da umgelegte Pergamentblätter, die mitgeheftet wurden, in der Handschriftenzeit auch als Umschläge zu gelten haben. Der künstlerisch gestaltete Umschlag kommt im wesentlichen erst im 19. Jahrhundert auf, zuerst in England, dann in Deutschland. Diese Umschläge, an denen viele bekannte Künstler mitgearbeitet haben, gehören zu einem beliebten Gegenstand bibliophilen Sammelns.[33] Abb. 3.13.
Über den Bucheinband berichtet auch Christine Jakobi-Mirwald in Das mittelalterliche Buch [34], worin es einleitend heißt: Im Bucheinband unterscheiden sich mittelalterliche Bücher besonders auffällig von den modernen. Heute trägt der Einband nur wenig bzw. beim Taschenbuch so gut wie nichts zum Gewicht des Buches bei. Feste Einbände bestehen aus Pappe mit Leinenüberzug und gegebenenfalls einem Schutzumschlag aus Papier, die luxuriöseren sind mit imitiertem oder echtem Leder ganz oder teilweise (Rücken, Ecken) überzogen.[34]
Imitiertes Leder oder Kunstleder (Lederimitat) ist in der Regel ein Verbund aus einem textilen Grundträger und einer Kunststoffdeckschicht aus z. B. Polyvinylchlorid (PVC) oder heute Polyurethan. Die Beschichtung kann kompakt oder auch geschäumt erfolgen. Erhält die Oberfläche eine Narbenprägung, so ähnelt sie in der Struktur dem Leder. Helmuth Helwig [35] benutzte die Begriffe Einbandwissenschaft und Einbandkunde, die „oft als ‚Kostümkunde des Buches‘ bezeichnet“ wurden – und damit wohl auch als wenig bedeutend herabgesetzt worden seien. Er führt aus: Die Holzart der Einbanddeckel, die Struktur und die Färbung des Einbandleders und Pergaments, der Spiegel oder später das Vorsatzpapier, das u. U. ein Wasserzeichen enthält, – alle diese Einbandteile sind für den Einbandforscher zur sicheren Bestimmung eines Einbandes bedeutsam.[35]
3.3 Buchdeckel/Bucheinbände
57
Abb. 3.13 Vergleich verschiedener historischer Bucheinbände. Von oben links nach unten rechts: Blindgeprägter Ledereinband 15. Jahrhundert; Einband Jakob Krause 16. Jahrhundert; 18. Jahrhundert; gestickter Liebhabereinband 18. Jahrhundert, © [33]
3 Die Materialien und ihre Eigenschaften
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Und aus der Sicht einer umfassenden Restaurierung vor allem mittelalterlicher Bücher führt Helwig aus: Die im allgemeinen mangelnde Pflege dieser Leder- und Pergamentbände in Verbindung mit ungünstiger Aufstellung in zu trockener oder zu feuchter Luft, unter ständiger Einwirkung von Sonnenstrahlen und der immer intensiveren Umweltverschmutzung, die zu immer stärker zunehmenden Einbandschäden, insbesondere durch das Austrocknen des Leders zum Platzen in den Gelenkfälzen führte, nicht zuletzt die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges auf die alten Bücherbestände, die außer Totalverluste noch Teilverluste durch Verlagerungen und Aufbewahrung in ungeeigneten Räumen verursachte, ferner die Flutkatastrophe in Florenz [1966] bewirkten, daß dem Problem der Restaurierung von alten Bibliotheksbeständen und damit auch der mittelalterlichen Bucheinbände besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird.[35]
Die Einbandforschung wird heute als eine Hilfswissenschaft und als ein Teilgebiet der Buch- und Bibliotheksgeschichte definiert. Aufgaben sind die Erforschung der Geschichte von Bucheinbänden, ihrer Formen, Funktionen, ihres Schmuckes und ihrer Herstellung, woraus Rückschlüsse auf den Entstehungsort und die Datierung gezogen werden können.[36]
Literatur 1. Brockhaus (1839) Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk. Ein Handbuch zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und zur Unterhaltung. In vier Bänden. Dritter Band M-R. Leipzig, S 442 2. Brockhaus (2001) Brockhaus Die Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden. Studienausgabe. Zwanzigste, überarbeitete und aktualisierte Auflage. Sechzehnter Band, Leipzig-Mannheim, S 708 3. Schwedt G (1994) Forschungsergebnisse aus dem Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Technischen Universität Clausthal. Beiträge zur Frage der Umweltverträglichkeit von Chrom aus Leder, Clausthal-Zellerfeld Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Clausthal-Zellerfeld, S 15–16 4. Wächter O (1982) Restaurierung und Erhaltung von Büchern, Archivalien und Graphiken, Böhlaus, Wien, S 14–17 5. Schwedt G (2014) Experimente zur Papierchemie, Shaker Media, Aachen, S 8–10 6. Banik G, Brückle I (2015) Papier und Wasser: Ein Lehrbuch für Restauratoren, Konservierungswissenschaftler und Papiermacher, München, Kap. 4 und 5, S 89–150 7. Banik G, Brückle I, Lacher R, Wegele G (2015) Leimung von Papier. In: Banik G, Brückle I (Hrsg) Papier und Wasser. München, Kap. 6, S 155–182 8. Lassar-Cohn (1925) Die Chemie im täglichen Leben. Gemeinverständliche Vorträge. Elfte, neubearbeitete Auflage von D. M. Mechling, Leipzig, Achter Vortrag, S 175–177 9. Wächter W (1987) Buchrestaurierung. Das Grundwissen des Buch- und Papierrestaurators, 2.4 Alterung von Papier, 3. Aufl., Verlag nicht ermittelbar, Leipzig, S 46–50 10. Whitemore P M (2015) Einfluss des Wassers auf die Papieralterung. In: Banik G, Brückle I (Hrsg) Papier und Wasser. München, S 237–266 11. Anders M, Schuhmann K (2016) Zum Umgang mit gealterten Papieren. Erläuterungen zu Alterungsmechanismen, Entsäuerungsverfahren und aktuellen Erkenntnissen über die dabei eingebrachte alkalische Reserve. Zentrum für Bucherhaltung (ZFB), Leipzig 12. Schwedt G, Deutscher T (1991) Messungen des pH-Wertes in Papier mit einem Mikrosensor. Restauro 4:263–265
Literatur
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Prinzipien und Verfahren der Buchrestaurierung
4.1 Aufgabenstellungen 1977 formulierte der langjährige Leiter der Wolfenbütteler Restaurierwerkstatt in der Herzog August Bibliothek, Dag-Ernst Petersen, in der Einleitung zu dem Symposiumsband Das alte Buch als Aufgabe für Naturwissenschaft und Forschung [1] wesentliche Aufgaben der Buchrestaurierung. Er stellte die Gleichung auf: „Restaurieren = Handwerk + Naturwissenschaft.“ Daran anschließend schrieb er: Stehen Handwerk und Naturwissenschaft nicht in einem rechten Verhältnis miteinander, gerät das Gleichgewicht in Unordnung zu Lasten der Restaurierung, auf Kosten der Qualität und damit zum Nachteil der Objekte, die wir eigentlich schützen und erhalten wollen. Die Erkenntnis, daß handwerkliche und naturwissenschaftliche Fähigkeiten die Voraussetzungen für die meisten Restaurierungen bilden, ist so alt wie das Restaurieren selbst. Die praktische Anwendung dieser Fähigkeiten entscheidet über das ‚wie‘ einer Restaurierung; ebenso entscheidend ist auch die Kommunikation von Handwerk und Naturwissenschaft untereinander, die die Grundlage jeder Anwendung sein muß. [1]
Dag-Ernst Petersen (Jg. 1942), Sohn eines Buchbindermeisters und Restaurators, absolvierte nach dem Abitur eine Lehre als Buchbinder. In seiner Lehrzeit arbeitete er in der Restaurierungswerkstatt der Bayerischen Staatsbibliothek im München. Nach einem Praktikum an der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien war er zwischen 1967 und 1969 in der Bibliotheca Nazionale Centrale an der Rettung der durch Überschwemmungen des Arno geschädigten Bibliotheksbestände beteiligt. Das Handvergolden erlernte er an der École Estienne in Paris. Die Meisterprüfung im Buchbinderhandwerk legte er in München ab und absolvierte danach noch eine Ausbildung zum Chemotechniker. Ab 1973 bis zu seinem Ruhestand 2006 war er als Restaurator der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel tätig, die er ab 1987 leitete. Für seine Verdienste um die
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Schwedt, Grundlagen der Buchrestaurierung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61124-1_4
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Restaurierung des Dresdener Sachsenspiegels erhielt er 2001 den Verdienstorden des Freistaates Sachsen. An dem genannten Symposium in Wolfenbüttel nahmen renommierte Fachleute teil, deren Vorträge in dem Band 1 der Wolfenbütteler Forschungen abgedruckt sind – so u. a. der für seine Forschungen zu den Farben mittelalterlicher Buchmalerei bekannte Heinz Roosen-Runge (1913–1983), Professor für mittlere und neuere Kunstgeschichte an der Universität Würzburg, und Otto Wächter (1923– 2010), Leiter der Restaurierungswerkstätte der Österreichischen Nationalbibliothek und Professor an der Österreichischen Akademie der bildenden Künste in Wien, Autor des Buches Restaurierung und Erhaltung von Büchern, Archivalien und Graphiken [2]. Otto Wächter äußerte sich in seinem damaligen Standardwerk auch über das Verhältnis Handwerk und Naturwissenschaften, speziell Chemie, das wie schon von Dag-Ernst Petersen geäußert (s. Kap. 1) auch heute die Grundlage aller Bachelor-Ausbildungsgänge darstellt: In Nöte kommt der praktizierende Restaurator manchmal während der Zusammenarbeit mit dem Naturwissenschaftler, der ja sein Verbündeter ist. Der Restaurator macht meistens den Fehler, daß er beispielsweise die Chemie für eine so exakte Disziplin hält, die ihm auf eine praxisbezogene Frage sofort die Antwort weiß, die aber meist auch erst durchdacht werden muß und schließlich oft nicht mehr als eine Empfehlung sein kann. Der Chemiker ist oft wieder unglücklich, wenn sich der Restaurator mit unwissenschaftlicher Fragestellung nähert … [3]
In diesen Beziehungen hat sich seit 1982 vieles verbessert, vor allem auch durch die in der Einleitung beschriebenen Bachelor- und Master-Studiengänge, vgl. dazu Abschn. 1.1.
4.1.1 Die Blaubeurener Empfehlungen zur Buchrestaurierung Im Sommer 1991 erarbeiteten für die Bestandserhaltung in Bibliotheken und Archiven zuständige Referenten im Rahmen eines Arbeitsseminars in Blaubeuren Empfehlungen zur Buchrestaurierung. In der Einführung der vierzehn Seiten umfassenden Empfehlungen heißt es: Die Blaubeurener Empfehlungen wurden geschaffen, um dem Bibliothekar/Archivar sowie dem Restaurator gleichermaßen, eine Basis für den Dialog zur Verfügung zu stellen. Er bindet den Restaurator bei seiner Arbeit an hohe ethische Grundsätze und gibt dem Auftraggeber damit die Gewähr, dass sich seine historisch bedeutsamen Objekte in den besten Händen befinden … [4]
Zu den Grundsätzen einer Buchrestaurierung werden folgende Maßnahmen genannt:
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1.3 Grundsätze für Restaurierungsmaßnahmen (…) Alle Maßnahmen, die in die Originalsubstanz, das physische Erscheinungsbild oder die überlieferungsbedingte formale Komposition eines Objektes eingreifen, sind nach folgenden für Restaurierungsmaßnahmen allgemein geltenden Regeln vorzunehmen: a) Materialien und Hilfsmittel sind unter den Aspekten der Unschädlichkeit und der Reversibilität auszuwählen und einzusetzen. b) Grundsätzlich sind identische oder ähnliche, aber immer qualitativ hochwertige Materialien zu verwenden. c) Bei allen Eingriffen muß vorrangig deren Reversibilität angestrebt werden. d) Das Erscheinungsbild ist weitestmöglich zu erhalten. e) Die Transparenz und Augenfälligkeit des Eingriffs unter Berücksichtigung des ursprünglichen ästhetischen Erscheinungsbildes des Objektes muss gewährleistet werden. f) Soweit technisch vertretbar, muss die verwendbare Originalsubstanz in ihren historischen Funktionszusammenhängen erhalten bleiben oder wieder verwendet werden. g) Alle für hilfswissenschaftliche Fragestellungen bedeutsamen Elemente sollen erhalten werden, soweit das Objekt dadurch nicht in seinem Fortbestand gefährdet wird. Den genannten Grundsätzen unterliegen auch Maßnahmen, die zwangsläufig zum teilweisen Ersatz der Originalsubstanz führen müssen, wie das Zerlegen eines Bandes sowie Reinigungsarbeiten. Diese bedürfen zumindest der fachkundigen Anleitung. [4]
Die Naturwissenschaften werden vor allem unter den Buchstaben f und g und dem darin anschließenden Satz angesprochen. Voraussetzung für eine verantwortungsvolle Buchrestaurierung sind damit auch die bereits in den vorausgehenden Kapiteln dieses Buches beschriebenen Eigenschaften der Materialien. In den folgenden Abschnitten dieser Blaubeurener Empfehlungen werden u. a. folgende Schadensfälle im Hinblick auf die „Materialien“ angesprochen: • Alterungsspuren und Patina (1.4), die nur entfernt werden sollten, „soweit sie das Objekt in seiner Erhaltung gefährden“. • Schäden an Originaleinbänden (2.1.2): „Die zur Ergänzungen der vorhanden Originalteile verwendeten Werkstoffe sollen möglichst dem ursprünglichen Material entsprechen …“. [4] In der Praxis einer Buchrestaurierungswerkstatt – hier von Aniela Bez, Restaurierung von Buch & Papier in Essen – werden die Blaubeurener Empfehlungen unter der Überschrift „Die Ethik der Buchrestaurierung“ [4] wie folgt umgesetzt: Verwendete Materialien müssen alterungsbeständig sein; alle Arbeitsschritte müssen (weitgehend) reversibel sein: „Dies wird durch die Verwendung von wasserlöslichen Klebstoffen wie Weizenstärkekleister, tierischer Leim etc. gewährleistet.“ [4] Es gelte weiterhin: „… wo eine Ergänzung nötig ist, sollte dies der Originalsubstanz entsprechen.“ [4] Authentizität und keine Verfälschungen gehören ebenso zu den Grundsätzen einer verantwortungsvollen Buchrestaurierung.
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4.2 Buchrestaurierung am Beispiel einer Buchpatenschaft In ihrem Buch Das mittelalterliche Buch. Funktion und Ausstattung [5] bezeichnete die Autorin im Kapitel „Die moderne Rezeption. Das mittelalterliche Buch heute“ die Konservierung und Restaurierung der Handschriften als eine wichtige Aufgabe der Bibliothekare und stellt fest, dass zu einer Konservierung neben der objektgerechten Aufbewahrung (…) müssen allerdings diese konservatorischen Vorgaben genau mit dem Anliegen abgewogen werden, die Handschriftenschätze (deren Verwahrung und Erhalt durchaus beträchtliche Kosten versucht) auch zu präsentieren … [5]
Und zu den Schäden stellt sie fest, dass Bindungen lose werden oder ganz aufgehen, Buchdeckel wurmstichig sein und Bucheinbänden sich gelöst haben könnten. Auch Pergamenthandschriften seien durch Farb- oder Tintenfraß gefährdet. Und dann ist zu lesen: Im Vergleich zu der Zeitbombe, die durch das Zersetzen des säurehaltigen, aus Holz gewonnenen Papiers bei Büchern aus dem 19. und 20. Jahrhundert tickt, sind diese Verfallserscheinungen geringfügig, aber dennoch in der Regel zu groß, um alle Handschriften eines Bestands restaurieren zu lassen. [5]
Wenige Absätze danach weist die Autorin auf einen Weg hin, der im Folgenden an einem Beispiel auch vorgestellt wird. Dort heißt es, dass ein origineller Weg zur Finanzierung von Restaurierungsarbeiten die Buchpatenschaft sei: Beispielhaft ist die Aktion der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, die unter der Schirmherrschaft des [damaligen Ministers – später] Bundespräsidenten [Johannes Rau], im Internet genau angibt, bei welchen Handschriften welche Schäden zu beheben wären … [5]
Und so war im April 2019 auf der Webseite der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf [6] auch folgendes Buch beschrieben: Johann Christian Wiegleb. Onomatologia curiosa, artificiosa et magica, oder natürliches Zauber-Lexicon, in welchem vieles Nützliche und Angenehme aus der Naturgeschichte, Naturlehre und natürlichen Magie nach alphabetischer Ordnung vorgetragen worden. 3. Auflage, Nürnberg: Raos, 1784. [7], s. dazu auch Abb. 4.1. Die Schäden werden wie folgt angegeben: Ganzlederband (vermutlich Schafleder über Pappdeckeln mit einfachem Streicheisenblinddruck. Auf dem Lederrücken befinden sich zwei modernere Papierschilder. Der Einband ist vollständig erhalten, weist jedoch an den Ecken und Kanten kleinere Fehlstellen auf und ist stark berieben. Die Pappdeckel sind teilweise gespalten und labil. Der vordere Falz ist offen, die vier Hanfbünde gebrochen und der Vorsatz gerissen. Der Deckel ist nur noch über die Heftung mit dem Buchblock verbunden. Beide Kapitale sind gelöst aber vorhanden. Der Buchblock ist etwas aus der Form, jedoch in gutem Zustand. Das Papier
4.2 Buchrestaurierung am Beispiel einer Buchpatenschaft
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Abb. 4.1 Buch Wiegleb (ULB Düsseldorf) – vor der Restaurierung
ist leicht verschmutzt, ansonsten in sehr gutem Zustand. Auf dem Titelblatt befinden sich zwei Lacksiegel, die leichte Fehlstellen aufweisen. Am linken Siegel befindet sich ein kleiner Brandfleck im Papier. [8]
Im Online-Projekt Wikisource, einer Sammlung von Textquellen, die gemeinfrei oder unter einer freien Lizenz wie der GNU-Lizenz stehen (ein Schwesterprojekt der Wikipedia Foundation), findet man unter Wiegleb zu diesem Werk drei Quellen der Digitalisierung: ULB Düsseldorf, MDZ München, Google, s. dazu [9]. Das Werk in der ULB Düsseldorf stammt aus der Sammlung Vester und wurde im Rahmen eines DFG-Projektes digitalisiert. Die „Pharmaziehistorische Bibliothek Dr. Helmut Vester“ bezeichnet die ULB Düsseldorf der Heinrich-Heine-Universität als eine ihrer bedeutendsten Sammlungen. Die Werke stammen aus dem 16. bis 20. Jahrhundert.
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Der Düsseldorfer Apotheker Vester (1913–2002) hatte die Buchbestände in seinem „Vesters Archiv. Institut für Geschichte der Pharmazie“ in drei Teilbereiche aufgeteilt, von denen sich der erste (B I) und umfangreichste in der ULB Düsseldorf befindet. Von 2009 bis 2012 wurden mit Mitteln der DFG 1900 gemeinfreie Werke digitalisiert (s. Webseite der ULB unter „Besondere Sammlungen“ [10]). Vester hatte in Bonn Pharmazie studiert (Staatsexamen 1936) und danach in Botanik an der Universität in München auch promoviert. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm er die väterliche Löwen-Apotheke in Düsseldorf. 1954 gründete er das „Naturwissenschaftliche Buchantiquariat Dr. Helmut Vester“, 1957 folgte die patentamtliche Eintragung von „Vesters Archiv, Institut für Geschichte der Pharmazie (Pharmaziehistorisches Institut Dr. Helmut Vester)“ und 1986 das „Museum pharmaceuticum“. „Pharmazeutisches Museum Dr. Helmut Vester“ als Warenzeichen. Als Restaurierungsmaßnahmen für das aus dem Jahr 1784 stammende Werk des Apothekers Wiegleb in Langensalza sind vorgesehen: Auslösen der beiden Vorsatzspiegel und Lösen der Ledereinschläge – Der Lederrücken muss abgelöst und die Leimung und Hinterklebung des Buchblocks erneuert und dieser in Form gebracht werden. – Die vier Hanfbünde werden zum Vorderdeckel verlängert und die Heftung stabilisiert. – Beide Kapitale werden verwendet. Die Pappdeckel müssen partiell stabilisiert und an den Ecken mit Japanpapier angesetzt werden. – Unterfüttern der Fehlstellen im Leder, insbesondere im vorderen Falzbereich. – Herstellen der ursprünglichen Vorsatzkonstruktion. Anbringen des originalen Lederrückens und der beiden Vorsatzspiegel. – Die beiden Papierschilder werden gefestigt und verbleiben auf dem Lederrücken. [8]
Der Auftrag für diese Buchrestaurierung in Patenschaft des Autors ging an die Werkstatt Claus Schade in Berlin, Schwanenfeldstraße, in der seit 1993 sieben Restauratoren auf dem Gebiet der Grafik- und Buchrestaurierung zusammenarbeiten, s. hierzu Abb. 4.2. Auf der Webseite der Werkstatt werden zunächst die Charakteristika vor allem alter Bücher, die hier im Kap. 3 beschrieben wurden, zusammenfassend mit folgender Vorbemerkung aufgeführt: „Der Reiz und die Herausforderung der Buchrestaurierung liegen in der Vielfalt der für die Herstellung von Büchern verwendeten Materialien.“ [11]. Und diese Materialien sind: für den Buchblock Papier oder Pergament, für Texte und Darstellungen Tinten, Malfarben oder Druckfarben – und als weitere Beschreibmittel (u. a. für die Anmerkungen des Lesers bzw. Buchbesitzers) Farben aus Kopierstiften und Stempelfarben – und als Einbandmaterialien Papier, Textilien, Leder und Pergament – auch Holz, Metall für die Schließen sowie verschiedenste Materialien für die Heftung der Bücher (Hanfbünde, Heftzwirn). Daraus ergibt sich auch das breite Spektrum möglicher Schäden und Schadensursachen, so dass nach einer Bestandsaufnahme für jedes Buchobjekt ein individuelles Restaurierungskonzept erarbeitet werden muss. Die Arbeiten in dieser Werkstatt umfassen die Restaurierung von Papp-, Gewebe-, Leder- und Pergamentbänden, die Bearbeitung des Buchblocks, das
4.2 Buchrestaurierung am Beispiel einer Buchpatenschaft
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Abb. 4.2 Werkstatt Claus Schade Berlin
Fertigen von Buchschließen und Buchbeschlägen. Ein Anfaserungsgerät ist vorhanden, um stark beschädigte Buchblöcke mit großen Fehlstellen behandeln zu können. Außerdem werden Nassverfahren zur Entsäuerung eingesetzt. Das beschriebene Werk von Wiegleb aus der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf wurde in der Werkstatt für Restaurierung von · Grafik · Foto · Buch Claus Schade in Berlin wie folgt restauriert – die folgenden Angaben stammen aus dem Bericht des Restaurators Christian Fuchs und wurden von Ulrich Schlüter, dem Leiter der Abteilung Bestandserhaltung der ULB Düsseldorf, ergänzt, vgl. hierzu [12]. Zunächst erfolgte eine detaillierte Objekt- und Zustandsbeschreibung zum Einband, zur Heftung, zum Kapital, zum Buchblock und des Papiers. Mit Kapital oder Kapitalband [13] wird ein in der Buchbinderei gewebtes Schutz- und Zierband mit schmaler Wulstkante bezeichnet, das oben und unten am Buchblockrücken angeklebt wird. Bei dem vorliegenden Einband wurde jedoch ein mehrfarbiges, handgestochenes Kapital über grob gewebtes Leinen angebracht, das mit dem Buchrücken versteppt und bis auf die Deckel verklebt wurde. Zum Einband Im vorderen Falzbereich waren Bezugsleder und Heftbünde gerissen, ebenso die Verbindung der Kapitale zum Deckel und der innere Falz aus Papier, der Deckel hing lediglich an den Heftfäden und ein Verlust drohte.
