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German Pages 367 [369] Year 2011
Joachim Beck / Birte Wassenberg (Hg.) Grenzüberschreitende Zusammenarbeit leben und erforschen (Band 2): Governance in deutschen Grenzregionen
Studien zur Geschichte der Europäischen Integration (SGEI) Studies on the History of European Integration (SHEI) Études sur l’Histoire de l’Intégration Européenne (EHIE) ––––––––––––––––––––––– Nr. 12 Herausgegeben von / Edited by / Dirigé par Jürgen Elvert In Verbindung mit / In cooperation with / En coopération avec Charles Barthel / Jan-Willem Brouwer / Eric Bussière / Antonio Costa Pinto / Desmond Dinan / Michel Dumoulin / Michael Gehler / Brian Girvin / Wolf D. Gruner / Wolfram Kaiser / Laura Kolbe / Johnny Laursen / Wilfried Loth / Piers Ludlow / Maria Grazia Melchionni / Enrique Moradiellos Garcia / Sylvain Schirmann / Antonio Varsori / Tatiana Zonova
Joachim Beck / Birte Wassenberg (Hg.)
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit leben und erforschen (Band 2): Governance in deutschen Grenzregionen Beiträge aus dem Forschungszyklus zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Universität Straßburg und des Euro-Institutes
Franz Steiner Verlag Stuttgart 2011
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Mit Unterstützung des Forschungszentrums der Historiker Frontières, acteurs et représentations d’Europe (FARE) und dem Pôle européen d’administration publique (PEAP) in Strasbourg.
Umschlagillustration: © Rainer Blocher Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-09829-8 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2011 Franz Steiner Verlag, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Redaktion: Sebastian Funk, Köln Druck: Laupp & Göbel GmbH, Nehren Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis/Table des matières/Table of Contents BIRTE WASSENBERG Widmung/Dédicace/Dedication .............................................................................
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JOACHIM BECK/BIRTE WASSENBERG Danksagung/Remerciements/Acknowledgements ..............................................
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ANNE THEVENET Warum ein Kolloquium zur Governance ?/Pourquoi un colloque sur la gouvernance/Why a colloquy on governance ?.....................................................
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STEFAN FISCH Vorwort/Avant-propos/Foreword..........................................................................
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BIRTE WASSENBERG Einleitung/Introduction/Introduction....................................................................
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PARTIE 1:/THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR GRENZÜBERSCHREITENDEN GOVERNANCE/ FONDEMENTS THÉORIQUES ET CONCEPTS DE LA GOUVERNANCE TRANSFRONTALIÈRE/THEORETICAL BASES AND CONCEPTS OF CROSS-BORDER GOVERNANCE ULRICH BOHNER Formen grenzüberschreitender und interregionaler Governance in Europa.....
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ROBERT HERTZOG Repenser les fondements, domaines et enjeux de la coopération transfrontalière ............................................................................................................
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JEAN-MARIE WOEHRLING Les fondements juridiques de la coopération transfrontalière des autorités publiques locales .........................................................................................................
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DIETRICH FÜRST Regional Governance – Was ist neu an dem Ansatz und was bietet er?.............
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JOACHIM BECK/EDDIE PRADIER Governance in der transnationalen Regionalpolitik Bestandsaufnahme und Perspektiven der Kooperationsbeziehungen in grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen .......................................................
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PARTIE 2: GRENZÜBERSCHREITENDE GOVERNANCE AM OBERRHEIN/GOUVERNANCE TRANSFRONTALIÈRE DANS L’ESPACE DU RHIN SUPÉRIEUR/CROSS-BORDER GOVERNANCE IN THE UPPER RHINE REGION BIRTE WASSENBERG Historisch gewachsene Governance am Oberrhein (1963-2010) ..........................
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Table des matières – Inhaltsverzeichnis – Table of contents
MICHAEL FREY Eine integrierte grenzüberschreitende multi-level-Governance für den Oberrhein......................................................................................................................
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KAREN DENNI Die Governance von Eurodistrikten am Oberrhein ...............................................
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MARTIN WEBER Von der schweizerischen Agglomerationspolitik zur „Metropolitan Governance“ im trinationalen Metropolitanraum Basel .......................................
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ERIC JAKOB Der Oberrhein- ein Governance-Modell für andere Grenzregionen ? ................
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PARTIE 3: GOVERNANCE-FORMEN IN ANDEREN DEUTSCHEN GRENZREGIONEN/ FORMES DE GOUVERNANCE DANS D‘AUTRES RÉGIONS FRONTALIÈRES ALLEMANDES/ FORMS OF GOVERNANCE IN OTHER GERMAN CROSS-BORDER REGIONS ROLF WITTENBROCK Formen grenzüberschreitenden politischen Handels in der Großregion – Auf dem Weg zur Governance ?.......................................................................................
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STEPHAN PREHN Die Internationale Bodenseehochschule (IBH) als Beispiel grenzüberschreitender Governance ........................................................................................................... 257 MARTIN KLATT Grenzüberschreitende politische Zusammenarbeit in der deutsch-dänischen Grenzregion .................................................................................................................
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OLGA JARECKA Deutsch-polnische Zusammenarbeit als klassische Form der grenzüberschreitenden Kooperation..................................................................................
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THOMAS GROH Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit an der deutsch-tschechischen Grenze...........................................................................................................................
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BIRTE WASSENBERG Schlussfolgerung/Conclusion/Conclusion ............................................................
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ANHÄNGE/ANNEXES /APPENDICES ABKÜRZUNGEN/ABBREVIATIONS ET SIGLES/Abbreviations...................................
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DIE AUTOREN/LES AUTEURS/AUTHORS ...................................................................
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ZUR REIHE „STUDIEN DER GESCHICHTE DER europäischen INTEGRATION“........... CONCERNANT LA SERIE « ÉTUDES SUR L’HISTOIRE DE L’INTEGRATION EUROPEENNE ».............................................................................................................. ABOUT THE SERIES “STUDIES ON THE HISTORY OF EUROPEAN INTEGRATION”.......
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WIDMUNG AN ADRIEN ZELLER BIRTE WASSENBERG Diesen zweiten Band zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit möchte ich meinem ehemaligen Arbeitgeber und Präsidenten des Conseil régional d’Alsace Adrien Zeller (†) widmen, der am 9. Februar 2009 die Einführungsrede zum Kolloquium zur Governance in deutschen Grenzregionen an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer gehalten hat. Adrien Zeller war in vieler Hinsicht ein Pionier der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und des „Europa der Regionen“. Während meiner 10-jährigen Tätigkeit als Referentin für grenzüberschreitende Angelegenheiten in der internationalen Abteilung der Région Alsace hat er viele Projekte am Oberrhein initiiert und dabei nicht nur dem Überbrücken von Grenzen gedient, sondern eine Vision der grenzüberschreitenden Kooperation vertreten, die den Label der Multi-levelGovernance noch weit vor der Zeit der Vermarktung dieses Begriffes verdient. Schon 1996 hat er sich für die Schaffung des Oberrheinrates als parlamentarische Instanz der Zusammenarbeit eingesetzt. Diese grenzüberschreitende Versammlung, die mithilfe seines persönlichen Wirkens 1997 gegründet wurde, stellt als demokratisches Element der Kooperation die Verbindung zwischen den Bürgern am Oberrhein und den politischen Eliten und administrativen Verwaltungsinstanzen her. Dadurch trägt sie auch ein Stück zum „Europa der Regionen“ bei, einem bürgernahen Europa, das europäische und grenzüberschreitende Integration in einem „bottum-up“ Prozess, mit Partizipation der Bürger anstrebt. Mit demselben Ziel im Auge hat Adrien Zeller mich auch mit der Organisation des 8. Dreiländer-Kongresses zum Thema „Bürger sein am Oberrhein-Vivre ensemble dans l’espace du Rhin supérieur“ betraut, der 2002 in Straßburg stattfand. Dieser Kongress hat eindeutig die zentrale Stellung des Bürgers in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und in der europäischen Konstruktion hervorgehoben. Die einzige Lösung für einen europäischen Integrationsprozess, dem auch die Bevölkerung zustimmen kann, bestand für Adrien Zeller in der direkten Einbeziehung der Bürger in diesen Prozess und dies beginnt auf lokaler und regionaler Ebene, in den Grenzregionen. Letztere werden so zu einem Labor der europäischen Integration und mit dem 8. Dreiländer-Kongress hat Adrien Zeller den Oberrhein in diesem Sinne als Vorreiterregion etabliert: Bürger sein am Oberrhein bedeutet gleichzeitig Bürger sein in Europa. Damit erstellte Adrien Zeller noch vor allen wissenschaftlichen Theoretikern ein Praxisbeispiel der Multi-LevelGovernance. Auch nach meiner Zeit in der Région Alsace hat Adrien Zeller meine Aktivitäten an der Universität Straßburg zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit stets unterstützt. Er half mir persönlich, meine Doktorarbeit zur Geschichte der Kooperation am Oberrhein (1975-2000) mithilfe von Mitteln des Conseil régional d’Alsace bei Peter Lang in der Kollektion Euroclio zu veröffentlichen1. Er hat eben1
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falls von Beginn an unseren Forschungszyklus zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit unterstützt und uns ermutigt, das Endkolloquium in der Région Alsace zu organisieren und dafür möchte mich mit dieser Widmung herzlich bedanken. Das Schicksal hat sich seiner Beteiligung an dieser abschließenden Veranstaltung unseres Zyklus in den Weg gestellt, aber vielleicht schaut er ja doch von irgendwo aus zu …
DÉDICACE À ADRIEN ZELLER Je voudrais dédicacer ce deuxième ouvrage sur la coopération transfrontalière à mon ancien employeur et Président du Conseil régional d’Alsace Adrien Zeller (†), qui a tenu le discours d’ouverture du colloque sur la gouvernance dans les régions frontalières allemandes à l’Ecole supérieure d’administration de Spire le 9 février 2009. Adrien Zeller était à tous égards un pionnier de la coopération transfrontalière et de l’ « Europe des Régions ». Au cours des dix années de mon activité en tant que chargée de mission des affaires transfrontalières au sein du service international de la Région Alsace, il a initié de nombreux projets dans la région du Rhin supérieur et a ainsi non seulement contribué au dépassement des frontières, mais a soutenu une vision de la coopération transfrontalière qui mérite – bien avant le temps de son effet de mode – le label de gouvernance multi-niveaux. Déjà en 1996 il s’était battu pour la création du Conseil rhénan en tant qu’instance parlementaire de la coopération. Cette assemblée transfrontalière, créée en 1997 avec son soutien personnel, établit le lien entre les citoyens du Rhin supérieur et les élites politiques et instances administratives comme élément démocratique de la coopération. Se faisant, elle concourt également à l’«Europe des régions », une Europe plus proche du citoyen qui vise à une intégration européenne et transfrontalière dans un processus bottom up, avec la participation des citoyens. Partageant ce même but, Adrien Zeller m’a confié l’organisation du 8e Congrès tripartite sur le thème « Bürger sein am Oberrhein-Vivre ensemble dans l’espace du Rhin supérieur », qui s’est tenu à Strasbourg en 2002. Ce congrès a incontestablement fait ressortir la place centrale du citoyen dans la coopération transfrontalière et dans la construction européenne. Pour Adrien Zeller, l’unique solution d’un processus d’intégration européenne approuvé par la population consiste en une implication directe des citoyens dans ce processus et cela débute aux échelles locale et régionale dans les régions frontalières. Ainsi, ces régions deviennent en effet un laboratoire de l’intégration européenne. Avec le 8e Congrès tripartite, Adrien Zeller a fait du Rhin supérieur une région pionnière en la matière : être citoyen du Rhin supérieur signifie également être un citoyen en Europe. Se faisant, Adrien Zeller établissait, bien avant tous les théories scientifiques, un exemple concret de la gouvernance multi-niveaux. Après mon activité à la Région Alsace, Adrien Zeller a continué sans cesse à soutenir mes activités à l’Université de Strasbourg sur la coopération transfrontalière. Il m’a aidé personnellement à l’aide de moyens du Conseil Régional d’Alsace à publier ma thèse sur l’histoire de la coopération dans le Rhin supé-
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rieur (1975-2000) chez Peter Lang dans la collection Euroclio1 . Il a également soutenu dès son commencement notre cycle de recherche sur la coopération transfrontalière, et nous a encouragés à organiser le colloque final dans la Région Alsace. Ainsi, par cette dédicace, je tiens à le remercier sincèrement. Le destin a fait obstacle à sa participation à cette manifestation de clôture de notre cycle, mais peut-être nous observe-t-il de quelque part …
DEDICATION TO ADRIEN ZELLER I would like to dedicate this second book on cross-border cooperation to my former employer and President of the Regional Council of Alsace Adrien Zeller (†) who made the opening speech at the Conference on “Governance in German Border Regions” held at the German University of Administrative Sciences, Speyer on 9 February 2009. Adrien Zeller was in all respects a pioneer of cross-border cooperation and of the “Europe of Regions”. During the ten years that I worked as project leader responsible for cross-border issues in the International Department in the Région Alsace, he initiated many projects in the Upper Rhine region and thus not only contributed to surmounting borders but also supported a vision of cross-border cooperation which justified its multi-level governance label well before it became fashionable. Already in 1996 he fought for the establishment of the Rhine Council (Conseil rhénan) as a parliamentary forum for cooperation. This cross-border assembly, established in 1997 with his personal support, provides the link between the citizens of the Upper Rhine and the political elite and administrative bodies as a democratic part of cooperation. In so doing, it also contributes to the “Europe of Regions”, a Europe closer to the citizen which seeks European and cross-border integration in a bottom-up process, with citizen participation. With this same goal in mind, Adrien Zeller entrusted to me the organisation of the 8th Tripartite Congress on “Bürger sein am Oberrhein – Vivre ensemble dans l’espace du Rhin supérieur” (Living together in the Upper Rhine area), which was held in Strasbourg in 2002. This Congress clearly highlighted the central place occupied by citizens in cross-border cooperation and in the European construction. For Adrien Zeller, the only solution to a European integration process endorsed by the people consists of the direct involvement of citizens in this process and starts at local and regional level in border regions. The latter thus become laboratories of European integration. Through the 8th Tripartite Congress, Adrien Zeller made the Upper Rhine region a pioneer in the field: being a citizen of the Upper Rhine also means being a European citizen. In so doing, Adrien Zeller established a concrete example of multi-level governance long before all of the scientific theories. After I left my job in the Région Alsace, Adrien Zeller continued to support my cross-border cooperation activities in the University of Strasbourg. He personally helped, thanks to resources from the Regional Council of Alsace, to have my the-
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sis on the history of cooperation in the Upper Rhine (1975-2000) published by Peter Lang in the Euroclio1 collection. He also supported our research cycle on crossborder cooperation from the beginning and encouraged us to organise the final colloquy in the Région Alsace. Thus, this dedication is my way of thanking him most sincerely. Fate has prevented him from participating in the closing event of our cycle, but perhaps he is watching us from somewhere...
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WASSENBERG, B. , Vers une eurorégion ? La coopération franco-germano-suisse dans l’espace du Rhin supérieur de 1975 à 2000, Bruxelles, 2007.
DANKSAGUNGEN JOACHIM BECK/BIRTE WASSENBERG Für die Realisierung dieses zweiten Forschungsbandes zur grenzüberschreitenden Governance in deutschen Grenzregionen haben das Euro-Institut Kehl und das Forschungszentrum Frontières, acteurs et représentations d’Europe (FARE) der Universität Straßburg auf die Unterstützung vieler Partner zählen können. An erster Stelle gilt es hierbei, der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer (DHV), insbesondere ihrem Rektor Stefan Fisch und seinem Mitarbeiter Simon Lang zu danken. Nur mithilfe der sowohl inhaltlichen wie auch logistischen Unterstützung war es überhaupt möglich, dieses Kolloquium in Speyer zu organisieren. Dank der hervorragenden Vorbereitung und Mobilisierung von Akteuren durch Simon Lang konnten über 100 Teilnehmer allein aus deutschen Landesverwaltungen für das Seminar gewonnen werden. Dank des Einsatzes von Stefan Fisch ist es uns gelungen, die DHV auch als offiziellen Partner der Forschungsreihe zu gewinnen und über den Pôle européen d’administration publique (PEAP) auch für eine institutionelle Zusammenarbeit mit den französischen Partnern zu ermöglichen. Die zweite Danksagung geht daher an den PEAP, der unseren Forschungszyklus seit 2009 finanziell zu einem großen Teil unterstützt und dadurch eine dauerhafte grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Partnern ermöglicht. Der interdisziplinäre und europäische Ansatz unserer Forschung wird damit innerhalb des PEAP als Leitlinie für grenzüberschreitende Untersuchungen gestärkt. Aber auch dem historischen Forschungszentrum FARE gilt unser Dank, das schon seit Beginn der Forschungsreihe unsere Kolloquien innerhalb des Themenbereichs „Grenzen und Grenzräume“ sowohl finanziell als auch inhaltlich begleitet. Sylvain Schirmann, Direktor des Institut d’études politiques (IEP) in Straßburg hatte hierbei schon 2008 den entscheidenden Impuls gegeben. Drittens möchten wir auch allen an der Herstellung des vorliegenden Tagungsbands beteiligten Personen herzlichst für ihre Mitarbeit danken, allen voran Anne-Laure Maclot, ehemalige Studentin des IEP und Praktikantin des EuroInstitutes, die sich mit bewundernswerter Mühe, Geduld und Fleiß der Formatierung der Texte, der Erstellung und Übersetzung der Abstracts sowie der technischen Koordinierung des Gesamtmanuskriptes gewidmet hat. Und ein spezieller Dank an Joanne Hunting für die Relektüre und Übersetzung der englischen Texte und an Anne Thevenet für die Korrektur der französischen Texte darf hier nicht fehlen. Schließlich möchten wir uns noch bei allen Autoren für ihre hervorragenden Artikel bedanken, ohne die unsere Publikation nicht möglich gewesen wäre.
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REMERCIEMENTS Pour la réalisation de ce deuxième ouvrage de recherche sur le thème de la gouvernance transfrontalière dans les régions frontalières allemandes, l’Euro-Institut de Kehl et le centre de recherche Frontières, acteurs et représentations d’Europe (FARE) de l’Université de Strasbourg ont pu compté sur le soutien de nombreux partenaires. En premier lieu, nous tenons à remercier l’École Supérieure allemande des sciences administratives de Spire et notamment son recteur Stefan Fisch ainsi que son collaborateur Simon Lang. Du fait de leur soutien logistique et de leur contribution conceptuelle, il a été possible de mener à bien l’organisation de ce colloque à Spire. De plus, grâce la préparation et la mobilisation impressionnante d’acteurs aux côtés de Simon Lang, 100 participants issus des administrations territoriales allemandes des Länder ont pu assister au colloque. Enfin, grâce à l’investissement de Stefan Fisch l’École Supérieure allemande des sciences administratives est devenu un partenaire officiel de notre cycle de recherche et coopère aujourd’hui aussi de manière institutionnelle avec le Pôle européen d’administration publique (PEAP) du côté français. Dans un deuxième temps, nous souhaitons d’ailleurs remercier le PEAP, qui a, en grande partie, financièrement soutenu notre cycle de recherche depuis 2009 et qui a permis d’établir une coopération transfrontalière durable entre les différents partenaires. Notre approche interdisciplinaire et européenne a ainsi été reconnue comme une des lignes directrices des recherches au sein du PEAP. Nous remercions également le centre de recherche historique FARE qui s’est investi dès le début en faveur du cycle de recherche, dans le cadre de son axe « frontières et espaces frontaliers », par un soutien à la fois au niveau du contenu mais aussi financièrement. Dans ce cadre, dès 2008, Sylvain Schirmann, directeur de l’Institut d’Etudes Politiques (IEP) de Strasbourg, avait déjà donné l’impulsion déterminante. En troisième lieu, nous souhaitons enfin remercier l’ensemble des personnes qui se sont investies dans la réalisation de cette publication. Tout d’abord AnneLaure Maclot, ancienne étudiante de l’IEP et stagiaire à l’Euro-Institut, qui s’est consacrée à la mise en page des textes, à la rédaction et traduction des Abstracts ainsi qu’à la coordination technique de l’ensemble du manuscrit avec une patience et une application admirables ; Sans oublier un remerciement spécial à Joanne Hunting pour la relecture et la traduction des textes anglais ainsi qu’à Anne Thevenet pour la correction des textes français. Enfin, nous voudrions remercier chacun des auteurs pour leurs excellents articles, sans qui notre publication n’aurait pas été possible.
ACKNOWLEDGEMENTS The Euro-Institut in Kehl and the University of Strasbourg’s Research Laboratory Frontières, acteurs et représentations d’Europe (FARE) have received the support of many partners in the putting together of this second book of research on the topic of cross-border governance in the German border regions.
DANKSAGUNGEN
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First of all, we would like to thank the German University of Administrative Sciences in Speyer and in particular its President, Stefan Fisch, as well as his colleague Simon Lang. Thanks to their logistical support and the contribution of their ideas, we were able to successfully organise this colloquy in Speyer. In addition, thanks to Simon Lang’s preparation and impressive mobilisation of stakeholders, 100 participants from the regional administrations of the German Länder were able to attend the colloquy. Finally, thanks to Stefan Fisch’s personal investment, the German University of Administrative Sciences has become an official partner of our research cycle and now cooperates also institutionally with the European Pole of Public Administration (PEAP) in Strasbourg. Next, we should like to thank the PEAP which has been financially supporting our research cycle, to a large extent, since 2009 and which has enabled us to establish sustainable cross-border cooperation between the different partners. Our interdisciplinary and European approach has thus been recognised as one of the guidelines for research in the PEAP. We also thank the FARE Research Laboratory which, from the beginning, has integrated our research cycle in the framework of its “borders and border regions” field of study. Its support has been both on content and financial. In this context, Sylvain Schirmann, Director of the Institute of Political Studies (IEP) in Strasbourg, gave the decisive impetus as early as 2008. Thirdly, we would like to thank all the people who have devoted a lot of time and effort to the production of this publication. First, Anne-Laure Maclot, a former student of the IEP and intern at the Euro-Institut, who, with admirable patience and commitment, worked on the layout of the text, the editing and the translation of abstracts as well as the technical coordination of the whole manuscript. Special thanks go to Joanne Hunting for proof-reading and translating the texts into English and to Anne Thevenet for correcting the French texts. Finally, we would like to thank all of the authors for their excellent articles, without whom this publication would not have been possible.
WARUM EIN KOLLOQUIUM ZUR GOVERNANCE? ANNE THEVENET 1. Der Forschungszyklus zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit: Ziele und Ambitionen Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist ein relativ neuer Prozess, der sich im Laufe der letzten Jahren verstärkt hat, aufgrund der Intensivierung der europäischen Einigung, des Abbaus der Grenzen innerhalb der Europäischen Union (EU) und aufgrund der Erstellung von Instrumenten wie die Madrider Rahmenvereinbarung1. Zur selben Zeit, auch wenn die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Literatur langsam erscheint, ist dies noch sehr sporadisch und die Forschungsprogramme über diese Fragen sind selten oder sogar inexistent. Diese Feststellungen führen zu zwei Schlussfolgerungen. Auf einer Seite müssen die Praktiker täglich ihre eigenen Praktiken erfinden. In der Tat verfügen sie über wenige Vergleichsmöglichkeiten, wenige Instrumente, wenig Erfahrungsberichte und müssen sich dennoch an der Realität ihres Gebietes und ihrer Grenze anpassen. Auf der anderen Seite haben die Wissenschaftler nur wenige Referenztexte und müssen sich auf ein neues Forschungsterrain wagen, das manchmal aufgrund seiner Komplexität und Vielfalt schwer anzugehen ist. Diese Beobachtungen haben das Euro-Institut2 und das Forschungszentrum Frontières Acteurs et Représentation de l’Europe (FARE) der Universität Straßburgs ermutigt, diesen Forschungszyklus zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu initiieren. Er wurde innerhalb des Europäischen öffentlichen Verwaltungspols Straßburg (PEAP) seit 2008 entwickelt. Drei Kolloquien wurden im Laufe des ersten Jahres organisiert und in einer ersten Publikation, herausgegeben von Birte Wassenberg (Universität Straßburg), veröffentlicht3. Drei weitere fanden 2009 statt und diese Publikation veröffentlicht die Beiträge aus dem ersten dieser Kolloquien zum Thema „Grenzüberschreitende Formen von Governance am Beispiel deutscher Grenzregionen“. Während dieser Aktivitäten haben das Euro-Institut und FARE eine wissenschaftliche Gruppe dynamischer und innovativer Mitglieder mobilisiert, die aus unterschiedlichen Ländern und wissenschaftlichen Disziplinen kommen und mit 1 2
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Diese 1980 von den Mitgliedsstaaten des Europarates unterzeichnete Rahmenvereinbarung ist ein europäisches Rechtsinstrument, das den Abschluss von Abkommen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ermöglicht. Das Euro-Institut ist ein auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit spezialisiertes Fortbildungsinstitut, das vom Land de Baden-Württemberg, dem Ortenaukreis, den Städten Kehl, Achern, Freiburg, Lahr, Oberkirch, Offenburg, dem französischen Staat, der Région Alsace, dem Département du Bas-Rhin und der Communauté urbaine de Strasbourg finanziert wird. WASSENBERG, B. (Dir.), Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2008.
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Unterstützung des Europarats, insbesondere des Kongresses für Gemeinden und Regionen und der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer arbeiten. Der Anspruch dieses Zyklus bestand darin, einen Mangel zu kompensieren, der dank der oben genannten Schlussfolgerungen identifiziert werden konnte: der Mangel an Austausch zwischen Praktikern und Wissenschaftlern. Die Zusammenführung von Informationsmaterial und von verschiedenen Gesichtspunkten kann tatsächlich in zweifacher Weise von Nutzen sein: Aus der Konfrontation zwischen diesen zwei „Welten“ können wissenschaftliche Reflexionen im Hinblick auf die Formalisierung von Instrumenten und von Methoden, durch die Konzeptualisierung mancher Praktiken, entstehen. Für die Praktiker geht es darum, von ihrer Praxis Abstand gewinnen zu können, an den Reflexionen mithilfe ihrer Erfahrungen teilzunehmen aber auch mit anderen Praktikern über gemeinsame Forschungsfragen austauschen zu können. Dieses Zusammentreffen von Akteuren vor Ort und Wissenschaftlern, von Praxis und Theorie, ermöglicht einen globalen Ansatz. Wie Joachim Beck zu Recht betont, ist die Grenze ein multidimensionales Phänomen4. Es handelt sich nicht mehr darum, die Grenze als ein Hemmnis zwischen zwei Räumen zu definieren, sondern die politischen, wirtschaftlichen, juristischen, sprachlichen und geographischen Dimensionen, die heute zur Grenze selbst und zu ihrem Bezugsbereich – der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit – dazugehören, mit zu berücksichtigen. Es geht daraus hervor, dass jede Grenze einzigartig ist, da ihre „interdimensionalen“ Merkmale unterschiedlich sind. In diesem Kontext sollte ein Wissenschaftler diese Vielfalt dazu nutzen, Fallstudien aufzustellen, um den einen oder anderen Aspekt der bzw. einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu konzeptualisieren. Unser Zyklus gibt Forschern die Möglichkeit, ihre Studien mit verschiedenen praktischen Erfahrungsberichten der Praktiker zu konfrontieren. Darüber hinaus sollte beachtet werden, dass die Fokussierung auf eine einzige wissenschaftliche Perspektive manchmal die Analyse der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die ein komplexer und transversaler Gegenstand bleibt, beschränken kann. Alle Human- und Sozialwissenschaftsbereiche können sich dafür interessieren und an einem bestimmten Aspekt arbeiten. Die Herausforderung besteht jedoch darin, diese Studien zu vergleichen, mit dem Ziel, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit aus einer interdisziplinären Perspektive heraus zu analysieren. Dadurch wird die Forschung konkret die Praxis unterstützen können, indem sie ihr Instrumente und Methoden, sowie praktisch anwendbare Konzepte vorschlägt. Unser Forschungszyklus hat viel darin investiert, eine Austauschplattform zwischen Wissenschaftlern unterschiedlicher geographischer Herkunft und fachwissenschaftlicher Disziplin zu bilden. Sie konnten so ihre Hypothesen direkt mit den von den anwesenden Praktikern vor Ort präsentierten Realitäten konfrontieren. In einer Zeit, die immer schneller zu werden scheint und in der sich die Distanzen verringern und Kontakte und Netzwerke immer notwendiger werden, um eine globale Vision sowie notwendige und bereichernde Informationen zu 4
BECK, J., « La coopération transfrontalière, objet de recherche interdisciplinaire », dans WASSENBERG, B. (Dir), Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2008, pp. 21-47.
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erhalten, hat unser Zyklus die Herausforderung angenommen, anlässlich thematischer Seminare und des Endkolloquiums, Experten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit aus dem „Großen Europa“5 zu versammeln und die Reflexion über dieses Instrument weiterzubringen6. Es handelt sich in der Tat um ein Instrument: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird nicht hauptsächlich um ihrer selbst Willen praktiziert. Die Gebietskörperschaften versuchen, ihre Probleme zu lösen, den Alltag der Bürger zu erleichtern bzw. zu verbessern, ihre Bedürfnisse zu erfüllen, sowie attraktive und wettbewerbsfähige Regionen zu entwickeln. Dafür muss ein neuer geographischer Aktionsperimeter treffend definiert werden und dieses treffende Territorium kann grenzüberschreitend sein! Deshalb sollte alles unternommen werden, um diese Zusammenarbeit alltäglich zu fördern. Das war eine der Hauptambitionen dieses Zyklus, die durch die Konfrontation verschiedener aktueller wissenschaftlicher Reflexionen über das Thema realisiert wurde.
2. Governance: eine unumgängliche Dimension Nach der Abhandlung der Themen über den Ursprung, die Akteure, sowie die theoretischen und politischen Aspekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in einem ersten Forschungsband wollten wir unsere Reflexionsparameter auf die regionale/grenzüberschreitende Governance ausweiten. Die Governance war für uns ein wichtiges Thema. Wenn die Partner auf beiden Seiten einer Grenze zur Realisierung einiger isolierten Projekte zusammen arbeiten, stellt sich zunächst kaum die Frage der grenzüberschreitenden Governance (außer auf der Ebene des Projektes). Aber wenn die Zusammenarbeit intensiviert wird, wenn eine gemeinsame Vision in bestimmten Bereichen oder für die Entwicklung des gesamten grenzüberschreitenden Gebietes gewünscht wird; wenn man den Bürger einbeziehen möchte, sodass er seine Vorangehensweise und seine Projekte vorbringen und seine Bedürfnisse ausdrücken kann, wird die Governance-Frage entscheidend. Heute hat sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit überall in Europa intensiviert, vor allem mithilfe der erheblichen Unterstützung des Interreg-Programms7. Es wird immer wichtiger, die Projekte mit der Raumentwicklung in Einklang zu bringen, damit die grenzüberschreitende Zusammenarbeit den Herausforderungen eines gemeinsamen Raumes entsprechen und dazu beitragen kann, die Wettbewerbsfähigkeit des Gebietes in einer globalisierten Umwelt zu verstärken. Es geht für die Politik darum, auf das Gebiet in konzertierter Weise miteinander Einfluss nehmen zu können, die Bereiche zu definieren, in welchen ein gemeinsamer Fortschritt gewünscht wird und schließlich dies- und jenseits der Grenze wirklich zusammenzuarbeiten. Dafür erweist sich die Definition von Re5 6 7
Das Große Europa bedeutet den Umfang des Europarates mit seinen 47 Mitgliedstaaten (Russland und die Türkei mit eingeschlossen). Ungefähr 100 Teilnehmer wurden pro Seminar empfangen. Das Interreg-Programm ist eine 1990 von der Europäischen Kommission im Rahmen der Reform der Regionalpolitik eingeführte Gemeinschaftsinitiative, die grenzüberschreitende Projekte von europäischen Grenzregionen finanziell unterstützt.
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gelungen als notwendig, damit Entscheidungen gemeinsam getroffen werden können. Dies stellt immer eine Herausforderung dar, da es dabei immer mindestens zwei asymmetrische politisch-administrative Systeme miteinander in Einklang gebracht werden müssen. In diesem Zusammenhang scheint eine grundlegende Reflexion über grenzüberschreitende Governance-Fragen entscheidend. Das Kolloquium am 6. Februar 2009 in Speyer bot die Gelegenheit, die juristischen und historischen Grundlagen zu etablieren und diese dann mit den Analysen und Erfahrungen von den an den deutschen Grenzen aktiven Wissenschaftlern und Praktikern zu vergleichen. Es sind die Arbeitsresultate der Referenten, Forscher und Praktiker aus diesem Kolloquium, die sie in dieser Publikation wiederfinden. Ich möchte für die Leser präzisieren, dass unsere Arbeiten zum Jahr 2009 hiermit jedoch nicht beendet sind. Zwei weitere Publikationen werden noch erscheinen, die die Beiträge der Referenten beiden anderen Kolloquium zusammenstellen. Wir haben unsere Analyse in dieser ersten Etappe zur Governance geographisch auf die deutschen Grenzen bezogen und dann unseren Perimeter beim zweiten Kolloquium am 19. Juni 2009 auf die europäische Dimension der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ausgeweitet. Beim letzten Kolloquium am 1. Dezember 2009 haben wir schließlich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in sensiblen Regionen behandelt. Es wird Ihnen so möglich sein, unser schrittweises Herangehen an die Komplexität des Gegenstandes festzustellen. Wir haben zunächst unseren Ansatz geographisch auf die grenzüberschreitende Governance in deutschen Grenzregionen beschränkt, weil wir Vergleichselemente brauchten, und gemeinsame analytische Raster benutzen wollten. Dann haben wir die Behandlungsfläche bis zu den Grenzen des „Großen Europas“ erweitert und daher eine einzige Dimension der Kooperation beobachten können: die europäische Dimension. Zum Schluss haben wir „die Sensibilität“ der Grenzregionen gewählt, ein Thema, dass weder geographisch, noch dimensionell begrenzt ist. Wir hoffen, dass die Kohärenz dieser bewussten Themenwahl ihren Erwartungen entspricht. In Erwartung der gesamten Publikationen dieser Reihe möchten wir Sie dazu einladen, sich in diesem Buch für die Fragen der Governance, ihrer Konzepte und Lösungsansätze, die in den verschiedenen Grenzregionen entwickelt wurden, zu interessieren. Wir hoffen so, Ihnen neue Sichtweisen zu diesem sehr aktuellen Thema zu eröffnen.
POURQUOI UN COLLOQUE SUR LA GOUVERNANCE ? 1. Le cycle de recherche sur la coopération transfrontalière : objectifs et ambition La coopération transfrontalière est un phénomène relativement récent. Sa pratique s’est renforcée au cours des dernières années, du fait de l’intensification de la construction européenne, l’abaissement des frontières au sein de l’Union européenne (UE) ou encore en raison de la création d’outils comme la Conventioncadre de Madrid1. Parallèlement, si la coopération transfrontalière fait son apparition dans la littérature scientifique, cela reste très sporadique et les programmes de recherche sur ces questions restent rares voire inexistants. Ces constats amènent à deux conclusions. D’une part, les praticiens doivent inventer quotidiennement leurs propres pratiques. En effet, ils n’ont que peu de comparaisons possibles, peu d’instruments, peu de recul et doivent s’adapter à la réalité de leur territoire, de leur frontière. D’autre part, les scientifiques ne disposent que de références peu nombreux et s’aventurent sur un terrain nouveau qu’il est parfois difficile d’approcher du fait de sa complexité et de sa diversité. Ce sont ces observations qui ont conduit l’Euro-Institut2 et le laboratoire de recherche Frontières Acteurs et Représentation de l’Europe (FARE) de l’Université de Strasbourg à proposer ce cycle de recherche sur la coopération transfrontalière. Ce dernier a été supporté par le Pôle Européen d’Administration Publique Strasbourg (PEAP) depuis 2008. Trois colloques ont été organisés la première année et ont fait l’objet d’une première publication, réalisée sous la direction de Birte Wassenberg de l’Université de Strasbourg3. Trois autres ont eu leur en 2009 et vous trouverez dans cet ouvrage les communications des différents intervenants qui ont participé au premier d’entre eux sur le thème des « formes de gouvernance transfrontalière à l’exemple des frontière allemandes ». Lors de ces travaux, l’Euro-Institut et FARE ont pu mobiliser les membres d’un comité scientifique, dynamiques et novateurs, d’horizons divers et trouver un appui solide après du Conseil de l’Europe et notamment le Congrès des Pouvoirs Locaux et Régionaux ainsi que de l’Ecole Supérieure Allemande des Sciences Administratives Spire. L’ambition de ce cycle a été de combler un manque, que nous avons pu définir grâce aux conclusions précédemment citées : celui de l’échange entre praticiens et 1 2
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Signée en 1980 par les Etats membres du Conseil de l’Europe, cette Convention-cadre est un outil juridique européen permettant la conclusion d’accords sur la coopération transfrontalière. L’Euro-Institut est un organisme de formation, de conseil et d’accompagnement spécialisé en coopération transfrontalière financé par le Land de Bade-Wurtemberg, l’Ortenaukreis, les villes de Kehl, Achern, Freiburg, Lahr, Oberkirch, Offenburg, l’Etat français, la Région Alsace, le Département du Bas-Rhin et la Communauté urbaine de Strasbourg WASSENBERG, B. (Dir.), Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2008.
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chercheurs. En effet, cette mise en commun des informations et des points de vue peut être bénéfique à double titre. De cette confrontation entre ces « deux mondes » peuvent naître des réflexions scientifiques en vue de la formalisation d’outils, de méthodes par la conceptualisation de certaines pratiques. Pour les praticiens, il s’agit de prendre du recul par rapport à leur pratique, de participer aux réflexions au travers de leurs expériences mais aussi d’échanger avec d’autres praticiens sur des problématiques communes. Ce croisement des regards entre acteurs de terrain et scientifiques, entre pratique et théorie, permet d’avoir une approche globale. Ceci est d’autant plus important que comme le souligne Joachim Beck justement, la frontière est un phénomène multidimensionnel4. Il ne s’agit plus en effet de définir la frontière comme limite entre deux espaces mais bien de prendre en compte les dimensions politiques, économiques, juridiques, linguistiques, géographiques qui sont désormais intrinsèques à la frontière et son objet, la coopération transfrontalière. Il en découle que chaque frontière est unique puisque ces caractéristiques « interdimensionnelles » sont différentes. Dans ce contexte, un scientifique devra user de cette diversité et multiplier les cas d’études afin de conceptualiser l’un ou l’autre aspect de la (ou d’une) coopération transfrontalière. Le cycle donne la possibilité aux chercheurs de confronter leurs études à différents cas pratiques à travers les expériences des praticiens. En outre, il faut constater que se focaliser sur une seule perspective peut parfois être réducteur dans l’analyse la coopération transfrontalière qui reste un objet complexe et transversal. Toutes les sciences humaines peuvent s’y intéresser et travailler sur un aspect particulier. Cependant, l’enjeu est de croiser ces études et d’arriver à analyser la coopération transfrontalière de manière interdisciplinaire puisque c’est ainsi que la recherche pourra concrètement soutenir la pratique en lui offrant des outils et des méthodes, en proposant des concepts applicables sur le terrain. Là encore le cycle de recherche s’est donné les moyens de son ambition, en devenant cette plateforme d’échange entre scientifiques de différents horizons tant géographiques que disciplinaires. Ils ont pu confronter directement leurs hypothèses aux réalités de terrain portées par les praticiens présents. A l’heure où le temps est une richesse inexorable, où les distances se réduisent, où les contacts et les réseaux sont de plus en plus nécessaires pour avancer et avoir une vision générale et des informations pertinentes et enrichissantes, notre cycle a su relever le défi de réunir, lors de séminaires thématiques et du colloque final, les experts en matière de coopération transfrontalière à l’échelle de la « Grande Europe »5 et de faire avancer la réflexion sur cet outil6. Car il s’agit bien d’un outil : on ne pratique pas la coopération uniquement dans l’objectif de faire la coopération transfrontalière. Les pouvoirs publics cherchent à régler des problèmes, à faciliter voire améliorer la vie quotidienne des citoyens, à répondre à des besoins, à développer des régions attractives et compétitives. Pour ce faire, il faut définir son territoire d’action de façon pertinente. Or ce 4 5 6
BECK, J., « La coopération transfrontalière, objet de recherche interdisciplinaire », dans WASSENBERG, B. (Dir), Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2008, pp. 21-47. La Grande Europe signifie l’échelle du Conseil de l’Europe avec ses 47 membres (y compris la Russie et la Turquie). En moyenne, 100 participants ont été accueillis lors de chaque journée.
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territoire pertinent peut être transfrontalier ! D’où l’importance de tout mettre en œuvre pour faciliter cette coopération au quotidien, ce qui a été l’une des ambitions principales de ce cycle en confrontant les diverses réflexions scientifiques actuelles sur le sujet.
2. La gouvernance : une dimension incontournable Après avoir abordé les thèmes des origines, des acteurs, des aspects théoriques et politiques de la coopération transfrontalière dans un premier ouvrage, nous avons souhaité élargir notre champ de réflexion à la gouvernance régionale/transfrontalière. La gouvernance nous est apparue comme un thème essentiel. En effet, lorsque les partenaires de part et d’autre d’une frontière travaillent ensemble à la réalisation de quelques projets isolés, la question de la gouvernance transfrontalière (si ce n’est à l’échelle du projet) ne se pose d’abord que très peu. Par contre, à partir du moment où la coopération s’intensifie, où l’on souhaite avoir une vision commune dans certains domaines ou même pour le développement du territoire transfrontalier dans sa totalité ; lorsqu’on souhaite impliquer le citoyen, que celui-ci puisse s’approprier la démarche, les projets et faire entendre ses besoins, la question de la gouvernance devient cruciale. Aujourd’hui, la coopération transfrontalière s’est largement intensifiée partout en Europe, également grâce au soutien indéniable apporté par le programme Interreg7. Il devient de plus en plus important de faire coïncider les projets avec le développement du territoire afin que la coopération transfrontalière puisse répondre aux enjeux d’un espace et contribuer à renforcer la compétitivité du territoire dans un environnement mondialisé. Il s’agit alors pour le politique de pouvoir influer sur le territoire de manière concertée, de définir les domaines sur lesquels on souhaite avancer ensemble, ou encore de pouvoir travailler de concert d’un côté et de l’autre de la frontière. Or pour ce faire, il est incontournable de définir des règles de fonctionnement pour rendre possible la prise de décision. Cela représente toujours un défi à relever puisqu’il s’agit de mettre en phase au moins deux systèmes politico-administratifs asymétriques. Dans ce contexte, réfléchir sur les questions de gouvernance transfrontalière semble primordial. Le colloque du 6 février 2009 à Spire a ainsi permis de poser tout d’abord les fondements tant juridiques qu’historiques, puis de confronter nos réflexions et expériences à celles de scientifiques et praticiens actifs sur les frontières allemandes. Ce sont les résultats de cette journée, des travaux menés par les intervenants, chercheurs et praticiens que vous découvrirez au fil des pages suivantes. J’aimerai préciser au lecteur que nos travaux en 2009 ne se sont pas arrêtés là. En effet, deux ouvrages complémentaires de celui-ci regroupent les communications des intervenants des deux autres colloques organisés cette même année. Si nous avons limité géographiquement nos réflexions aux frontières allemandes 7
Le programme Interreg est l’initiative communautaire introduit en 1990 par la Commission européenne dans le cadre de la réforme de la politique régionale qui soutient financièrement des projets de coopération transfrontalière dans les régions frontalières européennes.
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lors de cette première étape sur la gouvernance, nous avons su élargir notre périmètre en traitant, lors d’un second colloque le 19 juin 2009, de la dimension européenne de la coopération transfrontalière. Enfin, lors du troisième et dernier colloque du 1er décembre 2009, nous avons abordé la coopération transfrontalière dans les régions sensibles. Vous pourrez ainsi constater notre approche « crescendo » dans la complexité de la matière. Nous avons, dans un premier temps, restreint géographiquement notre réflexion en étudiant la gouvernance transfrontalière aux frontières allemands uniquement car nous souhaitions pouvoir avoir des éléments de comparaison et pouvoir utiliser des grilles d’analyse communes. Nous sommes ensuite allés jusqu’aux frontières de la « Grande Europe » pour observer une seule dimension de la coopération, à savoir la dimension européenne. Enfin, nous avons choisi de nous pencher sur « la sensibilité » des régions frontalières, thème qui ne représente aucune restriction géographique ou dimensionnelle. Nous espérons que la cohérence de ce choix éclairé saura satisfaire vos attentes. Dans l’attente pour vous de découvrir l’ensemble des ouvrages relatifs à ce cycle, nous vous invitons à travers les différents articles de cet ouvrage à vous intéresser aux questions de gouvernance, à découvrir les concepts et les solutions développés dans différents territoires aux frontières allemandes. Nous espérons ainsi vous apporter un éclairage nouveau sur ces questions de la plus haute actualité.
WHY A COLLOQUY ON GOVERNANCE? 1. The research programme on cross-border cooperation: what should be its aims and ambitions? Cross-border cooperation is a relatively recent phenomenon. It has become more widespread in recent years due to the growing European construction process, the pulling down of the borders within the European Union (EU) or indeed due to the emergence of tools like the Madrid Convention1. At the same time, even if cross-border cooperation has emerged in scientific literature, mention is made only sporadically and research programmes on these issues remain rare or indeed non-existent. These findings lead to two conclusions. On the one hand, practitioners need to invent their own practices on a daily basis. Indeed, they have few possible comparisons, few instruments, limited hindsight and they have to adapt to the reality of their territory, of their border. On the other, scientists have only a few reference texts and little analysis at their disposal and they venture into new ground which is sometimes difficult to broach due to its complexity and diversity. It is these observations which led the Euro-Institut2 and the University of Strasbourg’s research laboratory Frontières Acteurs et Représentation de l’Europe (FARE) to propose this research programme on cross-border cooperation. The latter has been supported since 2008 by the European Centre of Public Administration PEAP in Strasbourg. Three symposia were organised in the first year and are the subject of a first publication produced under the editorship of Birte Wassenberg from the University of Strasbourg3. Three others took place in 2009 and you may find in this publication the contributions of the participants from the first colloquy on “Forms of cross-border governance in German border regions”. During this work, the Euro-Institut and FARE were able to set up a scientific committee composed of dynamic and innovative people from diverse backgrounds. They also were able to count on strong support from the Council of Europe and in particular its Congress of Local and Regional Authorities as well as from the University College of Administration in Speyer (Germany). The aim of this course of study was to fill a gap that we had been able to identify thanks to the findings mentioned above: that of the exchange between practitioners and researchers. This sharing of information and ideas can be beneficial from two points of view. This confrontation of “two worlds” can give rise to scientific thinking with a view to the standardisation of tools and of methods through the formulation of certain practices. For practitioners, it is a question of 1 2
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Signed in 1980 by the member states of the Council of Europe. The Euro-Institut is an organisation that offers training, advice and assistance and is specialised in cross-border cooperation. It is financed by Baden-Wurttemberg, the Ortenau District, the towns of Kehl, Achern, Freiburg, Lahr, Oberkirch, Offenburg, the French state, the Alsace Region, the Bas-Rhin Département and the Strasbourg Urban Community. WASSENBERG, B. (Dir.), Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2008.
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being able to step back from their practices and to participate in discussions through their experiences but also to be able to exchange with other practitioners on common issues. This exchange of viewpoints between field workers and scientists, between practice and theory, provides for a comprehensive approach. This is all the more important, as Joachim Beck rightly points out, the border is a multidimensional phenomenon4. It is no longer a matter of defining the border between two spaces, rather to take into account the political, economic, legal, linguistic, and geographical dimensions which nowadays are intrinsic to the border and its purpose, cross-border cooperation. It follows on that each border flow is unique since its “inter-dimensional” characteristics are different. In this context, a scientist should make use of this diversity and multiply case studies in order to formulate one or other aspect of the (or of) cross-border cooperation. Our research programme gives the opportunity to these scientists to compare studies with different practical cases through the experiences of practitioners. In addition, it should be noted that focusing on a single perspective can sometimes be simplistic in the analysis of cross-border cooperation, which remains a complex and transversal subject. All of the humanities can find an interest in cross-border cooperation and work on a particular aspect. However, the challenge is to compare these studies so as to be able to analyse cross-border cooperation in an interdisciplinary way since that is how research may actually support practice by providing tools and methods, and proposing concepts which are applicable in the field. Again, our research programme has found the means to realise its ambition by becoming a real platform for exchange between scientists from different backgrounds, not only geographers but also other specialisations. They were able to directly compare their assumptions to the realities in the field as presented by the practitioners present. Nowadays, where time has become an inexorable resource and when distances are shrinking, where contacts and networks are increasingly necessary in order to progress and to have a general vision and relevant and enriching information, our research programme has taken up the challenge of bringing together, in thematic seminars and the final conference, experts on cross-border cooperation across the “Greater Europe”5 to further reflect on this tool6. For it is indeed a tool. One does not practice cross-border cooperation just for its own sake. Public authorities seek to solve problems, to facilitate or indeed to improve the daily lives of citizens, to respond to needs, to develop attractive and competitive regions. To do this, the territory in which they will act must be meaningfully defined. However this meaningful territory could lie across borders! Hence the importance of doing everything possible to facilitate cross-border cooperation in everyday life, which was one of the main ambitions of this research programme by comparing different current scientific approaches and practical experience on the subject.
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BECK, J., « La coopération transfrontalière, objet de recherche interdisciplinaire », dans WASSENBERG, B. (Dir), Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2008, pp. 21-47. The Greater Europe means on the scale of the Council of Europe with its 47 members (including Russia and Turkey). On average, 100 participants were present each day.
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2. Governance: an inevitable dimension After having addressed the themes of the origins, the actors, as well as the theoretical and political aspects of cross-border cooperation in the first publication, we wanted to expand our analysis to the field of regional/cross-border governance. Governance appeared to us to be a central theme. Indeed, when partners on both sides of a border work together to implement isolated projects, the issue of cross-border governance (if not at the scale of the project) initially only arises infrequently. On the other hand, from the moment the cooperation escalates, when a shared vision in certain fields or even the development of the cross-border territory in its entirety is desirable, or when it is desirable to involve citizens, so that they can take ownership of the process and the projects, as well as voice their needs, the question of governance becomes crucial. Today, cross-border cooperation has intensified greatly throughout Europe, including thanks to the undeniable support provided by the Interreg Programme7. It is becoming increasingly important to align projects with the development of the territory so that cross-border cooperation can meet the challenges of an area and contribute to strengthening a territory’s competitiveness in a globalised environment. It is then up to the political “governors” to influence the territory in a concerted manner, to define the fields in which it is desirable to move forward together, or even to be able to work together on either side of the border. To do this, however, it is essential to define operating rules to enable decision-making. This is always a challenge because it means putting at least two asymmetrical political and administrative systems in touch with each other. In this context, it seems of paramount importance to reflect on cross-border governance issues. The conference of 6 February 2009 in Speyer helped to lay the first foundations, both legal and historical, and then to compare our thoughts and experiences with those of scientists and practitioners active on the German borders. You will be able to discover their accomplished work in this publication. I would like to explain to the reader that our work in 2009 has not stopped there. Two more publications will be edited, each of which will bring together the contributions the other two conferences from 2009. At this first stage, we have geographically limited our analysis on cross-border governance to German border regions, but we then enlarged our scope during the second conference of 19 June 2009 to the European dimension of cooperation. Finally, at the last conference of 1 December 2009, we have dealt with cross-border cooperation in sensitive border regions. You will thus be able to discover our progressive step-by-step approach to the complexity of the subject. We first limited our research geographically by examining cross-border governance in German border regions only, for we needed to use elements of comparison and to dispose of a common scheme for analysis. We have then enlarged our analysis to the “Greater Europe” in order to examine one single dimension of cooperation: the European dimension. Finally, we chose to 1
The Interreg Programme is a Community initiative launched in 1990 by the European Commission in the framework of the reform of regional policy which provides financial support for cross-border cooperation projects in Europe’s border regions.
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work on “sensitive border regions”, a theme without any geographical or dimensional restrictions. We hope that the coherence of this deliberate choice will also satisfy your expectations. Waiting for you to be able to discover all publications of this research programme, we invite you to read the different articles in this book in order to find out about governance questions and the different concepts and solutions developed in German border regions on this subject. We hope that we will thus be able to provide you with elements for an enlightened view on these questions of high actual importance.
VORWORT STEFAN FISCH Unsere Welt der Globalisierung ist eine zunehmend offenere Welt von Handel und Migration geworden, eine zusammenwachsende Welt aus immer mehr miteinander verflochtenen Güter- und Menschenströmen, deren stetig zunehmende Vielfalt und Intensität auf Prozessen der Entgrenzung beruht. Die Welt unseres europäischen Kontinents ist zudem von der zunehmenden grenzüberschreitenden Integration der alten nationalstaatlichen Welt des alten Europa bestimmt. Das wird jedem leicht fasslich durch die durchaus wörtlich zu verstehende Grenzenlosigkeit des Schengen-Raums, eine Grenzenlosigkeit, die allerdings nur nach innen besteht, während ihr nach außen eine Stabilität, wenn nicht sogar Verfestigung der gemeinsamen Außengrenzen entspricht. Ein ähnlicher Prozess der Entgrenzung bestimmt auch die grundlegende Veränderung unserer Wahrnehmung von Wirklichkeit durch neue Medien, in denen die eine Realität von vielen virtuellen Welten überlagert werden kann und dabei manchmal sogar verschwindet. Sie bleibt aber real bestehen, und real bleiben auch im geeinten Europa die Grenzen der Nationalstaaten, auch wenn sie nicht mehr tagtäglich durch Zöllner und Grenzpolizisten ins Bewusstsein gerufen werden und für unsere Kinder eine erzählte Erfahrung aus fernen Zeiten geworden sind. Diese andere, nicht sofort ins Auge fallende Fortexistenz der alten Grenzen zeigt sich in Europa besonders dann, wenn über sie hinweg etwas Neues, Gemeinsames geschaffen werden soll – und das ist das Thema dieses Bandes. Deutschland ist das europäische Land mit den meisten Nachbarn und damit auch den meisten, jeweils anders strukturierten Grenzsituationen. Damit sind die deutschen Grenzen ein hervorragender Ausgangspunkt für eine systematische Untersuchung der jeweils spezifischen Bedingungen, Ausprägungen und Schwierigkeiten der sie überschreitenden Zusammenarbeit. Welche fortbestehenden Grenzen eines Deutschlands, das sich „in Europa“ sieht, müssen dabei immer noch überschritten werden? Bei der Antwort auf diese Frage verbindet sich zweierlei: die zukunftszugewandte Umgestaltung der Verhältnisse, die ja auf bestimmte Weise so geworden sind, in eine gemeinsam bestimmte Richtung mit dem vergangenheitsorientierten Blick auf die Ausgangssituation dieses gemeinsamen Vorhabens. Sie ist, in jeweils besonderer Weise, von Unterschieden, Getrenntheit, Desinteresse, Abgrenzung, Feindschaft und Krieg bestimmt worden. Die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen steht beispielhaft für solche Belastungen aus der Vergangenheit, aber ebenso für den energischen Willen zur Veränderung, mit dem vor sechzig Jahren im Schuman-Plan der Grundstein für die über die bilaterale Zusammenarbeit hinausreichende europäische Einigung gelegt worden ist. Die Grenzen, die trotz dieser dynamischen Entwicklung geblieben sind, sind Grenzen des Alltags: Die Unterschiede zwischen den von ihrer Profession her Zusammenarbeitenden diesseits und jenseits der Grenze liegen im stets unterschiedlichen Detail der geltenden Regeln und Zuständigkei-
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ten, in der Nichtübereinstimmung der bestehenden Organisationen, in den unterschiedlichen Vorstellungen von „normaler“ Vorgehensweise, „üblichem“ Verhandlungsstil und gewohnten Methoden der Umsetzung von Beschlüssen. Die Grenze ist zudem oft, nicht immer, eine Sprachgrenze. Und auch bei deren Fehlen ist sie doch immer eine kulturelle Grenze. Der gesellschaftliche Zusammenhalt durch Schulen, Kirchen, Vereine und vieles mehr wird eben nicht, noch nicht, über die Grenze hinüber gesichert, sondern bleibt auf die eigene Seite konzentriert und muss seine Verankerung in einer als gemeinsame Sache erlebbaren und erlebten Region erst noch finden. Auch die Medien sind Teil dieser fortbestehenden Getrenntheit. Von der jeweils anderen Seite vermitteln sie immer ein besonders, vor allem lückenhaftes Bild der Realität, und die potentielle Entgrenzung durch eine frei bestimmbare Auswahl von Virtualität trägt wenig dazu bei, diese reale, alltägliche Grenze zu überwinden. Nicht nur als Vertreter des Fachs Geschichte, sondern auch als Rektor einer von Frankreich 1947 in Deutschland in bemerkenswerter kulturpolitischer Offenheit für deutsche akademische Traditionen gegründeten Hochschule, die Universität und Grande École zugleich war und ist, habe ich sehr gerne an dem Vorhaben mitgewirkt, durch umfassende Bestandsaufnahmen den vergleichenden Blick von Wissenschaft und Praxis auf die Besonderheiten und Schwierigkeiten, aber auch die Potentiale und Entwicklungschancen grenzüberschreitender Zusammenarbeit zu lenken. Besonders wichtig erscheint mir, dass es in den hier dokumentierten Tagungen, die abwechselnd beiderseits der Grenze, in Strasbourg und in Speyer stattgefunden haben, auch und gerade um die Grenzregionen in Europa ging, in denen das Zusammenfinden besonders schwierig ist. Mögen die Beiträge dieses Bandes Mut machen, Mut, einen schon länger begangenen Weg weiter gemeinsam fortzusetzen wie hier am Oberrhein, aber auch Mut, nach dem späten Fall noch viel länger bestehender Grenzen mit Zuversicht aufeinander zuzugehen.
AVANT-PROPOS Notre monde globalisé est devenu un monde de commerce et de migration qui s’ouvre de plus en plus, un monde qui se consolide à partir de flux interdépendants de biens et de personnes, dont la diversité et l’intensité, en expansion constante, repose sur des processus d’abolition des frontières. Notre continent européen connait une intégration transfrontalière croissante de la vieille Europe fondée sur les Etats nationaux, à travers l’instauration de l’espace Schengen et l’abolition des frontières. L’espace Schengen permet une abolition interne des frontières mais est vu de l’extérieur comme un espace de stabilité, voire de consolidation des frontières extérieures communes. Un tel processus d’abolition des frontières détermine également notre nouvelle appréhension de la réalité par de nouveaux médias, dans lesquels une réalité composée de plusieurs mondes virtuels est tantôt superposée, tantôt disparait. Elle demeure toutefois réelle, tout comme les frontières des Etats nationaux au sein de l’Europe unie, même si elles ne sont plus matérialisées quotidiennement par des postes de douane et des poli-
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ciers aux frontières et restent pour nos enfants un souvenir raconté par les anciens. Les autres frontières, celles qui ne sautent pas tout de suite aux yeux, ressurgissent lorsque quelque chose de nouveau doit être réalisé en commun en Europe – c’est le thème de cette publication. L’Allemagne est le pays européen qui a le plus de voisins et qui connait le plus de situations frontalières différentes. Pour cette raison, les frontières allemandes représentent un exemple parfait d’analyse systématique des conditions, expressions et difficultés de la coopération transfrontalière. Quelles frontières existant dans une Allemagne qui se sent européenne doivent être franchies ? La réponse à cette question est double. D’une part, il s’agit de remodeler à l’avenir la situation – qui s’est développée d’une certaine manière – et aller dans une direction commune ; d’autre part il s’agit de prendre en compte le passé comme point de départ pour ce projet commun. Ce point de départ est aussi déterminé par les différences, la séparation, le désintérêt, la distance, l’inimitié et la guerre. L’histoire des relations franco-allemandes est marquée par ces particularités issues du passé, tout comme par sa volonté réelle de changement : notons par exemple la première pierre posée il y a soixante ans avec le plan Schuman pour l’unification européenne dépassant une coopération bilatérale. Les frontières, qui demeurent malgré ce développement dynamique, sont des frontières de la vie quotidienne : les différences entre les personnes coopérant, de par leur profession, d’un côté et de l’autre de la frontière, se situent dans le détail constamment changeant des règles et compétences existantes, dans la non-concordance des organisations existantes, dans les représentations différentes d’une démarche « normale », dans un style d’action commun et des méthodes habituelles de mise en œuvre de décisions. Par ailleurs, la frontière est, souvent mais pas toujours, une barrière linguistique. Même à travers ses manques, elle reste une barrière culturelle. La cohésion de la société s’exprimant à travers les écoles, les églises, les associations et bien d’autres choses, n’est toujours pas assurée lorsque la barrière est franchie, mais reste concentrée d’un seul côté. Il lui reste à trouver une région disposant d’un vécu commun pour pouvoir se disperser. Les médias jouent aussi un rôle dans la continuité de cette séparation. Ils dépeignent une vision lacunaire de la réalité de l’autre côté ; l’abolition virtuelle des frontières n’a que peu d’effet quant au dépassement réel et quotidien de cette frontière. Historien et recteur d’une université créée en 1947 en Allemagne par la France comme Grande École, dotée d’une ouverture politico-culturelle remarquable par rapport aux traditions académiques allemandes, j’ai participé avec plaisir au projet consistant, à travers des prises de position globales, à mener un regard comparatif entre la science et la pratique au sujet des particularités et difficultés, mais aussi des potentiels et chances de développement de la coopération transfrontalière. Il m’apparaît très important que les colloques passés, qui se sont tenus des deux côtés de la frontière, à Strasbourg et à Spire, portaient plus spécifiquement sur les régions frontalières en Europe, dans lesquelles l’action de vivre ensemble est particulièrement difficile…Puisse cette publication donner le courage de continuer le long chemin déjà accompli dans le Rhin supérieur, mais aussi le courage, suite à l’abolition tardive des frontières qui ont existé trop longtemps, de se rapprocher en toute confiance.
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FOREWORD Our globalised world has become an increasingly open world of trade and migration, a world that is more and more growing together due to interdependent flows of goods and people, the ever-expanding diversity and intensity of those are linked to processes to abolish borders. Reality in our European continent is furthermore being determined by the increasing cross-border integration of the old European reality of nation states. This can easily be conceived by everybody through the introduction of the Schengen area with its actual abolition of border controls. However, this just applies to internal borders within this area, but from the outside the Schengen area comes up to stability, even to consolidation of shared external borders. A similar process of eliminating borders also determines fundamental changes in our perception of reality through new media, in which the one reality might be overlayed with several virtual worlds or might sometimes even disappear. This reality remains real however, just like the borders of the nation states within the united Europe, even if these borders are no longer made tangible through the daily presence of customs officers and border police, and even if, for our children they became told experiences from old times. This consistency of old borders, which is not blindingly obvious, arises in Europe especially when across those borders something new, something common shall be installed – hence the theme of this publication. Of all European countries, Germany has the most neighbouring countries and experiences the most border situations, which are different each. For this reason, Germany's borders describe a perfect starting point for systematically analysing the conditions, characteristics and difficulties of cross-border cooperation. In doing so, which persisting borders of a Germany that feels “within Europe” still must be crossed? The answer to this question is twofold. The current situation which in a very specific way became what it is today, should be jointly reshaped in the future without loosing sight to the starting point of this common project . On the other hand, the past must be taken as a starting point for a joint project. This starting point is determined in a vey special way by differences, separation, neglect, delineation, enmity and war. The history of Franco-German relations is distinguished by these burdens from the past, as well as by a resolute commitment to change sixty years ago with the Schuman Plan. This plan paved the way for an European unification, that is going beyond bilateral cooperation. The borders which remain in spite of this dynamic development are borders of every day life: the differences between the people who professionally work together at either side of a border, consist in the ever-changing details of existing rules and competences, the mismatch of existing organisations, in different perceptions of “normal” processing, “normal” negotiations, and common methods of implementing decisions. Moreover, borders often constitute – even though not always – a language barrier. And if not, borders at least remain cultural barriers. Social cohesion through the means of schools, churches, associations and many others, is not – still not – guaranteed across borders, but remains concentrated at the own side of the border. Social cohesion still has to find its anchoring as a common affair in a commonly experienced crossborder region. The media are also part of in this continuous separation. They show an incomplete picture of reality of the respective other side. And the poten-
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tial abolition of borders through the means of a free choice of virtuality has little effect on actual and daily overcoming of that border. Not only as a historian but also as president of a higher education institution which was created in 1947 in Germany by France, an institution of a remarkable cultural and political openness compared the German academic tradition, which was and is a university and a Grand Ecole at the same time, I was happy to participate in this project which consisted of studying cross-border cooperation by comparing theoretically and practically its peculiarities and difficulties, but also its potential and opportunities for development. I think it is very important that the past conferences, which were held on both sides of the border in Strasbourg and Speyer, focused especially on border regions in Europe, where it is particularly difficult to live together… I hope this publication will encourage us to continue our journey along that path, that began quite some time ago, like here in the Upper Rhine region, but also to confidently coming closer to each other n those European regions, in which long-existing borders have been abolished very tardily.
EINLEITUNG BIRTE WASSENBERG „Makroregion, Metropolregion, Eurodistrikt, Euroregion, (euro)-regionale, multi-level, Metropolitan Governance“ Die Terminologie der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa hat im 21. Jahrhundert eine wahrhaft explosionsartige Verwandlung vollzogen: Grenzregionen werden zu Makroregionen, Metropolregionen oder Euroregionen, Grenzstädte zu Eurodistrikten oder Grenzmetropolen; die grenzüberschreitende Zusammenarbeit selbst, die nach dem Zweiten Weltkrieg schlicht als „die kleine Außenpolitik“ der Grenzregionen bezeichnet wurde, wird zur (euro)-regionalen, mutli-level oder Metropolitan Governance. Der neue Terminologie-Schwall erweckt dabei den Eindruck, als könne so die grenzüberschreitende Zusammenarbeit endlich, wie durch Zauberhand, in ihrer Komplexität erfasst werden, als ob Wissenschaftler in ihrem Labor eine Art magische Formel zu diesem Phänomen entwickelt hätten, – wie es Rainer Blocher es in seiner Karikatur auf dem Titelbild dieses Forschungsbandes treffend darstellt. Der Begriff der regional Governance erscheint dabei als perfekte Lösung für alle Probleme der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, als ein ideales System der Politikverflechtung, durch die Grenzregionen nicht nur modellhaft miteinander kooperieren, sondern auch mithilfe des multi-level-Ansatzes perfekt in den europäischen Einigungsprozess integriert werden können. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob es sich hierbei wirklich um einen neuen Ansatz zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit handelt, der diese in ihrer Entwicklung seit den 1950er Jahren bezüglich ihrer Formen, ihrer Handlungsparameter und Akteure grundlegend analysiert und dann in ein neues Theoriemodell einordnet, oder ob es nur ein hilfloser Versuch von Wissenschaftlern und Akteuren ist, ihre Perplexität vor diesem „unergründlichen Phänomen“ der Kooperation über die Grenzen mithilfe einer Flutwelle neuer Bergriffe zu verschleiern. Anders ausgedrückt: Kann der regional Governance-Ansatz für die Forschung zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa einen Mehrwert darstellen? Werden neue Erkenntnisse über Funktionsweise und Entwicklung dieser Zusammenarbeit gewonnen? Können dabei theoretische Konzepte aufgestellt werden, die auch Indikatoren für eine Vergleichsanalyse der verschiedenen Grenzregionen bieten? Werden schließlich in der Praxis für die Akteure dadurch Anhaltspunkte oder sogar Leitlinien für besseres Handeln gegeben? Der gemeinsame dreijährige Forschungszyklus zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit des Forschungszentrums Frontières, acteurs et représentations d’Europe (FARE) der Universität Straßburg und des Euro-Institutes in Kehl widmet sich schon seit 2008 einem Teil dieser Fragen. So wurden in einer ersten Reihe von Kolloquien am Beispiel der französischen Grenzregionen die Ursprünge, die Akteure und die theoretischen und politischen Aspekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erforscht. In einem interdisziplinären Ansatz, bei dem
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sowohl Forscher aus verschiedenen Fachdisziplinen – Historiker, Politik- und Verwaltungswissenschaftler, Geographen, Juristen, Soziologen, usw. – wie auch Akteure unterschiedlicher Nationalität aus den verschiedenen Grenzregionen zusammenkamen, sind schon einige Thesen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit aufgestellt worden, die in einem ersten Forschungsband veröffentlicht wurden1. Drei Erkenntnisse scheinen dabei ausschlaggebend für die weitere Forschung in diesem Bereich: Erstens wurde festgestellt, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sehr komplex ist, weil ihr Ursprung in jeder Grenzregion von den jeweiligen geographischen, politischen und sozio-ökonomischen Verhältnissen abhängt und daher einzigartig ist2. Zweitens ist sie sehr vielfältig, da ihre Akteure aus den unterschiedlichsten Fachbereichen – Wirtschaft, Politik, Verwaltung, etc. – und Handlungsebenen – national, regional, lokal – kommen3. Drittens schließlich ergab die Analyse der theoretischen und politischen Aspekte, dass die Terminologie und die theoretischen Analysen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit weder homogen sind, noch in ihren Grundlagen übereinstimmen, sodass in diesem Bereich noch erheblicher Klärungsbedarf besteht und eine einheitliche Definition des Forschungsobjektes noch ausbleibt4. Gerade bei diesem letzten Punkt bietet die Fokussierung auf regional Governance also die Möglichkeit, Theorie und Terminologie der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit einmal von Grund her neu zu überdenken. Das Thema der regional Governance wurde Mitte der 1990er Jahre zunächst in Großbritannien von Politikwissenschaftlern in der Debatte um eine strategische Stärkung der regionalen Ebene und einer Neu-Organisation der Regional Councils aufgebracht5. Dabei wurde zunächst einmal zwischen Governance als Prozessorientierten und Government als Struktur-orientierten Ansatz unterschieden; die regional Governance legte dann die Betonung auf regionale Selbststeuerung in politischen Prozessen6. Im Anschluss an die britische Debatte hat sich daraufhin die Politikwissenschaft auch europaweit mit der Thematik der regional Governance auseinandergesetzt, ohne sich jedoch dabei auf einheitliche Definitionen zu verständigen7. Es handelt sich also schon auf die interne regionale Politik jedes Staates bezogen um einen „anerkannt uneindeutigen Begriff“, der jeweils im Bezug 1 2
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WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2009. WASSENBERG, B., „Qu’est-ce-qui motive la coopération transfrontalière dans l’espace franco-germano-suisse ? Approche historique“, S.95; RICQ, Ch. „Les prolégomènes à toute analyse et expérience transfrontalière“, S.83, in : WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, op.cit. LANG, S., „Ouvrir la Black-Box : approche de la notion d’acteur de la coopération transfrontalière“, S. 169, in : WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume1) : les régions frontalières françaises, op.cit. CASTEIGTS, M., „La mise en cohérence des politiques publiques en territoire transfrontalier“, S.289 ; WASSENBERG, B., „L’eurorégion du Rhin supérieur : mythe ou réalité ?“, S.347, in : WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume1) : les régions frontalières françaises, op.cit. Cf. PIERRE,J., PETERS,B.G., Governance, politics and the state, Houndsmill, 2000. RHODES, R.W.A., „The new governance: governing without government“, Political Studies 44, 1996, S.652. FÜRST, D., „Regional Governance“ in : BENZ, A., LÜTZ, S., SCHIMANK, U, SIMONS, G. (Hrsg.), Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden, 2007, S.353ff.; SCHMITT-EGNER, P., Handbuch zur Europäischen Regionalismusforschung, Wiesbaden, 2005, S.29. ff..
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auf das Analyseobjekt oder aus Sichtweise des Autors unterschiedlich interpretiert wird. Generell wird dabei gemäß Dietrich Fürst von „netzwerkartigen, intermediären Formen der regionalen Selbststeuerung“8 ausgegangen, aber die Differenzierung dieser Selbststeuerung kann dann enger oder weiter ausfallen: In einer engeren Begriffsdefinition handelt es sich um partizipatorische Prozesse, in denen hierarchisch staatliche Entscheidungen keine Rolle spielen; In einem weiteren Verständnis werden eine Vielfalt von Interaktionsmustern einschließlich hierarchisch institutioneller Regulationsmechanismen mit einbezogen9. Mit Blickrichtung auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa muss nun vor allem erforscht werden, wie sich die regional Governance als konzeptuelle Grundlage für die Kooperationsformen zwischen Grenzregionen anwenden lässt. Welcher Governance-Begriff eignet sich am besten für die Analyse der territorialen Zusammenarbeit zwischen Akteuren zweier oder mehr unterschiedlicher nationaler Politiksysteme? Sollte eine neue grenzüberschreitende Governance-Definition entwickelt werden, die den spezifischen Kontext der transnationalen Kooperation mit berücksichtigt? Kann der regional Governance Ansatz dazu dienen, die Basis für neue theoretische Grundlagen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu bilden? Auch für diese thematische Diskussion zur regional Governance ist nur ein interdisziplinärer Ansatz für Ergebnisse vielversprechend. In der Tat bilden Grenzregionen im europäischen Kontext mögliche innovative Pilotprojekte zur Verwirklichung neuer Governance-Strukturen (wie z.B. Metropolregionen, Euroregionen, etc.). Wie jedoch schon Joachim Beck in seiner Einführung zum grenzüberschreitenden Forschungszyklus betonte, müssen für die Analyse dieser Strukturen die multidimensionalen Funktionen der Grenze mit berücksichtigt werden10: die geographische Dimension, die sich auf die physischen, Raum-bezogenen Elemente der Grenze bezieht; die politische Dimension, die die unterschiedlichen nationalen Staatssphären und die damit verbundenen Souveränitätsbereiche dies- und jenseits der Grenze erfasst; die rechtliche Dimension der Grenze, die wiederum auf die verschiedenen nationalen Rechtssysteme hinweist; die wirtschaftliche Dimension mit Blick auf die Entwicklungsdisparitäten und -potenziale in den Grenzgebieten; die sozio-kulturelle Dimension, die auf das Zusammentreffen unterschiedlicher Gesellschaften und Kulturen hinweist und schließlich die Geschichtsdimension, die die Grenzziehung und deren Verschiebungen im Laufe der Zeit festhält. Nur mithilfe einer interdisziplinären Analyse zum Phänomen der Grenze können diese multidimensionalen Funktionen erforscht werden. Und nur mithilfe von unterschiedlichen Fachdisziplinen – Geschichte, Politik- und Verwaltungswissenschaften, Rechtswissenschaften, Soziologie, etc.- und der Akteure vor Ort in den Grenzregionen können die auf dem multidimensionalen Phänomen der Grenze beruhenden verschiedenen Funktionen der Grenzregionen dann umfassend erläutert werden, die für die Analyse der regional Governance unausweichlich sind: die Modell-Funktion für die territo8 9 10
FÜRST, D., „Regional Governance“, in : BENZ, A. (Hrsg.), Governance- Regieren in komplexen Regelsystemen: eine Einführung, Opladen, 2004, S.45ff. SCHUPPERT, G.F., ZÜRN, M. (Hrsg.), „Governance in einer sich wandelnden Welt“, PVS Vierteljahreszeitschrift, Sonderheft 41, 2008, S.23ff. BECK, J., „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit als Gegenstand interdisziplinärer Forschung. Konturen eines wissenschaftlichen Arbeitsprogramms“, S.21, in: WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume1) : les régions frontalières françaises, op.cit.
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riale Kohäsion in Europa, die regional Integrations- und Vernetzungsfunktion, die Labor-Funktion für die europäische Integration, die Scharnierfunktion zwischen europäischen Teilregionen und vor allem die Steuerungsfunktion bei der Verwirklichung der europäischen Regionalpolitik11. Diese Funktionen sollen hier im Folgenden als Ausgangspunkt für eine Untersuchung grenzüberschreitender Governance berücksichtigt werden. Die Herausforderung einer solchen interdisziplinären Forschung zur Governance besteht nicht nur darin, die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und ihrer Handlungsformen und -strukturen in den Grenzgebieten nachzuvollziehen, sondern gegebenenfalls auch Elemente für theoretische Thesen oder Modelle hierzu liefern zu können. Dies würde auch für die Akteure dazu beitragen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Anlehnung an und durch Anwendung von solchen Modellen in Zukunft effizienter gestaltet werden könnte. Die Theorieansätze zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind jedoch bisher noch wenig verbreitet. Außer Versuchen in den 1990er Jahren, die grenzübergreifende Kooperation mit dem europäischen Integrationsansatz des „Europa der Regionen“ in Verbindung zu setzen12, gibt es nur wenige Politikwissenschaftler, wie z.B. Peter Schmitt-Egner, Gerhard Brunn und Bernd Gross13, und vereinzelt Wirtschaftswissenschaftler, wie z.B. Remigio Ratti, Shalom Reichman oder Markus Perkmann14, die sich mit dem Thema theoretisch auseinandergesetzt haben. Eine europaweite Analyse, über längere Jahre hinweg und mit dem Ziel, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in das Geflecht der internationalen Beziehungen einzuordnen, hat im Grunde nur der schottische Politikwissenschaftler Malcolm Anderson unternommen15. Was den regional Governance-Ansatz, bzw. die Analyse von Governance-Strukturen (Euroregionen, Eurodistrikte, etc.) betrifft, wurde dieser für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nur anhand einzelner Grenzregionen erprobt, wobei die wenigen vorliegenden Arbeiten dazu hauptsächlich das Fallbeispiel der deutsch-französischschweizerischen Zusammenarbeit am Oberrhein betrachten16. Es besteht also 11 12
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Ibid. BULLMANN, U., Die Politik der dritten Ebene, Regionen im Europa der Union, Baden-Baden, 1994; GROM, I., Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit als Beitrag zur Förderung der europäischen Integration, Berlin, 1995 ; RAICH, S., Grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit in einem Europa der Regionen, Baden-Baden, 1995; FRENSCH, R., Regionale Politikverflechtungen und administrative Kooperationsstruktur in Europa, Sankt Augustin, 1996. GROSS, B., SCHMITT-EGNER, P., Europas kooperierende Regionen, Rahmenbedingungen und Praxis transnationaler Zusammenarbeit deutscher Grenzregionen in Europa, Baden-Baden, 1994; BRUNN, G., SCHMITT-EGNER, P., Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa, BadenBaden, 1998 RATTI, R., REICHMAN, S., Theory and practice of crossborder cooperation, Basel, 1993; PERKMANN, M., Cross-border cooperation, euroregions and the governance of cross-border economies, Lancaster, 1997 ANDERSON, M., Frontier regions in Western Europe, London, 1983; ANDERSON, M., BORT, E., Boundaries and identities: the Eastern frontier of the European Union, Edinburgh, 1996; ANDERSON, M., Border regions and security in an enlarged Europe, Florence, 2000; ANDERSON, M., BORT, E., The frontiers of the European Union, Chippenham, 2001. BECK, J., Netzwerke in der transnationalen Regionalpolitik, Rahmenbedingungen, Funktionsweise, Folgen, Baden-Baden, 1997; ZOLLER SCHEPERS, R., Grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein, Bamberg, 1998; NEWRLY, P., Transnationaler Regionalismus. Die grenzübergreifende Zusammenarbeit am Oberrhein, Münster, 2002, NAGELSCHMIDT, M., „Das oberrheinische Mehrebenensystem“, Schriften der Regio 20, Basel, 2005; WASSENBERG, B., Vers une eurorégion, la coopération transfrontalière franco-germano-suisse dans l’espace du Rhin supérieur de 1975 à
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eindeutig noch Bedarf an theoretischer Forschung zur grenzüberschreitenden Governance. Für eine solche Forschung schien im Vergleich zum ersten Forschungsband, der sich auf die französischen Grenzregionen konzentriert hatte, der Anwendungsbereich der deutschen Grenzregionen als geeigneter. Die erste Forschungsphase unseres Zyklus hatte sich bewusst auf die Analyse französischer Grenzregionen beschränkt, wobei sowohl historisch erfahrene Grenzregionen wie z.B. der Oberrhein oder die Saar-Lor-Lux Region, die schon seit den 1960er Jahren kooperieren, wie als auch die erst nach Einführung des europäischen Interreg-Programms 1991 dynamischen Grenzgebiete an der französisch-spanischen, französisch-italienischen oder französisch-belgischen Grenze näher beleuchtet wurden. Der Bezug auf diese Grenzregionen hatte es vor allem ermöglicht, Vergleiche zwischen den Binnenregionen der Europäischen Gemeinschaft (EG) vor der Norderweiterung 1995 und der Osterweiterung 2004 und 2007 zu ziehen und dabei zwischen zwei Kategorien prinzipiell zu unterscheiden: den „etablierten“ Grenzregionen an der deutsch-französischen Grenze, aus den Gründungsstaaten der EG – wobei die französisch-belgische Grenzregion eine Sonderposition bezieht, da die Kooperation dort erst Anfang der 1990er Jahre intensiviert wurde –, und den „verzögerten“ Grenzregionen im Mittelmeerraum von Frankreich zu Spanien und Italien, wo die grenzüberschreitende Zusammenarbeit (außer einigen wenigen Ausnahmen, wie z.B. die Arbeitsgemeinschaft der Pyrenäen) erst ab den 1990er Jahren in ihrer institutionellen Form entwickelt wurde. Für die Untersuchung der eher „politischen“ Governance-Fragen bieten die deutschen Grenzregionen zwei wesentliche Vorteile: Zum einen stellt im föderalen System der Bundesrepublik im Gegensatz zu Frankreich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit schon seit ihren Anfängen in den 1950er Jahren eines der wichtigsten Handlungsfelder der Länder im Rahmen der sogenannten „kleinen Außenpolitik“ dar. Zum anderen gibt es bei den deutschen Grenzregionen weitgreifendere Vergleichsmöglichkeiten: Hier treffen nicht nur „etablierte“ Grenzregionen der EG-Gründungsstaaten Deutschland-Belgien-Niederlande-Luxemburg-Frankreich aufeinander, sondern auch diejenigen Grenzregionen – zu Polen und der Tschechei –, die in einer mehr als 40-jährigen Periode des Kalten Krieges durch den „eisernen Vorhang“ voneinander fast hermetisch abgetrennt waren. Nach dem Mauerfall 1989 und der darauffolgenden Wiedervereinigung wurde auch in den „neuen“ deutschen Grenzregionen im Osten Zusammenarbeit zwischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften beiderseits der Grenze entwickelt. Aber auch wenn als oberstes Ziel dieser Zusammenarbeit zumeist die Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung in den Grenzregionen angeführt wird, gibt es doch große Unterschiede im Hinblick auf die rechtliche und praktische Ausgestaltung der grenzüberschreitenden Kooperationen, insbesondere zwischen den „etablierten“ Grenzregionen und den „neuen“ Grenzregionen zwischen Ost und West. Am Beispiel der deutschen Grenzregionen können also die verschiedenen Formen, Muster, Funktionsweisen, Mechanismen und Bedingungen von grenzüberschreitender Governance-Strukturen miteinander verglichen werden. Es geht dabei darum, sowohl das juristische Steuerungsdesign von 2000, Bruxelles, 2007; DUPEYRON, B., L’Europe au défi de ses régions transfrontalières. Expériences rhénane et pyrénéenne, Bern, Berlin, u.a., 2008.