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Die Kapitale hatten sich vom Buchblock gelöst, und der hintere Falzbereich war bereits sehr geschwächt. Zum Buchblock Papier leicht verschmutzt. – Einzelne Knicke, Risse und kleinere Fehlstellen. – Lacksiegel auf dem Titelblatt mit leichten Verlusten und Brüchen, im Bereich eines der Siegel Papier mit Brandfleck. – Rückenrundung des Buchblocks aus der Form. – (Auf einzelnen Blättern fanden sich krustenartige Verschmutzungen.) Über die durchgeführten Maßnahmen wird wie folgt berichtet: Trockenreinigung: Es erfolgte eine partielle Trockenreinigung mit einer Buchfalzbürste und einem Latex-Schwamm. Ablösen des Lederrückens Zum Unterlegen des Buchrückens mit neuem Leder musste zunächst das Lederfragment des originalen Buchrückens abgelöst werden. Der Rücken konnte mit einem Spatel vom Buchrücken abgespalten werden. Reinigen des Buchrückens Das Reinigen des Buchrückens erfolgte mit einer Kompresse aus festem Weizenstärkekleister. Nach einer 15-min Einwirkzeit konnten die angequollenen Verschmutzungen und Heißleimreste mit einem Kunststoffspatel abgelöst werden. Die nur fragmentarisch vorhandene, stark abgebaute Rückenhinterklebung aus dünnem Papier konnte nicht zerstörungsfrei abgenommen werden, besaß jedoch auch keine kulturhistorisch wertvollen Informationen. Ablösen Barcode Der auf dem vorderen Buchspiegel befindliche Barcode (selbstklebendes Etikett) wurde abgelöst. Hierzu wurde der Barcode mit Ethylacetat bedampft, um den Klebstoff anzulösen. Danach konnte das Etikett entfernt werden. Die Klebeflächen wurden mit einem Wattestäbchen und Ethylacetat nachgereinigt. Ablösen des Buchspiegels Die Buchspiegel aus Papier wurden von den Deckeln abgelöst. Hierzu wurden die Spiegel mit einem Gore-Tex-Sandwich befeuchtet. Hierdurch wurde der Klebstoff angequollen und beide Spiegel konnten von den Pappdeckeln abgelöst werden. Papierrestaurierung Knicke, Risse und kleine Fehlstellen im Papier des Buchblocks wurden mit unterschiedlich starken Japanpapieren geschlossen. Die Verklebungen wurden mit Weizenstärkekleister ausgeführt. Restaurierung der Vorsätze Die Buchspiegel wurden mit Japanpapier kaschiert. Als Klebemittel diente dabei ein Gemisch aus Weizenstärkekleister und Gelatine. Schäden an den Fliegenden Blättern wurden mit Japanpapier und Weizenstärkekleister geschlossen.
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Sichern der Lacksiegel Die beim Blättern der Seite auftretende Belastung für die Lacksiegel sollte reduziert werden. Hierzu wurden die Lacksiegel mit mehreren Lagen Japanpapier hinterlegt. Dadurch wurden diese Bereiche versteift und die Lacksiegel wurden stabilisiert. Ein in einem der Siegel vorliegender Bruch wurde mit Fischleim gesichert. Nachkleben der Kapitale Die partiellen vom Buchrücken gelösten Kapitale wurden mit einem Gemisch aus Hautleim und Weizenstärkekleister neu verklebt. Verlängern der Heftbünde Die Bünde wurden in gesamter Länge mit Fasern (aufgeschabte Hanfbünde) hinterlegt. Dabei greifen die Faserenden auf die Deckel über und sind auf der Deckelaußenseite verklebt. Die Verklebung mit den Bünden und den Deckeln erfolgte mit Hautleim. Heftung Um eine bessere Verbindung der Bundverlängerungen mit den Bünden zu erreichen, wurde jeweils die äußere Heftung der Lagen nachgeheftet. Runden Das Ableimen des Buchrückens erfolgte mit Hautleim. Nach dem Trocknen wurde der Band in eine leicht runde Form gebracht. Hinterkleben Der Buchrücken wurde in gesamter Länge mit Japanpapier hinterklebt. Die Hinterklebung greift auf die Kapitalbänder über und stabilisiert diese dadurch zusätzlich. Festigen der Deckelpappen Bereiche, in denen die Deckelpappen gespalten waren, wurden nachgeklebt. Die bestoßenen Deckelkanten wurden mit dünnem Leim getränkt und rückgeformt. Fehlstellen im Bereich der Deckelecken wurden mit Japanpapier und einem Kitt aus Cellulosefasern ergänzt. Alle Verklebungen erfolgten mit Hautleim. Einledern Zum Einledern des Buchrückens wurde entsprechend der Farbgebung des originalen Einbandleders ein neuer Ledernutzen aus vegetabil gegerbtem Kalbleder eingefärbt. Das Färben erfolgte mit Luganil (anionische Farbstoffe) Lederfarben (Ansatz: 10 g Farbe auf 1 l Wasser, Farbauftrag mit einem Schwamm). Zur Farbfixierung wurde das Leder mit einer 2 %igen Ameisensäurelösung nachbehandelt. Das Einledern erfolgte mit Weizenstärkekleister und Hautleim (Buchrücken: Kleister und Hautleim; Deckel: Hautleim; Einschläge: Kleister). Der Band wurde mit einem festen Rücken gearbeitet. Fehlstellen im Bereich der Deckelecken und -kanten wurden mit Leder unterlegt. Ergänzen und Festigen des Einbandleders Fehlstellen im Bereich des Einbandleders (Deckel) wurden mit dünnem Leder unterlegt. Gelöste Bereiche des originalen Leders wurden mit Weizenstärkekleister nachgeklebt. Stark beriebene Partien des Einbandleders wurden mit Klucel G, einem Cellulosederivat (gelöst in Isopropanol), gefestigt.
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Aufbringen der Fragmente Die Lederfragmente des Rückenleders wurden ausgedünnt und mit Fischleim auf dem Buchrücken aufgeklebt. Sichern der Titelschilder Die partiell gelösten Titelschilder wurden mit Weizenstärkekleister nachgeklebt. Anpappen der Vorsätze Die Buchspiegel wurden mit Weizenstärkekleister angepappt. Das Anpappen der Spiegel erfolgte bei geöffneten Deckeln (ca. 90° Winkel). [12] Zu den oben genannten Fachbegriffen gibt es. u. a. unter www.buecher-wiki.de/ index.php/BuecherWiki/Buchherstellungs-Glossar [14] informative Erläuterungen: Anpappen als letzter Schritt des Buchbindens. Er besteht in einem Aufkleben der Vorsatzblätter eines Buches auf die inneren Deckelpappen. Buchblock und Buchdeckel werden dadurch fest miteinander verbunden. Buchspiegel: Papierblatt auf der Innenseite des Vorder- und Hinterdeckels, das die Einschläge des Umschlages verdeckt. Die gegenüberliegende Seite heißt Fliegendes Blatt. Bünde dienen der Verbindung der Lagen und zur Befestigung der Buchdeckel an den Buchblock. Es handelt sich meist um Schnüre aus Hanfschnur, die quer über den Buchdeckel laufen. Kapital: s. o. Vorsatz: Es verbindet den Buchblock vorn und hinten mit den Buchdeckeln und ähnelt optisch einer in der Mitte gefalzten Doppelseite. In dem zitierten ausführlichen Bericht zur Buchrestaurierung des Wiegleb-Buches aus der Universitäts- und Landesbibliothek. Düsseldorf sind auch die verwendeten Materialien in einer Übersicht (mit Herkunft bzw. Firma) dokumentiert – so u. a.: Buchfalzbürste aus Schweinsborsten, Latexschwamm aus 100 % Naturlatex, Japanpapier aus Kozo-Fasern, Heftzwirn aus 100 % Flachs ungebleicht. Kozo ist die Bezeichnung für eine Pflanzenfaser als Hauptbestandteil von Washi = Japanpapier vom Papiermaulbeerbaum (Broussonetia papyrifera) aus der Familie der Maulbeergewächse. Es handelt sich um den inneren Bast. Er wird als trockene Rinde angeliefert, über Nacht in Wasser eingeweicht. Danach wird er in einer Pottaschelösung gekocht, bis sich die Fasern leicht auseinanderziehen lassen. Sie werden noch gereinigt und mit einem Holzhammer behandelt, bis sich dann daraus Papier schöpfen lässt. Zu den weiteren Pflanzenarten, die Fasern für die Herstellung von Japanpapier liefern, gehören unter anderen: Mitsumata (Edgeworthia chrysantha) Seidelbastgewächs, Gampi (Daphne sikokiana) sowie Manilahanf (Musa textilis) sowie aus verschiedenen Pflanzen gewonnene Pflanzenschleime. Innerhalb der zitierten Einzelschritte und daran anschließend dokumentieren zahlreiche Fotos den Verlauf und das Ergebnis der erfolgreichen Buchrestaurierung im Rahmen der beschriebenen Buchpatenschaft.
4.3 Verfahren der Buchrestaurierung bzw. Bestandserhaltung
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4.3 Verfahren der Buchrestaurierung bzw. Bestandserhaltung Unter Bestandserhaltung wird die Aufgabe von Bibliotheken und Archiven verstanden, das ihnen anvertraute Kulturgut zu erhalten, d. h. reparable Schäden zu beseitigen und vor weiteren Schäden zu bewahren, um eine dauerhafte Aufbewahrung zu ermöglichen, d. h. zu sichern. Gefahren der Kulturgüter Buch und Archivalie entstehen durch mechanische, chemische und biologische Prozesse. Als Großschadensfälle wurden bereits der Einsturz des Kölner Stadtarchivs und der Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek vorgestellt (Abschn. 1.2.1 und 1.2.2 – s. auch Abschn. 5.1 und 5.3). Zusammenfassend lassen sich die möglichen Schäden wie folgt benennen: 1. Chemische Schäden: Papierzerfall durch Säurebildung in ligninhaltigem Papier (Abschn. 3.1.3.2), Tintenfraß (Abschn. 4.3.4), Verblassen von Schreibstoffen durch Lichteinfluss, Rost aus Metallteilen, Weichmacher u. a. aus Klebestreifen. 2. Biologische Schäden: Befall u. a. durch Schimmelpilze, Fraßstellen durch Mäuse und Silberfischchen. 3. Mechanische Schäden: Risse, Abrieb oder Abplatzen von Schreibstoffen durch Benutzung, Abreißen von Buchrücken durch unsachgemäße Benutzung (u. a. durch die Entnahme aus den Regalen). Als eine präventive Bestandserhaltung wird die Schaffung von Problembewusstheit und natürlich auch Grundkenntnisse über die Schadensmöglichkeiten des Fachpersonals in Bibliotheken und Archiven und vor allem auch der Benutzer, wodurch sich der meist beträchtliche und kostspielige Aufwand für Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen verringern lässt. Hohe Luftfeuchtigkeit und Wärme sind entscheidende Faktoren (s. Abschn. 3.1.3.2) für die chemischen und biochemischen Vorgänge des Zerfalls, so dass eine Temperatur von ca. 18 °C bei einer Luftfeuchtigkeit von ca. 50 % gefordert wird. 2011 entstand die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes (KEK) an der Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Inspiriert wurde die KEK durch die bereits 2001 gegründete Allianz Schriftliches Kulturgut Erhalten als Zusammenschluss von 12 Archiven und Bibliotheken in Deutschland. Diese Allianz stellte sich die Aufgabe, die Bedeutsamkeit des Erhalts von schriftlichem Kulturgut als Originale (trotz der Möglichkeit der Digitalisierung) als eine nationale Aufgabe im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Die KEK gibt bundesweite Handlungsempfehlungen heraus und fördert mit Mitteln aus dem Haushalt des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und über die Kulturstiftung der Länder (KSL) Modellprojekte zur Bestandserhaltung.
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4.3.1 Schadensfeststellung Bereits 1977 formulierten die Teilnehmer des Wolfenbütteler Symposiums „Das alte Buch als Aufgabe für Naturwissenschaft und Forschung“ ein Formular zu einem Restaurierungsauftrag. Als Schadensarten werden genannt: Schmutz (Staub – Ruß) – Flecken – Fett – Säure – Brand – Wasser – Feuchtigkeit – Austrocknung – (Sonnen)Licht – Schimmelpilz – Papierzerfall – Lederverfall – Schadinsekten – Tintenfraß – Verschleiß [15]
Und in einem Restaurierungsbericht finden sich dann auch Angaben zu den ausgeführten Arbeiten – so z. B. zum Buchblock: gereinigt naß/trocken – desinfiziert – chemisch behandelt – getrocknet – eingebettet – laminiert – teilweise/insgesamt. Fehlstellen ergänzt – angefasert – nachgeleimt – beschnitten …
Auch das Restaurierungsmaterial wird genannt: (Angaben, welches Material an welchen Teilen des restaurierten Stückes verwendet worden ist): Leder (Schwein – Kalb – Ziege) – Pergament – Seide – Rohleinen – Japanpapier Folie: (Fabrikat), Moleskin – Elefantenhaut – Buntpapier – Büttenpapier – Sonstige Papiere Bienenwachs: / Klebstoffe (Reis-, Weizenstärke, Hautleim) / Chemikalien: / Metalle: / [15]
(Moleskin: auch Englischleder genannt, ein kräftiger, einfarbiger Baumwollstoff mit hoher Schuss- (parallele Fäden) und geringer Kettdichte (Fäden in Längsrichtung). Ein strapazierfähiges Gewebe, dass u. a. zu warmer Berufskleidung und bei der Bundeswehr auch zur Ausstattung der Soldaten genutzt wurde). Wolfgang Wächter führt in einem Abschnitt zur Schadensfeststellung u. a. an: Am Beginn aller restauratorischen und konservatorischen Unternehmungen steht eine exakte Analyse des Zustandes des zu behandelnden Objektes. Das Ergebnis dieser Untersuchung bestimmt: a) die Wahl der Behandlungsmethode b) die zur Anwendung kommenden Materialien und Hilfsmittel c) den Gesamtaufwand (Zeit, Vorrichtungen, ästhetische Gesichtspunkte). [16]
(s. auch im Abschn. 4.2). Wolfgang Wächter stellt fest, dass sich die Schadensbilder selten eindeutig darstellen ließen. Zunächst sei die Entstehungszeit des vorliegenden Buches von Bedeutung, woraus sich Schlussfolgerungen auf die Beschaffenheit der historischen Materialien ziehen ließen. Und er fordert eine genaue optische Untersuchung mit Vergrößerungsgeräten. Als wichtige Einzelheiten bei dieser Untersuchung nennt er u. a. die Abgrenzung zwischen geschädigtem und
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gesundem Material, die Feststellung des pH-Wertes, die Feststellung der Löslichkeit von Verunreinigungen und die Überprüfung der Stabilität bzw. des Zustandes von Farben, Tinten und Tuschen. Zur Abrundung des Schadensbildes sollten auch geprüft werden, ob frühere Restaurierungen oder sogar Verfälschungen erkennbar seien, wozu eine Quarzlicht(UV)-Lampe hilfreich sei. Die Schadensfälle lassen sich in drei Bereiche einteilen: 1. Mechanische Schäden. Beispiele: Risse im Papier, fehlende Ecken, Schäden am Einband; sie sind meist mit weiteren Schäden verbunden. 2. Biologische Schäden. Die Arten von Organismen, die sehr unterschiedliche Schadbilder an Büchern erzeugen, reichen von Mikroorganismen (Bakterien und Schimmelpilze), Insekten (Schaben, Bücherläuse, Termiten, Motten, Käfer), Silberfischchen (Lepisma saccharina; mit Vorliebe für Kohlenhydrate) bis zu Nagetieren. 3. Chemische Schäden. Zu unterscheiden ist zwischen Reaktionen, die durch Materialbestandteile hervorgerufen bzw. beschleunigt werden, und solchen Reaktionen, die durch von außen eindringende Substanzen (z. B. Wasser) versursacht werden. Eine sehr anschauliche Beschreibung von Ulrike Hähner [17] der Schäden durch Feuer und Löschwasser am Beispiel der Herzogin Anna Amalia Bibliothek – s. Abschn. 1.2.1 – lautet: In Weimar waren durch das Feuer und die Hitzeeinwirkung, den Einsatz von Löschmitteln und die mechanischen Belastungen der Bergung die verschiedenen Materialien – der hauptsächliche Schriftträger Papier, die Einbandmaterialien Pappe, Papier, Leder, Pergament und Gewebe, die kollagen- und stärkehaltigen Klebstoffe sowie die verschiedenen Schreib-, Zeichen- und Druckmedien – physisch und chemisch verändert, teilweise mechanisch beschädigt, generell verunreinigt und auch schadstoffbelastet. Die Materialien waren in Folge des Brandes mehr oder weniger stark verbräunt bis geschwärzt, versprödet und brüchig, aufgequollen, geschrumpft, gelatiniert und ganz oder teilwiese verbrannt. [17]
Das Auseinandernehmen eines Buches steht am Anfang aller Reinigungs- und Restaurierungsarbeiten. Dazu gehören: • das Lösen der Vorsätze – Vorsatzblätter verbinden die Einbanddecke mit dem Buchblock; sie schützen das erste (Schmutztitelseite) und letzte Blatt eines Buches, • das Lösen der Rückverleimung (u. a. durch Auftragung von Methylcellulose bei verhärteten Klebstoffschichten), • Trennung der Lagen (bezeichnet den einzelnen aufgeschnittenen Druckbogen) und Sortieren in Schadensgruppen, • Auseinandernehmen des Bucheinbandes und Lösen der Bestandteile (eventueller Beschlagteile von Vergoldungen oder auch Überzugsmaterial) und schließlich • das Reinigen, Stabilisieren und Konservieren der Bestandteile. Vgl. hierzu [18] und [19].
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Vor einer Nasseinigung können je nach Schadensfall weitere Schritte der manuellen oder auch mechanischen Trockenreinigung sinnvoll sein. Insgesamt gilt für einen Restaurator als oberstes Gebot die Suche nach der sichersten Verfahrensweise, um die vorliegende originale Substanz in allen Teilen wiederverwenden zu können, [20] wozu eine buchbinderische Grundausbildung von großem Nutzen ist.
4.3.2 Für Bucheinbände In Leipzig erschien 1925 die deutsche Übersetzung des von Douglas Cockerell 1911 (3. Aufl.) in englischer Sprache veröffentlichten Buches Der Bucheinband und die Pflege des Buches [21]. Im „Kapitel XXI. Schädliche Einflüsse, denen Bücher ausgesetzt sind“, in dem sich der Autor auf „vom Komitee der Society of Arts angestellte Untersuchungen“ bezieht, ist u. a. zu lesen: Gasdünste. (…) Die schädlichen Einflüsse von Gasdünsten auf Leder sind seit langer Zeit erkannt worden und Gas ist infolgedessen in vielen Bibliotheken abgeschafft worden, Wenn Bücher aufbewahrt werden müssen, wo Gas gebrannt wird, so darf man sie nicht hoch oben im Zimmer unterbringen, und es muß stets für Ventilation gesorgt werden. Es ist aber bei weitem besser, den Gebrauch von Gas überhaupt in Bibliotheken zu vermeiden. Licht. Das Komitee berichtet ferner, daß ‚Licht, besonders direktes Sonnenlicht und heiße Luft, zerstörende Eigenschaften besitzen, (…), und es kann nicht streng genug auf gemäßigte Temperaturen und gründliche Lüftung in Bibliotheken gedrungen werden.‘ Die Wirkung des Lichtes auf Leder ist eine zersetzende. (…) Das Leder, auf der Seite der Bücherrücken, die am nächsten dem Lichte war, war völlig zerstört und zerfiel bei der leichtesten Reibung zu Staub, während es auf der dem Licht abgekehrten Seite verhältnismäßig intakt war. Pergamentbände waren noch mehr angegriffen als Lederbände. (…) Tabak. (…) Tabakrauch hatte einen (…) dunkelnden und zerstörenden Einfluß (am wenigsten bei mit Sumach [Gerber-Sumach: vom Färberbaum der Gattung Rhus] gegerbtem Leder bemerkbar), und es kann keine Zweifel darüber obwalten, daß der Verfall der Einbände in einer viel benutzten Bibliothek, in der Rauchen erlaubt war, teilweise diesem Umstande zuzuschreiben ist. Feuchtigkeit. Bücher, die an feuchten Plätzen aufbewahrt werden, werden schimmelig, und Papier sowohl als Leder verderben. (…) Bücherregale sollten nie gegen die Wand gestellt, noch dürfen Bücher auf dem Fußboden gesetzt werden. Es muß immer soviel Raum sein, daß die Luft alle Seiten der Bücherregale bestreichen kann. (…) Hitze. Während Feuchtigkeit sehr schädlich für Bücher ist, weil es die Entwicklung von Schimmel hervorruft, ist überheiße Luft fast ebenso schlecht, denn sie läßt das Leder austrocknen und seine Biegsamkeit verlieren. (…) Staub. Bücher sollten wenigstens einmal jedes Jahr heruntergenommen, abgestäubt und gelüftet, die Einbände mit einem konservierenden Mittel abgerieben werden. Um ein Buch abzustauben, nimmt man es vom Brette, dreht, ohne es zu öffnen, die obere Seite nach unten und berührt es leicht mit einem Federwedel. Wenn man ein Buch mit dem Staub obendrauf lose in der Hand hält und nach aufwärts abstäubt, so könnte Staub zwischen die Blätter fallen. (..) Bücherwürmer. Die als Bücherwürmer bekannte Insekten sind die Larven verschiedener Käferarten, am häufigsten wohl von Anobium domesticum und Niptus
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hololeucus. Sie suchen durchaus nicht etwa nur Bücher heim, sondern auch das Holz der Regale. (…) Bücherwürmer greifen die modernen Bücher nicht so sehr an; wahrscheinlich haben sie eine Abneigung gegen das Alaun im Kleister … In alten Büchern, besonders bei denen, die aus Italien stammen, findet man oft, daß die Bücherwürmer nur in dem Leim des Rückens gehaust haben, und es scheint, daß sie gewöhnlich von dem Leim und Kleister angezogen werden. (…) Ratten und Mäuse. Ratten und Mäuse benagen die Buchrücken, um zu dem Leim zu gelangen … Kellerasseln sind eine weitere Plage in Bibliotheken, wo sie Einbände anfressen… [21]
Diese ausgewählten Zitate vermitteln auch dem Restaurator unserer Zeit einen Hinweis auf Schäden an vor allem Bucheinbänden aus früheren Jahrhunderten, vgl. dazu Abb. 4.3. Als Materialien für Bucheinbände wurden Holz, Pergament, Leder, Papier/ Pappe, Textilien und in der neueren Zeit auch Kunststoffe verwendet (s. auch Abschn. 3.3). Ein Bucheinband besteht aus den Grundelementen Buchdeckel und Überzug. Holzdeckel wurden mit verschieden geformten Durchbrüchen und Vertiefungen zur Aufnahme des Bundmaterials versehen. Die Deckel wurden an den Buchblock angeschnürt, d. h. das Bundmaterial wird durch die vorbereiteten Öffnungen im Holz durchgezogen und anschließend verpflockt. Zum Verpflocken benutzt man kleine Holzdübel, die eingeschlagen werden, um das Zurückziehen der Bünde zu verhindern. An den Vorderkanten der Buchdeckel wurden sehr häufig auch Schließen angebracht. Sie haben den Zweck, die Buchdeckel am Vorderschnitt gut geschlossen zu halten. Außerdem wurden die Einbände seit den frühesten Zeiten auch mit Verzierungen versehen – als Blinddruck, Vergoldung, Bemalung und Lederschnitt, auch als Lederintarsie oder Lederauflage. Zu den historischen Einbandformen gehört auch der Pergamenteinband. „In der karolingischen Zeit unterschied man zwei Typen von Einbänden. Der einfache flexible Pergamentumschlag bestand neben dem Holzdeckeleinband mit Lederbezug und Schließen (…).“ [23]
Als Holz wurde häufig Nussbaumholz verwendet. Wolfgang Wächter beschreibt weitere Entwicklungen wie folgt: Die romanischen Einbände unterscheiden sich von den karolingischen durch die Verwendung dünner Holzdeckel. (…) Die gotischen Bucheinbände sind gekennzeichnet durch die zunehmende Vervollkommnung der Bindetechnik. (…) Kalb-, Rind- und Schweinsleder sind die bevorzugten Einbandmaterialien des Mittelalters, die neben Schafund Wildleder verarbeitet wurden. [23]
Für den Buchbinder vermittelt das genannte Buch von Wolfgang Wächter zahlreiche technische Details. Schäden an Holzeinbänden können sowohl mechanischer als auch biologische Art (durch Holzwürmer) sein. Bei sehr umfangreichen Schäden ist meist ein Ersatz durch die gleiche Holzart erforderlich. Auch Schließen aus Metall müssen in manchen Fällen neu hergestellt werden.
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Abb. 4.3 Restaurierung eines mittelalterlichen Holzdeckeinbandes. „Die Restaurierung eines spätmittelalterlichen Holzdeckeleinbands im Stil und Technik der Entstehungszeit verlangt Heftung auf echte erhabene Doppelbünde, handgestochene Kapitale, Verpflockung der Bundund Kapitalschnüre in den Holdeckeln, wobei Fehlstellen mit nachgefärbtem Leder ergänzt werden.“, © [22]
Schäden an der Leder- und Pergamenteinbänden lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die häufigsten Schäden am Leder entstehen durch die Austrocknung während der Alterung. Kapillar gebundenes Wasser geht verloren, das Leder versprödet, und es treten auch Abbauvorgänge am kollagenen Fasergefüge ein, die zu einem Verlust von Bindungen zwischen Faser und Gerbstoff führen. Die restauratorische Bearbeitung umfasst nach Wolfgang Wächter die Reinigung, Neutralisierung und Stabilisierung des Materials. Er empfiehlt eine sparsame Verwendung von Wasser, damit es nicht zu einer starken Auswaschung von z. B. schützenden Gerbstoff
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kommt. Zur Neutralisierung nennt er eine 5 %ige Natriumlactatlösung und auch den Zusatz von Fetten, um die Elastizität des Leders zu verbessern, und auch die Anwendung von Glycerin. Für die Reinigung von Pergamenteinbänden wird die Trockenreinigung bevorzugt. Durch Radieren, Schaben oder sogar Schleifen lässt sich der Oberflächenschmutz weitgehend entfernen. Um deformierte Pergamente schonend zu glätten, ist eine gezielte und dosierte Wasserzufuhr notwendig. (…) In feuchten Kammern nimmt das Pergament ohne direkten Kontakt soviel Wasser im dampfförmigen Zustand auf, wie zur Erweichung und Glättung notwendig bzw. ausreichend ist. [23]
Für stark verhornte und deformierte Einbände wird noch eine sogenannte Harnstoff-Methode genannt, bei der eine alkoholische Lösung von Harnstoff verwendet wird. Der polare Harnstoff lagert sich zwischen den reaktionsfähigen Teilen des Kollagengerüstes ein und vergrößert so den Abstand zwischen den Polypeptidketten. Daraus ergibt sich dann eine größere Beweglichkeit der Fasern gegeneinander, womit eine Erweichung des Materials verbunden ist. Als Fazit der Restaurierungsmaßnahmen an Bucheinbänden stellt Wolfgang Wächter fest: Der Bucheinband als Gegenstand der Tätigkeit des Restaurators bedingt in erster Linie die Kenntnis der unterschiedlichen technischen Verfahren der Herstellung und ihrer wesentlichen Entwicklungsphasen. (…) So wichtig und fördernd die Kenntnis(se) der technischen, ästhetischen und kunsthistorischen Zusammenhänge für den Restaurator sind, entheben sie ihn nicht der Pflicht, das vorliegende Arbeitsobjekt mit seinen individuellen Besonderheiten zu erfassen. Für den Buchrestaurator stellt die Ausnahme die Regel dar. [23]
Deshalb berichtet Wolfgang Wächter in seinem Kap. 7 daran anschließend auch in großem Umfang über die Details zur technisch-handwerklichen Herstellung von Bucheinbänden.
4.3.3 Für Beschreibstoffe Papyrus Konservierung und Restaurierung von Handschriften aus Papyrus beinhalten Aufgaben für Spezialisten – sie sind technologisch und methodisch grundlegend nicht bzw. unzureichend zu beschreiben und hängen besonders von der Geschicklichkeit des Restaurators ab. Wesentliche Aufgaben sind das Entrollen der meist sehr brüchigen alten Rollen, ihre Festigung, die Restaurierung von Fehlstellen und oft das Einlegen unter Glas. Das Entrollen kann unter Dampf, durch längere Lagerung in feuchten Räumen oder auch durch trockene Wärme erfolgen. Die Festigung brüchiger Papyrusblätter ist durch Aufziehen auf ungebleichte Papyrusblätter oder auch durch Tränken mit
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Papyrussaft möglich. Der Papyrussaft wird aus dem Mark von Papyrusstauden gepresst. Ebenso kann Methylcellulose oder ein Gemisch mit Papyrussaft verwendet werden – jeweils auf der unbeschrifteten Seite. Die beschriftete Seite sollte möglichst nicht behandelt werden. Das Ausfüllen von Fehlstellen im Papyrusblatt erfolgt mit flüssigem Papyrusbrei, der z. B. aus Papyrusmakulatur in einem Mixer gewonnen wird [24]. Pergament Das hinsichtlich seiner Konsistenz stabilste Beschreibmittel Pergament ist jedoch sensibel bzw. instabil durch seine Hygroskopizität und seine ständige Neigung zum Wellen, Dehnen oder Zusammenziehen. Es entspricht in vielen Eigenschaften einem ungegerbten Leder. Zusätzlich ist auch noch die Alkalinität (s. Abschn. 3.1.2) zu berücksichtigen. Reinigungsschritte können generell mechanisch ausgeführt werden, denn durch „Schaben“ wurde es ja auch hergestellt. Als Nassreinigung empfiehlt Otto Wächter, „sofern die Schrift und rubrizierte Teile [= mit roten Initialen] dies vertragen“ [24], ein Bad in einem Alkohol-Wasser-Gemisch 1:1 in Form einer „Unterwassermassage bei kreisförmiger Behandlung mit einem flache Pinsel“ [24]. Verhärtete Pergamente kommen häufig vor. Und in diesen Fällen werden Verfahren wie die Anwendung einer Dunstkammer, eine sparsame Massage mit Glycerin, vor allem dann, wenn ein Pergament nach dem Trocknen besonders stark erhärtet, eine ebenfalls sparsame Verwendung von Fetten und auch Harnstoff, für sehr verhärtete, angekohlte und verbrannte Pergamente. (…) Harnstoff ist eine polare Substanz, reagiert mit polaren Gruppen des collagenen Anteils des Pergaments (des verleimten Anteils), trennt die polypeptidischen Ketten und vergrößert ihre Distanz untereinander. [24]
Es werden u. a. 10 %ige alkoholische Lösungen von Harnstoff mit weiteren speziellen Zusätzen beschrieben. Zur Fleckenentfernung auf Pergament empfiehlt O. Wächter Wasserstoffperoxid (mit Zusatz von einigen Tropfen Ammoniak). Risse werden durch Einbetten von Pergamentteilen mithilfe unterschiedlicher Klebemittel (Beispiele: Weizenkleister, Pergamentleim, Methylcellulose) geschlossen. Als mechanische Verfahren der Pergamentrestaurierung sind vor allem das Glätten durch Pressen und das Spannen in einem Spannrahmen zu nennen [25]. Papier Die Entsäuerung von Papier dient der Bestandserhaltung, sie soll es vor einem fortschreitenden Zerfall retten. Mit dem Begriff Entsäuerung werden die Maßnahmen zur Entfernung oder Neutralisierung von sauren Substanzen aus dem Papier zusammengefasst, die vor allem zu einem Abbau der Cellulose führen (s. hier Abschn. 3.1.3.2 im Abschn. 3.1.3). 1979 veröffentlichte Der Spiegel (Heft 13) unter der Überschrift „Bibliotheken fürchten um einen Teil ihrer Bestände: Bücher, die vor 1840 gedruckt wurden, zerfallen zu Staub“ einen Artikel zum Thema säurehaltiger Papiere: „… Papier aus
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Holz, dessen Leimung den Einsatz von Aluminiumsulfat erfordert. Aluminiumsulfat jedoch reagiert sauer auf Wasser. (…) Zudem verhindert Aluminiumsulfat, daß sich während des Produktionsprozesses Wasserkalk im Papier ablagert – bei alten Papiersorten ein wirksamer Säurekiller.“ [26]. In diesem Beitrag wird auch der damalige Chefrestaurator der Universitätsbibliothek Göttingen Günther Brannahl (damals auch (von 1983–1987) Präsident der IADA = Internationale Arbeitsgemeinschaft der Archiv-, Bibliotheks- und Graphikrestauratoren) mehrmals zitiert. In meinem privaten Archiv befindet sich aus dem Jahr 1986 aus der Fachzeitung „Chemische Rundschau“ (25. Juli 1986, Nr. 30) – bereits stark vergilbt! – der Aufsatz „Für Geisteswissenschaften ein Buch mit sieben Siegeln. Die Chemie hilft beim Restaurieren“ [27], in dem ein Beispiel für die Papierentsäuerung beschrieben wird: Die Erhaltung kostbarer alter Bücher ist eine Wissenschaft für sich geworden. Internationalen Fachruhm genießt Günther Brannahl. Wenn man ein Restaurierlabor betritt, wie man es heute schon an mehreren großen deutschen Staats- und Universitätsbibliotheken finden kann, ist es für einen Naturwissenschaftler nicht schwer, sich zurechtzufinden. Besonders eindrucksvoll ist die Papierwäsche, wo die einzelnen Blätter zwischen Sieben liegend gewässert werden. Die Wasserbeschaffenheit ist dabei von größter Bedeutung: Geht es darum, alter Wasserränder zu entfernen, setzen die Restauratoren dem demineralisierten Wasser Kalziumhydroxid zu, bis die Lauge einen pH-Wert von 8 hat. Göttingen Kreislauf des Wassers Handelt es sich aber um Papiere mit alkaliempfindlichen Farbstoffen oder Tinten, dann muß dieser Lösung so lange Kohlendioxid zugefügt werden, bis der pH-Wert unter 6 liegt. Und geht es um die Entfernung von Bleichmittelrückständen, dann wird so lange nur mit demineralisiertem Wasser gespült, bis Redoxspannung und Leitfähigkeit des Wassers anzeigen, daß alle Chemikalien entfernt wurden. Dieser Göttingen Wasserkreislauf wurde an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek in Göttinger entwickelt …“ [27].
Günter Brannahl (gest. 1987) berichtete bereits 1983 in der Zeitschrift MaltechnikRestauro über „Praktische Erfahrungen bei der Gefriertrocknung wassergeschädigter Bücher“ [28]. Entsäuerung Heute ist es häufig erforderlich, Bücher und Akten in größeren Mengen zu entsäuern. Man spricht dann von einer Massenentsäuerung. Säuren im Papier treten in der Regel herstellungsbedingt auf. Infolge der industriellen Papierproduktion ab der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Verwendung von Holzschliff gelangten sie in das Papier. Bei der Verwendung von Alaun bzw. Aluminiumsulfat entstehen die sauren Hydrogensulfate, und außerdem tragen auch Ligninsulfonsäuren zum Säuregrad eines Papieres bei. Ein niedriger pH-Wert führt zum Abbau der Cellulosefasern, als Degradation bezeichnet. Damit sinkt die Reißfestigkeit, Papiere werden instabil, sie zerfallen. Zur Entsäuerung müssen wasserfreie Lösemittel verwendet werden, in denen sich Substanzen lösen, welche Säuren binden (neutralisieren) können. Ein Beispiel ist das sogenannte Batelle-Verfahren, in dem Titan-Magnesium-Ethylat im
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Lösemittel Hexamethyldisiloxan gelöst eingesetzt wird. Es wurde in der ersten deutschen Massenentsäuerungsanlage 2001 im Zentrum für Bucherhaltung in Leipzig eingesetzt. Über ein weiteres Verfahren, das die Entsäuerung in der Gasphase beinhaltet, entwickelt von einem hessischen Ingenieurbüro in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Hannover, wurde 2010 berichtet: Es verwendete ein Gemisch aus Magnesiumoxid und Fluorkohlenwasserstoffen in einem geschlossenen, hochdichten System. Im Zentrum für Bucherhaltung in Leipzig wird in einem Dispersionsverfahren eine Mischung von Magnesiumoxid und Calciumcarbonat im Trägermedium n-Heptan suspendiert eingesetzt. Der Anteil an Feststoffen, der im Papier verbleibt, stellt die sogenannte alkalische Reserve da. Bei einem Feuchtigkeitseinfluss bildet sich zunächst Magnesiumhydroxid, das sich durch die Einwirkung von Kohlenstoffdioxid aus der Umgebungsluft in basisches Magnesiumcarbonat (Hydrogencarbonat) umwandelt. Die Entsäuerung von Einzelblättern erfolgt mit wässrigen Pufferlösungen. Die als Bückeburger Verfahren bezeichnete Papierentsäuerung wird zur maschinellen Entsäuerung von Einzelblättern eingesetzt. Die Behandlungslösung enthält Substanzen zur Fixierung wasserempfindlicher Schreibstoffe, Magnesiumhydrogencarbonat zur Entsäuerung und Pufferung sowie Methylcellulose zur Verfestigung der Papiere. In der Entsäuerungsanlage laufen die Blätter zwischen zwei Gitterbändern durch das Behandlungsbad. Das Fixiermittel verhindert das Verlaufen wasserempfindlicher Farbmittel, die Säuren reagieren mit dem Hydrogencarbonat unter Freisetzung von Kohlenstoffdioxid, und im Papier verbleibt auch das Salz als basischer Puffer. Die Methylcellulose stabilisiert die Cellulosefasern. Auf Bürstenbändern werden die Blätter aus dem Bad zum Trockenkanal transportiert, wo sie bei Temperaturen von 50–55 °C unter Ventilatoren getrocknet werden. Da es im wässrigen Bad zu Quellvorgängen und Verwellungen der Blätter kommt, müssen sie daher abschließend in Pressen geglättet werden. Die pH-Werte im Papier betragen nach dieser Entsäuerung 8,0–8,5 [29]. In anderen Verfahren wird anstelle von Magnesiumhydrogencarbonat auch Calciumhydrogencarbonat verwendet. Wesentlich ist, dass nach der Entsäuerung im Papier noch eine alkalische Reserve als Puffer verbleibt. Papierspaltverfahren Dieses sehr aufwändige, in den 1960er-Jahren von dem Restaurator Günter Müller an der Universität Jena entwickelten Verfahren wird nur für sehr stark, z. B. durch Tintenfraß geschädigte Papiere, eingesetzt. Tintenfraß entsteht durch eisenvitriolhaltige Tinten wie die seit dem 3. Jahrhundert vor Christus verwendete Eisengallustinte. Durch die Einwirkung von Feuchtigkeit bildet sich Schwefelsäure, so dass das Papier bzw. die Cellulose im Bereich der Schrift zerfällt. Die einzelnen Schritte dieses Verfahrens beginnen in einem speziellen Bad, in dem das Papier aufquillt und Schadstoffe aus dem Papier ausgewaschen werden. Danach werden Vorder- und Rückseite (auch als Schön- und Siebseite bezeichnet) mit einem mit Gelatinekleber behafteten Kaschier- oder Trägerpapier beklebt;
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das Anpressen der Kaschierpapiere erfolgt mit einer hydraulischen Presse. Anstelle eines Bades kann auch ein Befeuchten verwendet werden, wobei das Papier ebenfalls aufquillt. Und so lässt es sich dann in zwei Hälften auseinanderziehen, in zwei Hälften spalten. Zwischen beide Hälften wird ein dünnes, säurefreies und gepuffertes (durch Calciumcarbonat) Japanpapier (Kernblatt) ebenfalls unter Druck eingeklebt, die beiden Originalhälften werden wieder miteinander verbunden. Zum Abschluss werden die beiden Kaschierpapiere in einem letzten Tauchbad mit Enzymen infolge der Auflösung des Gelatineklebers wieder entfernt (s. auch Kurzbeschreibung in Abschn. 5.4). Stockflecken Stockflecken sind Feuchtigkeitsschäden, die auf Papier (auch in Büchern insgesamt und auf Textilien) gelbliche bis bräunliche Flecken hervorrufen. Mitverantwortlich für deren Entstehung sind wahrscheinlich Bakterien. Auf Pergamenten wurde beispielsweise das Bacterium prodigiosum gefunden, das einen blutroten Farbstoff bildet. Stockflecken verursachen neben einem muffigen Geruch und einer optischen Beeinträchtigung keine direkten Schäden am Papier. Eine Veränderung der Konsistenz wird nicht beobachtet. Otto Wächter schrieb dazu, dass es sich bei den Stockflecken um die farbigen Produkte mikrobieller Schädlinge handele. … eine andere Form der Stockfleckenbildung ist eine Art Ausbildung von Rostflecken durch Eisensalze (Eisenspuren sind als Unreinheiten oft im Papier enthalten) in Zonen des Papiers, die bereits mit Mikroorganismen angegriffen sind. Voraussetzung zu solchen Entwicklungen ist zu hoher Wassergehalt in Luft und Papier für längere Zeit. [30]
Die Mikroorganismen produzieren auch Säuren, welche die Eisenspuren aus dem Papier freisetzen. An vielen Stockflecken fällt auf, dass sie sich oft erst nach dem Austrocknen bilden und an diesen Stellen keine Mikroorganismen mehr nachweisbar sind. Braune Flecken können auch allein durch die Oxidation von eisenhaltigen Einschlüssen im Papier herrühren, die beim Feuchtwerden des Papiers entstanden sind [30]. Vgl. hierzu auch Abb. 4.4. In einem antiquarisch erworbenen Buch zum Thema Buchrestaurierung befand sich eine Karteikarte mit folgender Rezeptur: „Entfernung von Stockflecken aus Büchern. Eine 3–5 %ige wässrige Lösung von Oxalsäure wird mit der gleichen Menge 3 %ige Wasserstoffperoxid-Lösung vermischt und aufgetragen. Anschließend mit verdünntem Salmiakgeist neutralisieren.“ Die Möglichkeiten der Digitalisierung beim Einscannen von stark verblichenen und somit nicht mehr gut lesbarer Buchseiten zeigen die folgenden Abbildungen. Buchseiten aus dem Werk Wilhelm Ostwald: Die wissenschaftlichen Grundlagen der Analytischen Chemie elementar dargestellt, Siebente Auflage 12. bis 15. Tausend, Dresden und Leipzig, Verlag von Theodor Steinkopff 1920 [31] wurden zunächst ohne eine Veränderung der Einstellung mit einem Scanner als Foto und bei 600 dpi Auflösung aufgenommen. Dann wurde mit den Funktionen „Kontrast“ (60 %) und „Helligkeit“ (30 %) der zweite Scan durchgeführt. Der Vergleich in Abb. 4.5 zeigt das Ergebnis.