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Regelstrukturen als auch die kausale Verbindung zwischen diesen Strukturen und den Handlungen, Interessen und Interaktionen der Akteure der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu erforschen. Aus diesen Gründen ist dieser zweite Forschungsband Grenzüberschreitende Zusammenarbeit leben und erforschen also dem Thema der Governance in deutschen Grenzregionen gewidmet. Die Methodik zur Erfassung dieser Problematik sieht dabei bewusst von einer systematischen, aufeinanderfolgenden Analyse aller Grenzregionen ab. Auch wenn die meisten Grenzgebiete an den „alten“ Binnengrenzen der EG – Oberrhein, Saar-Lor-Lux, Bodensee – abgedeckt werden und auch ein besonderes Augenmerk auf die deutsch-dänische Grenzregion, sowie die grenzüberschreitenden Kooperationen mit Polen und der Tschechischen Republik geworfen wird, würde eine bloße Aneinanderreihung von Fallbeispielanalysen nicht dem Anspruch entsprechen, die Governance-Frage in ihrer theoretischen Dimension zu behandeln. Es geht vor allem darum, am Beispiel der deutschen Grenzregionen die theoretischen Ansätze der regional oder multi-levelGovernance zu erörtern – und dies mithilfe von unterschiedlichen fachlichen Wissenschaftsdisziplinen und von praktischen Erfahrungsberichten. Daher können in den verschiedenen Beiträgen auch nicht jeweils alle Aspekte – juristische, politische, wirtschaftliche, historische, usw. – gleichwertig berücksichtigt werden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass eine vielschichtige, interdisziplinäre Analyse möglich ist; der Nachteil besteht darin, dass die unterschiedlichen Betrachtungsweisen von Autoren unterschiedlicher Fachrichtungen die Vergleichsmomente und -möglichkeiten erschweren. Auch auf eine detaillierte Analyse des Verhältnisses von grenzüberschreitender Governance zum europäischen Integrationsprozess wird in diesem Forschungsband verzichtet. Es wird zwar im Rahmen der Diskussion um die multilevel-Governance, die sich auf eine Mehrebenen-Politik zwischen europäischen, nationalen, regionalen und lokalen Akteuren bezieht, die europäische Ebene der Governance durchaus berücksichtigt. Im Zentrum der Überlegungen dieses Bandes stehen jedoch nicht Fragen des Beitrages der Grenzregionen zur europäischen Integration in Praxis und Theorie, sondern ausschließlich die Frage, wie die Einbeziehung der europäischen Elemente (Interreg-Programme, europäische Rechtsinstrumente, etc.) Einfluss auf Governance-Strukturen in den Grenzregionen haben. Die Frage nach der Stellung von Grenzregionen für die europäischen Organisationen, d.h. den Europarat und die EU und deren Aktivitäten im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, sowie die theoretische Einbettung regionaler Governance in den europäischen Integrationsprozess werden in einem weiteren Forschungsband zur europäischen Dimension dieser Kooperation noch ausführlicher behandelt werden. Die Governance-Thematik in deutschen Grenzregionen wird im Folgenden also in drei wesentlichen Schritten erarbeitet: In einem ersten Teil werden die theoretischen Grundlagen und Ansätze zur grenzüberschreitenden Governance ergründet; ein zweiter Teil behandelt die grenzüberschreitende Governance am Oberrhein und ein dritter Teil die Governance-Formen in anderen deutschen Grenzregionen. Der erste Teil fokussiert die Analyse dabei auf die Frage, welche Charakteristika die grenzüberschreitende Zusammenarbeit heute aufweist und ob der regional Governance-Ansatz im Kontext der Kooperation zwischen Grenzregionen angewandt werden kann. Wie sind die Ausgangbedingungen für grenzüberschrei-
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tende Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert im Vergleich zu den Anfängen dieser Kooperation in den 1950er/1960er Jahren? Welche (Rechts-)Instrumente liegen zugrunde und welche Funktion hat die Grenze im Bezug zur Ausgangsposition nach dem Zweiten Weltkrieg, als der europäische Integrationsprozess noch in seinen Startblöcken stand? Ist der regional Governance-Ansatz geeignet, diese Zusammenarbeit über die nationale Grenze hinweg in ein theoretisches Raster einzufügen? Wie muss in diesem Fall regional Governance im Vergleich zur endogenen regionalen Kooperation innerhalb der Nationalstaaten definiert werden? Gibt es Besonderheiten, die eine spezifische Begriffsdefinition erfordern und wenn ja, wie muss die Terminologie konkret im Kontext der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit aussehen? Zuletzt gilt es auch, zu überprüfen, ob mithilfe des multi-level-Governance-Ansatzes die Strukturierung und Funktionsweise der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Praxis erläutert und dann auf ein theoretisches Modell übertragen werden kann. Im zweiten Teil des Forschungsbandes geht es dann darum, regional Governance am Beispiel der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein zu erproben. Die deutsch-französisch-schweizerische Kooperation bietet sich aufgrund mehrerer Vorteile als Fallbeispiel besonders an: Erstens handelt es sich hierbei um eine der geschichtlich betrachtet erfahrensten Grenzgebiete, in denen grenzübergreifende Kooperation schon seit Beginn der 1960er Jahre stattfindet. Zweitens ist diese Kooperation auch deshalb besonders interessant für die Forschung, da sie die Zusammenarbeit von Regionen zweier Gründungsstaaten der EG (Frankreich und Deutschland) und eines Nichtmitgliedstaates der EU (die Schweiz) betrifft. Drittens findet gerade in der Oberrhein-Region die Begriffsrevolution der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit statt: Von Regios zu Eurodistrikten bis hin zur Metropolregion werden immer wieder sowohl „ältere“ wie neue Termini auf die vielfältigen Kooperationsstrukturen übertragen. Was verbirgt sich hinter dieser Begriffsdifferenzierung am Oberrhein? Ist es eine konkrete Anwendung des multi-level-Governance-Ansatzes? Können mithilfe der mutlilevel-Governance die Strukturen der institutionellen Zusammenarbeit und deren Funktionsweise erläutert und in Zukunft verbessert werden? Kann dieser Ansatz einer kohärenten Gesamtkoordination aller vorhandenen Governance-Strukturen dienen? Kann schließlich der Oberrhein eine Modell-Funktion für Governance in anderen Grenzregionen übernehmen? Der dritte Teil der Governance-Analyse bezieht sich auf die übrigen Grenzregionen in der Bundesrepublik Deutschland. Es werden mit dem Oberrhein vergleichbare, erfahrene Grenzgebiete näher beleuchtet, wie die Groregion (SaarLor-Lux) oder die Bodensee-Kooperation zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sind die Governance-Strukturen dort ähnlich entwickelt und lässt sich der mutli-level-Governance Ansatz in gleicher Weise anwenden? Aber auch die deutsch-dänische Grenzregion und die Grenzgebiete zu Polen und der Tschechei werden untersucht, wo grenzüberschreitende Zusammenarbeit erst seit den 1990er Jahren intensiv betrieben wird und sich die Ausgangsbedingungen von denen am Oberrhein grundlegend unterscheiden. Warum entwickelte sich die deutsch-dänische Kooperation erst später als an den übrigen Westgrenzen der Bundesrepublik und welche Unterschiede gibt es innerhalb deutschdänischen Teilregionen zwischen territorialer und maritimer Zusammenarbeit? Wie entstehen Governance-Strukturen an den Grenzen zu ehemaligen Ostblockstaaten, die von der jahrzehntelangen Präsenz des kommunistischen Regimes
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geprägt wurden? Gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den neuen Bundesländern – den ehemaligen Gebieten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) – zu den polnischen und tschechischen Nachbarn anders als die der „alten“ West-Bundesländer? Ist der regional Governance-Ansatz auch eine „Lösungsformel“ für diese Grenzregionen oder bedürfen sie anderer theoretischer und praktischer Kooperationsformen? Insgesamt steht dabei immer wieder die grundsätzliche Frage im Raum: Ist regional, mutli-level-Governance überhaupt eine Lösungs- oder sogar „Zauberformel“, um grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu verstehen und zu erforschen?
INTRODUCTION « Macrorégion, Région métropolitaine, Eurodistrict, Eurorégion, (euro)regionale, multi-level Metropolitan Governance » Au cours du 21e siècle, la terminologie de la coopération transfrontalière en Europe a connu une métamorphose réelle et explosive : de régions frontalières à macrorégions, régions métropolitaines ou eurorégions, de villes frontalières à eurodistricts ou métropoles frontalières ; la coopération transfrontalière elle-même, qualifiée sobrement de « petite politique étrangère » des régions frontalières après la Seconde Guerre mondiale, s’est par la suite vue attribuer le terme de gouvernance eurorégionale, multi-level ou métropolitaine. Le nouveau flot de terminologie a donné l’impression que la coopération transfrontalière pouvait enfin, comme par magie, être appréhendée dans sa complexité, comme si les scientifiques dans leur laboratoire avaient développé une sorte de formule magique au sujet de ce phénomène, – à l’image de la caricature de Rainer Blocher en première de couverture. La notion de gouvernance régionale apparaît être la solution parfaite à tous les problèmes issus de la coopération transfrontalière, tel un système idéal d’interdépendance politique, à travers lequel les régions frontalières ne coopèrent non pas seulement selon un modèle, mais ont aussi, grâce à l’approche multi-niveaux, la possibilité d’être parfaitement inclues dans le processus d’intégration européenne. Ainsi la question se pose de savoir s’il s’agit vraiment d’une nouvelle approche à la coopération transfrontalière qui analyse en profondeur son développement depuis les années 1950, au niveau de ses formes, de ses paramètres d’action et de ses acteurs, et qui la théorise ensuite à l’aide d’un modèle, ou bien, s’il s’agit seulement d’une tentative désespérée de la part de scientifiques et d’acteurs de dissimuler leur perplexité à l’aide d’un raz-de-marée de nouvelles notions, devant ce « phénomène démuni » de la coopération entre frontières. Dit d’une autre façon : la notion de gouvernance régionale peut-elle représenter une plus-value pour la recherche sur la coopération transfrontalière en Europe ? Est-ce qu’ainsi des concepts théoriques proposant des indicateurs pour une analyse comparative des différentes régions frontalières peuvent être énoncés? Enfin est-ce que, dans la pratique, des points de repère ou bien même des lignes directrices peuvent être données aux acteurs en vue d’une meilleure action ? Le cycle commun de trois ans sur la coopération transfrontalière du centre de recherche Frontières, acteurs et représentations d’Europe (FARE) de l’Université de Strasbourg et de l’Euro-Institut se penche déjà depuis 2008 sur une partie de ces questions. C’est pourquoi ont été analysées, lors d’une première vague de colloques prenant exemple sur les régions frontalières françaises, les origines, les acteurs et les aspects théoriques et politiques de la coopération transfrontalière. Selon une approche interdisciplinaire de chercheurs issus de différentes disciplines – histoire, sciences politiques et administratives, géographie, droit, sociologie etc. – et d’acteurs de différentes nationalités issus de nombreuses régions frontalières, plusieurs thèses sur la coopération transfrontalière ont déjà été énoncées et recen-
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sées dans une publication1. Trois remarques ont semblé décisives pour la suite de la recherche dans ce domaine : premièrement il a été noté que la coopération transfrontalière est très complexe et de ce fait unique dans chaque territoire concerné2. En effet, ses racines dépendent des conditions géographiques, politiques et socio-économiques propres à chaque région frontalière. Deuxièmement elle est diversifiée car ses acteurs sont issus de différentes disciplines – économie, politique, administration – et de différentes échelles d’action – nationale, régionale, locale –3. Troisièmement l’analyse des aspects théoriques et politiques a subitement révélé que la terminologie et les analyses théoriques de la coopération transfrontalière ne sont pas homogènes et que de surcroît, leurs fondements ne correspondent pas, ce qui signifie qu’une clarification reste nécessaire dans ce domaine et qu’une définition unique de cet objet de recherche n’existe toujours pas4. C’est sur ce dernier point que la focalisation sur la gouvernance régionale offre la possibilité de réfléchir à nouveau à la théorie et la terminologie de la coopération transfrontalière. Le thème de la gouvernance régionale a été mis sur l’agenda et soumis à débat par des politologues au début des années 1990, d’abord au Royaume-Uni. L’enjeu était de renforcer de façon stratégique l’échelle régionale et de réorganiser les conseils régionaux britanniques5. Ainsi une distinction a d’abord été faite entre gouvernance comme approche orientée vers le processus et gouvernement comme approche orientée vers la structure ; la gouvernance régionale a donc mis l’accent sur l’autorégulation des collectivités territoriales dans les processus politiques6. En réponse au débat britannique, la science politique s’est ensuite penchée sur le thème de la gouvernance régionale dans toute l’Europe, sans toutefois ne jamais parvenir à s’accorder sur des définitions uniques7. Il s’agit ainsi d’une « notion reconnue peu claire » de la politique régionale interne de chaque Etat, qui se laisse interpréter de manière différente selon l’objet d’analyse ou selon la vision de l’auteur. En général et selon Dietrich Fürst, il est question de « formes intermédiaires en réseau d’autorégulation régionale »8, mais l’interprétation différenciée cette notion d’autorégulation peut ensuite varier : partant d’une défini1 2
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WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2009. WASSENBERG, B., “Qu’est-ce-qui motive la coopération transfrontalière dans l’espace franco-germano-suisse ? Approche historique », S.95; RICQ, Ch. “Les prolégomènes à toute analyse et expérience transfrontalière », S.83, in : WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, op.cit. LANG, S., “Ouvrir la Black-Box : approche de la notion d’acteur de la coopération transfrontalière », S. 169, in : WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume1) : les régions frontalières françaises, op.cit. CASTEIGTS, M., “La mise en cohérence des politiques publiques en territoire transfrontalier », S.289 ; WASSENBERG, B., “L’eurorégion du Rhin supérieur : mythe ou réalité ? », S.347, in : WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume1) : les régions frontalières françaises, op.cit. Cf. PIERRE,J., PETERS,B.G., Governance, politics and the state, Houndsmill, 2000. RHODES, R.W.A., “The new governance: governing without government », Political Studies 44, 1996, S.652 FÜRST, D., “Regional Governance » in : BENZ, A., LÜTZ, S., SCHIMANK, U, SIMONS, G. (Hrsg.), Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden, 2007, S.353ff.; SCHMITT-EGNER, P., Handbuch zur Europäischen Regionalismusforschung, Wiesbaden, 2005, S.29. ff. FÜRST, D., “Regional Governance », in : BENZ, A. (Hrsg.), Governance- Regieren in komplexen Regelsystemen: eine Einführung, Opladen, 2004, S.45ff.
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tion étroite, il s’agit de processus participatifs au sein desquels aucune décision hiérarchique de l’État ne joue un rôle ; partant d’une compréhension plus large, une diversité de modèles d’interaction sont concernés, y compris des mécanismes de régulation institutionnels hiérarchiques9. Avec le regard sur la coopération transfrontalière en Europe, la recherche doit désormais se concentrer sur l’usage de la gouvernance régionale comme fondement conceptuel pour des formes de coopération entre des régions frontalières. Quelle notion de gouvernance correspond le mieux à l’analyse de la coopération territoriale entre les acteurs de deux ou de plusieurs systèmes politiques nationaux différents ? Une nouvelle définition de la gouvernance qui prend en compte le contexte spécifique de la coopération transnationale devrait-elle être développée ? L’approche de la gouvernance régionale peut-elle servir à former de nouveaux fondements théoriques de la coopération transfrontalière ? Pour une telle discussion sur le thème de la gouvernance régionale, seule une approche interdisciplinaire promet des résultats. En effet, dans le contexte européen, les régions frontalières rendent possibles des projets pilotes innovants contribuant à la réalisation de structures de gouvernance (comme par exemple les régions métropolitaines, ou les eurorégions etc.). Comme le soulignait déjà Joachim Beck dans son introduction au cycle de recherche transfrontalière, les fonctions multidimensionnelles de la frontière doivent être prises en compte lorsqu’il s’agit de l’analyse de ces structures10 : la dimension géographique, s’appuyant sur des éléments physiques et relatifs à l’espace de la frontière ; la dimension politique, englobant différentes sphères étatiques nationales ainsi que les domaines de souveraineté liés de part et d’autre de la frontière ; la dimension juridique de la frontière, renvoyant à son tour aux différents systèmes juridiques nationaux ; la dimension économique avec un regard porté sur les disparités et les potentiels de développement dans les régions frontalières ; la dimension socioculturelle, renvoyant à la rencontre de différentes sociétés et cultures et enfin la dimension historique, examinant le tracé des frontières et ses décalages au fil du temps. C’est à l’aide d’une analyse interdisciplinaire du phénomène de la frontière que ces fonctions multidimensionnelles peuvent être étudiées. Et c’est seulement à l’aide de ces différentes disciplines – histoire, sciences politiques et administratives, droit, sociologie etc. – et à l’aide des acteurs de terrain que les différentes fonctions des régions frontalières, qui reposent sur le phénomène multidimensionnel de la frontière, peuvent être explicitées de manière globale. Ces fonctions sont incontournables lorsqu’il s’agit d’analyser la gouvernance régionale : la fonction du modèle pour la cohésion territoriale en Europe, la fonction d’intégration et d’interconnexion régionale, la fonction de laboratoire pour l’intégration européenne, la fonction charnière entre différentes aires géographiques de régions européennes et avant tout la fonction de pilotage dans la réalisation de la politique régionale européenne11. Ces fonctions doivent ici être prises en compte comme situation initiale servant une investigation de la gouvernance transfrontalière. 9 10 11
SCHUPPERT, G.F., ZÜRN, M. (Hrsg.), “Governance in einer sich wandelnden Welt », PVS Vierteljahreszeitschrift, Sonderheft 41, 2008, S.23ff. BECK, J., “Grenzüberschreitende Zusammenarbeit als Gegenstand interdisziplinärer Forschung. Konturen eines wissenschaftlichen Arbeitsprogramms », S.21, in: WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume1) : les régions frontalières françaises, op.cit. Ibid.
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Le défi d’une telle recherche interdisciplinaire au sujet de la gouvernance ne réside pas uniquement dans le fait de saisir le développement de la coopération transfrontalière et de ses formes et structures d’action dans les territoires transfrontaliers, mais aussi de pouvoir, le cas échéant, livrer des éléments pour des thèses ou des modèles théoriques. Cela signifierait aussi pour les acteurs, que, suivant de tels modèles, la coopération transfrontalière pourrait devenir plus efficace dans le futur. Les approches théoriques de la coopération transfrontalière ont jusqu’à ce jour été peu diffusées. Hormis les tentatives dans les années 1990 de mettre en relation la coopération transfrontalière et l’approche d’intégration européenne de l’«Europe des régions »12, il existe peu de politologues, à l’instar de Peter Schmitt-Egner, Gerhard Brunn et Bernd Gross13, ou d’économistes isolés tels que Remigio Ratti, Shalom Reichman ou Markus Perkmann14, ayant établi des théories sur ce thème. Seul le politologue écossais Malcolm Anderson a entrepris, sur plusieurs années, une analyse à l’échelle de l’Europe visant à ordonner la coopération transfrontalière dans l’enchevêtrement des relations internationales15. L’approche de la gouvernance régionale, autrement dit l’analyse des structures de gouvernance (eurorégions, eurodistricts) fut, en ce qui concerne la coopération transfrontalière, uniquement mise à l’épreuve au niveau de régions frontalières isolées et les travaux récents considèrent pour la plupart le cas de la coopération franco-germano-suisse du Rhin supérieur16. Il existe dès lors un réel besoin de recherche théorique dans le domaine de la gouvernance transfrontalière. Pour une telle recherche, le secteur des régions frontalières allemandes semble plus approprié, à l’inverse de la première publication qui s’était concentrée sur les régions frontalières françaises. La première phase de recherche de notre cycle s’était volontairement cantonnée à l’analyse des régions frontalières françaises. Ainsi ont été étudiées de près à la fois les régions reposant sur un long passé historique comme le Rhin supérieur 12
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BULLMANN, U., Die Politik der dritten Ebene, Regionen im Europa der Union, Baden-Baden, 1994; GROM, I., Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit als Beitrag zur Förderung der europäischen Integration, Berlin, 1995 ; RAICH, S., Grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit in einem Europa der Regionen, Baden-Baden, 1995; FRENSCH, R., Regionale Politikverflechtungen und administrative Kooperationsstruktur in Europa, Sankt Augustin, 1996. GROSS, B., SCHMITT-EGNER, P., Europas kooperierende Regionen, Rahmenbedingungen und Praxis transnationaler Zusammenarbeit deutscher Grenzregionen in Europa, Baden-Baden, 1994; BRUNN, G., SCHMITT-EGNER, P., Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa, BadenBaden, 1998 RATTI, R., REICHMAN, S., Theory and practice of crossborder cooperation, Basel, 1993; PERKMANN, M., Cross-border cooperation, euroregions and the governance of cross-border economies, Lancaster, 1997 ANDERSON, M., Frontier regions in Western Europe, London, 1983; ANDERSON, M., BORT, E., Boundaries and identities: the Eastern frontier of the European Union, Edinburgh, 1996; ANDERSON, M., Border regions and security in an enlarged Europe, Florence, 2000; ANDERSON, M., BORT, E., The frontiers of the European Union, Chippenham, 2001. BECK, J., Netzwerke in der transnationalen Regionalpolitik, Rahmenbedingungen, Funktionsweise, Folgen, Baden-Baden, 1997; ZOLLER SCHEPERS, R., Grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein, Bamberg, 1998; NEWRLY, P., Transnationaler Regionalismus. Die grenzübergreifende Zusammenarbeit am Oberrhein, Münster, 2002, NAGELSCHMIDT, M., “Das oberrheinische Mehrebenensystem”, Schriften der Regio 20, Basel, 2005; WASSENBERG, B., Vers une eurorégion, la coopération transfrontalière franco-germano-suisse dans l’espace du Rhin supérieur de 1975 à 2000, Bruxelles, 2007; DUPEYRON, B., L’Europe au défi de ses régions transfrontalières. Expériences rhénane et pyrénéenne, Bern, Berlin, u.a., 2008.
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ou la région Saar-Lor-Lux, coopérant déjà depuis les années 1960, mais aussi les régions frontalières aux frontières franco-espagnole, franco-italienne et francobelge qui coopèrent de façon plus dynamique seulement depuis l’instauration du programme Interreg, en 1991. La référence à ces régions frontalières avait avant tout permis d’établir des parallèles entre les régions intérieures de la Communauté européenne (CE) avant l’élargissement au nord en 1995 et les élargissements à l’est en 2004 et 2007 et se faisant avait permis de faire la différence entre deux catégories principalement : d’une part les régions frontalières « établies » à la frontière franco-allemande, issues des pays fondateurs de la CE – au sein desquels la région frontalière franco-belge possède une position particulière car la coopération s’est intensifiée seulement au début des années 1990 ; d’autre part les régions frontalières « tardives » dans l’espace méditerranéen de la France à l’Espagne et l’Italie, où la coopération transfrontalière (mises à part de faibles exceptions comme par exemple la Communauté de travail des Pyrénées) s’est développée dans sa forme institutionnelle seulement à partir des années 1990. Pour la recherche sur les questions de gouvernance plus « politiques », les régions frontalières allemandes offrent deux avantages essentiels : premièrement, depuis ses débuts dans les années 1950, à l’inverse de la France, la coopération transfrontalière offre dans le système fédéral allemand un domaine d’action important aux Länder dans le cadre de la, ainsi nommée, « petite politique étrangère ». D’autre part il existe, dans les régions frontalières allemandes, de plus amples possibilités de comparaison : ici s’affrontent non seulement les régions frontalières « établies » des États fondateurs de la CE, c'est-à-dire l’Allemagne, la Belgique, les Pays-Bas, le Luxembourg, la France, mais également les régions frontalières – de Pologne et de République Tchèque –, qui ont été séparées par le rideau de fer de façon quasi-hermétique au cours de la Guerre Froide, période de plus de quarante ans. Suite à la chute du mur en 1989 et à la réunification qui a suivi, une coopération entre les collectivités locales et régionales des deux côtés de la frontière a aussi vu le jour dans les « nouvelles » régions frontalières allemandes de l’Est. Mais même si l’objectif le plus important de cette coopération consiste en l’amélioration de la qualité de vie de la population dans les régions frontalières, il existe encore aujourd’hui de grosses différences au niveau des formes juridique et pratique des coopérations transfrontalières, particulièrement entre les régions frontalières « établies » et les « nouvelles » régions frontalières entre l’Est et l’Ouest. A l’exemple des régions frontalières allemandes, différentes formes, modèles, modes de fonctionnement, mécanismes et situations de gouvernance transfrontalière peuvent être examinés et les différentes structures peuvent être comparées les unes par rapport aux autres. Il s’agit ainsi d’explorer à la fois la régulation juridique des structures transfrontalières mais aussi le lien de causalité entre ces structures et les actions, intérêts et interactions des acteurs de la coopération. Pour ces raisons, cette deuxième publication Vivre et penser la coopération transfrontalière est aussi consacrée au thème de la gouvernance dans les régions frontalières allemandes. La méthode visant l’appréhension de cette problématique ne prévoit volontairement pas une analyse systématique et successive des régions frontalières. Même si la plupart des régions frontalières couvrent les « anciennes » frontières intérieures de la CE – le Rhin supérieur, Saar-Lor-Lux, le lac de Constance – et qu’une attention particulière est portée à la région frontalière germano-danoise, tout comme aux coopérations transfrontalières avec la Pologne
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et la République Tchèque, une simple juxtaposition d’analyses de cas particuliers ne remplirait pas l’espoir de traiter la question de la gouvernance dans sa dimension théorique. Il s’agit avant tout, à l’exemple des régions frontalières allemandes, de traiter les approches théoriques de la gouvernance régionale ou multiniveaux – et cela à l’aide de différentes disciplines scientifiques et de récits pratiques relevant d’expériences vécues. Par conséquent, chaque aspect – juridique, politique, économique, historique etc. – ne peut pas être pris en compte de la même manière dans les différentes contributions. L’avantage de cette méthode repose dans la possibilité d’une analyse à plusieurs niveaux et interdisciplinaire ; le point négatif réside dans la difficulté de comparer les différentes visions des auteurs issus de différentes disciplines. Dans cette publication, il n’est pas question de faire une analyse détaillée des conditions de la gouvernance transfrontalière par rapport au processus d’intégration européenne. Certes, dans le cadre de la discussion sur le sujet de la gouvernance multi-niveaux-gouvernance qui se rapporte à une politique impliquant à la fois les acteurs européens, nationaux, régionaux et locaux-, l’échelle européenne de la gouvernance doit être prise en compte. Au centre des réflexions de cette publication n’apparaissent toutefois pas les questions de la contribution des régions frontalières à l’intégration européenne en théorie et en pratique, mais plutôt la question de savoir comment l’introduction des éléments européens (programmes Interreg, instruments de droit européen, etc.), a de l’influence sur les structures de gouvernance dans les régions frontalières. La question de la place des régions frontalières pour les organisations européennes, c'est-à-dire le Conseil de l’Europe et l’Union européenne (UE), et des activités de ces organisations dans le domaine de la coopération transfrontalière, tout comme le lien théorique entre la gouvernance régionale et processus d’intégration européenne feront l’objet d’une prochaine publication sur le thème de la dimension européenne de cette coopération. La thématique de la gouvernance dans les régions frontalières allemandes est présentée ici en trois temps : dans une première partie les fondements et les approches théoriques de la gouvernance transfrontalière sont approfondis ; une deuxième partie traite de la gouvernance transfrontalière dans le Rhin supérieur et une troisième partie traite de cette même gouvernance transfrontalière dans d’autres régions frontalières allemandes. La première partie s’attache à analyser la question de savoir quelle caractéristique la coopération transfrontalière revêt aujourd’hui et si l’approche de la gouvernance régionale peut être utilisée dans le contexte de coopération entre régions frontalières. Quelles sont les conditions de départ pour la coopération transfrontalière au 21e siècle par rapport aux débuts de cette coopération dans les années 1950-1960 ? Quels instruments juridiques sous-jacents existent et quelle est la fonction de la frontière au niveau de la position de départ après la Seconde Guerre mondiale, lorsque le processus d’intégration européenne n’en était encore qu’à ses débuts ? L’approche de gouvernance régionale est-elle appropriée comme fondement théorique lorsqu’il s’agit d’une coopération qui s’étend audelà des frontières et de quelle manière cette gouvernance doit elle ensuite être définie en comparaison avec la coopération régionale endogène à l’intérieur des États nationaux ? Existe-t-il des particularités qui exigent une définition spécifique et si oui, à quoi la terminologie dans le contexte de coopération transfrontalière doit concrètement ressembler ? Enfin, il faut aussi vérifier si, suivant l’ap-
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proche de gouvernance multi-niveaux, la structuration et le mode de fonctionnement de la coopération transfrontalière peuvent être explicités dans la pratique et par la suite transposés dans un modèle théorique. La deuxième partie de la publication consiste à mettre à l’épreuve la gouvernance régionale en prenant l’exemple de la coopération transfrontalière dans le Rhin supérieur. En effet, la coopération franco-germano-suisse qui présente de nombreux avantages est un exemple pertinent : premièrement, il s’agit d’une région qui d’un point de vue historique dispose d’une grande expérience, la coopération transfrontalière ayant débutée au début des années 1960. Deuxièmement cette coopération est intéressante pour la recherche, car elle concerne la coopération de régions de deux pays fondateurs de la CE (la France et l’Allemagne) et d’un Etat non membre de l’UE (la Suisse). Troisièmement la révolution de la notion de coopération transfrontalière prend justement place dans la région du Rhin supérieur : de Regios à eurodistricts jusqu’aux régions métropolitaines, à la fois des anciennes comme des nouvelles notions sont sans cesse transférées aux structures de coopération multi-facettes. Que se cache-t-il derrière cette différenciation terminologique dans le Rhin supérieur ? S’agit-il d’une application concrète de l’approche de gouvernance multi-niveaux ? Les structures de la coopération institutionnelle et leur mode de fonctionnement peuvent-ils être explicités à l’aide de la gouvernance multi-niveaux et ensuite améliorés dans le futur ? Cette approche d’une coordination d’ensemble cohérente peut-elle servir à chaque structure de gouvernance existante? Enfin, le Rhin supérieur peut-il servir de fonction modèle pour la gouvernance dans d’autres régions frontalières ? La troisième partie de l’analyse de la gouvernance repose sur les autres régions frontalières de la République fédérale d’Allemagne. Avec le Rhin supérieur, des territoires frontaliers comparables et expérimentés sont étudiés de près, à l’exemple de la Grande Région (Saar-Lor-Lux) ou de la coopération du lac de Constance entre l’Allemagne, l’Autriche et la Suisse. Les structures de gouvernance y sont-elles développées de manière égale et l’approche de gouvernance multi-niveaux s’y laisse-t-elle appliquer de la même façon ? En même temps, la région frontalière germano-danoise et le territoire frontalier entre la Pologne et la République tchèque seront aussi analysés. Il s’agit de régions où la coopération transfrontalière existe intensément depuis les années 1990 et où les conditions de départ différent profondément de celles du Rhin supérieur. Pour quelles raisons la coopération germano-danoise s’est-elle développée bien plus tardivement que celle à la frontière ouest de la République fédérale et quelles différences y a-t-il dans ces régions germano-danoises concernant la coopération territoriale et la coopération maritime ? De quelle manière les structures de gouvernance se sontelles installées aux frontières des anciens pays du bloc de l’Est, marqués par la présence du régime communiste des décennies durant ? La coopération se fait-telle entre les nouveaux Länder – les anciens territoires de la République démocratique allemande (RDA) – et les voisins polonais et tchèques d’une façon différente de celle entre les « vieux » Länder fédéraux de l’Ouest ? L’approche de la gouvernance régionale est-elle également une « solution » pour ces régions frontalières ou bien ces dernières ont-elles besoin d’autres formes de coopération théoriques et pratiques ? Finalement, la question fondamentale qui demeure est la suivante : la gouvernance régionale et multi-niveaux est-elle une solution voire une « formule magique » permettant de comprendre et d’explorer la coopération transfrontalière ?
INTRODUCTION “Macrorégion, metropolitan region, Eurodistrict, Euroregion (Euro)regional, multi-level metropolitan governance”. In the 21st century, the terminology of cross-border cooperation in Europe has undergone a real and explosive metamorphosis: from border regions to macroregions, metropolitan regions or Euroregions, from border towns or cities to Eurodistricts or border metropolises, cross-border cooperation itself, which was soberly qualified after the Second World War as “small-scale foreign policy” of border regions, was later awarded the term euroregional, multi-level or metropolitan governance. The new wave of terminology has given the impression that cross-border cooperation could finally, magically, be understood in all its complexity as if scientists in their laboratories had developed a kind of magic formula for this phenomenon – like the caricature by Rainer Blocher on the front cover. The concept of regional governance appears to be the perfect solution to all problems arising from cross-border cooperation, like an ideal system of political interdependence through which the border regions do not only cooperate according to a model, but also, thanks to the multi-level approach, have the possibility to be fully included in the European integration process. Thus the question arises whether this is really a new approach to cross-border cooperation which analyses in-depth its development since the 1950s, its forms, its parameters for action and stakeholders, and then theorises it using a model, or whether it is just a desperate attempt on the part of scientists and stakeholders to hide their confusion by using a tidal wave of new concepts, faced with this “unfathomable phenomenon” that cooperation between borders represents. Put another way: can the concept of regional governance represent an added value for research on cross-border cooperation in Europe? Can theoretical concepts be established that provide indicators for a comparative analysis of the various border regions? Finally, in practice, can benchmarks or even guidelines be given to stakeholders in order to improve activities? The joint three year research programme on cross-border cooperation, run by the laboratory Frontières, acteurs et représentations d’Europe (FARE) of the University of Strasbourg and the Euro-Institut Kehl, has been working on some of these issues since 2008 already. The origins, actors and theoretical as well as political aspects of cross-border cooperation were analysed during a first wave of symposia using the French border regions as an example. In an interdisciplinary approach in which both researchers from various disciplines – historians, political and administrative scientists, geographers, lawyers, sociologists, etc. – came together with practitioners of different nationalities from many different border regions, several theses on cross-border cooperation were identified and published in a first volume of research1. Three findings seemed decisive for any further re1
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search in this area: first of all, it was noted that cross-border cooperation is very complex and therefore unique in each territory2. Indeed, its roots depend on the geographical, political and socio-economic characteristics of each border region. Secondly, it is diversified because the stakeholders come from different disciplines – economists, politicians, administrators – and intervene at different levels – national, regional, local3. Thirdly, an analysis of the theoretical and political aspects unexpectedly revealed that the terminology and theoretical analyses of cross-border cooperation are not homogeneous and, moreover, their foundations do not match. This means that clarification is still needed in this field and that a single definition of this research subject is still lacking4. It is on this last point that the focus on regional governance provides the possibility to think again about the theory and terminology of cross-border cooperation. The theme of regional governance was first put on the agenda and became a subject for debate by political scientists in the early 1990s in the United Kingdom. The challenge was to strengthen strategically the regional level and to reorganise the regional councils in Britain5. Thus a distinction was first made between governance as a process-oriented approach and government as a structure-oriented approach; regional governance thus focused on the self-regulation of local and regional authorities in the political processes6. In response to the British debate, political science then considered the issue of regional governance across Europe, without however ever reaching agreement on standard definitions7. It is thus a “recognised unclear concept” of the domestic regional policy of each state, which can be interpreted differently depending on the purpose of the analysis or the author’s vision. In general and according to Dietrich Fürst, it refers to “intermediate forms of regional self-regulating networks”, but the different interpretations of this concept of self-regulation may then vary: if we take the strict definition as our starting point, it concerns participatory processes, within which no hierarchical decision from the state plays a role; if we base our thinking on a broader understanding, a variety of interaction models are concerned including hierarchical institutional regulatory mechanisms8. Looking at cross-border cooperation in Europe, research must from now on focus on how to apply regional governance 2
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WASSENBERG, B., “Qu’est-ce-qui motive la coopération transfrontalière dans l’espace franco-germano-suisse ? Approche historique”, S.95; RICQ, Ch. “Les prolégomènes à toute analyse et expérience transfrontalière”, S.83, in : WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, op.cit. LANG, S., “Ouvrir la Black-Box : approche de la notion d’acteur de la coopération transfrontalière”, S. 169, in : WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume1) : les régions frontalières françaises, op.cit. CASTEIGTS, M., “La mise en cohérence des politiques publiques en territoire transfrontalier”, S.289 ; WASSENBERG, B., “L’eurorégion du Rhin supérieur : mythe ou réalité ?”, S.347, in : WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume1) : les régions frontalières françaises, op.cit. Cf. PIERRE,J., PETERS,B.G., Governance, politics and the state, Houndsmill, 2000. RHODES, R.W.A., “The new governance: governing without government”, Political Studies 44, 1996, S.652 FÜRST, D., “Regional Governance” in : BENZ, A., LÜTZ, S., SCHIMANK, U, SIMONS, G. (Hrsg.), Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden, 2007, S.353ff.; SCHMITT-EGNER, P., Handbuch zur Europäischen Regionalismusforschung, Wiesbaden, 2005, S.29. ff. SCHUPPERT, G.F., ZÜRN, M. (Hrsg.), “Governance in einer sich wandelnden Welt”, PVS Vierteljahreszeitschrift, Sonderheft 41, 2008, S.23ff.
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as a conceptual basis for the forms of cooperation between border regions. Which concept of governance is best suited to the analysis of territorial cooperation between the actors from two or several different national political systems? Should we be developing a new definition of governance that takes into account the specific context of transnational cooperation? Can the regional governance approach be used to form the basis for new theoretical foundations of cross-border cooperation? Only an interdisciplinary approach can provide promising results for a thematic discussion on regional governance. Indeed, in the European context, border regions are opportunities for innovative pilot projects which contribute to the setting up of governance structures (such as, for example metropolitan regions or Euroregions, etc). As Joachim Beck stressed in his introduction to the crossborder research cycle, the multi-dimensional functions of the border must be taken into account when analysing these structures9: that is to say the geographical dimension, drawing on physical elements which are relative to the border space; the political dimension, encompassing different national state spheres and thus the sovereign areas related to each side of the border; the legal dimension of the border, referring in turn to the different national legal systems; the economic dimension looking at the discrepancies and the potential for development in border regions; the socio-cultural dimension, referring to the coming together of different societies and cultures; and finally the historical dimension, looking at the course of borders and the way they have shifted over time. These multidimensional functions can be studied with the help of an interdisciplinary analysis of the border phenomenon. We can only explain comprehensively the various functions of the border regions, which are based on the multi-dimensional phenomenon of the border, by using these different disciplines – history, political and administrative sciences, law, sociology, etc. – and the stakeholders in the field. These functions are essential when analysing regional governance: the role of the territorial cohesion model in Europe, the role of integration and regional interconnection, the role of testing ground for European integration, the role of a bridge between different geographical areas of European regions and, first and foremost the leading role in the implementation of European regional policy10. These different roles must be taken into account as a starting point for an investigation of cross-border governance. The challenge of this interdisciplinary research on governance lies not only in understanding the development of cross-border cooperation, its forms and structures for action in border territories, but also to be able to deliver, where appropriate, elements for theses or theoretical models. That would also mean for the stakeholders, that, under such models, cross-border cooperation could become more effective in the future. The theoretical approaches to cross-border cooperation have not been, thus far, widely distributed. Apart from attempts in the 1990s to link cross-border cooperation and the European integration approach of the “Europe of regions11”, there are few political scientists like Peter Schmitt-Egner, 9 10 11
BECK, J., “Grenzüberschreitende Zusammenarbeit als Gegenstand interdisziplinärer Forschung. Konturen eines wissenschaftlichen Arbeitsprogramms”, S.21, in: WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume1) : les régions frontalières françaises, op.cit. Ibid. BULLMANN, U., Die Politik der dritten Ebene, Regionen im Europa der Union, Baden-Baden, 1994; GROM, I., Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit als Beitrag zur Förderung der europäi-
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Gerhard Brunn and Bernd Gross12, or isolated economists such as Remigio Ratti, Shalom Reichman or Markus Perkmann13, who have established theories on the subject. Only the Scottish political scientist Malcolm Anderson has carried out a Europe-wide analysis, over several years, to classify cross-border cooperation in the labyrinth of international relations. The regional governance approach, in other words the analysis of governance structures (Euroregions, Eurodistricts) as regards cross-border cooperation, was only put to the test in selected border regions and recent work considers mostly the case of Franco-German-Swiss cooperation in the Upper Rhine. There is therefore a real need for theoretical research in the field of cross-border governance. For such research, the sector of border regions in Germany seems more appropriate, unlike the first publication which focused on the French border regions. The first research phase of our cycle was voluntarily restricted to the analysis of French border regions. Thus, we closely studied both regions which had a long history such as the Upper Rhine or Saar-Lor-Lux which have been cooperating since the 1960s, and the border regions at the borders between France and Spain, France and Italy as well as between France and Belgium which have only been cooperating in a more dynamic fashion since the introduction of the Interreg Programme in 1991. Reference to these border areas primarily allowed us to draw parallels between the internal regions of the European Community (EC) before it expanded to the north in 1995 and the subsequent enlargements to the east in 2004 and 2007 and which enabled us to distinguish between two categories, mainly: on the one hand the “established” border regions at the Franco-German border, in founding countries of the EC – within which the Franco-Belgian border region has a special position because cooperation only escalated in the early 1990s; and on the other, the “late” border regions in the Mediterranean area from France to Spain and Italy, two countries where cross-border cooperation (apart from small exceptions such as the Working Community of the Pyrenees for example) has only developed institutional forms since the 1990s. For research on more “political” governance issues, the border regions in Germany offer two main advantages: first, since its beginnings in the 1950s, within the German federal system and in contrast to France, cross-border cooperation provides an important area for the Länder to act in the framework of the so called “small-scale foreign policy”. Secondly, further opportunities for comparison exist in the German border regions: here not only the “established” border regions of the founding states of the EC, that is to say Germany, Belgium, the Netherlands, Luxembourg, France come together, but also the border regions of Poland and the Czech Republic which were almost hermetically separated by the
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schen Integration, Berlin, 1995 ; RAICH, S., Grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit in einem Europa der Regionen, Baden-Baden, 1995; FRENSCH, R., Regionale Politikverflechtungen und administrative Kooperationsstruktur in Europa, Sankt Augustin, 1996. GROSS, B., SCHMITT-EGNER, P., Europas kooperierende Regionen, Rahmenbedingungen und Praxis transnationaler Zusammenarbeit deutscher Grenzregionen in Europa, Baden-Baden, 1994; BRUNN, G., SCHMITT-EGNER, P., Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa, BadenBaden, 1998 RATTI, R., REICHMAN, S., Theory and practice of crossborder cooperation, Basel, 1993; PERKMANN, M., Cross-border cooperation, euroregions and the governance of cross-border economies, Lancaster, 1997
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Iron Curtain during the forty year period of the Cold War. Following the fall of the Berlin Wall in 1989 and the reunification that followed, cooperation between local and regional authorities on both sides of the border has also emerged in the “new” German border regions to the east. But even if the most important goal of this cooperation everywhere is to improve the quality of life for people living in border regions, great differences still remain in the legal and practical arrangements for cross-border cooperation, particularly between “established” border regions and the “new” border regions between east and west. Following the example of the German border regions, different forms, models, operation modes, mechanisms and cross-border governance situations can be examined and the different structures compared to each other. It is a matter of exploring both the legal regulation of cross-border structures and also the causal link between these structures and activities, interests and interactions of the stakeholders in this cooperation. For these reasons, this second publication Living and researching cross-border cooperation is devoted to the theme of governance in the German border regions. The methodology used to understand this problem voluntarily does not provide for a systematic and successive analysis of border regions. Even if most of the border regions at the “old” internal borders of the EC – the Upper Rhine, SaarLor-Lux, Lake Constance – are covered and even if particular attention is paid to the border region between Germany and Denmark, as is also the case with the cross-border cooperation between Poland and the Czech Republic, a simple juxtaposition of the analyses of individual case studies would not meet the expectations of those who hoped to see the theoretical dimension of the governance issue being addressed. It is above all a matter of addressing the theoretical approaches of regional or multi-level governance, by taking the example of the German border regions and by using different scientific disciplines and practical examples of real experiences. Therefore, every aspect – legal, political, economic, historical, etc. – cannot be taken into account in the same manner in the various contributions. The advantage of this method lies in being able to make a multi-level and interdisciplinary analysis. The downside is the difficulty in comparing the different visions of the authors from different disciplines. This publication will not make a detailed analysis of the conditions of crossborder governance in relation to the process of European integration. Admittedly, in the context of the discussion about multi-level governance – governance that relates to a policy involving both European, national, regional and local players – Europe-wide governance must be taken into account. However, the issues of border regions’ contribution to European integration in theory and in practice are not at the centre of the discussions in this publication, but rather the question of how the introduction of European elements (Interreg, instruments of European law, etc) has influenced the governance structures in border regions. The question of the role of border regions for European organisations, in other words the Council of Europe and the European Union (EU), and the activities of these organisations in the field of cross-border cooperation, as well as the theoretical link between regional governance and the European integration process will be the subject of a forthcoming publication on the topic of the European dimension of this cooperation. The theme of governance in the German border regions is presented here in three stages: in the first part, the foundations and theoretical approaches to cross-
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border governance are studied in detail. In the second part, cross-border governance in the Upper Rhine is dealt with, and the third part deals with this same cross-border governance in other border regions in Germany. The first part seeks to analyse the question of which form cross-border cooperation takes today and whether the regional governance approach can be used in the context of cooperation between border regions. What are the starting conditions for cross-border cooperation in the 21st century compared to when this cooperation started in the 1950s and 1960s? Which inherent legal instruments exist and what is the role of the border with regard to the starting position after the Second World War when the European integration process was still in its infancy? Is the regional governance approach appropriate as a theoretical basis in the case of cooperation that extends beyond borders and how should this governance then be defined compared with endogenous regional cooperation within nation states? Are there any features that require a specific definition and if so, what should the terminology look like in the context of cross-border cooperation? Finally, we must also determine whether, following the multi-level governance approach, the structure and mode of operation of cross-border cooperation can be clarified in practice and subsequently translated into a theoretical model. The second part of the publication is to test regional governance by taking the example of cross-border cooperation in the Upper Rhine. Indeed, thanks to its many advantages, the Franco-German-Swiss cooperation is a good example: first, it is a region which, from a historical perspective, has extensive experience as cross-border cooperation started in the early 1960s. Secondly, this cooperation is interesting for research because it involves cooperation between two regions of EC founding countries (France and Germany) and a non-EU state (Switzerland). Thirdly, the revolution of the concept of cross-border cooperation takes place precisely in the Upper Rhine: from Regios to Eurodistricts to metropolitan regions, both old and new concepts are constantly being transferred to the structures of multi-faceted cooperation. What lurks behind this terminological differentiation in the Upper Rhine? Is this a practical application of the multi-level governance approach? Can the structures of institutional cooperation and how they work be explained and then improved in the future by using multi-level governance? Can this approach of a coherent overall coordination be used for each current governance structure? Finally, can the Upper Rhine serve as a role model for governance in other border regions? The third part of the governance analysis relies on the other regions bordering the Federal Republic of Germany. Along with the Upper Rhine, comparable and experienced border territories are described in detail such as the Greater Region (Saar-Lor-Lux) or the Lake Constance cooperation between Germany, Austria and Switzerland. Are the governance structures developed equally and can the multilevel governance approach be applied in the same way? At the same time, the border region between Germany and Denmark and the border territory between Poland and the Czech Republic are also analysed. These are regions where intense cross-border cooperation only started in the 1990s and where the initial conditions differ profoundly from those in the Upper Rhine. Why did cooperation between Germany and Denmark develop much later than on the western border of the Federal Republic and what differences exist in these GermanoDanish regions with regard to territorial and maritime cooperation? How have governance structures been set up at the borders of the former eastern bloc coun-
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tries, marked for decades by the presence of the communist regime? Is the cooperation between the new Länder – the former territories of the German Democratic Republic (GDR) – and the Polish and Czech neighbours different to that between the “old” federal Länder of the west? Is the regional governance approach also a “solution” for these border regions or do they need other forms of theoretical and practical cooperation? Finally, the basic question that remains is: can regional and multi-level governance be a solution, even a “magic formula” which will enable us to understand and explore cross-border cooperation?
Teil 1
THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR GRENZÜBERSCHREITENDEN
GOVERNANCE
Partie 1
FONDEMENTS THÉORIQUES ET CONCEPTS DE LA GOUVERNANCE TRANSFRONTALIÈRE
Part 1
THEORETICAL BASES AND CONCEPTS OF CROSS-BORDER GOVERNANCE
FORMEN GRENZÜBERSCHREITENDER INTERREGIONALER GOVERNANCE IN EUROPA ULRICH BOHNER In einigen Wochen, am 5. Mai dieses Jahres, ist es genau 60 Jahre her, dass im Londoner St. James-Palast ein unvergleichliches Friedens- und Vereinigungsprojekt (von damals zehn Staaten) aus der Taufe gehoben wurde – der Europarat. Die Tatsache, dass dieses politische Projekt so erfolgreich verlaufen ist und inzwischen 47 Länder Europas – rund 800 Millionen Menschen – durch gemeinsame Werte und Grundsätze sowie durch ein gemeinsames Regelwerk verbindet, liegt darin begründet, dass der Europarat einem übergeordneten Ziel verpflichtet ist: der Überwindung von Trennlinien, damit die im gemeinsamen Haus Europa lebenden Menschen mehr voneinander wissen, sich besser verstehen und in einen friedlichen und demokratischen Dialog miteinander eintreten können. Der Kongress der Gemeinden und Regionen ist der Spezialist des Europarates in allen Fragen der lokalen und regionalen Demokratie. Die grenzüberschreitende und die interregionale Zusammenarbeit zwischen Nachbarregionen bzw. zwischen Regionen, die von den gleichen Interessen und Problemen geprägt sind, ist eine der zentralen Aufgaben des Kongresses des Europarates. Mit der so genannten Konvention von Madrid hat der Kongress im Jahr 1980 die Grundlage für einen Rechtsrahmen zur dezentralisierten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa geschaffen. Inspiriert von diesem breit angelegten Instrument des Kongresses sind in der Folge zahlreiche grenzübergreifende Abkommen zwischen Nachbarländern abgeschlossen worden, von denen allerdings nur wenige auf öffentlichem Recht basierten. Im Europarat war man daher der Meinung, dass die Madrider Konvention – im Interesse eines klareren und einheitlicheren Rechtsrahmens für grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa – weiter entwickelt werden müsse. Inzwischen arbeitet ein Expertenkomitee am dritten Zusatzprotokoll zur Konvention von Madrid. Kernpunkt des Protokolls ist, dass als Rechtsbasis für Zusammenschlüsse zur Förderung grenzübergreifender Aktivitäten das nationale Recht jenes Staates gilt, in dem die jeweilige Vereinigung eingerichtet worden ist. Wie in vielen anderen Bereichen geht auch die Arbeit des Europarates zur Förderung grenzüberschreitender Aktivitäten Hand in Hand mit Initiativen der Europäischen Union (EU), die 2006 ein neues Rechtssubjekt auf Unionsebene geschaffen hat, nämlich den Europäischen Verbund für Territoriale Zusammenarbeit (EVTZ). Während das Verbund-Modell der EU finanzielle Haftungsfragen und das Problem der Rechtspersönlichkeit aufgenommen hat, blieb die Frage der Durchsetzung von Hoheitsrechten eines Staates auf der anderen Seite der Grenze (ohne Verletzung nationaler Kompetenzen) offen. Genau dieses Problem haben zwei Folgeabkommen, die auf der Madrider Konvention des Europarates basieren, nämlich das Isselburg-Anholt Abkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden aus dem Jahr 1991 sowie das Karlsruher Übereinkommen von 1997 (es regelt die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und öffentlichen
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Stellen aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg und der Schweiz) zu lösen versucht. Mit der vorhin erwähnten Weiterentwicklung der Madrider Konvention in Form des dritten Zusatzprotokolls stellt sich der Europarat erneut den Herausforderungen moderner Modelle grenzüberschreitender Zusammenarbeit in Europa. Insgesamt liegen die Vorteile von gut durchdachten Rechtsinstrumenten bei der praktischen Umsetzung von interregionalen Kooperationen auf der Hand – und sie sind für die Arbeit des Europarates wie für die der EU gleichermaßen von Bedeutung. Lassen Sie mich dazu nur drei wichtige Beispiele anführen: Erstens wird die dezentrale Zusammenarbeit damit langfristig und unabhängig von wechselnden politischen Mehrheiten, wechselnden geographischen oder inhaltlichen Prioritäten überhaupt erst möglich gemacht; zweitens wird die Einbindung der Bürger und anderer Partner, ein wesentliches Kriterium für das Funktionieren von Kommunalpolitik, sichergestellt und drittens der Zugang zu Fördermitteln (der wichtigste Partner des Europarates ist dabei die EU) durch Management und Kontrolle professionalisiert. Die Förderung von nachbarschaftlicher Dialogbereitschaft und von grenzübergreifenden Projekten sowie die Schaffung von Strukturen zur Umsetzung solcher Projekte ist dem Europarat, und damit dem Kongress der Gemeinden und Regionen, ein großes Anliegen. Zu den jüngsten praktischen Beispielen für die Bemühungen des Europarates auf diesem Gebiet zählt die Entwicklung einer Datenbank, in der grenzüberschreitende und inter-territoriale Aktivitäten und Projekte zwischen Regionen und anderen Gebietskörperschaften zentral erfasst werden können. Diese Datenbank ist Teil des vom Europarat ins Leben gerufenen Projektes mit dem Titel Matching Opportunities for Regions in Europe (MORE). Den Vertretern lokaler und regionaler Behörden, aber auch den Kollegen aus Politik, Forschung und Weiterbildung kann dieses neue Online-Werkzeug nur ans Herz gelegt werden: Nutzen Sie diese Datenbank, um gemeinsam Vorschläge zu entwickeln, um Erfahrungen untereinander auszutauschen und um Ihre territorialen Projekte auch auf gesamteuropäischer Ebene bekannt zu machen! Ein weiteres Beispiel für ein vom Europarat entwickeltes Rechtsinstrument betrifft das wohl wichtigste Medium zwischenmenschlicher Kommunikation – die Sprache. Mit der Empfehlung des Ministerrates über den „Unterricht von Nachbarsprachen in europäischen Grenzgebieten“1 hat der Europarat einen wegweisenden Schritt gesetzt, um grenzüberschreitende Aktivitäten zwischen Nachbarregionen zu erleichtern. Wer die Sprache des Nachbarns versteht, wird mehr Interesse am Gegenüber entwickeln. Verstehen ist Basis für Verständnis, für das Wecken von Neugierde und für die Entwicklung von gegenseitigem Vertrauen – gerade das Andersartige kann solcherart verbinden und zu erfolgreichen Kooperationsprojekten führen, seien diese wirtschaftlicher oder sozio-kultureller Natur. Lassen Sie mich am Ende meiner Ausführungen noch ein Thema skizzieren, auf das wir im Kongress der Gemeinden und Regionen besonders stolz sind – es handelt sich um die vom Europarat initiierten Euroregionen. Mit der im Februar 2006 erfolgten Gründung der Euroregion „Adria-Raum“ versucht der Kongress der Gemeinden und Regionen konkrete Antworten auf jene Interessenslagen und Probleme zu finden, die Städte, Gemeinden und Regionen der Adria-Länder miteinander verbinden. In der Euroregion „Adria“ haben sich 22 lokale und regiona1
Empfehlung Rec(2005)3.
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le Behörden aus sechs Ländern (Italien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Albanien) – begleitet von nationalen Regierungen und europäischen Einrichtungen – zusammengeschlossen, um wichtige Anliegen, die allen europäischen Adria-Anrainern gemein sind, zu besprechen und Lösungen zu finden. Die Themen umfassen dabei den Umweltschutz, die Artenvielfalt und die Fischereirechte ebenso wie den interkulturellen Dialog oder Migrationsfragen und Minderheitenrechte. Die bislang zweite Euroregion des Europarates beschäftigt sich mit der Schwarzmeer-Region und ist noch nicht einmal ein halbes Jahr alt. Den im September des Vorjahres in der bulgarischen Schwarzmeer-Stadt Varna ausgearbeiteten Vertrag haben bisher 15 Kommunalbehörden aus fünf Ländern (Armenien, Bulgarien, Georgien, Moldawien und Rumänien) unterschrieben. Mit diesem Zusammenschluss haben sich die Mitglieder nicht nur zur nachhaltigen Förderung und zum Schutz der Schwarzmeer-Region verpflichtet, sondern auch zur Entwicklung erneuerbarer Energieformen, zur Ausarbeitung multi-lateraler Programme im Bereich von Kultur, Wissenschaft, Erziehung, Gesundheit, Sport und Jugend sowie zur Wahrung demokratischer Stabilität. Die Euroregion „Schwarzes Meer“ ist damit ein schönes Beispiel dafür, dass interkulturelle Zusammenarbeit genauso stark gefördert werden muss wie ökonomische. Ich würde es sogar noch deutlicher formulieren: sozio-kulturelle Kooperation auf lokaler und regionaler Ebene ist in vielen Fällen eine Voraussetzung dafür, dass sich gemeinsame Wirtschaftsprojekte zwischen Ländern überhaupt entwickeln können. Gerade in Krisenzeiten wie diesen könnte uns dies als Leitgedanke in eine positivere Zukunft dienen.
FORMES DE GOUVERNANCE TRANSFRONTALIÈRE INTERRÉGIONALE EN EUROPE Dans quelques semaines, le 5 mai exactement, cela fera soixante ans que le Conseil de l’Europe a été créé. Le succès de cette coopération entre 47 Etats européens soit environ 800 millions de personnes tient au fait que le Conseil de l’Europe s’est assigné la tâche de surmonter les différences pour permettre aux citoyens européens de mieux se connaître, d’apprendre les uns des autres et de mener ensemble un dialogue de paix et de démocratie. Le Congrès des pouvoirs locaux et régionaux est le spécialiste des questions de démocratie locale et régionale au Conseil de l’Europe. La Convention-cadre de Madrid de 1980 a créé la base juridique pour la coopération transfrontalière décentralisée en Europe. Au Conseil de l’Europe, nous sommes d’avis que cette Convention-cadre doit être encore développée. Comme dans beaucoup d’autres domaines, le Conseil de l’Europe travaille main dans la main avec l’Union européenne (UE), qui a créé le Groupement européen de coopération territoriale (GECT) en 2006. Toutefois, malgré cet instrument et la Convention-cadre de Madrid, la question de l’imposition des droits de souveraineté d’un côté et de l’autre de la frontière n’est pas encore réglée. Deux traités tentent d’y répondre, le traité d’Isselburg-Anholt entre l’Allemagne et les Pays-Bas en 1991 ainsi que l’accord de Karlsruhe signé en 1996 qui prévoit de réguler la coopération entre les collec-
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tivités territoriales et les autorités publiques en Allemagne, en France, au Luxembourg et en Suisse. La Convention-cadre de Madrid s’apprête à connaître son troisième protocole additionnel qui répondra aux enjeux des modèles de coopération transfrontalière moderne en Europe. De bons instruments juridiques ainsi que l’outil linguistique sont bénéfiques à la mise en œuvre de la coopération transfrontalière. Désormais elle pourra se faire de manière durable, indépendamment des majorités et des changements de priorités politiques, avec la participation des citoyens et d’autres acteurs, et disposera de subventions administrées selon un contrôle professionnel. De plus a été créée une base de données recensant les projets existants et les acteurs potentiels du domaine de la coopération transfrontalière. Pour conclure, permettez-moi de vous présenter l’une des initiatives dont nous sommes particulièrement fiers au Congrès des pouvoirs locaux et régionaux : il s’agit des eurorégions du Congrès. Le Congrès a lancé l’idée de créer une eurorégion adriatique et une eurorégion de la Mer Noire. Dans les deux cas, des autorités communales et régionales de pays membres du Conseil de l'Europe ainsi que des gouvernements nationaux et des institutions européennes se penchent sur des questions importantes, communes à tous les voisins de ces régions, et travaillent ensemble pour trouver des solutions. Les domaines d’intérêt couvrent non seulement la protection de l’environnement, le développement durable, la biodiversité et la pêche, mais également la migration ou encore les droits des minorités ainsi que la culture, les sciences, l’éducation, la santé, le sport et la jeunesse tout en développant la stabilité démocratique. La coopération interculturelle doit être encouragée avec tout autant de vigueur que les partenariats économiques, et même, je dirais que la coopération socio-culturelle aux niveaux local et régional est, dans beaucoup de cas, une condition préalable à une coopération économique réussie. En ces temps de crise, ce concept devrait servir de leitmotiv pour notre chemin commun vers, nous l’espérons tous, un avenir plus positif.
FORMS OF CROSS-BORDER INTERREGIONAL GOVERNANCE IN EUROPE In a few weeks’ time, on 5 May to be exact, it will be sixty years since the Council of Europe was created. The success of this cooperation between 47 European countries, comprising about 800 million people, lies in the fact that the Council of Europe has set itself the task of overcoming differences to enable European citizens to get to know each other better, to learn from each other and to talk together about peace and democracy. The Congress of Local and Regional Authorities is the Council of Europe’s expert on local and regional democracy. The Madrid framework Convention of 1980 established the legal basis for decentralised cross-border cooperation in Europe. In the Council of Europe, it is felt that this framework Convention should be further developed. As in many other areas, the Council of Europe works hand in hand with the European Union (EU), which created the European Grouping of Territorial Cooperation (EGTC) in 2006. However, in spite of this in-
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strument and the Madrid Framework convention, the issue of enforcing sovereign rights on both sides of a border remains unresolved. Two treaties attempt to address this issue: the Isselburg-Anholt Treaty between Germany and the Netherlands of 1991 and the Karlsruhe Agreement of 1997 which regulates cooperation between local and public authorities in Germany, France, Luxembourg and Switzerland. The Madrid Framework Convention is poised to have a third additional protocol that will meet the challenges of modern models of cross-border cooperation in Europe. Good legal instruments as well as linguistic tools are beneficial to the implementation of transfrontier cooperation. Nowadays, this cooperation can be sustainable, regardless of majorities and changes in political priorities, with the participation of citizens and other stakeholders, and may make use of the grants available which are administered under professional supervision. In addition, a database of existing projects and potential stakeholders in the field of crossborder cooperation has been created. In conclusion, let me give you some information on one of the initiatives we are particularly proud of in the Congress of Local and Regional Authorities: the Congress Euroregions. The Congress launched the idea of an Adriatic Euroregion and a Black Sea Euroregion. In both cases, municipal and regional authorities of member countries of the Council of Europe as well as national governments and European institutions address important issues common to all neighbouring regions, and work together to find solutions. The areas of interest include not only the protection of the environment, sustainable development, biodiversity and fisheries, but also migration, the rights of minorities and culture, science, education, health, sport and youth while developing democratic stability. Intercultural cooperation must be promoted as energetically as economic partnerships, and even, I would say that socio-cultural cooperation at local and regional levels is, in many cases, a precondition for successful economic cooperation. In these times of crisis, this concept should serve as a Leitmotif for our common path towards, what we all hope will be a more positive future.
REPENSER LES FONDEMENTS, DOMAINES ET ENJEUX DE LA COOPÉRATION TRANSFRONTALIÈRE
ROBERT HERTZOG Commençons par une question un peu provocatrice : a-t-on une définition générale et néanmoins précise de la coopération transfrontalière, de son objet et de ses acteurs1 ? Ou est-ce seulement un ensemble de pratiques, aux formes et contenus variés, entre différentes catégories de partenaires et sur des espaces aux dimensions mal délimitées, composant un objet pour spécialistes et pour discours politiques lyriques ? Son cadre juridique est incertain et multiforme, selon les matières et les acteurs concernés. Poids de l’histoire : la coopération transfrontalière est encore vue comme une politique publique en soi, ayant sa propre raison d’être, nécessitant des institutions dédiées et des procédures originales, alors qu’il faudrait la considérer comme une partie intégrante de la vie des administrations et l’étudier en partant d’une analyse des fonctions et missions à assumer. Elle reste trop centrée sur le rôle des collectivités territoriales et les institutions que celles-ci mettent en place. L’évaluation des politiques publiques étant à la mode, cette politique doit aussi démontrer son utilité2. Pour cela il faut en clarifier les objectifs. Dans la présentation qui en est généralement faite par les organisations internationales et les responsables politiques, la coopération transfrontalière a deux caractères principaux. D’une part, son objet principal est d’afficher l’amitié entre les peuples et de construire la société européenne à sa base3. Or, ces nobles motifs, dorénavant acquis et allant de soi, ne suffisent plus à définir des politiques pertinentes dans une société qui a progressé beaucoup plus vite que les institutions et les doctrines. D’autre part, elle reste essentiellement une affaire entre collectivités territoriales4. Le moment est venu de prendre quelque distance avec cette vision datée. Deux constats permettent de mieux exposer la problématique et les enjeux actuels.
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La Convention-cadre européenne sur la coopération transfrontalière des collectivités ou autorités territoriales, signée à Madrid le 21.5.1980, vise les entités décentralisées ; elle ne définit le transfrontalier que par l’expression « rapports de voisinage ». Le protocole n°2, adopté le 5.5.1998, fournit un cadre juridique à la coopération interterritoriale entendue comme une coopération entre collectivités locales non contiguës. L’auteur, qui a participé pendant plus de 15 ans à cinq structures différentes, a vu beaucoup de projets dont le principal intérêt était qu’ils existaient en tant que programmes communs à des acteurs transfrontaliers et bénéficiaient à ce titre de financements spécifiques, notamment par des fonds Interreg, mais dont la valeur ajoutée était modeste sur le fond, malgré un formalisme bureaucratique et comptable assez lourd. Le préambule de la Convention constitutive du Groupement européen de coopération territoriale (GECT) « Eurodistrict Strasbourg-Ortenau » lui fixe notamment comme objectif « de devenir un laboratoire de l’Europe unie ». Les sites internet du ministère de l’Intérieur (DGCL) et du ministère de l’Economie ne décrivent que la coopération décentralisée entre collectivités territoriales, dont la coopération transfrontalière est une variante.
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Le premier constat est que la coopération transfrontalière n’est pas une activité principalement réservée aux collectivités territoriales. Elle a un plus vaste champ où interviennent de nombreux autres acteurs. Les relations entre collectivités territoriales, d’abord entre communes, puis entre régions ou départements et des structures locales équivalentes de l’autre pays, ont ouvert la voie et ont été, localement, les premières formes de rencontres binationales à caractère symbolique : jumelages, échanges, manifestations populaires et culturelles. Dans l’espace du Rhin supérieur, ces collectivités ont ensuite contribué à la création de structures spécialisées dans lesquelles elles restent fortement présentes : Infobest, Pamina, Euro-Institut, RegioTrirhena, eurodistricts, Conseil rhénan5. La coopération transfrontalière était, pour elles, une politique volontariste sur un objet local. Elles crurent donc qu’elles avaient là une responsabilité spéciale, ce qui est vrai mais mérite d’être sérieusement nuancé. Il a fallu déployer de grands efforts pour faire admettre que les collectivités territoriales, dont les compétences sont limitées à leur territoire propre, puissent légalement agir en dehors de celui-ci et même hors de l’espace national, et pour établir des cadres juridiques appropriés par des traités et des lois, qui se révèlent chaque fois insuffisants car ce qu’ils permettent fait aussitôt découvrir qu’on pourrait aller encore au-delà6. L’Etat est plus difficilement vu comme un acteur important. Sa taille et ses misions ne sont pas d’abord locales et ses instruments juridiques, même pour régler des affaires locales, sont de classiques accords internationaux. Or, les Etats n’ont pas été en retard sur le Rhin supérieur7. L’Etat français et les Länder participent à certaines des structures susmentionnées, sans la médiatisation qui accompagne les activités menées par les élus locaux. On montre volontiers les Etats comme un frein du fait de leurs pouvoirs de contrôle ou de la lenteur de leurs procédures, notamment financières. Pourtant, ils sont engagés dans de multiples structures par l’intermédiaire de leurs services déconcentrés au niveau local ou régional (préfectures, directions régionales ou départementales, Regierungspräsidien). Le contrat de projets Etat/Région comporte une liste de financements pour la coopération transfrontalière. Cette activité est régie par des textes nationaux ou des accords internationaux et est incorporée au fonctionnement courant des services fiscaux, de police et sécurité, de justice ou d’éducation, par exemple. Mais, sur le terrain, il faut régler des questions concrètes auxquelles souvent le droit n’a pas de réponse préétablie, de sorte que ces services locaux ont, en fait, une marge d’interprétation et d’action non négligeable. Les modalités sont si diverses selon 5
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Les Infobest sont des instances d’information et de conseil pour les citoyens, dont il y a 4 dans l’espace rhénan ; Pamina est l’instance de coopération au Nord de l’Alsace entre le Palatinat du Sud et le Département du Bas-Rhin ; la RegioTrirhena, une association, est son équivalent dans l’espace franco-germano-suisse au Sud ; les eurodistricts sont des regroupements de communes frontalières ; le Conseil rhénan est l’assemblée politique transfrontalière composée d’élus locaux et régionaux. Le statut de la coopération entre collectivités territoriales a eu tant d’importance parce que la légalité de leur action extérieure fut longtemps incertaine. Aussi, tout dispositif juridique spécifique, dans l’ordre international ou interne, apparut-il en lui-même comme une avancée. Pour les autres acteurs publics il n’existe pas de règles générales, ni de structures dédiées (hôpitaux, sécurité sociale…), mais seulement des procédures spéciales (police, fisc …). Dès 1975, l’Accord de Bonn a créé la Commission Intergouvernementale franco-germano-suisse « compétente pour toutes les questions transfrontalières dans son aire géographique », devenue en 1991 la Conférence du Rhin supérieur.
REPENSER LES FONDEMENTS
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les domaines ou ministères, et on y pratique souvent une certaine discrétion (police, fisc, justice …) que cela manque de visibilité. Nombre d’autres organismes publics et de personnes privées ont des coopérations organisées sur la frontière, sans compter les relations d’affaires entre agents économiques. Des établissements publics, universités, hôpitaux, chambres consulaires ont établi des collaborations, parfois très structurées. Associations (culturelles, sportives …), organismes privés chargés d’une mission de service public (fédérations sportives …), caisses de sécurité sociale, organismes d’aide aux chômeurs, de placement de demandeurs d’emploi, églises, syndicats, ont des rapports souvent très vivants. Vue ainsi, la coopération transfrontalière est un ensemble foisonnant. Le deuxième constat est que la coopération transfrontalière ne recouvre pas toute l’action extérieure ou internationale des personnes publiques8. Elle est cantonnée à un espace frontalier, qui n’a pas de délimitation précise, hormis pour certains sujets, comme le statut social et fiscal des travailleurs frontaliers. On n’a pas de définition plus précise que l’idée de « voisinage » employée par la convention du Conseil de l’Europe. Le plus souvent cela correspond à quelques dizaines de kilomètres de part et d’autre de la frontière. Néanmoins, cet espace peut devenir très vaste lorsque l’activité concerne des collectivités de grande taille comme les régions9. La taille des collectivités impliquées a alors un impact sur l’objet de la coopération, qui prend d’autres dimensions, notamment en politique économique. L’essence du transfrontalier est dans le complexe rapport entre le local et le national. Les situations sont locales et la tendance a été de multiplier les institutions tout au long des frontières. Mais la rencontre sur cet espace local de deux droits différents y crée des problèmes qu’aucun pouvoir local ne peut traiter directement. L’ouverture généralisée des frontières, due à l’intégration européenne, fait prospérer de nouvelles sociétés transfrontalières, conscientes de leurs intérêts et de leur identité. Des espaces géographiques et économiques deviennent des territoires sociaux où surgissent tous les problèmes de la vie collective, appelant des interventions publiques sur tous les registres : famille, sécurité, éducation, social, santé, etc. Ils sont fort semblables sur l’ensemble des frontières ; les variantes dépendent du contenu de la législation et des institutions de l’autre pays et de la nature des activités qui s’y développent plus particulièrement, par exemple, dans le Nord, l’importance des maisons de retraite belges accueillant des personnes âgées françaises. Faut-il laisser les multiples institutions de coopération et les administrations concernées inventer chaque fois des solutions locales ou ne vautil pas mieux envisager des solutions communes, donc nationales, qui facilitent
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Le droit français fait une distinction pertinente entre la notion générique de coopération décentralisée, qui peut se faire entre collectivités de pays différents, y compris sans continuité territoriale, souvent dans le cadre de l’aide au développement, et la coopération transfrontalière. Les questions juridiques (l’existence d’un intérêt local légitimant l’intervention d’une collectivité territoriale), les mécanismes financiers et la nature des coopérations sont de ce fait très différents. La distinction est également dans la Convention de Madrid depuis le second protocole. Le GECT est institué par le règlement n°1082/2006 du Parlement européen et du Conseil du 5.7. 2006. Il vise à favoriser la création des « eurorégions » chères aux organisations européennes, est utilisable aussi bien pour des activités transfrontalières que plus larges.
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l’action locale, en sécurisent le régime et assurent l’égalité sur l’ensemble du territoire ? La coopération transfrontalière arrivée à maturité doit obéir aux logiques de toute action publique moderne : viser le meilleur service aux citoyens, au meilleur coût. On bascule d’une activité décidée discrétionnairement, pour des raisons politiques et en vue d’un résultat de nature emblématique, à des concertations imposées aux autorités publiques, requises de satisfaire des besoins qu’expriment les habitants sur un territoire aux caractéristiques particulières. Ceci conduit à reconsidérer les fondements de cette coopération et à en chercher les modalités les plus pertinentes.
1. Quels fondements pour la coopération transfrontalière ? A son origine, la coopération transfrontalière avait une vocation essentiellement politique, qu’elle ne doit pas abandonner, mais qu’elle doit dépasser et enrichir. Afficher l'amitié franco-allemande, italienne ou espagnole, dans un contexte d’après-guerre puis de construction de l’Europe10 reste important. Mais les relations nouvelles se sont établies de manière bien plus intense dans la vie des entreprises, dans la culture, dans les relations personnelles que ce qui se fait par les manifestations officielles. La nouvelle justification est donc dans l’obligation des administrations de s’adapter à ces réalités en recherchant une meilleure satisfaction des besoins des populations et donc de leurs propres performances. Maintenant on réunit des responsables politiques et des fonctionnaires pour décider de solutions à apporter aux besoins des habitants, comme dans les travaux interadministratifs internes. Priorités et perspectives sont renversées. L’important n'est plus la rencontre des dirigeants, sauf en affichage pour les médias, mais le travail préliminaire de repérage des besoins par les services, l’analyse des difficultés que rencontrent les habitants du fait de leur mobilité d’un pays à l’autre, des disparités de législation, de pratiques administratives ou de production de services publics. Loin de réduire l’importance et l’intérêt de la coopération transfrontalière, cet objectif les rehausse et les complique car il faut dorénavant régler des problèmes complexes et conflictuels et non pas prendre des décisions sur des objets consensuels, choisis en raison de la facilité qu’il y avait de les traiter (pistes cyclables, sentiers de randonnées, rencontres d’élèves, etc.) Une société transfrontalière est en constitution. Elle demande à être administrée et appelle donc un plan d’action et des principes conformes à une gestion publique moderne. 1.1. L’émergence d'une société transfrontalière sur un territoire partagé Les changements qui résultent de l'intégration européenne et les transformations des politiques nationales elles-mêmes, ont considérablement abaissé le niveau de 10
Toutefois, une des initiatives les plus anciennes et ambitieuses, la Regio Basiliensis, démarra à la frontière franco-germano-suisse à l’instigation des milieux économiques bâlois, pour répondre à des préoccupations économiques (marché de l’emploi, formation, utilisation de l’espace…), sans besoin de mettre en avant les motivations symboliques précitées.
REPENSER LES FONDEMENTS
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séparation créé par la frontière. Ce n’est pas la coopération transfrontalière qui a réduit l’effet de la frontière, ce sont les politiques nationales et européennes qui ont modifié la vie sur les frontières et les missions que doivent assumer toutes les administrations. La frontière cesse d’être une ligne entre deux espaces périphériques et de séparation entre deux sociétés pour devenir un facteur de production d’un territoire aux potentialités renforcées par les différences qui s’y manifestent et qui créent des richesses et opportunités particulières. Les unités urbaines étendent leur attraction au-delà des frontières et les espaces naturels, massifs montagneux ou plans d’eau, sont envisagés dans leur globalité. La vie quotidienne des personnes, des entreprises, des groupes se déroule dorénavant à cheval sur une frontière. Qu’il s’agisse de logement, de loisirs, de travail, d’éducation, de soins, de délinquance ou de pollutions, les interdépendances, si ce n’est l’unité de cet espace, sont de plus en plus apparentes. Cette société transfrontalière est, dans sa substance, de plus en plus intégrée par les liens que tous les acteurs de la vie sociale tissent entre eux, dans les sphères publiques ou privées. Cette société a besoin d’être mieux connue. Car, autant il y a de travaux sur les institutions et les procédures de la coopération transfrontalière, c’est-à-dire sur les aspects juridiques, autant l’on manque d’études et de vision d’ensemble sur la société transfrontalière. Elle nécessiterait davantage d’analyses sociologiques, démographiques, économiques, d’opinion, afin de comprendre l’importance des flux d’activités et l’image qu’en ont les gens. C’est aussi un lieu de conflits, de concurrence, de délinquance. Au lieu d’être mis en lumière par le fonctionnement actuel de la coopération transfrontalière, ces facteurs sont occultés, car on préfère mettre en avant les bonnes relations entre autorités publiques, l’établissement de nouvelles institutions, la signature de chartes plutôt que d’investir en recherches confiées à des personnes qui se trouvent hors de la sphère officielle. Il manque un lieu de concentration de l’information, de stockage des études et des données provenant des services des deux pays, qui restent dispersées dans leurs services d’origine, et qui pourraient être retraitées pour fournir une image unifiée. Voilà où il faudrait faire porter l’effort si l’on veut nourrir des politiques innovantes. Cette société a besoin d’une gestion publique transnationale, non en sa totalité car ce n’est pas un territoire constitué avec un pouvoir qui a une compétence d’ensemble, mais pour régler de multiples questions, d’importance très disparate. Là naît toute la complexité du sujet. Le transnational est partout, quoique avec une acuité très variable car il ne constitue chaque fois qu’une part très limitée de la matière. On ne peut concevoir toute la politique scolaire, sociale ou environnementale dans une logique transnationale ; l’essentiel de la vie sociale de chaque côté de la frontière se déroule dans son cadre national. Bref, c’est un problème de dosage. Toutes les administrations publiques de part et d’autre de la frontière, qu’elles soient décentralisées, déconcentrées, ou même nationales sont concernées. D’ores et déjà beaucoup coopèrent de façon ponctuelle. Mais, dans les territoires connaissant une puissante polarisation transfrontalière, avec d’amples phénomènes économiques et humains (Genève, Bâle, Strasbourg, Thionville, Nord Pas de Calais, Biarritz, Menton-Vintimille …), il y a besoin d’une instance à vocation générale capable de piloter une gouvernance transfrontalière, de se saisir de l’ensemble des questions en bénéficiant d’une sorte de clause générale de compé-
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tence afin de coordonner l’activité des différentes administrations concernées. Dans l’espace rhénan, c’était la vocation de la Conférence du Rhin supérieur, qui a pâti de son caractère trop interétatique. Cela eut pu être la vocation des eurodistricts qui, eux souffrent de leur composition trop décentralisée. Les exigences du transfrontalier mettent en lumière les inconvénients du morcellement administratif et des cloisonnements bureaucratiques dans chaque pays mais ne poussent pas à corriger ces imperfections. On voit aussitôt les obstacles : quel espace, quel statut, quels financements, quelle composition des organes ? Tout cela est extrêmement politique, dans chacun des pays et dans la structure commune. La transformation de l’eurodistrict Strasbourg-Ortenau en Groupement européen de coopération territoriale (GECT), avec comme statut opérationnel celui des syndicats mixtes de droit français, a nécessité la rédaction d’une convention de coopération, de statuts et d’un règlement intérieur, l’établissement d’une assemblée de 48 membres, une présidence à Strasbourg et un secrétariat à Kehl avec un budget de 850 000 euros que certains trouvent exagéré par rapport aux résultats réels attendus et que d’autres voudraient voir décupler pour financer une véritable politique commune et non plus seulement concertée et coopérative. La faiblesse de la doctrine courante de la coopération transfrontalière est l’idée que le transnational est un objet en soi et la matière d’une politique autonome. Or, ceci n’est le cas que de façon marginale. Sur le fond, elle concerne toutes les activités de la vie en société : l’enseignement et la formation, la famille, la santé, les transports, la fiscalité, la protection sociale, l’emploi, la justice et la police ainsi que les problèmes de sécurité, la pollution, les communications, etc. Il peut nécessiter des actes juridiques ou la création de services et équipements. Pas plus que dans l’espace interne, ces différents domaines ne peuvent être régis par un même droit et un coordonnateur général. Plus la société est transnationale, moins l’objet transnational est identifiable comme tel. Mêlé à tout, il est diffus, multiforme et complexe. Et les problèmes nationaux deviennent eux-mêmes plus complexes au contact du monde extérieur. La différence est donc radicale avec la coopération transfrontalière originaire, qui avait des champs sectoriels limités, prédéfinis par le statut des partenaires et les ressources dont ils disposaient dans le domaine juridique et financier, qui conditionnaient les ambitions qu’ils pouvaient fixer à leurs projets communs. Maintenant, les besoins sont non limités ; ils sont de même nature et parfois d’intensité plus forte que ceux qui se présentent aux administrations dans chacun des pays. Les intérêts en jeu sont de ce fait moins consensuels et les arbitrages qu’ils appellent peuvent devenir très conflictuels, ce qui exige d’autres modes de travail : qui sera responsable des migrants illégaux, qui paiera les aides sociales et les dépenses d’hospitalisation, où installera-t-on l’aéroport, l’usine créatrice d’emplois et de pollutions, les centres commerciaux ? 1.2. Des administrations plus performantes dans un espace transnational Les enjeux s’énoncent simplement : assurer un ordre public et une qualité de vie satisfaisants en réglant les difficultés des habitants qui naissent de la société transnationale et en leur fournissant le meilleur service public. Eventuellement exploiter les potentialités qui naissent du caractère transfrontalier lui-même : lieu d’échanges, double culture, attrait économique … Ce n’est donc l’affaire d’au-
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cune administration en particulier, car toutes sont concernées à un certain titre, et non seulement les administrations publiques mais tous les organismes assumant des fonctions collectives : les chambres consulaires, les syndicats, les hôpitaux, les universités, etc. Des secteurs pourtant stratégiques comme la justice, les pompiers et la sécurité civile, les chemins de fer, la fiscalité, la police, le téléphone et les communications, la santé et la sécurité sociale sont peu étudiés et souvent en dehors des débats habituels sur la coopération transfrontalière dominés par les élus locaux. Dans cette nouvelle approche, une plus grande attention des responsables politiques et du monde universitaire doit être portée aux méthodes et aux instruments de la coopération transfrontalière. Il n’y a pas ici de solutions toutes faites, ni d’outil à portée générale. Au contraire, pour être efficaces, ils doivent être adaptés aux différentes affaires publiques à traiter, selon les acteurs et les domaines. Les services de l’État ont une moins grande liberté d’action que les autorités locales, dont l’organe politique, le maire ou le président de la région, peut plus facilement prendre des initiatives qu’un agent de l’État, fût-il préfet, pris dans un cadre hiérarchique et juridique plus contraignant, particulièrement dans les fonctions régaliennes (police, justice, fisc …). Une distinction importante doit être faite entre la coopération transfrontalière et le règlement de problèmes juridiques transfrontaliers, bien que les deux se recoupent souvent. La coopération suppose une action concertée, organisée entre plusieurs partenaires, en vue d’obtenir certains avantages que chacun eut été incapable de produire seul, moyennant des efforts partagés par la mise en commun de ressources et/ou par acceptation d’obligations de faire ou de ne pas faire convenues d’un commun accord11. Elle était indispensable lorsqu’on voulait réaliser des actions nouvelles, visibles en elles-mêmes, quoique les résultats fussent souvent modestes. « On taille les ailes d’une mouche » disait un préfet dans les années 1990. Mais les besoins issus des situations transfrontalières peuvent aussi amener les administrations à adapter leur position pour tenir compte des particularités de ces cas. Beaucoup de difficultés peuvent ainsi se régler de manière unilatérale sans coopération formelle avec l’administration voisine, par exemple pour l’admission d’enfants dans un établissement d’enseignement ou de malades à l’hôpital, pour la délivrance de certains documents, à propos d’obligations fiscales, etc. Une concertation n’est nécessaire que lorsque l’on souhaite garantir un traitement symétrique des affaires dans chaque pays sous forme de réciprocité12, ce qui est effectivement de plus en plus souvent le cas, par exigence d’équité dans le traitement des personnes et des entreprises et parce que sur chaque sujet des nationaux de chacun des États sont intéressés. Cela pousse à la coopération des services qui pendant longtemps traitaient ces questions de façon purement nationale. Les collectivités territoriales et les structures intercommunales sont différemment concernées selon la nature de leurs compétences. Leur aptitude à entrer
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Rendre compatibles des programmes de développement économique, des plans d’urbanismes, les modalités d’intervention des secours, des horaires scolaires, etc. Chaque administration scolaire peut décider librement de son programme de langues étrangères et favoriser celle du voisin. Une concertation peut cependant s’avérer nécessaire en raison de la complexité des enjeux et du besoin d’assurer une certaine symétrie.
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dans une relation organisée avec des collectivités étrangères dépend aussi de leur capacité à coopérer sur le plan interne. C’est même un des sous-produits de la coopération transfrontalière que d’obliger les administrations de chaque État à mieux concerter leurs objectifs, leurs engagements financiers et leurs procédures de décision : collectivités territoriales entre elles, collectivités territoriales et État, services de l’État entre eux. Il est terminé le temps où l’objectif était de réunir autour d’une table des responsables publics de pays différents pour discuter de ce qui pourrait être fait dans le cadre des compétences et des moyens de chacun. L’étape suivante a consisté à vouloir durcir juridiquement et institutionnellement la coopération transfrontalière, soit par des législations nationales unilatérales qui libèrent l’initiative des collectivités et offrent des formules d’organisation13, soit par des instruments internationaux ou communautaires qui manquent de simplicité et offrent seulement des cadres dans lesquels doit s’inscrire un des droits nationaux14. La seule création de ces structures représente cependant souvent une grande avancée politique qui autorise des déclarations triomphales. Le réflexe naturel des responsables politiques et de leurs services est de considérer que toute gestion d’intérêts publics nécessite des institutions construites sur un modèle proche de celui des administrations. Or, leur seule gestion occupe un temps significatif des organes de direction, sans résultat utile pour les citoyens et alors que leurs compétences, essentiellement de la concertation, sont elles-mêmes assez éloignées de leurs préoccupations, car ce n’est pas là que se règlent des problèmes de sécurité, que sont financés des équipements structurants ou que se définit une stratégie de développement économique. Le paradoxe de la coopération transfrontalière et, plus généralement, de l’action extérieure des organismes publics, est qu’elle n’a pas été freinée par le manque d’assise juridique. Au contraire, cette absence en a facilité un développement empirique. Des initiatives ont prospéré en dehors du droit grâce à l’imagination des élus, de leurs fonctionnaires ou consultants. A trop vouloir établir du formalisme institutionnel et juridique, on prend le risque d’entraver les facultés de s’adapter aux réalités multiformes de la matière.