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Abb. 4.4 Buchseite mit Stockflecken
4 Prinzipien und Verfahren der Buchrestaurierung
4.3 Verfahren der Buchrestaurierung bzw. Bestandserhaltung
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Abb. 4.5 Vergleich der Scans einer vergilbten Buchseite (a) – (b): mit den Funktionen Helligkeit und Kontrast aufgenommen (s. Text), © [31]
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Die Aufhellung und bessere Kontrastierung wird auch bei den im Internet aus den digitalen Bibliotheken zur Verfügung gestellten Werken deutlich. Als Beispiel sei ein Werk von Johann Christian Wiegleb genannt (s. auch Abschn. 4.2): Historisch-kritische Untersuchung der Alchemie, oder der eingebildeten Goldmacherkunst, von ihrem Ursprunge sowohl als Fortgange, und was nun von ihr zu halten sey, Hoffmann, Weimar, neue Ausgabe 1793 – digitalisiert von SLUB Dresden – MDZ München – Google – ÖNB (Österreichische Nationalbibliothek), zu finden unter https://de.wikisource.org/wiki/Johann_Christian_Wiegleb [9]. Von den digitalisierten Unterlagen erscheint z. B. die Titelseite (und auch die anderen Seiten) von Google heller und kontrastreicher als die der Bibliotheken. Bleichverfahren Das für Stockflocken zitierte Verfahren gehört bereits zu den Bleichverfahren in der Buchrestaurierung. Als weitere Bleichverfahren sind zu nennen: Chlorbleiche (mit Chlordioxid oder Calciumhypochlorit – greifen beide das Papier an), UV-Bleiche und die Kaliumpermanganat-Bleiche. Im Folgenden werden aus ökologischen Gründen ausführlicher nur sauerstoffliefernde Verfahren wie die Kaliumpermanganat-Bleiche sowie als Spezialfall die reduzierende Bleiche mit Natriumborhydrid näher vorgestellt [32]. Für ein lokales Bleichen starker Stockflecken wird nicht nur Wasserstoffperoxid, sondern auch eine Lösung von 0,25 bis 0,5 % Natriumborhydrid (NaBH4) angewendet. Diese Lösung wird mehrmals mit einem Pinsel aufgetragen, zwischen jedem Auftragen lässt man die Lösung trocknen. Zum Abschluss werden die beim Bleichen entstandenen Abbau- bzw. Zerfallsprodukte durch Waschen mit warmem Leitungswasser hoher Härtegrade – zur Anlage eine alkalische Reserve, in einem Bad, das mit Calciumcarbonat und Kohlenstoffdioxid auf über 50°dH aufgehärtet wurde – ausgewaschen. Der Zerfall von Wasserstoffperoxid (in Wasser schwach sauer reagierend) unter Bildung von Sauerstoff kann bei einer schnell erfolgten Reaktion durch die Anwesenheit von Katalysatoren (meist Spuren von Schwermetallen) im Bleichbad auch zu Faserschädigungen führen. Das Gleiche gilt für die UV-Bleiche. Sie beruht auf der Bildung von reaktionsfreudigem Ozon (O3) aus dem reaktionsträgen Sauerstoffmolekül (O2): 3O2 + hν (Energie aus UV-Strahlung) → 2O3. Lichtbleichen werden z. B. mit UV-Lampen (Strahlung im Wellenlängenbereich zwischen 280 und 380 nm) bzw. Fluoreszenzlampen durchgeführt. Zu bleichende Blätter werden in einem Leitungswasserbad (aufgehärtet, pH 8,5) mehrere Stunden mit UV-Licht behandelt, vgl. dazu [33]. Am häufigsten kommt die Bleiche mit Kaliumpermanganat zur Anwendung. Strebel verwendet Fluoreszenzröhren (UV-Anteil zwischen 315 und 380 nm von 50 % und zwischen 280 und 315 nm von 6 %). Das Bleichen mit Kaliumpermanganat hat bereits Wolfgang Wächter ausführlich untersucht und beschrieben. Wächter stellt fest: „Kaliumpermanganat ist ein Bleichmittel mit nahezu universellem Charakter.“ [34]. In KMnO4-Bädern werden Lösungen zwischen 0,2 bis 0,5 % in kaltem Wasser eingesetzt. Die einzelnen
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Papierblätter verbleiben ca. 15 min im Bad, und bei Anwesenheit oxidierbarer Stoff im Papier findet folgende Reaktion statt: − 4MnO− 4 + 2H2 O → 4MnO2 + 3O2 + 4OH
Diese Reaktion findet in neutraler Lösung statt. In saurer Lösung ist der Bleicheffekt (die Sauerstoffabgabe) zwar höher, jedoch wird das Papier dabei angegriffen. In neutraler Lösung wird auf der Oberfläche des Papiers Braunstein (Mangandioxid) abgelagert. Die entstandenen Hydroxidionen neutralisieren gleichzeitig vorhandene Säuren im Papier. Als Nebenreaktion können Spuren freier Säure im Papier auch den zweiten Schritt der Oxidation mit Permanganationen zu den farblosen Mangan(II)ionen bewirken:
2MnO2 + 4H3 O+ → 2Mn2+ + 6H2 O + O2 Nach der genannten Einwirkungszeit werden die Papierblätter in ein Spülbad gegeben und in einem weiteren Bad mit einer Lösung aus Natriumdisulfit (Schwefel mit der Oxidationsstufe + 4) vom Braunstein befreit: 2+ MnO2 + S2 O2− + 2HSO4 (Bildung von Hydrogensulfat – 5 + H2 O → Mn Schwefel + 6) Wolfgang Wächter gibt hierfür auch die Bildung von Dithionat (Schwefel mit der Oxidationsstufe + 5) an: − 2+ + S2 O− MnO2 + S2 O− 6 + 2OH 5 + H2 O → Mn
Nach der ersten Reaktionsgleichung entsteht eine saure Verbindung entstehen, die zweite Reaktion ergibt eine alkalische Reaktion. Zum Abschluss des Verfahrens erfolgt noch einmal (oder mehrmals) ein gründliches Spülbad. Die Untersuchungen auch bei höheren Temperaturen mit Kaliumpermanganatlösungen haben gezeigt, dass die Papierstabilität kaum verringert wurde. Im Hinblick auf pH-Veränderungen bei allen Reaktionsschritten mit Kaliumpermanganat wird auf die mögliche Notwendigkeit des Einsatzes einer Pufferlösung hingewiesen. Auch unter extremen Bedingungen (Bäder mit 60 °C, längere Einwirkzeiten) wurde nur eine relativ geringe Abnahme z. B. der Falzfestigkeit (längs von 38 auf 31, quer von 20 auf 13 Doppelfalzungen) festgestellt. Sie ergeben sich nicht nur aus der oxidativen Wirkung des Kaliumpermanganats, sondern auch durch den Verlust an Leimung, wie weitere Untersuchungen zeigen konnten [34].
4.3.4 Für Schriften und Abbildungen Otto Wächter (1982) schrieb unter der Überschrift „Physikalische Methoden zur Erhöhung der Lesbarkeit“ u. a.: Wenn von einem Blatt mit verblaßter Schrift oder auch mit bewußt weggeschabter Schrift (Palimpsest) eine lesbare Photokopie angefertigt werden kann, so wird dies in vielen Fällen dem Leser oder dem Wissenschaftler genügen.
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4 Prinzipien und Verfahren der Buchrestaurierung Durch Fluoreszenz mittel UV-Quecksilberdampflampen, welche die obersten Schichten von Papier, Pigment und Farbstoff erfaßt oder durch Verwendung von Farbfiltern, die ebenfalls oberflächlich differenzieren und durch Infrarotaufnahmen, die bereits die tieferen Schichten erfassen, hat der geschulte Photograph entsprechende Möglichkeiten, lesbare Kopien anzufertigen. [35]
Auch in einer Bachelorarbeit aus dem Jahr 2019 (darüber ausführlich im folgenden Abschnitt) wurden physikalische Methoden angewendet, um die Lesbarkeit der Schrift in einer Pergamenthandschrift zu verbessern. Svenja Tempich gibt dafür im Anhang ihrer Arbeit Restaurierung einer brandgeschädigten Mainzer Pergamenthandschrift aus dem 11. Jahrhundert (TU Köln) im Anhang Beispiele mit UVAufnahmen stark verbräunter Pergamentseiten, auf denen unter den Wellenlängen 570 nm mit dem Langpassfilter 624 nm“ die Schrift teilweise besser lesbar wird. Für andere Folien wurden mit einem Langpassfilter 530 nm bessere Ergebnisse erzielt. Langpassfilter haben einen hohen Transmissionsgrad für lange Wellenlängen und einen geringen Transmissionsgrad für kurze Wellenlängen. Schäden durch Eisengallustinten Seit dem Mittelalter bis in die Neuzeit war der Typ der Eisengallustinte (aus einem Eisensalz und Gerbsäure) im Gebrauch. Zuvor hatte man etwa seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. Rußgummitinten verwendet. Im Unterschied zur Rußtinte ist die Eisengallustinte instabil – sie kann verblassen und wegen der Gehalte an Säuren auch Papier und sogar Pergament beschädigen (Tintenfraß). Zur Anwendung chemischer Methoden in der Restaurierung von Schriften führt Otto Wächter folgende allgemeine, auch heute noch weitgehend geltende Aussagen, anschließend an die genannten physikalisch Methoden, an: Führt nun keine der erwähnten Möglichkeiten zur Erhöhung der Lesbarkeit zu gewünschten Erfolg und soll vor allem die Schrift auf dem Originalblatt selbst regeneriert werden, so ist es Sache des Restaurators, im Einvernehmen mit dem Sammlungsleiter und dem Wissenschaftler, eine chemische Behandlung zu versuchen. Chemisch gesehen ist die Intensivierung verblaßter Tinten ein klarer Fall, vor allem dann, wenn ein Augenblickserfolg erstrebt wird. Dies wird allerdings vom konservatorischen Standpunkt aus gesehen suspekt, wenn die verwendeten Chemikalien im Beschreibstoff bleiben und diesen nach längerer oder auch kürzer Zeit zerstören können … [35]
Otto Wächter gibt daran anschließend zwar einige chemische Behandlungsmethoden an – u. a. zur „Schriftverstärkung“ die Verwendung eines „Galläpfelextraktes in Wasser oder Alkohol“ [35], jedoch bemerkt er bei den meisten chemischen Verfahren, dass sie meist neue Verfärbungen und vor allem auch negative Wirkungen die Beschreibstoffe selbst haben würden. Nur ein Beispiel lässt beschreibt er positiv: Und zur chemischen Verstärkung der verblaßten Eisengallustinten? Man wird einen solchen Prozeß sowieso nur einleiten, wenn man sich auf Grund der Analyse oder der UV-Fluoreszenz informieren konnte, daß genügend Rest-Eisengehalt vorhanden ist. Bei der folgenden Gerbsäurezufuhr bildet sich das Eisen-Gerbsäuremoleküle [Eisengallustinte; chem. hexagonaler Gallussäure-Eisen(III)-1:1-Komplex] so fest, daß es auch im
4.3 Verfahren der Buchrestaurierung bzw. Bestandserhaltung
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nachfolgenden Wasserbad völlig stabil ist. Das Wässern im Fließwasser muß mindestens eine halbe Stunde lang erfolgen, um alle überschüssige Gerbsäure (sie ist ja leicht wasserlöslich) wieder zu entfernen … [35]
Otto Wächter weist daraufhin, dass bei einem Überschuss der chemischen Reagenzien „dann vor allem die unbeschriebenen Stellen in Papier und Pergament entstellt oder zersetzt“ würden VERW. Zu einem weiterem Problem, nämlich dem Abblättern von Pigmenten bzw. Farbschichten, schlug Otto Wächter eine Fixierung in Schritten vor. Für Pergament: „Besprühen mit Alkohol (Vornetzer), Besprühen mit einer Pergamentleimlösung, etwas übertrocknen lassen, einpressen und 24 Stunden trocknen lassen …“ Für Papier: „… mit Alkohol vornetzen, mit MC [Methylcellulose] (ev. mit Netzmittel) oder Hydroxypropylcellulose oberflächlich bestreichen (rasch und zügig), übertrocknen lassen, zwischen gefaltetem Ölpapier einpressen, 24 trocknen lassen …“ Für abblätternde pastöse Farbschichten wird auch die Verwendung eines „käuflichen Fixativsprays (mit rasch verdunstendem Lösungsmittel)“ empfohlen, vgl. hierzu [35].
4.3.5 Ausgewähltes Beispiel: Verfahrensschritte zur Sicherung einer Pergamenthandschrift aus dem 11. Jahrhundert Eine aus der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek von Mainz stammende Pergamenthandschrift (datiert um 1010) mit dem Titel „Collectio antiqua canonum penitentarium“ (eine frühmittelalterliche Sammlung zum kanonischen Recht) wurde aufgrund eines Brandschadens 2018/2019 am Cologne Institute for Conservation Sciences, Fakultät für Kulturwissenschaften der Technischen Hochschule Köln im Rahmen einer Bachelorarbeit (vom 21.05.2019) von Svenja Tempich restauriert. Sie wurde dem Autor dankenswerterweise von den Betreuerinnen Dr. Oltrogge und Prof. Dr. Pataki-Hundt zur Verfügung gestellt. Über die Vorgehensweise der Buchrestaurierung bzw. -konservierung wird an diesem Beispiel im Folgenden Näheres berichtet. In der „Kurzzusammenfassung“ wird der Schaden zunächst wie folgt beschrieben: Die erste und letzte Lage des Buchblocks waren durch einen Brand stark geschädigt; das Pergament verhornt, brüchig und verbräunt. Dadurch wurde auch die Lesbarkeit des Textes beeinträchtigt. Neben dem Brandschaden werden auch Wasserschäden an den Rändern der Pergamentseiten infolge der Löschung des Feuers vermutet, das wahrscheinlich schon im 18. Jahrhundert stattfand. Die Zielsetzung war, „das brüchige Pergament vor weiterem Substanzverlust zu sichern und einen stabilen, benutzbaren und aufschlagbaren Buchblock zu erhalten“. Darüber hinaus sollten Untersuchungen zu Wiedersichtbarmachung der
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Texte durchgeführt werden. Grundsätzlich war die Frage zu beantworten, „welche Schäden überhaupt eine Behandlungsmaßnahme erfordern“, und dazu sollte zunächst eine „Schadenskatalogisierung“ erfolgen. Die Schadensanalyse beginnt mit dem Bucheinband. Der Codex besteht aus einem halbbezogenen Holzdeckeleinband, vermutlich aus dem 18. Jahrhundert, der dem geschädigten Buchblock angepasst wurde. Der Pergamentbuchblock, die Heftung und die Rückenleimung sind Originalsubstanzen des 11. Jahrhunderts. Der Deckel besteht aus Buchenholz (Rotbuche) – identifiziert anhand des braun-rötlichen Farbtons und „der deutlich sichtbaren, eher homogenen Holz strahlen“. Der Buchblock sowie der Lederrücken sind konkav gewölbt. Für die näheren Untersuchungen wurde die Betrachtung des Vorderdeckels mit UV-Strahlung (320 bis 400 nm) ausgewertet. Dabei konnten auf dem Holzdeckel partiell fluoreszierende Bereiche festgestellt werden – verstärkt am Übergang zwischen Leder und Holz. Sie lassen sich auf die Herstellung des Einbandes beim Verleimen offensichtlich mit Glutinleim zurückführen, der unter UV-Strahlung fluoresziert. Die Buchschließen sind aus Eisen gefertigt und wurden „… mittig an der Vorderkante mit dem Lager am Rand des Buchdeckels mit je drei Nägeln an jeder Hafte befestigt. Die Nägel wurden in den Innenseiten der Holzdeckel vernietet. Die Ganzmetallschließe ist mit einem Hakenverschlusse versehen.“ Da keine grünen Ausblühungen (Hinweis auf Messing) festzustellen waren, konnte das Material eindeutig als Eisen (braun korrodierend) identifiziert werden. Der Buchblock selbst wies wie bereits erwähnt vor allem in den ersten und letzten Lagen starke Brandschäden auf. „Diese Schädigungen nehmen zur Mitte des Buchblocks stetig ab. Zum Teil sind am Pergamentrand Wasserränder zu beobachten, die unterschiedlich stark Verschmutzungen bzw. Ruß in das Pergament geschwemmt haben.“ Außerdem sind die Pergamentblätter verwellt. Im Buchblock wurden Flecken sowohl aus Ruß als auch Rost (s. Buchschließe) festgestellt. Auch der Klebstoff aus der Rückenableimung war in den Buchblock gewandert und hatte Lagen oder Doppelblätter verklebt.
Exkurs zum Glutinleim
Es handelt sich bei diesem Leim um einen in Wasser löslichen Klebstoff. Er wird aus tierischen Körpern durch Auskochen gewonnen, wobei eine Gallerte mit dem Hauptbestandteil Glutin (einem Gemisch aus hydrolysierten Proteinen, nicht zu verwechseln mit Gluten, dem pflanzlichen Klebereiweiß aus Getreide) entsteht. Gereinigtes Glutin wird als Gelatine bezeichnet. Glutin ist eine wässrige Lösung der Kollagene (Gerüsteiweißstoffe des Bindegewebes) in Wasser, das durch Hydrolyse entsteht. Je nach Herkunft unterscheidet man verschiedene Leime. Hautleim und Hasenleim sind helle Knochenleime, Hasenleim ist ein elastischer und heller Hautleim. Sie werden (und wurden) bevorzugt beim handwerklichen Buchbinden und in der zeitgenössischen Restaurierung alter Bücher verwendet. Knochenleim wird heute fast nicht mehr für die Restaurierung eingesetzt.
4.3 Verfahren der Buchrestaurierung bzw. Bestandserhaltung
89
In der zitierten Bachelorarbeit von Svenja Tempich erfolgte anhand der oben beschriebenen Detailuntersuchungen dann auch eine „kategorische Einteilung“ der Schäden: Als mechanische Schäden wurden die herstellungsbedingten Schäden ( Fehlstellen, Schnitte und Risse durch das Schaben der Pergamenthaut) von denen durch den Brand und auch durch Mäusefraß (Fehlstellen) verursachten unterschieden. Mithilfe des Lichtmikroskops lassen sich die Verbräunungen auf dem Pergament kartieren. Starke Hitze- und Wassereinwirkungen führen zu Austrocknung und Schimmelbildung, die wiederum eine Brüchigkeit und Versteifung des Materials nach sich ziehen. Im Streiflicht sind Verwellungen des Pergaments gut erkennbar. Nur die stärksten Verwellungen sind auf Brand- und Wasserschäden zurückzuführen, wobei das Pergament ungleichmäßig schrumpfte und verhornte. Sie sind als kritisch zu bezeichnen. Anhand der in der genannten Arbeit sehr detailliert dargestellten Schadensanalyse wurde sowohl das Ziel der Restaurierung als auch das Restaurierungskonzept vorgestellt. Es sollte ein stabiler, benutzbarer und aufschlagbarer Buchblock erhalten werden, das brüchige Pergament vor weiterem Substanzverlust gesichert und vor allem die Originalsubstanz erhalten bleiben. Das Restaurierungskonzept unterschied zwei Teile: die Pergamentrestaurierung und die Restaurierung des Einbandes. Die Schritte zur Pergamentrestaurierung sind: Trennung des Buchblocks vom Einband – Trockenreinigung – Reduzierung der Verleimung des Rückens – Einzelblattrestaurierung. Die hier beschriebenen ausgewählten Einzelheiten sollen einen Eindruck von der sehr diffizilen Vorgehensweise bei der Durchführung einer Buchrestaurierung vermitteln, ohne dass alle Details dabei berücksichtigt werden konnten. Das verhornte und teilweise geschrumpfte Pergament kann nach dem Stand der Wissenschaft durch physikalische Verfahren wie das Glätten oder chemische Methoden wie Weichmachen behandelt werden. Zu den physikalischen Verfahren zählt die Behandlung verhornter Pergamente in Feuchtekammern sowie die Anwendung von Gore-Tex-Kompressen in situ. Gore-Tex ist der Markenname für eine mikroporöse Membran aus gestrecktem (expandiertem) Polytetrafluorethylen. Es handelt sich um eine wasserdampfdurchlässige Membran mit ca. 1,3 Mrd. Poren/cm2. Die Poren sind etwa 800-mal so groß wie ein Wasserdampfmolekül, so dass diese durch Poren austreten können. Auch die Trennung des Buchblocks vom Einband kann durch die Quellung des Glutinleims mithilfe von Feuchtigkeit und Wärme erfolgen. Dazu lässt sich die genannte Gore-Tex-Kompresse gezielt und lokal verwenden, die zusätzlich mit Wärmekompressen versehen wird. Zur Trockenreinigung des Buchblocks werden weiche bis mittelharte Pinsel eingesetzt. Die verbräunten Seiten zusätzlich mit einem Radiergummi oder Latexschwamm zu reinigen, ergab keine sichtbaren Verbesserungen. Und zur Rückenleimreduzierung berichtete Svenja Tempich u. a.: Für den Erhalt der Originalheftung, aber auch der Rückformung des Rückens, wird der Glutinleim auf dem Buchblockrücken abgenommen. Der Klebstoff ist stark vergilbt und verhärtet.“ Eine Quellung des Leimes mithilfe der bereits beschriebenen
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4 Prinzipien und Verfahren der Buchrestaurierung
Gore-Tex-Kompresse war nicht erfolgreich, da der Kontakt der Kompresse zum Klebstoff wegen der starken Unebenheiten des Rückens zu gering war. Deshalb wurde eine viskose 5 %ige Lösung an Methylcellulose verwendet, aus der das Wasser langsam nach dem Bestreichen des Rückenbereiches an den Leim abgegeben und so zu einer langsamen Quellung führt, ohne dass die Feuchtigkeit in das Pergament eindringt. Bereits nach ein bis zwei Minuten ist der Klebstoff so weit erweicht, dass er mit einem Spatel vom Pergament abgenommen werden kann. Um eine vollständige Entfernung des Leimes zu erreichen, muss das Verfahren mehrmals wiederholt werden. Svenja Tempich berichtet daran anschließend: „Da der Glutinleim nur dünn in die Lagen fließen konnte, lassen sich die Lagen bereits mechanisch mit einem Teflonspatel lösen. Nach der Abnahme [des Leimes] kann der Buchblock schon deutlich besser geöffnet werden.“ Als „Schadenskategorie 2“ wird eine „Flexibilisierung und Glättung von Knicken und Falzbereichen, sowie die Rissschließung und Sicherung von Fehlstellen“ bezeichnet. Knicke werden mithilfe von Kompressen geglättet und danach mit Vlies und Löschkarton getrocknet. Risse werden mit Japanpapier hinterlegt und mit Hausenblasenleim verklebt. Die verhornten Pergamente ließen sich nach einer Klimatisierung und unter Druck sehr zufriedenstellend glätten. Mit den beschriebenen Maßnahmen war das erste Ziel, „einen stabilen, benutzbaren und aufschlagbaren Pergamentbuchblock zu erhalten“, erreicht. In einem folgenden Teil der Restaurierung dieser Handschrift wird dann die Einbandrestaurierung erfolgen [14].
Literatur 1. Petersen D-E (Hrsg) (1977) Das alte Buch als Aufgabe für Naturwissenschaft und Forschung 1977 2. Wächter O (1982) Restaurierung und Erhaltung von Büchern, Archivalien und Graphiken. Mit Berücksichtigung des Kulturgutschutzes laut Haager Konvention 1954. Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege. Hrsg. vom Bundesdenkmalamt IX, Wien 3. Wächter O (1982) Restaurierung und Erhaltung von Büchern, Archivalien und Graphiken, Böhlau, Graz, S 104 4. Weber H (1992) (Hrsg) Bestandserhaltung in Archiven und Bibliotheken, Stuttgart. www. buch-papier-restaurierung.de/blaubeurener-empfehlungen/ 5. Jakobi-Mirwald C (2018) Das mittelalterliche Buch. Funktion und Ausstattung, Ditzingen, S 34–35 6. https://www.uni-duesseldorf.de/home/startseite.html. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 7. Wiegleb JC (1784) Onomatologia curiosa, artificiosa et magica, oder natürliches Zauber-Lexicon, in welchem vieles Nützliche und Angenehme aus der Naturgeschichte, Naturlehre und natürlichen Magie nach alphabetischer Ordnung vorgetragen worden, 3. Aufl. Nürnberg, Raos 8. https://www.ulb.hhu.de/forschen-und-erkunden/historische-sammlungen/buchpatenschaft. html. Zugegriffen: 1. Mai 2019 9. https://de.wikisource.org/wiki/Johann_Christian_Wiegleb. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 10. https://www.uni-duesseldorf.de/home/startseite/yacy-suche/?x=0&y=0&query=besondere+ sammlungen. Zugegriffen: 1. Sept. 2019
Literatur
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11. www.claus-schade.de/werkstatt_schade_buchrestaurierung.html. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 12. Fuchs C (2019) Bericht über die Restaurierung des „Wiegleb“-Buches in Zusammenhang mit der Buchpatenschaft der UB Düsseldorf, priv. Mitteilung 13. Brockhaus (2001) Brockhaus Die Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden. Studienausgabe. Zwanzigste, überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bd 11. Leipzig-Mannheim, S 462. 14. www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Buchherstellungs-Glossar. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 15. Petersen D-E (Hrsg) (1977) Das alte Buch als Aufgabe für Naturwissenschaft und Forschung, S 313–314 16. Wächter W (1987) Kap. 2 Vorbereitung zur Naßbehandlung, 3. Aufl. Leipzig, S 27–60 17. Hähner U (2014) 1.3 Interdisziplinäre Restaurierung an der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Versuch einer Analyse. In: Weber J, Hähner U (Hrsg) Restaurieren nach dem Brand. Die Rettung der Bücher der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Petersberg, S 33 18. Wächter W (1987) Buchrestaurierung. Das Grundwissen des Buch- und Papierrestaurators, 3. Aufl. VEB Fachbuchverlag, Leipzig 19. Rautenberg U (2003) Hrsg.: Reclams Sachlexikon des Buches. Von der Handschrift zum E-Book, Ditzingen 20. Hier sollte die Quelle des Zitats stehen 21. Cockerell D (1925) Der Bucheinband und die Pflege des Buches. Ein Handbuch für Buchbinder, Bibliothekare und Bibliophile. Aus dem Englischen übertragen von Felix Hübel, Leipzig (Reprint T. Schäfer Hannover 1998) 22. Bayerische Staatsbibliothek München (1972) Buchrestaurierung. Methoden und Ergebnisse. Ausstellung 11. November 1971. 15. Januar 1972 23. Wächter W (1987) Buchrestaurierung. Das Grundwissen des Buch- und Papierrestaurators, 3. Aufl., VEB Fachbuchverlag, Leipzig 24. Wächter O (1982) Restaurierung und Erhaltung von Büchern, Archivalien und Graphiken. Böhlaus, Wien, S 187–188 25. Wächter O (1982) Restaurierung und Erhaltung von Büchern, Archivalien und Graphiken. Böhlaus, Wien, S 161–171 26. Der Spiegel (Heft 13) 1979, „Bibliotheken fürchten um einen Teil ihrer Bestände: Bücher, die vor 1840 gedruckt wurden, zerfallen zu Staub“, S 232 27. Fachzeitung „Chemische Rundschau“ (25. Juli 1986, Nr. 30) Für Geisteswissenschaften ein Buch mit sieben Siegeln. Die Chemie hilft beim Restaurieren 28. Brannahl G (1983) Praktische Erfahrungen bei der Gefriertrocknung wassergeschädigter Bücher. Maltechnik-Restauro, 89:60–61 29. Schempp N (eingesehen 17.5.2019). www.schempp.de/bestandserhaltung/Einzelblattentsäuerung_Verfahrensbeschreibung.pdf. Papierentsäuerung mit dem Bückeburger Verfahren (BCP) 30. Wächter O (1982) Restaurierung und Erhaltung von Büchern, Archivalien und Graphiken. Böhlaus, Wien, S 41, 113 31. Ostwald W (1920) Die wissenschaftlichen Grundlagen der Analytischen Chemie elementar dargestellt, Siebente Auflage 12. bis 15. Tausend. Verlag Theodor Steinkopff, Dresden 33 Henniges U, Potthast A (2009) Bleaching revistited: impact of oxydative and reductive bleaching. Treatments on cellulose and paper. Restauro 30(4):315–316 33. Strebel M (2014) Restaurierungsprotokoll 121/2013, S 3. https://atelierstrebel.ch/_tmc_ daten/File/Stockflecken.pdf. Zugegriffen: 21. Mai 2019 34. Wächter W (1987) Buchrestaurierung. Das Grundwissen des Buch- und Papierrestaurators, 3.1.2 Kaliumpermanganat-Bleichbad. Leipzig, S 62–64 35. Wächter O (1982) Restaurierung und Erhaltung von Büchern, Archivalien und Graphiken. Böhlaus, Wien
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Zu Besuch in Buchrestaurierwerkstätten
5.1 Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar Die Bestandsaufnahme nach dem verheerenden Brand vom September 2004 (s. Abschn. 1.2.1) lautete: Insgesamt 118.000 Bände waren verbrannt bzw. beschädigt. 28.000 Bände wurden mit Brandschäden geborgen, weitere 32.000 Bände hatten Wasser- oder Hitzeschäden. 28.000 Bände konnten nach der Katastrophe noch unversehrt geborgen werden; mehr als 50.000 Bände wurden jedoch zerstört. In einer Weimarer Spezialwerkstatt für Buchrestaurierung im Ortsteil Lengefeld entwickelte der Diplom-Restaurator Günter Müller ein speziell auf diese Schadensfälle abgestimmtes Restaurierungsverfahren. Die Restauratoren legten die Seiten der Bücher auf ein feines, wasserdurchlässiges Gewebe und behandelten die Blätter mit in Wasser gelösten Papierfasern. Auf diese Weise konnte die weggebrannten Stellen ergänzt werden. Zunächst jedoch wurden die wassergeschädigten Bücher erst tiefgefroren, dann gefriergetrocknet und anschließend im damaligen Zentrum für Bucherhaltung in Leipzig (vgl. hierzu Abschn. 5.4) auch gereinigt und dekontaminiert. Ab November 2005 wurde die Restaurierung der ersten 762 sehr aufwändig restaurierbaren Bücher ausgeschrieben, und es folgten weitere Ausschreibungen, so dass vor allem auswärtige Buchrestaurierwerkstätten mit diesen Aufgaben betraut werden mussten. Die Restaurierwerkstatt der Herzogin Anna Amalia Bibliothek unter dem Chefrestaurator Matthias Hageböck wurde nach dem Brand zwar durch drei Mitarbeiter aufgestockt, doch war auch damit nur mithilfe von außen das umfangreiche Restaurierungsprogramm durchführbar, das schon 2015 weitgehend abgeschlossen sein sollte. Am 9. Mai 2008 hatte die Herzogin Anna Amalia Bibliothek auch eine neue Werkstatt für brandgeschädigtes Schriftgut erhalten. In einem Sonderband Restaurieren nach dem Brand von Jürgen Weber und Ulrike Hähner aus dem Jahr 2014 [1] wird im Detail über die Restaurierung der © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Schwedt, Grundlagen der Buchrestaurierung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61124-1_5
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5 Zu Besuch in Buchrestaurierwerkstätten
unterschiedlichen Bucheinbände berichtet. Daraus werden im Folgenden einige wesentlichen Gesichtspunkte wie auch wichtige Arbeitsmittel genannt. So zählen zu den Arbeitsmitteln Spatel und Falzbeine aus Teflon, Flachpinsel mit synthetischen Haaren, Staubbürsten mit Ziegenhaaren, Pinzetten, Skalpelle und Scheren aus Edelstahl und Pressen. Als Materialien werden genannt: Ergänzungspapiere aus Baumwollsinters und Flachs und Japanpapier, als Klebstoff z. B. Weizenstärkekleister und als weitere Hilfsmittel u. a. Latexschwamm, Löschkarton, Vliese aus Polyester (für die Restaurierung von Papiereinbänden). M. Hageböck berichtete über den Arbeitsablauf zur Restaurierung von Papiereinbänden, dass ein beschädigter Buchrücken zunächst vorsichtig mithilfe eines Teflonspatels abgelöst wurde, dann das maßgerecht hergestellte Ergänzungspapier mit Weizenstärkekleister bestrichen und auf den Rücken aufgebracht und auch originales Marmorpapier wieder zurückgeklebt wurde. Für die Restaurierung eines Ledereinbandes werden als zusätzliche Arbeitsmittel beispielsweise ein Schärfemesser mit flexibler Klinge, ein Handschleifgerät und ein Lederschärfegerät genannt. Zu den Materialien zählen hier Ergänzungsleder (Kalb, vegetabil gegerbt, Nachgerbung mit Aluminiumsalz, gefärbt mit Anilinfarbstoffen). Als Klebstoffe wird hier Störleim neben dem Weizenstärkekleister verwendet, und als Hilfsmittel kommen auch ein synthetisches Schichtsilikat sowie ein Rayon-Vlies zur Anwendung – s. weiter unten zu „Arbeitsmittel für die Einbandrestaurierung“. Die wesentlichen Schritte der Restaurierung werden von Johanna Kraemer im zitierten Sonderband Restaurieren nach dem Brand [1] wie folgt beschrieben (und mit Fotos dokumentiert): Zunächst muss das versprödete Rückenleder abgenommen werden. Dazu wird eine feuchtigkeitszuführende Kompresse hergestellt, indem Rayon-Vlies mit einer Masse aus in Wasser gequollenem Schichtsilikat bestrichen wird. Die Kompresse wird ohne weitere Trennschicht auf den Buchrücken gelegt (…). Das Schichtsilikat wird mit Folie vor dem Austrocknen gesichert und mit Sandsäckchen beschwert. (…) Um einer Fragmentierung des brüchigen Leders sicher vorzubeugen, wird anschließend ein Rayon-Vlies auf den Rücken gelegt und mit Störleim gleichmäßig bestrichen. (…) Sobald der Klebstoff das Papier durchdrungen hat und anhaftet, werden die noch intakten Gelenkbereiche entlang des Rückens mit einem Skalpell durchtrennt. Der Lederrücken wird anschließend mit dem flexiblen Doppelspatel vom Buchblockrücken mechanische gelöst. [2]
Diese originalen Teil werden zusammen mit dem Ergänzungsleder dann zur abschließenden Restaurierung eingesetzt. Zur Restaurierung eines Pergamenteinbandes werden unterschiedliche Japanpapiere, Ergänzungspergament (Natural Calf, ungebleicht) sowie auch eine Klebstoffmischung aus Störleim und Weizenstärkekleister sowie als Bindemittel Methylhydroxyethylcellulose verwendet. Und für Gewebeeinbände wird als Klebstoff ein Dispersionsklebstoff auf Acrylpolymerbasis und als Ergänzungsgewebe Baumwolle (daunendicht, gefärbt mit Reaktivfarbstoffen, lichtecht, wasserfest) beschrieben.
5.2 Institut für Bestandserhaltung und Restaurierung …
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Im Abschn. 2.8 des genannten Sonderbandes sind die „Arbeitsmittel für die Einbandrestaurierung“ vollständig durch Bild und Text erfasst. Dort ist auch die Zubereitung von Störleim, Kleister, Bindemittel und synthetischem Schichtsilikat beschrieben. Für den Hausenleim (Hausenblasenleim = Störleim) werden in Streifen geschnittene Zuchtstörblasen (1,14 g) „mit 10 ml destilliertem Wasser in eine Weithalsgewindeflasche aus Glas gegeben und 24 h bei Raumtemperatur stehen gelassen. Daraufhin wird die gequollene Zuchtstörblase mit dem Wasser in eine Schale mit Ausguss gegeben und püriert …“ Nach eine Erwärmung der so erhaltenen Suspension auf maximal 68 °C erhält man „eine gleichmäßige Klebstofflösung“; filtriert wird durch ein Filtertuch in einem Sieb – beide aus Polyethylen. Vgl. hierzu die Ausführungen von Johanna Kraemer [2]. Der Leim aus einer getrockneten Hausenblase, d. h. der getrockneten Schwimmblase des Hausen (Beluga, Störart), wird auch als Fischleim (Colla pisum) bezeichnet. Er weist im Vergleich zu anderen Tierleimen eine starke Adhäsion, eine hohe Elastizität im ausgehärteten Zustand und eine geringe Viskosität auf.
5.2 Institut für Bestandserhaltung und Restaurierung der Bayerischen Staatsbibliothek in München Das heutige Kompetenzzentrum für die Erhaltung des schriftlichen Kulturerbes besteht in der Bayerischen Staatsbibliothek mit ihrer Vorläuferin schon seit mehr als sechs Jahrzehnten (s. Kap. 1). In der Restaurierung betreut es nicht nur die eigene Bibliothek, sondern auch die anderen bayerischen Bibliotheken. Als Restaurierungsobjekte werden mittelalterliche Handschriften, Inkunabeln, seltene Drucke, Musikhandschriften und historische Notendrucke sowie Atlanten und Karten bearbeitet. Zu den Schwerpunkten dieser Arbeiten zählt u. a. die Stabilisierung von Malschichten (von Rissen, Ausbrüchen oder Abrieb). Zur Sicherung der Malschicht werden unter dem Mikroskop zunächst Stabilitätstests durch minimales Berühren der Farbschollen mit einem sehr feinen Pinsel durchgeführt. Bei labilen Farbschollen wird das Festigungsmittel Hausenblasenlösung mit einem Pinsel appliziert, während es bei pudernden Flächen als Aerosol zerstäubt aufgebracht wird. [3]
Zu Fehlstellen im Papier ist auf der genannten Webseite zu lesen: Das IBR hat verschiedenste Restaurierungstechniken für Papier, Pergament, sowie bei Tinten- und Farbschäden erforscht und weiterentwickelt. (…) Dafür wird zum einen die Farbe des zu restaurierenden Papiers exakt bestimmt, zum anderen die Fehlstelle genau vermessen … [3]
Ein weiterer wichtiger Teilbereich der Buchrestaurierung sind Schäden durch den „Abbau des Pergaments oder Papiers durch Metallionen und Säure in Tinten und Farben“. [3]. Dazu heißt es: „Da Feuchtigkeit den Abbau nur noch beschleunigen
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5 Zu Besuch in Buchrestaurierwerkstätten
würde, wurde am IBR ein Verfahren entwickelt, bei dem betroffene Bereiche mit einem acrylbeschichteten, hauchdünnen Japanpapier laminiert werden.“ [3]. Auf diese Weise wird ein weiterer Zutritt von Feuchtigkeit verhindert. In einer Kooperation zwischen der Bayerischen Staatsbibliothek und der Technischen Universität München findet eine Teilnahme an der Ausbildung im Masterstudiengang „Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft“ statt (Voraussetzung BA-Abschluss im Bereich Grafik, Archiv- und Bibliotheksgut).
5.3 Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum (RDZ) – Historisches Stadtarchiv Köln Der in der Einleitung beschriebene Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln am 1. März 2009, bei dem der gesamte Archivbestand aus über Tausende Jahren Stadt-, Regional- und Kirchengeschichte unter Trümmern stark beschädigt worden war, führte sowohl zur Entstehung eines Neubaus als auch eines Zentrums zur Restaurierung in Köln in einer ehemaligen Lagerhalle mit einer Fläche von 10.000 m2 in Porz-Lind. Der Restaurierungsbedarf wird auf 6000 bis 6500 Personenjahre geschätzt; d. h., 200 Personen wären 30 Jahre mit dieser Aufgabe beschäftigt. Die Stadt Köln stellt dieses kurz RDZ genannte Zentrum ausführlich auf einer Webseite vor (über die Webseite für das Historische Archiv) [4]. Außerdem ist es Besuchergruppen auch möglich, dieses Zentrum zu besichtigen, denen sich der Autor im Juni 2019 auch angeschlossen hatte. Die speziellen Anforderungen an die Restaurierung in diesem großen Umfang – die Archivalien waren nach der Bergung zwischenzeitlich in 20 Asylarchiven zwischengelagert – werden wie folgt beschrieben: Zunächst musste – häufig nach einer Gefriertrocknung bei Wasserschäden – der Betonstaub von jedem einzelnen Archivblatt entfernt werden. Die weiteren Schritte lassen sich zunächst wie folgt zusammenfassen: Glättung – Schließung von Rissen – Ergänzung von Fehlstellen – Fixierung von Siegeln – Entfernung von mikrobiellem Befall – Herstellung neuer Einbände und Schutzverpackungen. Als Kölner Schadensbilder werden beschrieben: Mechanische Beschädigungen (Risse, Schnitte, Brüche, Fehlstellen, Knicke und Stauchungen), die in der Regel auf einfache Weise bei Akten aus Papier bearbeiten lassen; was jedoch für mittelalterliche Handschriften aus Materialien wie Pergament, Leder, Holz und Metall wesentlicher schwieriger und aufwändiger ist. Verschmutzungen (durch alkalischen Betonstaub und Schmutz), die durch teilweise monatelange Berührung mit Grundwasser, Erdreich und Bauschutt aufgetreten sind. Eine oberflächliche trockene Verschmutzung lässt sich mithilfe eines Pinsels oder Kunststoffschwammes entfernen. Ein Schimmelbefall bei feuchten Archivalien muss dagegen speziell behandelt werden.