2. Vers une coopération transfrontalière généralisée Dans la nouvelle étape de l’action transfrontalière, les administrations sont interpellées pour répondre à des problèmes concrets. Deux aspects méritent plus particulièrement réflexion. Le premier est l’identification des acteurs : qui coopère avec qui ? Le second est la définition d’une méthode pour produire ensemble du service public et, au-delà, une société originale. 13
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Code général des collectivités territoriales (CGCT) art. L.1115-1 et s. qui figurent dans un chapitre « Coopération décentralisée ». Sont prévus notamment des Groupement d’intérêt public (GIP), des Sociétés d’économie mixte (SEM), les districts européens, l’adhésion à des organismes de droit étranger. Cela n’exclut pas d’autres formes comme les associations de droit privé. Par la création de structures comme le groupement local de coopération transfrontalière (GLCT) ou le groupement européen de coopération territoriale (GECT). Mais le siège et les statuts déterminent l’application d’un droit national pour la comptabilité, les contrats, le statut des agents, la responsabilité, etc. On utilise alors souvent une des formes de la coopération interadministrative de type syndicat de communes ou syndicat mixte.
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2.1. Les multiples acteurs de la coopération transfrontalière Plusieurs distinctions mériteraient d’être développées ici. On peut faire un premier partage entre l’ensemble des administrations publiques présentes sur le territoire frontalier, qui sont concernées à des titres divers et les organismes spécialisés à vocation exclusive de coopération transfrontalière, généralement issus de ces administrations. Cela recoupe, en partie, la distinction entre les administrations qui ont à régler dans leur fonctionnement courant des questions liées à la situation transfrontalière de certaines personnes et qui peuvent le faire en interne et celles qui ne peuvent correctement intervenir qu’en prenant l’attache des services homologues étrangers. Les services fiscaux, sociaux, de police, etc., peuvent être parfois dans une des positions, parfois dans l’autre. Les difficultés rencontrées pour définir les acteurs de la coopération transfrontalière tiennent essentiellement à la différence d’organisation des systèmes publics des deux côtés de la frontière, avec une absence de correspondance des niveaux et une distribution asymétrique des compétences entre État, Land, Région, Kreis, Département, communautés, communes. Les collectivités territoriales n’ont pas la même stratification territoriale. La région française n’a pas en face d’elle de collectivité de même puissance. Sur l’ensemble des frontières terrestres, sauf avec le Luxembourg, la collectivité en apparence homologue est soit un État fédéré (région belge, Land allemand ou canton suisse), soit une région autonome aux prérogatives plus vastes et à la puissance politique plus affirmée (Italie, Espagne). L’État n’a pas non plus en face de lui des institutions similaires ; les services locaux de l’État belge, italien ou espagnol sont moins consistants. Dans les États fédéraux il y a deux niveaux étatiques et une même fonction étatique sera organisée différemment sur la frontière allemande ou suisse selon le Land ou le canton en cause. Les traités applicables à la coopération transfrontalière ont des contenus et des portées différents selon les États avec lesquels ils ont été conclus et donc selon chaque segment de frontière. Cela provoque des inégalités de traitement regrettables. La coopération des services d’État n’est donc pas plus simple que celle des collectivités territoriales, alors que les enjeux concrets pour les personnes ou les entreprises sont souvent bien plus importants, vu les fonctions de ces administrations. Mais on ne fer jamais de la géométrie en cette matière ! Aux administrations classiques, il faut ajouter les autres organismes qui gèrent des intérêts collectifs : chambres consulaires, universités, sécurité sociale, opérateurs de téléphone, exploitants de télévisions, transporteurs, services culturels (musées, opéras …), syndicats, ordres professionnels, hôpitaux et cliniques, etc. Dans beaucoup de cas la première difficulté d’une éventuelle coopération est le repérage du bon interlocuteur. C’est là que des médiateurs et informateurs sont utiles. Ils n’ont pas besoin de former une multitude de petites structures de coopération éparpillées sur une même frontière. Si la création d’un grand fédérateur pour tout ce qui touche au transfrontalier est irréaliste, il faut tout autant se méfier du saupoudrage de la frontière par une multitude d’organismes redondants. Un choix important est de savoir s’il convient d’organiser les acteurs par affinités institutionnelles, ce qui est la pratique traditionnelle, ou par domaines d’intervention (agriculture, communication, santé, sécurité, social, environnement …). Il faut sans doute les deux, mais la seconde option mérite un plus grand effort à l’avenir. La création de solidarité et de confiance entre « grands » acteurs politiques reste essentielle car elle facilite considérablement les relations
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opérationnelles des services. Il faut maintenant développer les solidarités par la connaissance professionnelle partagée et des collaborations thématiques entre services directement concernés. 2.2. Stratégies d’action et instruments pour faciliter le règlement des problèmes transfrontaliers La frontière en tant que ligne de séparation de systèmes juridiques différents est une donnée permanente qui ne disparaît pas, ce qui fait de la coopération transfrontalière une activité à la fois pérenne et en évolution permanente. Le territoire national est lui-même marqueté de circonscriptions entre lesquelles certaines règles et les services publics sont différents. La suppression des règles propres au franchissement de la frontière (douanes, police, passeport, visa) et destinées à contrôler les mouvements de personnes et de biens, a facilité et stimulé ceux-ci et a mis en contact immédiat des ordres juridiques jusque là davantage séparés, d’où résultent de nombreuses difficultés. Il faut oublier les proclamations prophétiques sur la disparition des frontières juridiques et l’établissement d’un droit commun. Celui-ci existe, c’est le droit communautaire. Il est surtout un droit de superposition, et non de substitution, qui laisse subsister les différences nationales, même là où l’harmonisation est très poussée (Taxe de valeur ajoutée, TVA, par ex.). De même qu’il existe en République Fédérale d’Allemagne (RFA) seize législations communales ou scolaires, il restera des législations différentes d’un État national à l’autre. Nous sommes très réservés sur la pertinence même de certains projets (rêves ?) politiques visant à établir un régime juridique particulier pour un territoire transfrontalier, par exemple un eurodistrict. Cela demanderait un investissement politique considérable pour obtenir des lois dans les deux pays et peut-être des révisions constitutionnelles, puis d’assurer une gestion locale de ce droit (par un « parlement transfrontalier» ?). Ne voit-on pas, qu’à supposer réglés les problèmes politiques et juridiques permettant ce montage, son fonctionnement générerait des difficultés immenses ? Car si l’on efface la frontière du droit au sein de cette zone – ce dont nous doutons fortement15 – il s’en crée de nouvelles avec les deux pays dans lesquels elle est enclavée, puisque l’on n’y appliquera plus ni le droit français, ni le droit étranger (allemand, italien, belge …) mais un tiers droit. Là où il fallait ajuster deux droits entre deux pays, il faudra ajuster trois systèmes juridiques avec des difficultés sérieuses au sein même de chaque État ! Remplacer un système binaire, qui complique la vie à 5% ou 10% des habitants, par un système ternaire qui la compliquera à 90% est assurément un projet politique original. D’ailleurs, un droit spécifique à un espace à cheval sur la frontière, par exemple celui d’un eurodistrict, et qui y améliorerait substantiellement la situation, ne pourrait rester cantonné à cet espace. Il serait inéquitable et contreproductif de ne pas l’étendre à l’ensemble de la frontière concernée, au bénéfice de tous ses habitants. Mesure-t-on les complications et les effets pervers ? Les institutions de coopération transfrontalière doivent être conçues comme des laboratoires d’expertise et des centres de volonté politique où l’on conçoit et développe
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Qui peut imaginer avoir un code civil ou des impôts, une législation du travail, un régime de pensions, etc., propres à un eurodistrict ou même à tout le chapelet des eurodistricts ?
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des solutions qui ont vocation à être généralisées sur la totalité de la frontière concernée. Il est plus réaliste de regarder dans une autre direction et d’envisager un droit transfrontalier personnel, qui permettrait à certaines personnes ou entreprises de bénéficier, sous conditions, du régime juridique du pays voisin tout en résidant dans l’autre État. Cela pourrait notamment convenir aux personnes vivant dans un État pour des raisons de confort ou de coûts, mais qui ont le centre réel de leurs intérêts économiques, culturels, familiaux, dans l’autre pays. Il faut admettre que l’objet de la coopération et des institutions transfrontalières ne peut être que très marginalement la production de droit. Il est de régler des conflits de droit et d’ajuster la mise en œuvre des législations aux situations concrètes survenant dans cet espace particulier. Même sur ce registre, il faut savoir distinguer ce qui relève de la coopération locale et nationale. En effet, du fait même de la réduction généralisée des frontières, les mêmes questions se posent des frontières belge et luxembourgeoise, à celles de l’Est, avec l’Allemagne, la Suisse et l’Italie, et à celles du Sud vers l’Espagne. Faut-il laisser chaque structure locale de coopération ou chaque administration d’État bricoler des réponses plus ou moins adaptées à un espace restreint ou faut-il trouver des solutions d’ensemble? Cette dernière formule paraît préférable lorsque les mêmes questions se posent partout, voire même seulement sur la frontière avec un pays. Les ministères devraient porter une attention systématique aux questions transfrontalières qui intéressent leur matière en les considérant comme des objets à traiter de manière naturelle et non comme des phénomènes anormaux et embarrassants. Au niveau national, la structure chargée de suivre les questions de coopération transfrontalière devrait être conçue non pas comme un outil d’appui aux initiatives locales, comme cela est le cas avec la Mission opérationnelle transfrontalière (MOT)16, car la plupart des collectivités sont suffisamment armées pour cela, mais comme une institution chargée de recenser pour l’ensemble des administrations de l’État les problèmes qui se posent sur les frontières. Après avoir alerté le service compétent, elle devrait pouvoir suivre son action et vérifier qu’elle débouche sur des propositions ou décisions satisfaisantes dans une mise en œuvre sur le terrain. Cela semble commencer à se faire. L’administration centrale n’a pas les moyens de percevoir directement ce qui se passe aux frontières. Elle doit pour cela s’appuyer sur ses services locaux, donc prioritairement sur les préfets – le Secrétaire aux affaires régionales (SGAR) – afin qu’ils identifient ce qui mérite une intervention des autorités nationales. Les services déconcentrés sont eux-mêmes parfois quelque peu éloignés du contact avec les populations et ne connaissent que ce qui entre directement dans leurs compétences. Aussi bien, les collectivités décentralisées et les élus locaux assurent-ils généralement le relais entre la population, qui les saisit volontiers de doléances, et les services qui disposent du pouvoir de décision. Eux-mêmes peuvent constater 16
La MOT, créée en 1997, à l’initiative de la Direction interministérielle à l’aménagement du territoire et l’attractivité régionale (DIACT, redevenue la DATAR), avec pour objectif de faciliter la réalisation des projets transfrontaliers, correspond à la fois à un comité interministériel et à une association pour favoriser un dialogue entre les autorités nationales et les porteurs de projets locaux. Elle apporte à ces derniers une assistance opérationnelle, anime un réseau d’acteurs transfrontaliers et entend aider à la définition d'une stratégie d'ensemble en la matière, ce qui n’est pas forcément dans l’esprit de la décentralisation.
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dans leurs propres domaines des difficultés particulières liées à leur position frontalière. Et si beaucoup de problèmes de la vie quotidienne des habitants des zones frontalières ne relèvent pas des autorités locales, c’est néanmoins à ce niveau que les doléances s’expriment le plus volontiers. Les insatisfactions privées peuvent rapidement alimenter un processus politique passant par les relais habituels que sont les parlementaires et les élus locaux. Ils n’ont pas le pouvoir de décider, mais ils ont celui d’alerter les autorités compétentes. Le pouvoir qui est proche n’a pas les compétences et celui qui a les ressources n’est ni proche, ni informé, ni très souvent motivé pour intervenir sur des espaces et des questions qui sont considérés comme marginaux, vus du centre. C’est donc le système d’information sur les réalités transfrontalières qu’il faut perfectionner, ce qui est bien plus réaliste que de vouloir imaginer une sorte de législateur transfrontalier. Lorsque les problèmes transfrontaliers sont d’une certaine dimension ou nécessitent une décision juridique formelle ou la réalisation de services ou d’équipements, ce sont, en définitive, les autorités publiques normalement compétentes qui le règlent. Il manque principalement une coordination pour la collecte méthodique et la centralisation des informations relatives aux faits transfrontaliers. Il faut un lieu d’expertise pour identifier les problèmes en amont. C’est sur ce créneau qu’il faut positionner des organismes spécialisés dans un rôle d’écoute, d’étude et de stockage. Ils peuvent aussi être des lieux de recours, les destinataires de pétitions des acteurs sociaux : parents d’élèves, associations culturelles, ambulanciers (transporter des malades à travers la frontière est parfois très complexe), etc. S’ils estiment que les demandes sont fondées et que des administrations devraient les prendre en charge, il leur appartient de faire pression sur celles-ci, en employant à cette fin leurs ressources politiques et, si nécessaire, financières.
COOPÉRATION SUR UN ESPACE LIMITÉ ET HOMOGÈNE COOPÉRATION DE NIVEAU RÉGIONAL
INTÉGRATION OU
COOPÉRATIONS
COORDINATION ENTRE UN NOMBRE DE PARTENAIRES ÉLARGI
PONCTUELLES ET/OU THÉMATIQUES
Zone métropolitaine avec enjeux opérationnels importants Centralisation d’informations, conception de politiques coordination ; diffusion des acquis
Coopération directe et opérationnelle entre services concernés Information Coordination
A cet égard, l’eurodistrict Strasbourg-Ortenau a représenté une expérience intéressante du fait même qu’il n’avait pas pu être doté dès sa création d’une forme institutionnelle, Groupement local de coopération territoriale (GLCT) ou GECT et n’était fondé que sur une simple convention de coopération. Les réunions des membres n’ont pas été alourdies et distraites par les obligations de gestion inhérentes à toute structure : décisions budgétaires, gestion du personnel, marchés et contrats. Conscient qu’il n’avait pas de pouvoir direct, le conseil s’est mis à l’écoute des opérateurs qui étaient déjà engagés dans des projets sur l’espace
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transfrontalier et qui étaient souvent freinés par des difficultés mineures. En jouant les facilitateurs, en apportant éventuellement un soutien financier modeste, pris en charge par un ou plusieurs membres sur leurs budgets propres, et surtout un appui politique, l’eurodistrict a pu utilement intervenir sur un champ dépassant de loin les compétences de ses membres : apprentissage, emploi, coopération hospitalière et médicale, télécommunications, etc.
Conclusion Il nous paraît important de distinguer deux types de coopérations transfrontalières considérées dans leur rôle spécifique et en essayant de déterminer les cadres juridiques et les instruments dont chacun a besoin. D’une part, nous trouvons une coopération opérationnelle dont l’objet est celui du service qui y est impliqué de chaque côté de la frontière. Les exemples sont nombreux dans les services de l’État : coopération entre les polices, entre les services fiscaux, dans le domaine de la justice, en matière de sécurité civile ou de protection de l’environnement, etc. Cela peut concerner les collectivités territoriales en matière de planification spatiale, de transports, de voirie, d’aide sociale, etc. C’est une conférence de présidents et autres délégués d’universités qui convient d’opérations à mener en commun qui devront ensuite être décidées par les organes de chaque établissement. La coopération entre administrations opérationnelles (fisc, police, hôpitaux) se fait substantiellement de service à service, ce qui demande qu’elles fassent l’effort d’investir dans la formation linguistique et la connaissance de l’autre, soit par leurs propres moyens, soit en recourant à une institution spécialisée. Le principal besoin est là afin de permettre de travailler ensemble. Une structure de formation et d’échanges professionnels, comme l’Euro-Institut, qui peut réunir ces services, leur fournir un langage commun ou les aider à le construire, expliquer le fonctionnement opérationnel de chaque administration, ses procédures, ses contraintes, est un appoint approprié. Il est regrettable que des susceptibilités administratives ou des insuffisances budgétaires empêchent que l’ensemble des administrations recourent de manière régulière à de tels services. L’autre coopération est celle des « facilitateurs », intercesseurs ou médiateurs. C’est la plus répandue et il y en a divers types, à orientation plutôt politique ou plutôt spécialisée et fonctionnelle. Leur objet, décrit ci-dessus, est d’être à l’écoute de la société, de recenser les difficultés qui naissent de la frontière, d’en faire une analyse, éventuellement d’imaginer des solutions, et surtout de saisir les instances habilitées à apporter les réponses adéquates. Il leur appartient éventuellement de faire pression sur elles afin qu’elles accordent une attention et diligence suffisantes pour traiter ces questions. Le périmètre de cette institution devrait être assez large car il n’y a pas de raison de considérer que la solution doit différer sur la même frontière avec les mêmes administrations et les mêmes législations, selon qu’on est 30 ou 40 km plus au Nord ou plus au Sud. Nous sommes là dans une structure régionale plutôt que locale. Son poids politique en sera renforcé ; les difficultés d’organisation également.
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DIE GRUNDLAGEN, HANDLUNGSFELDER UND HERAUSFORDERUNGEN DER GRENZÜBERSCHREITENDEN ZUSAMMENARBEIT NEU ÜBERDENKEN Die aktuellen Herausforderungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beruhen auf zwei Ebenen : Erstens ist sie nicht nur auf die territorialen Gebietskörperschaften beschränkt, sondern bezieht zunehmend auch weitere Akteure ein: die binationalen und symbolischen Austausche zwischen den Bevölkerungen, spezialisierte Strukturen wie das Euro-Institut, die Eurodistrikte oder den Oberrheinrat, den Staat (insbesondere in Form seiner dekonzentrierten Verwaltung) sowie weitere öffentliche und gesellschaftliche Einrichtungen (Universitäten, Krankenhäuser, Vereine, Gewerkschaften). Die zweite Ebene betrifft den Gestaltungsraum der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit: Dieser bewegt sich nicht in einem integrierten internationalen Handlungsraum aller öffentlichen Akteure, sondern ist auf einen mehr oder weniger klar definierten territorialen Geltungsbereich beschränkt. Der komplexe Zusammenhang zwischen der lokalen und der nationalen Ebene bestimmt die Charakteristika der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Die Probleme und Herausforderungen konkretisieren sich auf der lokalen Ebene, ihre Ursachen liegen jedoch zumeist im nationalen Recht, das von der lokalen Ebene nur sehr bedingt beeinflusst werden kann. Damit stellt sich die Frage, wie das nationale Recht so gestaltet werden kann, dass es die lokale Aktion erleichtert: Wie kann man eine im Entstehen begriffene grenzüberschreitende Gesellschaft, über die man noch immer zu wenig weiß, verwalten? Hierzu bedarf es zunächst soziologischer, demografischer und wirtschaftlicher Studien, welche die sozioökonomische Verflechtungen beschreiben und auch deren negativen Dimensionen (Wettbewerb, Konflikte, nicht-intendierte Nebeneffekte) als Basis für eine Identifizierung grenzüberschreitender öffentlicher Aufgaben erfassen können. Diese grenzüberschreitende Gesellschaft braucht eine Art transnationale öffentliche Verwaltung. Dabei kann es nicht darum gehen, alle öffentlichen Politiken zukünftig grenzüberschreitend durchzuführen, da die Mehrheit der Probleme nur auf nationaler Ebene gelöst werden können – sondern diejenigen Bereiche herauszufinden, die erfolgreich grenzüberschreitend geregelt werden können. Zudem müssen in diesen Aufgabenfeldern alle relevanten Akteure einbezogen und die politischen Entscheidungsträger müssen hinreichend für die Methoden und Instrumente der Zusammenarbeit sensibilisiert werden. Dabei stellen sich verschiedene Herausforderungen: Sehr viele Akteure sind im jeweiligen Kontext sehr unterschiedlich organisiert, was die praktische Zusammenarbeit behindert, weil es schwer ist, den richtigen Ansprechpartner zu finden. Eine umfassende rechtliche Harmonisierung der relevanten Aufgabenfelder erscheint unwahrscheinlich, so dass die hohe rechtliche Komplexität weiter bestehen bleibt. Und selbst wenn man, z.B. im Rahmen eines Eurodistrikts eine gemeinsame Verwaltung mit einheitlichen rechtlichen Standards schaffen würde, so stünde dies weiterhin im Konflikt mit den nationalen Rechtsordnungen. Eine Lösung könnte in der Schaffung von territorialen Ausnahmeregelungen bestehen, die es einzelnen Personen oder Unternehmen erlauben könnte, in einem Land zu wohnen bzw. ansässig zu sein und dennoch von den Vorteilen
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der Rechtsordnung im Beschäftigungsland zu profitieren. Diese Fragen sollten von den Ministerien der beteiligten Länder ernsthaft aufgegriffen werden. Effizienter als ein grenzüberschreitender Gesetzgeber könnte indessen aber auch eine methodengestützte Sammlung und Aufbereitung relevanter Handlungsinformationen sein, welche die grenzüberschreitende Zusammenarbeit perspektivisch anleiten können. Allgemein kann dabei zwischen zwei grenzüberschreitenden Idealtypen unterschieden werden: zum einen einer thematischen, Problem- und Projekt-orientierten Kooperation auf lokaler Ebene und zum anderen einer politisch ausgerichteten Kooperation auf regionaler Ebene mit Blick auf allgemeine Grenzprobleme.
RETHINKING THE FOUNDATIONS, AREAS AND CHALLENGES OF CROSS-BORDER COOPERATION The current challenges of cross-border co-operation lie in two assertions. Firstly, it is not only directed at local and regional authorities because many other stakeholders are also involved: it also involves bi-national and symbolic exchanges between citizens; specialised structures like the Euro-Institut, the Eurodistricts or the Upper Rhine Conference which have played a role; the State which in a certain way is also an important participant through its decentralised services at local and regional levels; and, last but not least, public structures and private individuals (universities, hospitals, associations, trades unions). The second assertion is that cross-border cooperation does not take place in an integrated international space covering all of the public legal entities involved but is limited to a border region which is only more or less geographically defined. The essence of cross-border cooperation lies in the complex links between the local and national levels. The solutions come mostly from the local level; however, their origins lie in the discord between two different national legal systems that causes many problems which no local government can solve. The question is therefore whether it would not be better to consider national solutions which would facilitate local action. A cross-border society emerges which must be governed. First of all, it must be better known. Sociological, demographic and economic studies show that information about the image and activity flows of a cross-border society must be made public, including any negative aspects such as competition or conflicts. In the same way, a cross-border society needs a kind of transnational public administration to execute cross-border policies. This does not mean to realize all public policies in common, because the majority of problems can only be treated at national level, but it means to identify those areas where questions might be settled at cross-border regional level. In order for these questions to be tackled, all relevant public and private actors should be involved and the decision-makers and politicians must become more attentive to the methods and instruments used in cross-border cooperation. Several difficulties still exist before cross-border cooperation can become more widespread. On the one hand, a large number of players from both sides of the border come from systems which are organised differently, thus it is very hard to
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find the corresponding partner. On the other, it would seem unrealistic to think that different national legal systems could be perfectly harmonised. For Eurodistricts, for example, many efforts are needed to set up the same laws and a joint local administration within the area. This then leads to local law being in contradiction to national law. The solution could be to introduce certain territorial exemption rules which would enable some individuals or firms, under certain conditions, to live or operate in their country of origin while benefiting from the legal system of the other state. These questions should be examined seriously by all ministries of the participating States. A methodical gathering and centralisation of information, as well as an expert evaluation would be useful for identifying the problems and would be more efficient than a cross-border legislator. Therefore, globally, a distinction should be made between two ideal types of crossborder cooperation: a thematically, problem- and project-orientated cooperation on the local level and a political cooperation focussed on the regional level for overall cross-border problems.
LES FONDEMENTS JURIDIQUES DE LA COOPÉRATION TRANSFRONTALIÈRE DES AUTORITÉS PUBLIQUES LOCALES
JEAN-MARIE WOEHRLING Le terme de « coopération transfrontalière » est devenu un terme usuel. On lui adjoint parfois quelques dénominations voisines : coopération interterritoriale, coopération décentralisée, etc. Dans toutes ces hypothèses, il s’agit de relations entre autorités publiques par-dessus les frontières des États concernés. Le cas le plus parlant est celui de rapports juridiques entre les collectivités locales appartenant à des États différents. Mais la même problématique s’applique à des relations entre établissements publics ou entre des autorités locales étatiques (autorités déconcentrées) par-dessus la frontière de l’État. La présente contribution rappelle le fondement juridique de ce type de coopération transfrontalière et insiste sur quelques idées qui, tout en étant simples, ne sont pas toujours correctement perçues car elles sont obscurcies par des conceptions qui sont certes dépassées, mais qui « hantent » encore nos esprits. A cette fin, il s’agit d’abord de rappeler en quoi consiste cette approche dépassée et comment se présente aujourd’hui cette question.
1. Analyse traditionnelle des relations juridiques entre autorités publiques d’États différents : le détour nécessaire par le droit international public La coopération transfrontalière pose la question des relations entre autorités publiques de deux États différents. Or, chaque État forme un système juridique distinct. Nous avons par exemple un système juridique d’un État A et un système juridique d’un État B. Ces deux systèmes sont séparés l’un de l’autre. Comment se fait la connexion, comment se fait l’échange entre ces deux systèmes ? La réponse traditionnelle, c’est que les relations entre systèmes juridiques étatiques au plan du droit public se fait par le droit international public (Völkerrecht). Le droit international public est l’instrument classique d’intercession entre systèmes étatiques, l’instrument de coopération entre les États. Les collectivités locales n’ont pas accès au droit international. On en a déduit qu’elles ne peuvent pas avoir de relations juridiques par-dessus une frontière. Cette approche un peu simpliste a été très largement acceptée pendant de longues années : on a considéré que, pour que des relations juridiques puissent s’établir entre une collectivité locale d’un État et une collectivité locale d’un autre État, il fallait un fondement juridique spécifique qui permette de faire accéder les collectivités locales à des mécanismes de droit international. Cependant, de fortes réticences s’opposent à un tel procédé car le droit international est l’affaire des États.
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Ces réticences ont été encore renforcées par une autre idée, à savoir qu’en ce qui concerne le recours au droit international public au sein de chaque État, il existe une sorte de monopole qui appartient à des autorités centrales de l’État, spécialement désignées par le droit constitutionnel, en règle générale, le chef de l’État et le ministère des Affaires étrangères : c’est le ministre des Affaires étrangères qui gère le droit international public. D’autres autorités, même étatiques et a fortiori des collectivités locales, ne peuvent, en quelque sorte, interférer dans cette gestion et ceci en vertu du principe de l’unité de l’État, au niveau du droit international public. Ceci est encore accentué dans un régime fédéral comme l’Allemagne qui doit de surcroit déterminer le partage des compétences internationales entre la Fédération et les États fédérés. Si les États fédérés disposent d’une certaine compétence internationale, celle-ci est limitée et il n’est pas admis qu’ils puissent déléguer cette compétence aux collectivités locales. Les collectivités locales, bien que bénéficiant en droit interne d’une autonomie, ne sont, du point de vue du droit international, considérées que comme des démembrements de l’État, des composantes de l’État. Il se rajoute à cela encore une autre difficulté, à savoir l’idée de « la territorialité des lois de droit public ». Selon cette conception ancienne, l’application d’une loi de droit public s’arrête, en application du principe de souveraineté territoriale des États, à la frontière et n’a plus d’effet au-delà de la frontière. La loi de droit public n’a d’application que dans le strict cadre territorial de l’État qui l’a édictée. Une loi de droit public n’est pas censée créer des droits ou des obligations au-delà du champ territorial de l’État concerné. Cette considération est renforcée en Allemagne par une interprétation stricte des droits ou intérêts institués par la loi, en relation avec la théorie des normes protectrices (Schutznormtheorie). Un particulier ne peut invoquer les dispositions d’une loi que si celle-ci comporte une norme protectrice (Schutznorm), un objectif de protection de ses intérêts. Certains juristes ont considéré que le champ d’application des Schutznormen, telles qu’elles figurent dans beaucoup de lois allemandes, telle la loi sur la protection des émissions1, se limite au territoire allemand et ne créent pas de droits subjectifs pour les non-résidents. Ainsi, un tribunal administratif allemand a-t-il refusé pour ce motif la recevabilité de requérants néerlandais contre une autorisation d’une centrale nucléaire allemande. Cette analyse a été démentie à juste titre par une décision du 17 décembre 1986 de la cour administrative fédérale, laquelle a annulé ce jugement en estimant que la validité de cette loi à l’étranger était une fausse question. En effet, la loi en question a pour objet de protéger également les intérêts des non-résidents, ceux-ci peuvent donc se prévaloir d’un droit subjectif fondé sur cette loi. Enfin, dernier élément qui vient contrarier les volontés de coopération directe entre collectivités locales, c’est l’idée d’ordre public : le droit public est un droit d’ordre public, cela veut dire qu’on ne peut pas y échapper, dans le sens qu’une collectivité publique ne peut pas choisir le droit auquel elle est assujettie, comme le font les particuliers quand ils passent des contrats dans le cadre du droit international privé. On est lié à son droit national en tant que collectivité publique. Sur la base de ces éléments, on a pendant longtemps expliqué que, sauf habilitation spéciale, dans le passé, généralement inexistante, il n’y avait pas de coopé1
C’est à dire la BimSchG.
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ration possible de part et d’autre d’une frontière entre des autorités publiques, notamment des autorités publiques locales.
2. Analyse actuelle : émergence d’un droit administratif transnational fondé sur le droit interne des États concernés Cette idée a été heureusement remise en cause. L’analyse actuelle s’inspire en quelque sorte du modèle du droit international privé. Il a toujours été admis que les personnes privées relevant d’États différents peuvent avoir des relations juridiques directes bien que leurs compétences juridiques respectives relèvent de droits d’États différents. Il est donc possible d’avoir des relations juridiques entre les sphères séparées d’un État A et d’un État B, autrement que par le droit international public. Ces relations s’établissent sur le droit interne de l’un des États concernés et non sur le droit international public. Il suffit à cet effet d’écarter l’idée de territorialité des lois de droit public. Les ordres juridiques ne sont pas imperméables les uns aux autres. Le droit privé nous le montre. Les mêmes principes valent pour les lois de droit public. Celles-ci n’ont pas une nature juridique spécifique. Le champ d’application de celles-ci résulte de leur objet et non de leur nature. Le droit de chaque État prend en compte les situations juridiques créées d’autres États. Les personnes physiques et morales de droit privé tissent pardessus les frontières des relations juridiques reconnues. Cette analyse est traditionnelle pour les relations de droit privé lesquelles suivent des règles définies par ce qu’on appelle le droit international privé. Ce qu’on appelle droit international privé, ce n’est pas véritablement du droit international, mais la combinaison des droits privés internes des États concernés par des relations d’extranéités. De la même manière, la coopération transfrontalière des autorités publiques locales est une coopération qui se fonde sur les instruments juridiques qui trouvent leur fondement dans le droit interne de l’un ou de l’autre des États concernés. En d’autres termes, lorsqu’une commune X d’un État A passe un contrat avec une commune Z d’un État B, ce contrat n’est pas fondé sur le droit international public. Il ne trouve pas sa source dans cette forme de droit dont sont exclues les autorités locales, mais dans le droit interne de l’un ou de l’autre des États concernés. Telle est la nature juridique effective de ce qu’on appelle la coopération transfrontalière des autorités locales. Ceci est le point central de cette démonstration : le droit de la coopération transfrontalière, ce n’est pas du droit international public, c’est une combinaison des droits publics internes des États concernés. Quel est le fondement de cette possibilité d’utiliser le droit interne des États concernés pour organiser la coopération entre des autorités publiques par-dessus la frontière ? Ce fondement réside dans l’attribution de compétence juridique à ces autorités publiques. Dans le cas des collectivités locales, c’est le principe de l’autonomie locale, le principe de la libre administration des collectivités décentralisées, qui fonde leur action. Si une activité entre dans le champ de l’autonomie locale, ceci reste vrai, aussi pour les aspects de cette activité qui comportent une dimension transfrontière. A partir du moment où une collectivité locale se voit attribuer par la loi une compétence, elle a le plein exercice de cette compétence ; elle peut l’exercer dans
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le cadre du territoire de l’État dont elle fait partie mais, le cas échéant, elle peut aussi exercer cette compétence en développant des rapports juridiques au-delà de ce territoire, dès lors qu’elle reste dans le champ de cette compétence et respecte les règles définies par le droit interne de l’État dont elle dépend. Le fondement de la coopération transfrontalière des collectivités locales réside donc dans cette considération que quand une autorité dispose d’une compétence juridique, elle peut exercer cette compétence juridique de manière complète, donc même au-delà des limites territoriales de l’État dont on dépend, dès lors qu’elle reste dans les limites de sa compétence. Exemple tout à fait banal : une collectivité locale a comme compétence l’animation socio-éducative des enfants de sa commune. Dans le cadre de cette compétence d’animation socio-éducative, elle peut créer une colonie de vacances. Cette colonie de vacances, elle peut l’établir sur le territoire de la commune, elle peut aussi, bien sûr, l’installer n’importe où ailleurs dans le territoire de l’État dont elle dépend. Mais elle peut aussi l’implanter en dehors du territoire de l’État dont elle dépend. Rien n’empêche la Ville de Strasbourg d’avoir une colonie de vacances en Autriche. Elle reste dans son domaine de compétence qui est celui de l’animation socio-éducative et ce n’est pas le fait que la colonie de vacances soit en Autriche, qui ferait qu’elle va au-delà de sa compétence. Donc la compétence n’est pas nécessairement définie au plan territorial, c’est un concept matériel. Cette autre manière de voir la coopération transfrontalière des autorités publiques permet d’échapper au blocage tiré de l’impossibilité pour les collectivités locales d’accéder au droit international public : la coopération transfrontalière, ce n’est pas du droit international public, la coopération transfrontalière c’est du droit interne de l’un ou de l’autre des États concernés, voire une combinaison de ces droits internes, sous réserve des limites de l’ordre public et des compétences qui appartiennent aux collectivités concernées. Mais cela reste du droit interne. Le même raisonnement vaut aussi pour les autorités de l’État. Pour autant qu’une autorité de l’État dispose d’une compétence juridique, elle peut exercer celle-ci en relation avec des autorités publiques compétentes d’un autre État sans passer par le droit international public. Dans la limite des compétences légales qui leur sont données, les autorités publiques étatiques peuvent se fonder sur leur droit interne pour organiser les relations transfrontières.
3. Modalités de mise en œuvre du droit interne au service de la coopération transfrontalière S’agissant maintenant des modalités d’utilisation du droit interne pour faire de la coopération transfrontalière, il existe différentes possibilités. On peut d’abord procéder sans base juridique particulière, simplement en se fondant sur le principe de l’autonomie locale, sur le principe des compétences accordées aux autorités publiques et en considérant que chaque fois qu’une autorité publique a une certaine compétence, elle peut exercer cette compétence de manière transfrontalière. Ceci est une première façon de faire, parfaitement praticable, quoique l’on puisse être confronté à quelques incertitudes quant aux conditions de mise en œuvre concrètes du droit interne dans ces situations. Une deuxième modalité consiste dans le fait que le droit interne intègre des dispositions spécifiques relatives à la coopération transfrontalière des collectivi-
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tés locales. C’est ce qui a été fait dans plusieurs pays, en France mais aussi en Allemagne. Il existe ensuite une troisième possibilité d’organisation de cette coopération transfrontalière : c’est les recours à des accords internationaux bilatéraux ou multilatéraux. Un exemple en est fourni par l’accord de Karlsruhe de 1996 : la France, l’Allemagne, la Suisse, le Luxembourg ont défini ensemble des instruments juridiques de coopération transfrontalière des collectivités locales. Il faut souligner que ces accords, outre qu’ils fixent un certain nombre de principes communs, ne font eux-mêmes que renvoyer aux droits internes des États concernés en ce qui concerne le fondement juridique de la coopération transfrontalière. Ces accords ne font pas accéder les autorités publiques engagées dans la coopération transfrontalière au droit international public. L’accord de Karlsruhe est un accord international, mais les instruments de coopération créés par l’accord de Karlsruhe ne constituent pas du droit international. Il s’agit d’instruments juridiques de droit interne, c’est-à-dire des contrats ou des structures juridiques qui trouvent leur assise dans le droit de l’un des États membres. Enfin, il y a la dimension européenne : le Conseil de l’Europe a défini un cadre pour la coopération transfrontalière des collectivités locales avec la convention de Madrid du 21 mai 1980 et avec les protocoles additionnels à cette convention. Mais il faut dire que ces instruments internationaux ne sont pas « self-executing » ; ils n’ont pas d’effet direct, il faut toujours un droit national de transformation. Toujours sur le plan européen, il y a également le règlement communautaire du 5 juillet 2006 relatif à un Groupement européen de coopération territoriale (GECT)2. Mais il faut souligner le caractère limité de ce règlement qui ne fait qu’instituer la possibilité pour des personnes publiques de se grouper dans une structure frontalière disposant d’une pleine personnalité juridique3. La question des pouvoirs de cette structure et celle de la possibilité de lui transmettre de véritables compétences publiques reste ouverte. Elle n’est pas réglée par le règlement. Celui-ci prévoit l’utilisation de cette structure pour la mise en œuvre des financements communautaires. Mais il n’attribue pas de pouvoirs autres à ce groupement européen. Cette innovation présente donc un intérêt limité. Là encore, le règlement doit être analysé comme renvoyant au droit interne des États concernés pour définir les droits mis en œuvre. Les GECT seront des structures du droit interne des États membres et non une structure de droit communautaire. Ce dernier se borne à créer l’obligation pour les États membres de rendre possible la constitution de telles structures. Il faut enfin faire quelques observations sur les difficultés qui peuvent exister dans la mise en œuvre du droit interne comme instrument juridique de la coopération transfrontalière.
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Règlement n° 1082/2006. Rechtspersönlichkeit mit weitestgehender Rechts- und Geschäftsfähigkeit.
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4. Difficultés rencontrées dans le développement des instruments juridiques de la coopération transfrontalière Il n’y a en réalité pas de grandes difficultés particulières pour créer des structures de coopération et pour conclure des conventions de coopération, ces conventions pouvant définir des droits et des obligations réciproques. Mais peut-on aller jusqu’à procéder à des transferts de compétences pardessus la frontière ? Le problème n’a pas été beaucoup étudié juridiquement au plan français ; de toute façon les autorités françaises n’y sont pas très favorables. La question a été analysée de manière plus juridique en Allemagne et on a conclu qu’il existait un problème de droit constitutionnel. Un tel transfert de compétence par-dessus la frontière nationale, pour autant qu’il concerne des prérogatives de puissance publique (Hoheitsrechte), exige un fondement constitutionnel. Il existe pour le Bund dans l’article 24 un alinéa 1 qui permet le transfert de tels droits à des institutions interétatiques (Zwischenstaatliche Einrichtungen). Mais il n’y avait pas d’équivalent au niveau des Länder. On a donc introduit en 1992 dans la Constitution un article 24 alinéa 1a qui permet aux Länder de déléguer des compétences de puissance publique à des « institutions de voisinage frontalier » (grenznachbarschaftliche Einrichtungen). Cette disposition permet de transférer à un organisme transfrontalier des compétences réglées par la législation des Länder. Par contre, elle ne prévoit pas une possibilité équivalente en ce qui concerne le transfert à des institutions de voisinage frontalière des compétences définies par la législation fédérale. Selon une partie de la doctrine, les compétences relevant du Bund, entrent dans le champ d’application de l’article 24 alinéa 1 et ne pourraient donc pas être dévolues à des organes de coopération transfrontaliers, mais seulement à des organes interétatiques (régis par le droit international). Cette analyse parait erronée. L’article 21 alinéa 1a) complète les dispositions de l’article 24 alinéa 1 et ne limite pas les pouvoirs accordés au Bund. Si celui-ci peut procéder à des transferts de compétences à des organes interétatiques, il doit pouvoir a fortiori le faire aussi à des organes transfrontaliers. La Cour constitutionnelle allemande a d’ailleurs eu l’occasion de préciser la portée de la notion des transferts de droits de souveraineté dans l’arrêt Solange I. L’ordre juridique allemand peut être ouvert à l’application de normes ayant une autre source. Il y a donc bien renonciation à un « monopole » du droit national dans le champ d’application de la constitution allemande. Si cette ouverture vaut pour le droit international, elle peut être acceptée également pour les transferts de compétences prévus dans le cadre de la coopération transfrontalière. La seule condition est que les transferts de compétences ne portent pas une atteinte excessive et injustifiée aux droits fondamentaux des citoyens et résidents allemands. La discussion subsiste si l’article 24 alinéa 1a de la constitution allemande permet le transfert de compétence à des organes créés sur la base du droit interne de l’un des membres. Une interprétation finaliste de cette norme devrait cependant conduire à une réponse positive. Il est en fait très difficile de réaliser des transferts de compétences au sens strict du terme. Dans l’état actuel c’est quasiment encore exclu. La seule chose que prévoit l’accord de Karlsruhe, ce sont, en quelque sorte, des délégations de mission, c’est-à-dire qu’une collectivité locale exerce des responsabilités au nom et pour le compte d’une autre, mais sans qu’il
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y ait un véritable transfert de compétences. Quant au règlement européen, il ne dit rien sur le sujet. Une autre difficulté résulte du concept de pouvoir discrétionnaire. Toutes les collectivités publiques ont une certaine marge d’appréciation dans la mise en œuvre des compétences qui leurs appartiennent. La coopération transfrontalière consiste à passer des accords sur la façon de mettre en œuvre ce pouvoir d’appréciation. Or, une des règles qui régit le pouvoir discrétionnaire c’est que son exercice ne doit pas être lié à l’avance. Le pouvoir discrétionnaire doit rester discrétionnaire. Selon certaines analyses, le lier par une convention de coopération transfrontalière peut être illégal. On peut là encore répondre que ce qui est valable à l’intérieur des frontières nationales l’est aussi en cas de relations transfrontalières. La limitation d’un pouvoir d’appréciation par des orientations antérieures ne doit pas être plus restrictive dans le deuxième cas que dans le premier. Un troisième type de difficulté réside dans les problèmes de financement. Les sources de revenus des collectivités locales sont des financements de droit public très variables selon les États et il est très difficile d’organiser un financement direct des activités de coopération transfrontalière. Il faut en rester à des formules de péréquation des frais. D’autres difficultés résultent des différences dans le droit matériel applicable aux domaines de la coopération transfrontalière. Dans des États différents, ce ne sont pas les mêmes standards, les mêmes règles de responsabilité, les mêmes critères qui s’appliquent. En vérité, la véritable difficulté dans le développement de la coopération transfrontalière des autorités locales, c’est le droit matériel, et non les questions institutionnelles. Au niveau institutionnel, on trouve pratiquement des solutions à tout, mais c’est au niveau du droit matériel que l’on a des problèmes concrets de mise en œuvre des règles telles qu’elles existent. Quelle que soit l’intensité de la coopération transfrontalière, il existe deux systèmes juridiques distincts, le système juridique de l’État A, le système juridique de l’État B, et ces systèmes ont leur spécificité. Pour résoudre cette difficulté, on a parfois proposé que la législation d’un État soit étendue au territoire transfrontalier d’un autre État. Par exemple, dans une zone d’activité frontalière entre l’État A et B, on déciderait l’application de la législation A pour toute la zone afin de lui conférer un régime unitaire. On peut se demander si une telle mesure est utile. On a aussi fait valoir qu’elle serait juridiquement impossible car contraire à des principes de droit constitutionnel. Il ne serait cependant pas impossible que l’autorité compétente d’un État copie la législation d’un autre État pour l’appliquer dans une zone frontalière. Après 1918, la France a bien appliqué des dispositions allemandes en Alsace-Moselle ! Mais elle les a appliquées comme du droit français local. Une autre solution serait que les autorités compétentes en matière de fixation de normes (par exemple une règle de construction ou une règle technique) spécifient que dans une zone déterminée, la règle applicable dans l’État voisin est reconnue comme équivalente. Si par exemple, dans une piscine de l’État A, on exige la présence d’un maître nageur, il sera précisé que les personnes reconnues comme maître nageur dans l’État B peuvent aussi exercer ces fonctions dans l’État A. Le législateur pourrait adopter de façon générale une telle « clause d’ou– verture aux normes et standards » d’autres pays.
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Conclusion Pour finir, il faut souligner que tout ce qui a été exposé sur les collectivités locales vaut aussi pour les services déconcentrés de l’État. Il n’y a pas de raison de ne pas concevoir également une coopération transfrontalière des autorités étatiques dans les mêmes conditions que celles qui s’appliquent aux collectivités locales, c’est-à-dire dans le cadre du droit interne et non pas dans le cadre du droit international public. Selon les mêmes limites et selon les mêmes modalités que la coopération transfrontalière des collectivités locales, les services relevant d’États distincts peuvent développer des coopérations transfrontalières. Dans beaucoup de cas, cela est même tout à fait nécessaire parce que, malgré les lois de décentralisation, beaucoup de compétences continuent à appartenir à l’État. Mais, grâce aux mesures de déconcentration, beaucoup de compétences de l’État s’exercent désormais au niveau local. Dans de telles situations, ce n’est plus le ministère des Affaires étrangères, ni même les ministères centraux qui sont compétents, mais les autorités déconcentrées des États. Ces autorités déconcentrées doivent également pouvoir coopérer par-dessus la frontière : elles peuvent le faire selon les mêmes principes que ceux exposés pour les collectivités locales, à savoir en utilisant le droit interne de l’un ou de l’autre des États concernés. C’est que ce que l’on constate d’ailleurs dans la pratique : à côté de la coopération « internationale », c’est-à-dire relevant du droit international public, se développe entre autorités publiques spécialisées des relations directes. Ces relations sont classées habituellement sous le vocable d’ « arrangements administratifs » (Verwaltungsvereinbarungen). Ces arrangements ne constituent pas des accords internationaux, même en forme simplifiée, mais des accords mettant en jeu le droit interne des États concernés. Ce type de relation transfrontalière est en constant développement. Les exemples d’actes administratifs transnationaux ou d’actes publics à effets extraterritoriaux se multiplient. En conclusion, il faut souligner que les questions juridiques ne constituent pas un obstacle déterminant au développement de cette coopération. Sans doute, y-at-il des questions d’ordre juridique soulevées par cette coopération. Mais ces questions sont solubles de manière pragmatique en se fondant sur les ressources du droit interne des États concernés.
DIE JURISTISCHEN GRUNDLAGEN FÜR GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT LOKALER GEBIETSKÖRPERSCHAFTEN Der Beitrag zielt darauf ab, den rechtlichen Charakter der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen öffentlich-rechtlichen Behörden genau zu bezeichnen, indem er nachweist, dass die Grundlage dieser Beziehungen nicht im Völkerrecht, sondern im internen Recht der betreffenden Staaten zu suchen ist. Das Territorialprinzip der nationalen Rechtsordnung wird dabei praktisch aufgehoben. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit findet unter Anwendung des
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nationalen Rechtes eines beteiligten Mitgliedstaates oder durch eine Kombination der nationalen Rechtsordnungen beider betroffener Staaten statt. Diese Klarstellung erlaubt es, die Untersuchung der juristischen Probleme der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von den institutionellen und Strukturfragen wegzuführen, die eigentlich leicht lösbar sind, und sich auf substanzielle und materielle rechtliche Fragen zu konzentrieren (Äquivalenz technischer Normen, Ausübung des Ermessens usw.). Auch wenn die Delegierung von Aufgaben von einer nationalen Behörde auf eine Behörde eines anderen Staates ziemlich leicht durchgeführt werden kann, bleibt die Übertragung rechtlicher Zuständigkeiten sehr fraglich, soweit sie die Staatssouveränität berühren kann. Auch die europäischen Rechtsinstrumente, wie z.B. der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit bietet hierfür keine wirkliche Lösung, da et letztendlich nur die Einrichtung grenzüberschreitender Institutionen mit Rechtspersönlichkeit ermöglicht, ohne dabei grenzüberschreitende Kompetenzen zu übertragen. Trotzdem kann schlussfolgernd festgestellt werden, dass juristische Fragen bei aller Berechtigung letztendlich für die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nicht ausschlaggebend sind. Wenn Zusammenarbeit Probleme rechtlicher Art aufwirft, dann können diese meistens auf pragmatische Weise und mithilfe der Anwendung des nationalen Rechtes gelöst werden.
THE LEGAL BASIS FOR CROSS-BORDER COOPERATION BETWEEN LOCAL PUBLIC AUTHORITIES The study aims to define the precise legal nature of cross-border cooperation between public authorities by demonstrating that the foundation for this cooperation should not be sought in public international law but in the public law of the states concerned. The principle of territoriality in national law is hereby practically set out of force. Cross-border cooperation takes place by applying either the national law of one of the member states concerned or with a combination of national law from both participating states. This clarification is needed in order to direct the analysis of the legal difficulties of cross-border co-operation towards the basic problems (comparison of technical standards, implementation of discretionary power, etc) rather than towards institutional or structural issues that are easily solved. Although the “delegation of tasks” from one state authority to another can be quite easily implemented, the possibility of a genuine transfer of legal powers remains problematic since these appear to be related to state sovereignty. At the same time, the existing European legal instruments such as the European Grouping of Territorial Cooperation (EGTC) are not really a solution for this problem, for they only allow for the establishment of cross-border institutions without endowing them with crossborder competences. However, in conclusion it has to be stated, that in the end, legal question are despite their legitimacy in no way crucial for the development of cross-border cooperation. If legal problems arise, they can usually be tackled in a pragmatic way and by using the legal possibilities existing within the national legal systems.
REGIONAL GOVERNANCE – WAS IST NEU AN DEM ANSATZ UND WAS BIETET ER? DIETRICH FÜRST 1. Was bedeutet „regional Governance“? „Regional Governance“ bezeichnet netzwerkartige intermediäre Formen der regionalen Selbststeuerung in Reaktion auf Defizite sowie als Ergänzung der marktlichen und der staatlichen Steuerung. „Intermediär“ bedeutet: Sie tritt dort auf, wo das Zusammenspiel staatlicher, kommunaler und privatwirtschaftlicher Akteure gefordert ist, um Probleme zu bearbeiten. „Netzwerkartig“ bezieht sich auf den Interaktionsmodus: Verhandlung und Diskurs (bargaining and arguing) unter gleichrangigen Partnern. Regional Governance hat keinen zentralen Akteur, sondern das handelnde Kollektiv (z.B. Repräsentanten der Region, in Regionalkonferenzen zusammengeschlossene Akteure) ist Subjekt der Planung und Raumentwicklung. Das ist eine enge Definition von Governance – in der Literatur wird Governance häufig auch als das Zusammenspiel von Prozessen und Strukturen der Koordination kollektiven Handelns bezeichnet. Aber ein so weit gefasster Begriff ist wissenschaftlich wertlos (er vereinigt zu Unterschiedliches, das in dieser Summe nicht theoriefähig ist), weshalb die engere Fassung gewählt wurde. Die Governance-Forschung interessiert sich – gleichgültig in welcher Governance-Definition – für enthierarchisierte Formen und Mechanismen der Koordinierung, und dabei für die Regeln, Normen und Werte, die diese Koordination funktionsfähig machen. Hinsichtlich „regional Governance“ ist die Begriffsbestimmung in der Literatur ebenfalls verwirrend vielfältig1 abhängig davon, ob die Prozesse oder die Organisationsformen der Prozesse im Vordergrund stehen, ob die Autoren einen Staat-zentrierten (wie steuert der Staat die Gesellschaft) oder einen Gesellschaftzentrierten Ansatz wählen (wie kann die Gesellschaft an kollektiven Entscheidungen mitwirken), welches theoretische Konzept zugrundegelegt wird (z.B. sozio-kybernetische Betrachtung versus institutionelle Betrachtung) oder was Governance primär leisten soll (z.B. Konflikte regeln, kollektives Handeln ermöglichen, Erwartungssicherheit bringen). Neue Governance-Formen entwickeln sich, wenn die herkömmlichen Verfahren mit neuen Aufgaben nicht mehr ausreichend zurechtkommen oder wenn es für die Akteure vorteilhafter ist, herkömmliche Aufgaben anders als früher zu 1
FÜRST, D., „Regional Governance“, in: BENZ, A., LÜTZ, S., SCHIMANK, U., SIMONIS, G. (Hrsg), Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden, 2007. S.353-365/PIERRE, J., PETERS, B.G., Governance, politics and the state, Houndsmills, 2000; KOOIMAN, J., „Social-political governance. Overview, reflections and design“, Public Management 1, 1999, S.68-69.
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bearbeiten. Beides trifft auf regionaler Ebene zu: Der Standortwettbewerb der Regionen um Kapital und qualifizierte Arbeitskräfte hat im internationalen Maßstab zugenommen; die regionale Wirtschaftsstruktur ist als Folge schneller sich wandelnder Märkte und gesunkener Transaktionskosten der Standortverlagerung volatiler geworden; der Staat zieht sich vom „paternalistischen Wohlfahrtsstaat“ auf den „aktivierenden Gewährleistungsstaat“ zurück; die Strukturpolitik der Europäischen Union (EU) fordert nachdrücklicher die Mobilisierung von Selbsthilfekräften und Partnerschafts-Verfahren in den Regionen; neue regionale Gemeinschaftsaufgaben entstehen, die einzelne Kommunen überfordern (z.B. regionale Wissenschaftspolitik, regionale Arbeitsmarktpolitik, regionale ClusterStrategien, Regionalmarketing), etc. 1.1. Der englische Ursprung Die Thematik der Regional Governance wurde zuerst im englischen Raum diskutiert. Dort ist die regionale Ebene schwach organisiert: Es gibt weder Regionalverbände noch Regierungsbezirke, die regionale Politik koordinieren könnten. Verstärkt durch die europäische Integration und den Ausbau der Europäischen Strukturfonds entwickelten sich in Großbritannien seit Mitte der 90er Jahre Anstrengungen, die Regionsebene strategiefähig zu machen. Die daraus resultierende Debatte um regional Governance2 hatte Rückwirkungen auf die Organisation von Regionen. Als Ansätze wurden in England die Regionalen Entwicklungsagenturen3 gewählt, die Kommunen und Wirtschafts-Akteure in ihre Arbeit integrieren.
2. Was sind typische Merkmale von „regional Governance“? 2.1. Netzwerkartige Selbststeuerung mit unterschiedlichen Handlungslogiken Governance unterscheidet sich von Government dadurch, dass die Prozesse im Vordergrund stehen, während Government sich auf die Steuerungsstrukturen (also Organisationsstrukturen) bezieht. Das Besondere von regional Governance liegt darin, dass es sich um eine regionale Form der Selbststeuerung (im Sinne von Koordination) handelt, die auf Freiwilligkeit beruht, nicht förmlich (und demokratisch) verfasst ist, meist kaum administrative Kapazität besitzt und nicht auf einzelne traditionelle gesellschaftliche Teilsysteme (Politik/Verwaltung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft) beschränkt ist. Oder anders formuliert: verschiedene Handlungslogiken werden vereinigt (Hierarchie/Regulation, Markt/Wettbewerb und Kooperation/Solidarität); institutionelle Grenzziehungen werden überschritten; Problembearbeitung erfolgt über Verhandlungen und Diskurse und die handelnden Akteure kommen meist aus dem exekutiven Bereich (selten: legislativen Bereich).
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RHODES, R.W.A., „The new governance: governing without government“, Political Studies 44, 1996, S.652-667. ROBERTS, P.W., LLOYD,.M.G., „Regional development agencies in England: New strategic regional planning issues?“, Regional Studies 34, 2000, S.75-80.
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Dabei sind die Akteure in der Regel organisiert, d.h. die an der Kooperation Teilnehmenden sind Repräsentanten von Organisationen4. Sie sind folglich nicht völlig frei in ihrem Kooperationsverhalten, sondern bedürfen der Zustimmung ihrer „Heimatorganisation“. Sie müssen dann auf mehreren Ebenen Konsens herstellen (multi-level Governance), mindestens auf der Ebene der regional Governance und auf der Ebene ihrer Heimat-Organisation, wobei innerhalb dieser noch verschiedene Interaktionsebenen bestehen können und die Heimat-Organisation ihrerseits eingebunden sein kann in Verpflichtungen mit anderen. Das heißt: In der Regel sind regionale Kooperationen Interaktionsprozesse im sogenannten Mehrebenenspiel5. In gewisser „heroischer“ Generalisierung lassen sich die wichtigsten Merkmale von regional Governance bestimmen, auch wenn damit die konkreten Formen der Governance-arrangements keineswegs gekennzeichnet sind. Vielmehr sind die konkreten Formen so vielfältig wie es Akteurskonstellationen, Handlungsbedarfe (issues) und situative Rahmenbedingungen gibt, die gemeinsam die konkrete Form der Governance beeinflussen6. Generalisierbare Charakteristika der regional Governance sind das Zusammenspiel von (personalen) Akteuren verschiedener Handlungslogiken auf der Basis von wechselseitigen Abhängigkeiten (auf input- und/oder output-Seite, allerdings sind die Akteure selbst wieder in Organisationen eingebunden (und diesen verpflichtet) und die Produktion von Gemeinschaftsgütern, die mehrere Akteure gemeinsam für wichtig halten. Die Überschreitung der Grenzziehungen und der Verantwortlichkeiten zwischen den Organisationen ist charakteristisch („kollektive Verantwortlichkeit“) und insofern ergänzend zu bestehenden GovernmentStrukturen, um diese zu flexibilisieren und neue Problemlösungsräume zu öffnen. Es handelt sich um selbst-organisierte netzwerkartige Koordinationssysteme; es entwickelt sich zwar Führung aus dem Netzwerk heraus, denn Governance ohne Führung ist kaum denkbar, aber damit verbindet sich keine Hierarchie: Die Konsensbildung erfolgt über Modi des Argumentierens und Verhandelns, nicht der Macht und des Zwanges. Deshalb ist ein wichtiges Bindemittel der Akteure Vertrauen und Sozialkapital (Solidarität), verbunden mit selbstgewählten (ausgehandelten) Regelsystemen, welche die Interaktionen formal kanalisieren, Transaktionskosten senken und die Erwartungssicherheit erhöhen, gleichzeitig aber einen hohen Grad reflexiver Rationalität ermöglichen (Lernprozesse spielen eine große Rolle). Die Sicherung der Ergebnisse erfolgt über Selbstbindung, häufig mit vertraglichen Regelungen. Was ist dabei das spezifisch Regionale? Erstens kann man von regional Governance nur sprechen, wenn die Steuerung losgelöst von Einzelproblemen etabliert wurde, d.h. „über den Tag hinaus“ wirksam bleibt. Sonst würde man eher von „regionalen Arbeitsgruppen“ sprechen. Zweitens kann zwar regional Governance auf einzelne Projekte bezogen sein (was der Praxis entspricht), aber sie muss
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Nicht-organisierte Akteure haben es in Governance-Verbindungen relativ schwer: Sie haben implizit niedrigeren Status (weil ihr Beitrag zu Problembearbeitungsprozessen schwächer ist), sind häufig weniger verlässlich und ähnliches. BENZ, A., „Multi-level Governance“, in: BENZ, A., LÜTZ, S., SCHIMANK, U., SIMONIS, G., op.cit. S.297-310. Cf. SCHARPF, F.W., Interaktionsformen. Akteurszentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, Opladen, 2000.
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auch die Querkoordination zwischen den Projekten bearbeiten können. Andernfalls handelte es sich um „Projektmanagement“ oder „Projektgruppen“. Regional Governance entspricht folglich dem Wandel zum kooperativen Staat und „Verhandlungsstaat“7 und trägt Züge der „Post-Demokratie“, deren Legitimation sich nicht mehr nur an Wahlen und repräsentativen Entscheidungsorganen ausrichtet („inputorientierte“ Legitimation), sondern am gesellschaftlich zufrieden stellenden Ergebnis („output-orientierte“ Legitimation)8. 2.2. Funktionale versus territoriale Governance Regional Governance signalisiert zwar einen die ganze Region überspannenden Steuerungsanspruch. Aber praktisch formieren sich solche schwach-institutionalisierten Steuerungsformen zunächst nur funktional, d.h. problem- und projektbezogen. Deshalb finden wir in der Praxis primär themen-gebundene Governance-Formen, die sich um soziale, ökologische, ökonomische, infrastrukturelle etc. issues organisieren. Das gilt vor allem dort, wo unterschiedliche staatliche Ressorts die Governance-Muster initiierten, z.B. das Wirtschaftsministerium (mit Modellen des Regionalmanagement im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur“ und der EU-Strukturfonds); die Agrarverwaltung (mit Programmen zur Regionalisierung der EU-Fondsmittel, beispielsweise dem „Region aktiv“-Programm); die Wasserverwaltung (mit Programmen zur Entwicklung von Bewirtschaftungsplänen für die Flusseinzugsgebiete nach Art. 13 Wasserrahmenrichtlinie der EU); oder die Umweltverwaltung (mit Maßnahmen zur Förderung der nachhaltigen Regionalentwicklung im Rahmen der Leader+-Initiative der EU). Das hat dann zur Folge, dass sich in einigen ländlichen Räumen mehrere Kooperationsformen regionaler Akteure überlagern. Vielfach gibt es überlappende Mitgliedschaften (weil mehr oder weniger immer dieselben Institutionen herausgefordert werden). Aber das zentrale Problem bleibt: Wie werden solche funktionalen Governance-Muster zu einer regional integrierten (territorialen) Governance verbunden? Der Regionsbezug ist offenbar doch wichtig. 2.3. Regionsbezug ist wichtig Es macht nur dann Sinn, von regional Governance zu sprechen, wenn ein gemeinsamer Regionsbezug in den Köpfen der Akteure existiert. Denn damit entsteht in der Region ein Mindestmass an Zusammenhalt, worauf sich „Gemeinsinn“ beziehen kann, der wiederum kollektives Handeln wesentlich unterstützt und auch die regionalen Politikstile9 formen kann10. Die Verbindung zwischen Region und 7 8 9
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HEINELT, H., „Vom Verwaltungs- zum Verhandlungsstaat“ , in: BLANKE, B., et al. (Hrsg.), Handbuch der Verwaltungsreform, 3. Aufl., Wiesbaden, 2005. S.10-17. CROUCH, C., Post-Democracy, Oxford, 2004. Unter „Politikstil“ versteht man einen „set of persistent paradigms, dominant patterns of actor relationships, and firmly established standard operating procedures being stable over time“, cf. KNODT, M., „Regions in multilevel governance-arrangements : Leadership versus partnership“, in: GROTE, J.R., GBIKPI, B. (Hrsg.), Participatory governance. Political and societal implications, Opladen, 2001, S.186. Cf. RICHARDSON, J., GUSTAFFSON, G., JORDAN, G., „The concept of policy style“, in: RICHARDSON, J. (Hrsg.), Policy styles in Europe, London, 1982, S.1-16.
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regional Governance sind regionale Diskurse und überlappende Mitgliedschaften von Akteuren in unterschiedlichen Regions-relevanten Netzwerken: Regionen sind sozial konstruierte Gebilde, die um so mehr im Bewusstsein der Akteure „Realität“ gewinnen, je häufiger der Regionsbezug „sozial konstruiert“ wird, z.B. über regionale Massenmedien (Zeitungen, Regionalfernsehen), regionale Großprojekte und Events oder über regional relevante Persönlichkeiten11. Solche personellen Vernetzungen und Bindungen an eine Region stellen Potenziale dar, die bei konkreten Aufgaben in zweckgerichteten Netzwerken aktiviert werden können. Zweckgerichtete Netzwerke sind solche, die sich auf konkrete Aufgaben beziehen. Im Gegensatz dazu sind ungerichtete Netzwerke solche, die Vernetzung mehr oder weniger zum Selbstzweck haben (z.B. Rotary-Club, Lions-Club). Ein sehr schönes Beispiel dafür, wie aus ungerichteten Netzwerken zweckgerichtete Netzwerke werden, ist der sogenannte „Lückenschluss der A 31 Meppen/Landesgrenze Niedersachsen-Nordrhein-Westfalen“. Dieses Autobahnteilstück, vom Bund wegen Finanzierungsmängel auf die lange Zukunft verschoben, wurde durch ein Netzwerk regionaler Akteure (Unternehmer, Industrie-und Handelskammern (IHK), Landräte, Landespolitiker etc.) über private Co-Finanzierung in der Prioritätenliste des Bundesverkehrswegeplans nach vorn gerückt. Das war aber nur möglich, weil sich die Akteure aus anderen Vernetzungen kannten und sich für ihre Region engagierten12.
3. Entstehung von regional Governance Neue Governance-Muster werden von den Teilnehmern nur aufgegriffen, wenn sie einen komparativen Handlungsvorteil gegenüber anderen Formen kollektiven Handelns haben. Dass diese Vorteile von den unterschiedlichen Akteuren unterschiedlich gesehen werden, liegt auf der Hand. Für Politiker und Verwaltungsleute liegt der Vorteil darin, flexibler und direkter mit den Betroffenen der Politik zusammenarbeiten zu können; für die nicht-staatlichen und nicht-kommunalen Akteure ist der Vorteil im direkten Zugang zu politischen Entscheidungsstellen zu suchen. Alle schätzen die Informalität, die es möglich macht, Themen und Lösungen zu diskutieren, die nicht sofort dem parteipolitischen Konkurrenzkampf unterworfen werden. Allerdings entwickelt sich regional Governance schwieriger (mit „höheren Transaktionskosten“) als projektbezogene Kooperationen. Sie benötigt folglich begünstigende „political opportunity structures“13. In Deutschland sind das der Wandel zu neo-liberalen Steuerungsparadigmen in der Politik, die zum Rückbau des Wohlfahrtsstaates und zum Aufstieg des Paradigmas des „aktivierenden Staates“ respektive Gewährleistungsstaat führten; der Wandel der regionalen Förderpolitik, die auf dezentral definierte regionale Entwicklungskonzepte setzt14; der Paradigma-Wechsel vom „Standortwettbewerb“ zum „Regionenwettbewerb“, weil 11 12 13 14
Cf. ALLEN, J., MASSEY, D., COCHRANE, A., Rethinking the region, London, 1998, S.9. LAMMERS, E., „Kooperation und Innovation in der Infrastrukturpolitik: Der Lückenschluss der A 31“ , Informationen zur Raumentwicklung 8, 2001, S.514-515. MALONEY, W., SMITH, G., STOKER, G., „Social capital and urban governance: adding a more contextual „Top-down» perspective“, Political Studies 48, 2000, S.809-810. Übrigens maßgebend angeregt durch die Europäische Strukturpolitik seit 1988.
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die moderne Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft ein sehr viel komplexeres Anforderungsprofil an regionale Standorte stellt15; sowie der Vernetzungsbedarf einer arbeitsteilig ausdifferenzierten Gesellschaft unter Innovations- und Anpassungsdruck16. Für die Entwicklung einer konkreten regional Governance lassen sich drei unterschiedliche Phasen unterscheiden: die Initialphase (Akteure zu kollektivem Handeln „an den Tisch zu bringen“), die Planungsphase und die Umsetzungsphase. In der Initialphase kommt es bei bottom-up Initiativen auf „political entrepreneurship“ an: Promotoren müssen ein gemeinsamen Handlungsbedarf identifiziert haben, dafür Unterstützung bei anderen regionalen Akteuren gefunden haben und den Prozessbeginn organisieren. Das ist ein komplizierter Vorgang des „agenda-setting“, bei dem es nicht nur um die Fähigkeit der political entrepreneurs geht, Allianzen zu bilden, sondern bei dem es auch auf das „richtige“ timing und die gute Inszenierung ankommt. Bei von außen an die Region herangetragenen Initiativen (top-down Initiative) sind diese Anfangshürden wesentlich niedriger. Wegen dieser besonderen Hürden (oder „Transaktionskosten“) der bottom-up initiierten regional Governance werden üblicherweise nur solche issues aufgegriffen, die von den herkömmlichen Institutionen nicht qua Kompetenzzuordnung bearbeitet werden. Und selbst unter diesen Themen werden nur solche behandelt, die für die Region „brennend“ sind (und deshalb regionale Akteure mobilisieren lassen) und deren Bearbeitung nicht durch die Akteure allein erfolgen kann (d.h. Akteurs-Interdependenz, bedingt durch gemeinsame Ressourcenabhängigkeit oder gemeinsame Themen-Betroffenheit). In der Planungsphase sind andere Anforderungen wichtiger: den kollektiven Prozess möglichst effektiv zu gestalten, damit das Motivationsniveau der Beteiligten hoch bleibt und brauchbare Ergebnisse erzeugt werden können. In der Umsetzungsphase besteht das Problem darin, die Beteiligten zur Selbstbindung zu verpflichten, Träger für die Projekte zu finden und die Finanzierung zu organisieren. Im Allgemeinen gibt es keine Governance-Form, die eine ganze Region mit allen ihren Gemeinschaftsaufgaben umfassen könnte. Vielmehr gibt es ein Nebeneinander von unterschiedlichen Kooperationsformen mit sehr unterschiedlichen Akteurs-Konstellationen, Aufgaben und Wirkungen. Das ist formal ähnlich der EU-Governance, die von Kohler-Koch und Eising17 als „networked Governance“ und von Knodt18 als komplexes System der Mehrebenen-Governance beschrieben wird. Aber der Vergleich hinkt, denn bei der EU existiert ein gemeinsamer Institutionenbezug: Alle Governance mündet in Entscheidungen, die über die formalen Strukturen von Kommission, Rat und Parlament laufen müssen. Auf Regionalebene ist dieser gemeinsame Institutionenbezug nicht gegeben. Vielmehr haben wir mindestens drei unterschiedliche Bezüge: den sektoralen Bezug, der über Fachverwaltungen läuft; den gebietskörperschaftlichen Bezug, der über die Ge-
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OPPENLÄNDER, K-.H, (Hrsg), Regionen als Wachstumsmotor. Was leisten Cluster für Innovationen?, Ludwigsburg, 2007. BENZ, A., FÜRST, D., KILPER, H., REHFELD, D., Regionalisation. Theory, practice and prospects in Germany, Stockholm, 2000. KOHLER-KOCH, B., EISING, R., The transformation of governance in the European Union, London, 1999. KNODT, M., op.cit. S.178-179.
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meinden (Kreise) abgearbeitet wird und den sozialen Bezug, der über Netzwerke von Akteuren realisiert wird. Das könnte wiederum Zweifel wecken, ob eine spezifische Regionsabgrenzung für kooperatives Handeln überhaupt relevant ist. Einerseits kann dieses Nebeneinander unterschiedlicher Governance-Formen mit unterschiedlichem Projekt- und Regions-Bezug und unterschiedlichen Mitgliedschaften spannungsvoll sein, andererseits ist es aber auch produktiv: Spannungsvoll ist es, weil damit die bestehenden Institutionen zu Anpassungen herausgefordert werden; es entstehen Interferenzen zwischen den netzwerkartigen (Programm)-Kooperationen und den stärker vollzugsorientierten „harten“ Institutionen. Produktiv ist das Nebeneinander, weil es hohe Flexibilität, Problemnähe und Innovationsfähigkeit erzeugt: Neue Akteure werden in die Problembearbeitung integriert, zwischen den unterschiedlichen Ebenen entstehen engere Kommunikationsnetzwerke und generell findet ein Transfer von Wissen und Erfahrungen auf niedrigerem Niveau der Transaktionskosten statt. Andererseits wird es für Aufgaben der Regionalentwicklung als unbefriedigend empfunden, wenn eine Vielzahl von Governance-arrangements unkoordiniert nebeneinander agieren. Sie lösen Bestrebungen aus, die vermuteten Koordinationsdefizite durch einen übergeordneten Koordinationsmodus (z.B. Regionalkonferenzen, regionale Verbandskonstruktionen) zu kompensieren. Aber die Diskussion zu „regional governance“ ist dabei zunehmend skeptisch, ob es dafür einer übergreifenden Governance-Form bedarf oder ob die unterschiedlichen Governance-arrangements nicht bereits über „paradigmatische Steuerung“19 in gleiche Richtung wirken können, zumal sich regional Governance nur im Rahmen bestehender Institutionen entwickeln kann.
4. Einbindung in bestehende Institutionen Offene Formen der regional Governance sind im Grunde nur deshalb möglich, weil sie eingebettet sind in festere institutionelle Strukturen, die Verlässlichkeit sichern. Ob diese unterschiedlichen Governance-Muster zu einem regionalen Government zusammenwachsen, hängt von den Akteuren der Region ab: welche Handlungsorientierung sie gegenüber der Region haben, welchen Wert sie in regionaler Kooperation sehen und ähnliches. Es können sich Lernprozesse der Kooperation entwickeln. In Verbindung mit der von vielen Regionen empfundenen Notwendigkeit, wegen des schärfer gewordenen Regionen-Wettbewerbs eine höhere Strategiefähigkeit (organizing capacity20) gewinnen zu müssen, ist es sogar denkbar, dass Governance-Muster nur Übergangsphänomene sind, die in festere Government-Strukturen münden. Für Deutschland könnte diese Vermutung Bes19 20
FÜRST, D., „Paradigmatische Steuerung in der Regionalplanung“, in: FÜRST, D., LÖB, St., RUDOLPH, A., ZIMMERMANN K. (Hrsg.), Steuerung durch Regionalplanung, Baden-Baden, 2003, S.125-142. VAN DEN BERG, L./BRAUN, E. verstehen unter „organizing capacity“ regionale Selbststeuerungsfähigkeit, die über einen administrativen Kern, strategische Netzwerke zwischen relevanten Akteuren, Leadership, gemeinsame Entwicklungsvorstellungen und politische wie gesellschaftliche Unterstützung für die Selbststeuerung definiert ist, in: VAN DEN BERG, L./ BRAUN, E., „Urban competitiveness, marketing and the need for organising capacity“, Urban Studies 36, 1999.
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tätigung finden. Denn zum einen ist die politische Kultur Deutschlands legalistisch orientiert, d.h. Rechtsnormen und Regelungen bilden das Rückgrat politisch-administrativer Interaktionen. Zum anderen gibt es in einigen Regionen inzwischen Ansätze, die diffusen Governance-Muster zu förmlichen regionalen Steuerungsstrukturen auszubauen (z.B. Region Aachen, Region Braunschweig). Wenn aber regional Governance vom institutionellen Umfeld wesentlich beeinflusst wird – ist dann die Bedingung der „horizontalen Interaktion“, die für Governance typisch sein soll, noch erfüllt? Denn der Einfluss bestehender Institutionen wirkt praktisch wie „externe hierarchische Steuerung“21. Man sollte sich nicht verwirren lassen. Wir haben es hier mit „hierarchischer Kontextsteuerung“ zu tun. Hierarchische Kontext-Steuerung ist etwas anderes als hierarchische Steuerung. Erstere ist als struktureller Rahmen kaum auszuschließen. Letztere wirkt dagegen interventionistisch, d.h. greift in den regionalen Kooperationsprozess zielgerichtet ein.
5. Funktionsweise von regional Governance Governance-Formen folgen im Allgemeinen einer bestimmten Logik, die darauf beruht, dass die Akteure als Persönlichkeiten agieren, freiwillig kooperieren, jederzeit aus dem Governance-Verbund aussteigen können, Governance-Muster auf Konventionen, Traditionen, vereinbarten Regeln basieren und sich im Kontext bestehender Institutionen bewegen müssen. Steuerungsmuster ist der über Verhandlung und Überzeugung gewonnene Konsens, der Selbstbindung erzeugt22. Argumentieren und Verhandeln (arguing and bargaining23), bestimmen die Modi der regional Governance. Offene Machtausübung würde sofort Überlegungen bei einzelnen Mitgliedern auslösen, ob man die Kooperation verlässt, also die exitoption geltend macht. Mit der Zahl der Teilnehmer verdichten sich die Regelsysteme. Regelsysteme haben den Vorzug der Verlässlichkeit, der Vermeidung unerwünschter Verhaltensweisen und der Konfliktregelung (sofern Verhalten gegen die Regeln verstößt). Vor allem der Minderheitenschutz führt in der Regel zu Konsensbildungsregeln, die hohe Konsensanforderungen stellen (z.B. Einstimmigkeitsregeln, Prinzip der „checks-and-balances“, Rückhol-Prinzip, d.h. getroffene Konsense müssen grundsätzlich politisch legitimierten Entscheidungsorganen zur Revision offen stehen). Dabei werden die Regeln ausgehandelt und in der konkreten Anwendung immer mit den situativ wirksamen Interessen abgestimmt: Blinder („bürokratischer“) Regeleinsatz würde die Kooperation empfindlich treffen. Man arrangiert sich lieber. In Abhängigkeit von den Akteuren, der Akteurskonstellation und der Thematik können sich allerdings unterschiedliche „Regime“ kooperativen Handelns herausbilden. Mit „Regime“ werden empirisch vorfindbare 21 22 23
„Hierarchische Steuerung“ bedeutet direktive Steuerung durch Gebote, Verbote und autoritäre Entscheidungen. Cf. JESSOP, B., «The rise of governance and the risks of failure: the case of economic development“, International Social Science Journal, H, 1998, S.155, S.35-36. SARETZKI, T, „Wie unterscheiden sich Argumentieren und Verhandeln? Definitionsprobleme, funktionale Bezüge und strukturelle Differenzen von zwei verschiedenen Kommunikationsmodi“, in: VON PRITTWITZ, V., (Hrsg.), Verhandeln und Argumentieren, Opladen, 1996, S.19-40.
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Governance-Formen bezeichnet, die sich aus einer Vielzahl situativer Einflussfaktoren und historischer Pfadabhängigkeit entwickelt haben. Der Schritt zur Institutionalisierung ist in Governance-Formen meist implizit angelegt: Insbesondere wenn die Akteure primär aus dem politisch-administrativen Raum stammen (was in Deutschland die Regel ist), tritt ein Bedarf der Beteiligten auf, die Interaktionsprozesse stärker zu regeln, nicht zuletzt auch, um sich Angriffen der politischen „Geheimbünde“ zu entziehen. Entsprechend gibt es Unterschiede in Abhängigkeit von der Akteurs-Konstellation: Je stärker die Regime von Kommunalpolitikern bestimmt werden, um so eher werden sie in den üblichen Rechtsformen interkommunalen Handelns institutionalisiert werden (z.B. öffentlich-rechtliche Vereinbarungen, Zweckverbände), bei gleichzeitiger formaler Begrenzung der Kompetenzen. Wenn wirtschaftliche Akteure dominieren, werden eher „weiche“ Organisationsformen mit ausgeprägtem ClubCharakter vorherrschen. Da regional Governance relativ hohe Transaktionskosten erzeugt, neigen Akteure dazu, auf Problemlösungen mit niedrigeren Transaktionskosten auszuweichen. Das begünstigt zum einen ein projektorientiertes Vorgehen zulasten regionaler Entwicklungskonzepte, verstärkt durch die Sektoralisierung der Politik und den Einbezug der Wirtschaft (die primär projektorientiert integriert wird). Zum anderen fördert es die Flucht aus multilateralen Verhandlungen zugunsten bilateraler Absprachen. Aber die Thematik erlaubt vielfach nicht, lediglich bilateral zu kooperieren. Das ist umso mehr der Fall, als Ressourcenknappheit zwingt, die Projekte auf eine breitere Akteurs-Basis zu stellen.
6. Was leisten die Governance-Formen und wo liegen ihre Probleme? Im deutschsprachigen Raum ist durch wissenschaftliche Begleitforschung und staatliche Modellvorhaben in den letzten Jahren ein relativ breites Erfahrungswissen zu regional Governance angesammelt worden24. Es ist hier nicht der Raum, dieses detailliert auszuwerten. Im Folgenden werden daraus jedoch Erfahrungen widergegeben, die auf Grenzen der Leistungsfähigkeit solcher GovernanceFormen verweisen. 6.1. Schwache Konfliktregelungskapazität Netzwerke, die auf Freiwilligkeit und Konsens beruhen, sind in der Regel wenig konfliktfähig. Ihre schwache Konfliktregelungsfähigkeit begünstigt, Entschei24
ADAMASCHEK, B., PRÖHL, M. (Hrsg.), Regionen erfolgreich steuern. Regional Governance – von der kommunalen zur regionalen Strategie, Gütersloh, 2003; BAUER-WOLF, S., PAYER, H., SCHEER, G., Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz. Handbuch für Regionalentwicklung, Wien, New York, 2008; BÖCHER, M. u.a. (Hrsg.), Regional Governance und integrierte ländliche Entwicklung, Wiesbaden, 2007; GEIßENDÖRFER, M., RAHN, Th., STOIBER, M., MAIER, J., SEIBERT, O., Handbuch Erfolgreiches Regionalmanagement, München, 2003; TÖDTLINGSCHÖNHOFER, H., u.a., Governance und Partnerschaft in der Regionalpolitik, Brüssel, 2008: Diese für die EU-Kommission angefertigte von TÖDTLING-SCHÖNHOFER at al Studie fällt aus dieser Liste etwas heraus. Sie befasst sich weniger mit „regional Governance“ als mit der vertikalen Koordination zwischen regionaler und nationaler Ebene bei der Aufstellung der Nationalen Strategischen Rahmenpläne und Operationellen Programme (EU-Strukturfonds) am Beispiel Österreich, Dänemark, Italien, Lettland, Rumänien).
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dungen zulasten Dritter zu treffen. Das wiederum nährt das Bedürfnis vieler Akteure, darauf Einfluss zu nehmen, mit mindestens zwei Konsequenzen: Zum einen formiert sich damit „Politikverflechtung“, d.h. kooperatives Verhalten wird durch Kontrollbedarfe von Akteuren außerhalb der Netzwerke überlagert. Das ist stets bei Akteuren der Fall, die Repräsentanten von Organisationen sind. Deren Heimatorganisation verlangt ein Mindestmaß an Kontrolle darüber, was der Repräsentant in den Governance-Strukturen verhandelt. Zum anderen führt kollektives Handeln dazu, Verantwortlichkeiten zu verwischen (wenn alle gemeinsam verantwortlich sind, fühlt sich keiner verantwortlich). Deshalb muss man bei regional Governance mit einer gewissen Eigendynamik rechnen: Je besser solche Governance-Muster in der Lage sind, an den Institutionen vorbei Probleme zu bearbeiten, desto häufiger werden sie dafür genutzt. Sie entwickeln sich dann immer mehr zu allgemeinen Vorentscheider-Strukturen. Theoretisch lässt sich das nur begrenzen, indem ihnen von vornherein ein klar definiertes Mandat gegeben wird25. Insofern gibt es skeptische Stimmen, die in regional Governance weniger „regionale Selbststeuerung“ sehen denn Strategien, in Regionen schnell, flexibel und treffsicher die Bedingungen für die regionale Wirtschaft so zu verbessern, dass die regionalen Standortqualitäten mindestens den Standards internationaler Regionen-Wettbewerbe entsprechen. Was als regional Governance diskutiert werde, sei lediglich eine Variante des RegionalMarketing und gehe zulasten sozialer und ökologischer Belange26. Tendenziell gilt das auch für die deutschen Fälle der regional Governance. Zwar geht es wesentlich um die regionale Strategiefähigkeit – für die regionale Wettbewerbsfähigkeit wird immer wichtiger, wie gut Regionen in der Lage sind, regionale (kollektive) Strategiefähigkeit zu entwickeln27. Aber faktisch geht damit eine Ökonomisierung der regionalen Selbststeuerung einher. Und viele Autoren zweifeln, ob sich dabei überhaupt so etwas wie Govenance herausbildet28. 6.2. Rekrutierung der Akteure Der Tatbestand, dass es möglicherweise keine offenen und transparenten Verfahren gibt, wer in dieser regional Governance mitwirken soll und darf, verursacht Schwierigkeiten: Nehmen die Akteure durch Selbstrekrutierung oder Kooptation29 daran teil oder werden sie systematisch dafür ausgewählt, und wenn ja: durch wen? Dass sie nicht vom Volk gewählt werden, liegt auf der Hand – sonst würde eine „Nebenveranstaltung“ neben den demokratischen Entscheidungsstrukturen geschaffen. Üblicherweise werden Selbstrekrutierung und Kooptation als Selektionsverfahren genutzt. Das bedeutet: Die integrieren Akteure kommen aus den Führungsetagen von Organisationen oder sind Fachleute – in jedem Fal25 26 27 28 29
Cf. SCHMITTER, P.C., „Participation in governance-arrangement: Is there any reason to expect it will achieve sustainable and innovative policies in a multilevel context?“, in: GROTE, J.R., GBIKPI, B., op.cit. S.61. Cf. LOVERING, J., „Theory led by policy: The inadequacies of the ‘new regionalism’ (illustrated from the case of Wales)“, International Journal of Urban and Regional Research 23, 1999, S. 379-395. VAN DEN BERG, L., BRAUN, E., „Urban competitiveness, marketing and the need for organising capacity“, op.cit., S.5-6, S.987-999. HELLMER, F., FRIESE, C., KOLLROS, H., KRUMBEIN, W., Mythos Netzwerke. Regionale Innovationsprozesse zwischen Kontinuität und Wandel, Berlin, 1999. Das heisst Zuwahl von Mitgliedern durch die Mitglieder.