5.3 Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum (RDZ) …
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Wasserränder durch „Ausbluten“ von Farbmitteln und auch das Auftreten von starken Verwellungen sind Folge sowohl der Tatsache, dass Archivalien an der Einsturzstelle für längere Zeit mit dem Grundwasser in Berührung gekommen sind, als auch durch Regen bei der Bergung. Bei einem mikrobiellen Befall durch Schimmelpilze werden die Archivalien einer Trockenreinigung unterzogen. Die Trockenreinigung ist meist der erste Arbeitsschritt der Restaurierung. Ohne diesen Schritt würden in die dreidimensionalen Strukturen von Papier und Pergament, weniger auf dem glatten Leder, Schmutz und Staub angelagert und bei einer wässrigen Reinigung untrennbar an das Objekt gebunden werden. Hinzu kommt, dass der Betonstaub scharfkantig ist, eine Größe von wenigen Mikrometern aufweist und alkalische pH-Werte bis zu 11 oder 12 aufweist. Er kann somit erhebliche Schäden auch in der inneren Struktur der Materialien erzeugen. Das bedeutete in diesem Fall, dass alle Archivalien – auch bei äußerlich gering erscheinender Verschmutzung – gründlich gereinigt werden mussten. Als Werkzeuge werden Pinsel, Latexschwamm (bindet den Schmutz), Spatel oder sogar ein Skalpell (mit größter Vorsicht zum Abkratzen von fest sitzendem Schmutz) und Druckluft. Druckluft ist jedoch meist nicht allein, sondern in kombinierten Verfahren erfolgreich – so z. B. in der Reihenfolge Pinsel und Druckluft, dann Reinigung mit dem Latexschwamm. Entfernung von Verkrustungen zusätzlich mit dem Skalpell. Als weitere Arbeitsschritte, abhängig von der Art der Beschädigung, werden auf der genannten Webseite [4] aufgeführt: Schließen von Rissen – Ergänzen von Fehlstellen – Glätten von Papier und Pergament – Restaurieren von Buchmalereien – Verkleben von gebrochenen Holzdeckeln – Ergänzen des Einbandleders – Restaurieren von Schließen und Siegeln. Die technische Ausstattung besteht nicht nur aus einer seit August 2011 vorhandenen Gefriertrocknungsanlage. In einem speziellen Labor können Analysen und Arbeiten mit Chemikalien durchgeführt werden. Außerdem stehen zwei Befeuchtungskammern und verschiedene Pressen zur Glättung von Papier und Pergament zur Verfügung. In einem weiteren Arbeitsbereich des RDZ werden mithilfe von Großformatscannern, Buchscannern und weiteren kleineren Scannern Digitali sierungen durchgeführt, deren Ergebnisse im Digitalen Historischen Archiv zur Verfügung gestellt werden. Bei der eingangs genannten Führung im Juni 2019, zehn Jahre nach dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln, durch das RDZ in Köln Porz-Lind, dessen Restaurierungswerkstätten sich im 1. Obergeschoss in einer Möbellagerhalle befinden, beeindruckten vor allem die Dimensionen z. B. der Gefriertrocknungsanlage (bei ‒25 °C über mehrere Tage) und der Pressen im großen Werkraum sowie die Vielzahl der Werkbänke (12) mit Absaugvorrichtungen zur Trockenreinigung (mit Latexschwämmen, Bürsten, Pinsel oder Druckluft) im kleinen Werkraum.
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In einer von der Stadt Köln herausgegebenen Broschüre „Bergen, Ordnen, Restaurieren – Der Wiederaufbau des Historischen Archivs der Stadt Köln“ (2017) [5] ist im Kapitel „Konservierung und Restaurierung“ u. a. zu lesen: Besonderer Zeitdruck bestand bei den eingefrorenen Archivalien: Nach zwei bis drei Jahren im Kühlhaus ist hier mit sekundären Schäden durch die Veränderung der Eiskristalle zu rechnen. Daher musste die Gefriertrocknung aller eingefrorenen Archivalien bis Anfang 2014 abgeschlossen sein, was durch den Betrieb von insgesamt sieben Anlagen deutschlandweit möglich war … [5]
Exkurs: Gefriertrocknung
Als Gefriertrocknung (auch Lyophilisation) bezeichnet man das Trocknen eines tiefgefrorenen Materials im Hochvakuum durch ein Ausfrieren hier des Wassers, das im gefrorenen Zustand (Eis) verdampft (sublimiert). Eine Gefriertrocknungsanlage besteht aus zwei Kammern. Sie sind miteinander verbunden und durch ein Ventil verschließbar. Auf einer beheizten und kühlbaren Stellfläche befindet sich das zu trocknende Material, das zunächst unter Normaldruck tiefgefroren wird. In der zweiten Kammer befindet sich eine Rohrschlange, die von einer kalten Flüssigkeit (Kältemittel) durchströmt wird. Im zweiten Schritt des Verfahrens wird das im Material enthaltene Wasser bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt im Vakuum sublimiert. Dabei wird Energie aufgenommen. Diese thermische Energie wird aus der Umgebung entnommen. Um die Temperatur in der Kammer konstant zu halten, wird daher so viel Wärmeenergie zugeführt, wie vom Wasser als Sublimationsenergie aufgenommen wird. Da durch das Anlegen des Vakuums die Gase aus der Kammer entfernt wurden, besteht die Atmosphäre während des Trocknungsvorganges fast ausschließlich aus Wasserdampf, der sich als Eis auf der kalten Rohrschlange (Kondensator) niederschlägt. Als Sekundärtrocknung bezeichnet man die Entfernung stärker gebundenen Wassers aus dem Material abschließend durch Erwärmen, so dass abschließend ein Wassergehalt von 1–4 % verbleibt. Der Kondensator wird nach dem Schließen des Ventils abgetaut. Als bedeutendster Kooperationspartner – vor allem auch für die Anwendung der Gefriertrocknung – wird das Sächsische Staatsarchiv mit seinem Archivzentrum auf Schloss Hubertusburg bei Wermsdorf genannt. Eine weitere Kooperation besteht mit dem Technischen Zentrum des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen in Münster. Und außerdem wurden zahlreiche Aufträge an externe Dienstleister vergeben. Zu den Kölner Schadensbildern gehören bedingt durch die massive Erschütterung beim Einsturz vielfältige mechanische Schädigungen. „Es handelt sich hierbei um Knicke, Stauchungen, Risse und Fehlstellen bis hin zur völligen Fragmentierung und Deformierung …“ [5]. Je nach Objektart und Material können zur Glättung auch Pressen verwendet werden. Für sehr spezielle
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inzelrestaurierungen (neben der Mengenbehandlung) steht auch „ein Labor für E Materialanalysen sowie spezielle Werkstätten für Foto-, Holz- oder Metallarbeiten zur Verfügung.“ [5]
5.4 Vom Zentrum für Bucherhaltung an der Deutschen Bibliothek zur Preservation Academy (PAL) in Leipzig Der Buchrestaurator und Autor des Buches Buchrestaurierung (3. Aufl. 1987) [6]Wolfgang Wächter in Leipzig – nicht zu verwechseln mit dem österreichischen Buchrestaurator Otto Wächter – war Chefrestaurator in der Deutschen Bücherei in Leipzig (gegründet 1912, heute Deutsche Nationalbibliothek Leipzig) und gründete 1998 das Zentrum für Bucherhaltung an der Deutschen Bücherei Leipzig als eigenständigen Wirtschaftsbetrieb. Die Tageszeitungen Die Welt sowie taz berichteten 2004 bzw. 2006 ausführlich über die daraus entstandene Preservation Academy ab 2004. Unter der Überschrift Entsäuerung im Schonwaschgang berichtete Hendrik Werner [7] über die Arbeiten in der Preservation Academy u. a.: In einem Kühlraum werden bei ‒20 °C die zur Entsäuerung vorgesehenen Bücher zunächst gefriergetrocknet. In einer speziell entwickelten „überdimensionierten Waschmaschine“ werden dann jeweils 50 kg der Bücher mithilfe einer alkalisch-alkoholischen Lösung für drei Stunden der Entsäuerung unterworfen – hier am Beispiel russischer Fachbücher aus der Technischen Informationsbibliothek in Hannover berichtet. In diesem Bericht ist auch zu lesen, dass die Einrichtung der Preservation Academy im Sommer 2003 in Betrieb genommen worden sei – mit dieser kurz beschriebenen Massenentsäuerungsanlage. Erwähnt wird auch das Credo von Wächter: „‚Vorrangig ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Bestandserhaltung‘, dessen avantgardistische Bemühungen um die automatisierte Papierspaltung 1998 zur Gründung des Zentrums für Bucherhaltung an der Deutschen Bücherei Leipzig führten, dessen Chefrestaurator er auch war.“ [7] In ihrem Bericht über eine erfahrene Buchrestauratorin Angelika Starke und ihre Arbeit im PAL berichtete Gabriele Goettle (2006) über Wolfgang Wächter u. a.: Akademischer Direktor der PAL ist ihr ehemaliger Lehrer, Prof. Wolfgang Wächter, der unter Bibliothekaren als einer der besten deutschen Buchrestauratoren bekannt ist und schon zu DDR-Zeiten einen Ruf in internationalen Fachkreisen hatte. [8]
Und daran anschließend heißt es: Die PAL befindet sich sinnigerweise im ‚grafischen Viertel‘, im Osten der Stadt. Das Viertel heißt deshalb so, weil dort im 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg – bis zur Bombardierung 1943 – ein großes Bücherzentrum mit Verlagshäusern, Druckereien und Buchhändlern existierte. [8]
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(Hier befand sich auch der Reclam-Verlag; seit Januar 2019 ist die PAL nicht mehr im Osten der Stadt, sondern im Westen, in der Erich-Zeiger-Allee, ansässig). In diesem sehr ausführlichen Bericht wird u. a. auch die Behandlung mit Gammastrahlen in Radeberg gegen Pilzbefall erwähnt. Und zur genannten Papierspaltung ist zu lesen: Das manuelle Spaltverfahren besteht kurz gesagt darin, dass auf das geschädigte Blatt von beiden Seiten ein mit Gelatine beschichtetes Spezialfilterpapier aufgetragen wird, sodass das Blatt sandwichartig eingebettet ist. Dann wird es gut gepresst (…). Nach dem Pressen kann ich das Blatt problemlos in der Mitte spalten, ich ziehe die beiden elastischen Teile einfach vorsichtig auseinander. (…) Und dann kann ich quasi von innen die Fehlstellen ergänzen. Und dann klebe ich mit Methylcellulose, die ist chemisch rein, ein sehr dünnes Japanpapier in die Mitte zu Stabilisierung. Danach schließe ich die Seite wieder… [8]
Als wichtige Materialien dieser manuell sehr aufwändigen Arbeit werden Gelatine, Japanpapier und Methylcellulose genannt. Die Trägerpapiere mit der Gelatine werden enzymatisch entfernt: Dazu lege ich sie in ein Enzymbad, denn die Enzyme bauen die Gelatine vollständig ab, ohne sich auf den Kernkleber und die Zellulose auszuwirken. Anschließend werden die Enzyme in heißen Wasserbädern immobilisiert und zugleich werden alle Rückstände vom Original entfernt. Die Gelatine hat übrigens nicht nur die beschrieben Funktion, sie hat ja auch die vorzügliche Eigenschaft der Komplexbildner, das heißt, sie verbindet sich mit Eisenionen und eliminiert die Säure aus Eisengallustinten … [8]
Der bereits im Zusammenhang mit der Herzogin Anna Amalia Bibliothek erwähnte Buchrestaurator Günter Müller hatte zusammen mit Wolfgang Wächter die weltweit erste vollautomatische Papierspaltmaschine entwickelt, die 1994 im ZFB in Betrieb genommen wurde. Das Papierspaltverfahren wurde bereits in den 1960er-Jahren von dem Restaurator Günter Müller an der Universität Jena entwickelt, um damit durch Tintenfraß geschädigtes Papier zu restaurieren. Mit der entwickelten Maschine lassen sich pro Tag bis zu 10.000 Blätter spalten (s. auch Abschn. 4.3.3). Heute bestehen noch beide Einrichtungen: Zentrum für Bucherhaltung (ZFB) und die Preservation Academy (PAL). Das ZFB als GmbH (gegründet 1998 als Ausgründung der 1964 an der Deutschen Bücherei eingerichteten Restaurierungswerkstatt) mit den Schwerpunkten Massenentsäuerung, Papierstabilisierung (Papierspaltverfahren) und Gefriertrocknung sowie Bekämpfung von Schimmel- in der Bücherstraße 1 in Leipzig (www.zfb.com [9]). PAL Preservation Academy GmbH in der Erich-Zeigner-Allee 64d in Leipzig (www.preservation-academy.de [10]) mit den Schwerpunkten Erhaltungsstrategien und -maßnahmen, Entsäuerung, Nassbehandlung und Anfasern, Papierspalten, Behandlung von Tinten- und Farbfraß, Digitalisierung und Faksimiles, Delaminierung, Beseitigung und Abtötung von Schimmel, Bucheinbandrestaurierung u. a. mehr.
5.5 Werkstatt zur Restaurierung von Buch & Papier in Essen
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5.5 Werkstatt zur Restaurierung von Buch & Papier in Essen Im August 2018 begann die staatlich geprüfte Restauratorin für Archiv- und Bibliotheksgut Aniela Bez in Essen ihre freiberufliche Tätigkeit in ihrer Werkstatt Restaurierung von Buch & Papier, die ich im Juni 2019 besuchte. Aniela Bez absolvierte eine Ausbildung zur Buchbinderin in der Restaurierungswerkstatt des Deutschen Literaturarchivs/Schiller-Nationalmuseums in Marbach am Neckar. Danach studierte sie an der Staatlichen Fachakademie zur Ausbildung von Restauratoren für Archiv- und Bibliotheksgut der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Nach dem Abschluss dieser beiden Ausbildungsgänge war sie als Restauratorin im Institut für Bestandserhaltung und Restaurierung (s. Abschn. 5.2) in München und in der Restaurierungswerkstatt der Buchbinderei Obermeier in Rothenburg/Laaber tätig, bis sie in Essen ihre eigene Restaurierungswerkstatt eröffnete. Auf ihrer Webseite www.buch-papier-restaurierung.de [11] erfährt der Interessierte auch „Wissenswertes“ zur Buchrestaurierung – beginnend mit der Ethik der Buchrestaurierung auf der Grundlage der „Blaubeurener Empfehlungen“ als Leitfaden (s. Abschn. 4.1.1). Dort werden auch Fehler aus früherer Zeit genannt – wie die Verwendung (Kleben) von Folien und die Verwendung von Klebstoffen mit Weichmachern. Fazit dieser Fehler war als Antwort der Minimaleingriff als ein „neues Denken in der Buchrestaurierung“ – historische Spuren sollten nicht verwischt, das Erscheinungsbild und die Authentizität eines Buches nicht verändert werden. Als Ziel einer Buchrestaurierung wird die Wiederherstellung der Benutzbarkeit, „unter Berücksichtigung aller ästhetischen, historischen und physischen Eigenschaftes des Objektes“ [11], beschrieben, die dem Lebensalter des Buches entspricht. Das bedeutet u. a.: Fehlstellen mit neuem, dem Original entsprechenden Material ergänzen, brüchige Bereiche stabilisieren und bedeutet in manchen Fällen, auch frühere Reparaturen rückgängig zu machen. Damit sind vor allem Maßnahmen der Konservierung angesprochen, um einen weiteren Verfall zu verhindern, wozu u. a. das Niederkleben loser Einbandteile oder das Sichern von Blattkanten gehören. Noch einen Schritt weiter geht die präventive Konservierung, womit alle Arbeiten gemeint sind, die das Objekt vor einem weiteren Schaden bzw. Verfall schützen wie die Kontrolle und Optimierung von Licht und Klima bei der Lagerung oder Ausstellung, möglicherweise auch die Aufbewahrung in Schutzkassetten. Zu den häufigen Schadensbildern in der Buchrestaurierung zählen Schimmel und Schädlinge. Zunächst ist bei der Schadensaufnahme zu klären, ob wirklich ein Schimmelbefall vorliegt oder ob es sich um Schmutzablagerungen handelt. Bei einem festgestellten Schimmelbefall sind zu dessen Beseitigung entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen unbedingt erforderlich (u. a. Einmalhandschuhe, Atemmaske). Frühere Verfahren wie die Verwendung von 70 %igem Ethanol haben sich wegen der zusätzlichen Feuchtigkeit, die dadurch in das Papier gelangt, nicht bewährt. Das Begasen mit Ethylenoxid und die Bestrahlung mit
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Gammastrahlen erfordern sehr spezielle Arbeitsbedingungen und haben negative Nabenwirkungen sowohl für das Objekt als auch für den Benutzer. Heute erfolgt in diesen Fällen nur eine gründliche trockene Reinigung, auch wenn dadurch keine Sporen abgetötet werden. Die Keimzahl kann aber wesentlich verringert werden. Danach müssen die Objekte unbedingt trocken gelagert werden, um ein erneutes Wachstum von Schimmelpilzen zu vermeiden. Zu den Buchschädlingen gehört u. a. der bekannte Bücherwurm, womit der Holzwurm gemeint ist, der eigentlich kein Wurm ist. Es handelt sich um die Larven des gemeinen Nagekäfers (Anobium punctatum), durch den vor allem im Holz, aber auch im Papier, Fraßgänge entstehen. Es sind Ausfluglöcher, die von den Käfern nach der Verpuppung der Larve zum Ausfliegen benutzt werden. Zu den restauratorischen Maßnahmen zählt die sofortige Isolierung des befallenen Buches aus dem Bestand, um die Käfer daran zu hindern, neue Eiablageplätze zu suchen. Das Holzmehl muss entfernt werden, das Buch wird zunächst in eine durchsichtige Folie dicht verpackt. Wenn man nach einigen Tagen feststellt, dass kein neues Holzmehl entstanden ist, dann sind vermutlich keine Larven mehr aktiv. Weitere Maßnahmen müssen dann dem Zustand des Objektes entsprechend getroffen werden. Silberfischchen (Lepisma saccharina) als Buchschädlinge sind eher selten. Sie ernähren sich von Kohlenhydraten und treten besonders dann auf, wenn Weizenstärkekleister verwendet wurde. Sie erscheinen aber auch im Papier selbst, das ja auch aus Kohlenhydraten besteht bzw. solche beim Abbau entstehen lässt. Ihren Namen haben sie von ihrem silbergrauen, stromlinienförmigen Körper. Sie zählen zur Ordnung der Zygentoma und existieren wahrscheinlich schon seit 300 Mio. Jahren. In der Buchrestaurierung werden häufig Klebstoffe benötigt. Als gut verwendbar und je nach Objekt nennt die Restauratorin als säurefreie, wasserlösliche Klebstoffe Weizenstärke- und Reisstärkekleister sowie Methylcellulose, als tierische Leime Hasen- und Hautleime, Gelatine und Hausenblasenleim (vom Beluga-Stör) und auch wasseraktivierbare Streifen aus Japanpapier. Zu den Regeln bei der Benutzung von vor allem historischen Büchern zählt, dass man sie niemals am Kapital, dem oberen Ende des Buchrückens anfassend, aus dem Regal herausnehmen und sie stets nur mit trockenen, uneingecremten Händen benutzen sollte. Weitere Hinweise auf der genannten Webseite sind: Regelmäßiges Abstauben, kein säurehaltiges Papier wie Zeitungspapier zwischen den Seiten liegen lassen, vor direkten Lichteinstrahlungen und Feuchtigkeit schützen, vgl. dazu [11]. Bei einem Besuch der Restaurierungswerkstatt in Essen im Juni 2019 lagen aus verschiedenen Universitätsbibliotheken mehrere Werke von undatierten Handschriften (Codices) theologischen Inhalts bis zu Büchern berühmter Autoren wie Erasmus von Rotterdam von 1530 und Johannes Eck von 1600 zur Restaurierung bereit. Die Restauratorin berichtete über die vorgesehenen Maßnahmen, für die u. a. verschiedene Leime wie Weizenstärke, zum Kleben von Buchrücken Gelatine, Haut- und Hausenleim eingesetzt werden.
5.5 Werkstatt zur Restaurierung von Buch & Papier in Essen
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An einer Ausgabe des Werkes Der Renner von Hugo von Trimborn mussten der Einband (Deckel aus Buchenholz, Rücken aus Kalbsleder) erneuert, eine Trockenreinigung mit einem Kautschukschwamm (oder auch Mikrofasertuch) durchgeführt und Risse im Papier durch Japanpapier ausgebessert werden. Die im Gelenk gebrochenen Lederbünde sollen mit Hanf angelängt und frühere Teile einer Restaurierung („Neues“) entfernt werden. Die überwiegend schwarzbraune Schrift enthält auch rote Buchstaben. Hugo von Trimborn (um 1230 bis nach 1313) wird als universell gebildeter didaktischer Schriftsteller des späten Mittelalters bezeichnet. Sein Epos Der Renner entstand zwischen 1296 und 1313. Es enthält 24.600 Verse und ist das umfangreichste Lehrgedicht in deutscher Sprache, zunächst in mehreren Handschriften überliefert und danach auch mehrmals bearbeitet. Eine gekürzte Textfassung, auch sprachlich modernisiert, erschien 1549. Das in lateinischer Sprache von Johann Eck (1486–1543) stammende und im Jahr 1600 herausgegebene Werk muss einen neuen Lederrücken erhalten, die Bünde müssen angelängt und Risse müssen geschlossen werden. Aus der berühmten Offizin von Froben in Basel stammten die Deklarationen von Erasmus von Rotterdam (1466–1536), die 1530 auf 385 Seiten gedruckt worden waren. Rücken und Bünde und auch die fehlenden Teile der metallischen Schließen müssen rekonstruiert werden. Von dem Schweizer Reformator Heinrich Bullinger (1504–1575) stammte ein Werk aus dem Jahr 1539, in der im 16. Jahrhundert berühmten Offizin Froschauer (Gründer Christoph Froschauer, um 1490–1564) in Zürich gedruckt. Hierin hatte der Bücherwurm seine Spuren hinterlassen. Hier sollten der Holzdeckel und das Leder ergänzt und die metallischen Schließen rekonstruiert werden. Vgl. hierzu auch Abb. 5.1. An einer der beiden theologischen Handschriften (Codices) mit früherem Schimmelschaden war die Durchführung sowohl einer Trockenreinigung als auch eine Entsäuerung des Papiers mit einer wässrigen Lösung von Calciumcarbonat vorgesehen, deren Löslichkeit durch Einleiten von Kohlenstoffdioxid, d. h. Bildung von Calciumhydrogencarbonat, erhöht wird. Nach dem Entsäuern (ca. 20 min) wird nicht gespült, damit „Kalkreserve“ (zur Stabilisierung des pH-Wertes) im Papier verbleibt. Als die wichtigsten Geräte und Materialien nennt die Restauratorin außerdem: Teflonspatel und Teflonfalzbein, Metallspatel, Scheren und Skalpelle, Pinsel sowie Japanpapiere, handgeschöpfte Papiere, Leder, Pergament, Schnüre aus Leinen, Farben zum Einfärben von Papier, Leder und Pergament, weitere Hilfsmittel wie Polyestervliese. Vgl. hierzu [11]. Die Beispiele zeigen das umfangreiche Spektrum an Arbeiten in einer Restaurierungswerkstatt mit einem Schwerpunkt von der Bucheinbandrestaurierung bis zur Papierkonservierung.
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Abb. 5.1 Spuren des Bücherwurms und Wasserschaden – im Original mit einem Gesicht umzeichnet. (© Aniela Bez, Essen)
Literatur 1. Weber J, Hähner U (Hrsg) (2014) Restaurieren nach dem Brand. Die Rettung der Bücher der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Petersberg 2. Kraemer J (2014) Arbeitsmittel für die Einbandrestaurierung. In: Weber J, Hähner U (Hrsg) Restaurieren nach dem Brand. Die Rettung der Bücher der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Petersberg, S 144–151 3. www.bsb-muenchen.de/ibr/restaurierung/. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 4. https://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/kultur/historisches-archiv/der-wiederaufbau-derbestaende#ziel_0_51. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 5. Die Oberbürgermeisterin Stadt Köln, Historisches Archiv, Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg) (2017) Bergen, Ordnen, Restaurieren. Der Wiederaufbau des Historischen Archivs der Stadt Köln, Köln 6. Wächter W (1987a) Buchrestaurierung. Das Grundwissen des Buch- und Papierrestaurators, 3. Aufl., Leipzig 7. Werner H (2004) Entsäuerung im Schonwaschgang. Wie die Preservation Academy in Leipzig Bücher rettet. Die Welt 17(12):2004
Literatur
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8. Goettle G (2006) Pulverisierung der Kultur. Zu Besuch bei einer Buchrestauratorin, taz. die tageszeitung 27.11.2006 9. www.zfb.com. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 10. www.preservation-academy.de. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 11. www.buch-papier-restaurierung.de. Zugegriffen: 1. Sept. 2019
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Museen zur Geschichte des Buches
Zu Papiermuseen siehe ausführliche Übersicht in [1] im Kap. „Zu Besuch in Papiermuseen“ – außerdem: Museum für Druckkunst Leipzig (www.druckkunstmuseum.de [2]). Deutsches Buch- und Schriftmuseum (Deutsche National Bibliothek in Leipzig) Schon der Besuch des Gebäudekomplexes der Deutschen National Bibliothek, Deutscher Platz 1, ist eine Reise wert. Der historische Teil wurde ab 1913 für die nächsten 200 Jahre vorausgeplant – mit der Idee, das erste Gebäude alle 20 Jahre zu erweitern. Der Grundstein wurde am 21. Juli 1914 gelegt. Eine Woche später begann der Erste Weltkrieg. Trotz der damit verbundenen Bauverzögerungen und nach einer Reduzierung des Bauprogramms fand am 2. September 1916 die feierliche Einweihung statt. 1934 bis 1936 erfolgte die erste Erweiterung, zwischen 1959 und 1963 die zweite Erweiterung und 1976 bis 1982 auch ein Bücherturm. Zwischen 2007 und 2011 entstand ein Neubau, in dem sich auch das bereits 1884 an anderer Stelle gegründete Deutsche Buch- und Schriftmuseum mit einer Dauerausstellung seinen Platz gefunden hat. Am Übergang zwischen Alt- und Neubau befindet sich der öffentlich zugängliche goldene Tresor, in dem spezielle Schätze des Buch- und Schriftmuseums präsentiert werden. Die buch- und schriftgeschichtlichen Sammlungen bzw. deren Exponate werden in einem Kurzführer unter dem Titel Zeichen – Bücher – Netze: Von der Keilschrift zum Binärcode vorgestellt [3]. Die Ausstellung thematisiert die Geschichte der Schrift – das Schreiben und Schriftgestalten, vor allem auch die mittelalterliche Handschriftenzeit. Im Kurzführer ist darüber zu lesen: Neben die Klöster als Hauptzentren für Wissenspflege und Buchkunst traten im 12. Jahrhundert Universitäten, Fürstenhöfe und die städtische Verwaltung. Buchbesitz und Buchwissen blieben aber weitgehend elitär – die Handschriftlichkeit erweist sich als Grenze der medialen Wirksamkeit. [3]. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Schwedt, Grundlagen der Buchrestaurierung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61124-1_6
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Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung ist dem Buchdruck gewidmet: „Auch für die wissenschaftliche Begründung der Welt und die Demokratisierung von Bildung war der Buchdruck der wichtigste Katalysator.“ [3]. In diesem Themenbereich werden auch die Zensur, die Industrialisierung und die Buchgestaltung behandelt und anhand von Exponaten visualisiert. Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Massenmedien und ist durch den „Eintritt des Buches in die Netzwelt“ und Entstehung virtueller Bibliotheken charakterisiert. Buchmuseum der Sächsischen Staatsbibliothek – Landes- und Universitätsbibliothek Dresden Das Buchmuseum in Dresden kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Die Geschichte beginnt mit der Königlichen Bibliothek (als Kurfürstliche Bibliothek bereits 1556 gegründet), die ab 1788 nach ihrem Umzug aus dem Zwinger in das Japanische Palais öffentlich zugänglich wurde. Wegen der häufigen Benutzung auch besonders wertvoller Bücher wurden diese unter dem Oberbibliothekar Konstantin Karl Falkenstein (1801–1855, Historiker – ab 1835 auch Hofrat) in das sogenannte Manuskripten-Zimmer verbracht, das später Zimelienzimmer (Zimelie = Kostbarkeit, Kleinod) hieß. Die seltensten und wertvollsten Bücher wurden nur noch unter Glasstürzen gezeigt. Der Schriftsteller Erhart Kästner (1904–1974) entwickelte als Bibliothekar um das Zimelienzimmer bis 1934 das Buchmuseum, das bereits damals von ihm sowohl für Dauer- als auch Wechselausstellungen konzipiert worden war. Durch die Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 wurden das Japanische Palais und damit auch das Buchmuseum vollständig zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand die Bibliothek zunächst ihren Platz in einem ehemaligen Kasernengebäude in der Albertstadt, wo 1952 auch das Buchmuseum neu eröffnet wurde. 1993 wurde das Buchmuseum nach einem neuen Konzept umgestaltet und auch ein Zimelienzimmer wieder eingerichtet. Am 14. Januar 2003 wurde das Buchmuseum nach kurzer Schließung im neuen Gebäude der aus der Dresdener Universitätsbibliothek und der Landesbibliothek gebildeten SLUB Dresden (Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek) am TU-Campus (Zellescher Weg 18) wieder eröffnet. Die Ausstellung befindet sich im nördlichen der beiden oberirdischen Blöcke des SLUB-Gebäudes und ist in die Dauerstellung in der sogenannten Schatzkammer und einen Bereich für Sonderausstellungen unterteilt. Zum Codex Dresdensis Der Bestand repräsentiert etwa eintausend Jahre Buchgeschichte. In der Schatzkammer befindet sich im Mittelpunkt der Schatzkammer der Codex Dresdensis, eine vom Bibliothekar Johann Christian Götze in Wien für die Kurfürstliche Bibliothek 1739 erworbene Handschrift der Maya (um 1200 n. Chr. datiert) – damals zunächst als ein „mexikanisches Buch mit hieroglyphischen Figuren“ bezeichnet. Der „Codex Dresdensis“ besteht aus 39 doppelseitig beschriebenen Blättern mit einer Gesamtlänge von 3,56 m. Die Handschrift mit zahlreichen farbigen Abbildungen war ursprünglich als Leporello gefaltet. Sie wird seit 1835 in zwei Teilen zwischen Glasplatte aufbewahrt. An Ende des Zweiten Weltkrieges,
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als auch das Japanische Palais in Dresden schwer beschädigt wurde, hat sie durch Feuchtigkeit gelitten, wodurch die Farbe der etwa 800 Jahre alten Handschrift mit dem Glas verklebte. Der Codex wurde dreimal faksimiliert (1880, 1962 und 1975) und wird heute in den digitalen Sammlungen der SLUB präsentiert (http://slubdd.de/maya [4]). Der Beschreibstoff besteht aus Bastfasern des Feigenbaumes und wird Amate (in der Maya-Sprache identisch mit unserem Begriff von Buch) genannt. Das Material wird durch Weichen und Schlagen der Fasern hergestellt. Es ähnelt dem Papier. Die Oberfläche wurde mit Kreide grundiert. Die Farben bestehen sowohl aus anorganischen Pigmenten (z. B. Gelb- bis Brauntöne aus Eisenpigment) als auch aus Naturstoffen wie dem Blut der Cochenilleblattlaus, dem Karminrot. Sie sind trotz der Feuchtigkeitsschäden relativ gut erhalten. In der Schatzkammer kann die Unterseite des ausgestellten Teils vom Codex Dresdensis mithilfe eines Spiegels in der Vitrine eingesehen werden. Der Codex besteht aus Hieroglyphen, Zahlenzeichen und Bildern und enthält einen Ritual- und Weissagungskalender, Berechnungen über Venusphasen, Mond- und Sonnenfinsternisse, Anleitungen für Zeremonien zum Jahreswechsel und Beschreibungen der Aufenthaltsorte des Regengottes. Weitere Kostbarkeiten der SLUB Dresden sind u. a. des Mainzer Psalters (1457), ein Catholicon (dt. Wörterbuch) von 1286 zur Auslegung der Bibel sowie die Dresdner Corvinen (Bibiotheca Corviniana, weltberühmte Büchersammlung des ungarischen Königs Mathias aus dem 15. Jahrhundert, seit 2005 UNESCO Weltdokumentenerbe und auch ein Skizzenbuch von Albrecht Dürer und Vorlesungsskripte von Martin Luther sind weitere herausragende Exemplare des Buchmuseums. Auch die prachtvollen Bucheinbände des Buchbinders der Renaissance Jakob Krause (1531/1532–1586) sind hier besonders hervorzuheben. Gutenberg-Museum in Mainz Zum 500. Geburtstag von Johannes Gutenberg (um 1500–1568) wurde das Museum im Jahre 1900 von Mainzer Bürgern gegründet. Von Verlagen, Druckmaschinenfirmen und Druckereien stammen die ersten Exponate, die als Geschenke den Grundstock der heutigen Sammlungen bildeten. In den ersten Jahren des Bestehens war das Museum der Stadtbibliothek angegliedert, aus der es besonders schöne und charakteristische Bücher erhielt. In mehr als einem Jahrhundert des Bestehens bildeten sich Abteilungen, die sich u. a. speziell mit Drucktechnik, Buchkunst, Exlibris, Grafik und Plakaten, Papier sowie Schriftgeschichte aller Kulturen beschäftigten. 1925 wurde auch eine rekonstruierte „Gutenberg-Werkstatt“ eingerichtet. Der Nachbau einer Gutenberg-Presse erfolgte nach Holzschnitten aus dem 15. und 16. Jahrhundert. 1926 zog das Museum in das historische Gebäude „Römischer Kaiser“ aus dem Jahr 1664 um, wo sich heute die Verwaltung, Restaurierwerkstatt und Bibliothek befinden. Im Jahr 2000 wurde das Museum saniert und ein Erweiterungsbau am Liebfrauenplatz gegenüber vom Dom errichtet werden. Das „Druck- und Schriftenmuseum“ wird zu Recht als „ein Schatzhaus der Druckkunst“ bezeichnet. Neben der genannten Hauptattraktion – der rekonstruierten „Gutenberg-Werkstatt“, wo Schriftgießen, Setzen und
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Drucken anschaulich vorgeführt werden, entstand 1989 die Einrichtung eines „Druckladens“ als museumspädagogische Abteilung des Museums. In der Dauerausstellung sind zahlreiche herausragende Druckwerke – von frühen Bibelausgaben, u. a. der Gutenberg-Bibel und auch deutschen Bibeln vor Luther aus Augsburg, Nürnberg und Straßburg, der Weltchronik von Hartmann Schedel (gedruckt 1493 in der Großdruckerei Koberger in Nürnberg) und auch Landkarten wie der von Holzschnitten gedruckte Atlas nach Ptolomäus, die Cosmographia, gedruckt von Lienhart Holle in Ulm 1482. In den Vitrinen sind Bücher des 16. bis18. Jahrhunderts nach Themen- und Sachgruppen geordnet. Neben den aufgeschlagenen Seiten werden häufig auch typische Einbände gezeigt. Weitere Themenschwerpunkte sind Humanismus und Reformation, die Erforschung der Welt mit naturwissenschaftlichen Werken, Exponate zu Kupferstich und Radierung sowie die Themen barocke Sammellust (s. dazu auch Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel) sowie Lesewut und Lesefreuden. Das 19. und 20. Jahrhundert wird durch Industrialisierung und Mechanisierung durch die „Epoche der eisernen Druckpressen“, neue Illustrationstechniken und Bucheinbände als Massenwarte geprägt. Andererseits sind auch Buchkunstwerke als Pressedrucke und im Gestaltungen im Jugendstil zu bewundern. Eine besondere Abteilung des Museums bildet die „Sammlung der deutschen Buchbinder“, in der sich der Besucher über „Geschichte und Technik der Buchbindekunst, der Vergoldung mit echtem Blattgold …“ [5] informieren kann. Zu den speziellen Einrichtungen des Museum gehört seit etwa zwei Jahrzehnten auch eine Restaurierwerkstatt, die von der Stadt Mainz in den Räumen des Gutenberg-Museums eingerichtet wurde, „um die Bestände des Gutenberg-Museums und der Stadtbibliothek zu betreuen“ [5]. Dafür stehen drei Räume zur Verfügung. Auf der Webseite www.gutenberg-museum.de des Museums sind im Bereich „Einrichtungen“ auch Beispiele aus der Restaurierwerkstatt dargestellt [6]. Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel Aus einer fürstlichen Büchersammlung der Herzogs August des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel (1579–1666), ab 1664 in Wolfenbüttel, entwickelte der Bibliotheksdirektor Paul Raabe (1927–2013) von 1968 bis 1992 eine europäische Forschungsstätte für das Mittelalter und die frühe Neuzeit – und zugleich ein Bibliotheksquartier aus zahlreichen historischen Gebäuden. Im Hauptgebäude, die Bibliotheca Augusta am Lessingplatz 1 (Lessing war 1770–1781 Bibliothekar in Wolfenbüttel) befinden sich die musealen Räume – u. a. die Augusteerhalle mit Werken aus der Zeit der Herzogs August und der Handschriftenlesesaal. Im Zeughaus am Schlossplatz 12 ist eine Präsenzbibliothek mit einem großen Teil des Buchbestands (insgesamt rund 1 Mio. Medieneinheiten), Katalogzentrum und Lesesaal, wo auch Ausstellungen stattfinden [7]. Der Kornspeicher dient als provisorisches Magazin, im Direktorhaus, Lessingstraße 11, befindet sich u. a. die Restaurierwerkstatt speziell für Handschriften und Graphiken, im Leibnizhaus, Schlossplatz 5/6, sind die allgemeine Restaurierwerkstatt sowie Einrichtungen für EDV und Forschungsprogramme untergebracht.
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Zum Bibliotheksquartier zählen auch das Anna-Vorwerk-Haus, Schlossplatz 4, für die Durchführung von Stipendien- und Tagungsprogramme, das Meißnerhaus, Schlossplatz 2, mit Verwaltung und Einrichtungen für wissenschaftliche Veranstaltungen sowie zwei Häuser mit Appartements (Feierabendhaus, Leibnizstraße 6, und Kurt-Lindner-Haus, Neue Straße 31). Im Vorwort eines Begleitbuches „für junge Besucher“ von Marianne Flotho [8] schrieb der genannte Paul Raabe u. a.: Bibliotheken zu besichtigen, kostbare Handschriften und alte Bücher zu betrachten, gehörte bis ins 19. Jahrhundert zum Bildungsprogramm junger Leute, für die es sogar gedruckte Anleitungen dazu gab. Darüber hinaus bewunderten Menschen jeder Altersstufe und Schicht die Büchersäle in den Städten, Klöstern und Residenzen. (…) Es gibt nur noch wenige Bibliotheken, deren überlieferte Bücherbestände der interessierte Besucher betrachten kann. Die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel ist dank glücklicher Umstände und Entwicklungen im Laufe der Jahrzehnte wieder zu einem Ort geworden, an dem die Tradition der Bibliotheksbesichtigungen bewahrt werden konnte. (…) Die musealen Räume der Bibliotheca Augusta (…) laden zu Besichtigungen und Führungen ein. Was eine Bibliothek war und wie sich die Überlieferung heute in die Aufgaben wissenschaftlicher Studien einordnet, kann man in Wolfenbüttel lernen, denn die Herzog August Bibliothek ist nicht nur eine kulturelle Institution, in deren Rahmen auch Besichtigungen gehören, sondern vor allem eine Stätte zur Erforschung der Kultur des alten Europa. Dafür sind die Bücher, Handschriften und andere Dokumente wichtige und unentbehrliche Quellen. [9].
Die Bücherschätze in der Bibliotheca Augusta vermitteln anhand ihrer zu besichtigenden Bestände Eindrücke und Informationen über Einbände und Farben, zu Pergament und Papier, zu Handschriften und Blockbüchern, Inkunabeln und frühen Drucken, Malerbüchern sowie zu bereits vom Herzog August gesammelten bzw. erworbenen Globen und Karten. Fürstliche Bibliothek zu Corvey Fast zwei Jahrhunderte nach der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel kam eine weitere fürstliche Privatbibliothek in das ehemalige Kloster Corvey an der Weser bei Höxter. 1992 konnte der Autor eine Ausstellung im Sommersaal von Schloss Corvey mit Büchern zum Thema „Populäre und angewandte Naturwissenschaften. Werke aus dem 18. und 19. Jahrhundert“ durchführen. Aus der Begleitpublikation [9] stammen folgende Informationen: Die fürstliche Bibliothek befand sich ursprünglich nicht in Corvey, sondern sie war die Hofbibliothek der Landgrafen von Hessen-Rotenburg im Schloß zu Rotenburg [an der Fulda]. (…) Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ist die Bibliothek eine durchschnittliche Adelsbibliothek mit einer Sammlung älterer schöner und zeitgenössischer Literatur. (…) Im Verlauf des letzten Jahrzehnts ändert sich das Bild dann deutlich: die Bibliothek erfährt eine sehr starke Bestandvermehrung. (…) Landgraf Viktor Amadeus (regierte 1812–1834), der letzte Spross des Hauses Hessen-Rotenburg, der wichtigste Sammler der Bibliothek, war offenbar vom universalistischen Geist des 18. Jahrhunderts geprägt und kümmerte sich als sein eigener Bibliothekar intensiv um die Bibliothek. Er ließ aus den drei europäischen Hauptsprachen
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(Französisch, Deutsch und Englisch) und aus vielen Wissensgebieten [Bücher] anschaffen und trug damit eine polyglotte Universalbibliothek zusammen. (…) Nach dem Erwerb von Corvey (1822) veranlaßte Landgraf Viktor Amadeus schon bald, daß die Bibliothek dorthin geschafft wurde, obwohl die Residenz bis zu seinem Tode in Rotenburg an der Fulda blieb. (…) Der Landgraf legte bei der Einrichtung der Bibliothek in Corvey auf das Äußere großen Wert. Er ließ die Bände in repräsentatives Leder mit goldverzierten Rücken einbinden und sorgte auch für eine würdige Unterbringung. Die Räumlichkeiten in der belle étage des Schlosses erhielten eine entsprechende Ausstattung in Form von eigens angefertigten Tapeten mit dazu passenden klassizistischen Schränken, handwerklichen Meisterstücken. Als Erben setzte Viktor Amadeus die Neffen seiner Frau Elise, Prinz Viktor von Hohenlohe-Schillingsfürst sowie dessen Bruder Prinz Chlodwig ein. Prinz Viktor begründete als 1. Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey das Haus Ratibor und Corvey… In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts erfolgte eine Revision und Reorganisation der inzwischen auf 36.000 Bände angewachsenen Bibliothek. Die alte Aufstellung des Bestandes nach Sprachen wurde zugunsten einer ‚modernen‘ systematischen Aufstellung aufgegeben … Bevor die private Büchersammlung vollends in Vergessenheit geriet, zog sie in der zweiten Hälfte des vorigen [19.] Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich, als nämlich Hoffmann von Fallersleben in Corvey als Bibliothekar arbeitete (1860–1874). Er nahm Korrekturen an der Systematik der Bibliothek vor, erstellte einen alphabetischen Katalog und versuchte daneben mit Nachdruck, den schlechten Ruf der Bibliothek als einer Sammlung von Unterhaltungsliteratur aufzubessern, indem er wertvolle Einzelwerke, Prachtbände und wissenschaftliche Literatur anschaffte … [9].