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le aber gehören sie der Exekutive an, während Mitglieder der Legislative weitgehend außen vor bleiben. Regional Governance agiert folglich tendenziell technokratisch. Wird regional Governance aus der Region selbst entwickelt, also von regionalen Initiatoren bottom up organisiert, so wird primär Kooptation die Selektion bestimmen: Die Initiatoren setzen an einem konkreten Problem an und fordern andere Akteure zur Mitwirkung auf, von denen sie meinen, dass sie am Thema interessiert sind (funktionale Governance mit „handverlesener“ Mitgliedschaft). Wird dagegen das kollektive Handeln von außen eingefordert (z.B. über Förderprogramme), so wird eher ein repräsentatives Verfahren der Akteursauswahl gesucht (territoriale Governance mit repräsentativer Selektion). Auch dann bedarf es sorgfältiger Prüfung der Mitgliedschaften. Denn es ist denkbar, dass eine bestimmte Interessenrichtung durch unterschiedliche Akteure gleichermaßen vertreten wird, so dass sich deren Aktivitäten kumulieren. 6.3. Repräsentative versus „handverlesene“ Akteurskonstellation Der Grundsatz der fachlichen Rekrutierung (Akteure zu wählen, die von der Sache etwas verstehen oder zur Problemlösung etwas beitragen können) konfligiert mit dem Grundsatz der Interessen-Repräsentanz. Die Interessen-Repräsentanz löst besondere Probleme aus: Der Kreis kann schnell sehr groß und durch Interessengegensätze „unregierbar“ werden. Hier sollte nach Schmitter das „minimum threshold principle“ gelten: Nur so viele Repräsentanten sollten einbezogen werden, wie zur Vertretung der Belange unabdingbar ist30. Zudem sollten nur diejenigen mitwirken, die ein begründetes Interesse haben, und dabei sollten diejenigen vorgezogen werden, die regional (statt lokalistisch) orientiert sind31 . Je größer und heterogener der Kreis der Beteiligten ist, um so schwieriger ist die Kooperation und Konsensbildung. In der Regel wird das dadurch abgemildert, dass innerhalb der Gruppe organisatorische Differenzierungen vorgenommen werden (Lenkungsgruppe, Koordinationsgruppe, Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen). Das kann allerdings auch zur internen Hierarchisierung mit unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten der Akteure führen, was die Grundidee der gleichrangigen Beteiligung zumindest mit einem Fragezeichen belegt und den Keim von Konflikten trägt, die das Netzwerk zu sprengen drohen können. Solche latenten Konfliktstrukturen lassen sich nur „bändigen“, wenn zwischen den Akteuren ein hohes Maß an Solidarität, Vertrauen und Kooperationsbereitschaft herrscht32. 6.4. Der personale Faktor Eine Besonderheit der regional Governance ist die personale Vernetzung: Insofern hängt das Zusammenspiel der Akteure auch davon ab, ob die „Chemie“ der Akteure stimmt. Das bedeutet aber auch, dass mit Wechsel von Akteuren die Netzwerkfunktion zusammenbrechen kann, was Governance in der Verlässlichkeit re30 31 32
SCHMITTER, P.C., op.cit. S.63. SCHMITTER, P.C., op.cit. S.64. BADURA, B., u.a. (Hrsg.), Sozialkapital: Grundlagen von Gesundheit und Unternehmenserfolg, Springer, Berlin u.a., 2008.
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duziert. Daraus resultieren häufig Anstöße, Governance stärker zu formalisieren und damit personenunabhängiger zu machen. 6.5. Institutionalisierungszwänge Institutionen-Fragen durchziehen die ganze Diskussion der regional Governance. Das betrifft zum einen die Einbindung der regional governance in den bestehenden Institutionenrahmen, insbesondere in die legitimatorischen Strukturen. Zum anderen sind alle kollektiven Interaktionsbeziehungen Prozessen zunehmender Institutionalisierung ausgesetzt, um die Interaktionen berechenbar, risikoärmer und damit verlässlicher zu machen. Das ist noch mehr der Fall, wenn es um die Umsetzung der ausgehandelten Ergebnisse geht. Denn die Mitwirkenden in den Governance-Formen sind nicht immer auch diejenigen, die über Ressourcen und Institutionen verfügen, um die Ergebnisse umzusetzen. Vielmehr bedarf es dazu eines Prozesses der „Mehrebenen-Governance“, in dem Verhandlungen und Verträge eine Rolle spielen: Die Umsetzungsorganisationen müssen zur Mitwirkung gewonnen werden, Finanzen müssen eingeworben werden und die unterschiedlichen Interessenlagen von planendem Netzwerk und umsetzender Organisation sowie finanzierender Institution müssen koordiniert werden. 6.6. Legitimationsfragen Regional Governance fehlt die förmliche Legitimation, die institutionalisierte Entscheidungsstrukturen (mit oder ohne direkt gewählte Parlamente)33 für sich in Anspruch nehmen können. Das Problem ist zwar in modernen Demokratien nicht neu, weil es zahlreiche Vorentscheiderstrukturen gibt, die letztlich die Entscheidungsmacht der legitimierten Entscheidungsorgane präjudizieren und tendenziell auch aushöhlen können34. Solche Vorentscheiderstrukturen werden nochmals verstärkt durch den Einfluss der EU35 und deren multi-level Governancearrangements36. Die Legitimationsfrage wird häufig „niedrig gehängt“, weil sie hinter der vermeintlichen Effektivität solcher Governance-arrangements als nachrangig gilt. Aber Legitimationsprobleme können Governance-Formen dauerhaft diskreditieren, wenn sich in der öffentlichen Meinung die Vorstellung festsetzt, dass sich darüber Partikularinteressen an den parlamentarischen Strukturen vorbei Vorteile verschaffen oder dass die gesellschaftlichen Belange nicht mehr ausreichend gewichtet berücksichtigt werden, z.B. dass den ökonomischen Belangen weit mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als den ökologischen und sozialen. Insbe33
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In Deutschland sind alle Regionen (oberhalb der Kreisebene, unterhalb der Landesebene) irgendwie institutionell vorgeformt. Die stärkste Prägung geht dabei von der Regionalplanung aus, die in Deutschland flächendeckend eingeführt wurde, aber auch Bezirksregierungen/ Mittelinstanzen formen eine Region. Sofern die Regionen mit politischen Entscheidungsgremien ausgestattet sind, finden sich in Deutschland zwei Varianten: die Delegierten-Versammlung (die Mitglieder der regionalen Entscheidungsorganisation werden von den kreisfreien Städten und Kreisen bestimmt) oder die direkt gewählten Regionalorgane (z.B. in der Region Stuttgart und in der Region Hannover). CROUCH, C., op.cit. Cf. HEINELT, H., „Civic perspectives on a democratic transformation of the EU“, in: GROTE, J.R., GBIKPI, B., op.cit. S.97-120. KNODT, M. op.cit. S.177-196.
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sondere auf der Regionsebene könnte sich eine regionale Steuerungsebene etablieren, die eigene regionale Machtstrukturen ausbildet37 und sich dem Zugriff der gewählten Politiker teilweise entzieht. Legitimation wird in modernen Demokratien sowohl durch die Akzeptanz der Ergebnisse als auch durch die Mitwirkung an den Ergebnissen hergestellt. Man unterscheidet deshalb output-orientierte Legitimation (solange das Ergebnis den Wünschen der Bevölkerung und gesellschaftlichen Gruppen entspricht, wird das Entscheidungssystem toleriert: Government for the people) von input-orientierter Legitimation (wenn die von der Entscheidung Betroffenen an der Entscheidung mitwirken konnten, ist die Entscheidung legitimiert: Government of the people). Faktisch ist die eine Art der Legitimation von der anderen nicht zu trennen: Menschen wollen nicht nur an Entscheidungen mitwirken, sondern auch „gute“ Entscheidungen haben. Deshalb sind moderne Demokratien durch eine Mischung aus demokratischer Mitwirkung sowie Verhandlungssystem unter den „Machern“ ausgezeichnet. Je mehr die Verhandlungssysteme aber von Repräsentanten von Organisationen beherrscht werden – und das ist zwangsläufig so in einer „organizational society“38 –, um so wichtiger wird es dass diese Organisationen selbst demokratisch kontrolliert werden: „Ziel ist es… die Gesellschaft zu politisieren, ihre Organisationsformen von top-down Bürokratien in konstitutionell geordnete, demokratische self-governing Verbände umzuwandeln“39. 6.7. Selektivität der regional Governance Unterschiedliche Formen der regional Governance, die auf Konsens über „arguing and bargaining“ basieren, sind zwangsläufig selektiv bezogen auf Themen und Problemlösungen. Selektivitäten resultieren prinzipiell aus zwei Quellen: Zum einen können Kollektive nur solche Themen aufnehmen, die ihren Fähigkeiten (Kompetenzen) und Kapazitäten entsprechen. Zum anderen werden von ihnen nur solche Lösungen zugelassen, welche mit den verfügbaren Kapazitäten bearbeitet werden können und die Kooperanden wegen unlösbarer Verteilungskonflikte nicht entzweien. Vor allem die begrenzte Konfliktregelungsfähigkeit der freiwillig kooperierenden Akteure wirkt selektiv: Entweder werden deshalb Themen ganz ausgeklammert und/oder so umdefiniert, dass sie weniger Veränderungen auslösen. Oder die Problemlösungen werden auf solche reduziert, die Kompromissmöglichkeiten enthalten. Der zugelassene Problemlösungsraum hängt unter anderem auch davon ab, welche Entscheidungsregeln die Akteure gewählt haben. Werden beispielsweise auch Mehrheitsentscheidungen zugelassen, ist der Handlungsspielraum größer, als wenn Einstimmigkeitsregeln gelten (faktische Vetomacht eines jeden Teilnehmers). Relevant ist auch, wie die Akteurskonstellation und die Handlungsorientierung der Akteure aussehen. Akteurskonstellation bezieht sich auf die Zu37 38 39
VOELZKOW, H., „Inszenierter Korporatismus“: Neue Formen strukturpolitischer Steuerung auf regionaler Ebene“, in: KUJATH, H-J. (Hrsg), Strategien regionaler Stabilisierung. Wirtschaftliche Antworten auf die Internationalisierung des Raumes, Berlin, 1998, S.215-232. HIRST, P, „Democracy and Governance“, in: PIERRE, J., (Hrsg.), Debating Governance. Authority, Steering, and Democracy. Oxford, 2000, S.19-20, S.28-29. Im Original: „The aim is … to ‘politicize’ civil society, to turn its organizations from top-down bureaucracies into constitutionally ordered democratically self-governing associations“, cf. HIRST, P., op.cit., S.28.
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sammensetzung der Akteure nach Interessen, Macht, Ressourcen etc. Handlungsorientierung bezeichnet die Einstellungen und Verhaltensmuster gegenüber der Aufgabe: Werden nur Eigeninteressen verfolgt oder wird den Gemeinschaftsbelangen hohes Gewicht gegeben? Davon zu unterscheiden ist die Interaktionsorientierung, die sich auf das Zusammenspiel der Akteure richtet: Erfolgt es kooperativ oder kompetitiv? – Letztlich geht es dabei darum, wie groß das aufgebaute „Sozialkapital“ ist. Der Problemlösungsraum kann beispielsweise über Vertrauen der Akteure zueinander in die Zukunft ausgedehnt werden. Ist das Vertrauen untereinander groß genug, kann der eine Akteur heute verzichten, dafür ein anderer morgen. Mit der Ausdehnung des Problemlösungsraums in die Zukunft ist der Spielraum für Kompromisse wesentlich größer. Letztlich ist auch einflussreich, wie gut das Konsensmanagement funktioniert – wird ein professioneller externer Moderator eingeschaltet, dürfte in der Regel die Kapazität der Problembearbeitung und der Spielraum für Lösungen weiter gefasst sein. 6.8. Konsensbildung versus Innovationsfähigkeit Konsens spielt zwar bei regional Governance eine große Rolle, kann aber auch die Innovationsfähigkeit der Steuerung einschränken. Denn Konsenszwänge verstärken den Einfluss des „Langsamsten“ und begünstigen tendenziell den status quo. Auch hier kommt es auf das Management der Selbststeuerung an, in welchem Maße diese Effekte durchschlagen40.
Perspektiven für die deutsche regional Governance Für Deutschland ging man lange Zeit davon aus, dass die Notwendigkeit, neue Formen der regional Governance außerhalb der etablierten Institutionen zu schaffen, weniger zwingend sei als etwa in Frankreich und Großbritannien mit schwächerer regionaler Institutionalisierung. Deutsche Regionen sind durch Regionalverbände oder Großkreise einigermaßen gut organisiert – glaubte man. Inzwischen hat sich aber immer deutlicher herausgeschält, dass das regionale Kooperationsgebiet sich ständig ausweitet, jedenfalls häufig die Grenzen der bisherigen Verbände übersteigt – am weitesten bei den 11 deutschen Metropolregionen. Nach innen führen demographischer Wandel und fiskalische Zwänge zu interkommunalen und „public-private“ Kooperationen in zahlreichen Feldern41. Nach außen können Regionen im internationalen Wettbewerb nur „mitmischen“, wenn sie als kollektive Akteure agieren können. Das gilt insbesondere für Metropolregionen. Solche Handlungsformen gehen über projektbezogene Kooperationen hinaus, die nach Erledigung der Projektplanung wieder auseinandergehen. Projektbezogenen Kooperationen können allerdings – bei geeigneter regio-
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FÜRST, D., KNIELING, J., „Innovation und Konsens – ein Widerspruch?“, Raumforschung u. Raumordnung 62, 2004, S.280-289. KERSTING, N., „Interkommunale Kooperation oder Wettbewerb?“, Aus Politik und Zeitgeschichte 21-22, 2006, S.35.
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naler Führung – in regional Governance münden, wenn die Projekte eingebunden werden in regionale Entwicklungskonzepte, d.h. in übergeordnete Leitprojekte42. In Deutschland werden neue Formen der regional governance durch organisatorische Kerne (z.B. Regionalbüro, regionale Entwicklungsgesellschaft) unterstützt. Daraus formieren sich komplexe regionale Steuerungsformen mit einer Kernorganisation, zahlreichen projektbezogenen Netzwerken und übergeordneten regionalen Koordinationsformen (z.B. als Verein oder GmbH). Zunehmend findet dabei der britische Ansatz der regionalen Entwicklungsgesellschaften Interesse. Die Entwicklungsgesellschaft übernimmt faktisch Führungsfunktion: Sie kann Themen aufgreifen, die für die Region wichtig sind, und mobilisiert über diese die Akteure. Sie kann solche Prozesse dauerhaft machen, indem sie die Mitwirkung der relevanten Akteure über Beiräte, Arbeitsgruppen etc. institutionalisiert. Aber sie bleibt unter der Kontrolle demokratisch legitimierter Gremien, meist regionalen Delegiertenversammlungen. Regional Governance ist mehr als ein Modethema. Solche Koordinationsformen werden um so mehr nachgefragt, je fragmentierter und sektoralisierter die gesellschaftlichen Steuerungsformen agieren und folglich immer weniger der zunehmenden Vernetzung der Problemfelder gerecht werden. Regional Governance ist im politisch-administrativen Bereich vergleichbar der Interdisziplinarität im wissenschaftlichen und sektoralen Handeln: Damit können Synergieeffekte erzielt werden, Innovationsfortschritte gemacht werden, Produktivitätsreserven gehoben werden, was in den sektoralisierten Strukturen nicht möglich wäre. Regional Governance wird um so wichtiger, je mehr innovative Lösungen jenseits von Markt und Bürokratie in einer fragmentierten und sektoralisierten Gesellschaft gesucht werden. Regional Governance hat aber noch einen zweiten Aspekt, nämlich den der Selbsthilfe und Selbststeuerung. Deshalb entfaltet sich regional Governance komplementär zum „aktivierenden Gewährleistungsstaat“ und wird um so wichtiger, je weniger der Staat gesellschaftliche Probleme im Alleingang lösen kann. Vor allem für ländliche Räume mit Problemen des demographischen Wandels liegen hier noch unausgeschöpfte Handlungspotenziale43. Im Unterschied zu Staaten wie Frankreich und Großbritannien werden regional Governance-Ansätze aber nur langsam entwickelt, vorwiegend experimentell44. Häufig werden sie zudem von den bestehenden Strukturen (Landkreisen, Kommunalverbänden) wieder „eingefangen“. Dort, wo die regionale Ebene schwächer institutionalisiert ist, entfalten sich regional Governance-Formen unter dem Druck des Regionenwettbewerbs und der EU-Strukturfonds kreativer und kraftvoller45.
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Cf. SIEBEL, W., IBERT, O., MAYER, H-N., „Staatliche Organisation von Innovation: Die Planung des Unplanbaren unter widrigen Umständen durch einen unbegabten Akteur“ , Leviathan 29, 4, 2001, S.526-543. BEETZ, S., „Ländliche Politik im demographischen Wandel“, Aus Politik und Zeitgeschichte 2122.2006, S.25-31; KERSTING, N., op.cit. FÜRST, D., „The role of experimental regionalism in rescaling the German state“, European Planning Studies 14, 2006, S.923-938. Cf. LOUGHLIN, J., „Reconfiguring the state: Trends in territorial governance in European states“, Regional and Federal Studies 17, Nr. 4, 2007, S.385-403.
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GOUVERNANCE RÉGIONALE – QUI A-T-IL DE NOUVEAU ET QUE PROPOSE CETTE APPROCHE ? La gouvernance régionale est une forme de régulation régionale qui intègre les acteurs issus de différentes logiques d’action (marché/concurrence, Etat/hiérarchie, société civile/solidarité) dans des modèles de coopération en réseaux, en vue d’accomplir des tâches communes. Il s’agit d’un arrangement de coordination, faiblement institutionnalisé, basé sur le lien volontaire instauré par des traités et par des règles, et qui est atteignable par des actions communes d’argumentation et de marchandage. Ce qui est nouveau dans ce processus c’est le décalage des perspectives (du centralisme d’Etat à la régulation par soi-même, de l’action fragmentée à l’action intégrée) ; la plus forte perméabilité entre les sphères étatique et privée (la gouvernance régionale comme « concept intermédiaire ») ; le mode des interactions (le pilotage selon un paradigme et la négociation) ; le développement dynamique (la formation de capital social, le renforcement des intérêts de la société, le renforcement de l’interaction intégrante) et le pilotage à travers des idées directrices et des concepts de développement esquissés ensemble. Il est vrai que cette forme de gouvernance est centrée sur le projet mais est aussi incluse dans des représentations de développement régional supérieures, formulées dans la gouvernance régionale. Sa plus-value repose dans le potentiel qu’elle détient de renforcer les capacités de coordination avec des effets de synergie, et dans lesquels elle tente de surmonter les barrières institutionnelles traditionnelles. La base normative de la discussion sur la gouvernance régionale en Allemagne repose dans un premier temps sur l’idéal de démocratie consensuelle, et dans un deuxième temps sur des représentations communautaristes. La réalité de la gouvernance régionale fait encore face à des déficits considérables vis-à-vis de la vision idéale, car elle s’inscrit dans le champ d’action entre les réseaux fonctionnels (centrés sur le projet) et les réseaux territoriaux (centrés sur le territoire), les derniers se rattachant surtout aux acteurs politico-administratifs. L’efficacité de la gouvernance régionale est élevée lorsque les attraits pour la coopération existent et que le capital social dans la région est bien développé. Quand la coopération est conduite de manière professionnelle, il est possible de déclencher des processus d’apprentissage positifs envers la coopération. La gouvernance régionale connait toutefois des problèmes (dominance des acteurs politicoadministratifs, engagement personnel/obstacles à la mise en œuvre des résultats, grande dépendance de la « chimie personnelle », cycles de vie courts etc). Toutefois dans la pratique, le déficit de légitimation est considéré comme faible. Le fait que la gouvernance régionale puisse avancer des résultats qui légitiment son existence est déterminant. Une gouvernance régionale réussie tend vers une institutionnalisation forte, s’approchant d’un noyau organisationnel déjà existant. La discussion et la pratique de la gouvernance ont influencé positivement la culture de la coopération régionale. Cependant elles ont aussi diminué la pression sur les formes d’administration territoriale, car la gouvernance régionale présente d’une certaine façon une solution de rechange.
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REGIONAL GOVERNANCE – WHAT’S NEW ABOUT IT AND WHAT DOES THIS APPROACH PROPOSE? Regional governance is a form of regional regulation that incorporates players from different logics of action (market/competition, state/hierarchy, civil society/solidarity) into network-models of cooperation so thath they can perform joint tasks. It is a structure for coordination which is barely institutionalised and voluntarily bound by treaties and rules, and which is achievable through joint actions of arguing and bargaining. What is new in this process is the shift in perspectives (from state centralism to auto-regulation, from fragmented to integrated action); the highest degree of permeability between the state and private spheres (Regional governance as an "intermediate concept"); inter-action modes (piloting according to a paradigm and negotiation); dynamic development (the formation of social capital, the enhancement of the society’s interests, the strengthening of integrative interaction); and piloting through central themes and development concepts outlined together. It is true that this form of governance is project-focused but it is also included in higher representations of regional development, formulated in regional governance. Its added value lies in the potential it holds to strengthen coordination capacities with synergy effects, in which it tries to overcome traditional institutional barriers. The normative basis for the discussion on regional governance in Germany is based initially on the ideal of consensual democracy, and secondly on communitarian representations. In reality, regional governance still faces huge deficits in relation to the ideal vision, because it falls within the scope of action between functional networks (project-focused) and territorial networks (territory-focused), the latter mainly being linked to politico-administrative players. The effectiveness of regional governance is great when cooperation is attractive and when social capital in the region is well developed. When cooperation is conducted in a professional manner, it is possible to trigger positive learning processes towards cooperation. Regional governance can experience problems however (dominance by politico-administrative players, personal commitment/barriers to the implementation of results, significant dependence on "personal chemistry", short life cycles, etc). However in practice, the lack of legitimacy is considered low. The fact that regional governance can bring about results which justify its existence is crucial. Successful regional governance strives for a strong institutionalisation, coming close to an already existing organisational core. Discussions about and practice of governance have both positively influenced the culture of regional cooperation. But they have also reduced the pressure on the types of local and regional administration, because in some way, regional governance represents an alternative solution.
GOVERNANCE IN DER TRANSNATIONALEN REGIONALPOLITIK BESTANDSAUFNAHME UND PERSPEKTIVEN DER KOOPERATIONSBEZIEHUNGEN IN GRENZÜBERSCHREITENDEN VERFLECHTUNGSRÄUMEN JOACHIM BECK/EDDIE PRADIER „Der Begriff Governance gehört um die Jahrtausendwende zu den Favoriten im Wettbewerb um den Titel des meistgenutzten Begriffes in den Sozialwissenschaften“1. Mit diesem Befund verbindet sich zugleich eine weitere Beobachtung: „Entsprechend unterschiedlich und vielfältig ist … das Verständnis dessen, was denn Gegenstand der Governance-Forschung sein soll“2 . Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Governance-Begriff auch in einem bislang von der Wissenschaft erst relativ wenig aufgearbeiteten Forschungsfeld seinen Einzug gefunden hat: der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa. Daher war es nur folgerichtig, dass der vorliegende Sammelband den Versuch unternimmt, sich neben anderen interessierenden Fragestellungen, auch dem Governance-Begriff sowie seinen empirisch und konzeptionell identifizierbaren Ausprägungen im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu nähern. Der vorliegende Artikel versucht, hierfür einen Beitrag zu leisten und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen soll in einer vergleichenden Perspektive am Beispiel von vier sehr unterschiedlichen grenzüberschreitenden Verflechtungs- bzw. Kooperationsräumen holzschnittartig herausgearbeitet werden, welche Formen von Governance in der grenzüberschreitenden Praxis zu beobachten sind, wie diese Muster charakterisiert werden können und wie deren Funktionalität zu beurteilen ist. Zum anderen in normativer Hinsicht, nämlich unter der Fragestellung, ob und wenn ja welche verallgemeinerbaren Charakteristika von grenzüberschreitender Governance aus dieser Querschnittsanalyse herausgearbeitet werden können, wodurch sich diese von anderen Governance-Ansätzen insbesondere der „regional Governance“ gegebenenfalls unterscheiden und welche Perspektiven sich hieraus für die Konzeption eines holistischen Verständnisses von grenzüberschreitender Governance ableiten lassen. Damit bewegt sich die Fragestellung dieses Beitrags eng an zwei konzeptionellen Ausprägungen des Governance-Begriffs selbst. Nämlich zum einen dem eher normativen Governance-Begriff, wie er etwa im Konzept der „good Governance“ zuerst in der Entwicklungszusammenarbeit seinen Ausdruck gefunden hat3 (was soll Governance leisten und wie muss sie strukturiert sein) und einem eher 1 2 3
BLATTER, J., „Governance als transdisziplinäres Brückenkonzept für die Analyse von Formen und Transformationen politischer Steuerung und Integration“, in: BOGUMIL, J., JANN, W., NULLMEIER, F. (Hrsg.), Politik und Verwaltung, Wiesbaden, 2006, S. 50. GRANDE, E., „Perspektiven der Governance-Forschung: Grundzüge des Forschungsprogramms des Münchner Centrums für Governance-Forschung“, in: GRANDE, E./MAY, S. (Hrsg.), Perspektiven der Governance-Forschung, Baden-Baden, 2009, S. 77. Cf. THEOBALD, Ch., „Zehn Eckpunkte zu Good Governance“, in: KÖNIG, K./ADAM, M. (Hrsg.), Governance als Entwicklungspolitischer Ansatz, Speyer, 2001, S.35 ff
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neutralen, empirischen Begriffsverständnis, wie es insbesondere in den Arbeiten des Autorenkreises um Arthur Benz zugrunde gelegt wurde4 (was sind die Formen und Charakteristika, welche Effektivität und Funktionalität ist gegeben). Was die definitorische Annäherung an den Governance-Begriff anbelangt, so hat Renate Mayntz eine breite Begriffsvariante von Governance vorgelegt: Diese dient der „Bezeichnung der verschiedenen Mechanismen, die in einer Population von Akteuren Ordnung stiften. Dies kann geschehen durch einseitige Anpassung (Markt), Befehl und Gehorsam (Hierarchie), durch Verhandeln in Netzwerken, oder … durch die gemeinsame Orientierung des Handelns an den Normen und Praktiken in einer Gesellschaft“5, wobei es dabei im Sinne einer engeren Begriffsvariante dann letztlich darum geht, verschiedene Formen der „absichtsvollen Regelung kollektiver Sachverhalte“6 zu unterscheiden und zu klären, welches die in Frage stehenden Sachverhalte und welches die regelnden Akteure und ihre Interaktionsmuster sind. In Anlehnung an Fürst7 lassen sich hieraus zwei analytische Differenzierungen ableiten: Zum einen stellt sich die Frage nach dem Verfahren des Zustandekommens kollektiver Regelungen (z.B. Entscheidungsprozesse, Entscheidungsregeln, Politikstile etc.), also um „Governance im engeren Sinne“ als ProzessDimension8 zum anderen diejenige nach den unterschiedlichen Organisationsformen dieses Verfahrens (z.B. klassische Institutionen vs. Netzwerke) also im Sinne einer Abgrenzung von „Government im engeren Sinne“ als Strukturierungsdimension. Ergänzend sollen hier noch zwei weitere Differenzierungen betrachtet werden. So kann eine dritte analytische Dimension entwickelt werden, die insbesondere in den Politikwissenschaften von großer Bedeutung ist, nämlich diejenige von Governance als einer spezifischen Form des Regierens, bei der private korporative Akteure an der Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte mitwirken und die in analytischer Sicht eine Unterscheidung zwischen einer spezifischen Form der nicht-hierarchischen Regelung und dem Zusammenwirken hierarchischer und nicht-hierarchischer bzw. staatlicher und nicht-staatlicher Regelungsformen beinhaltet9. Als vierte Dimension kann schließlich eine Differenzierung des Governance-Begriffs nach unterschiedlichen Ebenen erfolgen, die sich in der vertikalen Perspektive auf die Frage nach den verschiedenen räumlichen Handlungsebenen und in der horizontalen Dimension auf die Typologie der beteiligten Akteure (Staatlich/nicht-staatlich; öffentlich-privat-gesellschaftlich) bezieht, und die damit die Perspektive der sogenannten multi-level-Governance10 integriert. Gemeinsam ist den meisten konzeptionellen Festlegungen von Governance, dass es sich dabei offensichtlich um etwas Komplementäres handelt, das sich in der Regel ergänzend zu den bereits etablierten öffentlichen und/oder privaten 4 5 6 7 8 9 10
Cf. BENZ, A., LÜTZ, S., SCHIMANK, U., SIMONIS, G. (Hrsg.), Handbuch Governance, Theoretische Grundlagen und empitische Anwendungsfelder, Wiesbaden, 2007. MAYNTZ, R., „Governancetheorie: Erkenntnisinteresse und offene Fragen“, in: GRANDE, E./MAY, S., op.cit , S. 9. Ibid. Cf. FÜRST, D., „Regional Governance – Was ist neu an dem Ansatz und was bietet er?“ in diesem Band. BOTZEM, S., HOFMANN, J., QUACK, S., SCHUPPERT, G.F., STRAßHEIM, H. (Hrsg.), Governance als Prozess. Koordinationsformen im Wandel, Baden-Baden, 2009 MAYNTZ, R., op.cit. S. 10 BENZ, A., Politik in Mehrebenensystemen, Wiesbaden, 2009.
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Institutionen und Organisationen entwickelt (hat), sei es weil der gegebene institutionelle Handlungsrahmen für neue Herausforderungen als defizitär betrachtet wird und/oder weil gegebene marktliche oder staatliche Steuerungsmuster um neue Interaktionsformen11 der (gesellschaftlichen) Selbststeuerung komplettiert werden müssen. Für die vorliegende Untersuchung soll angesichts der Komplexität und der großen Vielfalt vorliegender Definitionen ein eigenes, eher einfaches Selbstverständnis von Governance zugrunde gelegt werden. Dieses bezieht sich auf eine komplementäre, vertikal (räumlich/funktionale Handlungsebenen) und horizontal (akteursspezifische Zusammensetzung) ausdifferenzierte Interaktions- und Steuerungsstruktur zur Lösung/Entwicklung kollektiver Probleme/Potenziale, wobei deren Funktionalität/Effektivität durch die in Frage stehenden materiellstrategischen Inhalte (Policy-Dimension) bestimmt wird. Insbesondere das letzte Merkmal, d.h. die sachlich-strategische Dimension von Politik, die bewusst in die Arbeitsdefinition aufgenommen wird, droht in den aktuellen Governance-Ansätzen, die sich zum Teil bewusst von den älteren „Steuerungsansätzen“ und der „Policy-Forschung“ abzugrenzen suchen oder sich bisweilen auf konzeptionelle Begriffs-Innovationen12 konzentrieren, zu verschwinden. Gerade für die Analyse von Kooperationsansätzen, die sich im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bewegen und die durch einen hohen und (was zu zeigen sein wird) sehr voraussetzungsvollen Praxisbezug ausmacht, erscheint es nötig, diese eher klassische Analyse-Dimension gebührend zu berücksichtigen. Inhaltlich basiert der vorliegende Artikel auf den Ergebnissen eine Forschungsvorhabens, das die Autoren im Auftrag der Modellvorhaben der Raumordnung (MORO)-Projektpartnerschaft13 durchgeführt haben14. Im Rahmen der Untersuchung wurden in Form einer Querschnittsanalyse der grenzüberschreitenden Verflechtungsräume Bodensee, Oberrhein, Großregion sowie Euregio Maas-Rhein insbesondere die folgenden sieben Analyse-Dimensionen näher betrachtet: Kontextbedingungen, die übergeordnete räumliche, historische, kulturelle, sozioökonomische und strukturelle Determinanten der jeweiligen grenzüberschreitenden Verflechtungsräume darstellen; die wichtigsten Phasen und Charakteristika in der Genese der Kooperation, ihre Ähnlichkeiten aber eben auch ihre jeweiligen Unterschiede im Sinne teilräumlicher grenzüberschreitender Entwicklungspfade; die Akteursstrukturen und -typologien, die für den jeweiligen grenzüberschreitenden Verflechtungsraum charakteristisch sind, mit dem besonderen Schwerpunkt einer Erfassung des jeweiligen vertikalen (Ebenen-spezifisch) und horizontalen (Sektor-spezifisch) Differenzierungsgrades; die jeweils vorzufindenden Rechts- und Organisationsformen, die Aussagen über das vorfindbare Spektrum, die spezifischen Merkmale sowie die Funktionalität des Organisationsgrads in den grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen er11 12 13 14
Cf. SCHARPF, F.W., Interaktionsformen. Akteurszentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, Wiesbaden, 2006. Wie z.B. „kognitive Deutungsmuster“. Cf. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) MORO-Informationen 5/1: Überregionale Partnerschaften in grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen. Ein MORO Forschungsfeld, Bonn, 2009. Wir bedanken uns bei Rolf WITTENBROCK (Universität des Saarlandes), Claude GENGLER (Stiftung EUROPA), Martin UNFRIED (EIPA) für die aktive Unterstützung bei der Durchführung der empirischen Erhebungen.
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lauben; Inhalte und Ergebnisse der Kooperation, die für die grenzüberschreitenden Verflechtungsräume als konstitutiv gelten können; Stärken und Schwächen der aktuellen Governance in den grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen, auf deren Basis dann schließlich die strategischen Herausforderungen und innovationsorientierten Diskurse herausgearbeitet und bewertet werden können. Auf Basis der aus der Querschnittsanalyse zu den einzelnen Leitfragen gewonnenen Erkenntnisse wird in diesem Beitrag der Versuch unternommen, unter besonderer Berücksichtigung der Dimension der großräumigen Verantwortungsgemeinschaften, perspektivisch Kernelemente und mögliche Varianten eines Soll-Konzepts für die Governance des Raumtypus „grenzüberschreitender Verflechtungsraum“ sowie differenzierte praxisbezogene Anregungen zur zukünftigen Ausgestaltung bzw. Weiterentwicklung der bestehenden Kooperations- und Steuerungsstrukturen in den grenzüberschreitenden Kooperationsräumen Europas zu generieren.
2. Ergebnisse der Querschnittsanalyse Die Ergebnisse der Querschnittsanalyse zu den Kooperations- und GovernanceStrukturen in den vier untersuchten grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen können unter folgenden Punkten zusammengefasst werden. 2.1 Spezifische Kontextbedingungen divergenter polyzentrischer Strukturen Der Vergleich der vier Untersuchungsgebiete verdeutlicht, dass die Eingrenzung dessen, was unter einem „grenzüberschreitenden Verflechtungsraum“ zu verstehen sei, nicht per se gegeben ist. Neben der Fläche, die ein Spektrum von 65.400 km2 (Großregion) bis zu 10.800 km2 (Euregio Maas-Rhein) aufweist, ist auch die Zahl der Einwohner sehr unterschiedlich. Gleiches gilt für die Einwohnerdichte, die Anzahl der einbezogenen Teilgebiete sowie diejenige der beteiligten Staaten und ihrer Charakteristika: So sind am Oberrhein drei, in der Großregion und am Bodensee vier Staaten an der Kooperation beteiligt. Andererseits grenzen am Bodensee lauter föderale Staaten aneinander, während dies am Oberrhein und in der Großregion nicht der Fall ist (letztere wiederum hat einen ganzen Staat, nämlich Luxemburg als Kooperationspartner). Selbst das gemeinsame Merkmal der Polyzentralität ist bei näherer Betrachtung doch sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während am Bodensee Zürich mit über 200.000 Einwohnern mit einem Städtenetz in der Größenordnung um 50.000 Einwohner verbunden ist, weisen die Kernstädte Karlsruhe, Freiburg, Strasbourg, Mulhouse und Basel am Oberrhein eher eine vergleichbare Größenordnung (> 100.000 Einwohner) auf. Das Städtesystem der Großregion wiederum ist durch eine große Vielfalt verschiedenster Größenkategorien charakterisiert, wobei hier das Städtenetz der Oberzentren „Quattropole“15 eine eigene Vernetzungsfunktion aufweist. Mit Aachen und Lüttich finden sich in der Euregio Maas-Rhein wiederum zwei Großstädte mit über 200.000 Einwohnern sowie die Großstadt Maastricht mit über 100.000 Einwohnern. 15
Cf. Webside des Städtenetz „Quattropole“ : http://www.quattropole.org/de/startseite (2.8.2010).
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Unterschiede zeigen sich auch hinsichtlich der kulturellen und sprachlichen Disparitäten. Während diese in der Großregion und am Oberrhein als relativ stark eingestuft werden müssen (in diesen Räumen treffen sehr unterschiedliche Kulturkreise und Verwaltungskulturen aufeinander), ist die Bodenseekooperation dadurch gekennzeichnet, dass es zum einen keine Sprachbarriere gibt und dass zum anderen auch die kulturellen Unterschiede zwischen den Partnern eher gering ausgeprägt sind. Die Situation in der Euregio liegt eher dazwischen: Zwar gibt es auch hier eine größere sprachliche Nähe beteiligter Akteure (Niederländer/Flamen/Deutschsprachige), doch spielen mit den französischsprachigen Partnern (Lüttich) sprachliche und kulturelle Barrieren durchaus eine Rolle. In allen vier Untersuchungsräumen sind die regionalen grenzüberschreitenden Identitäten der Bevölkerung (jenseits denjenigen Bevölkerungsteilen, die, wie etwa Grenzgänger, über eine explizite grenzüberschreitende Lebensorientierung verfügen) relativ schwach ausgeprägt. Auf der Ebene der Akteure der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit lässt sich diese demgegenüber als deutlich stärker ausgeprägt identifizieren, wobei die Bodensee-Region hier mit dem See über ein besonders stark ausgeprägtes grenzüberschreitendes Identifikationsmerkmal verfügt, während dieses der Großregion andererseits aufgrund der Größe der Fläche eher fehlt. In der Euregio Maas-Rhein bietet die gemeinsame Geschichte von belgisch und niederländisch Limburg besondere Anknüpfungspunkte für einen Teilbereich. Insgesamt wirft der Vergleich die Frage nach der optimalen Betriebsgröße eines grenzüberschreitenden Verflechtungsraumes auf. Diese scheint beim Oberrhein und am Bodensee gegeben, während sich bei der Großregion die Frage stellt, ob diese auf Basis der realen internen Verflechtungsstrukturen nicht letztlich zu groß16 und bei der Euregio Rhein-Maas ob diese nicht angesichts der sich räumlich immer stärker ausdifferenzierenden sozioökonomischen Verflechtungen gegebenenfalls zu klein ist. Hier konkurriert die Euregio auch mit anderen weiträumigeren regionalen Netzwerken. 2.2 Vergleichbare Entwicklungsphasen mit unterschiedlichen Finalitäten Alle vier Untersuchungsräume weisen eine lange Tradition der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf. Charakteristisch ist, dass diese in ihrer Basis letztendlich bereits in den frühen 1970er Jahren des letzten Jahrhunderts etabliert wurde, dass diese Form sich bis heute weitgehend erhalten hat, dass aber gleichwohl im Laufe der Jahre sehr spezifische Anpassungen und Entwicklungen erfolgt sind, in denen unterschiedliche Finalitäten der konzeptionellen und praktischen Ausgestaltung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erkennbar werden17. Die erste Phase (späte 1960er bis frühe 1970er Jahre) kann man als administrative Institutionenbildung charakterisieren: Nach der Sammlung erster experimenteller Erfahrungen und dem Aufbau punktueller Beziehungen in den 1960er 16
17
Cf. NIEDERMEYER, M./MOLL, P., „SaarLorLux – Vom Montandreieck zur „Großregion“ ; Chancen und Möglichkeiten einer grenzüberschreitenden Regionalpolitik in Europa“, in: DÖRRENBÄCHER, P., KÜHNE, H.-P., WAGNER, J.-M., 50 Jahre Saarland im Wandel, Saarbrücken, 2007, S. 297 Ähnlich WASSENBERG, B., Vers une eurorégion? La coopération transfrontalière franco-germanosuisse dans l´espace du Rhin supérieur de 1975 à 2000, Bruxelles, 2007.
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Jahren werden in der Großregion (1971) und am Oberrhein (1975) auf Basis entsprechender Staatsverträge offizielle Regierungskommissionen mit teilräumlichen Regionalausschüssen bzw. Regionalkommissionen und entsprechenden thematischen Arbeitsgruppen eingerichtet. Die Euregio gründet sich 1975 in Form einer Stiftung nach niederländischem Recht und in der Bodensee-Region konstituiert sich die Internationale Bodensee-Konferenz (IBK), mit ihrer Konferenz der Regierungschefs und ihren thematischen Kommissionen. Eine zweite Phase kann ab den späten 1980er bis zu den frühen 1990er Jahren in der gouvernementalen Differenzierung gesehen werden: Die Großregion richtet 1986 den Interregionalen Parlamentarier-Rat ein, dem ein Interregionaler Wirtschafts- und Sozialausschuss folgt, am Bodensee bildet sich 1991 der Bodenseerat, die Euregio wird 1995 um den Euregio-Rat erweitert und am Oberrhein wird 1997 der Oberrheinrat gegründet Parallel setzt ab Beginn der 1990er Jahre eine dritte Phase ein, die als projektorientierte Professionalisierung bezeichnet werden kann: Durch die Gemeinschaftsinitiativen Interreg steht nicht nur eine substantielle Finanzierung für konkrete Projekte zur Verfügung, die zu einer quantitativen und qualitativen Ausweitung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit führt, es wird über die europäische Förderpolitik auch ein sehr spezifisches Handlungsmodell eingeführt, das mit Elementen wie Konsultation, Partnerschaftsprinzip, Kofinanzierungsnotwendigkeit, Programmplanung und -begleitung, interne und externe Berichterstattung, Öffentlichkeitsarbeit, Evaluierung etc. – wenngleich mit sehr unterschiedlicher Intensität – direkt die praktische Ausgestaltung der bestehenden Kooperationsansätze in den vier Untersuchungsräumen prägt. Eine vierte Phase, die ab Beginn des Jahres 2000 einsetzt, kann als Ebenenspezifische Differenzierung bezeichnet werden. Diese ist im Falle des Oberrheins, der Großregion sowie der Euregio zum einen durch die seit 2004 beginnende Schaffung von (kommunal getragenen) Eurodistrikten und Städtenetzen gekennzeichnet, im Falle der Bodenseeregion durch die Durchführung eines grenzüberschreitenden Agenda 21-Prozesses, in dem sehr stark insbesondere die kommunale Ebene einbezogen wurde18. Das jüngste Beispiel aus der Euregio Maas-Rhein ist die Absichtserklärung der Städteregion Aachen und Parkstad (einem niederländischen Gemeindeverband) zur Gründung eines Europäischen Verbundes für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ). Parallel setzten in allen vier Regionen in dieser Phase erste Überlegungen zur Weiterentwicklung und Reform der bestehenden Kooperationsstrukturen (Reform Euregio-Rat 200019, Reform Großregion 200520) ein, die bis zum heutigen Tag andauern. Allerdings lässt in der Gesamtschau derzeit nur der Oberrhein eine durchgängige Ebenen-spezifische Differenzierung im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erkennen, bei der es nicht nur institutionell sondern auch aufgabenstrukturell bzw. funktional zu Ansätzen einer vertikalen Arbeitsteilung zwischen (inter-) nationaler (Regierungskommission), gesamträumlicher (Oberrheinkonferenz, Oberrheinrat) und teilräumlicher Ebene (Eurodis18 19 20
Cf. Website des Bodensee Agenda 21: http://www.bodensee-agenda21.net (2.8.2010). Beschluss des Vorstands der Euregio Maas-Rhein vom 13.12.2000 und des Euregiorates vom 31.1.2001 zur Änderung der Grunstatzerklärung und der Geschäftsordnung für die Arbeitsweise des Euregio-Rates. Aktualisierter Notenwechsel vom 23.5.2005 in: NIEDERMEYER, M./MOLL, P., op.cit., S. 302303.
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trikte) einerseits sowie andererseits (im Bereich von gemeinsamen Querschnittsaufgaben) zwischen den vier Eurodistrikten selbst kommt. Die vier Untersuchungsräume stehen stellvertretend für unterschiedliche Handlungslogiken und grenzüberschreitende Kooperationsfinalitäten, die für die Frage einer Strukturierung grenzüberschreitender Verflechtungsräume interessante konzeptionelle Alternativen darstellen21. So folgt die Euregio Maas-Rhein dem klassischen bottom-up Prinzip einer Euregio, bei dem für einen kleineren Kooperationsraum funktionale Lösungsansätze für eine Kooperation im engeren Verflechtungsraum (grenzüberschreitender Nahbereich) entwickelt werden. Die Großregion und auch die Bodensee-Kooperation stehen dem gegenüber für einen größeren raumstrukturellen Verflechtungszusammenhang, bei dem ein stärkeres interregionales Moment gegeben ist, wobei der Unterschied in dem Vorhandensein/Nicht-Vorhandensein eines identitätsstiftenden gemeinsamen Referenzrahmens („Bodensee-Anrainer“) zu sehen ist. Der Oberrhein wiederum kann als ein Kooperationsmodell der vertikalen Vernetzung verschiedener räumlicher Handlungsebenen gesehen werden, mit dem eine Synchronisierung unterschiedlicher räumlicher Reichweiten der grenzüberschreitenden Kooperation angestrebt wird. 2.3. Unterschiedliche Akteursstrukturen bei gleichgelagerter mono-sektorieller Ausrichtung In allen vier Untersuchungsräumen zeigt die Analyse eine sehr starke Dominanz der öffentlichen Akteure. Dies ist ein Charakteristikum, das stellvertretend für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit insgesamt gelten kann22. Dies ist zum einen dadurch erklärbar, dass sich die grenzüberschreitende Kooperation als sogenannte „kleine Außenpolitik“ immer an der Schnittstelle und Kompetenzgrenze verschiedener Staaten bewegt und diese staatliche Ebene daher – in Abhängigkeit der institutionellen Differenzierungen in der jeweiligen Staatsorganisation – per se immer beteiligt ist – sei es als direkter Akteur oder eben indirekt über die allgemeine oder die spezifische Aufsichtsfunktion bzw. über die Finanzierungsfunktion aus in der Regel ministeriellen Handlungsprogrammen. Zum anderen lässt sich historisch nachvollziehen, dass die Initiatoren und Promotoren der Kooperation auch in grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen primär öffentliche Akteure waren und sind, seien es Regional- oder Lokalpolitiker oder Akteure der dekonzentrierten Staatsverwaltung bzw. der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften. Zum anderen bewegt sich in allen vier Kooperationsräumen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit klassischerweise in Themenfeldern, die in den beteiligten Ländern dem Kernbereich öffentlicher Pflicht- oder freiwilliger Aufgaben zuzuordnen sind: Bei der Entwicklung grenzüberschreitender Handlungsansätze etwa in der Raumordnung, im Umweltschutz, beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), in der Bildung, bei der öffentlichen Daseinsvorsorge oder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind zunächst einmal öffentliche Akteu21 22
RICQ, C., Handbook of tranfrontierr cooperation, Council of Europe, Strasbourg, 2006. LANG, S., „Ouvrir la „Black Box“ : Approche de la notion d`acteur de la coopération transfrontalière“, in : WASSENBERG, B. (Hrsg.), Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2010, S. 169-189.
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re zuständig. Schließlich erfordern grenzüberschreitende Projekte, zumal wenn sie durch europäische Programme wie z.B. Interreg gefördert werden, zum Teil substanzielle finanzielle Beteiligungen in Form von nationalen und regionalen Kofinanzierungen. Da die Projektkosten gemäß den einschlägigen Förderkriterien zunächst vollumfänglich vorfinanziert werden müssen, kommen Akteure etwa aus dem gesellschaftlichen Bereich schnell an Grenzen der Leistungsfähigkeit. Direkte Förderungen an private Akteure, wie z.B. Unternehmen sind zudem aufgrund des europäischen Beihilfenrechts und die einschlägigen InterregRichtlinien rechtlich nur sehr schwer möglich. Innerhalb dieses generellen Musters weisen die vier Untersuchungsräume gleichwohl hinsichtlich der Akteursstrukturen einige interessante Varianten auf. So sind z.B. in der Großregion auf der interregionalen Ebene institutionell Akteure der Wirtschafts- und Sozialpartner in Form des Wirtschaft- und Sozialausschuss (WSA) eingebunden – auch wenn der WSA einen rein konsultativen Charakter und damit einen eher eingeschränkten Spielraum hat, und haben zusätzliche formelle Beteiligungsmöglichkeiten über spezifische interregionale Verbandsstrukturen (Gewerkschaftsrat, Industrie- und Handelskammern (IHK) und Handwerkskammern (HWK)). Eine ähnliche Einbindung, die vom Integrationsgrad sogar noch intensiver ausgestaltet ist, findet sich in der Euregio Maas-Rhein: dort besteht innerhalb des Euregio-Rats eine eigene Kammer der gesellschaftlichen Organisationen, zudem werden diese Akteure auch intensiv auf der Ebene der Kommissionen thematisch eingebunden. Ein solcher institutioneller Einbezug auf Entscheider-Ebene lässt sich in den bisherigen Strukturen des Oberrheins und des Bodensees erst im Ansatz erkennen. Die Einbindung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Akteure erfolgt hier in institutioneller Hinsicht eher auf der Arbeitsebene (z.B. Arbeitsgruppen und Expertenausschüsse der Oberrheinkonferenz oder in den Kommissionen der IBK), über eigene (Interreg-) Projektinitiativen der Kammern (z.B. Beratungsnetzwerk der Handwerkskammern, Netzwerk der Euro-Berater der IHK) oder über Eurest-T23 (z.B. Eurest-T Oberrhein). Innerhalb des öffentlichen Akteurssegments wiederum fällt in der Euregio Maas-Rhein ein starkes regionales/kommunales Moment auf, während die kommunale Ebene in die offizielle Kooperation der IBK am Bodensee bislang eher punktuell einbezogen ist. Der Oberrhein und die Großregion wiederum stellen hier eher Kooperationsräume dar, in denen ein Mix von staatlichen und kommunalen Akteuren zu beobachten ist, wobei auf der gesamträumlichen Ebene eher die staatlichen Akteure bzw. Vertreter der regionalen Gebietskörperschaften, auf der teilräumlichen Ebene hingegen eher die kommunalen Akteure dominieren. Die Großregion stellt die Besonderheit dar, dass Luxemburg als eigenständiger Staat in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit involviert ist, wobei die Frage gestellt werden kann, ob sich dies fördernd oder eher hemmend auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auswirkt. Ein weiteres interessantes Differenzierungskriterium innerhalb des öffentlichen Akteurs-Segments ist die Frage nach dem Professionalisierungsgrad in Bezug auf die spezifischen fachlichen Erfordernisse einer effektiven und effizienten 23
EURES-T versteht sich als Kompetenzzentrum für alle Fragen zum grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, für den Oberrhein, cf. Webside http://www.eures-t-oberrhein.eu/ Vorstellung/grenzueberschreitende-arbeitsvermittlung.html (2.2.1010).
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grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Neben den sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen der handelnden Akteure ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob und in welchem Umfang hauptamtliche Akteure an der Kooperation beteiligt sind, ein wichtiger Indikator. Mit diesem kann man messen, wie stark das Handlungsfeld der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit als eigenständiges Politikfeld etabliert bzw. verstetigt ist, oder ob dieses nach wie vor eher ein Dasein „aus zweiter Hand“ führt, d.h. bezüglich seiner Funktionsbedingungen mehr oder weniger vollständig auf Handlungsbeiträge aus dem nationalen Kontext angewiesen ist. Hier zeigt die Vergleichsanalyse starke Unterschiede zwischen den untersuchten grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen. Am auffälligsten ist die Oberrhein-Region, in der in den vergangenen Jahren sowohl auf der Ebene der institutionellen Partner als auch im Rahmen der grenzüberschreitenden Einrichtungen selbst erhebliche Personalkapazitäten aufgebaut wurden: Rund 100 Personen sind auf den unterschiedlichen Ebenen vollamtlich mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit befasst, hinzu kommen nochmals allein in der Oberrheinkonferenz rund 600 Fachexperten, die punktuell aus ihren nationalen Verwaltungen heraus in die Kooperation einbezogen sind. Je weniger sich einerseits sozioökonomische Verflechtungen auch in grenzüberschreitender Hinsicht an administrativen Grenzen orientieren und je bedeutender das kooperative Zusammenwirken von Akteuren unterschiedlicher Sektoren für die territoriale Entwicklung wird, desto stärker stellt sich auch im grenzüberschreitenden Kontext die Frage, inwiefern horizontale Differenzierungen in der Akteursstruktur, wie sie in vielen nationalen metropolitanen Räumen zu beobachten sind24, auch für grenzüberschreitende Verflechtungsräume von erfolgskritischer Bedeutung sind25. Wie die zielgerichtete Mobilisierung und Integration der Handlungspotenziale und -beiträge öffentlicher, gesellschaftlicher und privater Akteure im grenzüberschreitenden Kontext sichergestellt und gegebenenfalls sogar gesteuert werden kann, stellt – auf der Grundlage der Befunde aus der Vergleichsanalyse – eine zentrale Frage der zukunftsgerichteten Governance in grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen dar26. 2.4. Unterschiedliche Organisationsformen für vergleichbare Handlungsziele Hinsichtlich des Organisationsgrads fällt in der Vergleichsanalyse zunächst auf, dass die Institutionalisierung der Regionen auf unterschiedlichen Rechtsformen basiert: Während am Bodensee, am Oberrhein und in der Großregion jenseits der jeweiligen Staatsverträge auf der gesamträumlichen Ebene keine einheitliche Rechtsstruktur besteht und die geschaffenen Einrichtungen hier überwiegend auf multilateralen Vereinbarungen zwischen den Partnern beruhen, verfügt die Euregio Maas-Rhein über eine Rahmenstruktur, eine Stiftung nach niederländischem Recht. Die für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eigens geschaf24 25 26
Cf. LUDWIG, J., MANDEL, K., SCHWIEGER, C., TERIZAKIS, G. (Hrsg.), Metropolregionen in Deutschland. 11 Beispiele für Regional Governance, Baden-Baden, 2009. BECK, J., „Patterns of administrative culture in cross-Border cooperation“, in: BECK, J./ THEDIECK, F. (Hrsg.), The European dimension of administrative culture, Baden-Baden, 2008, S. 179 ff. Cf. KOHLISCH, T., Regional Governance in europäischen Regionen. Eine empirische Analyse der transnationalen Verbünde Großregion/Garnde Région und Oder-Partnerschaft/Partnerstwo-Odra, Berlin, 2008.
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fenen Rechtsinstrumente (Grenzüberschreitender örtlicher Zweckverband (GÖZ) nach dem Karlsruher Abkommen, EVTZ nach Europäischen Unions (EU)-Recht) finden auf der großräumigen Ebene noch keine Anwendung, sondern werden (wenn überhaupt) im teilräumigen Kontext (Eurodistrikte, Einzelprojekte) angewandt. Desweiteren fällt auf, dass sowohl in der Euregio Maas-Rhein, wie auch in der Großregion und am Oberrhein ein im Vergleich zum Bodensee deutlich höherer Formalisierungs- und Institutionalisierungsgrad existiert. Während am Bodensee bewusst auf eine Politik der „Stärke loser Kopplung“ innerhalb dezentraler (sektoraler) Netzwerke gesetzt wird27, dominiert in den anderen drei Regionen eher ein Muster klassischer Institutionenbildung mit einer bewussten Regelung von Geschäftsprozessen und Entscheidungsabläufen. Entsprechend wird von den Akteuren vor Ort in diesen drei Räumen der Formalisierungsgrad als relativ hoch eingeschätzt, während man am Bodensee bewusst die Notwendigkeit informaler Kooperationsbeziehungen sieht und diese auch gezielt befördert. Neben der Organisationsstruktur gibt es auch hinsichtlich der finanziellen Ausstattung erhebliche Unterschiede zwischen den vier Untersuchungsräumen. In allen Regionen spielt das Interreg-Projekt für die Realisierung strategischer Projekte eine wichtige Rolle, allerdings gibt es hinsichtlich der Frage, wie stark dieses auch das materielle Gesamtspektrum der Kooperation determiniert, einige interessante Unterschiedlichkeiten. Da in der Euregio Maas-Rhein beinahe keine Eigenmittel für Projekte bestehen, dominiert Interreg und sein Handlungsmodell die praktische Kooperation, sowie auch die hierauf ausgerichteten Diskurse und Entscheidungsmuster sehr stark. Auch in der Großregion lässt sich ein starker Einfluss von Interreg beobachten, da keines der vielfältigen grenzüberschreitenden Gremien über ein nennenswertes grenzüberschreitendes Aktionsbudget verfügt und daher in der Regel der Problemdruck in den verschiedenen Bereichen an sich nicht ausreicht, um ohne zusätzliche finanzielle Anreize dauerhafte grenzüberschreitende Kooperationen zu entwickeln. Im Gegensatz hierzu definiert sich der Bodensee nicht über das Interreg-Programm sondern will eine eigene Plattform der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit darstellen, die sich dem Interreg-Programm für die Realisierung von dort entwickelten Projektideen bedient. Ein ähnliches eher instrumentelles Verständnis findet sich diesbezüglich auch am Oberrhein. Hier haben die institutionellen Partner der Kooperation teilweise sogar eigene grenzüberschreitende Budgets geschaffen, mit denen kleinere Projekte autonom und sehr flexibel finanziert werden können (die Finanzierung erfolgt hier über fest definierte Schlüssel oder jährliche, auf Bevölkerungszahlen beruhenden Beiträgen): Eurodistrikte, Oberrheinrat, Oberrheinkonferenz und Dreiländer-Kongresse definieren sich nicht primär über das Interreg Programm, sondern stellen jeweils eigene Plattformen der grenzüberschreitenden Politikentwicklung und deren Realisierung dar. Wie am Bodensee werden hier viele Projekte auch außerhalb von Interreg initiiert. Ein für die weitere Reflexion der zukünftigen Ausgestaltung grenzüberschreitender Verflechtungsräume wichtiges Merkmal der untersuchten Kooperationsräume besteht darin, dass in der Gesamtschau der grenzüberschreitende Organi27
Cf. SCHERER, R./SCHNELL, K-D., „Die Stärke schwacher Netzwerke, Entwicklung und aktuelle Situation der grenzüberschreifenden Zusammenarbeit in der Region Bodensee“, in: Jahrbuch des Föderalismus, Baden-Baden, 2002, S. 502 ff
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sationsgrad eher gering ausgeprägt ist. Die Administration und politische Gestaltung der grenzüberschreitenden Angelegenheiten erfolgt in der Regel durch einen sehr starken Rückbezug auf den politisch-administrativen Kontext der beteiligten Partner, wobei die grenzüberschreitende Zusammenarbeit dort primär als eine beim politischen Leitungsbereich angesiedelte Querschnittsaufgabe wahrgenommen wird: diese genießt zwar in der Regel eine hohe politische und strategische Aufmerksamkeit, hat aber in organisatorischer Hinsicht latent das Problem einer funktionellen Verankerung in der fachlich-sektorellen Linie (Fachabteilungen, Fachverwaltungen etc.). Auch in den Fällen, in denen eigene grenzüberschreitende Strukturen und Einrichtungen geschaffen wurden, sind diese hinsichtlich der Effektivität ihrer Arbeit sehr stark auf die Funktionalität der dahinter liegenden inter-institutionellen Netzwerke ihrer Partner angewiesen. Hieraus ergeben sich regelmäßig Herausforderungen im Schnittstellenmanagement und der inter-institutionellen Koordination. Sie unterstreichen das Spannungsfeld zwischen einer expansiven grenzüberschreitender Aufgabenpolitik auf der Ebene der Verflechtungsräume und den systemischen Grenzen einer entsprechenden integrativen, kompetenzbasierten Institutionenbildung. 2.5. Stärken und Schwächen der aktuellen grenzüberschreitenden Kooperationssysteme Die wesentlichen Stärken der untersuchten Kooperationsstrukturen liegen zunächst einmal darin, dass diese jeweils spezifische Antworten auf individuelle Herausforderungen und Handlungsnotwendigkeiten unterschiedlicher räumlicher und politisch-administrativer Ausgangsbedingungen darstellen. In allen vier Untersuchungsräumen haben sich funktionelle Muster der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit entwickelt, die durch eine starke Tradition gekennzeichnet sind, welche wiederum zu eigenständigen Kooperationskulturen geführt hat. Diese Kooperationskulturen sind durch die beteiligten Akteure sowohl verinnerlicht als auch geprägt. Sie sind maßgeblich durch funktionale interinstitutionelle und inter-personelle Netzwerke öffentlicher institutioneller Schlüsselakteure getragen. Sie werden punktuell ergänzt durch Einzelpersönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft. In der Regel sind in diese Kooperationsmuster hochrangige politische und administrative Führungskräfte involviert, die zu einer starken medialen Sichtbarkeit und zur politisch-strategischen Bedeutung beitragen: In allen untersuchten Kooperationsräumen sind die grenzüberschreitenden Angelegenheiten „Chef-Sache“. Dieses Muster wird ergänzt durch eine sehr starke Projekt-Orientierung, die insbesondere mit dem Interreg-Programm an Bedeutung gewonnen hat. Auf dieser Ebene sowie auf der technischen Ebene der Gremien der verschiedenen grenzüberschreitenden Strukturen sind sehr stark Spezialisten einbezogen. Diese bilden eine zweite, komplementäre Ebene, die ebenfalls durch inter-institutionelle und inter-personelle Netzwerkstrukturen charakterisiert ist. Auf beiden Ebenen ist die Kooperation in den vier Untersuchungsräumen sehr stark von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Thematisch ist – wiederum für alle Untersuchungsräume – eine sehr große Breite der innerhalb des Kooperationssystems behandelten Politik- und Themenfelder zu beobachten. Für die einzelnen Themen sind auf der Ebene der Instituti-
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onen in der Regel auf Dauer angelegte Arbeitsstrukturen (Kommissionen, Arbeitsgruppen, Ausschüsse etc.) eingerichtet, die zu einer Verstetigung der Aufgabenwahrnehmung innerhalb des Gesamtsystems führen. Diesen Stärken steht in den vier Untersuchungsräumen andererseits eine Reihe von Schwächen gegenüber, die ebenfalls als charakteristisch für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit insgesamt gelten können. Zusammenfassend lassen sich diese wie folgt skizzieren: Hinsichtlich der Entscheidungsfindung ist hier zunächst das Einstimmigkeitsprinzip zu nennen, das in Kombination mit dem Prinzip der „nationalen“ Delegationen und dem daraus resultierenden „Zwang zur Parität“ tendenziell Innovationen in der grenzüberschreitenden Kooperation bremst. Zudem steht das zumeist praktizierte Rotationsprinzip im Gremienvorsitz der Kontinuität tendenziell entgegen. Es lässt sich ferner eine Tendenz zu Resolutionen statt zu echten Entscheidungen herausarbeiten, was sehr oft ein gewisses Umsetzungsdefizit bewirkt. Geringe Sitzungsfrequenzen auf der Entscheider-Ebene können zudem zu Brüchen in der Verstetigung von Entscheidungsfindungen führen. Zudem lässt sich sehr oft eine relativ geringe Informiertheit über faktische grenzüberschreitende problem- oder potentialbezogene Handlungsbedarfe des grenzüberschreitenden Kontexts beobachten: Projekte entstehen oft eher aufgrund von punktuellen Initiativen einzelner Akteure, denn in Form einer systematischen Umsetzung von Handlungsstrategien. Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Geschäftsprozesse lässt sich generell ein im Vergleich zum nationalen Kontext deutlich höherer Koordinations- und Abstimmungsaufwand beobachten, der – gerade auch in interkultureller Hinsicht – zu einer hohen Komplexität und einer gewissen Eigendynamik der Prozesse führt. Die Arbeit der verschiedenen Institutionen und Gremien ist in der Regel weitgehend entkoppelt, es fehlen gemeinsame, ergebnis- und wirkungsgerichtete Arbeitsprozesse. Da es in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit keinen „Chef“ geben kann, lässt sich ein nicht geringer Mangel an Führung beobachten (die Steuerungs-Option einer Kooperation „im Schatten der Hierarchie“ scheidet aus28). In Verbindung mit relativ geschlossenen Arbeitsstrukturen führt das politisch hoch sensible grenzüberschreitende Geschäft der „kleinen Außenpolitik“ daher oftmals zu einer hohen Informalität aber eben auch Intransparenz der Prozesse. Umgekehrt führt der hohe institutionelle und personelle Rückkopplungs- und Abstimmungsaufwand zu vergleichsweise langwierigen Prozessmustern (es gibt grenzüberschreitend keine einfachen Fragen), wodurch auch eine gewisse Dominanz von Begegnung/Austausch (es müssen immer wieder Akteure und deren institutionelle Hintergründe neu vorgestellt und erläutert werden) statt ergebnisorientierter Sitzungsverläufe in vielen grenzüberschreitenden Konstellationen als charakteristisch gelten muss. Kooperation autonomer Akteure statt integrierter Strukturen und Verfahren sowie punktuelle Projektarbeit statt Verstetigung auf Basis gemeinsamer Ziele führen in Verbindung mit dem Mangel an gemeinsamen effektiven Arbeitsinstrumenten (Terminkalender, Datenbanken etc.) zu einer tendenziell niedrigeren Effizienz, die jeweils durch ein vergleichsweise deutlich höheres personelles Engagement der beteiligten Akteure kompensiert werden muss. 28
Es kann keine grenzüberschreitende Hierarchie geben, was natürlich nicht ausschließt, dass der Schatten der institutionellen Hierarchie aus dem Heimatkontext von Relevanz ist (Principal-Agent-Problematik).
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Neben den oben bereits skizzierten einseitigen „öffentlich-rechtlichen“ Akteursstrukturen weisen auch die Personalstrukturen der beteiligten Partner selbst bisweilen spezifische Schwächen auf. Hier ist immer wieder eine mangelnde Kenntnis und funktionale Kompatibilität der nationalen Partner zu beobachten, der auch mit spezifischen Fortbildungsmaßnahmen nur ansatzweise begegnet werden kann: Sehr oft tritt der „grenzüberschreitende Reflex“ gegenüber einem gewissen „nationalen Tunnelblick“ in den Hintergrund. Dies liegt u.a. auch daran, dass es nur eine sehr geringe horizontale Mobilität auf Ebene der Mitarbeiter gibt. Zudem lässt sich eher eine Dominanz von Einzelpersonen denn ein echtes „regionales Kollektiv“ beobachten. Einschränkungen der direkten Kommunikation ergeben sich insbesondere auf der Ebene der Fachexperten durch die Notwendigkeit der Simultanübersetzung – wobei dieses Problem am Bodensee nicht ins Gewicht fällt. Schließlich liegt eine weitere übergeordnete Schwäche im Bereich der Personalstrukturen in der latenten Tendenz zur Demotivation: Aufgrund der faktisch geringen aufgabenseitigen grenzüberschreitenden Handlungskompetenz, wie sie sich aus den nationalen und europäischen Rechtsordnungen ergeben, ist der reale Gestaltungsspielraum oft eher gering ausgeprägt – dieser muss in der Schnittmenge unterschiedlicher Systeme und Zuständigkeiten in den zu behandelnden Themenfeldern jeweils immer wieder neu erarbeitet und gerechtfertigt werden. 2.6. Aktuelle Diskurse und Reformkonzepte Vor dem Hintergrund der skizzierten Schwächen erstaunt es nicht, dass derzeit in allen vier Untersuchungsräumen intensive Diskurse zur Optimierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geführt und hierzu teilweise auch bereits konkrete Maßnahmen und Projekte implementiert werden. So steht in der Euregio Maas-Rhein derzeit eine stärkere Öffnung zu den staatlichen Akteuren auf der Agenda, in deren Rahmen auch eine Umwandlung der Stiftung in einen EVTZ erörtert wird29. Zudem stellt sich die Frage, wie die bestehende administrative Gebietsabgrenzung noch besser gewandelten, eher großräumigen Kooperationen (z.B. im Bereich der medizinischen Hochschulkooperation) gerecht werden kann. Ferner wird die Idee der Schaffung einer europäischen Experimentierregion mit besonderen Kompetenzmodellen diskutiert und geprüft, wie euregionale Gremienstrukturen und Aufgaben (z.B. Euregio-Rat) zukünftig optimiert werden können, beispielsweise durch die Stärkung fachspezifischer Arbeitsgruppen oder die Entwicklung von strategischen Jahresprogrammen. Hinzu kommt, dass eine künftig engere Kooperation kommunaler Akteure (Städteregion Aachen/Parkstad) das bisherige Governance Modell in der Euregio verändern wird und sich die Frage stellt, wie die Arbeit der Euregio (in der heutigen Stiftungsstruktur) darauf abgestimmt wird. Die Schaffung eines echten Haushalts jenseits von Interreg wird dem gegenüber derzeit nicht ernsthaft verfolgt.
29
Cf. UNFRIED, M., Der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit in der Euregio MaasRhein: rechtliche und politische Chancen und Risiken, Studie für die Euregio Maas-Rhein, Maastricht, 2009.
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In der Großregion steht zum einen die Positionierung der Teilregionen zum Zukunftsbild 202030 auf der Reformagenda. Desweiteren werden unter dem Leitbild einer Großregion der zwei Geschwindigkeiten vereinzelt Diskurse zur territorialen Neugestaltung der Reichweite der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geführt, die immer wieder auch die Frage der Namensgebung aufwerfen. Neben der Reflexion einer Effektivierung der Arbeit des Gipfels der Großregion durch regelmäßigere Arbeitstreffen31 wird insbesondere auch die Schaffung eines eigenen Budgets sowie die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit durch ein gemeinsames ständiges Sekretariat, das von allen Partnern getragen und finanziert wird, aufgeworfen. In diesem Zusammenhang wird derzeit auch die Schaffung eines EVTZ als integrative Trägerstruktur erörtert. Ein Leitprojekt stellt neben Ansätzen der optimierten interkommunalen Vernetzung und des stärkeren Einbezugs der Zivilgesellschaft insbesondere die Schaffung einer Universität der Großregion32 dar.
30 31 32
Das Zukunftsbild 2020 auf der Website der Saarlandes in: http://www.saarland.de/ 12448.htm/(2.8.2010), cf. NIEDERMEYER, M./MOLL, P., op.cit., S. 309-310. Zwar soll der Gipfel ab 2011 nur noch alle zwei Jahre stattfinden, jedoch soll es neben den Gipfeln regelmäßige Treffen der Fachminister (Transport, Umwelt, Forschung, Raumplanung usw.) geben. Cf. Website der Universität der Großregion: http://www.uni-gr.eu/(2.8.2010).
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Am Oberrhein steht derzeit die Verwirklichung der Trinationalen Metropolregion Oberrhein (TMO) im Zentrum der internen und externen Modernisierungsdiskurse. Intern soll die Kooperation zukünftig durch die synergetische Vernetzung der vier Säulen Politik/Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft/Forschung und Zivilgesellschaft optimiert werden, mit der sektorale und horizontale Netzwerke konsequent auf die strategische Entwicklung der vorhandenen grenzüberschreitenden Potenziale ausgerichtet werden33. Zudem werden in relevanten Politikfeldern im Sinne einer vertikalen multi-level-Governance aufgabenstrukturelle Arbeitsteilungen zwischen den Eurodistrikten (interkommunal) und der Gesamtregion (interregional) entwickelt. Jede Säule hat eigene Handlungsstrategien für die Verwirklichung von Leuchtturmprojekten entwickelt, mit denen kritische Massen erreicht werden sollen. Diese führen zu entsprechenden aufgabenkritischen Optimierungen und Vernetzungsansätzen in und zwischen den bestehenden Institutionen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. In der Perspektive der externen Positionierung wurden gezielte Lobby-Strategien gegenüber der Ebene der EU und der Regierungen der beteiligten Nationalstaaten definiert, die bereits zu sehr konkreten externen Unterstützungen geführt haben.
33
Cf. Beitrag des Oberrheins zum „Grünbuch zum territorialen Zusammenhalt – Territoriale Vielfalt als Stärke“ der Europäischen Kommission {SEK(2008) 2550} vom 25.2.2009, Text verfügbar auf der Website der DG REGIO: http://ec.europa.eu/regional_policy/consultation/terco/contrib_en.htm (2.8.2010).
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Dem gegenüber deutet sich am Bodensee zum einen eine bewusste Beibehaltung bzw. Weiterentwicklung der bestehenden informellen, sehr stark auch auf persönlichen und dezentralen Netzwerken beruhenden Kooperationskultur an. Dabei wird allerdings durchaus auf eine Verstärkung der personellen Kapazitäten für die grenzüberschreitende Kooperation in den einzelnen Teilregionen gesetzt und wird thematisiert, wie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Zukunft noch dynamischer und vor allem auch so ausgestaltet werden kann, dass auch konfliktuelle Themen angegangen und effektiv bearbeitet werden können34. Zudem steht die Frage einer noch besseren Integration und Vernetzung auch der kommunalen Ebene auf der Agenda, bei der neben gezielten Projekten (z.B. im Bereich des Regionalmarketing und der Tourismusförderung) auch Fragen der institutionellen Stärkung dieser Ebene thematisiert werden. Die Internationale Bodenseeuniversität stellt nach wie vor ein europäisches Leuchtturmprojekt dar, in deren Rahmen derzeit innovative Ansätze einer interinstitutionellen Verbundforschung konzipiert werden.
34
Cf. SCHERER, R/SCHNELL, K.-D., op.cit.
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3. Perspektiven von grenzüberschreitender Governance Die Vergleichsanalyse zu den vorhandenen Kooperations- und GovernanceStrukturen hat verdeutlicht, dass in den untersuchten grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen insbesondere das Aufeinandertreffen unterschiedlicher politisch-administrativer Systeme und -kulturen zu einer hohen Komplexität und Eigendynamik der Verfahren führt. Die Vernetzung unterschiedlicher nationaler Politikarenen impliziert dabei eine ausgeprägte Mehrebenen-Problematik, bei der gleichwohl in der Gesamtschau die Ebenen-spezifischen Funktionen und Funktionalitäten noch relativ unklar sind35. Zudem besteht insbesondere auf der großräumigen Ebene die Schwierigkeit des Findens grenzüberschreitend anerkannter „Leitfiguren“ zur Initiierung, Förderung und Symbolisierung der grenzüberschreitenden Kooperation. Originäre Handlungskompetenzen einer substanziellen grenzüberschreitenden Politikproduktion (im Sinne von regionaler Selbststeuerung) existieren nicht per se sondern müssen fallweise begründet und jeweils speziell legitimiert werden. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist zwar netzwerkartig aber meist inter-personell und nicht wirklich intermediär. Wichtige Voraussetzungen, die bei regionalen Governance-Ansätzen im nationalen Kontext bestehen, müssen daher systemisch in der grenzüberschreitenden Perspektive erst noch geschaffen werden. Während im nationalen regionalen Kontext Netzwerke aufgrund der losen, intermediären Kopplung ihrer Mitglieder geeignete Steuerungsmodi für eine bedarfs- und potenzialgerechte Regionalentwicklung, die sich anhand funktionaler sozioökonomischer Verflechtungen und nicht nur anhand administrativer Zuständigkeitsverteilungen orientiert, darstellen, ist der grenzüberschreitende Kontext zumindest bislang sehr viel stärker auf öffentlich-rechtliche politisch-administrative Funktionsbedingungen rückverwiesen. Insbesondere die Steuerung großräumiger Verflechtungskontexte weist daher heute noch eher Merkmale eines grenzüberschreitenden Government denn einer Governance im normativen Sinne auf. Die Analyse der vier untersuchten grenzüberschreitenden Kooperationsräume erlaubt des weiteren die Schlussfolgerung, dass die spezifischen Ausprägungen dessen, was man als grenzüberschreitende Governance zu verstehen sucht, sehr stark durch die jeweiligen räumlichen und strukturellen Ausgangsbedingungen sowie die daraus resultierende Genese einer jeweils spezifischen Kooperationskultur determiniert ist. So wie es sehr schwer möglich ist, im nationalen Kontext das eine Standard-Modell einer regionalen oder sektoralen Governance zu identifizieren36, ist es kaum möglich, ein einheitliches empirisches Muster herauszuarbeiten, das ein normatives Soll-Konzept grenzüberschreitender Governance begründen könnte. Was allerdings identifizierbar ist – und dies ist eine erste Schlussfolgerung der Analyse – sind gemeinsame Merkmale der grenzüberschreitenden Kooperation, die sich aus der Querschnittsanalyse der untersuchten Fallbeispiele herausarbei35 36
Cf. BECK, J., „La coopération transfrontalière, objet de recherche interdisciplinaire : Quelques réflexions sur un programme de travail scientifique“, in : WASSENBERG, B. (Hrsg.), Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, op.cit., S. 37 ff. Zur großen institutionellen und funktionalen Vielfalt der deutschen Metropolregionen siehe: LUDWIG, J., MANDEL, K., SCHWIEGER, C., TERIZAKIS, G. (Hrsg.), Metropolregionen in Deutschland, op.cit.
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ten und die sich als konstitutive Basis-Komponenten grenzüberschreitender Governance interpretieren lassen, und mit denen zugleich die Spezifika der entsprechenden Funktionsbedingungen erklärt werden können. Vier konstitutive Merkmale erscheinen in diesem Zusammenhang maßgeblich. Das erste Merkmal besteht darin, dass grenzüberschreitende Governance zunächst einmal immer eine territoriale Dimension aufweist37. Die zu beobachtenden Kooperations- und Koordinationsprozesse konstituieren sich innerhalb eines räumlichen Parameters, der die Gebiete zweier oder mehrerer an einander grenzender Länder umfasst. Die jeweils gegebene grenzüberschreitende Raumstruktur (z.B. Vorhandensein natürlicher Grenzen, Besiedelungsdichte, sozioökonomischer Verflechtungsgrad, Polyzentralität)38 sowie die daraus resultierenden Herausforderungen hinsichtlich der Produktion abgestimmter räumlicher Lösungsansätze (Entwicklung gegebener Potenziale, Schaffung infrastruktureller Voraussetzungen, Ausgleich von teilräumlichen Funktionen etc.) bilden sowohl den Anlass als auch den Rahmen für diese Form der Kooperation39. Charakteristisch ist dabei sowohl der starke Bezug auf politisch-administrative Grenzen als auch das Vorhandensein sozioökonomischer spill-over Effekte, die diese Grenzen überschreiten. Hieraus resultiert das Spannungsfeld und die Herausforderung, den räumlichen Parameter der Kooperation an die Reichweite und die inhaltlichen Bezüge der verschiedenen funktionellen Verflechtungsgrade anzupassen sowie die hierfür maßgeblichen territorialen Akteursstrukturen im Sinne eines „regionalen Kollektivs“40 zu mobilisieren und intermediär zu vernetzen. Insofern weißt grenzüberschreitende Governance durchaus starke Bezüge zu den Herausforderungen einer klassischen „regional Governance“41 auf. Das zweite Merkmal von grenzüberschreitender Governance besteht darin, dass diese regional Governance sich in einem Kontext bewegt, der die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Staaten betrifft. Die transnationale Dimension der grenzüberschreitenden Governance ist insofern ein spezifisches Charakteristikum, das ganz wesentlich zur Erklärung der spezifischen Funktionen und Funktionalitäten dieses Kooperationsansatzes beiträgt. Anders als die „klassische“ regional Governance ist grenzüberschreitende Governance dadurch gekennzeichnet, dass hier Entscheidungsarenen unterschiedlicher politisch-administrativer Systeme mit einander verbunden sind. Die daraus resultierenden grenzüberschreitenden Verhandlungssysteme sind durch eine – im Vergleich zur nationalen regional Governance – deutlich stärkere Principal-Agent Problematik gekennzeichnet. Hier geht es nicht nur um das Aufeinandertreffen bzw. die funktionale Koordination unterschiedlicher System-Merkmale, sondern um die jeweils spezifische Herausforderung der Rückvermittlung und damit der Möglichkeiten und Grenzen der funktionalen „embeddedness“ eines grenzüberschreitenden territorialen Sub-
37 38 39 40 41
CASTEIGTS, M., „La mise en cohérence des politiques publiques en territoire transfrontalier“, in : WASSENBERG, B. (Hrsg.), Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume 1) : les régions frontalières françaises, op.cit., S. 307-321. Cf. RICQ, C., op.cit., S.18 ff. Cf. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) MORO-Informationen 5/1, op.cit. Cf. FÜRST, D., „Regional Governance – Was ist neu an dem Ansatz und was bietet er?“, op.cit. KLEINFELD, R., PLAMPER, H., HUBER, A. (Hrsg.), Regional Governance. Band 2. Steuerung, Koordination und Kommunikation in regionalen Netzwerken als neue Form des Regierens, Göttingen, 2006.
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Systems42 in seine jeweiligen konstitutiven nationalen politisch-administrativen Systeme. Hinzu kommt die interkulturelle Vermittlungs- und Verständigungsfunktion, die ebenfalls eng mit der transnationalen Dimension grenzüberschreitender Governance verbunden ist. Diese bezieht sich nicht nur auf die interpersonellen sondern eben auch auf die inter-institutionellen Komponenten des grenzüberschreitenden Verhandlungssystems und schließt die prinzipiell offene Frage nach der Kompatibilität divergenter europäischer Verwaltungskulturen43 explizit mit ein. Schließlich können Merkmale wie Konsensprinzip, Delegationsprinzip, die Nicht-Verfügbarkeit hierarchischer Konfliktlösungsoptionen, das Rotationsprinzip im Gremienvorsitz, die Tendenz zur Entscheidungsvertagung oder das strukturelle Implementierungsproblem ebenfalls durch diese transnationale Dimension erklärt werden. Grenzüberschreitende Governance teilt damit offensichtlich auch weitgehend jene generellen Merkmale, die in der internationalen Regime-Forschung hinsichtlich der Funktionalität transnationaler Verhandlungssysteme herausgearbeitet wurden44. Das dritte konstitutive Merkmal von grenzüberschreitender Governance kann in ihrer europäischen Dimension45 gesehen werden. Zwar weisen auch nationale Muster einer regional governance in der Regel europäische Bezüge auf, insbesondere wenn es dabei um Fragen der externen regionalen Positionierung und/oder der Nutzung entsprechender Förderprogramme geht. Grenzüberschreitende Governance ist von ihrem Charakter und von ihren Finalitäten her jedoch vergleichsweise sehr viel stärker auf diese europäische Dimension bezogen. So erfüllt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im europäischen Kontext zum einen eine spezifische horizontale Integrationsfunktion46 – und zwar nicht nur in den politischen Diskursen der handelnden Akteure vor Ort, sondern auch und gerade in den Zielsetzungen der europäischen Politiken und Institutionen: das „Zusammenwachsen Europas an den Grenzen der Mitgliedstaaten“ , das „Europa der Bürger“, die „territoriale Kohäsion“ oder die „Europäische Nachbarschaftspolitik“ sind Konzepte, die sich unmittelbar auf die europäische Dimension der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beziehen47. Damit wird die grenzüberschreitende Zusammenarbeit perspektivisch als eigene Handlungsebe-
42 43 44
45 46 47
Cf. FREY, R., „Regional Governance zur Selbststeuerung territorialer Subsysteme“, Informationen zur Raumentwicklung, Heft 8/9.2003, S. 451 ff. Cf. BECK, J./THEDIECK, F. (Hrsg.), op.cit. Cf. HASENCLECER, A., MAYER, P., RITTBERGER, V., Theories of International Regimes, Cambridge, 1997; MÜLLER, H., Die Chance der Kooperation. Regime in den internationalen Beziehungen, Darmstadt, 1993; KOHLER-KOCH, B. (Hrsg), Regime in den internationalen Beziehungen, Baden-Baden, 1989; EFINGER, M., RITTBERGER, V., WOLF, K.D., ZÜRN, M., „Internationale Regime und internationale Politik“, in: RITTBERGER, V. (Hrsg.), Theorien der Internationalen Beziehungen: Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven, (PVS Sonderheft 21), Opladen, 1990, S.263-285. LAMBERTZ, K.-H. (Hrsg.), Die Grenzregionen als Labor und Motor kontinentaler Entwicklungen in Europa. Berichte und Dokumente des Europarates sowie Reden zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa, Zürich/Baden-Baden, 2010. Cf. SCHWOK, R., Théories de l´intégration européenne, Paris, 2005, S. 123 ff. Die wird u.a. auch dadurch verdeutlicht, dass lediglich 7 % der EU-Bevölkerung grenzüberschreitende mobil ist, dass aber über 80% dieser Mobilität in den europäischen Grenzregionen stattfindet. Zu den diesbezüglichen Funktionen von Grenzregionen im Einzelnen siehe: BECK, J., THEVENET, A., WETZEL, C. (Hrsg.), Europa ohne Grenzen – 15 Jahre gelebte Wirklichkeit am Oberrhein , Zürich/Baden-Baden, 2009, S.3 ff.
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ne im europäischen Mehrebenen-Kontext48 konstituiert. Hinzu kommt die (sektorale) Laborfunktion, die grenzüberschreitende Gebiete für die europäische Integration haben: In all jenen Politikfeldern, die entweder nicht auf europäischer Ebene harmonisiert oder in denen europäische Regulierungen auf der Ebene der Mitgliedstaaten unterschiedlich implementiert sind, müssen angepasste grenzüberschreitende Lösungen als Antworten auf reale horizontale Verflechtungsprobleme entwickelt werden. Diese stellen vielfach eigene Innovationsperspektiven einer grenzüberschreitenden europäischen Meso-Ebene dar. Hinzu kommt, dass mit dem Interreg-Programm und seinen charakteristischen FunktionsPrinzipien die grenzüberschreitende Governance sehr stark durch ein externes, auf der europäischen Ebene konzipiertes Handlungsmodell strukturiert wird. Dieses Handlungsmodell prägt die Kooperation in der Regel sehr viel stärker, als dies im nationalen Kontext der Fall ist, in dem im Zweifel auch auf andere als europäische Finanzierungs- und/oder Programmlogiken zurückgegriffen werden kann. Schließlich erfährt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und damit auch ihre Governance eine besonders starke Prägung durch spezifische Strukturierungsansätze der europäischen Ebene, so etwa auf der instrumentellen, verfahrensseitigen und/oder der regulierenden Ebene, welche in der bi- bzw. multilateralen Konstellation einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Akteuren aus verschiedenen europäischen Ländern einen vergleichsweise hohen Einfluss hat49. Das vierte Merkmal von grenzüberschreitender Governance kann schließlich in der sachlich-strategischen Dimension gesehen werden. Die grenzüberschreitenden Angelegenheiten stellen auf der Sachebene keineswegs ein eigenes Politikfeld dar sondern beinhalten mehr oder weniger integrierte Kooperationsansätze in und zwischen unterschiedlichen Politikfeldern. Der Charakter dieser einzelnen regulativen distributiven, redistributiven, allokativen oder innovations- bzw. produktionsbezogenen policies50 prägt nicht nur die jeweiligen Akteurskonstellationen und den entsprechenden Politisierungsgrad der in Frage stehenden Sachfragen, er bestimmt auch ganz entscheidend die unterschiedlichen Institutionalisierungsbedarfe der hierfür notwendigen Governance-Strukturen51. Diese variieren von Politikfeld zu Politikfeld zum Teil erheblich und erschweren damit die Funktionalität und praktische Ausgestaltung einer übergeordneten, auf die territoriale Gesamtsteuerung bezogenen grenzüberschreitenden Governance. Die Komplexität einer solchen hoch voraussetzungsvollen Governance wird dadurch erhöht, dass der in Frage stehende (variable) Policy-Typus auch die Interessen und Handlungsstrategien der beteiligten Akteure direkt beeinflusst und damit den Interaktionsstil, die angewandten Entscheidungsregeln sowie letztlich die Effizienz der grenzüberschreitenden Problemlösungsmuster maßgeblich prägt. 48 49
50
51
Cf. BENZ, A., Politik in Mehrebenensystemen, op.cit., S. 134 ff. Als Beispiel kann die EU-Verordnung zum EVTZ betrachtet werden, die – unabhängig von der materiellen Notwendigkeit – in vielen Grenzregionen einen relativ starken „RegulationsSchub“ der grenzüberschreitenden Kooperation verursacht und damit unmittelbare Konsequenzen für die Ausgestaltung von grenzüberschreitenden Governance-Regimen hat. WINDHOFF-HERITIER, A., Policy-Analyse. Eine Einführung, Frankfurt/Main, 1990; WINDHOFF-HERITIER, A. (Hrsg.), Policy-Analyse. Kritik und Neuorientierung, (PVS Sonderheft 24), Opladen 1993; JANN, W., „Praktische Fragen und theoretische Antworten: 50 Jahre PolicyAnalyse und Verwaltungsforschung“, PVS (2009) 50, S. 476–505. Siehe bereits BECK, J., Netzwerke in der transnationalen Regionalpolitik – Rahmenbedingungen, Funktionsweise, Folgen, Baden-Baden, 1997, S.279 ff.
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Der Unterschied zu den Funktionalitäten von Kooperationsmustern, die innerhalb eines einheitlichen institutionellen Systemkontexts stattfinden52, können darin gesehen werden, dass die systemischen Bestimmungsfaktoren und damit auch die Schnittmengen für Akteursqualitäten, Entscheidungskompetenzen, Handlungsressourcen und die Synchronisierung strategischer Interessen im grenzüberschreitenden Kontext hierbei von Politikfeld zu Politikfeld sehr stark variieren können. Handlungskonstellationen und -logiken, die im einzelstaatlichen Kontext evident und damit im Sinne einer „sozialen Investition“ konstruktiv gestaltbar sind53, führen dabei in der Perspektive einer grenzüberschreitenden Governance zu völlig anders gelagerten Interaktionsmustern und Entscheidungsstilen, die zur Erklärung der spezifischen Kooperationskultur herangezogen werden können. Diese ist durch eine sehr viel höhere Komplexität und Eigendynamik der in Frage stehenden Prozesse bei gleichzeitig tendenzieller Entkoppelung von sachbezogener und interessengeleiteter Interaktion gekennzeichnet. Hinzu kommt, dass im Gegensatz zu nationalen und internationalen Mustern der Konfliktregelung, bei denen Koppelgeschäfte und bewusste Kooperationen im Bereich des spieltheoretischen Kaldor-Optimum relativ einfach möglich sind54, dies im grenzüberschreitenden Kontext eher nur schwer möglich ist. Zwar bietet die Breite der behandelten Themen im Prinzip eine gute Voraussetzung für Koppelgeschäfte: Aufgrund der geringen Bindungswirkung von grenzüberschreitenden Entscheidungen und der hoch-komplexen Verschachtelung von thematischen und sachpolitischen Entscheidungsarenen, gepaart mit dem sehr geringen originären Kompetenzprofil der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, sind Koppelgeschäfte, vor allem aber die sachlogische „Hochzonung“ konfliktueller Themen auf höhere Entscheidungsebenen jedoch sehr erschwert. Das Dilemma besteht darin, dass es grenzüberschreitend keine Hierarchie gibt und dass die komplementäre Kooperation auf der zwischenstaatlichen Ebene anderen Funktionslogiken folgt55 (siehe transnationale Dimension). Damit ist die Funktionalität der grenzüberschreitenden Governance in diesen Bereichen eingeschränkt und es dominieren in solchen Fällen eher Muster der negativen Koordination. Das besondere Unterscheidungsmerkmal von grenzüberschreitender Governance besteht darin, die Interdependenzen zwischen diesen vier konstitutiven Dimensionen in einem Gleichgewicht zu halten. Ein holistisches Verständnis grenzüberschreitender Governance ist daher sehr viel komplexer und voraussetzungsvoller, als dies im regionalen, nationalen oder internationalen Kontext der Fall ist. Das folgende Schaubild fast die vier konstitutiven Dimensionen einer grenzüberschreitenden Governance zusammen.
52 53 54
55
BENZ, A., SCHARPF, F.W., ZINTL, R., Horizontale Politikverflechtung. Zur Theorie von Verhandlungssystemen, Frankfurt/Main, 1992. BECK, D., Sozialpsychologie kollektiver Entscheidungen, Wiesbaden, 2001, S. 297 ff. Das Kaldor-Optimum ist dann errreicht, wenn eine Politikmassnahme für mindestens ein Individuum eine Verbesserung bringt und die Verlierer durch die Gewinner kompensiert werden könnten, cf. z.B. SCHARPF, F.W., Interaktionsformen. Akteurszentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, Wiesbaden, 2006, S. 123 ff. LAMASSOURE, A., Les Relations Transfrontalières des Collectivités locales francaises, Rapport, Paris, 2005, spricht in diesem Zusammenhang von der „Grauzone“ der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit: die Dimensionen der behandelten Sachfragen sind für den Zuständigkeitsbereich der lokalen/regionalen Akteure vielfach zu „groß“, für die Nationalstatten hingegen, eben weil diese sich nur auf Teilausschnitte des eigenen Territoriums bezieht, zu „klein“.
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Ein zweites charakteristisches Merkmal grenzüberschreitender Governance kann darin gesehen werden, dass diese sich auf unterschiedliche funktionale Ebenen beziehen kann. Idealtypisch lassen sich sechs Funktionsebenen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit identifizieren, die in der Praxis – im Sinne eines Kernprozesses – sehr oft sequenziell im Sinne unterschiedlicher Entwicklungsstufen auf einander aufbauen. Als Basisfunktion der grenzüberschreitenden Governance kann die Begegnung zwischen Akteuren aus unterschiedlichen nationalen politisch-administrativen Kontexten betrachtet werden. Auf dieser Ebene stehen die Aspekte des gegenseitigen Kennenlernens sowie des Austausches über die jeweiligen Spezifika des Heimatkontextes im Vordergrund. Gegenseitige Begegnung befördert gegenseitiges Verständnis und bildet damit die Grundlage für den Aufbau vertrauensvoller gegenseitiger Beziehungen. Auf dieser Basis können die Partner dann auf die zweite Stufe eintreten, welche durch eine regelmäßige gegenseitige Information gekennzeichnet ist. Sind die informativen Beziehungen tragfähig, führen diese in einem dritten Schritt zur grenzüberschreitenden Koordination der jeweiligen Handlungen und Politikansätze der beteiligten Partner. Hieraus wächst dann auf einer vierten Ebene der Bedarf, gemeinsame grenzüberschreitende Planungen und Strategien zu entwickeln, die ein abgestimmtes, integriertes Vorgehen in relevanten Handlungsfeldern (Problemlösung und Potenzialentwicklung) sicherstellen können. Darauf aufbauend können gemeinsame Entscheidungen getroffen werden, die schließlich auf einer sechsten Ebene zu einer integrierten, grenzüberschreitend abgestimmten und gemeinsam getragenen Umsetzung von Programmen und Projekten führen. Das Modell der sechs auf einander aufbauenden grenzüberschreitenden Funktionsebenen steht zum einen für die empirische Beobachtung, dass die Intensität, die Verbindlichkeit sowie die Integration der Kooperation über die einzelnen Stufen hinweg wachsen. Jede Stufe für sich stellt dabei eine notwendige und legitime Dimension der grenzüberschreitenden Governance dar. Zum anderen trägt
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es der praktischen Notwendigkeit Rechnung, dass das Spektrum der beteiligten Akteure über die einzelnen Stufen hinweg tendenziell ab-, der Institutionalisierungsbedarf hingegen tendenziell zunimmt. Damit lassen sich die sechs Stufen in einen Zusammenhang mit drei sich überlappenden Interaktionstypologien bringen: die ersten beiden Stufen stellen primär eine Diskursebene, die folgenden Stufen eher eine Strukturierungs- bzw. Handlungsebene dar. Charakteristisch ist dabei, dass die Genese der Kooperationsstrukturen aus historischer Sicht diese verschiedenen Stufen durchlaufen hat, dass sich die verschiedenen Ebenen aber in der Praxis der inter-institutionellen Zusammenarbeit – in Abhängigkeit der in Frage stehenden Sachthemen – sehr häufig interaktiv vermischen. Neue Themen und Projekte durchlaufen hingegen das Stufenmodell eher sequenziell. Wenn also von einer ganzheitlichen grenzüberschreitenden Governance gesprochen werden soll, müssten die unterschiedlichen Funktionsebenen dieser Governance insgesamt erfasst und nach den vielfältigen sachlichen, sektoralen, akteursspezifischen und/oder thematischen Bezügen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit differenziert bewertet werden. Eine empirisch belastbare grenzüberschreitende Governance liegt demnach nur vor, wenn alle Funktionsebenen in allen in Frage stehenden Bezugsebenen zumindest im Ansatz verwirklicht sind. Dass gerade bei den beiden Funktionen „Entscheidung“ und „Umsetzung“ vielfach noch empirische Defizite zu beobachten sind, verdeutlicht die Herausforderungen hinsichtlich der Verwirklichung einer integrierten grenzüberschreitenden Governance. Das folgende Schaubild fasst das funktionale Stufenmodell der grenzüberschreitenden Governance zusammen.
Aus der Zusammenführung dieser beiden generellen Charakteristika grenzüberschreitender Governance (Bezugsebenen und Funktionsebenen) lassen sich in einer ersten Näherung konzeptionelle Grundlagen für die Verallgemeinerung von Basis-Komponenten einer grenzüberschreitenden Governance ableiten. Diese führen zu 24 strategischen Handlungsfeldern, an deren ganzheitlichen Realisierung sich in normativer Hinsicht eine grenzüberschreitende Governance im engeren
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Sinne orientieren müsste. Das folgende Schaubild fasst die zentralen Handlungsbereiche einer solchen holistischen grenzüberschreitenden Governance stichwortartig zusammen. Abb. Holistisches Modell einer grenzüberschreitenden Governance56 Territoriale Dimension
Transnationale Dimension
Europäische Dimension
Sachlich-strategische Dimension
Umsetzung
Leitprojektezur synergetischen Potenzialentwicklung
Delegation Trägerschaftfür gü. Aufgaben
IntegrierteTrägerschaftenfürgü. Aufgaben
Entscheidung
Schaffungvertikal undhorizontal integrierterVerfahrenund Strukturen Integriertegü. territorialeEntwicklungskon e
Vernetzungvon gü.undnationalen Arenen
Unterstützung fürg.ü. Pilotprojekte/ EU-Modell/ Labor Mobilisierung Entscheider (EP, AdR, Rat)
Verankerung gü.territorialerZiele insektoralen Fachpolitiken
Koordination
Entwicklung regionales gü. Kollektiv
Information
Aufbaugü. informations Systeme
Synchronisierung Aufgabenträger und Entscheidungen SchnittstellenManagement
Begegnung
Schaffungvon Foren intermediärer Akteure
Aktive Mitwirkung beiEUVorhaben (Konsultationen; EU-IA-System) Entwicklung gemeinsamer LobbyStrategien Opt.vertikaler Info.-fluss(EUInitiativen, gü. Leitprojeke) Direkte Kontaktezu Europäischen Institutionen
Planung/ Strategie
Verankerungauf Ebeneder Prinzipale
Interkulturelle Vermittlung (Akteure, Systeme)
Ermöglichung Policy-spezifischer Verhandlungssysteme
Synchronisation fachlicher nteressen u. Handlungsansätze Vermittlungaktueller Entwicklungen nat. Fachpolitik Gü.Vernetzung vonFachspezialisten der div. Ebenen
Zur Verwirklichung einer ganzheitlichen territorialen Dimension kommt es auf der Ebene der beiden Basisfunktionen ganz wesentlich darauf an, regelmäßige Begegnungen zwischen Akteuren aus unterschiedlichen Sektoren zu ermöglichen, durch den Aufbau grenzüberschreitender Rauminformationssysteme die notwendigen territorialen Bezüge (realweltliche Probleme und Potenziale) entsprechender Handlungsbedarfe zu fundieren, auf deren Basis sich denn regionale Schlüsselakteure im Sinne eines grenzüberschreitenden Kollektivs intermediär mobilisieren lassen. Der Entwicklung integrierter territorialer Entwicklungskonzepte kommt gerade in grenzüberschreitender Hinsicht eine zentrale Bedeutung zu: auf deren Basis lassen sich vertikal und horizontal vernetzte Entscheidungsverfahren und Strukturen entwickeln, welche die integrierte Umsetzung strategischer Leitprojekte zur synergetischen (sektorübergreifenden) territorialen Potenzialentwicklung ermöglichen.
56
EP=Europäisches Parlament, AdR=Ausschuss der Regionen, IA= Impact Assessment.
GOVERNANCE IN DER TRANSNATIONALEN REGIONALPOLITIK
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Komplementär erfordert dies in der transnationalen Dimension eine aktive interkulturelle Vermittlung der jeweiligen systemischen57 und akteursbezogenen58 Spezifika der Nachbarstaaten, ein aktives Schnittstellenmanagement der unterschiedlichen informationellen Ebenen und Verfahren, eine Synchronisierung der Aufgaben- und Entscheidungsträger sowie eine bessere Verankerung des grenzüberschreitenden Sub-Systems auf der Ebene der institutionellen Prinzipale der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Damit kann dann eine optimierte Vernetzung von grenzüberschreitenden und nationalen Entscheidungsarenen erreicht werden, welche die Umsetzungsfunktionen der grenzüberschreitenden Kooperation dadurch stärkt, dass die Prinzipale schrittweise eigene Trägerschaften für grenzüberschreitende Aufgaben in den grenzüberschreitenden Raum delegieren. Neben der Optimierung der funktionalen Einbettung des grenzüberschreitenden Kooperationssystems in seinen nationalen politisch-administrativen Kontext impliziert das Stufenmodell für die europäische Dimension in ihrer Basisfunktion zunächst den Aufbau direkter Kontakte zu den relevanten Institutionen auf der europäischen Ebene, auf deren Grundlage ein dann verstetigter vertikaler Informationsfluss hinsichtlich relevanter EU-Initiativen (top-down) sowie die Vermittlung der Ergebnisse grenzüberschreitender Leitprojekte bezüglich ihres Beitrags zur europäischen Modell- und Laborfunktion (bottom-up) entwickelt werden kann. Die grenzüberschreitenden Akteure werden dadurch in die Lage versetzt, gemeinsame europäische Lobby-Initiativen zu verwirklichen, um in Brüssel mit einer Stimme zu sprechen. Dadurch werden sie als Akteure und Partner für die europäischen Institutionen attraktiv und können sich z.B. auch aktiv in die Erarbeitung von relevanten EU-Initiativen (z.B. im Rahmen von offiziellen Konsultationen oder eher informell zur ex ante Quantifizierung territorialer Folgewirkungen im Rahmen des EU Impact Assessment (IA) Verfahrens) einbringen. Eine aktive Mobilisierung von europäischen Entscheidungsträgern aus den Teilräumen des grenzüberschreitenden Kooperationsraums (insbesondere auf der Ebene des Europäischen Parlaments, aber auch z.B. auf der Ebene der nationalen bzw. Landesvertretungen), die als grenzüberschreitende „intergroup“ agieren, kann den Prozess der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auch auf der europäischen Ebene begleiten und sicherstellen, dass Unterstützungen bei der Realisierung grenzüberschreitender Pilotprojekte und/oder Programme durch die europäische Ebene aktiv erfolgen. Schließlich beinhaltet die sachlich-strategische Dimension ebenfalls unterschiedliche Intensitätsstufen, deren sequenzielle und/oder komplementäre Verwirklichung als zentrale Voraussetzung für einen holistischen grenzüberschreitenden Governance-Ansatz zu betrachten ist. Auf der Ebene der Begegnung wird es darauf ankommen, die funktionale Vernetzung von Fachspezialisten und weiteren sektoralen Akteuren im Sinne „horizontaler Fachbruderschaften“ zu optimieren, mit denen gemeinsame fachliche, sprachliche und konzeptionelle Verständigungen erfolgen können. Darauf aufbauend geht es in einem zweiten Schritt darum, die gegenseitigen Informationsfunktionen, was Entwicklungen und Reformen in den in Frage stehenden nationalen Fachpolitiken anbelangt, zu 57 58
BECK, J., „Patterns of administrative culture in cross-border cooperation“, op.cit. Euro-Institut (Hrsg.), Interkultureller Leitfaden zur Moderation grenzüberschreitender Sitzungen, Baden-Baden, 2007.
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intensivieren, damit in einem dritten Schritt der notwendige „grenzüberschreitende Reflex“ bezüglich der frühzeitigen Synchronisierung und Koordination von fachlichen Bedarfen, Zielen, Strategien und Policy-spezifischen Handlungsansätzen sichergestellt ist. Auf der vierten Stufe wird es dann ganz wesentlich darauf ankommen müssen, grenzüberschreitende territoriale Ziele auf der Ebene der sektoralen Fachpolitiken zu verankern (zu denken wäre z.B. an grenzüberschreitende Öffnungs- und/oder Experimentierklauseln auf der Ebene von Rechtsverordnungen sowie die Eröffnung grenzüberschreitender Perspektiven in Fachprogrammen) um entsprechende grenzüberschreitende Handlungsansätze auch in fachlicher wie in finanzieller Hinsicht noch breiter zu fundieren. Schließlich bedarf es zur Stärkung der Entscheidungs- und der Umsetzungsfunktionen einer Flexibilisierung der bestehenden Strukturen und Verfahren, mit denen den Policy- und sektorspezifischen Interessen und Rationalitäten der beteiligten Akteure noch besser Rechnung getragen werden kann. Grenzüberscheitende Kooperationen im Hochschul- und Forschungsbereich unterscheiden sich hinsichtlich der Funktionalitäten der in Frage stehenden Verhandlungs- und Interaktionslogiken z.B. grundlegend von denjenigen im Bereich der Wirtschaftsförderung, des Naturschutzes, des Gesundheitssektors oder der Kultur und der Zivilgesellschaft59. Ebenso ist der Policy-spezifische Strukturierungsbedarf der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit variant und kann weder ausschließlich durch die Alternativen der weichen „funktionalen/informellen Vernetzung“ noch der klassischen harten „Institutionenbildung“ oder einer simplen zeitlich befristeten „Projektorganisation“ zufriedenstellend abgebildet werden. Hier muss grenzüberscheitende Governance tatsächlich auch multi-level Governance sein und differenzierte, Policy-spezifische Lösungsansätze für die Ausgestaltung von Verhandlungssystemen und die praktische Ausgestaltung integrierter Trägerschaften für grenzüberschreitende Aufgaben ermöglichen. Ein solcher holistischer Ansatz ermöglicht es, der realweltlichen Komplexität und Vielschichtigkeit grenzüberschreitender Zusammenarbeit perspektivisch gerecht zu werden und konzeptuelle Engführungen, die sich lediglich auf ausgewählte Einzelgesichtspunkte von Governance konzentrieren (wie z.B. Schaffung von Netzwerken, Integration der Zivilgesellschaft, gemeinsames externes Lobbying) zu vermeiden. Er steht zugleich für die reale Breite und Differenziertheit der in Angriff zu nehmenden Handlungsfelder, um die Potenziale einer grenzüberschreitenden Governance als komplementäre, vertikal und horizontal ausdifferenzierte Interaktions- und Steuerungsstruktur für die zukunftsgerichtete Entwicklungssteuerung grenzüberschreitender Gebiete in Europa nutzbar zu machen.
59
Hinsichtlich der jeweiligen sektorspezifischen Verwaltungskulturen bestehen hier enge Rückbezüge zur transnationalen Dimension sowie der generellen Frage, wodurch sektorale Handlungsregime in der transnationalen Dimensionierung charakterisiert sind, cf. BECK, J./ THEDIECK, F., op.cit.
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GOUVERNANCE DANS LA POLITIQUE RÉGIONALE TRANSNATIONALE ÉTAT DES LIEUX ET PERSPECTIVES DES RELATIONS DE COOPÉRATION DANS LES LIEUX D’INTERDÉPENDANCE TRANSFRONTALIERS
L’article présente à la fois une comparaison de quatre lieux de coopération et d’interdépendance transfrontaliers afin de montrer quelles formes de gouvernance peuvent être observées dans la pratique transfrontalière. Puis il tente, à l’aide de cette comparaison, de savoir s’il existe des caractéristiques générales de la gouvernance transfrontalière, notamment la gouvernance régionale, qui se différencieraient d’autres approches de la gouvernance. Sur le fond, l’approche se fonde sur les résultats d’une recherche menée dans le cadre du partenariat « Modèles pour l’aménagement du territoires » (Modellvorhaben der Raumordnung (MORO)). Dans quatre espaces d’interdépendance : – le Lac de Constance, la région du Rhin supérieur, la Grande Région et l’Euregio Meuse-Rhin – , sept échelles d’analyse ont été observées : le contexte, les phases et caractéristiques dans le genèse de la coopération, les structures et typologies d’acteurs, les formes de droit et d’organisation, les contenus et résultats de la coopération, les forces et les faiblesses de la gouvernance actuelle, les défis stratégiques et les discours innovants. Les résultats montrent dans un premier temps que la frontière d’un espace d’interdépendance transfrontalier varie selon la région considérée, ce qui crée un contexte spécifique différent. Deuxièmement ces régions connaissent des phases d’évolution similaires, de l’institutionnalisation à la multiplication des échelles de gouvernance, en passant par la différenciation gouvernementale et la professionnalisation orientée par le projet. Troisièmement l’analyse démontre une prédominance des acteurs publics, dont le statut varie selon l’espace transfrontalier. Enfin malgré des objectifs comparables, les formes d’organisation sont également différentes, par exemple au niveau des formes juridiques, des formes institutionnelles ou encore de la répartition financière. Ainsi l’analyse démontre que, d’une part les espaces d’interdépendance transfrontaliers étudiés et d’autre part les différences relatives aux systèmes et cultures politico-administratifs conduisent à un fort degré de complexité. De plus la présence d’arènes politiques de différents pays crée une dynamique fondée sur plusieurs échelles, dont les fonctions manquent de clarté. Il manque également la possibilité de se reposer sur une « figure de meneur » reconnue qui initierait la coopération transfrontalière. Du fait de l’existence de différentes situations structurelles des espaces, il est difficile d’identifier un modèle standard pour une gouvernance régionale ou sectorielle et encore plus improbable de créer un modèle empirique de gouvernance transfrontalière. Il est cependant possible d’identifier des éléments constitutifs de gouvernance transfrontalière dans les quatre régions. Toutes connaissent une dimension territoriale, une dimension transnationale, une dimension européenne et enfin une dimension stratégique de la coopération transfrontalière. Maintenir l’équilibre entre ces quatre dimensions est la première condition pour une gouvernance transfrontalière réussie. La deuxième réside dans la prise en compte des six ni-
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veaux de coopération fonctionnels : la prise de contact, l’échange d’information, la coordination, la planification, la décision et la mise en œuvre. Sur la base de ces deux conditions remplies, une approche holistique de la coopération transfrontalière peut être définie qui tien compte de sa complexité et qui exploite le potentiel issu de la multiplicité de structures d’interaction et de commandement verticales et horizontales, afin d’en faire un objet de développement pour les territoires transfrontaliers en Europe.
GOVERNANCE IN TRANSNATIONAL REGIONAL POLICY AN INVENTORY AND PROSPECTS FOR COOPERATION IN INTERDEPENDENT CROSS-BORDER AREAS
The article presents a comparison of four sites of cooperation and cross-border interdependence in order to show what forms of governance can be observed in cross-border practice. It then uses this comparison to find out whether general characteristics of cross-border governance exist, especially regional governance, which would differentiate themselves from other approaches to governance. The substance of the article is based on the results of research conducted in the frame-work of the “Models for space planning” partnership (Modellvorhaben der Raumordnung (MORO)). In four interdependent areas (Lake Constance, Upper Rhine Region, the Grande Région and the Meuse-Rhine Euregio), seven scales of analysis were observed: the context, the phases and characteristics in the genesis of co-operation, the structures and types of stakeholders, the legal and organisational forms, the content and results of cooperation, the strengths and weaknesses of the current governance, the strategic challenges, and innovative discourse. Initially, the results show that the boundary of an interdependent cross-border space varies according to the region under consideration, which creates a different specific context. Secondly, these regions have similar stages of development, from the institutionalization to the multiplication of governance levels, through governmental differentiation and the professionalization oriented by the project. Thirdly, the analysis shows a predominance of public players whose status varies according to the cross-border area. Finally, despite similar goals, the organisational forms are also different, for example in terms of legal or institutional formats or of the financial apportionment. Thus, the analysis shows that, on the one hand interdependent cross-border spaces and on the other the differences relative to the politico-administrative systems and cultures lead to a high degree of complexity. Furthermore, the presence of political arenas of different countries creates a dynamic based on several scales, the functions of which are unclear. The possibility of being able to rely on a recognised “leadership figure” who would initiate cross-border co-operation is also missing. Thus, because of the existence of different structural conditions of the space, it is difficult to identify a standard model for regional or sectoral governance and even less likely to create an empirical model for cross-border governance.
GOVERNANCE IN DER TRANSNATIONALEN REGIONALPOLITIK
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It is however possible to identify the constituent elements for cross-border governance in the four regions. All have a territorial, a transnational, a European and a strategic dimension of cross-border cooperation. The success of crossborder governance will depend on the ability to keep the equilibrium between these four dimensions. It will also depend on whether the six levels of cooperation are sufficiently taken into account: exchange of information, coordination, planning, decision-making and realization. On the basis of those two conditions fulfilled, a holistic approach to cross-border cooperation can be defined which would be able to cope with its complexity and to exploit the potential resulting from the multiplicity of interaction structures and from vertical and horizontal power, in order to make it an object of development for cross-border territories in Europe.
Teil 2
GRENZÜBERSCHREITENDE GOVERNANCE AM OBERRHEIN
Partie 2
GOUVERNANCE TRANSFRONTALIÈRE DANS L’ESPACE DU RHIN SUPÉRIEUR
Part 2
CROSS-BORDER GOVERNANCE IN THE UPPER RHINE REGION
HISTORISCH GEWACHSENE GOVERNANCE AM OBERRHEIN (1963-2010) BIRTE WASSENBERG Seit die Europäische Gemeinschaft (EG) einen Beitrag der Grenzregionen im Rahmen der Regionalpolitik vorgesehen hat, gibt es sowohl in der Praxis als auch in der Theorie eine immer stärkere Verknüpfung zwischen dem europäischen Integrationsprozess und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. So wurde die EG durch die Einführung des Interreg-Programms 1991, das grenzüberschreitende Projekte innerhalb der EG und an den Außengrenzen finanziell unterstützt, selbst zum Akteur dieser Zusammenarbeit1. Von da an wurden auch die Theorien eines „Europas der Regionen“ aus den 1970er Jahren2 wieder relevant und im Sinne eines europäischen Mehrebenen-Politikansatzes neu interpretiert, bei dem die Regionen zwar nicht die Staaten ersetzen, jedoch als wesentliche Mitspieler im europäischen Integrationsprozess eine wichtige Rolle übernehmen3. Grenzüberschreitende „multi-level-Governance“ Theorien ordnen dabei den europäischen Grenzregionen sowohl eine Modell- als auch Laborfunktion für die europäische Integration zu: sie gelten als wirtschaftlich dynamische Entwicklungsräume für den Einheitsmarkt in einem Europa ohne Grenzen und sie nehmen eine Vorreiterposition bei integrativen Prozessen zwischen unterschiedlichen politischen, administrativen und kulturellen Systemen von zwei oder mehreren nationaler Staaten ein4. Es entsteht durch diese theoretischen Ansätze oft irrtümlich der Eindruck, dass grenzüberschreitende Governance-Strukturen in Europa erst mit Beginn der Interreg-Periode der 1990er Jahre entstanden und bewusst systematisch mit dem Ziel einer möglichst effizienten Abwicklung von Entscheidungsprozessen zwischen lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene konzipiert wurden. Diese multi-level-Governance ermögliche so eine optimale Politikverflechtung mit dem Ergebnis, dass letztendlich grenzüber-
1 2
3 4
Cf. RAICH, S., Grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit in einem Europa der Regionen, Baden, Baden, 1995, S.1-10. GROSS, B., SCHMITT-EGNER, P., Europas kooperierende Regionen, Rahmenbedingungen und Praxis transnationaler Zusammenarbeit deutscher Grenzregionen in Europa, Baden-Baden, 1994, S.34; SAINT-OUEN, F., „La notion d’Europe des régions chez Denis de Rougemont“, in: BITSCH, M.-T. (Hrg.), Le fait régional et la construction européenne, Bruxelles, 2003, S.54; De ROUGEMONT, D., „L’Europe des régions“, in CALAME, C., Œuvres complètes de D. de Rougemont, Vol. 2 : Ecrits sur l’Europe (1962-1986), Paris, 1994, S.184 Cf MARKS, G., „Structural policy and multilevel governance in the EC“, in CAFRUNY, A., ROSENTHAL, G. (Hrg.), The state of the European Community, Vol.2; The Maastricht debates and beyond, Boulder, 1993, S.407. Cf. z.B : VEDOVATO, G., „Les relations transfrontalières dans la nouvelle Europe intégrée des régions“, in Revista di Studi internazionali 244, anno 61, n°4, Okt-Dez 1994, S.571. RATTI, R., Théorie du développement des régions-frontières, Université de Fribourg (Suisse), Vol. 4, 1991, S.25ff.
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BIRTE WASSENBERG
schreitende Zusammenarbeit immer positiv zum europäischen Integrationsprozess beitrüge5. Dabei wird allerdings darüber hinweg geschaut, dass in Pionier-Grenzregionen, in denen grenzüberschreitende Zusammenarbeit schon seit Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre existiert, diese zunächst ganz unabhängig vom europäischen Integrationsprozess und mit ihr eigenen Zielsetzungen aufgebaut wurde. Der Sozialdemokrat und mit-Gründungsvater der Arbeitsgemeinschaft europäischer Grenzregionen (AGEG), Alfred Mozer, subsumierte diese oft unter dem Sammelbegriff der Überwindung der Grenzen: „Grenzen sind Narben der Geschichte. Man darf diese Narben nicht vergessen, aber zur Gestaltung der Zukunft Europas dürfen wir sie auch nicht kultivieren“6. Konkret bedeutet dies, dass in diesen Grenzregionen Governance-Strukturen nicht unbedingt mit dem Ziel einer europäischen Mehrebenen-Politikverflechtung, sondern Stück für Stück im Laufe der Zeit entwickelt wurden, um vor allem die durch die nationale Grenze hervorgerufenen Probleme zu lösen. Das Oberrheingebiet, in dem die deutschen Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die französische Region Elsass und die fünf Kantone der Nordwestschweiz zusammenarbeiten, ist solch eine Pionier-Grenzregion. Martin Nagelschmidt hat 2005 hier schon erkannt: „Grenzübergreifende Mehrebenen-Systeme werden nicht am Reißbrett entworfen, sind vielmehr organisch wachsende, manchmal auch wuchernde Strukturen und Funktionszusammenhänge“7. Im Folgenden soll aufgeführt werden, dass es sich im Fall des oberrheinischen Mehrebenen-Systems im Sinne von Nagelschmidt tatsächlich um geschichtlich gewachsene Governance-Strukturen handelt, die nicht nach dem Prinzip einer bestmöglichen Verbindung zwischen lokalen, regionalen und europäischen Handlungsebenen entstanden sind, sondern seit 1963 in Abhängigkeit vom jeweiligen geschichtlichen Kontext nach und nach zu einem komplexen „Millefeuilles“ zusammengestellt wurden. Dabei soll hervorgehoben werden, dass dieses „Mille-feuilles“ weniger ein effizientes Mehrebenen-System ist, sondern eher ein reformresistentes Konstrukt, bei dem ein inhärenter „Dinosaurier-Reflex“ lange Zeit verhinderte, dass alte Strukturen mitunter auch abgeschaffen und neue dafür errichtet wurden. Eine Bereitschaft zur Rationalisierung und multilevel-Governance in Form von einer flexiblen Mehrebenen-Politik lässt sich erst in den neuesten Entwicklungen seit Anfang 2000 beobachten.
1. Der historische „Mille-feuilles“ oberrheinischer GovernanceStrukturen Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat sich am Oberrhein schon in den frühen 1960er Jahren auf Initiative von Schweizer Akteuren aus dem Kanton Ba5 6 7
Cf. LANG, S., „Ouvrir la „Black Box“ : Approche de la notion d’acteur de la coopération transfrontalière» in WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière, Vol.1 Les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2009, S.175-176. MOZER, A., „Entwicklungspolitik zu Hause“, in „Entwicklungsregionen in der EWG“, Schriften der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 1973, S.14. NAGELSCHMIDT, M., „Das oberrheinische Merhebenensystem“, Schriften der Regio 20, 2005, S.203.
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sel entwickelt8. Dabei wurde sie zunächst im südlichen deutsch-französischschweizerischen Raum der sogenannten Regio ins Leben gerufen und dann in den 1970er Jahren institutionalisiert und auf das gesamte Gebiet des Oberrheins9 ausgeweitet. Bis Anfang der 1990er Jahre haben sich danach immer mehr grenzüberschreitende Strukturen zu einem Mille-feuilles herausgebildet, der immer komplexer wurde und auch mit Einführung des Interreg-Programms und der aktiven Beteiligung der europäischen Ebene an der grenzüberschreitenden Governance am Oberrhein nicht rationalisiert wurde10. 1.1. Vom kleinräumigen Regio-Ansatz zur großräumigen Institutionalisierung (1963-1975) Die Initiatoren der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der südlichen Regio waren vor allem private Akteure aus der Basler Wirtschaft und Politik, deren Ziel es war, die Expansion der dynamischen Stadt Basel nach Deutschland und Frankreich hin zu ermöglichen, da durch die Alpen die Entwicklungsmöglichkeiten zum Rest der Schweiz hin stark eingeschränkt waren11. Die von diesen Akteuren in Betracht gezogenen „Governance“-Strukturen waren daher flexible, informelle Netzwerke, die nicht zum Zweck einer institutionellen Verbindung über die Grenzen hinweg eingesetzt wurden, sondern eher pragmatisch ausgerichtet waren und der Lösung konkreter Grenzprobleme und der Durchführung von gemeinsamen Projekten dienten12. So wurde 1963 zunächst die Regio Basiliensis als privatrechtlicher Verein gegründet, dem vor allem Unternehmer und Regierungsräte aus den beiden Basler Halbkantonen beitraten, dem sich aber auch einige französische und deutsche Mitglieder, z.B. aus der Handelskammer Mulhouse und den Planungsgemeinschaften um Freiburg herum anschlossen13. Der Vorteil dieser relativ unkomplizierten Verbandsstruktur war es, dass die Aktivitäten der Regio auf die jeweiligen ad hoc Bedürfnisse ausgerichtet und die für ein konkretes Ergebnis notwendigen Akteure schnell hinzugezogen werden konnten14. In den 1960er Jahren wurden bei der Regio Basiliensis so einige Arbeitsgruppen mit Projektvorhaben zu Themen wie Transport (Flughafen Basel-Mulhouse, Regio-S-Bahn), Kultur (DreilandInformationen in Radio und Presse) oder Bildung (Europaschule) eingerichtet15. Wesentliche Voraussetzung für eine effiziente Funktionsweise der Regio-Struktur waren dabei Eigeninitiative, das Engagement und der (politische) Wille ihrer 8 9 10 11 12 13 14 15
WASSENBERG, B. „Qu’est-ce qui motive la coopération transfrontalière dans l’espace francogermano-suisse“, in WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière, op.cit., S.95-97. Von Basel bis Karlsruhe in Baden-Württemberg und bis in die Südpfalz hin. Für eine Gesamtanalyse der Periode 1963-2000, cf. WASSENBERG, B., Vers une eurorégion? La coopération transfrontalière franco-germano-suisse dans l’espace du Rhin supérieur de 1975-2000, Bruxelles, 2007. ZOLLER SCHEPERS, R., Grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein, Dissertation, Bamberg, 1998, S.32. WASSENBERG, B. „Building a transborder political and administrative culture in the Upper Rhine region? – a historical analysis“ in: BECK, J., THEDIECK, F., The European dimension of administrative culture, Baden-Baden, 2008, S.224-227. BRINER, H., „Die Ausgangslage“, Regio Report 1973, Regio Basiliensis, Basel, S.15. ARB, Statuten der Gesellschaft zur Förderung der Regio Basiliensis, 1963, Art.1. Zu den Aktivitäten der Arbeitsgruppen, cf. Regio Report 1973 und Regio Report 1975, Nachtrag, Regio Basiliensis, Basel.
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Mitglieder. Hierbei sind auf Schweizer Seite „Pioniere“ der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wie z.B. Hans Briner, Edmund Wyss oder Peter Gloor zu nennen, deren unermüdlicher Kooperationsgeist die Regio-Arbeit in den 1960er und 1970er Jahren immer wieder vorangetrieben hat16. Die informelle Governance-Form wurde auf französischer und deutscher Seite übernommen, als jeweils ein Pendant der Regio Basiliensis gegründet wurde. So wurde 1965 im Elsass zunächst angebunden an die Société industrielle de Mulhouse eine Regio-Arbeitsgruppe gebildet, die 1976 in den Verband Regio du Haut-Rhin überging17. Auch hierbei war der politische Wille der Gründer ausschlaggebend. Philippe Brandt, Urheber dieser französischen Regio war schon als Mitglied der Regio Basiliensis aktiv und setzte sich seit 1969 auch dafür ein, dass ein Netzwerk von Regios entstehen konnte, das mit den Periodischen Internationalen Koordinationsgesprächen (PIK) zwischen der französischen und schweizerischen Struktur eingeführt wurde18. Auch als 1985 auf deutscher Seite schließlich die Regio Freiburg als Verein gegründet wurde, war dies vor allem dem Engagement des Freiburger Oberbürgermeisters Rolf Böhme zuzuschreiben19. Bei der Conférence tripartite permanente de coordination régionale, die 1971 durch eine gemeinsame Initiative des französischen Präfekten und des Präsidenten des Conseil général du HautRhin, dem Regierungspräsident von Freiburg, dem Landrat von Lörrach und den Regierungsräten von Basel-Stadt und Basel-Landschaft entstand, handelte es sich sogar ausschließlich um eine politische Instanz, deren Ziel es war, die Kontakte in der Regio auf eine regelmäßige Basis zu stellen, um Informationen auszutauschen und Probleme gemeinsam lösen zu können20. Eine weitere Vorrausetzung für das Gelingen dieser informellen Kooperation war eine sach- und problemorientierte Vorgehensweise. Dies wurde z.B. schon in den Arbeitsgruppen der Regio deutlich, war aber vor allem für die Gründung einer weiteren grenzüberschreitenden Struktur 1971 ausschlaggebend, deren Name schon auf eine Themenspezifische Zusammenarbeit hinwies: die Konferenz Oberrheinischer Raumplaner (KOR)21. Erst Mitte der 1970er Jahre wurde der Ansatz der informellen Kooperation am Oberrhein durch einen institutionellen Rahmen ergänzt, auf Drängen des französischen Nationalstaates, der in Paris das Wirken lokaler politischer Akteure im Département du Haut-Rhin mit Argwohn beobachtete22. Zunächst war es im zentralistisch organisierten Frankreich unmöglich, gewisse grenzübergreifende Probleme, z.B. bezüglich der Raumordnung oder der Umweltpolitik ohne das Mitwirken der zuständigen Ministerien aus Paris zu lösen. Darüber hinaus befürchtete man in der französischen Hauptstadt jedoch auch autonomistische Tenden16 17 18 19 20 21 22
WASSENBERG, B. „Qu’est-ce qui motive la coopération transfrontalière dans l’espace francogermano-suisse“, op.cit., S.97. BAUMERT, R., La Regio, Dissertation, Université de Strasbourg, 1968, p.229, La Regio du Haut Rhin 1971-1981, dix ans de coopération suprafrontalière dans la Regio, Bilan et perspectives, Broschüre, September 1981, S.12. Ibid. BÖHME, R., „Die Freiburger Regio-Gesellschaft, Partner im Dreiländereck zur Schweiz und zum Elsass“, Nachbarn, 5.7.1985. SPEISER, B., „Europa am Oberrhein, Der grenzüberschreitende Regionalismus am Beispiel der oberrheinischen Kooperation“ , Schriften der Regio 13, Basel, 1993, S.30-33. WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit., S.74. WITMER, J., Grenznachbarliche Zusammenarbeit, das Beispiel der Grenzregionen von Basel und Genf, Zürich, 1979, S.156
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zen im Elsass, denen man mit dem Abschluss eines zwischenstaatlichen Abkommens zur deutsch-französischschweizerischen Zusammenarbeit zuvorkommen wollte23. Das Bonner Abkommen von 1975 stellte daher die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf die Ebene der Nationalstaaten und legalisierte sie dadurch praktisch nachträglich. Im Abkommen wurde die Kooperation nun geographisch abgesteckt, durch nationale und regionale Strukturen institutionalisiert und reguliert. Der Kooperationsbereich wurde dabei von der Regio im Süden auf den gesamten Oberrhein hin ausgeweitet und umfasste auf deutscher Seite neben dem Land BadenWürttemberg nun auch das Land Rheinland-Pfalz, wie auf der Karte ersichtlich ist24. Als Institutionen wurden eine Regierungskommission auf zwischenstaatlicher Ebene und zwei Regionalausschüsse eingerichtet: ein zweitseitiger Ausschuss für die deutsch-französische Zusammenarbeit im Norden und ein dreiseitiger deutsch-französischschweizerischer Ausschuss für den Süden25. Dass in der Institutionalisierungsphase ein Mille-feuilles von GovernanceStrukturen am Oberrhein entstand, beruht dabei vor allem auf der Tatsache, dass die neu geschaffenen Institutionen die schon bestehenden Gremien der Zusammenarbeit nicht ersetzten, sondern zu diesen hinzugefügt wurden. Die RegioStrukturen und bestehenden Arbeitsgruppen wurden also beibehalten, mit Ausnahme der Conférence tripartite, deren Mitglieder in den dreiseitigen Ausschuss integriert wurden26. Es gab vor allem zwei Gründe für diese Vorgehensweise: Erstens kam bei der Regierungskommission eine bisher noch nicht assoziierte Governance-Ebene, d.h. die der Nationalstaaten hinzu, die in den bestehenden Strukturen keine Mitglieder hatte. Es machte daher Sinn, eine neue, zwischenstaatliche Instanz zu schaffen, in der die Außenministerien als Akteure maßgeblich vertreten waren27. Zweitens gab es bei den Regionalausschüssen und ihren vorgesehenen Mitgliedern nicht unbedingt Überschneidungen mit den schon bestehenden Instanzen. Im Norden musste der zweiseitige Ausschuss sowieso neu gegründet werden, da
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Ibid. Bundesgesetzblatt, Teil 2, 1976. Karte im Archiv der Regio Basiliensis (ARB), Regierungskommission 1.-5. Sitzung, 1973-1982, Vorlaut. Art. 1 und 6 des Bonner Abkommens. ARNOLD-PALUSSIERE, M., Die grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Raumordnung. Fallstudie für das Rheintal : Elsass, Pfalz, Baden, Nordwestschweiz, Beiträge der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Bd.71, Hannover, 1983, S.160-173. PÄTZOLD, R., „Die Deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission,“ in: ERCMANN, S., Transatlantisches Kolloquium über nachbarschaftliche Beziehungen, Zürich 1987, S.116.
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diese Teilregion über noch keine grenzüberschreitenden Gremien verfügte28. Im Süden herrschte dagegen von Basler Seite aus großer Argwohn gegenüber dem neu zu gründenden Regionalausschuss, da man bevorzugte, mit den bestehenden Regio-Strukturen ohne Einmischung der nationalen Staaten vor Ort zu kooperieren29. Auf französischer Seite gab es außerdem das Problem, dass die Regionalausschüsse als Mitglieder nur die Repräsentanten des Staates, also die Präfektur vorsahen und damit die lokalen Politiker aus den Kommunen und dem Département außen vorließen. Mit Auflösung der Conférence tripartite schien also vor allem die Beibehaltung, ja sogar die Verstärkung der Regio-Arbeit als besonders wichtig30. Um Kontakte auf politischer Ebene zwischen den lokalen und regionalen Abgeordneten am Oberrhein zu intensivieren, wurde sogar 1976 eine neue, informelle deutsch-französische Governance-Struktur geschaffen. In den Regionalausschüssen waren nämlich zwar Regierungsräte aus der Schweiz vertreten, aus Deutschland und Frankreich aber vor allem nur Beamte aus den regionalen Verwaltungen31. Basierend auf einer mündlichen Absprache wurde daher eine Arbeitsgruppe von Politikern aus den Regionalverbänden und Landtagen Baden-Württembergs und Rheinland-Pfalz und den Gebietskörperschaften im Elsass (Conseillers municipaux und Conseillers départementaux) einberufen, in denen Persönlichkeiten, wie z.B. der Oberbürgermeister von Strasbourg, Pierre Pflimlin, oder Wolfgang Schäuble aus dem Landtag Baden-Württemberg sehr aktiv waren32. Dis Anfang der 1980er Jahre hatte sich das informelle und institutionelle Geflecht der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein also schon weitgehend ausgebreitet. 1.2. Multiplikation und Europäisierung der oberrheinischen GovernanceStrukturen (1982-1991) Der institutionelle Rahmen der Oberrheinkooperation wurde in den 1980er Jahren noch komplexer, da immer mehr Governance-Strukturen hinzukamen. Nachdem die Dezentralisierung Frankreichs 1982 einen neuen regionalen Akteur auf französischer Seite – die Région Alsace – am Oberrhein eingeführt hatte, stellte sich die Frage, wie dieser politische Pendant zur Staatskanzlei RheinlandPfalz, den Regierungspräsidien Baden-Württembergs und den Kantonalregierungen Basels in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit einbezogen würde. Der Antrag der Région Alsace beim französischen Staat, neben der Präfektur in den Regionalausschüssen auch Vertreter der Gebietskörperschaften zuzulassen, wurde abgelehnt33. So mussten die Regionalpolitiker aus dem Elsass nach 28 29 30 31 32 33
WASSENBERG, B. „Qu’est-ce qui motive la coopération transfrontalière dans l’espace francogermano-suisse“, op.cit, S.103. „Gemeinsame Planung am Oberrhein, Erschwerung unerwünscht“, Basler Nachrichten, 8.2.1973. WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit, S.119. Archiv des Département Bas Rhin (ADBR) 1661W59 Arbeitsgruppe der Abgeordneten 19761982, Sitzungsprotokolle. Ibid. Sitzungsprotokoll der ersten Sitzung am 5.5.1976 in Colmar. Die Anstrengungen der Conseillers régionaux haben nur eine Ministerkoordinationssitzung am 22.9.1982 in Paris zur Folge, die ohne direkte Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Regionalausschüsse bleibt, cf. ADBR 1661W59, Sitzungsprotokoll der Sitzung am 11.10.1982 in Bad Krotzingen.
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neuen Möglichkeiten suchen, um grenzüberschreitend aktiv zu werden. Sie begannen 1983 damit, mir dem Partnerland Baden-Württemberg ein Symposium zur Zweisprachigkeit zu organisieren34. Als der Ministerpräsident Lothar Späth 1985 dann einen Bedarf an Kooperation mit dem Elsass im Universitätsbereich verspürte, vor allem, um den Technologiestandort Oberrhein durch Vernetzung der Kapazitäten aus Strasbourg und Karlsruhe zu stärken, wandte er sich an den neuen französischen Regionalakteur, um zunächst eine Reihe von drei Universitätssymposien bis 1987 in die Wege zu leiten35. Diese Symposien wurden außerhalb der bestehenden Gremien organisiert, um eine Mitwirkung der französischen Gebietskörperschaften (Région, Département) zu ermöglichen, aber auch, um neue Akteure aus den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft (Universitäten, Handelskammern, Handwerkskammern) mit in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit einzubinden36. Der Governance-Ansatz war hierbei weniger institutionell ausgerichtet, sondern kehrte zurück zur Idee einer flexibleren Organisationsform, die punktuell für das jeweilige Symposium eingerichtet wurde und projektorientiert arbeitete. Das Prinzip war dabei einfach und klar definiert: Der jeweilige ausrichtende Partner (Land Baden-Württemberg, Région Alsace oder die Regio Basiliensis als Koordinator für die Schweizer Kantone) bildete und leitete den trinationalen Organisationsausschuss der Veranstaltung37. Diese Governance-Form wurde beibehalten, als 1988 unter gemeinsamer Schirmherrschaft von Ministerpräsident Späth und dem Präsidenten des Regionalrates Elsass, Marcel Rudloff, die Dreiländer-Kongresse eingeführt wurden, die im Ein-, bzw. Zweijahres-Takt in jeweils einem der drei Partnerländer am Oberrhein stattfinden sollten38. Ziel der Dreiländer-Kongresse war es, jeweils ein spezifisches Thema der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu behandeln – Verkehr, Kultur, Wirtschaft, usw. – und dabei neue Akteure in die Zusammenarbeit einzuführen, um konkrete Projekte zum jeweiligen Thema in die Wege zu leiten39. Die Kongresse wurden also als komplementär zur institutionellen Zusammenarbeit betrachtet, in der die Akteure, d.h. vor allem die regionalen Verwaltungen, zu den verschiedenen Themen dauerhaft Informationen austauschten und Handlungsbedarf diagnostizierten. Der erste Dreiländer-Kongress wurde so 1988 vom Land Baden-Württemberg in Karlsruhe zum Thema Verkehr organisiert. Der zweite fand unter Leitung der Région Alsace 1989 zum Thema Kultur in Colmar statt und der dritte 1991 zum Thema Umwelt in Basel40. Das Problem dieser neuen Governance-Struktur war jedoch, dass keinerlei Verbindungen zwi34 35 36 37 38 39 40
ADBR, 1585W38, Kolloquiumbericht „Apprendre la langue du voisin“, Strasbourg, 22.4.1983. WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit, S.173. Für eine nähere Beschreibung der Symposia und ihres Ursprungs cf. FREI, V., „3. OberrheinSymposium, Universitäten und Region. Ein Tagungsbericht“, Schriften der Regio 11, Basel, 1988. WASSENBERG, B. „Building a transborder political and administrative culture in the Upper Rhine region?, op.cit., S.236. „Réunir une plate-forme annuelle transfrontalière“, Rede von Marcel RUDLOFF, in FREI, V., op.cit., S.24. ROUESSARD, A., Note de synthèse sur les congrès tripartites, Région Alsace, Direction de la coopération et des relations internationales, November 2000, S.29-31. 1. Dreiländerkongress, Verkehr und Kommunikation, Kehl 1988, Endbericht, Land BadenWürttemberg, 1989 Actes du Forum Culture Rhin Supérieur, Colmar, Région Alsace, November 1989, BOEHRINGER, U., & V., „3. Dreiländerkongress Umwelt Oberrhein. Ein Bericht“, Schriften der Regio 12, Basel, 1991.
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schen den Dreiländer-Kongressen zu den Regionalausschüssen vorgesehen und beide also weitgehend parallel zueinander abgewickelt wurden. Zudem waren in beiden Strukturen unterschiedliche Akteure tätig, die aber teilweise zu denselben Themen arbeiteten41. Ein Ungleichgewicht bestand auch zwischen der französischen Seite, wo die Entscheidungsbefugten Instanzen der Kongresse (die Région Alsace) und der Regionalausschüsse (die Präfektur) klar voneinander getrennt agierten und der schweizerischen und deutschen Seite, bei denen es sich um dieselben Strukturen (Regierungspräsidien, bzw. Staatskanzlei und Kantonalregierungen) handelte42. Auch auf politischer Ebene kamen noch weitere Governance-Strukturen hinzu, die völlig unabhängig von den übrigen grenzüberschreitenden Instanzen agierten. Im Jahre 1988 wurden so auf Initiative des Präsidenten des Regionalrates Elsass, Marcel Rudloff, und dem Präsidenten des Landtages Baden-Württemberg, Erich Schneider, spezielle periodische Treffen zwischen den beiden Parlamenten vereinbart, zu denen Delegationen mit Vertretern aller politischen Parteien aus Regierung und Opposition eingeladen wurden43. Diese Treffen sollten es vor allem den regionalen politischen Akteuren aus Frankreich und Deutschland ermöglichen, einen Beitrag zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu leisten. Bis Anfang der 1990er Jahre hatte sich am Oberrhein somit eine Vielfalt von unterschiedlichen Governance-Strukturen herausgebildet, die durch den jeweiligen historischen Kontext bedingt oder auf Initiative von einzelnen Personen ins Leben gerufen worden waren44. Diese Strukturen entwickelten sich nach und nach, bezogen immer wieder neue Akteure und Instanzen in die Zusammenarbeit mit ein und wurden dementsprechend auch im Bezug auf die Bedürfnisse dieser Akteure hin entworfen. Von einer institutionalisierten zwischenstaatlichen Regierungskommission, die auf einem trinationalen Abkommen basiert bis hin zu informellen Arbeitsgruppen, die aufgrund von mündlichen Absprachen eingerichtet wurden, gab es dabei alle Arten von Governance-Formen. Charakterisierend für den Mille-feuilles von Governance-Strukturen am Oberrhein war dabei bis Ende der 1980er Jahre das Fehlen sowohl von vertikalen Verbindungen zu europäischen Institutionen der EG, sowie von horizontalen Verknüpfungen zwischen den bestehenden regionalen Strukturen (Dreiländer-Kongress, Regionalkommission, Regionalausschüsse, Periodische Treffen der Abgeordneten). Dies änderte sich 1988, als die EG zum Akteur der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wurde. Die Europäisierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein begann mit dem Beschluss der EG innerhalb der Strukturfondsreform 1988, einen Beitrag der Grenzregionen zur europäischen Regionalpolitik zu ermöglichen45. Im Jahre 1988 wurde der deutsch-französische Teilraum im Norden des Oberrheins als eine von zehn Pilotregionen für die von der Kommission ins Leben gerufene europäische Initiative zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusam41 42 43 44 45
Die Regionalausschüsse hatten z.B. bereits Arbeitsgruppen zu den Themen Kultur und Umwelt, cf. WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit, S.125-132. ROUESSARD, A., op.cit., S.16. ADBR 1661 W60-64, Sitzungsprotokolle der Arbeitsgruppe der Abgeordneten 1985-1988. WASSENBERG, B., „Qu’est-ce qui motive la coopération transfrontalière dans l’espace francogermano-suisse“, op.cit. S.103-105. Reglement CEE n° 2052/88 des Rates vom 14.6.1988, JOCE L185, S.9 cf. SPIEKERMANN, B., Europäische Regionalpolitik Empfehlungen zur Weiterentwicklung, Köln, 1988.
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menarbeit ausgewählt46. Dies beflügelte die Akteure an der Grenze zwischen dem Nordelsass, Rheinlandpfalz und Baden-Württemberg, eine regionale Teilidentität zu entwickeln. Sie gaben in Wissembourg am 12. Dezember 1988 eine politische Willenserklärung zur Zusammenarbeit ab, benannten ihren Kooperationsraum Palatinat-Mittlerer Oberrhein-Nord Alsace (Pamina) und gründeten eine Arbeitsgemeinschaft mit Koordinationsstelle in Lauterburg, deren erstes Ziel es zunächst war, ein Entwicklungskonzept für die Realisierung der von der EGKommission zu unterstützenden Pilotprojekte zu erstellen47. Eine neue grenzüberschreitende Governance-Struktur war somit geschaffen, die jedoch zum ersten Mal eine eindeutige Verbindung zur EG-Ebene hatte48. Die daraus hervorgegangen 8 Pamina-Projekte waren ein solcher Erfolg, dass die europäische Kommission 1990 beschloss, ihre Initiative als Interreg-Programm auf alle EGGrenzregionen und ihre Nachbarn auszuweiten49. Damit war klar, dass auch der deutsch-französisch-schweizerische Raum im Süden von der finanziellen Unterstützung der Interreg-Initiative profitieren konnte. Dennoch wurde 1991 der europäischen Kommission nicht ein einheitliches Interreg-Programm für den gesamten Oberrhein präsentiert, da die regionalen Akteure der Pamina-Region ihre neu gewonnene Position in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein nicht so schnell wieder aufgeben wollten. Der Präsident des Département Bas-Rhin, Daniel Hoeffel, sowie das Land Rheinland-Pfalz, vor allem der Staatssekretär Ernst Eggers und der Vorsitzende der Planungsgemeinschaft Rheinpfalz Joachim Stöckle dachten nicht daran, ihre aktive Rolle bei der Umsetzung der europäischen Regionalpolitik preiszugeben50. So wurden zwei InterregProgramme für den Oberrhein eingereicht: eines für den Raum Pamina und ein zweites für die Region Mitte-Süd51. Das Management des Pamina-Programms wurde von der binationalen Koordinationsstelle in Lauterburg bewerkstelligt, während das trinationale Interreg-Sekretariat für das Programm Oberrhein-MitteSüd bei der Région Alsace angegliedert wurde52. Bei der Europäisierung der Governance-Strukturen am Oberrhein lässt sich also grundsätzlich feststellen, dass diese nicht zu einer Rationalisierung der bestehenden grenzüberschreitenden Gremien, sondern im Gegenteil zur Schaffung zusätzlicher Strukturen führte, in denen nun auch die Mitwirkung der EGKommission aus Brüssel vorgesehen war53. Der Mille-feuilles wurde am Oberrhein durch das Interreg-Programm also noch komplizierter, zumal es aufgrund der erstmaligen Einführung des EG-Pilotprogramms in der Pamina-Region noch 46 47 48 49 50 51 52 53
BECK, J., Netzwerke in der transnationalen Regionalpolitik, Baden-Baden, 1997, S.119. La coopération transfrontalière dans l’espace PAMINA, les 10 ans de la déclaration d'Intention de Wissembourg, instance Pamina, Lauterbourg, 1998, S.8. Cf. ADBR 1585W23, Einrichtung des Kooperationsprogramms Pamina. Kommunikation der europäischen Kommission C(90) 1562/3 über die Gemeinschaftsinitiative Interreg I vom 30.8.1990, S.925. WASSENBERG, B., „L’impact du programme Interreg sur la coopération transfrontalière dans l’espace du Rhin supérieur (1989-2008), in : „Chez ces chers voisins“, Kolloquium Köln, 1820.11.2008, erscheint bei Steiner, Stuttgart, 2010, S.5. Beschlüsse der europäischen Kommission, K 92 837 und 838, zu den operationellen Programmen Pamina und Oberrhein Mitte-Süd. Les 10 ans d’Interreg, Broschüre, Région Alsace, Mai 2000, Archive der Région Alsace (ARA), 1949WR16, „Rapport final Interreg I Centre-Sud“, Région Alsace, Juni 1997, S.6. Interreg I et II, La coopération transfrontalière dans l’espace Pamina, Publikation der Pamina-Stelle, Lauterbourg, 1998, S.25.
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darin resultierte, dass zwei parallele Interreg-Sekretariate für zwei verschiedene Teilräume eingerichtet wurden, die bisher noch nicht in dieser geographischen Konstellation existiert hatten. Der Pamina-Raum wurde als neue regionale deutsch-französische Einheit geschaffen, während die Region Mitte-Süd einfach den Rest des Territoriums des Oberrheins abdecken musste, damit das InterregProgramm im gesamten grenzüberschreitenden Gebiet angewandt werden konnte54. Das Wucherungsprinzip des Mille-feuilles von Governance-Strukturen am Oberrhein wurde erst Anfang der 1990er Jahre unterbrochen, als der Reformdruck für die institutionelle Zusammenarbeit so stark wurde, dass eine Modernisierung und Rationalisierung der bestehenden Instanzen unausweichlich wurde.
2. Zwischen Modernisierungszwang und Dinosaurier-Reflex am Oberrhein (1991-2010) Während durch die Europäisierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit neue Instanzen am Oberrhein geschaffen wurden, machte sich bei der institutionellen Zusammenarbeit ein immer größerer Bedarf an Modernisierung durch grundlegende Reformen bemerkbar55. Die Modernisierungswelle erfasste aber auch die politische Ebene und die Regios, die in den 1990er Jahren neue Instanzen und Vernetzungsmechanismen entwickelten56. Diese Tendenz am Oberrhein wurde jedoch immer wieder durch einen „Dinosaurier-Reflex“ gestört, d.h. durch das Beharren und Festhalten an längst überholten Einrichtungen und Strukturen. Erst Anfang 2000 konnte dieser „Dinosaurier-Reflex“ weitgehend durch eine neue EU-geförderte Dynamik der Metropolisierung eingedämmt werden und damit auch zu Ansätzen einer multi-level-Governance führen. 2.1. Zögerliche Rationalisierung und Vernetzung von Strukturen (1991-2000) Die erste grundlegende Reform der institutionellen Oberrheinstrukturen fand 1991 statt und wurde 2000 mit dem neuen zwischenstaatlichen Basler Abkommen vervollständigt57. Ende der 1980er Jahre kam die deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission immer seltener und zum Schluss gar nicht mehr zusammen und es wurde immer deutlicher, dass der Löwenanteil der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nicht auf der zwischenstaatlichen Ebene, sondern von den 54 55
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WASSENBERG, B., „L’impact du programme Interreg sur la coopération transfrontalière dans l’espace du Rhin supérieur (1989-2008)“, op.cit., S.8., Cf. „Délire transfrontalier en Alsace“, Vie Publique, April 1993. Die Reformen wurden auf Vorschlag des Landes Baden-Württemberg von einem trinationalen Ausschuss „Bilanz und Perspektiven“ der beiden Regionalausschüsse entworfen, cf. Anlagenband zur Kabinettsvorlage über die Politik der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit des Landes Baden-Württemberg, – Entwicklung, Bilanz und Ausblick –, Stabsstelle für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Regierungspräsidium Freiburg, Oktober 1999, S.64. WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit, S.277-279. Die offizielle Gründung der Oberrheinkonferenz fand am 25.11.1991 in Liestal statt. Der Vertrag von Basel wurde bei der 16. Sitzung der Regierungskommission am 21.9.2000 in Basel unterzeichnet, cf. 25 Jahre Deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission und Oberrheinkonferenz, Oberrheinkonferenz (ORK), Kehl, 2000, S.7-9.
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regionalen Akteuren in den beiden Regionalausschüssen geleistet wurde58. Zwar hatte die Regierungskommission anfangs prioritär die Themen Umwelt, regionale Wirtschaftsförderung und Katastrophenschutz ins Auge gefasst, bis auf letzteres die konkrete Arbeit jedoch schnell an die Regionalausschüsse weitergeleitet59. Die Aufteilung der Aufgaben zwischen dem zweiseitigem Ausschuss im Norden und dem dreiseitigen Ausschuss im Süden blieb dabei jedoch weitgehend unklar und eine ausreichende Koordinierung beider Instanzen blieb aus60. Der dreiseitige Ausschuss war durch die mit eingegliederte Conférence tripartite zunächst zwar dynamischer und schuf mehrere Arbeitsgruppen zu Themen wie Transport, Raumordnung oder Kultur, jedoch wurden sämtliche dieser Themen bald auch im zweiseiteigen Ausschuss aufgegriffen. Es kam also zu Überschneidungen und doppelspurigen Projekten, deren Effizienz immer fragwürdiger erschien61. Daher wurden 1991 die Institutionen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Grund her reformiert, ohne dabei die juristische Basis, d.h. das Bonner Abkommen zunächst in Frage zu stellen62. Um die grenzübergreifende Arbeit effizienter zu machen, wurde der Schwerpunkt von der zwischenstaatlichen Kommission hin zur regionalen Ebene verlagert. Dabei fusionierte man beide Regionalausschüsse und bildete die sogenannte trinationale Oberrheinkonferenz, in der die regionalen Regierungsvertreter aus den drei Staaten vertreten waren: die Regierungspräsidenten oder Beauftrage der Staatskanzlei aus BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz, Regierungsräte aus Basel und der Regionalpräfekt aus dem Elsass63. Alle bestehenden Arbeitsgruppen der ehemaligen Regionalausschüsse mit ihren Mitgliedern aus den jeweiligen regionalen Verwaltungen wurden dabei an die neue Struktur angeschlossen. Mithilfe von Interreg-Mitteln kam es 1996 sogar zur Gründung eines gemeinsamen Sekretariats für die Oberrheinkonferenz, das in Kehl eingerichtet wurde64.
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ADBR 1661W8, SCHWEIZER, P., Kritische Betrachtungen zum Thema Regierungskommission für Nachbarfragen, Notiz in der Arbeitsgruppe „Bilanz und Perspektiven“, S.5, 7. ARB, Deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission (1983-1989), Sitzungsprotokolle. SPEISER, B., op.cit., S. 58, ZOLLER SCHPERS, R., op.cit., S.79. WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit., S.228. Cf. ARB, Deutsch-französischschweizerische Regierungskommission (1983-1989), Sitzungsprotokolle der Regionalausschüsse. 25 Jahre Deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission und Oberrheinkonferenz, op.cit., S.56. Ibid. Entscheidung der Sitzung der Oberrheinkonferenz am 16.6.1994 in Freiburg, cf. ZOLLER SCHEPERS, R., op.cit., S.190-194.
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Die Reform der institutionellen Zusammenarbeit führte also bis Mitte der 1990er Jahre zu einer gewissen Rationalisierung und Optimierung der bestehenden Governance-Strukturen. Viele reformbedürftige Aspekte wurden aber erst mit der Revision des Bonner Abkommens im Jahre 2000 im neuen Basler Vertrag festgeschrieben65. Das Einbeziehen von Vertretern der französischen Gebietskörperschaften (Région, Départements) wurde z.B. zunächst nur auf ArbeitsgruppenEbene zugelassen66, obwohl die weiterführende Dezentralisierung in Frankreich Anfang der 1990er Jahre schon zu diesem Zeitpunkt ein Mitwirken dieser regionalen Instanzen wünschenswert und vertretbar gemacht hätte. Erst das Basler Abkommen hat die Vertretung der französischen Gebietskörperschaften in der Oberrheinkonferenz zugelassen und dabei dennoch unter offizielle Leitung der Präfektur gestellt67. Erst dann wurde auch der geographischen Erweiterung der Zusammenarbeit nach Süden Rechnung getragen: Außer Basel wurden nun auch die drei Kantone der Nordwestschweiz Solothurn, Jura und Aargau mit in den Vertrag eingeschlossen68. Schließlich dauerte es auch bis zur Basler Reform, bis die Verbindung der Oberrheinkonferenz zur zwischenstaatlichen Ebene der Regierungskommission neu definiert wurde. Es wurde nun geregelt, dass auf der regionalen Ebene die operationelle Zusammenarbeit bewerkstelligt würde und die Regierungskommission immer dann aktiv würde, wenn es darum ginge, in einem auf Ebene der Oberrheinkonferenz identifizieren Bereich ein zwischenstaatliches Abkommen (z.B. für Katastrophen-, Umweltschutz, Gesundheitswesen, usw.) abzuschließen69. Dennoch fehlte es sowohl bei den praktischen Reformen 1991, als auch bei der juristischen Reform 2000 an Dispositionen zur Vernetzung mit den übrigen GovernanceStrukturen am Oberrhein, wie z.B. den Dreiländerkongressen. 65 66 67 68 69
Cf. Text des Baseler Abkommens auf der Web-Seite der Oberrheinkonferenz: http://www.oberrheinkonferenz.org/de/wir-uber-uns/chronologie/basler-vereinbarung (4.5.2010). ZOLLER SCHEPERS, R., op.cit., S.107. FREY, M., „Les concepts d’une gouvernance régionale transfrontalière : l’exemple de la Région trinationale du Rhin supérieur“, in: WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Vol 1), op.cit., S.333 ; NAGELSCHMIDT, M., op.cit., S.161. Art. 4, Basler Abkommen, cf. FREY, M., Oberrheinkonferenz, Kehl, 2008. Die Karte wurde von der Präfektur der Région Alsace 2000 entworfen. Art. 7, Basler Abkommen.
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Nur auf politischer – lokaler und regionaler – Ebene bahnte sich eine Vernetzung von Akteuren an. So bildete sich im Süden auf Initiative der beiden Oberbürgermeister von Freiburg und Mulhouse, Rolf Böhme und Jean-Marie Bockel, die sogenannte oberrheinische Bürgermeisterkonferenz, in der 16 Kommunen und Städte zu Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit regelmäßig zusammentrafen70. Gleichzeitig entschlossen sich die drei Regios in Basel, Freiburg und Colmar 1990, einen gemeinsamen Koordinierungsausschuss einzusetzen71. Diese Vernetzungsinitiativen kulminierten 1996 mit der Gründung der Regio TriRhena, die als Dachorganisation von nun an die Aktivitäten der drei Regios und der kommunalen Zusammenschlüsse im südlichen Oberrheinraum koordinieren sollte72. Auf regionaler Ebene machten sich schon 1992 erste Initiativen bemerkbar, die Arbeitsgruppe der Abgeordneten aus dem Elsass, BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz auf die Schweiz hin auszuweiten und in einen großräumigen Oberrheinrat umzufunktionieren73. Die Idee einer politischen Vernetzung am Oberrhein durch Gründung einer gemeinsamen parlamentarischen Versammlung wurde dann 1993 bei den periodischen Treffen des Conseil régional d’Alsace und des Landtags Baden-Württemberg auf Initiative von Präsident Marcel Rudloff wieder aufgenommen und nach seinem Tod 1996 dann von seinem Nachfolger, Adrien Zeller, realisiert74. Am 16. Dezember 1997 konnte die Vereinbarung zum Oberrheinrat unterzeichnet werden, in dem 71 lokale und regionale Abgeordnete aus den Parlamenten und Städteräten der Länder BadenWürttemberg, Rheinland-Pfalz, dem Elsass und den Kantonen der NordWestschweiz einen Sitz haben75. Interessant ist dabei von der Governance-Struktur her betrachtet, dass die Parlamentarier nicht das Gebiet ihrer nationalen Kollektivität repräsentieren, sondern jeweils eine von drei grenzüberschreitenden Teilregionen (siehe nachfolgende Karte)76. Dazu wurden in den Oberrheinrat zwei schon bestehende Teilräume integriert: Die Arbeitsgemeinschaft Pamina umfasste das deutschfranzösische Gebiet im Norden, während die Arbeitsgemeinschaft Regio TriRhena den deutsch-französisch-schweizerischen Kooperationsraum mit einschließt. Es stellte sich nun die Frage, wie das Vakuum in der Mitte, wo es kein grenzüberschreitendes Gremium lokaler Politiker gab, gefüllt werden konnte. Für die Funktionstüchtigkeit des Oberrheinrates war es somit notwendig, wieder eine neue grenzüberschreitende Gruppe zu bilden: 1999 wurde die Arbeitsgemeinschaft Centre gegründet, in die lokale Politiker aus dem Raum StrasbourgKehl/Ortenau delegiert wurden. Der dritte Teilraum am Oberrhein war damit abgedeckt77. (Siehe folgende Karte) 70 71 72 73 74 75 76 77
SPEISER, B., op.cit., S.65; Cf. ADBR 1585W9. 1.Sitzung am 3.5.1990 in Freiburg. ZOLLER SCHEPERS, R., op.cit., S.62. ARB, Regio TriRhena, modèle de développement, Broschüre, Basel, 1998, S.3. ADBR 1799W2, Sitzung der Arbeitsgruppe der Abgeordneten am 7.2.1992. WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit., S.381-382 ; RUDLOFF, M., Souvenirs pour demain, Strasbourg 1996, S.128-130. Vereinbarung zur Gründung des Oberrheinrates, konstituierende Sitzung 23.4.1998; NAGELSCHMIDT, M., op.cit., S.135. Quelle : Informationsbroschüre für den 8. Dreiländerkongress Bürger sein am Oberrhein, Région Alsace, September 2001. La Communauté de travail CENTRE, Broschüre, Landratsamt Ortenaukreis, Offenburg, 2001, die konstituierende Sitzung fand am 10.6.1999 statt, cf. „La Communauté de travail CENTRE : un maillon manquant au niveau du Rhin supérieur“, Bulletin n°6, ORK, Oktober 1999.
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Zuletzt fand eine nicht unerhebliche Vernetzung von Governance-Strukturen in den 1990er Jahren auch auf der Verwaltungsebene statt. So wurden z.B. zwischen den von 1990 bis 1995 eingerichteten vier grenzüberschreitenden Informations- und Beratungsinstanzen (Infobest) in Lauterburg, Kehl, Vogelgrun und Basel eine Koordinationsgruppe geschaffen, in der die Mitarbeiter ihre Informationen und Erfahrungen im Umgang mit der grenzüberschreitenden Bevölkerung austauschten78. Da die Infobest-Stelle in Kehl zudem in einem Gebäude – der Villa Rehfus – untergebracht war, in der auch noch weitere grenzüberschreitende Strukturen ihren Platz fanden, erkannte man schnell mögliche Synergie-Effekte: Ein reger Austausch über Aktivitäten und Bedarf an Kooperation fand ab Mitte der 1990er Jahre zwischen der Infobest Kehl, dem Oberrheinkonferenz-Sekretariat und dem deutsch-französischen Euro-Institut für Fortbildung am Oberrhein statt79. Das Problem dieser horizontalen Vernetzung von Oberrheinstrukturen lag darin, dass sie auf rein informeller und freiwilliger Basis der dort tätigen Mitarbeiter initiiert und erst ab dem Jahr 2000 von den nationalen Verwaltungsstellen oder der Politik am Oberrhein gefördert wurde80. Letztere konzentrierten sich vorerst eher auf die offiziellen Gremien der institutionellen Zusammenarbeit, d.h. den Oberrheinrat, die Oberrheinkonferenz, die Dreiländerkongresse und Interreg, bei denen jedoch bis Ende der 1990er Jahre noch ein erhebliches Manko an horizontalen Verknüpfungen zu beklagen war. Dazu kam noch, dass eine inhärente Resistenz gegen Veränderungen oder Vernetzung von Governance-Strukturen den Aufbau einer effizienten Mehrebenen-Politik verhinderte: Der Oberrhein litt unter einer Art „Dinosaurier-Reflex“, der sich vor allem in den bis 1991 gebildeten grenzüberschreitenden Instanzen bemerkbar machte.
78 79 80
HERMANN, P., ANDLER, C., „Le réseau des INFOBEST“, Revue de la coopération transfrontalière, n°4, Dezember 1996, S.50. BECK, J., „Le réseau des bureaux d’information pour le citoyen“ in L’Europe du citoyen dans l’espace du Rhin supérieur, Kolloquiumbericht vom 30.6.-1.7.1998, Brüssel, LACE Strasbourg, Région Alsace, 1998, S.29. Die in der Villa Rehfus untergebrachten Instanzen und die Euro-Info-Verbraucher Stelle wurden dann durch ein Interreg III Projekt am 13.10.2003 als grenzüberschreitendes Kompetenzzentrum vernetzt, cf. http://www.kompetenz-zentrum.org/wDeutsch/kompetenzzentrum. shtml (4.5.2010).
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2.2. Der Dinosaurier-Reflex: Verkrustung, Parallelität und Konkurrenz der grenzüberschreitenden Strukturen Der „Dinosaurier-Reflex“ am Oberrhein zeichnet sich vor allem durch zwei vorherrschende Prinzipien aus. Erstens gilt es, einmal geschaffene Institutionen aufrechtzuerhalten, nach dem Motto, dass wenn sich die Partner am Oberrhein über die Grenzen hinweg schon einmal auf eine gemeinsame Struktur verständigen, diese im Nachhinein nicht wieder in Frage gestellt werden sollte81. Zweitens wurde grundsätzlich jeder neu geschaffenen Struktur zunächst das Misstrauen der schon etablierten Akteure vor Ort entgegen gebracht. Neue GovernanceStrukturen könnten die Arbeitsweise der bestehenden Instanzen in Frage stellen, ihnen Kompetenzen abstreiten oder Doppelarbeit zu schon behandelten Themen leisten82. Es gilt also die Devise für schon bestehende Gremien, nicht mit neuen Strukturen zusammen zu arbeiten, sondern sich so weit wie möglich von diesen abzugrenzen. Dies führte trotz der Reformbewegungen in den 1990er Jahren zu einer Verkrustung, Parallelität und zu Konkurrenzverhalten im GovernanceSystem der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein83. Alle drei Phänomene können sowohl bei der Oberrheinkonferenz, den Dreiländer-Kongressen, wie auch den Interreg-Programmen beobachtet werden. Sie verhinderten insbesondere, dass eine horizontale Vernetzung dieser Strukturen stattfand. Der Dinosaurier-Reflex kam zwar bei der Gründung der Oberrheinkonferenz 1991 zunächst nicht zum Ausdruck, blockierte jedoch schon von Beginn an den Versuch, Reformen durchzuführen, die eine effizientere Governance der institutionellen Zusammenarbeit bewirkt hätten können. Zwar wurden die beiden Regionalausschüsse zusammengeführt; dabei blieb jedoch die Modernisierung der Entscheidungsprozeduren und der in der Oberrheinkonferenz tätigen AkteursZusammensetzung aus84. So wurde sowohl im Präsidium als auch in den Arbeitsgruppen nach wie vor nach dem Prinzip des Konsens und der Einstimmigkeit verfahren, ohne dabei z.B. zur Effizienzsteigerung in bestimmten Fragen das Mehrheitsprinzip in Betracht zu ziehen85. Auch der anfängliche Rationalisierungseffekt blieb schnell auf der Strecke. Kaum gegründet, schuf die Oberrheinkonferenz nach und nach immer mehr Arbeitsgruppen und innerhalb dieser Expertenausschüsse, sodass nicht eine Verschlankung der Governance-Formen, sondern eine wuchernde, immer komplexere Struktur entstand, in der das Konsensus-Prinzip noch dazu beitrug, die Entscheidungswege immer schleppender und langwieriger zu machen86. Bis im Jahre 2000 wurden zehn Arbeitsgruppen eingerichtet (zu den Themen Umwelt, regionale Wirtschaftsförderung, Kultur, Katastrophenschutz, Raumordnung, Bildung, Drogen, Jugend, Gesundheit, Verkehr) 81 82
83 84 85 86
BECK, J., „Patterns of administrative culture in cross-border cooperation“, in BECK, J., THEDIECK, F., op.cit., S.203. Dasselbe Misstrauen führt auch generell zu Resistenz gegen die Einrichtung grenzüberschreitender Strukturen, cf. CASTEIGTS, M. „La mise en cohérence des politiques publiques en territoire transfrontalier“, in: WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Vol.1), op.cit., S.313-317. NAGELSCHMIDT, M., op.cit., S.203-205. FREY, M., „Les concepts d’une gouvernance régionale transfrontalière“, op.cit., S.337. Ibid. LANG, S., op.cit., S.186.
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und die meisten von ihnen setzten noch jeweils ein bis zu sieben Expertenausschüsse ein87. Die Multiplikation dieser Arbeitsgruppen war dabei eine direkte Konsequenz aus einer parallelen und durch Konkurrenzverhalten ausgeprägten Entwicklungsstrategie gegenüber den Dreiländer-Kongressen. Wurde ein DreiländerKongress zu einem bestimmten Thema organisiert, reagierte die Oberrheinkonferenz entweder im Voraus oder direkt nach dem Kongress mit der Gründung einer Arbeits-oder Expertengruppe zu demselben Thema. Die Reaktion auf den 4. Dreiländer-Kongress, der 1992 in Karlsruhe zum Thema „Wirtschaft am Oberrhein“ stattfand war, dass die ehemalige Arbeitsgruppe zur regionalen Wirtschaftsförderung des dreiseitigen Regionalausschusses sofort wieder ins Leben gerufen und neu auf die Schwerpunkte des Dreiländer-Kongresses hin ausgerichtet wurde88. Als die Région Alsace 1992 ankündigte, dass sie den nächsten Dreiländer-Kongress 1995 zum Thema Bildung, Jugend und Beruf 1995 organisieren würde, schuf die Oberrheinkonferenz sogar noch im Dezember 1992 eine Bildungsgruppe, die aber erst funktionsfähig wurde, nachdem ihr die Resultate des Dreiländer-Kongresses übermittelt wurden89. Für das Thema Jugend engagierte sich der beim 5. Dreiländer-Kongress federführende Schweizer Politiker Marc Flückiger für die Einrichtung einer entsprechenden Arbeitsgruppe bei der Oberrheinkonferenz90. Sie wurde zunächst als Expertenausschuss 1995 an die Arbeitsgruppe Bildung angeschlossen und erhielt 1997 den Status einer unabhängigen Arbeitsgruppe91. Der von den Schweizern in Basel ausgerichtete 6. Dreiländer-Kongress zum Thema Handwerk und Gewerbe hatte einen Expertenausschuss in der Arbeitsgruppe Wirtschaft zur Berufsbildung zur Folge. Nur der Dreiländer-Kongress zur Raumordnung, der 1999 in Neustadt an der Weinstraße stattfand, verursachte keine neue Arbeitsgruppenbildung in der Oberrheinkonferenz, da zu diesem Thema schon seit Gründung der Regierungskommission 1975 eine entsprechende Gruppe existierte92. Die Mitglieder der Raumordnungsarbeitsgruppe versuchten aber schon zu Beginn der Vorbereitung des Kongresses, an dessen Gestaltung mitwirken zu können und gaben auch dementsprechende Stellungnahmen ab93. Der Ehrgeiz der Oberrheinkonferenz, sich durch Gründung von neuen Arbeitsgruppen oder durch direkte Mitwirkung ihrer bestehenden Arbeitsgruppen an den Dreiländer-Kongressen zu beteiligen, könnte als Vernetzungsbestreben der Governance-Strukturen am Oberrhein ausgelegt werden. Die deutschen und schweizerischen Partner der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sahen dies auch so und versuchten daher, eine Verknüpfung zwischen DreiländerKongressen und Oberrheinkonferenz zu fördern94. Zumal handelte es sich bei 87 88 89 90 91 92 93 94
BECK, J., „Patterns of administrative culture in cross-border cooperation“, op.cit., S.185. WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit., S.425. CF. ARB, 4. Sitzung der am Oberrheinkonferenz, 11.5.1992. ZOLLER SCHEPERS, R., op.cit., S.183, ARB, 5. Sitzung der Oberrheinkonferenz am 13.11.1992. Zur Entstehung der Arbeitsgruppe, cf. Quels projets transfrontaliers pour la jeunesse? , LACE Strasbourg, Région Alsace, Januar 2001. ARB, 8. und 12. Sitzung der Oberrheinkonferenz am 14.6.1996 und am 8.12.1997. Cf. http://www.conference-rhin-sup/themes/jugend (2.5.2010). WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit., S.430. Ibid., p.410-413. Cf. 7.Dreiländerkongress in Neustadt zum Thema Raumordnung 1999, Endbericht, Land Rheinland-Pfalz, Mainz, 1999. WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit., S.206-207.