Die Räume mit den genannten klassizistischen Bücherschränken, meist auch eine Ausstellung spezieller Werke im Sommersaal, kann der Besucher auf einem Rundgang besichtigen – und auch einen Blick in das Arbeitszimmer von Hoffmann von Fallersleben werfen, der auf dem Friedhof neben der Kirche beerdigt ist. Über Bucheinbände und Buchillustrationen fand 1989 auch eine spezielle Ausstellung (mit Katalog) statt, s. hierzu [10]. Basler Papiermühle Der Papierherstellung und auch der Buchdruckerkunst, dem Buchbinden und der Schrift widmet sich die Dauerausstellung in der historischen Kornmühle in Basel. Das Gebäude befindet sich an einem seit dem 13. Jahrhundert bestehenden Gewerbekanal, dem St. Alban-Teich und wurde bereits 1453 für die Papierherstellung genutzt. Das Hauptgebäude war zunächst eine Kornmühle und gehörte bis 1428 zum Kloster Klingental. 1453 baute sie Anton Gallizian (aus Italien eingewandert) zu einer Papiermühle um. Nach 1521 wechselten die Eigentümer, bis 1980 nach einer Restaurierung das Schweizerische Museum für Papier, Schrift und Druck eröffnet wurde. In den historischen Räumen findet der Besucher Bilder und zahlreiche Exponate, welche die Geschichte sowohl des Papierschöpfens als auch der Druckerei und des Buchbindens zeigen. Er kann an einer speziell eingerichteten Bütte selbst Papier schöpfen und auf einer kleinen Abzugspresse dann auch Papier bedrucken. 2011 wurden die Gebäude saniert und das Museum erweitert. Im Hauptgebäude (Gallizian-Mühle) befindet sich das eigentliche
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Museum mit allen Werkstätten und einem Veranstaltungsraum. Zum Museum gehören die benachbarte Stegreif-Mühle mit Café und Eingangskasse und die ehemalige Rych-Mühle. Das Museum vermittelt sehr anschaulich den Weg vom handgeschöpften Papier bis zum fertigen Buch, vgl. hierzu die Webseite www. papiermuseum.ch des Museums: „Verteilt auf vier Stockwerken bietet das Museum eine faszinierende Atmosphäre mit einer Mischung aus Ausstellung und Produktionswerkstätten.“ [11]. Vgl. hierzu auch [12]. Museum Plantin-Moretus in Antwerpen Die Geschichte des heutigen Museums beginnt mit Christoph Plantin, einem französischen Gerber und Buchbinder, der kurz vor 1550 nach Antwerpen kam und 1555 sein erstes Buch druckt. Sein Schwiegersohn Jan I Moretus führt die Officina Plantiniana ab 1589 weiter. Erst 1876 verkauft der Junker Edward Moretus das gesamte Gebäude am Antwerpener Vrijdagmarkt einschließlich des Inventars dem belgischen Staat und der Stadt Antwerpen. Zu besichtigen sind die Arbeitsräume aus dem 16. und 17. Jahrhundert, wo Drucker, Gießer, Korrektoren und Buchverkäufer tätig waren. Erhalten geblieben sind die einzigartigen typografischen Sammlungen mit den ältesten Druckpressen der Welt, dem Letternmaterial, dem Werkzeug, auch Zeichnungen, Holzblöcke, Kupferplatten. Christoph Plantin begann auch mit der Anlegung einer Bibliothek, die heute 640 Handschriften und 25.000 Bände umfasst. Zu dieser Sammlung gehören praktisch auch alle Bücher, die in dieser Offizin gedruckt wurden, darüber hinaus Bücher aus ganz Europa. Das Firmenarchiv ist vollständig erhalten geblieben, weshalb es von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurde. Das Kupferstichkabinett (Prentenkabinet) umfasst eine große Sammlung grafischer Kunst vor allem aus dem 16. und 17. Jahrhundert, aber auch aus der Moderne und Gegenwart – mit rund 80.000 Werken. Zu besichtigen sind auch die beiden ältesten Druckpressen aus der Zeit um 1600 (aus Eichenholz und Metall). Auf ihnen konnten täglich 1250 Bogen beidseitig bedruckt werden. Peter Paul Rubens, der auch Bücher illustrierte, schuf ein Porträt von Christoph Plantin – auf Bitten von Balthasar Moretus, einem Enkel (entstanden um 1612–1616). In der Handschriftensammlung befindet sich u. a. aus einer Prager Schreibstube eine Wenzelbibel von 1403 (Pergament, zwei Bände mit 430 bzw. 442 Folien und 210 Miniaturen) und eine weitere Biblia Latina auf Papier (die Foliobände) um 1460 (etwa zehn Jahre, nachdem Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern entwickelt hatte). Christoph Plantin druckte selbst (1568–1573) eine Biblia Polyglotta oder Biblia Regia auf Papier in acht Foliobänden. Von Gerhard Mercator stammt eine Karte von Flandern (1540 – fünf Kupferstiche auf Papier. Christoph Plantin wurde vom Geheimen Rat der Stadt 1572 auch das Privileg für den Verkauf der Mercator-Karte von Europa verliehen. Im Museumsführer ist zu lesen: „Das Museum Plantin-Moretus Kupferstichkabinett ist heute auch ein dynamisches Forschungszentrum über die Buchdrucker- und Kupferstecherkunst …“ [13].
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Literatur 1. Nitzschke K(2002) Das Buchmuseum im Neubau. SULB-Kurier 16(H. 1):5–7 2. http://slubdd.de/maya. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 3. Gutenberg-Museum (2001) Das Gutenberg-Museum Mainz. Ein Führer durch das Druckund Schriftenmuseum, Gutenberg-Museum und Förderverein Gutenberg, Redaktion: Eva Hanebutt-Benz und Stefanie Mittenzwei, Mainz 4. Flotho M (1988) Bücherschätze in Wolfenbüttel. Herzog August Bibliothek. Ein Begleiter für junge Besucher. Leibniz-Bücherwarte, Bad Münder 5. Schwedt G (1992) Fürstliche Bibliothek zu Corvey. Populäre und angewandte Naturwissenschaften. Werke des 18. und 19. Jahrhunderts. Ausstellung im Sommersaal von Schloß Corvey (…) 28. Mai bis 13. September 1992. Ausstellung und Katalog Georg Schwedt 6. Tiggesbäumker G (1989) (Ausstellung und Katalog) Ein fürstlicher Bücherschatz. Bucheinbände und Buchillustrationen aus vier Jahrhunderten aus der Fürstlichen Bibliothek zu Corvey. Ausstellung des Kunstvereins Paderborn im Zusammenwirken mit dem Projekt Fürstliche Bibliothek Corvey. Stadtmuseum Adam- und Eva-Haus Paderborn, 23. April bis 4. Juni 1989. Selbstverlag, Paderborn 7. www.papiermuseum.ch. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 8. Tschudin PF (2002) Die Basler Papiermühle – Schweizerisches Museum für Papier, Schrift und Druck. Führer durch die Werkstätten und Ausstellungen, 3. Aufl. Basel 9. De Rynck P (Red.) (2009) Museum Plantin-Moretus Prentenkabinett. Führer. Deutsche Edition, Antwerpen 10. Allgemeine Werke zur Papier- und Buchrestaurierung (mit Inhaltsangaben) – spezielle Schriften werden in den jeweiligen Kapiteln genannt. Wächter W (2017) Bücher erhalten, pflegen und restaurieren, Hauswedell, Stuttgart (Inhalt: Das Papier – ein historisch-technischer Abriss; Von Schäden und ihren Ursachen; Die Nassbehandlung von Papier; Die Stabilisierung von Papier; Die Massenentsäuerung) 11. Banik G, Brückle I (2015) Papier und Wasser. Ein Lehrbuch für Restauratoren, Konservierungswissenschaftler und Papiermacher. Verlag A. Siegl, München (Inhalt: 1 Chemisch-physikalische Grundlagen – 2 Die Eigenschaften von Wasser – 3 Säuren, Basen und pH-Konzept – 4 Struktur und Eigenschaften von trockenem und nassem Papier – 5 Stoffaufbereitung – 6 Leimung von Papier – 7 Trocknungstechniken in der industriellen Papierproduktion – 8 Einfluss des Wassers auf die Papieralterung – 9 Charakterisierung von Papier – 10 Wasseraufnahme durch Papier: Einfluss von Klimafaktoren – 11 Wässrige Extraktion alterungsbedingter Verfärbungen aus Papier – 12 Wässern von Papier – 13 Wässrige Entsäuerung von Papier – 14 Papiertrocknung in der Restaurierung – 15 Wässrige Behandlungen: Nutzen, Risiken und Folgen) 12. Trobas K (1987) Grundlagen der Papierrestaurierung, Akad. Druck- u. Verlagsanstalt, Graz. (Inhalt: I. Papierrestaurierung – II. Papierrestaurierung: Ausbildung – III. Zellulose – IV. Wasser – V Blattfestigkeit – VI. Stärke: Papierleimung – VII. Schäden. Diagnose – VIII. Restaurierungspraxis – IX. Papierwäsche – X. Papierwaschmaschinen – XI. Vakuumbehandlungen – XII. Elektrochemie: Papierrestaurierung – XIII. Grünfraß-Restaurierung – XIV. Eisengallustinten – XV. Bleichen – XVI. Umstrittene Konservierungsversuche) 13. Wächter W (1987) Buchrestaurierung. Das Grundwissen des Buch- und Papierrestaurators. 3. Aufl. VEB Fachbuchverlag, Leipzig (Inhalt: 1. Das Papier. Ein historisch-technischer Abriß – 2. Vorbereitung zur Naßbehandlung – 3. Naßbehandlung – 4. Stabilisierung – 5. Buchblock – 6. Leder-Pergament – 7. Bucheinband – 8. Übersicht über Rechtsvorschriften – 9. Bestands- und Katastrophenschutz)
Weiterführende Literatur 14. Schwedt G (2014) Kurzer Überblick zur Geschichte des Papiers in: Experimente zur Papierchemie. Von der Zellulose bis zum Zeitungspapier, Aachen
Literatur
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15. www.druckkunst-museum.de. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 16. Jacobs S (2016) Zeichen – Bücher – Netze: Von der Keilschrift zum Binärcode. Wallstein, Göttingen 17. Alschner C (Hrsg.) (1978) Sächsische Landesbibliothek Dresden. Führer durch das Buchmuseum, 2. Aufl. Messedruck, Leipzig 18. http://www.gutenberg-museum.de/7.0.html. Zugegriffen: 1. Sept. 2019 19. Schwedt G (1991) Chemie zwischen Magie und Wissenschaft. Ex Bibliotheca Chymica 1500– 1800, Ausstellungskatalog der Herzog August Bibliothek Nr. 63. Ausstellung im Zeughaus der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 16. Februar bis 28. April 1991. Ausstellung und Katalog Georg Schwedt, Weinheim 20. Wächter O (1982) Restaurierung und Erhaltung von Büchern, Archivalien und Graphiken. Mit Berücksichtigung des Kulturgüterschutzes laut Haager Konvention von 1954, Hermann Böhlau Nachf., Wien (Inhalt: A. Materialien, künstlerische Techniken, ihre Anfälligkeiten – B. Schäden und Vorbeugungsmaßnahmen: 1. Lichtschutz, 2. Relative Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Mikroorganismen, 3. Schadinsekten, 4. Säuregehalt, Neutralisierung, Luftverschmutzung, 5. Holzhaltige Papiere und ihre Schäden, 6. Eisengallustinte und ihre Schäden – C. Restaurierung, Konservierung – D. Wiederbefall, Wiederverfall – E. Katastrophenfälle – F. Ausstellungen – G. Termini technici und Glossarium – H. Viersprachiges Vokabular der Fachausdrücke – I. Die wichtigsten Pigmente in den verschiedenen Maltechniken) 21. Petersen D-E (Hrsg.) (1977) Das alte Buch als Aufgabe für Naturwissenschaft und Forschung. Wolfenbütteler Forschungen, hrsg. von der Herzog August Bibliothek, Bd 1. Jacobi Verlag, Bremen (Inhalt: I. The Old Book as a Subject for Scientific Examination and Research – Das Raumklima in Bibliotheken – Schadinsekten in Büchern – Some Aspects of Microbiology of Paper and Parchment – Paper and Parchment deteriorating fungi pathogenic to man – On the Dating of Pergament – Frühe Gerbtechniken – II. Wasserzeichen in alten Papieren – Die Farbe in der mittelalterlichen Buchmalerei – Höhepunkte ottonischer Buchkunst – III. Das Bleichen von alten Papieren – The design oft he new laboratory and workshop at Trinity College Dublin – Mittelalterliche Bucheinbände und ihre Restaurierung aus der Sucht des Einbandforschers) 22. Gräfe R, Olivet J (Bearb.) (1955) Papier und Druckfarbe. Lehr- und Fachbücher für die Berufsausbildung, Volk und Wissen VEB, Berlin (Inhalt: Teil I. Papier: A. Einführung: Begriffsbestimmung und Grundstoff Zellulose – Historische Entwicklung der Papierherstellung – B. Papierherstellung: Rohstoffe – Arbeitsstufen in der Papierherstellung – Fehler und Störungen bei der Papierherstellung – Papierarten und ihre Eigenschaften – Hilfsstoff Wasser – C. Herstellung von Karton und Pappe. Material und Herstellungsverfahren – Karton- und Pappearten und ihre Eigenschaften – D. Papierqualität und Papierlagerung: Papierprüfung – Gütevorschriften – Papierformate und Papiergewichte – Aufbewahrung, Transport und Pflege von gelagertem Papier – Teil II. Druckfarbe: A. Aufbau und Arten der Druckfarben: Zusammensetzung der Druckfarben – Herstellung der Druckfarben – B. Eigenschaften und Prüfung der Druckfarben: Eigenschaften – Farbprüfung – C. Behandlung der Farben in der Druckerei: Mischen der Farben für den Auflagendruck – Farbverbrauch – Druckschwierigkeiten – Aufbewahrung und Pflege der Druckfarben, Lösungsmittel – D. Verzeichnis der Fachausdrücke und Fremdwörter) 23. Lange WH (1941) Das Buch im Wandel der Zeiten. Büchergilde Gutenberg, Berlin. (Inhalt: Die Schrift – Papyrus, Pergament, Papier – Der Buchdruck – Buchschmuck und Buchbild – Der Bucheinband – Der Buchhandel – Bibliotheken und Bücherfreunde – Lob des Buches – Literaturzusammenstellung) 24. Cockerell D (1925) Der Bucheinband und die Pflege des Buches. Ein Handbuch für Buchbinder, Bibliothekare und Bibliophile. Aus dem Englischen übertragen von Felix Hübel. 2. Aufl. (Reprint 1998 Th. Schäfer Hannover) (Inhalt: Teil I: Der Einband – Teil II: Die Pflege des gebundenen Buche
Stichwortverzeichnis
A Abblättern von Pigmenten, 87 Abrasive stripping voltammetry, 48 Alaunbehandlung, 40 Anforderung an Druckfarben, 54 Anschnüren, 55 Antichlor, 40 Äschern, 34 Aufsaugevermögen, 39 B Basler Papiermühle, 112 Bayerische Staatsbibliothek, 2 Beschreibmaterial, 34 Bestandserhaltung, 1, 71 digitale, 1 konservierende, 1 präventive, 71 Bibliotheca Palatina, 14 Bibliotheca Vaticana, 1 Bindemittel, 53 Blätter ungeleimte, 38 Blattfestigkeit, 37 Blaubeurener Empfehlungen, 62, 63 Bleiche mit Kaliumpermanganat, 84 Bleichen, lokales, 84 Bleichverfahren, 84 Brand Restaurieren nach dem, 93 Brandschaden, 87 Buchblock, 55 Buchdruckerkunst, 22, 24 Buchdruckerschwärze, 27 Buchdruckletter, 29 Buchdruckpresse, 28 Bucheinband, 54, 56, 74 historischer, 57
Material, 75 Bücher wassergeschädigte, 93 Bücherwurm, 74, 102 Buchmalerei, 44 Buchpatenschaft, 64 Buchschädling, 102 Bückeburger Verfahren, 80 C Cellulosefaser, 36 Chlorbleiche, 20 Chlorkalk, 40 Codex Dresdensis, 108 Cypergras, 11 D Degradation, 79 Deinking-Verfahren, 20 Deutsche National Bibliothek, 107 Deutsches Buch- und Schriftmuseum, 107 Digitalisierungszentrum, 7 Dresdner Sachsenspiegel, 49 Druck(er)schwärze, 50 Druckfarbe, 50 Anforderungen, 54 Druckletter, 23 E Echter Papyrus, 11 Einbandforschung, 58 Einbandkunde, 56 Einbandwissenschaft, 56 Eisengallustinte, 46 Schaden, 86 117
118 Elektronensprayadsorption, 44 Entrollen, 77 Entsäuerung, 78 im Schonwaschgang, 99 von Papier, 78 Erdfarbe, 51 F Falzzahl, 41 Farben Trocknen, 52 Wegschlagen, 53 Farbkörper, 50 Farbmittel, 54 anorganische, 44 Farbstoff anorganischer, 46 Faserbruch, 41 Fehlstellen im Papier, 95 Festphasenmikroextraktion, 44 Feuchtigkeit, 74 Fischleim, 95 Folium, 46 Fürstliche Bibliothek zu Corvey, 111 G Gampi, 38 Gasdunst, 74 Gasruß, 51 Gefriertrocknung, 96, 98 Geschichte des Bucheinbandes, 55 Gewebeeinband, 94 Gießmetall, 24 Gilb, 42 Glutinleim, 88 Gore-Tex-Kompresse, 89 Göttinger Digitalisierungszentrum (GDZ), 8 Großbrand in Anna-Amalia-Bibliothek, 6 Grünspan, 47 Gutenberg, Johann, 22, 23 Gutenberg-Museum Mainz, 27, 109 H Handschriftenklinik, 1 Handvergoldung, 55 Hausenblase, 95 Hemicellulose, 36 Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, 110 Herzogin Anna Amalia Bibliothek, 73
Stichwortverzeichnis Historisches Archiv der Stadt Köln, 96 Historisches Archiv Köln, 7 Holländer, 19, 40 Holzdeckeinband mittelalterlicher, 76 Holzeinband Schaden, 75 Holzschliff, 20 Holzwurm, 102 Hydratcellulose, 36 Hydrophobierung, 39 Hydroxypropylcellulose, 87 I Ibscher, Hugo, 13 Illustrationstiefdruckfarbe, 54 IR-ATR-Technik, 44 J Japanpapier, 38 K Kalkmilch, 34 Kapitalband, 67 Keratin, 35 Kettdichte, 72 Klebstoff, 102 Kodex, 11 Kölner Schadensbilder, 96, 98 Konservierung präventive, 101 Kozo, 70 Kristallinität, 41 Kupferstich, 29 L Langsieb-Papiermaschine, 20 Latex-Schwamm, 68 Lederhaut, 34 Lederimitat, 56 Leder imitiertes, 56 Leder- und Pergamenteinband Schaden, 76 Leimen, 39 Leinöl, 53 Leinölfirnis, 53 Lesewut, 30 Letter, 24
Stichwortverzeichnis Letterngießmaschine, 29 Lignin, 36 Lumpen, 40 Lumpenpapier, 21 M Mahlung, 41 Malschichten Stabilisierung, 95 Maschinenzeitalter, 29, 30 Masseleimung, 20, 39 Massenentsäuerung, 79 Massenentsäuerungsanlage, 99 Material für Bucheinbände, 75 Matrize, 24 Mehrfarbendruck, 29 Metallletter, bewegliche, 22 Milorblau, 52 Mineralfarbe künstliche, 51 natürliche, 51 Mitscherlich, Alexander, 20 Moleskin, 72 Museum Plantin-Moretus in Antwerpen, 113 Museum Plantin-Moretus Prentekabinet, 27 N Nassreinigung, 78 Natronlauge-Verfahren, 20 O Oberflächenleimung, 39 Offsetdruck, 29 P Palimpsest, 85 Palimpseste, 35 Papier, 11, 36 Entsäuerung, 78 Fehlstellen, 95 Papieralterung, 40 Papieranalytik, 43 Papierbaum japanischer, 38 Papierbrei, 40 Papierchemie, 36 Papiermacher-Museum, 20 Papiermühle, 18
119 Papierspaltverfahren, 80, 100 Papiervlies, 36 Papierwäsche, 79 Papyrer, 19 Papyrus, 33, 34, 77 Papyrusrestaurator, 13 Paulinerkirche, 8 Pergament, 14, 78 Pergament-Codex, 34 Pergamenteinband Reinigung, 77 Pergamenter, 14, 35 Pergamentherstellung, 16 Petersen, Dag-Ernst, 61 PH-Messung, 42 Pigment Abblättern, 87 Plinius d. Ä., 11 Q Quetschmahlung, 36 R Reinigung von Pergamenteinbänden, 77 Restaurieren nach dem Brand, 93 Restaurierung, 1 minimal-invasive, 1 Restaurierungskonzept, 89 Restaurierungsmaßnahme, 63, 66 Restaurierungsmaterial, 72 Restaurierwerkstatt der Herzog August Bibliothek, 47 Rohhaut, 34 Rollenoffset-Heatset-Verfahren, 53 Rotationsdruckmaschine, 29 Rückeneinlage, 55 Rückenleimreduzierung, 89 Rundsieb-Papiermaschine, 20 Rußtinte, 46 S Sammlung Vester, 65 Satinieren, 11 Schaden an Holzeinbänden, 75 an Leder- und Pergamenteinbänden, 76 biologischer, 71, 73 chemischer, 71, 73 durch Eisengallustinte, 86
120 durch Feuer, 73 mechanischer, 71, 73 Schadensanalyse, 88 Schadensart, 72 Schadensbild, 72, 101 Schäffer, Jacob Christian, 19 Schimmel, 101 Schließen, 55 Schonwaschgang Entsäuerung, 99 Schöpfsieb, 18 Schöpfvorgang, 37 Schriftgutrestaurierung, 4 Schriftrolle, 11 Schriftzeug, 29 Scriptorium, 15 Sepia, 47 Setzkasten, 24 Sieb schwimmendes, 18 Silberfisch, 102 Stabilisierung von Malschichten, 95 Staub, 74 Steindruck, 29 Stempel blindgeprägter, 56 Stereotypie, 29 Stockfleck, 81 Studiengang Konservierung und Restaurierung, 4 Studium der Buchrestaurierung, 3 Sulfitzellstoff, 20 Sulfit-Zellstoff-Verfahren, 22 T Theophilus, 44 Tiefdruck, 29
Stichwortverzeichnis Tierhaut, 34 Tinte, 44 Tintenfraß, 80 Trockenreinigung, 68, 89 Trocknen der Farben, 52 U Überziehen, 55 Umschlag, 56 Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, 64 UV/VIS-Spektrometrie mit Reflexionsmessungen, 48 UV-Bleiche, 84 V Verfilzen, 18 Vergilbung, 42 Vesters Archiv, 66 W Wächter, Otto, 62 Wasserzeichen, 18 Wegschlagen, 50 Wegschlagen der Farben, 53 Werkstatt Claus Schade, 66 Wiegleb, Johann Christian, 64 Z Zellstoff, 36 Zelluloseschleifmaschine, 21 Ziegelrot, 47 Zimelienzimmer, 108