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den Kongressen ja jeweils um ad-hoc Organisationsgremien, die nach der Veranstaltung aufgelöst wurden und somit die Umsetzung der Projektideen nicht leisten konnten. Die Oberrheinkonferenz mit ihren Arbeitsgruppen schien also dafür ein idealer follow-up Pool95. Auf französischer Seite sah man dies jedoch nicht so. Die Région Alsace weigerte sich strikt, die Ergebnisse der von ihr organisierten Kongresse in die von der Präfektur dominierten Oberrheinkonferenzstruktur einzuspeisen, um zu verhindern, dass der französische Staat so die von der Gebietskörperschaften geleistete Arbeit an sich reißen konnte. Als es 1995 darum ging, die Projekte des 5. Dreiländer-Kongresses von der Arbeitsgruppe Bildung der Oberrheinkonferenz umsetzen zu lassen, zog es die Région Alsace vor, eine eigene follow-up Gruppe einzusetzen96. Die Devise hieß also Parallelität und Konkurrenz anstelle von Komplementarität und Zusammenarbeit. Umgekehrt hatte die Région Alsace schon 1992 ihren Partnern am Oberrhein angeboten, die Dreiländer-Kongresse ganz abzuschaffen, da die wichtigsten Themenbereiche – Verkehr, Umwelt, Kultur, Wirtschaft – schon abgedeckt wären. Die deutsche und schweizerische Seite hatte sich jedoch geweigert, die bestehende Tradition der Kongresse in Frage zu stellen: Der Dinosaurier-Reflex machte sich auch hier wieder bemerkbar97. Bei den Interreg-Programmen am Oberrhein hatte die Verkrustung, Parallelität und Konkurrenz der Strukturen andere Ursachen. Sie war sozusagen ein Geburtsfehler, der mit der Schaffung zweier Interreg-Programme für zwei verschiedene Teilräume am Oberrhein – Pamina und Mitte-Süd – zusammenhing. Da das Pamina-Pilotprojekt Anfang der 1990er Jahre eine starke regionale Identität der lokalen Akteure im deutsch-französischen Grenzraum im Norden bewirkt hatte, wollten diese um jeden Preis an ihrem eignen Interreg-Programm festhalten98. Die Zweiteilung des Raumes im Interreg-Management wurde daher auch für die zweite Interreg-Phase von 1995 bis 2000 und sogar gegen den ausdrücklichen Wunsch der europäischen Kommission für das dritte Interreg-Programm bis 2006 beibehalten99. Dabei führte sie nicht nur zu einer überflüssigen Verdopplung der Interreg-Sekretariate, sondern war auch für den Bürger im Grenzgebiet unverständlich und ineffizient. Dieser musste nämlich für ein Projekt, das den gesamten Oberrhein betraf, zwei unterschiedliche Anträge bei den beiden InterregSekretariaten einreichen100. Obwohl eine gewisse Koordination beider Program95
Beim 4. Dreiländerkongress zur Wirtschaft wird die Verbindung sogar in die Schlusserklärung integriert, cf. ARA, 1916WR3, Schlusserklärung des 4. Dreiländerkongresses Wirtschaft am Oberrhein. 96 ARA 1916 WR34, Bilanz des Kongresses, Arbeitsgruppensitzungen am 30.4.1996 und 9.6.1997. 97 ARA 1916 WR17, Vorbereitung des 5. Dreiländerkongresses, interne Notiz von Patrick Goeggel, Région Alsace, 2.7.1992: Das Problem war, dass die Präfektur das Thema Kongresses vorgeben wollte und die Région Alsace daraufhin als erste Reaktion die Dreiländer-Kongresse ganz abschaffen wollte. Als das nicht ging, schlug sie danach selbst ein Kongressthema vor. 98 WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit., S.359. 99 „Programme opérationnel Interreg III A Centre-Sud“, Région Alsace, Strasbourg, November 2001; „Programme opérationnel Pamina“, Pamina-Stelle, Lauterbourg, November 2001, Cf. Reden der Verantwortlichen der Programme beim Kolloquium zur Zukunft Interregs in Basel in JAKOB, E., „Rendez-vous 2000 der europäischen Grenzregionen“, Schriften der Regio 18, Basel/Frankfurt am Main, 2001. 100 Synthèse Interreg II – Mise en œuvre par les régions frontalières françaises et leurs partenaires, LACE, Région Alsace, August 1999, S.43-51 ; AUBIER, A., „Analyse des Programmes opérationnels Interreg dans les régions frontalières françaises : la coopération transfrontalière : une réalité en devenir ?“, Masterarbeit, Strasbourg, 1996-1997, S.60.
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me unausweichlich war, da über die großräumigen Anträge gemeinsam abgestimmt werden musste, herrschte insgesamt ein Konkurrenzverhalten zwischen den beiden Strukturen vor, insbesondere zwischen den zwei federführenden französischen Gebietskörperschaften, dem Département Bas-Rhin (Pamina-Programm) und der Région Alsace (Programm Mitte-Süd). Beide versuchten, mit möglichst vielen Projekten zu beeindrucken, obwohl diese Haltung zu unnötigen Doppelspurigkeiten führte: Jedes Programm bestand auf seine eigenen grenzüberschreitenden Fahrradwege, Infobest-Stellen, Projekte zur Förderung der Zweisprachigkeit, usw.101. Erst nachdem die Europäische Union (EU) für die Periode 2007 bis 2013 eine grundlegende Reform der Regionalpolitik ankündigte, bei der das Interreg-Programm als neues Ziel der territorialen Kohäsion direkt in die Strukturfonds mit integriert wurde102, mussten die Akteure am Oberrhein die Fusion ihrer beiden Interreg-Strukturen in ein gesamtflächiges, einheitliches Programm mit einem einzigen Sekretariat in der Région Alsace akzeptieren103. Was den 1997 gegründeten Oberrheinrat betraf, ließ sich bis zum Jahr 2000 zwar keine Verkrustung seiner Struktur, aber eine Parallelität und Konkurrenz gegenüber den anderen Oberrheingremien identifizieren. So wurde vor allem zwischen der Oberrheinkonferenz und dem Oberrheinrat auch im Reformvertrag von Basel keine funktionelle Verbindung hergestellt104. Der Oberrheinrat bildete seine Gremien zwar in enge Anbindung an die bestehenden Arbeitsgemeinschaften in der Pamina-Region und der Regio TriRhena, die Exekutivebene der Oberrheinkonferenz wurde jedoch nur bedingt bei der Strukturkonzeption bedacht: Der Oberrheinrat sollte nämlich deren Arbeiten lediglich „begleitend unterstützen“105. Das „politische Pendant“ zur Oberrheinkonferenz sollte vor allem unabhängig von dieser aktiv und seine Arbeitsgremien, Projekte und Resolutionen keiner Kontrolle durch die regionalen Regierungsvertreter unterworfen werden106. Daher agierte der Oberrheinrat auch zunächst weitgehend parallel zur bestehenden institutionellen Zusammenarbeit. Dazu kam noch, dass der Hauptinitiator auf französischer Seite die Région Alsace war, die sowieso ein reges Misstrauen gegen die vom französischen Staat stark beeinflusste Oberrheinkonferenz regte107. Umgekehrt wurde auch von der Oberrheinkonferenz keine starke Verflechtung mit dem Oberrheinrat gewünscht. Es handelte sich zwar bei letzterem um eine parlamentarische Versammlung, die normalerweise das demokratisch legitimierende Element in jeder Governance-Struktur darstellt; dem Oberrheinrat fehlte es jedoch eben an jener Legitimität, da er nicht direkt von der Bevölkerung gewählt, sondern aus von den regionalen Gemeinschaften benannten lokalen und regionalen Politikern zusammengesetzt wurde108. Demensprechend verfügte der Oberrheinrat auch über keine delegierten grenzüberschreitenden Kompeten101 Cf. Interreg dans le Rhin supérieur, Broschüre Région Alsace, Mai 2004, cf. www.interregdfch.org (2.2.2010). 102 Entscheidung des Rates der EU bezüglich der strategischen Orientierungen der Gemeinschaft im Bereich der Kohäsion vom 18.8.2006, cf. Règlement CEE n°1083/2006 des Rates, 11.7.2006, 103 Entscheidung der Europäischen Kommission C2007 5136 vom 24.10.2007 über das operationelle Programm Interreg IV Oberrhein, cf. www.interreg-rhin-sup.eu (5.5.2010). 104 FREY, M. „Les concepts d’une gouvernance régionale transfrontalière“, op.cit., p.333. 105 NAGELSCHMIDT, M., op.cit., S.137; Cf. ARA, Vereinbarung zur Gründung des Oberrheinrates, Art.12. 106 Ibid., Rede Adrien Zellers zur konstituierenden Sitzung am 23.4.1998. 107 WASSENBERG, B., Vers une eurorégion?, op.cit., S.385. 108 NAGELSCHMIDT, M., op.cit., S.175-176,182.
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zen und Entscheidungsbefugnisse. Von der Oberrheinkonferenz, die ja aus den regionalen Regierungsvertretern besteht, wurde dies auch gar nicht angestrebt, da die Einrichtung eines gewählten grenzüberschreitenden Parlamentes die Souveränität der Nationalstaaten in Frage stellen würde. Vor allem die französische Präfektur beobachtete daher den Oberrheinrat mit genau so viel Argwohn wie die Région Alsace die Oberrheinkonferenz109. Außer dem vagen Versprechen, die Beschlüsse des Oberrheinrates mit zu berücksichtigen und einer informellen Übereinkunft zum Informationsaustausch wurde daher von der Regierungsebene keine organische Verbindung der Oberrheinkonferenz zur parlamentarischen Instanz der Kooperation geschaffen110. Ein multi-level-Governance Ansatz für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein, bei dem es um die progressive Verzahnung von lokalen, regionalen, nationalen und europäischen Politikebenen geht, wurde erst mit der Idee einer gemeinsamen Metropolregion, in der mehrere grenzüberschreitende Eurodistrikte eingegliedert werden, möglich. 2.3. Metropolisierung und multi-level-Governance (2000-2010) Im Jahre 2000 verabschiedete der Europäische Rat die „Lissaboner Strategie“, die zum Ziel hat, die europäische Wirtschaft zu dynamisieren und für den Wettbewerb in der globalisierten Weltwirtschaft aufzurüsten. Teil dieser Strategie war es auch, im Rahmen der EU die Bildung von Metropolregionen als attraktive Standorte für Wirtschaftsinvestoren zu fördern111. Dabei definierte der Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU eine Metropolregion als einen Raum, der durch die Dominanz eines dynamischen Zentrums, d.h. einer Stadt oder einer Agglomeration gekennzeichnet ist und dessen Ausstrahlungs- und Entwicklungspotential die Umgebung so beeinflusst, dass ein potentielles Wirtschaftswachstum für die gesamte Region entsteht112. Bei der Umsetzung der Lissaboner Strategie ging es also darum, Metropolregionen als Wachstumssteigerungsfaktoren für die EU-Wirtschaft einzusetzen. Im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wurde die Idee der Metropolregionen schnell als neues Entwicklungsmodell für Grenzregionen aufgenommen113. Dabei ging es vor allem zunächst um die Raumordnungsgestaltung für grenzüberschreitende Agglomerationen, die sich um eine größere Stadt herum herausgebildet hatten. Als herausragendes Beispiel dafür kann die Eurometropole Lille-Kortijk-Tournai an der französisch-belgischen Grenze genannt werden, die seit 1991 im Rahmen einer Conférence permanente intercommunale transfrontalière (COPIT) zusammenarbeite, im Jahre 2000 dann beschloss, einen institutionellen Rahmen, d.h. einen Verein für diese Kooperation zu bilden und 109 Idid., S.148: Delegationsleitertreffen der Oberrheinkonferenz am 12.10.1988 in Freiburg. 110 Ibid. Das Oberrheinkonferenzsekretariat dient als Informationsscharnier für diesen Informations-austausch. 111 Europäischer Rat in Lissabon, März 2000. Cf. La stratégie de Lisbonne, une voie européenne dans la mondialisation, französische Regierung, Bericht an den Premier Minister, Fondation Robert Schuman, 2007. 112 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Les aires métropolitaines: implications socio-économiques pour l'avenir de l'Europe“, Punkt 2.3. 113 WASSENBERG, B., „L’eurorégion du Rhin supérieur: mythe ou réalité?“, in : WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Vol.1), op.cit., S.356.
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sich 2008 dann als erster Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) mithilfe des neuen EU-Rechtsinstrumentes zu einer Governance-Instanz mit juristischer Persönlichkeit verhalf114. Am Oberrhein hatte die Konzentration der EU auf grenzüberschreitende Ballungsräume zunächst zur Folge, dass man sich wieder auf die lokale Ebene der Zusammenarbeit zurück besann. Das Problem im Oberrheingebiet war nämlich, dass es nicht nur eine dominante Stadt gab, sondern gleich mehrere – Karlsruhe, Strasbourg, Freiburg, Basel – die alle um eine zentrale Stellung in einer zu konstruierenden Metropolregion rangen115. In Anbetracht dieses Problems wurde daher anstelle des großräumigen Ansatzes zunächst auf kleinräumiger, lokaler Ebene gehandelt116. Dabei kam es Anfang 2003 zu einer deutsch-französischen Initiative der beiden Regierungschefs, Jacques Chirac und Gerhard Schröder, die anlässlich des 40. Jahrestages des Elysée-Vertrages die Idee eines Eurodistriktes Strasbourg/ Kehl wieder aufbrachten117. Letztere war schon 1990 im Rahmen eines grenzüberschreitenden Forums im Europarat initiiert worden und hatte nun im Kontext des Metropolisierungstrendes und des regen Interesses von Seite der Regierungen in Paris und Berlin Aussicht auf Realisierung118. Nach Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung der Minister für Europäische Angelegenheiten, Noëlle Lenoir und Hans Martin Bury, am 30. Juni 2003 wurde 2004 zunächst ein Weißbuch zum Eurodistrikt Strasbourg/Kehl-Ortenau vorgelegt und am 5. Juli 2005 das Gründungsabkommen von der Communauté urbaine Strasbourg (CUS) und dem Ortenaukreis unterzeichnet119. Ziel des Eurodistriktes war es, eine interkommunale Zone der grenzüberschreitenden Entwicklung zu etablieren, in der die politische Zusammenarbeit der beteiligten Kommunen, aber auch das tägliche Leben der Bürger im Grenzraum durch bessere Verkehrsverknüpfungen und Bürgernahe Kooperationsprojekte gefördert werden sollte120. Das Konzept des Eurodistriktes wurde dann schnell in andere Teilregionen am Oberrhein exportiert. Zunächst wurde am 5. Juli 2006 zwischen den Städten Freiburg und Colmar der Eurodistrikt „Grand Pays de Colmar-Region Freiburg“
114 VAN STAEYEN, J., „Les collectivités locales, acteurs de la coopération transfrontalière : l’exemple des intercommunalités de l’eurométropole Lille-Kortrijk-Tournai“, in : WASSENBERG, B. Vivre et penser la coopération transfrontalière (Vol.1), op.cit., S.253, 254. 115 ITEN, A., STRIFF, O., „Die Europäische Metropolregion am Oberrhein“, in: ODENDAHL, K., TSCHUDI, H.M. (Hrg.), Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, St. Gallen, 2008. 116 FREY, M., „Eurodistrikte als neue Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein – Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten“, Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltung, Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg, 12/2005, 1.12.2005, S.450-51. 117 Deutsch-französische Erklärung am 40. Jahrestag des Elysée Vertrages, 22.1.2003, www.eurodistrict.eu (16.2.2010). 118 Archive des Europarates (AER), Konferenz der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, „EURODISTRICT, document de synthèse“, grenzüberschreitendes Forum, 17.3.1990, CPL/ AM (25), 1990. 119 Für eine detaillierte Beschreibung, cf. WASSENBERG, B., „Geschichte des Projekts Eurodistrikt Straßburg-Kehl mit Bezug auf die Dynamik der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein“, in: GROSSOUVRE, de, H., MAULIN, E., Eurodistrikt Straßburg Ortenau Konstruktion eines lebendigen Europa, Vevey, 2009, S.95-104, Weißbuch für die Region StraßburgOrtenau, Juni 2004, www.strasbourg-ortenau.org (2.3.2010). 120 Cf. Die Kommission Strasbourg/Kehl, www.espacestransfrontaliers.org/indexsite.php (3.5.2010).
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gegründet121. Danach wurde die seit 2002 existierende Trinationale Agglomeration Basel (TAB) am 26. Januar 2007 in einen Eurodistrikt umgewandelt und schließlich entschied sich 2008 auch die Regio Pamina zur Umgestaltung in einen Eurodistrikt122. Bei der Bildung der Eurodistrikte kam zum ersten Mal der Dinosaurier-Reflex am Oberrhein nicht zum Tragen, sondern im Gegenteil ein auf Rationalisierung und Vernetzung bedachtes Projektmanagement. In zwei von vier Fällen, d.h. in Basel und in der Pamina-Region, wurde auf schon bestehende Strukturen zurückgegriffen, die in Eurodistrikte umfunktioniert wurden. Beim Eurodistrikt Strasbourg/Kehl handelte es sich zwar um eine neu geschaffene Instanz, diese wurde jedoch verwaltungstechnisch zunächst an die beteiligten Kommunen angebunden, um eine voreilige Schaffung neuer Institutionen zu vermeiden. Erst am 4. Februar 2010 wurde der Eurodistrikt als EVTZ mit Rechtspersönlichkeit konstituiert123. Außerdem wurde auch hier eine Rationalisierung vorgenommen, da die Arbeitsgemeinschaft Centre, die für den Oberrheinrat gegründet worden war, aufgelöst wurde und der Eurodistrikt Strasbourg/Kehl dessen Funktionen übernahm124. Mit der Schaffung der Eurodistrikte am Oberrhein war auf lokaler Ebene eine Art grenzüberschreitende Metropolisierung in mehreren Teilräumen vorgenommen worden, die auf regionaler Ebene noch zu ergänzen war. Um die Idee der Metropolregion zu verwirklichen, wurde dabei ebenfalls von Anfang an vermieden, in die alten Reflexe des Mille-feuilles – Verkrustung, Parallelität und Konkurrenzverhalten – zurückzufallen. Schon bei der Konzeption des Projektes wurden die verschiedenen Governance-Strukturen am Oberrhein mit eingebunden und langsam miteinander vernetzt. Zunächst wurde am 9. Februar 2006 in Freiburg beim 10. Dreiländer-Kongress zur „Zukunft des Oberrheins“ das Prinzip der Schaffung einer Metropolregion festgeschrieben125. Es wurde sogar verabredet, dass der nächste Dreiländer-Kongress ganz dem Thema der Metropolregion Oberrhein gewidmet würde. Daraufhin wurde entgegen der klassischen Trennung zwischen Kongressen und Oberrheinkonferenz Mitte des Jahres 2007 innerhalb der Arbeitsgruppe Wirtschaft der Oberrheinkonferenz ein ad-hoc Expertenausschuss mit dem Projekt der Metropolregion betraut126. Die Oberrheinkonferenz hatte nämlich schon im Vorfeld des Dreiländer-Kongresses im Jahr 2005 eine Machbarkeitsstudie zur Metropolregion bei BAK Basel Economics in Auftrag gestellt, die 2006 erschienen war und auf die sich die Mitglieder des Expertenausschusses nun beziehen konnten127. Die Resultate des Ausschusses flossen dann wiederum in den 11. Dreiländer-Kongress am 11. Januar 2008 in Strasbourg ein. Das Konzept der Metropolregion Oberrhein wurde dort von den 121 Cf. www.freiburg.de/servlet/PB/menu/1155039_pcontent_l1/navigate1176902379375.html (3.5.2010). 122 Cf. www.regio-pamina.eu, www.eurodistrictbasel.eu (3.5.2010). 123 www.eurodistrikt.eu (2.5.2010); FREY, M., Geplante Eurodistrikte am Oberrhein, Magisterarbeit, DHV, Speyer, 2004/2005, S.7. 124 WASSENBERG, B., „Geschichte des Projekts Eurodistrikt Straßburg-Kehl“, op.cit., S.104: die Arbeitsgemeinschaft Centre löst sich am 30.5.2006 auf. 125 Schlusserklärung des 10. Dreiländerkongresses in Freiburg „Die Zukunft des Oberrheins in einem erweiterten Europa“ , in: www.regbas.ch/f_activites_congrestripartites.cfm (5.2.2010). 126 Archives de la conférence du Rhin supérieur, réunion du comité directeur de la Conférence du Rhin supérieur, 15.6.2007, in : www.conference-rhin-sup.org, rubrique région métropolitaine 127 Der Oberrheinraum als europäische Metropolregion, Studie, BAK Basel economics, Juni 2006, S.3.
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regionalen Politikern und den Bürgermeistern der größeren Städte, die speziell aus diesem Anlass zum Kongress eingeladen waren, verabschiedet. Es fand daher sowohl eine Vernetzung von Governance-Strukturen (Kongress und Oberrheinkonferenz), wie auch von Akteuren verschiedener Ebenen (lokale und regionale Politiker) statt128. Auch das Konzept der Metropolregion selbst wies auf einen integrierten, rationalisierenden multi-level-Governance Ansatz hin. Die Expertengruppe schlug keine neuen Institutionen für den Oberrhein vor, sondern präsentierte ein VierSäulen-Modell, das alle bestehenden Strukturen und Akteure integrierte und durch die Symbolik der Säulen sogar auf die EU-Ebene, d.h. den Maastrichter drei-Säulen Vertrag implizit hinwies129.
Europäische Union
Europaïsche Wirtschaftsgemeinschaft (EG)
Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik
EU-Verträge
Metropolregion
Asylpolitik und innere Angelegenheiten
Politik
Wirtschaft
Wissenschat
Zivilgesellschaft
Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ)
Die Säulen waren thematisch in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft gegliedert und jeder Säule wurden die jeweiligen kompetenten Akteure zugeordnet, d.h. kommunale Vertreter, Regionalverbände und Eurodistrikte für die Politik, Handelskammern und Unternehmen für die Wirtschaft, Universitäten und Forschungszentren für die Wissenschaft, sowie Bürger-Vereine und Infobest-Stellen für die Zivilgesellschaft130. Ziel dieses neuen Ansatzes war es, nicht etwas Neuartiges zu schaffen, sondern das bereits Bestehende weiterzuentwickeln und die vorhandenen Akteure dabei konsequent mit zu beteiligen. Grundsatz war dabei sowohl die Verknüpfung schon bestehender Governance-Gremien innerhalb der Säulen, als auch das Prinzip der Selbstorganisation für jede einzelne Säule131. So bot sich die Oberrheinkonferenz z.B. als Koordinator für die Säule Politik an, in der aber sowohl Oberrheinrat und Eurodistrikte mit eingebunden waren.
128 Oberrhein, Modell für Entwicklung und Zusammenarbeit, Endbericht des 11. Dreiländerkongresses in Strassbourg, Région Alsace, Januar 2008, Schlusserkärung, S.36-37. 129 FREY, M., „Les concepts d’une gouvernance régionale transfrontalière“, op.cit., S.341. 130 Ibid. 131 Ibid., S.340. Schemavergleich: Birte WASSENBERG.
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Die Säule Wirtschaft wurde in die Obhut der Handelskammern gelegt, deren Ziel es war, so viele Wirtschaftsakteure wie möglich hinzuziehen, insbesondere auch größere Unternehmen, deren Investition am Oberrhein unbedingt erforderlich war132. Für die Wissenschaft waren zwar hauptsächlich die Universitäten die tragenden Akteure, es wurde aber am 11 Dreiländer-Kongress beschlossen, den folgenden Kongress zum Thema Wissenschaft und Bildung 2010 in Basel zu organisieren, sodass der Regio Basilisensis als Veranstalter für diesen Bereich eine nicht unerhebliche Rolle zukam133. Zuletzt engagierte sich die Staatskanzlei RheinlandPfalz besonders für die Säule Zivilgesellschaft, für die entschieden wurde, unter Mitwirkung der Infobest-Stellen eine Reihe von Bürgerforen mithilfe von InterregGeldern zu organisieren134. Die Metropolisierung am Oberrhein tendiert daher spätestens seit 2008 zu einem neuen Governance-Ansatz, der sich weg von Institutionen hin zu einem flexibleren projekt- und akteursorientierten Management für die wesentlichen Bereiche der Gesellschaft am Oberrhein orientiert. Bei diesem Management werden alle Governance-Ebenen – die lokale, regionale, nationale und europäische – mit einbezogen. Lokale, regionale und nationale Akteure sind in der Regierungskommission, der Oberrheinkonferenz, dem Oberrheinrat und den Eurodistrikten vertreten, während die europäische Ebene sowohl als Initiator der Metropolregion in der Lissaboner Strategie als auch operationell durch das seit 2007 einheitliche Interreg-Programm am Oberrhein ihren Platz findet. Ob diese neue Tendenz der multi-level-Governance beibehalten wird, hängt jedoch nicht zuletzt von der Entwicklung der Rahmenbedingungen, d.h. vor allem dem weiteren Europäischen Integrationsprozess ab.
Fazit Eine historische Analyse der grenzüberschreitenden Strukturen am Oberrhein kann den gleichfalls von der EU und den Politikwissenschaftlern seit den 1990er Jahren konstruierten Mythos einer optimalen „multi-level-Governance“ zwischen lokalen, nationalen und europäischen Akteuren in Grenzregionen, durch die letztere geradezu zu Mikro-Modellen der europäischen Integration erhoben würden, klar widerlegen. Sie zeigt erstens, dass das Governance-System am Oberrhein von 1963 bis Anfang der 1990er Jahre nach und nach, jeweils in Bezug auf den jeweilig vorherrschenden Kontext der Grenzregion und den jeweiligen Akteuren, aufgebaut wurde. Dadurch entstand ein Mille-feuilles von unterschiedlichen Strukturen – Regios, Regierungskommission, Regionalausschüsse, Dreiländer-Kongresse –, deren Funktionsweise nicht aufeinander abgestimmt war und die in keiner Weise in einem vernetzten Zusammenspiel multi-level-Governance betrieben. Auch die Einführung der Interreg-Initiative 1991 änderte nichts an dieser Tatsache, sondern 132 Oberrhein, Modell für Entwicklung und Zusammenarbeit, Endbericht des 11. Dreiländerkongresses in Straßburg, Région Alsace, Januar 2008, S.20-21. Zur Säule Politik, cf. www.oberrheinkonferenz.org/de/themen-und-projekte/metropolregion/ad-hoc-gruppe (2.5.2010). 133 Cf. Informationen der Regio Basiliensis zum 12. Dreiländerkongress www.congress2010.ch/ metropolregion-oberrhein.html (12.5.2010). 134 Oberrhein, Modell für Entwicklung und Zusammenarbeit, op.cit., S.24: Rede von Frank HEUBERGER, Rheinland-Pfalz.
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verkomplizierte durch neue europäische Programm-Strukturen noch weiter den institutionellen Rahmen am Oberrhein. Zweitens verdeutlicht diese historische Analyse, dass ab dem Beginn der 1990er Jahre das Governance-System am Oberrhein einem stetigen Reformdruck ausgesetzt war, der zu Veränderungen des institutionellen Gefüges – Gründung der Oberrheinkonferenz, Vertragsrevision von Basel –, zu Vernetzungen von bestehenden Strukturen – RegioTrirhena, Infobest – oder zu neuen Gremien – Oberrheinrat – führte, der jedoch nicht die gewünschte multi-level-Governance zur Folge hatte. Letztere wurde immer wieder durch den „Dinosaurier-Reflex“ am Oberrhein verhindert, d.h. durch das Festhalten an bestehenden Strukturen, die parallel zueinander und geprägt von gegenseitigem Konkurrenzverhalten funktionierten. Nur die neueren Entwicklungen seit 2003 mit der Schaffung von Eurodistrikten und der Umsetzung der Metropolregion lassen eine multi-levelGovernance am Oberrhein erkennen, die bestehende Strukturen in ein rationalisiertes Mehrebenensystem einzufügen versucht. Drittens wird jedoch durch den historischen Ansatz deutlich, dass jede Entwicklung Teil eines Gesamtprozesses ist, der sich in den allgemeinen Kontext der europäischen Integration eingliedert und dessen Rahmenbedingungen sich immer wieder ändern können. Die EU wird auch 2010 wieder vor neue Probleme gestellt – Wirtschafts- und Finanzkrise, Eurostabilitätskrise –, die sich auf die Zukunft der europäischen Regionalpolitik und letztendlich auch auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und deren Strukturen am Oberrhein auswirken könnten. Daher scheint die abschließende These von Martin Nagelschmidt bezüglich von Mehrebenensystemen durchaus angebracht: „Da sich sowohl die Staaten als auch die von ihnen gemeinsam gebildeten Mehrebenenstrukturen im Kontext des europäischen Integrationsprozesses in einem langsamen aber stetigen Veränderungsprozess befinden, ist eher mit immer wiederkehrenden Reformversuchen zu rechnen als mit einem einmal erreichbaren optimalen Zustand. Europäische grenzübergreifende Mehrebenensysteme sind als „work in progress, d.h. als prozesshaft zu verstehen“135.
L’ÉVOLUTION HISTORIQUE DE LA GOUVERNANCE DANS L’ESPACE RHÉNAN (1963-2010) Une analyse historique des structures transfrontalières du Rhin supérieur réfute le mythe construit dans les années 1990 d’une gouvernance multi-niveaux optimale entre les acteurs locaux, nationaux et européens dans les régions frontalières, à travers lesquelles les micro-modèles de l’intégration européenne seraient recensés. Elle montre d’abord que le système de gouvernance du Rhin supérieur de 1963 aux années 1990 s’est construit petit à petit à partir des structures et des acteurs existants. C’est ainsi qu’un « mille-feuille » de différentes structures – Re-
135 NAGELSCHMIDT, M., op.cit., S.203.
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gios, Commission intergouvernementale, Comités régionaux, Congrès tripartites – s’est constitué, dont les différentes fonctions ne sont jamais concertées et qui n’évoluent pas au sein d’un système connecté de gouvernance multi-niveaux. Le démarrage de l’initiative communautaire Interreg en 1991 n’a pas changé la donne, mais a, au contraire, compliqué le cadre institutionnel dans le Rhin supérieur en instaurant de nouvelles structures relatives aux programmes européens. Puis, cette analyse historique indique que le système de gouvernance du Rhin supérieur a été confronté à de nombreuses réformes au début des années 1990, qui ont conduit à la modification des structures institutionnelles – création de la Conférence du Rhin supérieur, révision du traité de Bonn par l’accord de Bâle –, à la mise en réseau de structures existantes – Regio Trirhena, Infobest – ou encore à la création de nouveaux organes – Conseil rhénan –, qui n’avait toutefois pas comme but d’instaurer la gouvernance multi-niveaux. Enfin, le « réflexe dinosaure », c’est à dire la volonté de rester attaché aux structures existantes, fonctionnant de manière parallèle et se trouvant en concurrence, a également joué un rôle dans le Rhin supérieur. Seules les évolutions récentes, à partir des années 2000, marquées par la création d’eurodistricts et la mise en place de la Région métropolitaine trinationale du Rhin supérieur, laissent entrevoir une gouvernance multi-niveaux dans le Rhin supérieur, qui cherche à inclure les structures existantes dans un système rationnalisé à plusieurs échelles. L’approche historique permet enfin de comprendre que chaque développement fait partie d’un processus global qui s’intègre dans le contexte général de l’intégration européenne, dont les contours peuvent changer. L’Union européenne (UE) sera confrontée à de nouveaux problèmes en 2010 – la crise économique et financière, la crise de stabilité de l’euro – qui pourraient avoir un impact sur la politique régionale européenne et par extension sur la coopération transfrontalière et ses structures dans le Rhin supérieur.
THE HISTORICAL EVOLUTION OF GOVERNANCE IN THE UPPER RHINE REGION (1963-2010) A historical analysis of the Upper Rhine cross-border structures refutes the myth created in the 1990s according to which micro models of European integration would be identified through an optimal multi-level governance between local, national and European stake-holders in border regions. It shows first of all that the governance system in the Upper Rhine from 1963 to 1990 was built up gradually from existing structures and stake-holders. Thus, multiple layers of different structures – Regios, Intergovernmental Commission, Regional Committees, Tripartite Congress – were formed, but their different duties were never coordinated and their development was not within a connected system of multi-level governance. No change came about after the launch of Interreg in 1991, on the contrary, the institutional framework in the Upper Rhine was complicated further because new structures for implementing European programmes were set up. This historical analysis then goes on to point out that the governance system in the Upper Rhine faced many reforms in the early 1990s, which led to a change
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in the institutional structures – the Upper Rhine Conference was established and the Basel Treaty was revised; to the setting up of a network of existing structures – Regio TriRhena, Infobest; and to the creation of new bodies, for example the Upper Rhine Council, which was not meant however to instigate a system of multilevel governance. Finally, the “dinosaur reaction”, i.e. the desire to remain attached to existing structures, which operate in parallel and in competition, also played a role in the Upper Rhine. Only recent changes brought about since the 2000s, distinguished by the creation of the Eurodistricts and the setting up of the Upper Rhine Metropolitan Region, suggest a system of multi-level governance in the Upper Rhine which seeks to include the existing structures in a multi-level streamlined system. The historical approach helps us to understand that each development is part of a comprehensive process that slots into the overall context of European integration, the contours of which can change. The EU will face new problems in 2010 – the economic and financial crisis, the stability crisis of the euro – which could have an impact on European regional policy, and by extension on crossborder cooperation and its structures in the Upper Rhine.
EINE INTEGRIERTE GRENZÜBERSCHREITENDE MULTI-LEVELGOVERNANCE FÜR DEN OBERRHEIN MICHAEL FREY 1. Der Oberrhein im Metropolregion-Prozess In der Schlusserklärung des 11. Dreiländerkongress am 11. Januar 2008 in Strasbourg haben sich die Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft verpflichtet, die Trinationale Metropolregion Oberrhein (TMO) in enger Zusammenarbeit auf der Grundlage einer Stärkung des grenzüberschreitenden Dialogs zu schaffen. Mit dem Projekt TMO sollen die als Säulen bezeichneten zukunftswichtigen Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft stärker als bislang vernetzt werden, insbesondere auch mit der bereits bestehenden Kooperation im Bereich Politik. Der Oberrhein hat für die Entwicklung der TMO einen evolutiven, keinen revolutionären Ansatz gewählt. Die Metropolregion und der darauf hinzielende Entwicklungsprozess werden nicht als etwas Neuartiges, sondern als konsequente Weiterentwicklung des bereits Bestehenden gesehen. Daher soll kein potentieller Partner für die Säulen der Metropolregion ausgeschlossen werden. Da in drei der vier Säulen bereits hinreichende Strukturen vorhanden sind, sollen auch keine neuen Strukturen geschaffen werden, um der Gefahr des Verlusts des gemeinsamen Instutitionenbezugs vorzubeugen und eine bessere Verankerung der Metropolregion in den vier Säulen sicherzustellen1. Aus diesem Grund gilt auch der Grundsatz der Selbstorganisation der Säulen. Die Akteure der Säulen sollen für die Strukturierung ihrer Säule selbst verantwortlich sein. Damit können eventuell bestehende Strukturierungsdefizite innerhalb der Säulen beseitigt und bestehende Strukturen weiterentwickelt und damit auch das personelle Substrat der grenzüberschreitend aktiven Teile der Säulen erhalten und aktiviert werden. Zudem kann dadurch auch einem Hineinregieren der Politik in die Säulen und damit einer Politikverflechtung2 vorgebeugt werden. Durch die Entwicklung von gemeinsamen Projekten noch während der laufenden Interreg IV-Förderperiode und die Definition von gemeinsamen Oberzielen soll die Quervernetzung der Säulen verbessert und damit das Endziel einer integrierten, d.h. säulen- und ebenenübergreifenden grenzüberschreitenden Strategiefähigkeit3 verwirklicht werden.
1
2 3
Es handelt sich um die Säulen: Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft, cf. FREY, M., „Les concepts d’une gouvernance régionale transfrontalière : l’exemple de la Région trinationale du Rhin supérieur“, in: WASSENBERG, B., Vivre et penser la coopération transfrontalière (Vol 1), Stuttgart, 2009, S.333. FÜRST, D., in: BENZ, A., LUTZ, S., SCHIMANK, U., SIMONIS, G. (Hrsg.), Handbuch Governance, Wiesbaden, 2007, S.353 (361). Als Merkmal einer multi-level-Governance; FÜRST, D., Handbuch Governance, op.cit., S.360.
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Dabei sollen die Akteure der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf der Basis von Komplementarität, Subsidiarität und Ressourcenökonomie enger zusammenarbeiten4. Im vorliegenden Text soll im Wesentlichen untersucht werden, wie diese Grundsätze im Bereich der Strukturierung der Säule Politik Anwendung finden können.
2. Die derzeitige Struktur der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein und die verschiedenen Ebenen der Governance 2.1. Die derzeitige Struktur der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein Hierzu ist zunächst erforderlich, die derzeit bestehende Struktur der Säule Politik als Ausgangslage darzustellen. Sowohl das folgende Schaubild als auch die Darstellung ist idealisiert. Eine derartig klare Trennung der Ebenen hat in der Praxis nicht stattgefunden. Kaum definiert sind auch die Schnittstellen zwischen den einzelnen Ebenen beziehungsweise ihren grenzüberschreitenden Kooperationsgremien5. Die folgende Darstellung ist daher stark vereinfachend. Derzeitige grenzüberschreitende multi-level-Governance am Oberrhein6 Zusammenarbeit der Exekutive
D-F-CH Regierungskommission
AA, EDA, MAE
Länder, Kantone, frz. Staat, Région Alsace, Dép. 67 u. 68
4 5
6
nationale Ebene
Oberrheinrat regionale Ebene
D-F-CH ORK INFOBEST-Netzwerk
sowie kommunale Partner
Zusammenarbeit der „Gewählten“
PAMINA
PAMINA
Kehl/Stbg
Eurodistrikt Strasbg/Ortenau
Vogelgrun
Eurodistrikt FR/Centre Sud Alsace
PALMRAIN
Trinationaler Eurodistrikt Basel
kommunale Ebene
So auch festgehalten in der Gemeinsamen Erklärung für eine Trinationale Metropolregion Oberrhein (TMO), S.5. In der Geschäftsordnung der Oberrheinkonferenz steht hierzu lediglich: „Die Oberrheinkonferenz pflegt intensive Kontakte mit anderen Akteuren der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, um ein abgestimmtes und koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen.“, Art. 7 Abs. 2 der Geschäftsordnung, Stand: 15.6.2007. AA=Auswärtiges Amt, EDA=Eidgenössisches Department für Auswärtige Angelegenheiten, MAE=Ministère des Affaires étrangères; D-F-CH ORK= Deutsch-französisch-schweierische Oberrheinkonferenz; Eurodistrikt FR=eurodistrikt Freiburg.
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Die Einteilung der grenzüberschreitenden Strukturen in eine nationale, regionale und kommunale Ebene bestimmt sich nach der jeweiligen Ebene der nationalen Partner, deren grenzüberschreitenden Aktivitäten sie koordinieren. Institutionelles Dach der derzeitigen Struktur der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein ist demnach die nationalstaatlich gebildete deutschfranzösisch-schweizerischen Regierungskommission zur Prüfung und Lösung von nachbarschaftlichen Fragen7. Die nationalen Partner der Regierungskommission sind die nationalen Ministerien unter Federführung der Außenministerien. Sie stützt sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf die regionale Ebene, welche durch die Oberrheinkonferenz gebildet wird. Die Oberrheinkonferenz stellt damit den institutionellen Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der regionalen Verwaltungen am Oberrhein dar. Sie koordiniert die grenzüberschreitenden Aktivitäten der fünf nordwestschweizer Kantone (Basel-Stadt, Basel-Land, Solothurn, Aargau und Jura), der deutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie auf französischer Seite des französischen Staates vertreten durch die Préfecture de Région Alsace, der Région Alsace sowie die beiden elsässischen Départements BasRhin und Haut-Rhin8. Auf regionaler Ebene agiert neben der Oberrheinkonferenz, welche die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Verwaltungen koordiniert, der Oberrheinrat als grenzüberschreitende Einrichtung der politisch Gewählten9. Mitglieder des Oberrheinrats sind gewählte Vertreter aus den schweizerischen Kantonalparlamenten, den deutschen Landtagen, Landräten und kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften sowie die französischen Regional- und Generalräte und gewählte Mitglieder der größeren Städte. Die kommunale Ebene der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wird über die Eurodistrikte (Eurodistrikt Regio Pamina, Eurodistrikt Strasbourg/Ortenau, Eurodistrikt Freiburg/Centre-Sud-Alsace und Trinationaler Eurodistrikt Basel) abgedeckt. Eine substantielle Bürgerbeteiligung (etwa in Form einer grenzüberschreitenden Bürgerbefragung zu Sachthemen) oder gar eine unmittelbare demokratische Legitimation der grenzüberschreitend agierenden politischen Akteure10 hat bislang nicht stattgefunden. Die vier Infrmations- und Beratungsstellen (Infobest)11 ergänzen diese Kooperationsstruktur um ein Netzwerk von Bürgeranlaufstellen am Oberrhein, die den grenzüberschreitend aktiven Bürgern, also denjenigen Menschen am Oberrhein, welche die Grenze beruflich oder privat überschreiten und damit die hierfür relevante Zielgruppe darstellen.
7
Auf der staatsvertraglichen Grundlage des Bonner Abkommens (BGBl. 1976 II, S. 194) und der sog. Basler Regierungsvereinbarung (AS (CH) 0.131.21). 8 Die Details regelt die Geschäftsordnung der Oberrheinkonferenz cf. http://www. oberrheinkonferenz.de/de/downloads/offizielle-texte/ (10.09.2010). 9 Grundlage der Zusammenarbeit der Gewählten ist die Gründungsvereinbarung cf. http://sites.region-alsace.fr/NR/rdonlyres/0EAD757C-2355-46CF-B64E-41E20EBCFE98/677 /Grundungsvereinbarung.doc (10.12.2009). 10 Wie z.B. dem Oberrheinrat. 11 Nähere Informationen zum Infobest-Netzwerk unter www.infobest.org (10.09.2010).
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Mit dieser grenzüberschreitenden Kooperationstruktur, die sich am Oberrhein in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat12, ist zwar ein in seinen Grundsätzen von allen Akteuren im Wesentlichen mitgetragener Institutionenbezug13 entstanden. Die zentralen Funktionen der Einrichtungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind auf der jeweiligen Ebene das Erreichen von Kooperationszielen durch gegenseitige Information und Konsultation, gegenseitige institutionelle Selbstverpflichtung, die Entwicklung und Durchführung gemeinsamer Projekte sowie eine Sprachrohr- und Lobbyfunktion gegenüber den übergeordneten staatlichen und europäischen Politikebenen14. Es fehlt jedoch an einer klaren, auch für den Bürger erklärbaren Aufgabenteilung zwischen den einzelnen Ebenen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zwischen der regionalen und der kommunalen Ebene. Dies liegt vor allem daran, dass die Kofinanzierungspartner auf allen Ebenen – durch Interreg dazu ermutigt – gewissermaßen für immer neue Spezialprobleme Speziallösungen gefunden haben. Eine Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit aus einem Guss hat am Oberrhein, ganz im Gegensatz zu den Kooperationsräumen an den neuen Binnen- oder Außengrenzen der Europäischen Union (EU) nicht stattgefunden. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Akteure in mehreren Entwicklungswellen, aber jeweils unabhängig voneinander entstanden sind15, deren jüngste Entwicklungsstufe die Eurodistrikte16 sind. Daher ist ein Ziel des Metropolregionprozesses für die Säule Politik, eine für den Bürger erkenn- und erklärbare Aufgabenabgrenzung unter Weiterentwicklung der bestehenden Kooperationsstrukturen zu erreichen. 2.2. Ebenen der Governance der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein Für die Säule Politik geht es vor diesem Hintergrund darum, eine klare Aufgabenteilung in mehrerlei Hinsicht zu finden: Zunächst im Verhältnis zwischen den verschiedenen grenzüberschreitenden Einrichtungen, also zwischen den kommunalen Eurodistrikten als lokaler grenzüberschreitender Ebene am Oberrhein, der Oberrheinkonferenz und dem Oberrheinrat als regionaler Ebene und der Regierungskommission auf nationaler Ebene (externe Governance); sodann im Verhältnis zwischen den Aufgaben der grenzüberschreitenden Einrichtungen und der grenzüberschreitenden Aktivitäten ihrer Kofinanzierungspartner selbst. In diesem Verhältnis stellen sich typischerweise Fragen der Steuerung bzw. der Selbststeuerung grenzüberschreitender Einrichtungen. Diese dürften im Wesentlichen abhängig vom Organisationsstatut der jeweiligen grenzüberschreitenden Einrichtung sein. Grenzüberschreitende Einrichtungen mit eigener Rechts12 13 14 15 16
Zur Entwicklung der Strukturen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit: NAGELSCHMIDT, M., „Das oberrheinische Merhebenensystem“, Schriften der Regio 20, 2005, S.45ff. Zum gemeinsamen Institutionsbezug als Governance-Merkmal: FÜRST, D., Handbuch Governance, op.cit., S.363. NAGELSCHMIDT, M., Das oberrheinische Mehrebenensystem, op.cit., S.57ff. Cf. hierzu ausführlicher: NAGELSCHMIDT, M., Das oberrheinische Mehrebenensystem op.cit., S. 45ff. FREY, M., „Eurodistrikte als neue Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein: Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten“, VBlBW, 2005, S.449.
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persönlichkeit (wie etwa der Eurodistrikt Regio Pamina als grenzüberschreitender örtlicher Zweckverband (GÖZ)17, der Trinationale Eurodistrikt Basel als Verein nach droit local18 oder zukünftig der Eurodistrikt Strasbourg/Ortenau als Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ)19) weisen dabei in der Regel ein höheres Maß an Autonomie und damit an Selbststeuerung auf als Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit (wie die Deutsch-französisch-schweizerische Oberrheinkonferenz oder die Infobest-Stellen). Dies ergibt sich daraus, dass Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit zum einen typischerweise bereits über eine klar definierte Aufgabenbeschreibung und eine interne hierarchische Steuerung (durch einen Geschäftsführer) verfügen, zum anderen sind die direkten Weisungsmöglichkeiten der Kofinanzierungspartner satzungsmäßig beschränkt (etwa in Form von Beschlüssen der Lenkungsgremien). Ein direktes Weisungs- bzw. Disziplinarverhältnis zwischen den Kofinanzierungspartnern und den Mitarbeitern in den grenzüberschreitenden Einrichtungen wie dies bei den Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit infolge der Entsendung von Mitarbeitern der Fall ist, besteht in der Regel nicht. Darüber hinaus besteht für die Kofinanzierungspartner bei Einrichtungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit eine permanente direkte Steuerungsmöglichkeit. Das Konsensprinzip in Verbindung mit der Steuerung über nationale Delegationen als Alternative zur internen Hierarchie eignet sich damit infolge der zu respektierenden nationalen Souveränität insbesondere für hoheitliche Tätigkeitsfelder, jedenfalls solange keine ausdrückliche Übertragung von Kompetenzen auf die grenzüberschreitenden Einrichtun-
Externe und interne grenzüberschreitende Governance 1 2 3
Externe Governance zwischen den verschiedenen Strukturen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Verbindung mit ihren Kofinanzierungspartnern Interne Governance innerhalb der Strukturen
Kofinanzierungspartner A Kofinanzierungspartner B
Kooperationsstruktur
3
Kofinanzierungspartner C
2 Kofinanzierungspartner D Kooperationsstruktur
17 18 19
1 Kooperationsstruktur
Zu den verschiedenen Rechtsformmöglichkeiten siehe: FREY, M., „Eurodistrikte als neue Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein“, op. cit. Zum droit local: FREY, M., „Das droit local im ehemaligen Elsass-Lothringen“, VBlBW, 2005, S.201. Cf. hierzu : http://www.eurodistrict.eu/fr/Objectifs-4.html (10.09.2010).
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gen stattgefunden hat. Sofern die grenzüberschreitende Einrichtung Rechtspersönlichkeit hat und nur einer begrenzten Steuerung durch die Kofinanzierungspartner unterliegt, fällt diese Governance-Ebene ebenfalls unter die externe Governance, bei Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit ist dieses Verhältnis Teil von deren interner Governance. Eine dritte Ebene der grenzüberschreitenden Governance ist die interne Governance innerhalb der grenzüberschreitenden Einrichtungen. Die Strukturierungsmöglichkeiten der oberrheinischen grenzüberschreitenden multi-level-Governance sollen unter Berücksichtigung dieser Governance-Ebenen im Folgenden genauer untersucht werden.
3. Die Strukturgrundsätze einer grenzüberschreitenden regionalen multi-level-Governance im Einzelnen Bei der Strukturierung der grenzüberschreitenden multi-level-Governance, die sich am Oberrhein im Rahmen des Metropolregionprozesses vollziehen soll, besteht Einigkeit, dass die Schlusserklärung des 11. Dreiländerkongresses in Strasbourg die Grundlage bildet. Diese „Gemeinsame Erklärung des 11. Dreiländerkongresses“ in Straßburg am 11. Januar 2008 führt ausdrücklich aus, dass Aufgaben der Metropolregion gegenüber den kommunalen Institutionen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, nämlich den Eurodistrikten und der Regio Trirhena auf der Basis von Komplementarität, Subsidiarität und Ressourcenökonomie erfolgen soll20. 3.1. Komplementarität Komplementarität bezeichnet das Zusammenspiel zweier vollständig unterschiedlicher, sich aber ergänzender und gegenseitig bedingender Funktionen21. Im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und ihrer multi-levelGovernance ergeben sich zwei Komplementaritätsebenen: die der vertikalen Komplementarität zwischen gleichartigen Einrichtungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Hierarchieebenen (wie z.B. der Regierungskommission, der Oberrheinkonferenz und der Eurodistrikte im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Exekutive) und die der funktionalen Komplementarität zwischen unterschiedlichen Einrichtungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf derselben Ebene. Hierunter wäre die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Oberrheinrat als Gremium der Zusammenarbeit der Gewählten und der Oberrheinkonferenz als Einrichtung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Exekutiven zu subsumieren, aber auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Säulen der TMO (Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik), deren Zusammenarbeit unterschiedlichen Handlungslogiken folgt. Vertikale Komplementarität bedeutet, dass sich die lokale Ebene, im konkreten Fall die Eurodistrikte und die regionale Ebene, im konkreten Fall Oberrhein20 21
Wörtlich: „Gemeinsame Erklärung für eine Trinationale Metropolregion Oberrhein“. Zur Bedeutung des Begriffs Komplementarität in den verschiedenen Wissenschaften, cf. http://de.wikipedia.org/wiki/Komplementarit%C3%A4t (10.09.2010).
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konferenz und Oberrheinrat für die Säule Politik22 sowie die TMO für das Zusammenspiel der vier als Säulen ausgewiesenen Bereiche ergänzen und nicht ersetzen sollen. Zwischen regionaler Ebene und nationaler Ebene ist dies bereits heute durch die Basler Vereinbarung, welche die rechtliche Grundlage der Oberrheinkonferenz bildet, eindeutig geregelt: Nach Art. 4 Abs. 1 der Basler Vereinbarung23 behandelt die Regierungskommission diejenigen Fragen, die von der Oberrheinkonferenz nicht gelöst werden können. In der Praxis ist dies vor allem dann der Fall, wenn Kompetenzen berührt werden, die jeweils auf der nationalen bzw. föderalen Ebene angesiedelt sind. Aus dem Komplementaritätsprinzip lässt sich generell herauslesen, dass dabei Überschneidungen vermieden werden sollten. Dies könnte einerseits den Bereich der (Kofinanzierungs-)Partner und -Mitglieder, andererseits vor allem aber die jeweiligen Befassungskompetenzen der grenzüberschreitenden Akteure und Einrichtungen betreffen. 3.2. Subsidiarität Das Subsidiaritätsprinzip hat seine zentrale ideengeschichtliche Wurzel ausgehend von Aristoteles und Thomas von Aquin in der katholischen Soziallehre. Über die Enzyklika „Rerum Novarum“ (1891) fand es in der Enzyklika „Quadragesimo Anno“ (1931) seine klassische Formulierung24. In föderalen Staatssystemen, wie dem der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist das Subsidiaritätsprinzip ein wichtiger Staatsorganisationsgrundsatz. In der BRD ist das Subsidiaritätsprinzip nicht als allgemeines Staatsorganisationsprinzip grundgesetzlich verankert, sondern findet seit 1993 lediglich in Art. 23 I des Grundgesetztes (GG) Erwähnung, wonach die Bundesrepublik „bei der Entwicklung der EU mitwirkt, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist“. Bis dahin war umstritten, ob dem Subsidiaritätsprinzip der Rang eines ungeschriebenen Verfassungsgrundsatzes zukommen soll oder nicht25. Unabhängig davon wird anhand zahlreicher Grundgesetznormen deutlich, dass das Subsidiaritätsprinzip dem Grundgesetz vertraut ist bzw. dessen Verständnis zugrunde liegt26. Zunächst stellt der Menschenwürdegrundsatz des Art. 1 I GG eine Grundaussage zum Vorrang der kleinstmöglichen gesellschaftlichen Einheit, 22 23 24
25
26
Beschluss des Oberrheinrats vom 6.6.2008. Cf. http://www.oberrheinkonferenz.de/media/docs/146-BASEL_2000_D.pdf (10.09.2010). „Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen“, zitiert nach Acta Apostolica Sedis, XXIII, 1931, S. 203 (Amtliche vatikanische Übersetzung). Cf. zu dieser Diskussion: ISENSEE, J., Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, Berlin, 1968 (dafür); HERZOG, R., „Subsidiaritätsprinzip und Staatsverfassung“, Der Staat, 1963, S.399ff. (dagegen). Offen gelassen in Bundesverfassungsgesetz BVerfGE 58, S.253 („Es kann hier dahinstehen, ob das Subsidiaritätsprinzip überhaupt Verfassungsrang hat“.). Instruktiv hierzu: OPPERMANN, T., „Subsidiarität im Sinne des Deutschen Grundgesetze“, in: NÖRR, K.W., OPPERMANN, T., Subsidiarität und Wirklichkeit, Tübingen, 1997, S.215 (218f).
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dem Individuum, das nicht zum Objekt des staatlichen Handelns gemacht werden darf, dar. Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) manifestieren einen grundsätzlichen, durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzten Vorrang der Freiheit des Einzelnen. Art. 6 I GG, nachdem Ehe und Familie unter besonderem staatlichen Schutz stehen, sichert die Rolle der zweitkleinsten gesellschaftlichen Einheit gegenüber dem Staat. Eine weitere Schutzebene zugunsten kleinerer Einheiten lassen sich in der Autonomie der Universitäten (Art. 5 III GG), der Kirchen (Art. 140 GG), der Tarifautonomie (Art. 9 III GG) und des Parteienprivilegs (Art. 21 GG) sehen. Staatsorganisationsrechtlich postuliert Art. 30 I GG den Vorrang der Länderbefugnisse bei fehlender Aufgabenzuweisung an den Bund, was freilich den Bund infolge seiner Kompetenzkompetenz nicht daran hindern, sich durch Änderungen des Grundgesetzes neue Kompetenzen zuzusprechen. Auch in der Schweiz ist das Subsidiaritätsprinzip seit der Totalrevision 1999 ausdrücklich in der Bundesverfassung (BV) verankert. Art. 5a BV besagt ausdrücklich, dass bei der Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten ist. Dementsprechend üben die Kantone auch alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen worden sind (Art. 3 BV). Demgegenüber ist das Subsidiaritätsprinzip dem französischen Recht grundsätzlich fremd27. Dies hat seine Ursache einerseits in dem bereits zu Zeiten des Ancien Régime bestehenden, historischen Misstrauen des Zentralstaates gegenüber den lokalen Machthabern oder Statthaltern28. Auch die französische Revolution hat diesen Grundsatz nicht aufgegeben, sondern im Gegenteil sogar noch verstärkt29. Die Idee eines föderalistischen Frankreich wurde spätestens mit der Niederlage der Girondisten30 gegen die Jakobiner 1793 aufgegeben und war seit der Pariser Kommune 1871, welche diese Idee erneut vertrat, diskreditiert. Dieses Misstrauen findet sich demzufolge auch in zahlreichen französischen Rechtsgrundsätzen, die mit dem Föderalismus und dem als ihm eigen verstandenen Subsidiaritätsprinzip31 praktisch unvereinbar sind. Hier wären zu nennen insbesondere Art. 2 der französischen Verfassung von 1958, nach der Frankreich eine „République une et indivisible“ ist32. Demzufolge hat der französische (Zentral-) Staat allein die sogenannte Kompetenz-Kompetenz, also die Befugnis, seine eigenen Zuständigkeiten selbst festzulegen. Alle anderen Organe öffentlichen Rechts (wie öffentliche Anstalten und Staatsbetriebe, insbesondere aber die Gebietskör27 28 29
30 31 32
PUISSOCHET, J-P., „La subsidiarité en droit Français“, in : NÖRR, K.W, OPPERMANN, T., op.cit. S.205 (206). SIRJACQUES-MANFRASS, F., „Frankreich im Spannungsfeld zwischen Integration, Zentralstaat und Regionalismus“, in: TIMMERMANN, H. (Hrsg.), Subsidiarität und Föderalismus in der Europäischen Union, Berlin, 1998, S.101 (102). Als Beispiel kann hier die Äußerung von Abbé SIEYÈS (discours sur l'organisation du pouvoir législatif et la sanction royale, 7.9.1789, Assemblée nationale constituante) gelten: „La France ne doit pas être un Etat fédéral, composé d’une multitude de républiques unies par un lien politique quelconque“, zitiert nach PUISSOCHET, J-P., „La subsidiarité en droit Français“, op. cit. S.206; zum Gesamttext: cf. http://www.unice.fr/ILF-CNRS/politext/Sieyes/ sieyesTextes.html (10.09.2010); so auch : SIRJACQUES-MANFRASS, F., „Frankreich im Spannungsfeld zwischen Integration, Zentralstaat und Regionalismus“ op.cit. S.105. Cf.http://de.wikipedia.org/wiki/Girondisten#Politik (10.09.2010). DUHAMEL, O., MENY, Y., Dictionnaire constitutionnel, Paris, 1992 : principe de subsidiarité. PUISSOCHET, J-P., „La subsidiarité en droit Français“, op. cit., S.206., SIRJACQUESMANFRASS, F., „Frankreich im Spannungsfeld zwischen Integration, Zentralstaat und Regionalismus“, op.cit., S.105.
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perschaften, collectivités territoriaux) besitzen demzufolge nur die Zuständigkeiten, die ihnen vom französischen Staat zugewiesen wurden. Demzufolge kann auch das Subsidiaritätsprinzip, welches gerade bei konkurrierenden Kompetenzen die Zuständigkeit regeln soll, im französischen Recht keine Anwendung finden. Durch den Vertrag über die EU hat das Subsidiaritätsprinzip in Art. 5 I33 jedoch eine wichtige EU-weite Ausprägung erfahren. Die Details hierzu regelt das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit34. Danach sind Maßnahmen der Gemeinschaft nur gerechtfertigt, wenn beide Bedingungen des Subsidiaritätsprinzips erfüllt sind: Die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen können nicht ausreichend durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Verfassungsordnung erreicht werden und können daher besser durch Maßnahmen der Gemeinschaft erreicht werden35. Das soll insbesondere dann der Fall sein, wenn der betreffende Bereich transnationale Aspekte aufweist, die durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ausreichend geregelt werden können, wenn alleinige Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen gegen die Anforderungen des Vertrags36 verstoßen oder auf sonstige Weise die Interessen der Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen würden, oder wenn Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen im Vergleich zu Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten deutliche Vorteile mit sich bringen würden. Bezüglich Art und Umfang des Handelns der Gemeinschaft sollte bei Maßnahmen der Gemeinschaft so viel Raum für nationale Entscheidungen bleiben, wie dies im Einklang mit dem Ziel der Maßnahme und den Anforderungen des Vertrags möglich ist37. In der Sache soll das Subsidiaritätsprinzip innerhalb der Säule Politik der TMO daher in zwei Dimensionen wirken38: Zunächst in einer defensiven Dimension soll es den Handlungsvorrang der leistungsfähigen kleinen Einheit sicherstellen und zweitens die Pflicht zur Unterstützung der kleineren Einheit durch die größere Einheit bei Überforderung der kleineren Einheit sicherstellen. Im konkreten Fall der grenzüberschreitenden multi-level-Governance darf daher die größere Einheit nicht an sich reißen, was kleinere, lokale oder kommunale Einheiten übernehmen können. Wenn hingegen diese kleinen Einheiten mit der konkreten Aufgabe überfordert sind, so erwächst auch aus dem Subsidiaritätsprinzip die Verpflichtung der übergeordneten Ebene, sich der Aufgabe anzunehmen, die Angelegenheit zu erledigen oder die kleine Einheit bei deren Erledigung zu unterstützen.
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Cf.http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2008:115:0001:01:DE: HTML (10.09.2010). Abl. EG C 340 vom 10.11.1997, http://www.eu2006.gv.at/de/The_Council_Presidency/subsidiarity/dokumente/protokolls ubsidiarity.html?month=1&day=1 (10.09.2010). Ibid., Ziff. 5. Beispielsweise Erfordernis der Korrektur von Wettbewerbsverzerrungen, der Vermeidung verschleierter Handelsbeschränkungen oder der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. Ibid., Ziff. 7. Entsprechend der doppelten Wortbedeutung des lateinischen Wortes „subsidium“.
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174 3.3. Ressourcenökonomie
Der Begriff der Ressourcenökonomie hat seinen Ursprung in der Umweltökonomie. Sie untersucht die Möglichkeiten zur effizienten, optimalen oder nachhaltigen Nutzung von Gütern. Während sich dies im Bereich der Umweltökonomie häufig auf intertemporale Fragen bezieht, wenn sich also Nutzen und Kosten einer Maßnahme zeitlich versetzt auswirken, dürfte es im Rahmen der grenzüberschreitenden multi-level-Governance vor allem um eine Effizienzorientierung und einem optimierten Mitteleinsatz der verschiedenen grenzüberschreitend aktiven Akteure und Einrichtungen gehen. Zusammenfassend kann also festgestellt werden: Gewünscht ist eine grenzüberschreitende multi-level-Governance, in der sich die grenzüberschreitenden Organe ergänzen und nicht ersetzen (Komplementarität), in der die verschiedenen Ebenen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit den Grundsatz der Subsidiarität beachten und in der vor allem finanzielle Mittel möglichst effizient eingesetzt werden (Ressourcenökonomie). Diese Grundsätze gelten für den Bereich der internen grenzüberschreitenden Governance, also innerhalb der grenzüberschreitenden Einrichtungen, in der Beziehung zwischen den grenzüberschreitenden Einrichtungen39 und ihren jeweiligen Kofinanzierungspartnern, aber auch für den Bereich der externen grenzüberschreitenden Governance, also zwischen den verschiedenen grenzüberschreitenden Einrichtungen.
4. Inhaltliche Umsetzung dieser Grundsätze im Rahmen einer grenzüberschreitenden multi-level-Governance für den Oberrhein Wie können diese Leitsätze im Rahmen einer integrierten multi-level-Governance am Oberrhein40 umgesetzt werden? Komplementarität lässt sich grenzüberschreitend durch eine klare Trennung zwischen den verschiedenen Ebenen (vertikale Komplementarität) und Funktionen (funktionale Komplementarität) der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erreichen. Dies kann einerseits auf der Aufgabenseite, andererseits in der Folge dann unter dem Aspekt der Ressourcenökonomie auch auf der Kofinanzierungsseite geschehen. Der Grundsatz der Subsidiarität besagt, dass die Aufgaben auf der kleinstmöglichen Ebene der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erledigt werden sollten. Das Subsidiaritätsprinzip eignet sich dabei sowohl für die externe grenzüberschreitende Governance zwischen den verschiedenen Einrichtungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit41 als auch für die Anwendung im Verhältnis zwischen den Einrichtungen und ihren Kofinanzierungspartnern42. 39 40
41 42
Siehe Schaubild Externe und interne grenzüberschreitende Governance. Auf den Begriff der Governance wird hier nicht weiter eingegangen. Hierzu sei verwiesen auf FREY, M., „Konzepte für eine grenzüberschreitende regionale Governance am Beispiel der Trinationalen Region am Oberrhein“, VBlBW, 2009, 43 bzw. FÜRST, D., Handbuch Governance, op. cit. S.353 (355f). Im Schaubild Externe und interne grenzüberschreitende Governance als Ziff. 1 dargestellt. Ibid., als Ziff. 2 dargestellt.
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Grenzüberschreitende Koordinationsformen und -mechanismen sind von den Kompetenzen der an ihnen beteiligten nationalen und regionalen Akteure abhängig, da diese Akteure grenzüberschreitend natürlich nur insoweit Aufgaben delegieren können, die ihnen in ihrem eigenen national vorgegebenen Rahmen zukommen43. Dies ist für die regionale (d.h. substaatliche) Ebene von herausragender Bedeutung, da die regionale und die kommunale Ebene im nationalen Kontext in aller Regel nicht über dieselbe umfassende Kompetenzfülle wie die nationale Ebene oder die supranationale Ebene verfügen44. 4.1. Anwendung im Verhältnis zwischen den grenzüberschreitenden Einrichtungen (externe Governance) Um im Rahmen der externen grenzüberschreitenden Governance die vertikale Komplementarität unter Anwendung des Subsidiaritätsprinzips zu optimieren und damit die richtige Ebene für bestimmte Fragestellungen zu finden, bietet sich ein dreistufiges Verfahren an. In einem ersten Schritt wäre die grenzüberschreitende Aufgabenteilung anhand der verfügbaren Kompetenzen, zumindest aber Ausführungskompetenzen der Kofinanzierungspartner der grenzüberschreitenden Einrichtungen vorzunehmen. Dabei ist jeweils die Schnittmenge der verfügbaren Kompetenzen der betroffenen Partner aus den zwei bzw. drei Oberrhein-Anrainerstaaten relevant. So dürften im Rahmen der kommunalen Eurodistrikte am Oberrhein in erster Linie die grenzüberschreitenden Themenfelder bearbeitet werden, die in der jeweiligen kommunalen Zuständigkeit liegen. Themenfelder, die in der Zuständigkeit der Länder, der Kantone bzw. der Départements, der Région oder der dekonzentrierten französischen Staatsverwaltung liegen, fallen demnach in die Zuständigkeit der Oberrheinkonferenz, sofern sie administrativer Natur sind, bzw. des Oberrheinrats, sofern parlamentarische Belange betroffen sind. Durch das Basler Übereinkommen ist bereits geregelt, dass die deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission alle Themenfelder behandelt, die nicht auf regionaler Ebene behandelt werden können (Art. 4). Sofern diese Aufgabenzuteilung anhand der zur Verfügung stehenden Kompetenzen nicht zu einem klaren Ergebnis führt bzw. die Kompetenzen in allen Teilrechtsordnungen sowohl auf der regionalen als auch auf der kommunalen Ebene angesiedelt sind, könnte als zusätzliches mögliches Kriterium, um Komplementarität und Subsidiarität zu erreichen, der geografische Perimeter der jeweiligen grenzüberschreitenden Einrichtungen herangezogen werden. So blieben für die Eurodistrikte alle Angelegenheiten, die sich spezifisch im und für den jeweiligen Kooperationsraum regeln ließen. Dementsprechend sind alle Themen, welche den jeweiligen Kooperationsraum übersteigen, auf der nächsthöheren grenzüberschreitenden Ebene anzusiedeln. Als drittes und letztes Kriterium kommt eine Aufteilung der Themenbereiche nach der finanziellen und personellen Kapazität der jeweiligen Kooperationsebe-
43 44
RAICH, S., Grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit in einem „Europa der Regionen“, 1995, S.96f. Cf. hierzu: FREY, M., „Konzepte für eine grenzüberschreitende regionale Governance am Beispiel der Trinationalen Region am Oberrhein“, op.cit.
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ne in Frage. Dieses Kriterium würde dann auch der geforderten Ressourcenökonomie gerecht werden. In den Fällen, in denen sich nach Anwendung dieser Grundsätze noch immer thematische Schnittpunkte ergeben, bietet sich an, die kleineren, am Oberrhein typischerweise kommunalen Ebenen in die entsprechenden Gremien der regionalen Ebene, hier typischerweise der Oberrheinkonferenz in die Arbeit mit einzubinden, indem die entsprechenden Verantwortlichen als Beobachter zu den jeweiligen Sitzungen eingeladen werden45. 4.2. Anwendung im Verhältnis zwischen grenzüberschreitenden Einrichtungen und ihren Kofinanzierungspartnern Im Verhältnis zwischen den grenzüberschreitenden Einrichtungen und ihren Kofinanzierungspartnern lassen sich diese Elemente des Subsidiaritätsgrundsatzes ebenfalls anwenden. Übersteigen grenzüberschreitende Fragestellungen die Kompetenzen eines nationalen Kofinanzierungspartners oder dessen räumlichen Perimeter, so sollte diese Fragestellung zur Bearbeitung so weit als möglich an die entsprechende grenzüberschreitende Einrichtung delegiert werden. Welche Ebene dies ist, soll im Folgenden noch genauer bestimmt werden. Grenzen ergeben sich dabei aus der nationalgesetzlich definierten und zwingenden Zuständigkeitsordnung einerseits46, aus der personellen und finanziellen Leistungsfähigkeit der grenzüberschreitenden Einrichtung andererseits. Bei Themenbereichen von besonderem Interesse für die grenzüberschreitenden Einrichtungen könnte auch hier eine Einbeziehung als Beobachter erfolgen, etwa des Vorsitzenden des grenzüberschreitenden Expertengremiums. 4.3. Anwendung im Innenverhältnis der grenzüberschreitenden Einrichtungen (interne Governance) Die interne Governance im Innenverhältnis der grenzüberschreitenden Einrichtungen ist im Wesentlichen durch die Organisationsform der Einrichtung und den damit zugrundeliegenden Organisationsstatuten (Satzungen, Geschäftsordnungen) vorgegeben.
5. Formale Umsetzung In der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit können Entscheidungen derzeit praktisch nur im Konsens getroffen werden. Dies gilt zunächst für die beschließenden Gremien der jeweiligen grenzüberschreitenden Einrichtungen selbst, und wird in der Folge auch für die Vereinbarung einer Aufgabenaufteilung zwischen den verschiedenen Kooperationseinrichtungen auf den verschiedenen Ebenen als 45 46
Dies ist bereits in der Geschäftsordnung der Oberrheinkonferenz so geregelt: Art. 3 (b), Abs. 6 der Geschäftsordnung vom 15.6.2007. Dies wird bereits in Art. 1 Abs. 3 des Basler Übereinkommens geregelt: „Diese Vereinbarung lässt Art und Umfang der Befugnisse der regionalen Behörden in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, wie sie im jeweiligen innerstaatlichen Recht der Parteien festgelegt sind, unberührt“.
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auch im Innenverhältnis zwischen den Kooperationseinrichtungen und ihren Kofinanzierungspartnern47 relevant. Folglich wird auch die wie auch immer geartete Aufgabenaufteilung auf der Grundlage des Konsensprinzips beschlossen werden müssen. Die jeweiligen Einrichtungen können sich, eine im Konsensprinzip beschlossene Ermächtigung vorausgesetzt, durch ihre Präsidenten vertreten lassen. Insofern bietet sich als Lösung eine „Governance-Charta“ (und damit eine „Vertragslösung“) für die Säule Politik der TMO an, die von den bestehenden grenzüberschreitenden Einrichtungen und ihren Kofinanzierungspartnern mitgetragen und mit unterzeichnet wird. In dieser Governance-Charta, die im Rahmen einer Schlusserklärung eines Dreiländerkongresses verabschiedet werden könnte und anschließend die Grundlage für einen neuen Staatsvertrag als Nachfolger des Basler Übereinkommens dienen könnte, sollten zunächst die umfassten grenzüberschreitenden Einrichtungen und die nationalen grenzüberschreitenden Akteure genannt werden. Es müsste klar gestellt werden, dass diese in dieser Vereinbarung gefundene Governance für den Oberrhein von allen Einrichtungen und Akteuren respektiert und insbesondere eine Flucht in Parallelstrukturen vermieden werden soll. Weiterhin sollten die allgemeinen Governance-Grundsätze wie eben Komplementarität, Subsidiarität und Ressourcenökonomie als Leitsätze in einem allgemeinen Teil vorangestellt werden. Diese Charta könnte sodann ein Teil werden einer umfassenden Metacharta der Metropolregion sowie ein Annex zu einer dann neu zu fassenden Staatsvertraglichen Grundlage der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein.
Fazit Getreu dem Grundsatz der Selbstorganisation der Säulen sollte sich auch die Säule Politik selbst organisieren. Oberrheinrat und Oberrheinkonferenz sind dabei die zentralen Akteure auf der regionalen Ebene, die vier Eurodistrikte die der kommunalen Ebene. Da keine neuen Strukturen geschaffen werden sollen, müssen in der Säule Politik vor allem die Schnittstellen zwischen den bestehenden Akteuren der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in einer Governance-Charta der Metropolregion definiert werden. Hierzu sind die durch den 11. Dreiländerkongress vorgegebenen Kriterien Komplementarität, Subsidiarität und Ressourcenökonomie durchaus geeignet. Insbesondere das Kriterium der Subsidiarität muss jedoch grenzüberschreitend durch Hilfskriterien der einbringbaren Kompetenz der Kofinanzierungspartner, dem räumlichen Perimeter und der finanziellen und personellen Leistungsfähigkeit ermöglicht werden.
47
Zu den Vor- und Nachteilen der Anwendung des Konsensprinzips cf. FREY, M., „Konzepte für eine grenzüberschreitende regionale Governance am Beispiel der Trinationalen Region am Oberrhein“ op. cit.
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UNE GOUVERNANCE MULTINIVEAUX TRANSNATIONALE INTÉGRÉE POUR LE RHIN SUPÉRIEUR Dans la déclaration finale du 11e Congrès tripartite datant du 11 janvier 2008 à Strasbourg, les représentants issus des domaines économique, scientifique, politique et de la société civile, qui représentent les quatre piliers du projet, se sont engagés à instaurer dans la Région métropolitaine trinationale (RMT) du Rhin supérieur une coopération fondée sur le renforcement du dialogue transfrontalier. Une coopération transfrontalière efficace dans l’espace du Rhin supérieur repose sur trois principes : la complémentarité, la subsidiarité et la gestion des ressources économiques. Dans un système de gouvernance multi-niveaux transfrontalière, il est souhaitable que les organes se complètent et ne se remplacent pas, que les différentes échelles de coopération respectent le principe de subsidiarité et que les moyens financiers puissent être mis en place de façon efficiente. Cela vaut à la fois pour le domaine de la gouvernance transfrontalière interne, c'est-àdire au sein d’institutions transfrontalières, dans la relation entre ces institutions et leurs partenaires cofinanceurs, tout comme dans le domaine de la gouvernance transfrontalière externe, autrement dit entre les différentes institutions transfrontalières. Dans le domaine de la coopération transfrontalière, les décisions doivent reposer sur le consensus, tout comme la répartition des compétences entre les instances de coopération des différentes échelles. Selon le principe de l’autoorganisation des piliers, le pilier politique devrait s’auto-gérer. Le Conseil rhénan et la Conférence du Rhin supérieur en sont les principaux acteurs sur la scène régionale et les eurodistricts sur la scène communale. Une Charte de la gouvernance pour le pilier politique de la région métropolitaine, qui serait signée et portée par les instances transfrontalières et dans laquelle à la fois les instances transfrontalières et les acteurs nationaux de cette coopération seraient nommés, pourrait être la solution. Cette charte pourrait ainsi être intégrée dans une charte plus globale de la région métropolitaine et devenir l’annexe d’une nouvelle base juridique intergouvernementale de de la coopération transfrontalière du Rhin supérieur.
AN INTEGRATED TRANS-NATIONAL MULTI-LEVEL GOVERNANCE FOR THE UPPER RHINE In the final declaration of the 11th Tripartite Congress of 11 January 2008 in Strasbourg, the representatives from the economic, scientific and political fields as well as civil society, representing the four pillars of the project, committed themselves to establishing cooperation based on the strengthening of cross-border dialogue within the Tri-national Metropolitan Upper Rhine Region (TMR). Sucessful cross-border cooperation in the Upper Rhine is based on three principles: complementarity, subsidiarity and efficient management of economic resources. Ideally, in a system of cross-border multi-level governance, bodies
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should complement rather than replace each other, the different scales of cooperation should respect the principle of subsidiarity, and funding should be set up efficiently. This applies both to internal cross-border governance, that is to say within cross-border institutions, in the relationship between these institutions and their co-financing partners, as well as in external cross-border governance, in other words between the various cross-border institutions. In cross-border cooperation, decisions must be based on consensus, as should the division of competences between the institutions co-operating on different scales. The principle of self-organising pillars dictates that the political pillar should manage itself. The Upper Rhine Council and the Upper Rhine Conference are the key players on the regional scene, wheras the Eurodistricts are the key players on the local scene. A “governance-charter” for the political pillar of the metropolitan region, which would be signed and implemented by the crossborder authorities and in which both cross-border bodies and national stakeholders in this cooperation project would be named, could be the solution. This charter could then be integrated into a more global charter for the metropolitan region and become an appendix to a new intergovernmental treaty covering cross-border cooperation in the Upper Rhine.
DIE GOVERNANCE VON EURODISTRIKTEN AM OBERRHEIN KAREN DENNI Im Oberrheingebiet gibt es vier Eurodistrikte: den Trinationalen Eurodistrikt Basel (TEB) mit den im Zentrum gelegenen Städten Basel, Lörrach und St. Louis, den Eurodistrikt Region Freiburg/Centre et Sud Alsace mit den recht großen Städten Freiburg, Mulhouse und Colmar, den Eurodistrikt Regio Pamina um die Städte Karlsruhe und Wissembourg herum sowie den Eurodistrikt StrasbourgOrtenau, der sich in der ursprünglichen Idee auf Kehl beschränkt hatte, aber schließlich auf den ganzen Landkreis Ortenau ausgedehnt worden ist, um eine größere Ausgewogenheit hinsichtlich der Bevölkerungszahl und der wirtschaftlichen Ressourcen auf deutscher Seite zu erhalten. Im folgenden Beitrag wird die Governance der Eurodistrikte und hier besonders des Eurodistriktes Strasbourg-Ortenau dargestellt, der bei seiner Proklamierung und bei seiner Gründung in der Tat den Anspruch auf neuartige Governance-Strukturen besessen hat. Nun erweist sich die Realität grenzüberschreitender Zusammenarbeit als nicht unproblematisch, so dass im Folgenden die Steuerung und Koordination im Eurodistrikt beschrieben, sowie auf noch bestehende Schwierigkeiten eingegangen werden soll: Am Beispiel des Eurodistrikts Strasbourg-Kehl sollen die Governance-Formen analysiert werden.
1. Das Konzept des Eurodistrikts „Distrikt“ ist ein Begriff der französischen Verwaltung. Unter Eurodistrikt wird eine administrative Einheit mit einer juristischen Rechtsform und Finanzautonomie verstanden, welche Ballungsgebiete von mindestens zwei Staaten enthält1. Der Präfix „Euro“ suggeriert einen Distrikt europäischer Tragweite. Ein Eurodistrikt, der mit der Stadt Straßburg eine der europäischen Hauptstädte enthält, scheint gute Voraussetzungen zu besitzen, um diesen Anspruch zu erfüllen. Aber gerade der europäische Anspruch der Stadt Straßburg hat in der Vergangenheit auch zu Zielkonflikten mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geführt. 1.1. Historischer und symbolischer Kontext Der geografische Raum des Eurodistrikts ist als Schauplatz von Kämpfen und Besatzung besonders von der konfliktreichen deutsch-französischen Geschichte geprägt worden2, was schließlich als Zeichen der Aussöhnung nach dem Zweiten 1 2
Art. 187 de la loi n° 2004-809 relative aux libertés et responsabilités locales du 13.8.2004. Cf. VARLEY, K., Under the shadow of defeat : the war of 1870-71 in French memory, Basingstoke, 2008 ; MEHRKENS, H., Statuswechsel: Kriegserfahrung und nationale Wahrnehmung im DeutschFranzösischen Krieg 1870/71, Essen, 2008; GRANDHOMME, J-N., La Seconde Guerre Mondiale en
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Weltkrieg dazu geführt hat, dass Straßburg mit der Gründung des Europarates und den Sitzungswochen des Europaparlamentes eine hohe europäische Symbolkraft erhalten hat. Dies ist allerdings dort auch auf Kosten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gegangen, die mit dem grenzüberschreitenden Zweckverband Pamina im Norden des Oberrheins und der Regio Basiliensis im Süden viel stärker ausgeprägt war3. Dennoch haben die deutschen und französischen Staatsoberhäupter der hohen Ausstrahlungskraft von Straßburg Rechnung getragen, als sie sich für diesen Grenzraum bei der Auswahl eines Eurodistrikts entschieden haben. 1.2. Von der deutsch-französischen Erklärung zur Kooperationsvereinbarung Anlässlich des 40. Jahrestages des Elysée-Vertrages haben Staatspräsident Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder am 22. Januar 2003 die besondere Bedeutung von Straßburg und seinen deutschen Nachbarn hervorgehoben, indem sie zu der Konstituierung eines Eurodistrikts Strasbourg-Kehl aufgerufen haben: „Wir wünschen eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften, um das Entstehen neuer Verbindungen, insbesondere zwischen Bundesländern und französischen Regionen, ebenso wie die Fortentwicklung einer interregionalen Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden zu begünstigen. Wir unterstützen die Schaffung eines Eurodistrikts Straßburg-Kehl mit guter Verkehrsanbindung, um neue Formen der Kooperation zu erforschen und europäische Institutionen aufzunehmen, und rufen zur Schaffung weiterer Eurodistrikte auf“4. Es ist festzuhalten, dass mit der Schaffung eines Eurodistrikts Strasbourg-Kehl bzw. Ortenau stärkere und neue Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gefunden werden sollten. Der Eurodistrikt sollte eine europäische Vorbildfunktion einnehmen, andere Grenzregionen wurden aber auch ausdrücklich zu der Konstituierung von Eurodistrikten aufgefordert. Da es hinsichtlich dieser Erklärung vorab keine Abstimmung und Koordination zwischen der nationalen, regionalen und kommunalen Ebene gegeben hatte, waren die Politiker des Oberrheins nicht auf ein derartiges Vorhaben vorbereitet. Die konkrete Gestaltung eines Eurodistriktes, der europäische Tragweite besitzen sollte, und die grenzüberschreitende Steuerung erwiesen sich jedoch als schwierig. Drei Problemfelder haben die Konflikte der grenzüberschreitenden Koordination gekennzeichnet: die asymmetrischen Beziehungen, die Schwierigkeiten des Mehrebenen-Systems und mangelnde Ressourcen. Aufgrund der asymmetrischen Beziehungen zwischen der großen Stadt Straßburg und der ländlich geprägten Ortenau mit seinen mittleren und kleine-
3
4
France, Rennes, 2004; STÜWE, H., Evakuierung, Besetzung, Freigabe. Kehler Stadtgeschichte 19441953, Kehl am Rhein, 2003. Cf. BEYER, A., „Strasbourg entre France et Allemagne. Structure urbaine et symboliques de la dualité frontalière“, Revue géographique de l’Est, Tome XLVII-2/2007, S.8; SPEISER, B., Europa am Oberrhein: der grenzüberschreitende Regionalismus am Beispiel der oberrheinischen Kooperation, Basel, 1993 Deutsch-französisches Forum, Gemeinsame Erklärung zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrags: in: www.leforum.de/de/de-traite-declcommune03.htm (12.8.2009).
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ren Städten haben sich unterschiedliche Ziele und Ansätze manifestiert. Die Politiker der Ortenau haben bei der Schaffung eines Eurodistrikts eher versucht, konkrete Verbesserungen im Grenzalltag zu erreichen, während es Straßburg vor allem an der Vergrößerung seiner europäischen Ausstrahlung lag. Auch die Persönlichkeit des ehemaligen Präsidenten der Straßburger Stadtgemeinschaft5 hat dazu geführt, dass Straßburg seine dominante Rolle auch tatsächlich ausgespielt hat. Der neue Oberbürgermeister von Straßburg, Roland Ries, hat dagegen einen wesentlich kooperativeren Führungsstil gewählt, was ein Indiz dafür ist, dass grenzüberschreitende Schwierigkeiten nicht immer interkulturell bedingt sind6. Ferner haben sich Schwierigkeiten im Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen kristallisiert. Die nationale Ebene, welche die Idee für den Eurodistrikt lanciert hatte, erwartete von der kommunalen Ebene konkrete Vorschläge und Projekte, die sie zu flankieren gedachte. Auch wenn sich Regionen und Bundesländer inzwischen zu Handlungseinheiten europäischer Politik entwickelt haben7, muss Kommunen als kleinsten territorialen Einheiten Know-how zur Verfügung gestellt werden, damit sie nicht von Projekten europäischer Tragweite überfordert werden. Diesen wichtigen Gesichtspunkt hat die nationale Ebene vernachlässigt, als sie etwas vorschnell zur Gründung eines Eurodistrikts aufgerufen hat, ohne die nötige Unterstützung bereit zu stellen. Anstatt Problemnähe und lokale Vertrautheit als Stärke auszunutzen, haben Straßburg und die Ortenau dagegen etwas zu lange auf staatliche finanzielle Hilfen gewartet, bevor sie eigene Konzepte ausarbeiteten. Dadurch ist ein gewisser Elan, der in der Anfangszeit noch geherrscht hat, verloren gegangen. Je mehr Zeit verstrich, desto weniger Druck konnten die unteren Ebenen auf die nationale Ebene ausüben, um den schlagkräftigen Worten Taten folgen zu lassen. Es stellt sich allerdings die Frage, welche Handlungsmittel der Eurodistrikt wirklich erhalten hätte. Um diese Frage zu beantworten, ist auch die Rolle des „Geheimnisses“8 zu berücksichtigen, auf welche schon Georg Simmel, Begründer der deutschen Soziologie und Professor an der Straßburger Universität, am Anfang des letzten Jahrhunderts hingewiesen hat: So hatte der Staatsminister Hans Martin Bury in offiziellen Erklärungen Geld für Projekte versprochen, aber soll hinter verschlossenen Türen den Vertretern des Bundeslandes und der Kommunen deutlich gemacht haben, dass eben keine finanziellen Mittel bereitgestellt werden können. Daher sind als drittes Konfliktfeld mangelnde Ressourcen zu nennen. Die Übertragung von Kompetenzen an die untere Ebene muss mit den nötigen finanziellen Mitteln einhergehen. Dies hat auch der letzte territoriale Dezentralisierungsschub in Frankreich bestätigt. Der Eurodistrikt wird erst Handlungsfähigkeit erreichen, wenn er über ein eigenes Budget verfügt, wie es der Europäische Verbund für Territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) vorsieht. 5 6 7
8
Robert Grossmann, Mitglied der Partei Union pour le mouvement populaire (UMP). Cf. „Die Veränderung der Grenzen in einer transnationalen Gebietskörperschaft“, trajectoires n° 2, 2008, S.26. Cf. die Forschung, die den Weg für einen regional Governance View geebnet hat: GRANDE, E., „Multi-level-Governance: Institutionelle Besonderheiten und Funktionsbedingungen des europäischen Mehrebenensystems“, in: GRANDE, E., (Hrsg.), Wie problemlösungsfähig ist die EU? : Regieren im europäischen Mehrebenensystem, Baden-Baden, 2000, S.11-33; JACHTENFUCHS, M., KOHLER-KOCH, B., (Hrsg.), Europäische Integration, Opladen, 2003; KOHLERKOCH, B., The transformation of governance in the European Union, London, 2002. „Das Geheimnis und die geheime Gesellschaft“, in: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Berlin, 1908 (1. Auflage). Kapitel II, S.256-304.
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Aufgrund der oben genannten Probleme hat es fast drei Jahre gedauert, ehe in einer Kooperationsvereinbarung der Stadtgemeinschaft Straßburg und des Ortenaukreises der Eurodistrikt gegründet worden ist. In der Vereinbarung ist das Gebiet des Eurodistrikts festgelegt worden9. Ferner erhielt der Eurodistrikt Organisationsstrukturen, die zur Realisierung von grenzüberschreitenden Projekten geführt haben.
2. Steuerung und Koordination des Eurodistrikts Mit dem Begriff der Governance werden Koordinations- oder Interaktionsabläufe verbunden, deren Ziel die Verhaltensänderungen der Akteure ist. Die Institutionen organisieren Arenen für die soziale Handlungskoordination, bestimmen den Zugang und Ausschluss von Akteuren und setzen Kompetenzen und Ressourcen fest, wodurch der Aktionsrahmen von Akteuren und die Steuerungsmodi beeinflusst werden10. In einer enger gesetzten Interpretation werden mit dem Begriff der Governance die weniger formalen Beziehungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren beschrieben11. Diese Art der Entscheidungsprozesse ist jedoch weniger im Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau anzutreffen, wo die Zivilgesellschaft bisher kaum einbezogen wird. Zum einen liegen horizontale Beziehungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren der französischen Handlungskoordination fern. Zum anderen drückt allgemein die Förderung von offenen, unregulierten und flexiblen Netzwerken ein demokratisches Dilemma aus. Einerseits werden funktionale Netzwerke als ein Instrument zur effizienten Problemlösung durch professionelle Akteure angesehen. Andererseits sollen die Akteure Spielraum für die Beteiligung von Bürgern lassen. Gleichzeitig wird erwartet, dass diese Prozesse unter der Aufsicht und Kontrolle der repräsentativen Demokratie bleiben, bei der letztlich die Verantwortung liegt12. Aufgrund der Tatsache, dass der Eurodistrikt von oberster Stelle ausgerufen worden war, hat sich ein top-down-Ansatz durchgesetzt, der Auswirkungen auf die Akteurswahl gehabt hat. Die Akteure nehmen nicht durch Selbstrekrutierung und nur in geringem Maße durch Kooptation an der Governance des Eurodistrikts teil, sondern in der Vereinbarung zur Gründung eines Eurodistrikts wurde ein repräsentatives Verfahren der Akteursauswahl festgelegt13. 2.1. Projektbezogene Governance des Eurodistrikts In der ersten Phase des Eurodistrikts wurde eine projektbezogene Governance verfolgt, wobei bei der Realisierung grenzüberschreitender Projekte große Erfol9 10 11 12 13
Neue Gemeinden können aber aufgenommen werden. BÖRZEL, T., Was ist Governance?, Think Paper, 19.12.2006. MAYNTZ, R., „Policy-Netzwerke und die Logik von Verhandlungssystemen“, in: HERITIER, A., (Hrsg.), Policy Analyse. Kritik und Neuorientierung, Opladen, 1993, S.39-56. Cf. KUGELBERG, C., „Styra eller stimulera. Kommunal bidragspolitik och etniska föreningar“, in: BENGTSSON, I.B, KUGELBERG, C., (Hrsg.), Föreningsengagemang, lokal politik och delaktighet, Malmö, 2008. Zum akteurzentrierten Institutionalismus der regional governance. Cf. FÜRST, D., „Regional Governance“, in: BENZ, A. (Hrsg.), Governance-Regieren in komplexen Regelsystemen, Wiesbaden, 2004, S.57f.
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ge zu verzeichnen sind. Als Beispiele sollen hierbei der Gesundheits- und Ausbildungsbereich angeführt werden. Die deutschen und französischen Krankenhäuser arbeiten eng miteinander zusammen. Um über das Angebot der Krankenpflege im Eurodistrikt informiert zu werden, wurde eine zweisprachige Broschüre herausgegeben. Ferner ist für Notfälle eine Datenbank für den Bestand der Krankenhausbetten eingeführt worden14, durch die Patienten bei Überlastung ihrer Krankenhäuser medizinische Versorgung in den Krankenhäusern jenseits des Rheins erhalten. Mit dem Bettenabrufsystem ist die Grenzregion sogar schon fortschrittlicher als viele regionale Räume innerhalb eines Staates15. Im Herbst 2007 haben die deutschen Ambulanzen auch endlich wie die französischen Rettungsdienste die Genehmigung erhalten, in einem Notfall die Grenze zu überschreiten16. Im Bereich der Epilepsie arbeitet das Epilepsiezentrum in Kork mit dem Straßburger Universitätskrankenhaus zusammen. Die bestehende Kooperation soll zum einen vertieft werden, zum anderen soll mit Interreg-Mitteln eine Beratungs- und Informationsstelle für Epilepsie-Kranke aufgebaut werden. Ebenfalls werden epilepsiekranke Kinder aus Frankreich als Langzeitpatienten aufgenommen, wobei sie an einer Korker Schule Unterricht erhalten. Die Lösung weiterer Fragen wie die Versicherung von Ärzten, die auf der anderen Seite des Rheins im Einsatz sind, oder die Anerkennung von Diplomen des Krankenhauspflegepersonals werden ebenfalls angegangen. Bei der Ausbildung von 19 Berufen ist mit einem gemeinsamen Abschluss ein großer Fortschritt erreicht worden. Die praktische Ausbildung wird im Nachbarland absolviert, während die theoretische im Inland17 erfolgt. Durch die Anerkennung des Diploms können junge Absolventen sofort nach ihrer Ausbildung im Nachbarland arbeiten, wodurch viele Arbeitsmarkthürden überwunden sind. In den oben dargestellten Punkten hat sich gezeigt, dass der Eurodistrikt bei der Realisierung von Projekten handlungsfähig ist. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wer die Projekte auf die Agenda des Eurodistrikts bringt. 2.2. Die strukturorientierte Governance im Eurodistrikt bis zur Gründung des Europäische Verbund für Territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) Mit der Kooperationsvereinbarung zur Gründung eines Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau im Oktober 2005 waren Organisationsstrukturen eingeführt worden, durch die institutionalisierte Entscheidungsgremien ein starkes Gewicht erhalten haben. Die Entscheidungsprozesse sind durch die Festlegung von Regeln stark formalisiert worden. Das erklärt sich unter anderem damit, dass man bei grenzüberschreitenden Interaktionen aufgrund der unterschiedlichen Rechtsformen auf beiden Seiten des Rheins auf Grenzen gestoßen war, die die Grenzbewohner im Alltag zu spüren bekamen. Auch im Rahmen des Zwei-Ufer14 15 16 17
Die Teilnahme der Krankenhäuser beruht auf freiwilliger Basis. Die Krankenhäuser der größten Städte der Ortenau sind bereits diesem Abkommen beigetreten. In den letzten Jahren hat das Fehlen eines Bettenabrufsystems in der französischen Hauptstadt tragische Konsequenzen bei Notfällen gehabt. Dies sieht die Autorin dieses Artikels jedoch nicht als eine große Errungenschaft des Eurodistrikts an, sondern als die Beseitigung einer anormalen Situation, da überall in der Europäischen Union (EU) das Prinzip der Reziprozität gelten sollte. Für einen Unterricht in der Nachbarsprache reichen die Sprachkenntnisse oft nicht aus.
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Gartens, den Straßburg und Kehl im Jahr 2004 gemeinsam organisiert haben, sind negative Erfahrungen gemacht worden, weil Vereinbarungen nicht schriftlich fixiert worden waren, was die Konfliktregelung stark beeinträchtigt hat18. Seitdem wurde im Eurodistrikt die Priorität auf die Formalisierung von Strukturen und den Aufbau von Regelsystemen gesetzt, um unerwünschte Effekte, die sich bei der Anwendung weicher Steuerungsmodi wie Vertrauen und Solidarität gezeigt haben, zu vermeiden. Dem steht wiederum die Auffassung von manchen Governance-Forschern entgegen, die in den von Vertrauen geprägten Beziehungen der Netzwerke eine bessere Voraussetzung für Problem- und Konfliktlösungen sehen19. Durch die Formalisierung von Entscheidungsprozessen wird im Eurodistrikt versucht mehr Planungssicherheit in die grenzüberschreitende Koordination zu bringen. Die Entscheidungen im Eurodistrikt wurden dabei von der kommunalpolitischen Dominanz bestimmt. Um die Koordination und Konsensbildung unter den verschiedenen Akteuren effektiver zu gestalten, wurden mit der Einrichtung eines Eurodistriktrates, einer Lenkungsgruppe und verschiedenen Arbeitsgruppen organisatorische Differenzierungen durchgeführt, was jedoch zu einer Hierarchisierung der Entscheidungsprozesse und unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten der Akteure geführt hat und die Prämisse der horizontalen Handlungskoordination in Frage gestellt hat. Nach Gründung des Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau hat sich in der ersten Phase der Eurodistriktrat als Entscheidungsorgan aus dem Ortenauer Landrat sowie 14 deutschen und französischen Kommunalpolitikern des Eurodistriktgebietes zusammensetzt. Für Abstimmungen, die staatliche Genehmigungen bedurften, wurde der Begleitausschuss einberufen, in welchem 14 Mitglieder der politischen Ebene, allen voran die beiden Staatsminister für Europa, einen Sitz hatten. Das Erfordernis, in vielen Angelegenheiten des grenzüberschreitenden Alltags staatliche Genehmigungen einzuholen, widerspricht allerdings dem Anspruch der ehemaligen Staatschefs, den Eurodistrikt zum grenzüberschreitenden Labor zu machen, was auch den Transfer nationaler Kompetenzen implizieren würde. Bis dahin hatte der Eurodistrikt zwar durch erfolgversprechende Projekte auf sich aufmerksam gemacht, aber es fehlte an eigener Handlungsgewalt, die über traditionelle Entscheidungsrechte hinausging. Der Eurodistriktrat konnte ebenfalls sogenannte Expertengruppen einsetzen, die in seinem Auftrag Projekte ausarbeiteten, über die er schließlich abstimmte. In diesen Arbeitsgruppen war die sektorale Governance ausgeprägt, da dort Vertreter der öffentlichen Verwaltung und Körperschaften saßen, aber weniger Vertreter von Bürgergruppen20. Die Geschäftsarbeit wurde gemeinsam vom Landratsamt Ortenau mit seiner Eurodistrikt-Referentin und der Abteilung für Internationalen Beziehungen der Communauté urbaine de Strasbourg (CUS) in der Koordinierungsgruppe geleistet.
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DENNI, K., Rheinüberschreitungen-Grenzüberwindungen, Konstanz, 2008, S.193-197. SCHARPF, F.W., „Positive und negative Koordination in Verhandlungssystemen“ in: HERITIER, A., op. cit. S.57-83; BENZ, A., Der moderne Staat, München, 2001. Ausnahmen für die Beteiligung von Bürgern bestehen z.B. bei Sportprojekten in der Mitarbeit der Vereinspräsidenten oder bei Projekten der Senioren.
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Im Begleitausschuss war auf französischer Seite neben dem Straßburger Oberbürgermeister kein Bürgermeister aus den umliegenden Orten vertreten, wodurch Straßburg eine zentrale Rolle einnahm, schon aus dem Grunde, dass das Straßburger Rathaus und die Stadtgemeinschaft im selben Gebäude untergebracht sind. Zwischen dem Landratsamt und den deutschen Rathäusern wurden hingegen Entscheidungen auf horizontale Weise abgesprochen und vorbereitet. In den Entscheidungsprozessen bestanden also Unterschiede diesseits und jenseits des Rheins, die aus einer langen Tradition unterschiedlicher Verwaltungsmentalitäten resultieren21. Um angesichts der Konkurrenz zu anderen Grenzregionen und Eurodistrikten Handlungs- und Strategiefähigkeit zu beweisen, sollen auf lange Sicht eher stabilere Government-Strukturen wie ein Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit aufgebaut werden. Bevor im Weiteren der EVTZ erörtert wird, erscheint die Frage interessant, wie vor dessen Gründung Entscheidungen kommuniziert wurden und welcher Spielraum der Zivilgesellschaft eingeräumt wurde. 2.3. Partizipation und Kommunikation In den oben genannten Entscheidungsprozessen ist das Zusammenspiel von öffentlichen und privaten Partnern eingeschränkt gewesen22. Der sektorale Bezug und der gebietskörperschaftliche Bezug in Form der Stadtgemeinschaft Straßburg und des Ortenaukreises mit dem Eurodistrikt-Referat wurde dem sozialen Bezug von Netzwerken aus der Zivilgesellschaft Vorrang eingeräumt23. Die Bürger des Eurodistrikts wurden bisher weder in deliberative Prozesse eingebunden noch haben sie ausreichend die Gelegenheit erhalten an Eurodistrikt-Projekten mitzuarbeiten, obwohl Bürgergruppen schon frühzeitig und sogar noch vor der Polity24 Vorschläge für den Eurodistrikt unterbreitet haben. Mit dem Verein Bürger-Forum-Citoyen Eurodistrict besitzt der Eurodistrikt einen starken zivilgesellschaftlichen Fürsprecher, der allerdings nicht in Entscheidungen einbezogen wurde. Das bedeutet einerseits einen Verlust an Impulsen und Initiativen aus der Zivilgesellschaft, andererseits birgt die Verfolgung von akteursbezogenen Steuerungsansätzen in einem System korporatistischer Verhandlungs- und Entscheidungsmodelle auch gewisse Risiken, da eine Abhängigkeit von den in den engeren Kreis der Steuerungsakteure zugelassenen Interessengruppen entsteht25. Somit besteht einerseits die Gefahr der Bildung von Lobbys, aber andererseits muss die Zahl der in die Entscheidungsgremien aufgenommenen Gruppen beschränkt werden, um Handlungsfähigkeit zu bewahren. Dieser Ausschluss führt wiederum zur Enttäuschung und Unzufriedenheit mit dem etablierten System, da der Eindruck entsteht, dass die eigenen Interessen nicht genug berücksichtigt werden26. 21 22 23 24
25 26
Cf. DENNI, K., „Rheinüberschreitungen“, op. cit., S.193-202. MAYNTZ, R., op.cit. S.39-56. Zur Unterscheidung der drei Bezüge in der Region Cf. FÜRST, D., op.cit., S.54. Das sogenannte Bürgerforum hat früher als die Rathäuser und das Offenburger Landratsamt ein Eurodistrikt-Büro eingerichtet; es hat Feiern zum 1. und 2. Jahrestag der Gemeinsamen Erklärung der Regierungschefs in der Offenburger Messehalle veranstaltet und ist jedes Jahr im Europaparlament vertreten, um den Eurodistrikt vorzustellen. MOERSCH, W., Leistungsfähigkeit und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips, Berlin, 2001, S.44f. Ibid., S.50.
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Auch wenn die Zahl der Sitze in den Entscheidungsorganen unweigerlich begrenzt ist, ist es schwer verständlich, dass in einer Zeit, in der sich die politische Kommunikation des Schlagwortes eines „bürgernahen Europa“ bedient – wie es auch die beiden damaligen Europa-Minister27 mit Verweis auf den Eurodistrikt getan haben – die Bürger so wenig in Entscheidungsprozesse einbezogen worden sind. Denn die Gebietskulisse des Eurodistrikts scheint eine überschaubare Größe zu bieten, um als Arena deliberativer und partizipatorischer Prozesse zu dienen. Durch breite Bürgerbeteiligungen sollten daher Foren geschaffen werden, durch welche die Bürger den Prozess der Willensbildung selbst initiieren, beeinflussen und interpretieren können. Die Qualität einer Demokratie, ihre Leistungsfähigkeit und die Fähigkeit zu Konfliktlösungen hängt zum einen von der output-orientierten Legitimation, der Zufriedenheit und Zustimmung mit den Ergebnissen, als auch von der inputorientierten Legitimation ab, der Mitwirkung und Einbeziehung der Bürger bei Entscheidungen gesellschaftlicher Reichweite. Nach dieser Auffassung stärkt eine hohe Beteiligung die Legitimität staatlicher Handlungen, da partizipative Entscheidungsverfahren die Akzeptanz der Bürger für gesellschaftliche Vorhaben erhöhen. Beteiligung an Konsultationen, Transparenz politischer Verfahren und klar abgegrenzte Verantwortlichkeiten der politischen Akteure erhöhen die Identifizierung der Bürger mit den staatlichen Institutionen, was zu den Voraussetzungen der Demokratie gehört28. Die Kommunikation bildet ein wichtiges Handlungsinstrument bei der sozialen Konstruktion eines Eurodistrikts29. Einiges ist in diesem Bereich schon unternommen worden, wie die Präsenz eines Eurodistrikt-Standes auf der Straßburger Messe und beim europäischen Picknick. Aber diese Maßnahmen sind auszuweiten, um weite Bevölkerungsteile zu erreichen. Auch die Regionalzeitungen räumen dem Eurodistrikt immer mehr Platz ein. Es ist jedoch unabdinglich, dass die Polity verstärkt Informationen zum Eurodistrikt kommuniziert30. Die Bevölkerung muss stärker über die Ereignisse jenseits des Rheins sowie über gemeinsame Projekte informiert werden, damit die output-Legitimation erhalten wird, ohne dass sich eine Art „permissive consensus“31 durchsetzt, wie er in der Europäischen Union (EU) zu beobachten ist. Man darf sich aber nicht nur auf die outputLegitimation beschränken, sondern muss auch die input-Legitimation stärken, damit die Bürger die Gelegenheit erhalten, am Aufbau des Eurodistrikts teilzuhaben32, sich mit ihm identifizieren und seine Vorteile erkennen.
27 28 29
30 31 32
Cf.www.eurodistrikt.eu/medias/fichiers/F_DeclarationCommuneLenoirBury.pdf (12.8.2009). Cf. KORNELIUS, B., ROTH, D., Politische Partizipation in Deutschland. Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage, Gütersloh, 2004, S.7. Zur Rolle der sozialen Konstruktion einer Region: FÜRST, op.cit., S.52 und BENZ, A., FÜRST, D., KILPER, H., REHFELD, D., Regionalisierung. Theorie-Praxis-Perspektiven, Opladen, 1999. Im September 2009 ist die erste deutsch-französische Tageszeitung im Internet, 2 Ufer, herausgekommen. Eine interaktive Webseite des Eurodistrikts ist zurzeit in Vorbereitung. LINDBERG, L., SCHEINGOLD, S., Europes’s Would-be Polity. Patterns of Change in the European Community, New York, 1970, S.41. Im Bereich des Sports werden Eurodistrikt-Wanderungen und Schülerläufe angeboten. Diese Art von Initiativen sind auf breite Felder des zivilgesellschaftlichen Bereichs auszudehnen.
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2.4. Der EVTZ als ein juristischer Steuerungsmodus Das Fehlen einer Rechtsform mit eigenem Budget hat frühzeitig die Grenzen der Handlungsfähigkeit des Eurodistrikts aufgezeigt. Zur Erleichterung seiner Governance hat sich im Februar 2010 mit Genehmigung aus Paris und Berlin der EVTZ „Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau“ konstituiert. Der „EVTZ Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau“ ist eine Rechtspersönlichkeit, die über eigene Rechts- und Geschäftsfähigkeit verfügt. Das Entscheidungsorgan ist der Eurodistrikt-Rat mit 24 französischen und 24 deutschen Mitgliedern aus der Gebietskulisse des Eurodistrikts. Bei ihnen handelt es sich ausschließlich um kommunalpolitische Vertreter der Stadtgemeinschaft Straßburg und der Kommunen der Ortenau sowie Repräsentanten des Landkreises Ortenau. Der Vorstand bildet sich aus sieben französischen und sieben deutschen Mitgliedern. Der „EVTZ Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau“ ist nach französischem Recht gegründet worden. Während er seinen Sitz in Straßburg hat, befindet sich die Geschäftsstelle in Kehl. Seit August 2010 wird die geschäftsführende Arbeit von einem Generalsekretär und seinem Mitarbeiterstab ausgeführt. Auch wenn es noch viel zu früh ist, eine erste Bilanz des EVTZ zu ziehen, sprechen einige Anzeichen wie der vorgesehene Aufbau einer partizipativen Plattform dafür, dass die Bürger mehr einbezogen werden sollen. Durch die neu geschaffenen Strukturen wird die Arbeit des Eurodistrikts handlungsfähiger werden. Der Ausbau des Generalsekretariats mit einem Schwerpunkt auf die Kommunikation kann ebenfalls zu einer höheren Wahrnehmbarkeit des Eurodistrikts führen. Allerdings steht die explizite Ausklammerung von Befugnissen der öffentlichen Hand wie Polizei- und Regelungsbefugnissen im Widerspruch zum Anspruch, neue Formen der Zusammenarbeit zu finden und ein europäisches Labor durch das Experimentieren neuer Regelungen zu werden. Die hinzugewonnenen Kompetenzen ermöglichen jedoch dem Eurodistrikt die Ausübung neuer Strategien bei der territorialen Entwicklung, die eine an die Bedürfnisse der grenzüberschreitenden Gebietskörperschaft angepasste Governance erleichtert33. Mit diesem Steuerungsinstrument wird der Eurodistrikt in die Lage versetzt, Unterschiede hinsichtlich der Normen, Organisationen und Systeme zu überwinden, was eine Bedingung für die Durchführung gemeinsamer Projekte und den Aufbau einheitlicher Strukturen ist, aber viel schwieriger auf der supranationalen Ebene wie der EU zu erreichen ist als in einem überschaubaren Lebens- und Arbeitsraum.
Fazit Bei seiner Gründung hatte der Eurodistrikt den Anspruch erhoben, ein Labor grenzüberschreitender Zusammenarbeit zu werden und somit eine Modellfunktion gegenüber anderen Grenzregionen einzunehmen. Dieses Ziel ist trotz großer Potenziale des Eurodistrikts und einer hohen Symbolkraft mit der Europahauptstadt Straßburg bisher nicht erreicht worden. Auch wenn Erfolge bei der projekt33
Cf. Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (Hrsg.), verfasst von GABBE, J. und FRHR. VON MALCHUS, V., Zusammenarbeit Europäischer Grenzregionen. Bilanz und Perspektiven, Baden-Baden, 2008, S.84f.
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bezogenen Governance zu verzeichnen sind, kann der bisherige output nicht die mangelnde input-Legitimität rechtfertigen. Der fehlende Einbezug von Bürgergruppen in die Entscheidungen des Eurodistrikts ist umso erstaunlicher, als dass Bürgervereine frühzeitig Vorschläge zum Aufbau der grenzüberschreitenden Gebietskörperschaft unterbreitet und innovative Initiativen gestartet haben. Zwar versuchen Bürgergruppen, Einfluss auf die Gestaltung des Eurodistrikts zu gewinnen, aber die sektorale und gebietskörperschaftliche Steuerung der Eurodistrikt-Gremien dominiert über politische und soziale Netzwerke. Für eine allgemeine Akzeptanz des Eurodistrikts ist es jedoch erforderlich, den sozialen Bezug auszubauen. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte mit dem neuen Generalsekretariat und der Bildung einer partizipatorischen Plattform bestehen. Obwohl die Gründung eines EVTZ zu Erleichterungen in der grenzüberschreitenden Kooperation führen wird, stellt er nicht die Lösung dar, zu welcher die beiden Staatschefs Jacques Chirac und Gerhard Schröder in ihrer gemeinsamen Erklärung aufgerufen hatten.
LA GOUVERNANCE DES EURODISTRICTS DU RHIN SUPÉRIEUR Suite à la déclaration commune de Gerhard Schröder et Jacques Chirac dans le cadre du 40e anniversaire du traité de l’Elysée, quatre eurodistricts se sont constitués dans le l’espace du Rhin supérieur. L’article analyse notamment la gouvernance de l’Eurodistrict Strasbourg-Ortenau qui joue un rôle particulier, grâce à la présence de la ville de Strasbourg, capitale européenne. La réalisation de cet eurodistrict, considéré comme un laboratoire de la coopération transfrontalière et comme modèle pour d’autres régions frontalières, s’avère finalement plus difficile que ce que les discours officiels laissent entendre. En effet, la gouvernance de l’eurodistrict est confrontée à plusieurs problèmes, les principaux étant les relations asymétriques entre la grande ville de Strasbourg, côté français, et l’espace rural de l’Ortenau, côté allemand, les difficultés de coordination entre les différents niveaux spatiaux, politiques et administratifs impliqués et le manque de moyens financiers. Bien que la gestion de nombreux projets tels que la collaboration entre les hôpitaux, voire la gestion commune des services médicaux aient montré une grande efficacité, les attentes et les revendications du départ ne se sont pas encore exaucées. En réponse aux différents systèmes régnant des deux côtés du Rhin, et qui représentent des barrières à la coopération transfrontalière, l’eurodistrict a formalisé ses structures de décision et a imposé un système de règles. Cette démarche se fait en dépit d’une plus grande participation des acteurs de la société civile. Afin de mieux cibler les besoins locaux et d’améliorer la gestion des projets communs, l’eurodistrict s’est constitué un Groupement européen de coopération territoriale (GECT). Grâce à ce cadre juridique disposant d’un budget propre, l’eurodistrict peut définir et expérimenter de nouvelles stratégies pour le développement territorial. Les transferts de compétences de l’Etat restent néanmoins limités, ce qui altère considérablement la marge de manœuvre de l’eurodistrict. Avec l’exclusion de compétences importantes dans les domaines de la justice, de la police et des réglementations dans l’intérêt général de l’Etat, on peut se de-
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mander si la gouvernance de l’eurodistrict correspond à ce que les chefs d’État et de gouvernement se sont imaginées lors de sa mise en place.
THE GOVERNANCE OF THE UPPER RHINE EURODISTRICTS Following Gerhard Schröder’s and Jacques Chirac’s joint declaration on the 40th anniversary of the Elysee Treaty, four Eurodistricts were formed in the Upper Rhine Region. This article analyses in particular the governance of the Strasbourg-Kehl Eurodistrict which has a special role due to the membership of Strasbourg – “the capital of Europe”. The creation of this Eurodistrict, which are considered to be laboratories for cross-border cooperation and models for other border regions, has actually been more difficult than the official rhetoric suggested. Indeed, the Eurodistrict’s governance has faced several problems, the main ones being: the asymmetrical relationship between the city of Strasbourg on the French side and the rural Ortenau area on the German side; difficulties in coordinating the different spatial, political and administrative levels involved; and the lack of financial resources. Although the management of many projects such as collaboration between hospitals or even the joint management of medical services have proved to be efficient, the expectations and demands from the beginning have not yet been met. In response to the different systems prevailing on both sides of the Rhine, which represent barriers to cross-border cooperation, the Eurodistrict has specifically defined its decision-making structures and imposed a system of rules. This is in spite of a greater involvement of civil society actors. To better target local needs and improve the management of joint projects, the Eurodistrict will create a European Grouping of Territorial Cooperation (EGTC). Thanks to this legal framework and its own budget, the Eurodistrict can define and test new strategies for territorial development. The transfer of state powers remains limited however, which considerably affects the Eurodistrict’s room for manoeuvre. With the exclusion of important competences related to justice, the police and regulations in the interest of the state, it could be questioned whether the Eurodistrict’s governance corresponds to what the Heads of State and Government imagined it would be like when it was set up.
VON DER SCHWEIZERISCHEN AGGLOMERATIONSPOLITIK ZUR „METROPOLITAN GOVERNANCE“ IM TRINATIONALEN METROPOLITANRAUM BASEL MARTIN WEBER „One of the main complaints is that nobody understands who does what“ 1. Ein Gespenst geht um, nicht nur in Europa. Städte und ihr Umland scheinen nur noch wahrgenommen zu werden, wenn sie sich als Metropolen inszenieren oder sich zu solchen vernetzen. Basel ist eine im europäischen Maßstab kleine Stadt mit unter 200 000 Einwohnern. Ihre weiter reichende Bedeutung verdankt sie ihrer Geschichte, ihrer Funktion als Sitz führender multinationaler Unternehmen und ihrer Rolle als Kernstadt einer trinationalen Agglomeration. Diese bildet selbst wiederum anerkanntermaßen den Kern eines größeren grenzüberschreitenden Metropolitanraums – vor Jahrzehnten noch kurz und bündig als „Regio“ bezeichnet – mit, je nach Betrachtungsweise, ungefähr einer Million Einwohnern in Deutschland, Frankreich und der Schweiz2. Dieses „Über-sich-Hinauswachsen“ stellt Basel vor nicht geringfügige Probleme: Weder der von seinen Einwohnern in Anspruch genommene Lebensraum noch der von der Kernstadt mit zu gestaltende umgebende Raum entsprechen den rechtlichen, finanziellen oder faktischen Einflussmöglichkeiten der Stadt Basel. Ausgehend von der Frage der schweizerischen Definition der Agglomeration bzw. des Metropolitanraums Basel und von Idealtypen der „Metropolitan Governance“ geht dieser Beitrag der Frage nach, wie sich eine für den trinationalen Metropolitanraum Basel angepasste Governance entwickeln kann3.
1 2
3
Organisation for European Cooperation and Development (OECD)’s Principles of metropolitan governance, July 2000; deutsch: „Eine der verbreitesten Klagen ist, dass niemand versteht wer was macht“. Die Feststellung, dass es infolge des globalisierten Standortwettbewerbs für die Umlandgemeinden zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder attraktiv wird, zu der mit dem Namen der Kernstadt bezeichneten Metropolregion zu gehören, bestätigt sich im Fall der Begriffe „metrobasel“ und „Eurodistrict Basel“, während der 1963 eingeführte Begriff „Regio Basiliensis“ diese Funtion der Kernstadt nicht ausreichend verdeutlicht. Cf. BLATTER, J.K./ KNIELING, J., „Metropolitan Governance – Institutionelle Strategien, Dilemmas und Variationsmöglichkeiten für die Steuerung von Metropolregionen“, in: KNIELING, J., (Hrsg.): Metropolregionen. Innovation, Wettbewerb, Handlungsfähigkeit, Forschungs- und Sitzungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, ARL, Band 231, Hannover, 2009, S.231. Zur ähnlich gelagerten Frage im Oberrheinraum, cf. FREY, M., „Konzepte für eine grenzüberschreitende regionale Governance am Beispiel der trinationalen Region am Oberrhein“, Verwaltungsblätter Baden-Württemberg, Heft 2, 2009, S.43-48; JAKOB, E., „Der Oberrhein – ein Governance-Modell für andere Grenzregion?“ in diesem Band.
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1. Cross-border multi-level-Governance – ein Rückfall ins Mittelalter? Die sich durch die europäische Einigung und die wirtschaftliche Globalisierung eröffnenden Möglichkeiten zur Überwindung nationaler Grenzhemmnisse haben in den vergangenen Jahrzehnten zu vielfältigen Initiativen einer grenzüberschreitenden Governance geführt. Manche Forscher fühlen sich bereits an die territorialen Flickenteppiche des Mittelalters erinnert, wenn sie die Hypothese eines „entstehenden neo-mittelalterlichen Politikgeflechtes aus überlappenden territorialen Gerichtsbarkeiten“ evozieren4. Governance zu Beginn des 21. Jahrhunderts erfordert jedoch neuartige Definitionszugänge. Im Falle der Governance von Stadtoder Metropolitan-Regionen können zwei klassische und eine neue Denkschule unterschieden werden: die Metropolitan-Reformtradition, der Public-ChoiceAnsatz und der New Regionalism5. Der erste stellt fest, dass institutionelle Grenzen gewachsene Verflechtungsund Austauschräume willkürlich durchschneiden und präsentiert sich „als eine von Effizienz- und Gerechtigkeitsüberlegungen getriebene Suche nach Kongruenz des funktionalen Raums mit institutionellen Grenzen“6. Die Lösung besteht demnach in der „Schaffung einer neuen, das funktionale Gebiet des Verdichtungsraums umfassenden Regierungsebene“, die als „Metropolitan Government“ bezeichnet wird. Einige solcher in den 1960er und 1970er Jahren entstandenen Konstrukte sahen sich jedoch dem Widerstand von Gemeinden und übergelagerten Staatsebenen ausgesetzt und wurden wieder abgeschafft (so in London, Rotterdam, Barcelona). Die zweite Denkschule, der Public-ChoiceAnsatz, begrüßte die Existenz vieler Gemeinden und die Konkurrenz zwischen den Wohnorten. Dort wo Probleme nicht anders gelöst werden können, schlägt sie zweckorientierte Netzwerke freiwilliger interkommunaler Zusammenarbeit, sogenannte funktionale überlappende und konkurrierende Gerichtbarkeiten, Functional Overlapping Competing Jurisdictions (FOCJ), vor7. Der Ansatz des New Regionalism liefert seit Beginn der 1990er Jahre eine Antwort auf die Frage nach der geeigneten Organisationsform von städtischen Verdichtungsräumen, nämlich die „Bildung von Steuerungskapazität durch weitgehend freiwillige Kooperation von staatlichen und privaten Akteuren unterschiedlicher Staatsebenen“8. Diese könne durch die von höheren Staatsebenen gesetzten Rahmenbedingungen (Anreize) sowie durch lokales politisches Leadership (Motive) wesentlich begünstigt werden. Kübler resümiert mit der Vermutung, dass auch dieser neueste Ansatz die Frage der geeigneten Form von Gebietskörperschaften beantworten muss, wenn es um die demokratische Beteiligung der Bürger geht – es sei denn, diese könne auf einer nicht-territorialen Basis erfolgen. Globalisierung, Strukturwandel hin zur Dienstleistungsökonomie und Aufgabenverlagerung von der nationalen Ebene zur supranationalen Ebene einerseits 4 5 6 7 8
GUALINI, E., „Cross-border governance: inventing regions in a trans-national multi-level Polity“, DISP 152, 2003, S.49; Im Original: „emerging neo-medieval political pattern of overlapping territorial jurisdictions“. Hier und im Folgenden: KÜBLER, D., „‚Metropolitan Governance‘ oder: Die unendliche Geschichte der Institutionenbildung in Stadtregionen“, Informationen zur Raumentwicklung, Heft 8/9, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn, 2003, S.535ff. Ibid. Ibid. Ibid.
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und zur regionalen Ebene andererseits werfen heute die Frage nach der geeigneten Steuerung von Metropolitan-Regionen auf. Ziel ist dabei, „durch eine gleichberechtigte Zusammenarbeit von Akteuren aus den Städten und dem Umland wie auch von öffentlichen und privaten Akteuren zu neuen Kombinationen von Ressourcen und Potenzialen zu kommen, um sich damit im Standortwettbewerb zu profilieren und zu behaupten“ 9. Anhand von neun Kriterien entwickeln Blatter und Knieling zwei Idealtypen von „Metropolitan Governance“10: Typ I entspricht tendenziell losen, großräumigen, oft polyzentrischen Metropolregionen mit weicher Institutionalisierung. Die Trinationale Metropolregion Oberrhein (TMO) befindet sich möglicherweise auf dem Weg zu solch einem Modell, das den Schwellenwerten der „Aufmerksamkeitsökonomie“ folgen muss11. Relevanz für eine Agglomeration wie Basel weist der Typ II auf: Die strategische Ausrichtung betrifft primär die interne Steuerung, dazu ist eine eindeutige geographische Abgrenzung notwendig. Angestrebt wird eine territorial-multifunktionale Ausrichtung, die auf einer harten Institutionalisierung und rechtlichen Rahmensetzungen beruht; private Akteure werden konsultiert aber nicht integriert. Das Planungsverständnis ist integrativ und arbeitet mit Leitbildern und Entwicklungskonzepten. Vorrangig werden regulative Instrumente eingesetzt und die Koppelung zwischen lokaler und regionaler Ebene ist eng. Insbesondere für monozentrische Metropolregionen und sicherlich auch für die Stadtregion Basel sind Kombinationen zwischen den beiden Typen denkbar: Um das Zentrum bildet sich der Typ II aus, während für die externe Orientierung und Profilierung Elemente des Typ I zum Zuge kommen12. Wir verstehen also unter grenzüberschreitender Metropolitan Governance keine „Governance without Government“, sondern einen Mehrwert durch Steuerung in dem Sinn, dass nicht nur die in den teilnehmenden Ländern vorhandenen Kompetenzen grenzüberschreitend koordiniert werden sondern darüber hinaus in gemeinsam definierten Bereichen eine Form gemeinsamer grenzüberschreitender „Government-naher“, hoheitlicher Governance ausgeübt wird. Die Einschränkung erfolgt insofern, als die exekutive Hoheitsausübung als Kern einer weiter gefassten Governance gesehen wird, die für den Einbezug weiterer Akteure aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft usw. über ein breites Spektrum an Mitwirkungsmöglichkeiten verfügt: beispielsweise Beiräte, Foren, Konsultationen, Einsitznahme in Gremien. Die Fragmentierung des Metropolitanraums Basel durch nationale Grenzen schließt die Optionen „Gebietsreform“, „Fusion“ und „Kompetenzentflechtung“ für den gesamten trinationalen Raum aus. In Anlehnung an Kübler13 bleibt somit lediglich die „Verbesserung der Koordination und Kooperation“ als geeignete Organisationsform zur Verbesserung der Metropolitan Governance. Der Frage, wie eine solche Verbesserung erreicht werden kann, soll nach einer Annä9
10 11 12 13
BLATTER J.K., KNIELING, J., „Metropolitan Governance – Institutionelle Strategien, Dilemmas und Variationsmöglichkeiten für die Steuerung von Metropolregionen“ op.cit. S.226, S.231. Dieser potenzialorientierte Ansatz unterscheidet sich von älteren, defizitorientierten Definitionen wie z.B. FÜRST, D., „Regional Governance“, in: BENZ, A., LÜTZ, S., SCHIMANK, U., SIMONIS, G. (Hrsg.), Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden, 2007, S.353ff. Ibid., S.239-263, 263 Tab. 2. Ibid., S.244. Ibid., S.262. KÜBLER, D., „Agglomerationen“, in: Handbuch der Schweizer Politik. 4., vollständig überarbeitete Auflage, Zürich, 2006, S.271ff.
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herung an eine verbindliche Definition des Metropolitanraums Basel und einem Blick auf die bundespolitische Beschäftigung mit den Agglomerationen nachgegangen werden.
2. Stadt, Kernstadt, Agglomeration, Kernagglomeration, Metropolitanraum Mit der neuen Schweizer Bundesverfassung (BV) von 1999 hielt der Begriff der Städte und Agglomerationen Einzug in die rechtlichen Grundlagen des Föderalismus: Art. 50 hält in Ziff. 3 fest, der Bund „nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete“14. Der Bund schenkt fortan seine Aufmerksamkeit nicht nur Kantonen und Gemeinden, den klassischen subnationalen Staatsebenen, sondern einem zu definierenden urbanen Raum. Definitionen sind variabel und so sind Agglomerationen und Metropolitanräume, die wir zunächst für den Raum Basel näher beschreiben wollen. Bereits 1980 hatte das Bundesamt für Statistik (BFS) fünf grenzüberschreitende, internationale Agglomerationen bestimmt, darunter Genf und Basel als die zwei größten15. Mit der Formel von 2000 wurden 53 ausländische Gemeinden zur Agglomeration Basel gerechnet und auf Schweizer Seite beispielsweise auch Liestal, das 1990 noch als eigene Agglomeration betrachtet worden war. Diese internationale Agglomeration Basel bildet noch heute die verbindliche Grundlage für bundespolitische Förderkulissen wie das Agglomerationsprogramm. Gemäß der Agglomerationsdefinition 2000 des BFS zählt die internationale Agglomeration Basel mit 127 Gemeinden (darunter deutsche und französische gemäß schweizerischer Definition) 731.167 Einwohner. Sie verteilen sich wie folgt: 32.5% oder 238.000 im Kanton Basel-Landschaft (BL); 26% oder 189.000 in Deutschland; 25.5% oder 188.000 im Kanton Basel-Stadt (BS); 8.5% oder 63.000 in Frankreich; 4.5% oder 33.000 im Kanton Aargau (AG; Fricktal); 3% oder 20.000 im Kanton Solothurn (SO; Thierstein, Dorneck)16. Basel liegt damit gemäß dem europäischen Raumbeobachtungsnetzwerk Espon im europäischen Städtevergleich17 von über 1500 Stadtregionen oder sogenannten Functional Urban Areas (FUA) auf Rang 72, nach den beiden Schweizer Städten Zürich mit 940.000 (Rang 36) und Genf mit 424.000 Einwohnern (Rang 67). Die nächstliegenden FUA in der trinationalen Region Basel sind Freiburg im Breisgau auf deutscher Seite mit 373.000 und Mulhouse auf französischer Seite mit 271.000 Einwohnern. In zwei weiterführenden Analysemodellen bildet Basel den Kern eines Potential Urban Strategic Horizon Area (PUSH), mit über 3 Millionen Einwohnern, sowie eines Potential Integration Area (PIA) bestehend aus 11 FUA mit insgesamt über 5 Millionen Einwohnern, welches sich mit benachbarten 14 15 16 17
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft SR 101. SCHULER, M., DESSEMONTET, P., JOYE, D., (unter Mitarbeit von Manfred PERLIK, Die Raumgliederungen der Schweiz, Bundesamt für Statistik (BFS), Neuchâtel, 2005, S.155. LEZZI, M., „Agglomerationsverkehr Basel – Ziele, Trends und Strategien“, Regio Basiliensis, 48/1, 2007, S.23. Espon Potentials for polycentric development in Europe, project 1.1.1, Endbericht, revidierte Version, März 2005, S.54: FUA „consist of the Urban Area/core municipality plus adjacent commuting areas (fringe municipalities)“.
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PIA überschneidet18. Basel soll ab dem Berichtsjahr 2009 auch im Urban Audit erscheinen, einem europaweit angelegten Vergleich von Städten und Stadtregionen (Larger Urban Zones als Annäherung an den Funktionalraum einer Stadt)19. Auch für die Larger Urban Zone von Basel wird im Rahmen des Urban Audit die Agglomerationsdefinition 2000 des BFS verwendet werden. Im Rahmen des Projekts „agglosuisse“ untersucht das BFS derzeit neue, an wirtschaftliche und gesellschaftliche Trends angepasste Definitionen für Agglomerationen, die ihrerseits wachsen und in Bezug zu anderen Agglomerationen stehen. Der Vergleichbarkeit mit dem europäischen Ausland und den europäischen Metropolräumen wird dabei besondere Aufmerksamkeit zukommen20. Wie bei Städten gibt es auch für Metropolregionen oder Metropolitanräume keine allgemein anerkannten einheitlichen Definitionen. Dies leistet auch der Entwurf zum Raumkonzept Schweiz noch nicht, er konstatiert lediglich: Der Metropolitanraum Basel dehnt sich bis nach Delémont, Mulhouse und Freiburg im Breisgau aus und umfasst 1,3 Millionen Einwohner21. Das BFS definierte 1990 und leicht verändert 2000 aufgrund der Pendlerverflechtungen fünf analytische Metropolräume (Zürich, Genève-Lausanne, Basel, Bern, Tessin zu Milano)22. Gemäß dieser Definition werden die nach Schweizer Definition bestimmten Agglomerationen Mulhouse, Müllheim-Ottmarsheim (auf deutscher und französischer Seite) und Bad Säckingen (auf deutscher Seite) zum Metropolraum Basel gerechnet. In der Vertiefungsstudie „Metropolitanräume“ des Monitorings UrbanerRaum Schweiz wird der komplexe trinationale Metropolitanraum Basel aufgrund fehlenden Datenmaterials noch stiefmütterlich behandelt und mit der Kernagglomeration Basel gleichgesetzt23. Ein Gutachten im Rahmen von agglosuisse postuliert eine Weiterentwicklung des Begriffs über die Analyse hinaus: „Die Metropolregionen sind im Sinne von analytischen Raumeinheiten zu definieren. Eine Entwicklung hin zu einem politischen Handlungsraum, wie dies bei den Agglomerationen der Fall war, ist durchaus denk- und wünschbar“24. Für einen politischen Handlungsraum müssten dann zusätzlich die gemeinsam wahrzunehmenden Funktionen definiert werden – ein Schritt, der für den Raum Basel noch nicht erfolgt ist. Gemäß einer verbreiteten Definition25 sind drei Aspekte wesentlich, um einer Großregion Metropolfunktionen zuschreiben zu können: Entscheidungs- und Kontrollfunktion (z.B. Sitze internationaler Unternehmen), Innovations- und Wettbewerbsfunktion (z.B. Forschung, Kultur) und GatewayFunktion (z. B. Flughafen, Bahn, Messen). Wir verstehen also unter dem Metropolitanraum Basel einen funktionalen Raum mit Basel als Kernstadt und Kernagglomeration, der ein Einzugsgebiet von 18 19 20 21 22 23 24 25
Monitoring Urbaner Raum Schweiz, Themenkreis C1/C2: Stellung der Schweizer Grosszentren im europäischen Städtesysteme, Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), 2007, S.6f. und Monitoring Urbaner Raum Schweiz: Analysen zu Städten und Agglomerationen, ARE, 2009, S.58f. BASLER, E., Überarbeitung der Agglomerationsdefinition, Schlussbericht vom 29.6.2007, BFS, 2007, S.65f. Cf. www.bfs.admin.ch > Regional > Stat. Grundlagen > Projekte > Agglosuisse (2.2.2010). Raumkonzept Schweiz, ARE, Entwurf vom 24.6.2008. Bern, 2008, S.42. BASLER, E., op.cit. S.9f. Monitoring Urbaner Raum Schweiz, Themenkreis B3: Metropolitanräume, ARE, 2004, S.6f. BASLER, E., op.cit., S.91. BLOTEVOGEL, H.-H., „Deutsche Metropolregionen in der Vernetzung“, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 6/7, Bonn, 2002, S.346, zitiert nach BFS, StatEspace Newsletter Nr. 4/2009, in: www.bfs.admin.ch. S.1f (2.2.2010).
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730.000 bis über einer Million Einwohner umfasst und sich räumlich im Süden von Basel bis zum Jurakamm und im Elsass und Baden bis zu den Agglomerationen Mulhouse, Freiburg im Breisgau und Bad Säckingen erstreckt. Diese Definition ist deshalb von Bedeutung, weil sie den Kreis der institutionellen Partner in der grenzüberschreitenden Metropolitan Governance definieren wird. In funktionaler Hinsicht erfüllt sie die drei gängigen Schlüsselkriterien in hohem Masse.
3. Bundespolitiken in institutioneller und räumlicher Hinsicht Die neue städte- und agglomerationsbezogene Grundlage in der schweizerischen Bundesverfassung wurde einleitend bereits erwähnt. Seither haben sich zwei Hauptachsen eidgenössischer Befassung mit dem Thema herausgeschält: Einerseits die Institutionalisierung der Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden in der am 20. Februar 2001 gegründeten Tripartiten Agglomerationskonferenz (TAK)26, andererseits die zunehmende Bedeutung des urbanen Raums in der Raumentwicklungspolitik des Bundes. Das Jahr 2001 wurde so mit der Gründung der TAK und der Veröffentlichung des Berichts über die Agglomerationspolitik des Bundes27 (nach dem „Bericht über die Kernstädte“ 1999) zum eigentlichen Initialjahr der offiziellen Beschäftigung mit der urbanen Schweiz, die für drei Viertel der Schweizer Bevölkerung die alltägliche Realität bildet. Der Raumentwicklungsbericht 2005 bezeichnet die Verstärkung der Zusammenarbeit auf und zwischen allen Ebenen (auch) in Agglomerationen als eine der wichtigsten Strategien für die weitere räumliche Entwicklung der Schweiz28. Gleichzeitig entspinnt sich in einigen „Modellvorhaben“ der Agglomerationspolitik (im Unterschied zum Raum Zürich nicht jedoch im Raum Basel) und bei der Ausarbeitung der Agglomerationsprogramme eine Diskussion um geeignete Steuerungsmodelle. Im Zwischenbericht zur Agglomerationspolitik erkennen die zuständigen Bundesämter die Fortschritte an, die in binnenschweizerischen Agglomerationen erzielt werden konnten, bedauern jedoch auch, dass nur wenige Kantone „bisher systematisch den agglomerationspolitischen Handlungsbedarf und die Handlungsoptionen analysiert und gestützt darauf eine umfassende Agglomerationspolitik mit entsprechender Projektorganisation aufgebaut“ haben29. Vorgesehen ist nun, die Agglomerationsprogramme in der laufenden Revision des Raumplanungsgesetzes auf eine gesetzliche Stufe zu heben. Der Bund wurde zum „politischen Unternehmer“ in Agglomerationsfragen, der mit finanziellen und inhaltlichen Akzenten die Entscheidungen der Kantone und Gemeinden vorstrukturiert30. Auf der Basis des Entwurfs für ein Agglomerationsprogramm Basel erkannte der Bund in seinem Prüfbericht an, dass die Ausgangslage für dieses Agglomerationsprogramm „außerordentlich komplex“ sei, müsse es doch nicht nur vier Kantone, sondern auch drei Länder respektive deren Regionen koordinieren. Die 26 27 28 29 30
Cf. www.tak-cta.ch (2.2.2010). Die Agglomerationspolitik des Bundes, ARE, 2001. Raumentwicklungsbericht, ARE, Bern, 2005, S.103. Agglomerationspolitik des Bundes, Zwischenbericht 2006, ARE/Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Bern, 2006, S.29. KÜBLER, D., „Agglomerationen“, op.cit., S.281.
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gemeinsame Entwicklungsstrategie mit einem konsequent grenzüberschreitenden Handlungsansatz sei „noch wenig fortgeschritten, entsprechend sind die Maßnahmen noch zu stark auf den Schweizer Teil der Agglomeration fokussiert“31. Der Trinationale Eurodistrict Basel (TEB) hielt dieser Kritik in einer Stellungnahme vom 27. Februar 2009 zurecht entgegen, dass das Agglomerationsprogramm in enger Abstimmung mit den TEB-Gremien und ihrer Strategie 2020 entwickelt worden sei. In zwei Punkten32 vermag das Agglomerationsprogramm unzweifelhaft nicht die idealtypischen Vorgaben der schweizerischen Agglomerationspolitik zu erfüllen: In institutioneller Hinsicht wird die vom Bund eingeforderte Trägerschaft nicht die gesamte trinationale Agglomeration umfassen können sondern eine schweizerische Konstruktion sein müssen, da für die Abwicklung der Bundessubventionen Schweizer Recht maßgebend sein wird; und in thematischer Hinsicht wurde das Agglomerationsprogramm von den vier Kantonsregierungen bewusst auf die Mindestanforderungen des Bundes im Bereich Verkehr/Siedlung konzentriert, die Ansätze zum Aufbau einer umfassenden grenzüberschreitenden Governance mit diesem Instrument also nicht kombiniert.
4. Modelle zur institutionellen Weiterentwicklung der Agglomerationszusammenarbeit Im Folgenden wird näher auf die institutionellen Aspekte, die im Rahmen der TAK diskutiert werden, einzugehen sein. In ihrem ersten Bericht zur horizontalen und vertikalen Zusammenarbeit wandte sich die TAK 2004 primär an die Gemeindeebene innerhalb eines Kantons und propagiert das sogenannte TAKModell: Bildung eines Agglomerationsrates, bestehend aus den Gemeindepräsidien aller Agglomerationsgemeinden, der über gewisse Fragen verbindlich entscheiden kann; Initiative und Referendumsmöglichkeit der Agglomerationsbevölkerung; Kanton als „politischer Schiedsrichter», der den Perimeter notfalls verordnen kann. Das Modell verspricht innerkantonal eine effiziente und dennoch demokratisch abgestützte Entscheidfindung33. Wie kann nun ein solches Modell auf kantonsübergreifende, allenfalls gar landesgrenzenüberschreitende Agglomerationen wie Basel angepasst werden? Die TAK entwickelt sechs Modelle, die von loser, projektbezogener Zusammenarbeit bis hin zu verbindlichen, interkantonalen Zusammenarbeitsstrukturen reichen. Was sie verbindet, ist das Ziel, die Zusammenarbeit zu verstärken und effizienter zu machen, ohne dabei Verluste hinsichtlich demokratischer Strukturen in Kauf nehmen zu müssen. Die ersten vier Modellstufen stellen Koordinationsplattformen dar und sind, obwohl sie sich auf diese lose interkommunale Kooperationsform beschränken, darauf hingewiesen, dass die „Kantone diese Zusam31 32
33
Agglomerationsprogramm Basel, Prüfbericht des Bundes vom 12.12. 2008, ARE, Bern, 2008, S.5, 18. Cf. LEZZI, „Agglomerationsverkehr Basel – Ziele, Trends und Strategien“ op.cit., S.33ff, die anmerkt, dass innerhalb der Agglomeration Basel in Bereichen wie Universität, Spitäler, Kultur eng zusammengearbeitet wird, allerdings nie unter dem Titel „Agglomerationspolitik Basel“. Tripartite Agglomerationskonferenz (TAK), (Hrsg.),Verstärkung der Zusammenarbeit in kantonsübergreifenden Agglomerationen, Bern, 2006, S.11.
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menarbeit mittragen und durch geeignete interkantonale Kooperationsstrukturen fördern und unterstützen“34. Beim Modell 5 werden zwei exekutive Zwischenebenen geschaffen: Die Gemeinden der Agglomeration versammeln sich in einem Agglomerationsrat, die Kantone arbeiten auf einer Interkantonalen Agglomerationsplattform (IAP) zusammen. Beide Gremien können – kantonsübergreifend – je in ihrem Zuständigkeitsbereich verbindliche Beschlüsse fassen. Dies setzt voraus, dass Zuständigkeiten auf die IAP übertragen werden. Diese Lösung bringt sowohl unter der Effizienz wie auch unter dem Demokratieaspekt klar einen Mehrwert, bedarf jedoch weitreichender Gesetzes- und Verfassungsänderungen in den Kantonen. Die TAK empfiehlt kein konkretes Modell, sondern kommt zu Schluss: „Die zur Diskussion gestellten Modelle sind entweder rasch realisierbar, aber nicht sehr effizient. Oder sie sind effizient, aber nicht sehr demokratisch. Oder sie sind effizient und demokratisch, aber nicht kurzfristig umsetzbar“35. An der Hürde der Verbindlichkeit, der Effizienz und der demokratischen Legitimation droht also bereits die interkantonale Agglomerationszusammenarbeit zu scheitern. Der TAK-Bericht klammert die landesgrenzenübergreifende Zusammenarbeit deshalb bewusst aus und hält nur im Kapitel „Internationales“ Ausblick auf die aktuellen Entwicklungen im Raum Basel, wobei die Trinationale Agglomeration Basel (TAB) bemerkenswerterweise mit der Metropolitan-Region gleichgesetzt wird. „2007 soll der Eurodistrikt als Dachorganisation für die Zusammenarbeit innerhalb des gesamten trinationalen Grossraums fungieren, unter dem eine langfristige Strategie für die Entwicklung der gesamten MetropolitanRegion der TAB entwickelt werden kann, und der als eine wichtige Etappe hin zu einer gemeinsamen Form der „Governance“ auf trinationaler Ebene verstanden wird“36. Zum Umfang und zur Bedeutung einer solchen Governance macht sich die TAK in ihrem Bericht über Möglichkeiten und Grenzen kantonaler Agglomerationspolitik Gedanken. Damit über die Bereiche Verkehr und Siedlung hinaus weitere Themenfelder erfolgreich integriert werden können „dürfen die regionalen Zusammenarbeitsstrukturen in diesen Bereichen nicht zusätzlich erschwert, sondern sollten im Gegenteil vereinfacht werden. (…) Entscheidend ist dabei, dass der Koordinations- und Sitzungsaufwand der politischen Entscheidungsträger mit einem einzigen Gremium reduziert werden kann.“ Und sie hält im Fazit fest: „Je offener die Strukturen auf Agglomerationsebene gegenüber neuen Themen sind, desto größer wird dadurch die strategische Relevanz der Agglomerationen als Koordinationsräume von staatlichen Maßnahmen zwischen Kanton und Gemeinden. Eine ganzheitliche Agglomerationspolitik bedeutet somit auch eine zunehmende Umstellung von sektorbezogener auf raumbezogene Politikkoordination“37.
34 35 36 37
PLÜSS, L., „Die Kantonsgrenze im Metropolitanraum Zürich. Eine Untersuchung der interkommunalen Zusammenarbeit in der Nutzungsplanung“, DISP 174 (3), 2008, S.75. TAK (Hrsg.), op.cit. S.9f. Ibid., S.28f., Cf. Agglomerationsprogramm Basel, op.cit., S.42. TAK (Hrsg.), op.cit., S.37.
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5. Das Raumkonzept Schweiz als neues normatives Konzept Vor dem Hintergrund der seit 2001 geführten Diskussion erstaunt nicht, dass im Entwurf für ein „Raumkonzept Schweiz“ vom Juni 200838, welches mit einer tripartiten Begleitgruppe und in einem breit angelegten Anhörungsprozess erarbeitet wird, die funktionale Bedeutung von Städten, Agglomerationen und Metropolen buchstäblich breiten Raum einnimmt. Erstmals legt ein Bundesamt ein normatives Konzept für die funktionalen Großregionen der Schweiz vor. Ob darin die in den letzten Jahren entstandenen Analysen des ETH-Studios Basel, der Avenir Suisse oder von Forschern wie Alain Thierstein oder René L. Frey „kulminieren“, wie der Direktor von Avenir Suisse schreibt, bleibe dahin gestellt. Seiner Analyse des Befunds des Raumkonzepts ist jedoch im Kern zuzustimmen: „Die räumliche Struktur, die räumliche Entwicklung, haben mit den historischen politischen Einheiten kaum etwas zu tun. Das Raumkonzept Schweiz des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) ist eigentlich ein amtliches Plädoyer für eine Gebietsreform“39. Im Kern deshalb, weil mit der Akzeptanz der Aussagen des Raumkonzepts und der Überzeugung, dass eine institutionelle Kongruenz mit den Funktionalräumen geschaffen werden soll, eine Gebietsreform unausweichlich ist. Im Entwurf selbst wird pragmatisch vor überzogenen Erwartungen entlang der Landesgrenzen gewarnt: „Wenn auch einzelne Regionen, etwa die Metropolregionen Basel und Genf, erste gemeinsame Verwaltungsstrukturen aufgebaut haben, stehen bedeutende Arbeitsschritte, um die politische Segmentierung in den Grenzregionen zu überwinden und die Raumpolitiken zu harmonisieren, noch bevor“40. Die Frage der Zusammenarbeit in einer interkantonalen und internationalen Agglomeration stellt sich somit für den Raum Basel als Frage der Steuerung eines trinationalen Metropolitanraums. Das Raumkonzept definiert Metropolitanräume als Handlungsräume, die eine sehr enge funktionale Verflechtung der einzelnen Teilräume aufweisen, beruhend auf den Pendlerbeziehungen, auf wirtschaftlichen Beziehungsnetzen, auf dem gegenseitigen Austausch von Dienstleistungen sowie auf einer engen Verflechtung der Freizeitaktivitäten und des kulturellen Angebots. Sie zeichnen sich durch eine internationale Ausstrahlung aus, für die Faktoren wie die internationale wirtschaftliche Vernetzung, Sitze internationaler Unternehmen, die Einbindung in das internationale Verkehrsnetz, die Position im Bereich Forschung und Bildung, das kulturelle Angebot sowie eine im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Lebensqualität von Bedeutung sind. Das „Raumkonzept“ unterscheidet bei den Metropolitanräumen zwischen dem „Kernbereich“ und dem „Ausstrahlungsbereich“. Innerhalb des Kernbereichs bestehen sehr enge funktionale Verflechtungen: Die Agglomerationen und ländlichen Räume im Kernbereich ergänzen sich in ihrem Angebot bezüglich Infrastruktur, Zentrumsleistungen, Arbeitsplätzen, Wohnstandorten und Erholungsangeboten. Der „Ausstrahlungsbereich“ wird vom Metropolitanraum geprägt und richtet sich in vielen Bereichen, namentlich wirtschaftlich, auf diesen aus41. Im Falle des Metropolitanraums Basel umfasst der Kernbereich die Ag38 39 40 41
Agglomerationsprogramm Basel, op.cit. HELD, T., Referat am Städtetag 2008 in Lugano, 2008, in: www.staedteverband.ch.(2.2.2010). Agglomerationsprogramm Basel, op.cit., S.7f. Ibid., S.24.
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glomeration Basel und dehnt sich bis nach Delémont, Mulhouse und Freiburg im Breisgau aus. Er umfasst fünf Kantone und drei Nationalstaaten, rund 1,3 Millionen Einwohner und ca. 650.000 Arbeitsplätze. Von den Arbeitsplätzen entfallen rund 6% auf die Life-Sciences-Branche42. Der strategischen Empfehlung des Raumkonzepts zur grenzüberschreitenden Kooperation im Metropolitanraum Basel kann beigepflichtet werden. „Erste Priorität bei der Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hat die Zusammenarbeit im Kernbereich des Metropolitanraums. Dabei kann auf der Basis des Trinationalen Eurodistrictes Basel TEB aufgebaut werden. Seitens Bund sind dazu die völkerrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen und laufend den Entwicklungen im Europäischen Union (EU)-Raum anzupassen. Zudem strebt der Bund im Rahmen seiner Sektoralpolitiken an, das Territorialitätsprinzip soweit als möglich zu überwinden“43.
6. Cherchez la métropole! Metropolitanräumen sind keine Oasen in der Wüste, sondern gerade im dicht besiedelten zentralen Europa immer in Beziehung zu setzen zu anderen, größeren oder kleineren Metropolräumen. Basel liegt an der Schnittstelle von drei „Metropolitan-Diskursen“, wenn man die stärker politisch als analytisch geprägten Diskussionen so bezeichnen will. Es geht zunächst und primär um die schweizerische Diskussion, die im Raumkonzept Schweiz „kulminierte“44 und in politischer und finanzieller Hinsicht die für Basel bedeutsamste ist. Unbestritten ist damit auf Schweizer Seite der Metropolitanraum Zürich Nachbar zu Basel – offen bleibt lediglich die Frage, wie viel diese beiden Räume verbindet oder gar zu einem Metropolitanraum Nordschweiz verbindet. Das Raumkonzept geht nicht so weit, diesen Ansatz45 zu übernehmen, sondern konstatiert nüchtern: „Zwischen Basel und Zürich bestehen maßgebliche wirtschaftliche und funktionale Abhängigkeiten. Diese drücken sich unter anderem in entsprechenden Pendlerbeziehungen und wirtschaftlichem Austausch aus. Diese Abhängigkeiten dürften in Zukunft noch zunehmen. Langfristig ist die Bildung einer Metropolitan-Region Nordschweiz nicht ausgeschlossen. Die Achse Basel-Zürich ist deshalb zu stärken“46. Es versteht sich von selbst, dass dieses Konzept im Kanton Aargau auf starke Resonanz stößt. Aktiv aufgegriffen wurden Überlegungen der Agglomerationspolitik des Bundes und der TAK in den Kanton Bern und Freiburg (Schweiz), wo sich innerkantonale Lösungen anbieten, und im interkantonalen Großraum Zürich. Vorarbeiten im Rahmen von Modellvorhaben führten am 3. Juli 2009 in 42 43 44 45 46
Ibid.,. S.42. Ibid.,. S.43. HELD, T. Referat am Städtetag in Lugano, 2008, cf. http://staedteverband.ch/cmsfiles/ 090318/_ref_held_lugano.pdf (2.9.2010). Der Ansatz stützt sich namentlich auf Thierstein 2008. Agglomerationsprogramm Basel, op.cit. S.64.
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Frauenfeld zur Gründung des Vereins Metropolitanraum Zürich, in dem sich acht Kantone47 und 65 Städte und Gemeinden organisieren. Oberstes Organ des Vereins ist die Metropolitan-Konferenz, in der alle Mitglieder des Vereins vertreten sind und die aus einer Kantonskammer sowie einer Städte-/Gemeindekammer besteht. Als geschäftsführender Ausschuss fungiert der Metropolitan-Rat aus insgesamt 16 Exekutivvertretern der beteiligten Kantone bzw. Städte und Gemeinden. Ein operativer Ausschuss aus Vertretern der kantonalen und kommunalen Verwaltungen plant zusammen mit der Geschäftsstelle die Aktivitäten des Vereins. Ziele sind die langfristige Sicherung der Lebensqualität und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Metropolitanraums, wozu jeweils konkrete Umsetzungsprojekte definiert werden48. Basels geographische Lage impliziert eine Beteiligung auch am französischen und deutschen Metropolitan-Diskurs. Dieses Thema zeugt von der gleichen Dynamik und Offenheit der Debatte, wie wir sie in der Schweiz erleben. Wie am Beispiel der bundespolitischen Unterstützung im Rahmen des Agglomerationsprogramms zu zeigen war, ist jedoch das Schweizer Umfeld – und unausweichlich das Schweizer Recht – für Basel prioritär. Dasselbe gilt für den MetropolitanDiskurs. Dennoch ist auf französischer Seite die weitere Entwicklung der „Métropole Rhin-Rhône“49, eines Städtenetzes vom TEB über Mulhouse, Belfort, Besançon bis Dijon, genauso im Auge zu behalten, wie die bevorstehende Aufwertung Straßburgs zur Metropole im innerfranzösischen Kontext. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy ging am 20. Oktober 2009 bei der Eröffnung der Debatte über die Verwaltungsreform, die am 1. Januar 2011 in Kraft treten soll, explizit auf die Bedeutung der Metropolen ein: „man muss die Metroplitan-Entwicklung anerkennen. Alle sind sich einig, dass in einer innovativen Wirtschaft die Metropolen der entsprechende Bezugsrahmen für die wirtschaftliche Entwicklung sind“; und er konstatierte dann im europäischen Vergleich: „(…) 70% der europäischen Wirtschaftskraft wird in einer Kurve von Londern bis Rom über die Rheinaxe produziert. Frankreich liegt im Westen. Entweder, wir begnügen uns damit oder wir geben uns die Mittel, selbst mitzuspielen“50. Der Anschluss an das Netz der europäischen Metropolen soll mit der Schaffung von zwei Metropolkategorien erleichtert werden: Einerseits erhalten Stadtgemeinschaften mit über 450.000 Einwohnern (wie Straßburg) den Status einer Metropole und bündeln Kompetenzen, die bisher bei Gemeinden, Städten, Zweckverbänden oder Gebietskörperschaften lagen51. Zum andern können sich interkommunale Einrichtungen freiwillig zu einem „pôle métropolitain“, einem Netzwerk, zusammenschliessen, sofern eine von ihnen mindestens 200.000 Einwohner und der ganze „Pol“ 450.000 Einwohner zählt52. Sollte das Gesetz in dieser Form in Kraft treten, handelt es sich zweifellos um die bisher weitreichendste
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Darunter der Kanton Aargau, der auch in Gremien der Region Basel mitwirkt. Cf. www.metropolitanraum-zuerich.ch (2.2.2010). Cf. www.metropole-rhin-rhone.eu (2.2.2010). Discours de Nicolas Sarkozy à Saint-Dizier (Haute-Marne), in : www.elysee.fr. (20.10.2009). Projet de loi de réforme des collectivités territoriales: Art. L. 5217-1., in :www.senat.fr (21.10.2009). Projet de loi de réforme des collectivités territoriales: Art. L. 5231-1/2, in : www.senat.fr (21.10.2009).
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rechtliche und kompetenzorientierte Verankerung einer Metropolitan-Politik im Dreiländervergleich Schweiz-Deutschland-Frankreich. Vor allem von deutscher Seite wird das Projekt einer TMO53 forciert, nachdem diesem Raum eine innerdeutsche Anerkennung als europäische Metropolregion durch die Ministerkonferenz für Raumordnung versagt blieb. Das Projekt soll zu einer verbesserten Zusammenarbeit in den vier Säulen Politik (Oberrheinkonferenz, Oberrheinrat, Eurodistrikte, Städte), Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft führen. Die inflationäre Zunahme von raumordnerisch definierten und politisch angestrebten Metropolregionen wird von einigen Vertretern als Stabilisierungsbeitrag gewertet: ein polyzentrales Städtesystem mit Redundanzen, welches den Wettbewerb fördert54. Dass Deutschland als föderaler Bundesstaat sich mindestens so schwer tut mit einer Hierarchisierung der urbanen Funktionalräume wie die Schweiz, zeigt die seit kurzem eingesetzte Diskussion über sogenannte „Regiopolen“. Dieses seit 2006 kursierende Prädikat soll Großstädte und Stadtregionen beschreiben oder aufwerten, die nicht den Status einer Metropolregion erreicht haben oder werden. In der Literatur fallen darunter beispielsweise Städte wie Freiburg i. Br. und Karlsruhe, die sich auch an der Diskussion um die TMO beteiligen55.
7. Entwicklung einer trinationalen Governance im Raum Basel Im engeren Sinne besteht noch keine trinationale Metropolitan Governance im trinationalen Raum Basel, wohl aber existieren vielfältige Formen grenzüberschreitender Zusammenarbeit und grenzüberschreitender Plattformen der Zusammenarbeit. Eine erste These lautet daher: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit funktioniert auch ohne grenzüberschreitende Governance. Exemplarisch für diese These ist der hyper-pragmatische Ansatz, der seit Jahrzehnten in der Region Basel praktiziert wird und sich bis zur Beantwortung eines parlamentarischen Vorstoßes zur Schaffung eines trinationalen Verkehrsverbunds im Herbst 2009 wie ein roter Faden durchzieht. Ein erster Meilenstein war das äußerst pragmatische Vorgehen zur Errichtung eines binationalen Flughafens im benachbarten elsässischen Blotzheim, institutionell getragen durch einen schweizerisch-französischen Staatsvertrag, der eine funktional eingeschränkte binationale Governance sui generis einrichtet56. In unzähligen Bereichen wie Müllentsorgung, Deponien, Müllverbrennung, Kontrolle der Wasserqualität im Rhein, bei grenzüberschreitenden Bus- und S-Bahn-Linien, bei Grenzübergangsanlagen, Verbindungsstrassen über Territorium des Nachbarlandes, bei Ausnahmeregelungen für den grenzüberschreitenden Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen oder bei der Nutzung der Wasserkraft des Rheins steht der pragmatische, sektorielle Ansatz im Vordergrund. Er führt zu einer Vereinbarung, einem Vertrag oder gegebenenfalls einem Staatsvertrag der direkt betroffenen Partner. Immer wird aus der Sachlogik und der momentanen Situation heraus verhandelt 53 54 55 56
Cf. www.oberrheinkonferenz.org/www.oberrheinrat.org (2.2.2010). SINZ, M., „Die Republik der Stadtregionen“, in: ARING, J., et al. (Hrsg.), Regiopolen: die kleinen Grossstädte in Zeiten der Globalisierung, Berlin, 2008, S.40ff. ARING, J., et al. (Hrsg.), op.cit. SR 0.748.131.934.92 und Ergänzungen.
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und vereinbart. Der Abgleich mit seinen längerfristigen Strategien erfolgt durch jeden Partner. Der relative Erfolg des pragmatischen Ansatzes lässt als zweite These gelten: Grenzüberschreitende Governance-Strukturen beschränken sich bis heute auf Plattformen für Projekte und Informationsaustausch. Nach jahrzehntelanger Erfahrung in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit den badischen und elsässischen Nachbarn gewinnt die Zusammenarbeit in der engeren Agglomeration Basel erstaunlicherweise erst Mitte der 1990er Jahre an Bedeutung. Auf die Anfänge der Kooperation rund um den Flughafen folgten 1963 die Gründung des Vereins Regio Basiliensis57 und 1975 das Bonner Abkommen zwischen Bern, Bonn und Paris, welches die staatsvertragliche Grundlage für die Oberrheinkooperation schuf und 2000 erneuert wurde58. An Gremien mangelt es seit 1975 nicht am Oberrhein – das Fazit von Béatrice Speiser im Jahre 1993 gilt jedoch auch für die heutige grenzüberschreitende Governance im Metropolitanraum Basel: „Die Zusammenarbeit selbst betrifft zwar sehr viele verschiedene Sachbereiche, erschöpft sich aber auf der Ebene der Information, Konsultation und allenfalls Koordination. (…) Schließlich hat bis heute auch keine Übertragung irgendwelcher Hoheitsrechte stattgefunden“59. An diesem zentralen Befund der Kompetenzübertragung hat sich ebenfalls bis heute nichts geändert, auch nicht durch die seither in Kraft getretenen Bestimmungen des Madrider Abkommens des Europarats60, des Karlsruher Übereinkommens61 oder zum Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ)62. Die Entstehungsgeschichte des Vereins TAB ist in der TEB-Strategie 2020 dokumentiert. Sie kann als fachliches Zusammenarbeitsprojekt über mehrere Jahre einem typischen Phasenverlauf charakterisiert werden: Kennenlernen, Informationsaustausch, Willenserklärung, Konzeptarbeit, Rahmenprojekt mit mehreren Machbarkeitsstudien, gemeinsame Koordinationsstelle, leichte Institutionalisierung63. Heute stellt sich der 2007 aus dem TAB-Verein hervorgegangene Verein TEB als Plattform zur Koordinierung von grenzüberschreitenden Initiativen und Projekten dar64. Er verfügt über ein Grundbudget von 300.000 Euro pro Jahr und betreibt eine Geschäftsstelle unter einem Dach mit der trinationalen grenzüberschreitenden Informations- und Beratungsstelle (Infobest)65. Im Unterschied zu anderen Plattformen66 beschränkt sich der TEB-Verein gemäß Statuten auf öffentlich-rechtliche Partner: Der Eurodistrict ist nicht mehr und nicht weniger als eine grenzüberschreitende Agglomerationskonferenz der Exekutivbehörden der be57 58 59 60 61 62 63 64 65 66
Cf. www.regbas.ch (2.2.2010). SR 0.131.21. SPEISER, B., „Europa am Oberrhein. Der grenzüberschreitende Regionalismus am Beispiel der oberrheinischen Kooperation“, Schriften der Regio 13, 1993, S.70. Vom 21.5.1980 und Zusatzprotokolle, cf. Europarat, STE, N°106. Vom 23.1.1996, Text aufrufbar in: www.oberrheinkonferenz.org (2.2.2010). Verordnung (EG) Nr. 1082/2006 vom 5.7.2006. Eine Zukunft zu Dritt: TAB – Entwicklungsstrategie 2020, 3 Bände, TEB, Village-Neuf, 2009, Bd. 1, S.111ff und Bd. 2, S.15ff. Cf. www.eurodistrictbasel.eu (2.2.2010). Cf. www.infobest.eu Palmrain (2.2.2010). Cf. www.metrobasel.org/www.regbas.ch (2.2.2010).
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teiligten Gebietskörperschaften und öffentlich-rechtlichen Verbände67. Weiter gefasst hingegen als noch beim TAB-Verein spannt der Zweckartikel bei den Zielsetzungen einen weiten Bogen68. Sie beinhalten auch mehrjährige Großveranstaltungen wie die Internationale Bauausstellung (IBA) Basel 2020 die 2010 lanciert wird. Schwerpunktmäßig koordiniert der TEB eine Reihe von Arbeitsgruppen und betreut Projekte, oft finanziert über das Programm Interreg IV Oberrhein, die sich mit Themen wie Tarifkooperation und Verkehrsplanung befassen. Mit der 2009 publizierten Entwicklungsstrategie 2020 legt der TEB ein wegweisendes Rahmendokument vor. Die langjährige Praxis regionaler grenzüberschreitender Zusammenarbeit in Gremien wie der Oberrheinkonferenz und der Eurodistrikt und die breite Vernetzung in Verbände, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bewirken, dass im trinationalen Raum Basel-Oberrhein eine hohe Zahl an Projekten und insbesondere an Interreg-Projekten generiert werden. Der pragmatische Projektansatz und die eingeschliffene Praxis zur Generierung von EU-, Kantons-, und teilweise Bundessubventionierten Projekten löst die grundsätzlichen Kompetenzfragen nicht. Das Beispiel der Beantwortung eines Vorstoßes im Basler Parlament zur Schaffung eines Verkehrsverbundes macht dies deutlich. „Soll aber eine entsprechend starke Organisation geschaffen werden, ist es zwingend, dass die einzelnen Kantone ihre heutigen Kompetenzen zugunsten einer gemeinsamen öffentlichen Verkehrsplanung abgeben. Zudem würde ein Verkehrsverbund Nordwestschweiz nur einen Teil des Mobilitätsraumes abdecken. Die Nachbarländer sind nicht einbezogen, obwohl sie einen Teil der Metropolitan-Region bilden“69. Der pragmatische Ansatz wird damit begründet, dass er schneller zum Ziel führe, „da die einzelnen Schritte jeweils kurzfristiger umgesetzt und in der Praxis geprüft werden können. Ein solcher Schritt könnte beispielsweise ein Zweckverband Regio-S-Bahn sein“70. Ein wesentliches Element sei allerdings auch, dass alle Betroffenen möglichst eine gemeinsame Strategie verfolgen. „Der Weiterausbau der bestehenden Gremien kann längerfristig in die Nähe eines Verkehrsverbunds führen. Voraussetzung ist allerdings, dass die betroffenen Parlamente schrittweise Kompetenzen an die entsprechenden neuen Institutionen abgeben. Im Zentrum dieser Überlegungen stehen sicher Basel-Landschaft und Basel-Stadt, da die Kantone Aargau, Solothurn und Jura nur teilweise zum betroffenen Raum gehören. Diese Kantone müssten wahrscheinlich vertraglich eingebunden werden. In einem ersten Schritt müsste die Zusammenarbeit der betroffenen Verkehrsämter von Basel-Landschaft und Basel-Stadt und mit Aargau, Solothurn und Jura institutionalisiert werden. In einer nächsten späteren Phase wäre ein gemeinsa-
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TEB Statuten, Art. 7, in: www.eurodistrictbasel.eu (2.2.2010). Ibid. Regierungsrat Basel-Stadt, Beantwortung des Anzugs Anita Heer und Konsorten betreffend Weiterentwicklung Tarifverbund Nordwestschweiz zu einem Verkehrsverbund mit Schreiben vom 16.9.2009 (Geschäftsnummer 07.5211.02), S.6. Ibid., S.7.
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mes Amt für öffentlichen Verkehr beider Basel denkbar, das später in eine Direktion des Verkehrsverbunds übergehen könnte“71. Alle zentralen Herausforderungen einer künftigen Metropolitan Governance werden hier deutlich: die gemeinsame Strategieentwicklung, der Wille zur Kompetenzübertragung, die zeitnahe Realisierung erster Erfolgsschritte und der Spezialfall der institutionellen Fragmentierung der Nordwestschweiz und ihres Kerns, der aus zwei Basler Kantonen besteht. Wie groß der Handlungsbedarf in diesem Bereich von der Bevölkerung eingestuft wird, beweist der Umstand, dass das Parlament sich mit der Beantwortung nicht befriedigt zeigte und vom Regierungsrat einen erneuten Bericht einforderte72.
8. Auf dem Weg zur Metropolitan Governance im Metropolitanraum Basel Das Beispiel des Verkehrsverbundes beweist: Dem Wünschbaren eignet die Gestalt des Unerreichbaren, deshalb wird es schon gar nicht direkt anvisiert. Soll jedoch im Metropolitanraum Basel eine nächsthöhere Stufe der Verbindlichkeit und Durchschlagkraft in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erreicht werden, wird bei bestimmten grenzüberschreitend gemeinsam festgelegten Themen und Projekten eine territorial-multifunktionale Governance zwingend werden. Sie bildet keineswegs nur die Fortschreibung eines seit Jahrzehnten praktizierten „idealistischen“, integrierten Ansatzes, der gemeinsame grenzüberschreitende Strukturen mit übertragenen Kompetenzen propagiert. Sie ist im Wettbewerb der europäischen und globalen Standorte eine unerlässliche Voraussetzung, um mit einer Stimme zu sprechen. Und noch wichtiger: Funktionalspezialisierte Entwicklungen können sehr dynamisch sein, jedoch auch dominante Teilsysteme (z.B. Ökonomie, Verkehr) bilden. Ihre „Einbettung“ und „Zähmung“ erfodert „Metropolitane Institutionen, die eine starke politische Legitimation und eine breite, funktionsübergreifende Aufgabenstellung und dementsprechende Kompetenzen und Ressourcen besitzen“73. Am Anfang einer derart ausgestalteten Metropolitan Governance steht eine gemeinsam über die Landesgrenzen abgestimmte strategische Planung74, die sich nicht auf Raum- und Verkehrsplanung im engeren Sinn beschränken darf. Was die Agglomerationspolitik des Bundes in der Schweiz einfordert, stellt nur den Kern einer Metropolitan-Politik dar: Eine einheitliche Trägerschaft zur Steuerung in Verkehrs- und Siedlungsfragen. Letztlich geht es um die Erhaltung und Entwicklung eines global wettbewerbsfähigen Standorts mit hoher Lebensqualität. Der raumbezogene Ansatz muss zu einer Harmonisierung der Raumentwicklung bis zur Stufe Flächennutzung – vielleicht dem kostbarsten Gut im Metropolitanraum Basel – führen und darüber hinaus zu einer raumbezogenen Politikkoordination, die sich grundsätzlich aller relevanten Bereiche über die Siedlungs- und 71 72 73 74
Ibid., S.8. Grossratsbeschluss vom 11.11.2009, Frist bis 18.11.2011. BLATTER, J.K., KNIELING, J., „Metropolitan Governance – Institutionelle Strategien, Dilemmas und Variationsmöglichkeiten für die Steuerung von Metropolregionen“ op.cit., S.247. Cf. hierzu schon The reform of metropolitan governance, OECD Policy Brief, Oktober 2000, S.7; Eine Grundlage stellt auch Eine Zukunft zu Dritt: TAB – Entwicklungsstrategie 2020, op.cit. dar.
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Verkehrspolitik (einschließlich Gütertransitverkehr, Euro-Airport, trinationales Rheinhafenkonzept) bis zur Freiraum- und Kulturpolitik annimmt. Handlungsbedarf ergibt sich für den Metropolitanraum Basel zudem im Bereich der Visibilität und der Verantwortlichkeiten: Auftritt nach außen, Labels und trinationale Verantwortungs- und Umsetzungsgemeinschaften müssen definiert werden. In Anbetracht der bestehenden Kompetenzordnungen und der Komplexität der Partnerschaften im trinationalen Raum scheint es geboten, sowohl den pragmatischen, projektbezogenen Ansatz, wie den Weg der institutionellen, kompetenzlosen Plattformen zu verlassen und einen neuen programmatischen, staatsvertraglich abgesicherten Ansatz zu wählen. Ein unter Beteiligung der drei Nationalstaaten mit den Gemeinden und Gebietskörperschaften erarbeiteter „Vertrag für den Metropolitanraum Basel“ sollte verbindlich die strategischen Ziele festlegen, die in einer festgelegten Periode im einheitlich definierten Perimeter des Metropolitanraums Basel (am ehesten identisch mit der TAB bzw. dem FUA Basel) erreicht werden sollen. In Anlehnung an Blatter und Knieling könnte von einer „rechtlich harten Institutionalisierung“ gesprochen werden. Im Vertrag für den Metropolitanraum Basel würden zudem die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten für den Gesamtraum und für die Teilräume in den drei beteiligten Ländern festgeschrieben. Mit allem Respekt vor der nationalen Selbstbestimmung und Kompetenzlage sollte angestrebt werden, dass in jedem Land nur eine Gebietskörperschaft oder ein Gremium hauptverantwortlich für die Umsetzung des Metropolitan-Projekts ist. Für die Schweiz hieße dies, dass in Bezug auf Parallelstrukturen für das Agglomerationsprogramm Basel, einen Verkehrsverbund oder weitere Einrichtungen noch einmal über die Bücher gegangen werden müsste: Auch die fünf am Metropolitanraum Basel beteiligten Kantone könnten zur Reduktion der Komplexität einen Beitrag leisten. Schnittstellen zwischen bestehenden Institutionen und Plattformen könnten bereinigt werden: So scheint nach derzeitigem Stand der Dinge der TEB eher Funktionen des Typs II, die private Initiative „metrobasel“ eher des Typs I der Metropolitan Governance zu übernehmen. In zeitlicher Hinsicht bietet sich dafür die Orientierung an der europäischen Programmperiode 2014-2020 der territorialen Kohäsionspolitik an. Dies würde zu einer Erleichterung bei der Projektfinanzierung führen, wenn nicht gar zur Möglichkeit einer proaktiven Plazierung von regionalen Anliegen im Zuge der Erarbeitung der künftigen EU-Förderprogramme. Als Beitrag in der Debatte um die Zukunft der europäischen Kohäsionspolitik nach 2013 könnte ein maßgeschneidertes, lokal verankertes („place-based“) Modell entwickelt werden.
Fazit Abschliessend sollte noch einmal das Raumkonzept Schweiz zu Wort kommen: „Um die intersektoralen und interterritorialen Herausforderungen besser zu bewältigen, müssen die klassischen Governance-Methoden durch innovative Interventionsformen ergänzt werden, mit denen sich Kompetenz- oder Gebietsgrenzen überwinden lassen. Die richtige Berücksichtigung der Raumentwicklung in einer einzigen Behörde setzt voraus, dass die für die verschiedenen Politikbereiche zuständigen Stellen sich auf eine gemeinsame Lesart der Probleme, auf die Harmonisierung der befolgten Sektorpoli-
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tiken und auf eine enge Abstimmung der geplanten Massnahmen verständigen. Für ähnliche Probleme müssen ähnliche Lösungen gefunden werden, wenn Behörden auf unterschiedlichen Ebenen im gleichen Gebiet Aktivitäten ausüben. Gebietsgrenzen zu überwinden, setzt voraus, dass die betroffenen Behörden eine gemeinsame Herangehensweise an die Probleme, mit denen die verschiedenen Gebiete konfrontiert sind, vereinbaren, und dass sie gemeinsame Lösungen umsetzen – z.B. unter Gemeinden derselben Agglomeration oder ländlichen Region, unter benachbarten Regionen oder Kantonen oder mit den Grenzregionen von Nachbarländern“75. Solange die bestehenden Kompetenzfragmentierungen weiterbestehen, wird der Metropolitanraum Basel mit dem beschriebenen strategisch-funktionalen Ansatz einen Impuls für eine integrierte, beschleunigte, verbindlichere Weiterentwicklung der Zusammenarbeit erhalten oder sich mit dem bewährten pragmatischen grenzüberschreitenden Ansatz bedächtig weiterentwickeln. Wie gezeigt, erfolgt ein großer Teil grenzüberschreitender Zusammenarbeit außerhalb der grenzüberschreitenden Plattformen. Diese können jedoch – unter Anleitung der hoheitlichen Akteure – als grenzüberschreitende Umsetzungsorganisationen zur Erarbeitung der strategischen Grundlagen für den Metropolitanraum eingesetzt werden und damit den Weg zur nächsten Stufe einer echten Metropolitan Governance ebnen.
DE LA POLITIQUE DES AGGLOMÉRATIONS SUISSES À LA « GOUVERNANCE MÉTROPOLITAINE » DANS L’ESPACE MÉTROPOLITAIN TRINATIONAL DE BÂLE Bâle représente une petite ville à l’échelle européenne mais en même temps le centre d’une agglomération transfrontalière et d’un espace métropolitain trinational d’environ un million d’habitants. Partant d’une définition suisse de cet espace métropolitain et d’un regard sur les types idéaux de la « gouvernance métropolitaine », les possibilités de développement d’une gouvernance adaptée sont analysées : dans le cas de Bâle, parmi les types développés par Jörg Knieling et Joachim K. Blatter, c’est celui d’une gouvernance avec une forte institutionnalisation qui semble le plus pertinent. Avec l’entrée en vigueur de la nouvelle constitution fédérale et son article sur les villes, une véritable politique des agglomérations s’est développée en Suisse. Les contributions financières fédérales sont aujourd’hui basées sur des projets d’agglomération pour ce qui concerne les infrastructures de transport. La définition suisse de l’agglomération baloise est aussi au cœur des comparaisons effectuées sur le plan européen dans le cadre de l’« Urban audit ». De plus, et d’une manière générale la Conférence tripartite des agglomérations travaille sur des modèles de gouvernance intercantonal et international dans les agglomérations. Tous ces modèles se heurtent à la difficulté de concevoir et mettre en place des structures pertinentes au delà des limites administratives existantes. 75
Raumkonzept Schweiz, op.cit., S.71.
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La situation de Bâle est d’une complexité supplémentaire car l’agglomération dépasse les frontières nationales depuis longtemps. Ce fait est reconnu aussi par la Confédération helvétique dans le cadre des ses travaux sur le « projet de territoire suisse » : dans la première version de 2008, Bâle figure comme centre d’un espace métropolitain trinational. Bien que les discours sur la métropolisation diffèrent dans les trois pays – Suisse, Allemagne et France – les questions clés pour l’organisation d’une véritable gouvernance métropolitaine subsistent. Si l’on veut quitter l’approche pragmatique telle qu’elle a été pratiquée depuis des décennies, la mise en place d’une gouvernance métropolitiaine est exigée par la concurrence entre les pôles métropolitains européens et mondiaux. Un modèle de contrat stratégique pour l’agglomération de Bâle, respectant la priorité de la politique suisse pour la ville-centre Bâle et les cadres juridiques nationaux dans tous les trois pays, est ainsi proposé. Un tel contrat pourrait respecter aussi bien les plateformes existantes – « l’Eurodistrict trinational de Bâle (ETB) » et « metrobasel » – que la programmation européenne dela politique régionale à partir de 2014.
FROM THE POLICY OF THE SWISS AGGLOMERATIONS TO “METROPOLITAN GOVERNANCE“ IN THE TRINATIONAL METROPOLITAN AREA OF BASEL Although a small city on the European scale, Basel is also at the centre of a crossborder agglomeration and of the trinational metropolitan area which has about one million inhabitants. Using a Swiss definition of this metropolitan area and a look at ideal types of “metropolitan governance” as starting points, an analysis is made of the possibilities of developing an adapted governance. Among the different types of governance developed by Jörg Knieling and Joachim K. Blatter, that of a highly institutionalised governance, would appear to be most relevant for Basel. Following the entry into force of the new federal constitution and its article on towns, a real policy on conurbations has developed in Switzerland. Federal subsidies are currently based on conurbation programmes as far as transport infrastructure is concerned. The Swiss definition of the Basel conurbation lies also at the heart of comparisons drawn at European level in the framework of the “Urban audit”. What is more, and in a general way, the Tripartite Conurbation Conference is working on intercantonal and international governance models in conurbations. All these models face the difficulty of creating relevant structures beyond the existing administrative limits. The situation of Basel proves to be even more complex since the conurbation has stretched beyond national borders for a long time. This fact is acknowledged mainly by the Swiss Confederation in the course of its work on the “Spatial concept for Switzerland”: in the 2008 draft version, Basel appears as the centre of a trinational metropolitan area. Although the rhetoric on metropolisation differs in the three countries – Switzerland, Germany and France – the key questions on the effective way of organising metropolitan governance remain. If we wish to
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move away from the pragmatic approach which has been applied for decades, the competition between the metropolitan areas in Europe and the world require the setting up of such a metropolitan form of governance. The model of a strategic contract for the metropolitan area of Basel is proposed while respecting the priority of Swiss policies for Basel as the central city and for the national legal frameworks in the three countries. This sort of contract could observe not only the existing platforms such as the “Basel Trinational Eurodistrict (TEB)” and “metrobasel”, but also the European programming period for regional policy which starts in 2014.
DER OBERRHEIN – EIN GOVERNANCE-MODELL FÜR ANDERE GRENZREGIONEN? ERIC JAKOB Stellt die trinationale Oberrheinregion ein Governance-Modell für andere Grenzregionen, beispielsweise an den Außengrenzen der Europäischen Union (EU) dar? Hat die jahrzehntelange grenzüberschreitende Zusammenarbeit der deutschen, französischen und schweizerischen Partner zu modellhaften Formen der regionalen Steuerung, „regional Governance“, über die Landesgrenzen hinweg geführt? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, soll die Bedeutung der Governance-Frage für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erörtert, die Elemente der regionalen grenzüberschreitenden Governance am Oberrhein etwas genauer untersucht und die Vorbildfunktion des Oberrheins für andere Grenzregionen analysiert werden.
1. Governance-Fragen als zentrale Herausforderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Der Begriff Governance wird in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich definiert. Wir beziehen uns hier auf die Definition von Dietrich Fürst, der unter „regional Governance“ netzwerkartige intermediäre Formen der regionalen Selbststeuerung in Reaktion auf Defizite sowie in Ergänzung der marktlichen und der staatlichen Steuerung versteht1. Natürlich stellt die Steuerung in grenzüberschreitenden Regionen einen Sonderfall von „regional Governance“ dar2. Unseres Erachtens sind allerdings die zentralen Herausforderungen punkto Steuerung in grenzüberschreitenden und binnenstaatlichen Regionen grundsätzlich dieselben. Sie treten jedoch in grenzüberschreitenden Regionen in zugespitzter Form zu Tage: Das Fehlen herkömmlicher (vertikaler) staatlicher Steuerung, die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit staatlicher, kommunaler und privater Akteure sowie die Bildung horizontaler Netzwerk- und Koordinationsstrukturen aufgrund sich überlagernder Handlungsfelder bei unabhängigen, parallel liegenden Kompetenzordnungen – all diese Merkmale der „regional Governance“ treten bei Grenzregionen aufgrund des Grenzeffekts verstärkt hervor. Grenzregionen sind somit ideale Objekte, um Fragen der „regional Governance“ zu vertiefen. Nun ist festzustellen, dass Governance-Fragen im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zunehmend Beachtung finden und breit diskutiert 1
2
Cf. FÜRST, D., „Regional governance“, in: BENZ, A., (Hrsg.), Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen: Eine Einführung, S.45-64, Opladen, 2004; Cf. auch FREY, R.L., „‚Regional Governance‘ zur Selbststeuerung territorialer Subsysteme.“, Informationen zur Raumentwicklung, Nr. 8/9, Bonn, 2003, S.451-462. DEPPISCH, S., Governance in grenzüberschreitenden Regionen. Eine Analyse am Beispiel der österreichisch-bayrischen Euregios, Detmold, 2007.
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werden3. Dies hat damit zu tun, dass sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa im Verlauf der letzten Jahrzehnte aufgrund des europäischen Binnenmarktes und der EU-Struktur- und Regionalpolitik enorm entwickelt hat, und dass dabei eine Verlagerung von weniger integrierten zu immer stärker integrierten Formen der Kooperation festzustellen ist4. Im Sinn einer Steigerung unterscheiden Beck und Herrmann verschiedene Grundfunktionen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von „Begegnung“ und „Information“ über „Koordination/Vertretung“ und „Strategie/Planung“ bis hin zu „Entscheidung“ und „Realisierung“, wobei Intensität, Verbindlichkeit und der Grad der Integration des Handelns jeweils zunehmen5. Es liegt nahe, dass mit zunehmender Intensität und Verbindlichkeit der Kooperation, auch Steuerungsfragen an Bedeutung gewinnen. Um die Relevanz von Governance-Fragen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu charakterisieren, wird vorgeschlagen, zwischen einer „Kooperation der Problemlösung“ und einer „Kooperation der Chancenwahrnehmung“ zu unterscheiden. Bei der Kooperation der Problemlösung geht es darum, negative Grenzeffekte gemeinsam zu beheben. Bei der Kooperation der Chancenwahrnehmung geht es darum, positive Entwicklungsmöglichkeiten gemeinsam zu nutzen. Beide Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind wichtig und erscheinen häufig parallel zueinander oder in gemischten Formen. In der Regel starten aber Grenzregionen ihre Zusammenarbeit mit der fallweisen Lösung von Grenzfragen und -problemen und stoßen erst mit einer gewissen „Reife“ zu einer gemeinsamen Wahrnehmung und Nutzung von Entwicklungschancen und damit auch zu Governance-Fragen vor. Dies soll im Folgenden etwas näher erläutert werden. Vor dem Hintergrund rein nationalstaatlicher Logik erscheinen Grenzregionen als abgelegene Randgebiete, Übergangs- oder gar Konfliktzonen. Glücklicherweise ist diese Vorstellung in Europa nicht mehr weit verbreitet. Dennoch stellen nationale Kompetenzordnungen trotz Globalisierung und europäischer Integration auch heute noch den zentralen Bezugsrahmen für staatliche Steuerungsprozesse dar. Aus dieser Perspektive erscheinen Probleme, die durch die Grenzsituation erzeugt oder begünstigt werden, als Störfälle. Sie bedürfen – notgedrungen – einer Absprache und Zusammenarbeit mit den Grenznachbarn, da sie im nationalen Rahmen nicht gelöst werden können. Beispiele dafür sind Emissions-, Umwelt- oder Abfallprobleme (Flug- und Verkehrslärm, verschmutzte Grenzgewässer, Abfalltourismus), Gefahrenpotential in Grenznähe (Kernkraftwerke, Atomendlager, gefährliche Industrien und Deponien), wirtschaftliche Dysfunktionalitäten (einseitige Abwanderung von Arbeitskräften, Druck auf Immobilienpreise durch Übersiedlung, grenzbedingte Wettbewerbsverzerrungen, Zollprobleme) sowie verkehrs- oder raumrelevante Fragen (Li3 4
5
Der vorliegende Tagungsband legt davon Zeugnis ab, wie auch neuere EU-Forschungsprojekte, beispielsweise das Espon-Projekt „Metroborder“ oder das Urbact-Projekt „Expertising governance for transfrontier conurbations“. Die 1971 gegründete Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG), die wichtigste Lobbying-Organisation der Grenzregionen und grenzüberschreitenden Organisationen, zählt heute rund 100 Mitglieder, welche über 200 Grenzregionen repräsentieren, cf. www. aebr.net. (3.6.2010). BECK, J., HERMANN, P., Audit über die zukünftige Ausrichtung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Maison TRIRHENA/Palmrain, Basel/Strasbourg, 2006.
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nienführung bei grenzüberschreitenden Verkehrsnetzen, unkoordinierte Planung von Industrie-, Siedlungs- und Freiräumen). Die grenzüberschreitende Problemlösung erfolgt hier meist fall- oder projektweise. Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn eigentlich institutionalisierte grenzüberschreitende Strukturen vorhanden wären, diese aber nicht durch die Problemfälle „belastet“ werden sollen oder nicht die richtigen Partner mit den entsprechenden Kompetenzen in diesen Strukturen zusammengeschlossen sind. Das Hauptinteresse liegt hier an einer möglichst raschen Problemlösung und nicht an gut funktionierenden Steuerungsprozessen. Governance-Fragen spielen in der Kooperation der Problemlösung bloß eine untergeordnete Rolle. Governance-Fragen werden vor allem dann relevant, wenn sich Grenzregionen darum bemühen, längerfristige Entwicklungsstrategien zu entwerfen und Entwicklungschancen gemeinsam grenzübergreifend anzugehen. Grenzstädte oder Grenzregionen befinden sich häufig in der Situation, dass Grenzhemmnisse zu Entwicklungshemmnissen werden. In Grenzregionen, die nicht bloß aus ländlichem Raum bestehen, stößt die wirtschaftliche, verkehrstechnische, kulturelle oder gesellschaftliche Entwicklung sehr bald an politische Grenzen. Funktionale Räume und politische Entscheid- und Handlungsräume klaffen auseinander6. Europaweit lassen sich über 60 grenzüberschreitende Ballungsräume ausmachen, welche von dieser Problematik betroffen sind, darunter auch Basel und Genf mit ihren schweizerischen Kernstädten und über die Landesgrenzen hinausgreifenden Agglomerationen7. Durch die unterschiedlichen Entwicklungsvoraussetzungen dies- und jenseits der Grenze entsteht die charakteristische Situation eines Halbkreises oder einer Sektorenstadt: Systembrüche in verkehrstechnischer oder wirtschaftlicher Hinsicht, unterschiedliche Rechts- und Verwaltungssysteme verhindern eine harmonische und ausgewogene Entwicklung einer Grenzstadt oder -region. Zum Beispiel verzeichnet Basel trotz langjähriger Tradition der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und grenzgängerfreundlicher Politik ein markantes Ungleichgewicht bezüglich der Pendlerbewegungen von der Peripherie ins Zentrum zwischen dem Nord- und dem Südteil der trinationalen Agglomeration: Das Arbeitskräftepotential im schweizerischen Teil der trinationalen Agglomeration im Süden wird ungefähr doppelt so gut genutzt wie dasjenige im deutschen und französischen Teil im Norden – natürlich wegen der dazwischen liegenden Grenzen und trotz Personenfreizügigkeit8. Auch die verkehrsmäßige Erschließung der Trinationalen Agglomeration Basel (TAB) kann noch längst nicht als in alle Himmelsrichtungen gleichwertig und ausgewogen betrachtet werden, obwohl im Verlauf der letzten Jahre mit dem Ausbau der Regio-S-Bahn und mit grenzüberschreitenden Bus- und Tramverbindungen viele Lücken im regionalen Verkehrsnetz geschlossen werden konnten. 6 7
8
In der kleinräumigen Schweiz ist diese Situation besonders stark ausgeprägt. Cf. dazu BLÖCHLIGER, H., Baustelle Föderalismus – Metropolitanregionen versus Kantone: Untersuchungen und Vorschläge für eine Revitalisierung der Schweiz, Zürich, 2005. Im Rahmen des Urbact-Projektes „Expertising governance for transfrontier conurbations“, an welchem auch der Trinationale Eurodistrict Basel TEB beteiligt ist, werden diese grenzüberschreitenden Ballungsräume in Europa identifiziert und auf Governance-Fragen hin untersucht. Cf. FREY, R.L., Starke Zentren– Starke Alpen. Wie sich die Städte und ländlichen Räume der Schweiz entwickeln können, Zürich, 2008, S.127.
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Die Freiheiten des europäischen Binnenmarktes und die bilateralen Verträge Schweiz-EU bringen diese Systemgrenzen nur langsam und wohl auch langfristig nur in Teilbereichen zum Verschwinden. Unterschiede im Rechts- und Verwaltungssystem, Mentalitäts- und kulturelle Unterschiede werden bestehen bleiben. Diese aus Grenzhemmnissen resultierenden Entwicklungshemmnisse können nur durch eine gemeinsame grenzüberschreitende Entwicklungsstrategie überwunden werden – eine Entwicklungsstrategie, welche versucht, grenzüberschreitende Komplementaritäten gezielt zu nutzen. Dies kann beispielsweise im Bereich der öffentlichen Infrastrukturen (Spitäler, Abfallverwertung, Bibliotheken, Sporteinrichtungen), der Bildung und Forschung (Mehrsprachigkeit, Austauschprogramme, grenzüberschreitende Berufsausbildungen, Praktika, Studiengänge und Forschungsprogramme), der Innovation (regionale Wissenschaftsund Innovationspolitik, grenzüberschreitende Cluster-Strategien), des Arbeitsmarktes (Information und Beratung zu Lebens- und Arbeitsbedingungen im Nachbarland), der Standortpromotion (gemeinsames Regionalmarketing, Messeauftritte), der Kultur (Grenzregion als Treffpunkt der Kulturen) oder des Tourismus (drei Länder – ein Reiseziel) sein. Dass dies die Möglichkeiten nationaler Steuerungsprozesse übersteigt und dass es dazu eine gemeinsame grenzüberschreitende Governance braucht, liegt auf der Hand. Governance-Fragen spielen demnach eine mit der Intensität und Verbindlichkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zunehmend bedeutende Rolle. Darauf aufbauend kann die These vertreten werden, dass Governance-Fragen die zentrale Herausforderung der Zukunft für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein und in ganz Europa darstellen werden. Die Lösung von Steuerungsproblemen wird ganz entscheidend dazu beitragen, ob sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa weiterentwickeln kann oder nicht, ob die Grenzregionen Europas Wachstumsmotoren oder Bremsklötze der europäischen Entwicklung sein werden und ob die Grenzmetropolen mit ihrer Diversität und kulturellen Vielfalt „Sinnbild für die europäische Stadt des 21. Jahrhunderts9“ werden können. Um diese These zu untermauern, sei auf folgende Entwicklungen hingewiesen: Dank dem Abbau von Grenzhindernissen durch Globalisierung, europäischen Binnenmarkt und bilaterale Verträge Schweiz-EU haben Grenzregionen neue Entwicklungsmöglichkeiten gewonnen. Um die Transformation vom Randgebiet zum europäischen Knotenpunkt zu schaffen, braucht es eine zielgerichtete grenzüberschreitende Governance, die von allen regionalen Kräften mitgetragen wird. Der Wettbewerb der Regionen um Investitionen, Firmenansiedlungen, qualifizierte Arbeitskräfte, usw. hat im internationalen Maßstab zugenommen. Auch Grenzregionen sind davon betroffen und müssen „das Beste“ aus ihrer Situation machen, indem sie grenzüberschreitende Komplementaritäten suchen und gezielt nutzen. Mit der Globalisierung, sich rasch wandelnden Märkten, gesunkenen Transaktionskosten bei Standortverlagerung sowie günstigen Kommunikations- und Transportmöglichkeiten müssen Regionen im internationalen Wettbewerb rasch auf neue Entwicklungen reagieren können. Grenzregionen, welche bloß auf ihre 9
Mission Opérationnelle Transfrontalière (MOT), cf. www.espaces-transfrontaliers.org/de/ themen/gebiete.html (3.3.2010).
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jeweiligen Hauptstädte ausgerichtet sind und über keine oder schlecht funktionierende regionale Steuerungsmöglichkeiten zusammen mit den Grenznachbarn verfügen, sind hier benachteiligt. Der technische Fortschritt, insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, und die größere Mobilität der Bevölkerung bringen es mit sich, dass es bei gewissen staatlichen Dienstleistungen und Infrastrukturen, zum Beispiel in der Bildung, Forschung oder im Gesundheitswesen, ein größeres Einzugsgebiet braucht, was bei Grenzregionen meist den Einbezug der Grenznachbarn erforderlich macht. Die EU-Struktur- und Regionalpolitik fordert und fördert immer mehr eine Mobilisierung von Selbsthilfekräften der Regionen. Im Rahmen der „Europäischen territorialen Zusammenarbeit“ werden Förderprogramme für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit – Interreg – und entsprechende Rechtsinstrumente – Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) – angeboten, welche eine regionale grenzüberschreitende Governance voraussetzen. Europäische und schweizerische Regionalpolitik sind zudem immer stärker auf Entwicklungsziele und nicht mehr so sehr auf Ausgleichsziele ausgerichtet. All die genannten Entwicklungen und Herausforderungen können die Grenzregionen Europas nur mit einer gut funktionierenden regionalen Governance bewältigen, die alle relevanten Kräfte auf regionaler Ebene miteinbezieht, auf einer gemeinsamen Entwicklungsstrategie beruht, mit einer möglichst klaren Arbeitsteilung im Verhältnis zu den regionalen Gebietskörperschaften, wenn nicht gar einer Kompetenzübertragung durch diese sowie mit einfachen Strukturen, die mit genügend Ressourcen ausgestattet sind.
2. Elemente der regionalen grenzüberschreitenden Governance am Oberrhein Die Region Oberrhein umfasst das deutsch-französisch-schweizerische Grenzgebiet und setzt sich aus den Teilgebieten Baden (in Baden-Württemberg), Südpfalz (in Rheinland-Pfalz), Elsass und Nordwestschweiz zusammen. Auf Schweizer Seite sind namentlich die Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Aargau, Jura und Solothurn beteiligt. Die Region Oberrhein zählte im Jahr 2006 nahezu 5,9 Millionen Einwohner bei einer Gesamtfläche von 21.500 km2. Eingebettet zwischen Schwarzwald im Osten, Vogesen im Westen und Schweizer Jura im Süden bildet der Oberrhein einen einheitlichen Naturraum mit einem gemeinsamen Ökosystem. Er verfügt über spezifische klimatische Verhältnisse und eines der bedeutendsten Grundwasservorkommen Europas. Verkehrsmäßig stellt der Oberrheingraben eine der wichtigsten europäischen Nord-Süd-Transversalen dar. Die Verkehrsinfrastruktur ist hinsichtlich aller Verkehrsträger gut ausgebaut: Über den Rhein als internationalem Gewässer und die insgesamt 14 Rheinhäfen ist die Region mit dem Meer verbunden. Das europäische Bahn- und Strassennetz verbindet den Oberrhein direkt mit Paris, Lyon, Frankfurt, Stuttgart, Zürich, Bern und Mailand. Der Euro-Airport Basel-Mulhouse-Freiburg, der Aeroport Strasbourg-Entzheim sowie mehrere Regionalflughäfen gewährleisten den Anschluss an das europäische und internationale Flugnetz.
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Das gemeinsame historisch-kulturelle Erbe kommt im alemannischen Dialekt, in zahlreichen architektonischen Zeugnissen, aber auch in Bräuchen, Festen und Mentalität zum Ausdruck. Mit seinen kulturellen Sehenswürdigkeiten, seiner reichhaltigen Geschichte sowie vielfältigen Landschaften ist der Oberrhein eine attraktive Tourismusregion. In wirtschaftlicher Hinsicht stellt der Oberrhein zwar keinen kohärenten, dennoch aber einen stark verflochtenen Raum dar. Die verschiedenen Wirtschaftsund Sozialpolitiken, Steuersysteme und Währungen haben Unterschiede in Kaufkraft, Lohnniveaus und Beschäftigungsgrade zwischen den Teilräumen zur Folge. Über diese Unterschiede hinaus stellt sich die Region aber als ein strukturstarker Raum mit einer hohen wirtschaftlichen Dynamik und Wertschöpfung dar. In der Region Oberrhein wurde 2003 ein Bruttoinlandsprodukt von 175 Milliarden Euro erwirtschaftet. Die Wertschöpfung liegt in allen Teilräumen über den jeweiligen Landesdurchschnitten. Der Oberrhein zeichnet sich durch eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur aus und nimmt in den Bereichen Hochtechnologie und Life Sciences durch seine innovativen Unternehmen, seine renommierten Universitäten und Hochschulen einen Spitzenplatz ein. Am Oberrhein sind rund 170 Bildungs- und Forschungseinrichtungen zu verzeichnen, welche durch eine Vielzahl von gemeinsamen Studiengängen, Forschungsprogrammen und Clustern grenzüberschreitend vernetzt sind10. Die starke wirtschaftliche Verflechtung der oberrheinischen Teilräume zeigt sich in den intensiven Außenhandelsbeziehungen sowie in der großen Zahl der Unternehmen mit Filialen, Vertretungen oder Partnern in den anderen Teilräumen. Bemerkenswert sind auch der grenzüberschreitende Einkaufstourismus und die hohen Grenzgängerströme: Im Jahr 2006 pendelten rund 90.000 Arbeitskräfte innerhalb des Oberrheingebiets in das benachbarte Ausland, davon rund 31.000 aus dem Elsass in die Nordwestschweiz, 27.500 aus Baden in die Nordwestschweiz und 25.000 aus dem Elsass nach Baden. Der Oberrhein kennt eine lange Tradition der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Insbesondere die Stadt Basel war trotz ihrer Zugehörigkeit zur Schweizerischen Eidgenossenschaft ab 1501 immer auch mit dem südbadischen und dem elsässischen Raum verbunden. Nach den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts mussten die grenzüberschreitenden Netzwerke allerdings weitgehend neu geknüpft werden. Ein wichtiger erster Schritt stellte dabei 1949 die Schaffung des binationalen EuroAirport dar. Der Gründung der Regio Basiliensis im Jahr 1963 als schweizerische Plattform für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit folgten die Gründung analoger Vereine in Mulhouse und Freiburg im Breisgau. Bald wurden diese Initiativen, die stark von wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Kreisen geprägt waren, um regionalstaatliche Akteure ergänzt, um so auch die kompetenten Partner in Planungs- und Infrastrukturfragen am Tisch zu haben. Von hier war der Weg zur Bonner Vereinbarung von 1975 nicht mehr weit, der eine zwischenstaatliche Offizialisierung der Zusammenarbeit brachte. Die Vereinbarung zwischen Bonn, Paris und Bern, die später durch die sogenannte Basler Vereinbarung vom 21. September 2000 abgelöst wurde, stellt die rechtliche Basis für die deutsch-französisch-schweizerische Regierungskom10
Cf. dazu die von der Regio Basiliensis im Auftrag der Oberrheinkonferenz erstellte Karte „Wissenschaft und Forschung am Oberrhein“ vom Juni 2009, in: www.regbas.ch/…/ ScienceRecherche_Rhin_Superieur_WissenschaftForschung_mai_2009(2).pdf. (2.2.2010).
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mission und Oberrheinkonferenz dar. Letztere bildet das Rückgrat der regionalstaatlich geprägten Zusammenarbeit am Oberrhein. Mit dem grenzüberschreitenden Entwicklungskonzept für den Oberrhein von 1989 und der darauffolgenden Beteiligung an den EU-Förderprogrammen Interreg war ein enormer Schub in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu verzeichnen: Rund 350 grenzüberschreitende Projekte wurden bis heute in diesem Rahmen realisiert. In den 1990er Jahren kamen zudem weitere Akteure in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit dazu: Kommunale (und zum Teil auch wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche) Partner schlossen sich im Regio TriRhena-Rat, der Arbeitsgemeinschaft Centre und der Regio Pamina zusammen. 1997 wurde der Oberrheinrat als Organ der Gewählten und Abgeordneten gebildet. 1999 wurde im Rahmen des europäischen Eures-Netzwerkes (European employment services) ein Eures-T Programm Oberrhein gestartet, welches unter Beteiligung der regionalen Arbeitsverwaltungen, der Wirtschafts- und Sozialpartner eine verstärkte Integration des regionalen Arbeitsmarktes anstrebt. Ein weiterer Meilenstein bildete die Gründung der kommunalen Eurodistrikte ab 2005, welche die „Regio“-Ebene (RegioTriRhena-Rat, Arbeitsgemeinschaft Centre, Regio Pamina) teilweise überlagerten, bzw. ablösten. Anlässlich des 40. Jahrestages des Elysée-Vertrags über die deutsch-französische Zusammenarbeit haben der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Präsident Jacques Chirac im Januar 2003 die Schaffung von Eurodistrikten als neue Form der regionalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit entlang der deutsch-französischen Grenze angeregt. Im Vordergrund stand dabei eine verbesserte, d.h. stärker integrierte Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene. Längerfristig ist auch eine Übertragung von Kompetenzen an die Eurodistrikte denkbar und gewünscht, bisher aber noch nicht realisiert. Am Oberrhein wurden in der Folge deutsch-französische Eurodistrikt-Projekte für den Raum Strasbourg-Ortenau sowie für die Region Freiburg/Centre et Sud Alsace in Angriff genommen. Die Regio Pamina wurde in Eurodistrikt Regio Pamina umgetauft. Nachdem die auswärtigen Ämter grünes Licht für einen Eurodistrikt mit Schweizer Beteiligung gegeben hatten, konnte im Januar 2007 der Trinationale Eurodistrict Basel (TEB) gegründet werden. Obwohl die Akteure der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein nie einem vorgefertigten Bauplan folgen konnten, tritt uns heute das oberrheinische Mehrebenensystem als ein einigermaßen in sich zusammenhängendes Ganzes entgegen. Die grenzüberschreitenden Strukturen am Oberrhein können demnach in eine nationale, regionale und kommunale Ebene eingeteilt werden: Die Deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission zur Prüfung und Lösung von nachbarschaftlichen Fragen bildet das nationalstaatliche Dach für die Oberrheinkooperation. Sie nimmt sich derjenigen Fragen an, die nicht auf regionaler Ebene geregelt werden können. Die drei Delegationen werden von Vertretern des jeweiligen Außenministeriums geleitet. Die deutsch-französisch-schweizerische Oberrheinkonferenz (ORK) ist das zentrale grenzüberschreitende Gremium der regionalstaatlichen Partner aus den drei Ländern. Beteiligt sind Regierungs- und Verwaltungsstellen der deutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, des französischen Staates, der Région Alsace und der Départements Bas-Rhin und Haut-Rhin sowie der Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Aargau, Solothurn und Jura. Inhaltlich bildet die Arbeit der trinational zusammengesetzten thematischen Arbeitsgrup-
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pen und deren Expertenausschüsse das Rückgrat der Zusammenarbeit. Rund 600 Behördenvertreter und Experten aus den drei Ländern sind hier eingebunden; sie bilden thematisch ausgerichtete Netzwerke und garantieren programmatische Kontinuität. Begleitet wird diese Zusammenarbeit auf technischer Ebene durch das gemeinsame, trinational zusammengesetzte Sekretariat in Kehl. Auf regionaler Ebene agiert neben der Oberrheinkonferenz und ergänzend dazu der Oberrheinrat (ORR) als grenzüberschreitendes Organ der Gewählten und Abgeordneten. Der Oberrheinrat ist eine grenzüberschreitende Instanz zur gegenseitigen Information und politischen Absprache, der die Arbeiten der Oberrheinkonferenz auf legislativer Ebene begleitet. Er vereint 71 gewählte Vertreter sämtlicher politischen Ebenen aus den Teilgebieten des Oberrheins. Die kommunale Ebene der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wird durch die drei deutsch-französischen Strukturen Eurodistrikt Regio Pamina, Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau und Eurodistrikt Region Freiburg/Centre et Sud Alsace sowie durch den TEB gebildet. Die vier Informations- und Beratungsstellen (Infobest) ergänzen diese Kooperationsstrukturen um ein Netzwerk von Bürgeranlaufstellen.
Die oberrheinischen Kooperationsräume auf regionaler und lokaler Ebene
Nicht als eine neue Struktur, sondern vielmehr als Ansatz eines integrierten Governance-Modells für die Oberrheinregion wird heute die Bildung der Trinationalen Metropolregion Oberrhein (TMO) vorangetrieben. Dies muss vor dem Hintergrund der Debatten über Metropolregionen in ganz Europa gesehen werden. Auslöser dieser Debatten ist die zunehmende wirtschaftliche und gesellschaftli-
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che Globalisierung, das zusammenwachsende Europa und der Wandel staatlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Grenzhindernisse werden laufend abgebaut. Bei den Unternehmen verringert sich die traditionelle Bindung an den Standort. Nicht nur global players, sondern immer mehr auch Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) agieren weltweit. Die Arbeitskräfte werden mobiler und die Standortattraktivität für Zuwanderer gewinnt angesichts des demographischen Wandels an Bedeutung. Die Konkurrenz der Regionen um Investoren wird härter. Der Zugang zu Wissen, die Innovationskraft der Wirtschaft und die Qualität der Bildungssysteme werden immer wichtiger. Die Vergrößerung der Aktionsradien von Unternehmen und Arbeitskräften führt zu einer Veränderung des Standortverhaltens. Gemeinden, Städte und Regionen müssen sich entsprechend positionieren. Im Zug der sogenannten Lissabon-Strategie und „territorialen Agenda der EU“ sind die Mitgliedstaaten und die Regionen Europas aufgefordert, ihre metropolitanen Räume, welche einen wesentlichen Teil der Wertschöpfung generieren, gezielt zu stärken. Mit der Lancierung von Metropolregionen sollen die wirtschaftlich starken und innovativen Regionen unterstützt werden, was insgesamt zur besseren Positionierung Europas im internationalen Wettbewerb beitragen soll. Dieser Prozess stellt gewissermaßen eine Anpassung der Raumkulissen an die besonderen Herausforderungen einer kleiner werdenden Welt dar. Europäische Regionalpolitik11 wie auch schweizerische Regionalpolitik12 rücken ab vom Ziel eines bloßen Ausgleichs zwischen Stadt und Land und fokussieren auf Entwicklungsziele, wobei die zu stärkenden Zentren auch die Peripherie „mitnehmen“ sollen. Der Oberrhein hat kein eindeutiges Zentrum, verfügt über keine eigentliche Metropole. Der trinationale Raum mit seinen knapp 6 Millionen Einwohnern hat dagegen ein Netz von mittelgroßen Zentren mit je eigenem Profil in wirtschaftlicher, bildungs- und forschungsmäßiger Hinsicht. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sollen zukünftig intensiver, gezielter und besser koordiniert grenzüberschreitend zusammenarbeiten, um dieses Potenzial wirklich nutzen zu können. Übergeordnetes Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft des Oberrheins angesichts des internationalen Wettbewerbs zu stärken. Am 11. Januar 2008 haben sich daher die Oberrhein-Kooperationspartner im Rahmen des 11. Dreiländerkongresses in Strassburg für die Bildung der TMO ausgesprochen, die – aufbauend auf bestehenden Kooperationsstrukturen – in den vier Säulen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft konstruiert werden soll. Während die Säule Politik mit der Oberrheinkonferenz und dem Oberrheinrat bereits bestens ausgestattet ist, sollen die bestehenden Netzwerke im Wirtschaftsbereich (Zusammenarbeit der Handelskammern) und im Wissenschaftsbereich (Europäische Konföderation der Oberrheinischen Universitäten Eucor) unterstützt und mit den anderen Bereichen koordiniert werden. Der Bereich der Zivilgesellschaft ist bisher auf der Ebene des Oberrheins kaum orga-
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Im Rahmen der „Europäischen territorialen Zusammenarbeit“. Im Rahmen der „Neuen Regionalpolitik des Bundes“.
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nisiert, sehr wohl aber auf lokaler Ebene, beispielsweise durch Mitgliederaktivitäten der Vereine Regio Basiliensis oder Regio TriRhena13. Die vier Säulen der Trinationalen Oberrhein Metropolregion
Neben dem Konzept der TMO ist vor allem der südliche Oberrhein in weitere Metropol-Projekte einbezogen. Die Bildung eines „Réseau métropolitain RhinRhône“ wurde bereits im Jahr 2004 von den französischen Raumordnungsbehörden vorgeschlagen. Es wurde ein Verein gebildet, dem die betroffenen französischen Städte sowie der TEB angehören. Das Raumkonzept Schweiz des schweizerischen Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) geht von drei „Metropolitanräumen“ der Schweiz – Zürich, Basel und Genf – aus, wobei der trinationale Metropolitanraum Basel ca. 1 Millionen Einwohner zählt und über die Landesgrenzen hinausgreift und -wirkt. Das Konzept „Metropolregion Nordschweiz“14 basiert auf den wirtschaftlichen Verflechtungen der Wissensökonomie auf der Achse Basel-Aargau-Zürich, inklusive Ausstrahlung über die Landesgrenze hinaus, und wird vor allem durch den Kanton Aargau unterstützt. Schließlich besteht im Raum Basel der Verein „metrobasel“, der sich als Plattform zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der nachhaltigen Entwicklung der Metropolitanregion Basel versteht.
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Öffentliche Vortrags- und Podiumsveranstaltungen, Unternehmensbesichtigungen, trinationales Kindertreffen, SlowUp Basel-Dreiland als trinationaler Begegnungs- und Bewegungsanlass. THIERSTEIN, A. et al. (Hrsg.), Raumentwicklung im Verborgenen. Untersuchungen und Handlungsfelder für die Entwicklung der Metropolregion Nordschweiz, Zürich, 2006.
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3. Der Oberrhein als Governance-Modell für andere Grenzregionen? Der Oberrhein gilt seit langem als Modellregion für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit15. In wenigen anderen Grenzregionen Europas gibt es so zahlreiche Aktivitäten, so vielfältige Aufgaben und so unterschiedliche Institutionen öffentlicher und privatrechtlicher grenzüberschreitender Zusammenarbeit wie am Oberrhein. Die deutschen, französischen und schweizerischen Nachbarn kooperieren auf allen Ebenen und in allen Fragen des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens, im gesamten Oberrheingebiet und in einzelnen Teilräumen. Sie tun dies als Vertreter der Staaten, der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, der Fachverwaltungen und Parlamente. Im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte wurden mehrere Hundert grenzüberschreitende Projekte – mit und ohne Interreg-Förderung – realisiert, wodurch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit konkretisiert und die Oberrheinregion nachhaltig geprägt wurde. Diese grundsätzlich positive Bilanz soll nun aber im Folgenden spezifisch im Hinblick auf die Steuerungsfunktionen hinterfragt werden. Ausgehend von den oben dargestellten Elementen der regionalen grenzüberschreitenden Governance am Oberrhein wird hier versucht, positive und negative Aspekte herauszuarbeiten. Dabei werden die Schwierigkeiten ausgeklammert, welche aus den unterschiedlichen staatsorganisatorischen Voraussetzungen der Nachbarstaaten und aus den unterschiedlichen Kompetenzen von lokalen und regionalen Gebietskörperschaften resultieren16. Es wird sich hier auf die Architektur der Steuerungsstrukturen und deren Verhältnis zueinander konzentriert und dabei mit den positiven Aspekten begonnen. Der Oberrhein verfügt über ein voll ausgebildetes Mehrebenensystem für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit einer nationalen, regionalen und kommunalen Governance-Ebene. Alle denkbaren Akteure auf lokaler und regionaler Ebene sind in die Oberrheinkooperation mit einbezogen, beginnend bei der Politik und Verwaltung, über Wirtschaft, Sozialpartner, Bildungs- und Forschungseinrichtungen bis hin zu Vereinen, Interessengruppen und Bürger. Einschränkend ist hier anzumerken, dass die Bürgerbeteiligung nur lokal und punktuell erfolgt. Alle thematischen Bereiche sind in die Oberrheinkooperation miteinbezogen, von Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Bildung, Forschung und Innovation über Verkehr, Umwelt, Energie, Raumentwicklung und Landwirtschaft bis hin zu Gesundheit, Katastrophenhilfe, Kultur, Jugend und Sport. Diese thematische Vielfalt spiegelt sich in den rund 40 thematischen Arbeitsgruppen und Expertenausschüssen der Oberrheinkonferenz wie auch in den im Rahmen von Interreg realisierten Projekten17. Mit der Schaffung der Eurodistricts ist es gelungen, eine stärker integrierte und verbindlichere Struktur für die kommunale Zusammenarbeit zu schaffen. Der TEB hat die vorher bestehenden parallelen Gremien in der trinationalen Agglomeration Basel neu unter einem gemeinsamen Dach zusam-
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Cf. NAGELSCHMIDT, M., „Das oberrheinische Mehrebenensystem. Institutionelle Bedingungen und funktionale Herausforderungen grenzübergreifender Zusammenarbeit in Europa“. Schriften der Regio 20, Basel, 2005. Diese Aspekte werden im Beitrag von BECK, J. und PRADIER, E. in diesem Band eingehend dargelegt. Cf. dazu www.oberrheinkonferenz.org, www.interreg-oberrhein.eu, www.regbas.ch (2.6.2010).
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mengeführt. Mit dem TEB wird zudem erstmals eine grenzüberschreitende Struktur geschaffen, welche exekutive und legislative Elemente in sich vereint. Die TMO als integriertes Governance-Modell der Oberrheinregion verdient insofern Beachtung, als hier – europaweit einzigartig – alle regionalen Kräfte – Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft – gebündelt werden. Allerdings fehlt hier noch eine verbindliche regionale Entwicklungsstrategie für den gesamten Oberrhein, welche die notwendige inhaltliche Orientierung geben könnte. Als positives Element fällt insbesondere ins Gewicht, dass der output der Oberrheinzusammenarbeit in Form von grenzüberschreitenden Projekten keinen Vergleich mit irgendeiner anderen Grenzregion zu scheuen braucht18. Während die meisten anderen europäischen Grenzregionen erst heute mit einer Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Forschung starten, wurde am Oberrhein das Eucor-Netzwerk der Universitäten bereits vor 20 Jahren (1989) gegründet. Rund 25 bi- und trinationale Studiengänge stehen heute den Studierenden zur Verfügung. Grenzüberschreitende Forschungsprogramme und Cluster in den Bereichen Life Sciences (BioValley), Neurowissenschaften (Neurex), Nanowissenschaften (NanoValley) und Photonik (RhenaPhotonics) stärken den Standort. Über 100 Projekte wurden von der Regio Basiliensis im Hinblick auf den 12. Dreiländerkongress zum Thema „Bildung, Forschung und Innovation“ in diesen Bereichen registriert19. Im Verkehrsbereich sind der EuroAirport Basel-MulhouseFreiburg, die Regio-S-Bahn, grenzüberschreitende Tramverbindungen oder die Zusammenarbeit der Rheinhäfen zu nennen. Die Informations- und Beratungsstellen für grenzüberschreitende Fragen (Infobest), das trinationale KMU-Beratungsnetz, der oberrheinische Museumspass sowie Zusammenarbeit im Tourismus (Upper Rhine Valley), im Messewesen (RegioTicket) oder in der Gesundheit (Patientenmobilität und elektronische Patientendossiers) ergänzen die lange Liste der modellhaften Projekte. Es gibt jedoch auch negative Aspekte bezüglich der Steuerungsstrukturen und -funktionen im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein: Der Oberrhein kennt wohl die deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission als nationalstaatlichen Überbau über die Oberrheinkonferenz. Hier werden Fragen behandelt, welche die regionalen Kompetenzen übersteigen. Diese nationale Ebene wird hingegen kaum dafür genutzt, im Interesse der Region auf nationale Politik, beispielsweise zur Lösung grenzüberschreitender Verkehrs-, Infrastruktur- und Umweltprobleme, Einfluss zu nehmen. Ein gemeinsames Lobbyingkonzept zur konzertierten Interessenswahrnehmung in den Hauptstädten und in Brüssel gibt es bisher nicht. Abgesehen von gelegentlichen Präsentationen des Oberrheins in Brüssel liegt dieses Gebiet völlig brach. Leider gibt es bisher keine übergreifende, trinational abgestimmte und verbindliche Entwicklungsstrategie für die Oberrheinregion. Wohl gibt es Arbeitsprogramme der Oberrheinkonferenz, Schlusserklärungen der Dreiländerkongresse, mehrjährige operationelle Programme für die Interreg-Beteiligung sowie
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Diesbezügliche Benchmarks können im Rahmen der europäischen Regionalorganisationen wie der AGEG oder der MOT ( und Euro-MOT) gesetzt werden. Eine Vergleichsmöglichkeit bietet auch die Evaluation der Interreg-Programme. Cf. http://www.regbas.ch/files/downloads/Projektlisten_Bildung_Forschung_Innovation. pdf (2.6.2010).
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Entwicklungsstrategien für Teilregionen (z.B. den TEB), aber kein globales Leitbild über die Ziele, welche die regionalen und lokalen Akteure prioritär und gemeinsam für die Oberrheinregion erreichen wollen. Die Arbeitsteilung und Schnittstellendefinition zwischen den Kooperationsstrukturen auf regionaler und lokaler Ebene sind – sowohl innerhalb der jeweiligen Ebene wie auch zwischen den Ebenen – mangelhaft. Zwischen Oberrheinkonferenz und Oberrheinrat finden zwar Absprachen statt, so dass man gegenseitig informiert ist und Initiativen kommentieren kann. Es besteht allerdings kein strukturiertes Zusammenarbeitsverhältnis zwischen diesen beiden regionalen Organen. Im Rahmen der Metropolregion Oberrhein wird, wie oben dargelegt, versucht, die Aktivitäten in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft aufeinander abzustimmen. Dies ist allerdings ohne gemeinsame, trinational abgestimmte Entwicklungsstrategie nur schwer möglich. Auf lokaler Ebene gibt es zwischen den unterschiedlich strukturierten Eurodistrikten keine inhaltliche Abstimmung, sondern bloß einen ad-hoc-Informationsaustausch. Ebenso ist zwischen regionaler Ebene (Oberrheinkonferenz und Oberrheinrat) und lokaler Ebene (Eurodistrikts) keine eigentliche Arbeitsteilung feststellbar. Aufgrund der fehlenden Entwicklungsstrategie und der mangelhaften Arbeitsteilung ist eine integrierte Kommunikation für den gesamten Oberrhein in Richtung Bevölkerung, Hauptstädte und Europa kaum möglich. Die neugegründeten Eurodistrikte können ihre operationelle Leistungsfähigkeit nur beschränkt entwickeln, solange keine Kompetenzen für bestimmte Aufgabenbereiche von den Gebietskörperschaften der drei Länder auf sie übertragen werden. Im Süden des Oberrheins und vor allem aus Schweizer Perspektive zeichnet sich immer wieder eine Problematik bezüglich der Kooperationsperimeter ab. Das Aktionsgebiet der TMO (was dem Mandatsgebiet von Oberrheinkonferenz und Oberrheinrat entspricht) ist mit seinen knapp 6 Millionen Einwohnern für Schweizer Verhältnisse sehr groß und stößt daher in den Kantonen immer wieder auf Akzeptanzprobleme. Auf der lokal-kommunalen Ebene, welche sich erst jüngst mit den Eurodistrikten neu konstituiert hat, gibt es zum Teil noch ältere Strukturen wie den Regio TriRhena. Dieser hat zwar einen Teil seiner Funktionen an die Eurodistrikte abgegeben (die kommunale Zusammenarbeit), besteht aber dennoch weiter, da er einen sonst nicht bearbeiteten Raum (den klassischen Regio-Raum im Städteviereck Colmar-Mulhouse-Freiburg-Basel) abdeckt und eine gemischtwirtschaftliche Struktur mit Vertretern der Städte, Gemeinden, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft darstellt, was es sonst nicht gibt. Diese Situation ist der Transparenz der grenzüberschreitenden Strukturen nicht förderlich und bedarf einer Lösung. Die Integration der Bürgeranlaufstellen Infobests in die Eurodistrikte ist vorgesehen, aber noch nicht vollzogen. Zusätzlich zur anstehenden Integration der Infobests in die Eurodistrikte sollte geprüft werden, ob nicht eine stärkere Anbindung der Bürgeranlaufstellen an die Fachverwaltungen in den drei Ländern die Informations- und Beratungsarbeit im Alltag erleichtern könnte. Die operationellen Kräfte für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sind in Abteilungen von Ministerien, Ämter, Stabs- und Koordinationsstellen sowie grenzüberschreitende Sekretariate und Anlaufstellen aufgesplittert. Eine Bündelung der Kräfte ist auch hier dringend notwendig. Das deutsch-niederländische „Euregio“-Modell kann dabei Vorbild sein.
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Abschließend ist festzustellen, dass der Oberrhein bezüglich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nach wie vor eine Modellregion für andere Grenzregionen darstellt. Dies gilt insbesondere punkto „output“ an Projekten und konkreten Vorhaben. Der Oberrhein war zusammen mit anderen Grenzregionen entlang des Rheins sowie entlang der deutsch-niederländischen Grenze eine der Pionierregionen für die Kooperation über Landesgrenzen hinweg. Im direkten Vergleich mit anderen europäischen Grenzregionen im Rahmen der europäischen Regionalorganisationen wie auch bei der europaweiten Evaluation von Interreg-Programmen findet man den Oberrhein auch heute noch immer in der Gruppe der Top-Grenzregionen, obwohl andere Grenzregionen rasch aufholen. Gerade in Bezug auf die Governance-Frage kann man den Oberrhein unseres Erachtens aufgrund der oben durchgeführten Analyse nur in beschränktem Ausmaß als Modellregion gelten lassen. Trotz langjähriger Tradition der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, trotz guter Entwicklungsvoraussetzungen in wirtschaftlicher, infrastruktureller, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht ist die optimale Leistungsfähigkeit des oberrheinischen Mehrebenen-Systems noch nicht erreicht. Deutlich zeigt sich die Herausforderung für eine bessere Organisation der Zusammenarbeit zwischen lokaler und regionaler Ebene, zwischen exekutiven und repräsentativen Funktionen, zwischen Fach- und Querschnittsaufgaben sowie im Zusammenspiel mit den nationalen Behörden. Die Frage, ob der Oberrhein mit seiner Beteiligung des Nicht-EU-Mitgliedstaates Schweiz, ein Vorbild für Regionen an den Außengrenzen der EU sein kann, darf man insofern bejahen, als hier ein Beispiel dafür gegeben wird, dass eine intensive grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht notwendigerweise eine EU-Mitgliedschaft voraussetzt. Eine starke regionale und kommunale Ebene, bzw. eine föderalistische oder dezentralisierte Staatsstruktur sind mindestens so wichtig für eine gut funktionierende grenzüberschreitende Zusammenarbeit wie eine EU-Mitgliedschaft. Zudem ist die Schweiz mit ihren rund 120 bilateralen Verträgen mit der EU faktisch ein Zwei-Drittel- oder Drei-Viertel-Mitglied der EU. Die Schweiz ist beispielsweise voll an den Abkommen von Schengen (Polizei- und Justizzusammenarbeit) und Dublin (Asylwesen) beteiligt und geht damit einen Schritt weiter wie die EU-Mitgliedstaaten Großbritannien, Irland und Dänemark. Die Personenfreizügigkeit mit der EU übt einen starken – vornehmlich positiven – Einfluss auf die schweizerischen Grenzregionen aus20. Die Vergleichbarkeit des Oberrheins mit anderen Regionen an den Außengrenzen der EU ist allerdings sehr schnell zu Ende, wenn man diese Außengrenzen etwas näher betrachtet. Die Außengrenzen der EU in Richtung Osten und Südosten21 lassen sich weder in historisch-kultureller und schon gar nicht in wirtschaftlicher Hinsicht mit der Grenzsituation am Oberrhein vergleichen. Hier eine hochentwickelte Region im Westen Europas, dort vielfach historisch belastete Situationen und ein großer Entwicklungsrückstand. Wohl die einzige mit dem Oberrhein vergleichbare Außengrenze der EU ist diejenige zwischen Schweden und Norwegen. Hier besteht denn auch ein regelmäßiger Austausch, dies aber eher im
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JAKOB, E., FRIESECKE, M., „Wie weit führt der bilaterale Weg?“, Basler Stadtbuch 2009, Basel, 2010 (in Vorbereitung). Ukraine, Weißrussland, Russland, Moldawien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo, Albanien und Türkei.
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Sinne von Partnern auf gleicher Augenhöhe und nicht im Sinne einer Vorbildfunktion. Die Oberrheinregion muss im internationalen Wettbewerb der Regionen darauf bedacht sein, ihre guten Voraussetzungen noch besser zu nutzen. Dies kann nur passieren, wenn sich die Teilregionen des Oberrheins als solche positionieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit ausbauen. An oberster Stelle steht das Gebot, optimale Rahmenbedingungen für zukunftsfähige Unternehmen zu schaffen, beziehungsweise zu erhalten und auszubauen (Bildungssystem, Infrastruktur, Erreichbarkeit, usw.). Dort, wo es sinnvoll erscheint und wo Komplementaritäten bestehen, kann und muss dies gemeinsam und grenzüberschreitend erfolgen. Es scheint, dass die notwendigen Verbesserungen auf organisatorischer, beziehungsweise auf Governance-Ebene mit dem entsprechenden politischen Willen erreichbar sind.
L’ESPACE DU RHIN SUPÉRIEUR – UN MODÈLE DE GOUVERNANCE POUR D’AUTRES RÉGIONS FRONTALIÈRES? Dietrich Fürst décrit la gouvernance régionale comme une gouvernance évoluant sous la forme de réseaux intermédiaires de gestion régionale en réponse à des déficits et en complément d’une gestion à la fois étatique et de marché. Dans le cas d’une région transfrontalière, la gouvernance régionale représente un cas particulier, dans le sens où il n’y a pas de gestion étatique verticale mais des structures horizontales de coordination, et parce que tous les acteurs impliqués -étatiques, communaux et privés doivent coopérer. Les questions de gouvernance prennent tout leur sens lorsque des régions transfrontalières élaborent des stratégies de développement à long terme afin de faire fructifier ensemble leur potentiel. Trop souvent encore ces régions transfrontalières se heurtent à la barrière que représente la frontière, surtout lorsque les aspects politiques posent problème. Les régions transfrontalières en Europe voient leur développement économique, culturel, social ou en termes de transport se heurter à des barrières politiques, comme c’est le cas pour l’agglomération trinationale de Bâle. Ainsi, les questions de gouvernance semblent représenter le défi majeur des années à venir en ce qui concerne la coopération transfrontalière dans la région du Rhin supérieur et dans le reste de l’Europe. La solution aux problèmes que pose une telle gestion sera déterminante pour l’Europe moteur de croissance ainsi que pour les métropoles européennes, porteuses de diversité culturelle et symbole de la « ville européenne du 21e siècle ». Afin de consolider cette thèse, il faut envisager plusieurs tendances, notamment le fait que la politique régionale se concentre de plus en plus sur des objectifs de développement et non plus sur les objectifs d’équilibre. Le système de gouvernance multi-niveaux du Rhin supérieur apparaît comme un ensemble cohérent, constitué par un niveau national avec la Commission intergouvernementale franco-germano-suisse, un niveau régional avec la Conférence du Rhin supérieur qui se compose des différentes collectivités territoriales des trois pays, et enfin le niveau local illustré par les eurodistricts et les centres d’information Infobest. Il est question aujourd’hui d’un modèle de gouvernance
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intégré pour la région du Rhin supérieur sous la forme de la « région métropolitaine trinationale du Rhin supérieur », fondée sur quatre piliers : politique, économie, sciences et société civile. Le Rhin supérieur est considéré depuis longtemps comme une région modèle pour la coopération transfrontalière. Peu d’autres endroits en Europe connaissent des activités si denses et abritent autant d’institutions publiques et privées de coopération transfrontalière. Au cours des deux dernières décennies, le Rhin supérieur a mis en œuvre plusieurs centaines de projets transfrontaliers. La gouvernance de cette région connait des aspects positifs et négatifs. Il est vrai que le Rhin supérieur repose sur un système de gouvernance composé de plusieurs niveaux, incluant tous les acteurs des échelles locale et régionale, travaillant sur tous les thèmes pertinents, l’économie, le marché du travail, la formation, l’innovation, le transport, l’environnement, la culture. La création des eurodistricts a permis de créer une structure intégrée pour la coopération communale. L’exemple de l’eurodistrict de Bâle montre qu’il a été possible de rassembler les organes existants sous une même structure regroupant à la fois les éléments législatifs et exécutifs. Les aspects négatifs résident tout d’abord dans le fait que le Rhin supérieur est en manque de reconnaissance au niveau national et européen, il ne dispose, par exemple, d’aucune représentation à Bruxelles. Par ailleurs, il dispose de nombreux projets et programmes mais il lui manque toujours une stratégie et un modèle de développement global auxquels pourraient se référer les acteurs. Ainsi, l’attribution des compétences au sein des instances de coopération est défaillante et cela empêche la liaison directe avec les citoyens et avec l’Europe. Le Rhin supérieur n’est donc pas forcément un modèle de gouvernance pour d’autres régions transfrontalières –même si le cas suisse montre que l’appartenance à l’Union européenne n’est pas indispensable pour réussir la coopération. Pour une fonction modèle, il doit encore établir une meilleure organisation de la coopération entre les échelles locale régionale et nationale, entre les fonctions exécutive et représentative.
COULD THE UPPER RHINE REGION BE A GOVERNANCE MODEL FOR OTHER BORDER REGIONS? Dietrich Fürst describes regional governance as governance that is evolving in the shape of intermediate networks of regional management which respond to deficits and which are complementary to both state and market management. In the case of a border region, regional governance is a special case in the sense that there is no vertical state management, but only horizontal coordination structures, and because all national, regional and private sector stakeholders involved must cooperate. Governance issues become meaningful when cross-border regions draw up strategies for long-term development in order to address their potential together. All too often, these cross-border regions come up against the obstacle of the border, especially when political issues are at stake. Development in the economic, cultural, social and transport fields in border regions in Europe have been hindered by political obstacles, as is the case for the trinational agglomeration of Ba-
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sel. Thus governance issues appear to represent the major challenge for the coming years as far as cross-border cooperation in the Upper Rhine Region and the rest of Europe is concerned. The solution to problems which this sort of management poses will be critical for Europe, the growth engine, and for major European cities, which are rich in cultural diversity and symbolise the “European city of the 21st century”. Several trends must be considered in order to consolidate this argument, in particular the fact that regional policy is increasingly focused on development goals rather than on balance objectives. The multi-level governance system of the Upper Rhine seems to be a coherent whole, constituted by a national level with the Franco-German-Swiss Intergovernmental Commission, a regional level with the Upper Rhine Conference which is made up of various local governments of the three countries, and finally the local level as illustrated by the Eurodistricts and the Infobest information centres. There is talk now of a model of integrated governance for the Upper Rhine Region in the shape of the “Trinational Metropolitain Region of the Upper Rhine”, based on four pillars: political, economic, scientific and civil society. The Upper Rhine has long been regarded as a model region for cross border cooperation. Few other places in Europe have such a concentration of activities and house public and private institutions for cross-border cooperation as is the case in the Upper Rhine. Over the last two decades, the Upper Rhine has implemented hundreds of cross-border projects. The governance of this Region faces both positive and negative aspects. It is true that the Upper Rhine is based on a real multi-level-governance system, involving all actors at both local and regional levels, working on all relevant issues: the economy, the labour market, training, innovation, transport, environment and culture. The creation of the Eurodistricts has meant an integrated structure for municipal cooperation has been set up, and the example of the Basel Eurodistrict shows that it has been possible to assemble the existing bodies in a single structure comprising both the legislative and executive. The negative aspects reside first and foremost in the fact that the Upper Rhine has not yet gained sufficient recognition at national and European levels; it has no representation in Brussels for example. In addition, it has many projects and programmes but it still lacks a strategy and a global development model to which the stakeholders could refer. Thus, the system of allocation of powers within the forums of cooperation is weak and this prevents a direct link both with the citizens and and with Europe. Thus the Upper Rhine is not necessarily a governance model for other cross-border regions – even though the Swiss case proves that successful cooperation does not always depend on membership to the European Union. For a model character, the Upper Rhine still needs a better organisation of the cooperation between local, regional and national levels, and between the executive and representatives.
Teil 3
GOVERNANCE-FORMEN IN ANDEREN DEUTSCHEN
GRENZREGIONEN
Partie 3
FORMES DE GOUVERNANCE DANS D’AUTRES RÉGIONS FRONTALIÈRES ALLEMANDES
Part 3
FORMS OF GOVERNANCE IN OTHER GERMAN CROSS-BORDER REGIONS
FORMEN GRENZÜBERSCHREITENDEN POLITISCHEN HANDELNS IN DER GROßREGION AUF DEM WEG ZUR GOVERNANCE? ROLF WITTENBROCK Seit etwa zwei Jahrzehnten hat der Begriff der Governance in den Publikationen der Staats- und Politikwissenschaften eine sich rasant beschleunigende Konjunktur erlebt. Graphische Darstellungen dokumentieren seinen internationalen Siegeszug in wissenschaftlichen Debatten und Abhandlungen, und er ist inzwischen zu einem „Zauberwort1“ geworden, dessen eindrucksvolle Karriere unlängst von Gunnar Folke Schuppert detailliert dargelegt wurde. Vermutlich verstärkte jedoch der Siegeszug dieses Begriffs auch seine semantische Unschärfe, denn alle Experten stimmen darin überein, dass es sich um einen „anerkannt uneindeutigen Begriff“ handelt. Inzwischen operieren ganz unterschiedliche Fachdisziplinen – mit abweichenden semantischen Konnotationen – mit dem Begriff der Governance, der damit zu einem „Brückenbegriff“2 wurde, was wiederum die Verständigung auf eine eindeutige allgemein anerkannte Definition erschwerte. Generell wird zwischen einem engen und einem weiten Governance-Begriff unterschieden: Die Vertreter der engen, partizipatorischen Definition verstehen „darunter nur diejenigen Formen der Steuerung, bei denen hierarchische staatliche Entscheidungen nicht im Zentrum stehen, sondern das Zusammenwirken von staatlicher und privater Seite dominiert“3. Demgegenüber befürworten Anhänger einer weiten Definition ein Konzept, das „mit einem weit gespannten Bogen von der Hierarchie bis zur institutionalisierten gesellschaftlichen Selbstregelung die gesamte Bandbreite der Interaktionsmuster und Modi kollektiven Handelns“ einbezieht. Für die folgende Untersuchung der Strukturen grenzüberschreitenden politischen Handelns in der Großregion wird zunächst ein weiter Governance-Begriff verwendet, gilt es doch aus der Vielfalt der Kooperationsformen, der beteiligten Akteure und Ebenen die Elemente heraus zu destillieren, die sich durch jeweils spezifische Formen von Governance-Mix auszeichnen. Das kann nur gelingen, wenn das Beobachtungsfeld nicht schon zu Anfang durch ein enges Begriffsverständnis verengt wird. Allerdings ist bei diesem analytischen Zugang zu beachten, dass bei einer solchen Recherche in einer grenzüberschreitenden Region auch die Erwartungshorizonte und eventuelle normativen Vorgaben supranationaler Instanzen zu berücksichtigen sind. Tatsächlich hat auch die Europäische Union (EU), die ja die grenzüberschreitende Kooperation durch spezielle Förder1
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SCHUPPERT, G.F., ZÜRN, M., (Hrsg.), „Governance in einer sich wandelnden Welt“, PVS Politische Vierteljahreszeitschrift, Sonderheft 41/2008, S.23. Grundlegend zum Regional-Governance-Konzept SCHMITT-EGNER, P., Handbuch zur Europäischen Regionalismusforschung, Wiesbaden 2005, S. 29ff. Ibid., S.18. Beide Definitionen in: ibid. S.24.
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programme maßgeblich steuert, hinsichtlich der inhaltlichen Ausfüllung des Governance-Begriffs eindeutige Aussagen gemacht. Im Arbeitsprogramm für das Weißbuch der Kommission „Regieren in der Europäischen Union“ findet sich folgende Definition. „Das Weißbuch der Kommission (…) versteht unter „Governance“ alle Regeln, Verfahren und Verhaltensweisen, die mit der Art der Ausübung der Befugnisse auf europäischer Ebene, insbesondere mit der Verantwortlichkeit, der Sichtbarkeit, der Transparenz, der Kohärenz, der Effizienz und der Effektivität zusammenhängen (…). Bei „Governance“ liegt das Schwergewicht auch auf der Mitwirkung nachgeordneter und nichtstaatlicher Akteure. Ihre Einbindung in die Entscheidungsprozesse der Gemeinschaft erweist sich immer mehr als eine Voraussetzung für den Erfolg dieser Prozesse und die Akzeptanz der Regeln“ 4. In den folgenden Kapiteln soll zunächst untersucht werden, ob das Governance-Konzept für die wichtigen politischen Akteure in der Großregion ein zentrales Gestaltungsziel darstellt. Zu diesem Zweck werden zunächst verschiedene offizielle Dokumente und Stellungnahmen analysiert. Dabei soll auch die Frage beantwortet werden, ob dieses Konzept inzwischen zu einem allgemein anerkannten Leitbild des grenzüberschreitenden Handelns geworden ist und auf welcher Entwicklungsstufe des Governance-Prozesses sich die Kooperationsstrukturen in der Großregion befinden. In einem zweiten Kapitel wird dann dargestellt, wie das gegenwärtige großregionale Steuerungsgefüge institutionell funktioniert und welche Akteurskonstellationen in den wichtigen Gremien die Zusammenarbeit prägen. Im dritten Kapitel werden dann die eher der Zivilgesellschaft zuzurechnenden Institutionen und Akteure vorgestellt, die ja als potentielle Partner bei dem weiteren Ausbau von Governance-Strukturen von besonderer Bedeutung sind. Die beiden letztgenannten Abschnitte werden also das gegenwärtig vorhandene Spektrum der grenzüberschreitenden Kooperation ausleuchten und sowohl eindeutig hoheitlich-hierarchische Strukturen wie auch eher zivilgesellschaftlich-informelle Netzwerke identifizieren. Schließlich folgt dann eine kleine Fallstudie, in der untersucht wird, ob die gegenwärtig in der Großregion laufenden Interreg-Projekte Aussagen darüber erlauben, in welchem Maß dieser wichtige Bereich grenzüberschreitender Kooperation durch staatlich-administrative Akteure bzw. Vertreter der Wirtschaft und Zivilgesellschaft geprägt wird. Diese Projekte stellen ja ein Spezifikum grenzüberschreitender Verflechtungsräume dar, und so kann in diesem Zusammenhang auch abschließend der Versuch gemacht werden, die begünstigenden oder auch retardierenden Faktoren zu bestimmen, die die Entwicklung von Governance-Strukturen in der Großregion wesentlich prägen.
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Regieren in der Europäischen Union, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch, Brüssel, 11.10.2000. Dieses Konzept wird auch nachdrücklich vertreten vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuß in seiner Publikation Ein Programm für Europa: die Vorschläge der Zivilgesellschaft: „Der zivile Dialog ist eine Ausdrucksform von Governance und wesentlicher Bestandteil des künftigen europäischen Demokratiermodells“, Brüssel, 24.3.2009, S.22.
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1. Governance als Stichwort politischer Diskurse und Dokumente in der Großregion Nicht nur in der Fachwissenschaft hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Leitbild eines Interventionsstaates, der selbst alle Lebensbereiche in der Gesellschaft steuert, angesichts der zunehmenden Krisen und Probleme durch ein Grundmodell ersetzt werden muss, in dem alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte an der Steuerung beteiligt werden. Dementsprechend wird das reduzierte Aufgaben- und Verantwortungsspektrum staatlichen Handelns umschrieben mit Schlagwörtern wie new public Management oder dem Leitbild des aktivierenden Staates, dessen inhaltliche und organisatorische Ausformung dann durch den Governance-Ansatz erfolgen soll5. Auch die politischen Amtsträger unterstützen dieses politische Modell und plädieren für dessen Übernahme, wobei ihre Wortwahl und Argumentationsweise von der europäischen bis hin zur lokalen Ebene weitgehend identisch sind. In den offiziellen Dokumenten, die vom Gipfel, dem obersten Lenkungsgremium der Großregion, verabschiedet wurden, wird wiederholt der Begriff Governance erwähnt. So heißt es z.B. in einer Stellungnahme zum Grünbuch der Europäischen Kommission. „Die Regierungen der Großregion unterstützen das Anliegen der Europäischen Kommission zur Stärkung der territorialen Kohäsion. (…) Dazu bedarf es einer breiten und wissenschaftlich fundierten Informationsgrundlage, einer guten Kooperationsstruktur (Stichwort „Governance“) und einer strategischen Orientierung des Handelns aller beteiligten Akteure“6. Vermutlich darf man in solchen offiziellen Konsenspapieren, die sorgfältig zwischen den beteiligten Partnern austariert werden müssen, keine qualifizierteren Aussagen erwarten, deshalb sind Interviews und persönliche Stellungnahmen zumeist von größerer Aussagekraft. So lautete die Forderung der luxemburgischen Regierung in Bezug auf das oben genannte Grünbuch „Il faut renforcer la gouvernance!7“ (Man muss die Governance stärken). Am Ende seiner Amtszeit im Juli 2009 als Präsident des Gipfels wurde Jean-Claude Juncker von einem Journalisten gefragt, ob man in der Großregion eine neue Form der Governance brauche. Seine Antwort lautete: „Was die Großregion vorangebracht hat, waren viele kleine Schritte. Die luxemburgische Präsidentschaft, die jetzt zu Ende geht, hat sich dem kontinuierlichen Ausbau der konkreten Zusammenarbeit verschrieben. Wir 5 6 7
KOHLISCH, T., Regional Governance in europäischen Regionen. Eine empirische Analyse der transnationalen Verbünde Großregion/Grande Région und Oder-Partnerschaft/Partnerstwo-Odra, Berlin, 2008, S.24f. Grünbuch zum territorialen Zusammenhalt: Territoriale Vielfalt als Stärke, Präsidentschaft 11. Gipfel, Stellungnahme zum Grünbuch der Europäischen Kommission, 3.2.2009, S.5. Die Stellungnahme Luxembourgs und der Grande Région zum Livre vert de la Commission Européenne sur la cohésion territoriale vom 10.2.2009, in: www.europaforum.public.lu (12.8.2009). Im Dezember 2009 wurde eine Gruppe von drei Parlamentariern von der französischen Regierung beauftragt, eine Studie über den Ausbau grenzüberschreitender Beziehungen zu erarbeiten. Im Juni 2010 wurde ihr Bericht „19 propositions pour une politique transfrontalière » publiziert. Darin wird u.a. gefordert: „organiser une réelle gouvernance des questions transfrontalières », cf. L'actualité transfrontalière, n° 60, Juni 2010.
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wollen die Modellregion Europas sein. Neben den politischen Exekutiven arbeiten die Volksvertreter im interregionalen Parlamentarierrat zusammen, können wir auf die Vorschläge eines eigenen Wirtschafts- und Sozialausschusses zurückgreifen. Ich denke auch an die Beiträge der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Diese strukturierte, institutionalisierte Form der grenzüberschreitenden, regionalen Zusammenarbeit gibt es sonst nirgendwo auf unserem Kontinent“ 8. Auch sein Nachfolger in dieser Funktion, der saarländische Ministerpräsident Peter Müller befürwortete kurz vor seiner Übernahme des Amtes des Präsidenten der Großregion die Einbeziehung weiterer Akteure in die Steuerung der zukünftigen grenzüberschreitenden Kooperation. So bestätigte er, dass der Verbund der Kommunen Euregio SaarLorLux+ „sich mittlerweile zu einer nicht mehr wegzudenkenden Konstante der interregionalen Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene in der Großregion SaarLorLux+ entwickelt“9 habe. Gleichzeitig erklärte er sich auch dazu bereit, die Möglichkeiten einer verstärkten Beteiligung des Verbunds als Anregung aufzunehmen und dies auch in die weiteren Beratungen einzubringen. Generell wird also das Governance-Modell im Sprachgebrauch wichtiger Entscheidungsträger als erstrebenswertes Konzept für bessere Kooperationsstrukturen in der Großregion bewertet. Das gilt insbesondere auch für Dokumente, in denen von „Governance/gouvernance“ in grenzüberschreitenden Kontexten die Rede ist, wenn sie sich auf zukünftige bzw. erwartete Entwicklungen beziehen. So formulierten die Autoren in der 2003 erstellten Studie „Zukunftsbild 2020/ Vision d’avenir 2020“ ein Konzept, das vorsieht, dass sich in der Großregion ein Integrationsprozess entwickeln muss, weil man sonst „das breite gesellschaftliche Engagement für und die Identifikation der Menschen mit der Großregion nicht erreichen“10 wird. Demnach sollen regelmäßige interregionale Foren zur Bewusstseins- und Meinungsbildung veranstaltet werden, und „diese Forenkultur könnte auch den Humus bilden, auf dem moderne und effiziente GovernanceStrukturen wachsen, die auf Dauer das Mitgestalten und auch „Mitregieren“ einer aktiven Bürgergesellschaft in der Großregion ermöglichen“ 11. Ganz ähnlich – aber mit noch mehr Euphorie – projiziert eine neuere Zukunftsstudie vom Juni 2008 für ein kleinräumiges Verflechtungsprojekt die Entfaltung der grenzüberschreitenden Governance in eine noch etwas fernere Zukunft. In dem „Leitbild 2025/Vision d’Avenir 2025 für den Eurodistrikt Saarbrücken-Moselle-Est“ heißt es: „Die heute noch vorhandenen vielschichtigen Kooperationsstrukturen werden in eine einfache, verständliche und geschäftsfähige, europäisch geprägte interkommunale Organisationsstruktur „Governance“ münden. (…) Politischer Grundgedanke dieser neuen Form von „Governance“ ist das „Europa der Bürger“, welches zum Ziel hat, die Bürgerbegegnung zu för-
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Interview im Luxemburger Wort, 17.7.2009. Cf. http://www.granderegion.net/de/news/2009/08/20090813/index.html (20.11.2009). Zukunftsbild 2020 für den interregionalen Kooperationsraum Saarland, Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Wallonische Region, Französische Gemeinschaft und Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, Saarbrücken, 2003, S.56. Ibid.
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dern und die Bürger am ganzen Prozess der Meinungsbildung und Entscheidung zu beteiligen“12. Governance als Steuerungsmodell grenzüberschreitender Kooperation erscheint damit vor allem als zukunftsbezogene Option, als der Zielpunkt eines längeren Prozesses, in dessen Verlauf noch zahlreiche Hindernisse überwunden werden müssen. Es bleibt zu ergänzen, dass auch in der Forschung die Auffassung vertreten wird, dass diese neue Form der Steuerung grenzüberschreitender Kooperation ein Wachstumspotential hat. So kommt Dietrich Fürst zu dem Ergebnis: „Ein Paradigma-Wechsel zugunsten der grenzüberschreitenden Kooperation scheint tatsächlich – wenigstens ansatzweise – stattgefunden zu haben. Das bezieht sich zum einen darauf, dass im politisch-administrativen System ökonomisch-utilitaristische Kalküle zunehmend das traditionelle institutionelle Denken überlagert; verstärkt wird dies durch neue Steuerungsmodelle (new public Management)“13.
2. Der institutionelle Rahmen für Governance-Strukturen in der Großregion Da die institutionelle Ausbildung der Kooperationsstrukturen auch in neueren Untersuchungen mehrfach dargestellt wurde,14 ist hier eine zusammenfassende Momentaufnahme ausreichend, um zu erläutern, ob und in welchen Bereichen „neue Formen der Bürgerbeteiligung und modernen Regierens im Sinne der „new regional Governance“ erkennbar sind15.
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WIRZ, H. u.a., „Entwurf des Leitbilds/L’Ebauche de la vision d’avenir », Kap Organisationsform/La gouvernance, Juni 2008. FÜRST, D., „Flexibilisierung politisch-administrativer Steuerung durch grenzüberschreitende Kooperation“, Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften 2/2004, S.64f. Cf. KOHLISCH T., op.cit. S.61-99, sowie NIEDERMEYER, M./MOLL, P., „SaarLorLux – vom Montandreieck zur „Großregion“. Chancen und Möglichkeiten einer grenzüberschreitenden Regionalpolitik in Europa“, in: KÜHNE, O., DÖRRENBÄCHER, H.P., WAGNER, M., 50 Jahre Bundesland Saarland im Wandel, Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde im Saarland, Bd. 43 und Saarbrücker Geographische Arbeiten, Bd. 53, 2007, S.297-321; Cf. auch GROß, B., WILLE, C., GENGLER, C., THULL, P., SaarLorLux von A-Z. Handbuch für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Großregion, Baden-Baden, 2006. NIEDERMEYER/M., MOLL, P., op.cit., S.310.
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Abb.1: Strukturen und Einrichtungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Quelle Staatskanzlei des Saarlandes)
Dabei dokumentiert die Grafik (Abb.1) die grenzüberschreitende Kooperation auf den verschiedenen räumlichen Ebenen. Man sieht, dass neben den politischen Institutionen auch wichtige Interessenverbände der Wirtschaft, der Wissenschaft und aus dem sozialen Bereich zu den Akteuren der Kooperation gehören. Die höchste Steuerungsinstanz für die gesamte Gebietskulisse der Großregion ist der Gipfel, zu dem seit 1995 die höchsten Repräsentanten der Exekutiven aus den fünf Teilregionen alle 18 Monate zusammen kommen. Für ihre Kooperation fehlt eine juristische Grundlage, die Mitarbeit ist für alle Partner freiwillig, und es gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Dabei gibt es für die Übernahme der Präsidentschaft ein vorgegebenes Rotationsverfahren. Diese Struktur hat sich als handlungsfähig erwiesen, da die im Gipfel versammelten Chefs der Exekutiven neben den gemeinsamen Arbeitsgruppen auch durch Einwirkung auf ihre regionalen Behörden eine Umsetzung der Gipfelbeschlüsse erwirken können. Dennoch sind die Verhandlungen auf der höchsten Ebene durch die notwendige Abstimmung mit Partnern, die ganz abweichende nationale Kompetenz- und Verwaltungsstrukturen vertreten, häufig langwierig und mühsam16. So erinnern die Abschlusserklärungen der Gipfeltreffen eher an sorgfältig austarierte diplomatische Konsenspapiere. Das bestätigt eine punktuelle Analyse der am häufigsten benutzten Verben am Beispiel der Resolution, die am 17. Juli 2009 im Umfang von 14 Seiten verabschiedet wurde. Demnach haben die Gipfelteilnehmer eine besondere Vorliebe für das Verb „begrüßen“ (20 Nennungen), gefolgt von „sind der Ansicht“ und „nehmen zur Kenntnis“, die auf jeweils 7 Nennungen kamen. Hingegen sind für exekutive Instanzen charakteristische Formulierungen wie „beschließen“ (1 Nennung) oder „verpflichten sich dazu“ (4 Nennungen) Mangelware. Symptomatisch für die Divergenz der Interessen ist die seit über 10 Jahren andauernde Debatte über die Schaffung eines gemeinsamen Sekretariats, für das die luxemburgischen Partner bereits vor längere Zeit 16
Cf. GENGLER, C., „Die Stärken-Schwächen-Analyse“, in: GROß, B., WILLE, C., GENGLER, C., THULL, P.,. op.cit., S.67-69.
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ein „Haus der Großregion“ zur Verfügung gestellt hatten. Ähnlich mühsam gestalteten sich die Beratungen über ein gemeinsames Budget. Bereits 1996 beschloss der Gipfel die Einrichtung eines beratenden Wirtschafts- und Sozialausschusses der Großregion (WSAGR), der grundsätzlich als modellhafte Umsetzung eines Governance-Konzepts betrachtet werden kann17. Dieser Ausschuss erhält sein Mandat vom Gipfel und soll für ihn Vorschläge, Analysen und Prognosen erstellen. Er umfasst 36 Mitglieder, wobei jede Teilregion sechs Repräsentanten stellt. Dazu gehören jeweils zwei Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter sowie zwei weitere Mitglieder, die von der jeweiligen Region bestimmt werden. Hier nun bietet sich für die Teilregionen die Möglichkeit, außer den Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern die Kompetenzen weiterer zivilgesellschaftlicher Akteure aus verschiedenen Bereichen zu integrieren und damit auf der Ebene dieses wichtigen Konsultativorgans die partizipatorische Komponente zu stärken. Allerdings macht eine Untersuchung der Zusammensetzung des Gremiums deutlich, dass im Grunde keine Teilregion von der Möglichkeit Gebrauch macht, das Spektrum der vertretenen Sozialpartner durch andere Repräsentanten der Zivilgesellschaft zu erweitern. So hat z.B. Luxemburg zwei Ministerialbeamte ernannt, Rheinland-Pfalz einen Repräsentanten der Arbeitsagentur und eine Ministerialbeamtin, während das Saarland die beiden freien Plätze mit Vertretern der Arbeitskammer besetzt. Im Grunde handelt es sich bei dem WSAGR damit tatsächlich um eine großregionale Vertretung der Sozialpartner, erweitert um Repräsentanten der Ministerialbürokratie und Körperschaften öffentlichen Rechts. Da der Ausschuss einerseits sein Mandat vom Gipfel erhält und diesem andererseits berichtspflichtig ist, wird also auch durch die personelle Konstellation gewährleistet, dass die Arbeit des Gremiums den Steuerungszielen der politisch-administrativen Akteure nicht im Wege steht. Ein weiteres Gremium mit lediglich beratenden Funktionen ist der Interregionale Parlamentarierrat (IPR). Er tagt zweimal pro Jahr, und jede Teilregion entsendet sieben Parlamentarier. Diese Abgeordneten haben also kein großregionales Mandat, sondern sind Repräsentanten ihrer jeweiligen Teilregion. Das gilt auch für das im Jahr 2001 eingerichtete Netzwerk der Bürgerbeauftragten der Großregion. Es handelt sich im Grunde um einen Koordinierungsausschuss der im Amt befindlichen Bürgerbeauftragten in den fünf Teilregionen. Das bedeutet, dass z.B. lothringische Bürger, die eine Klage betreffend luxemburgische Behörden vorbringen wollen, sich immer zunächst an ihren eigenen Bürgerbeauftragten wenden müssen, der dann die Klage im Rahmen des Netzwerks an seinen luxemburgischen Kollegen weiterleiten kann. Der Kommunikationsweg läuft also obligatorisch über die Teilregion, zu der der Bürger staatsrechtlich gehört.
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„Die Großregion ist die europaweit einzige Grenzregion, die einen grenzüberschreitenden Wirtschafts- und Sozialausschuss besitzt. Seit nunmehr 10 Jahren wirkt der WSAGR als Beratungsorgan des Gipfels der Exekutiven an der Gestaltung des Grenzraums Großregion mit. Durch seine Zusammensetzung und den Sachverstand seiner Mitglieder ist der WSAGR das institutionelle Forum für die Vertretung der Sozialpartner. Durch den WSAGR sind die Vertreter der wirtschaftlichen, sozialen, beruflichen Organisationen fester Bestandteil bei der Politikgestaltung auf Ebene der Großregion. Der WSAGR fungiert somit als Sprachrohr der Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Großregion“. Cf. http://www.granderegion.net/de/cooperation-politique-interregionale/architecture_institutionnelle/cesgr/WSAGR_ FUNKTIONSWEISE.pdf (30.11.2009).
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Ganz offensichtlich gibt es ein Bemühen, die Interessen der Bürger auch grenzüberschreitend besser zu erkennen und zu beachten. Allerdings ist zu fragen, ob die hier gewählte kooperative Lösung eines additiv gebildeten Gremiums tatsächlich dem vom Gipfel selbst propagierten Ziel einer stärker partizipatorisch gestalteten Governance entspricht. Eine größere Legitimität und Visibilität hätte man sicher erreicht, wenn man z.B. durch den IPR einen kleinen integrativen Rat von Bürgerbeauftragten hätte wählen lassen, der ausschließlich für grenzüberschreitende Belange der Bürger in der Großregion zuständig ist und der von diesen direkt angerufen werden kann. Gerade dieses Beispiel verdeutlicht, dass die grenzüberschreitende politische Zusammenarbeit eindeutig einem Kooperationsmodell folgt und im Grunde die von manchen Seiten geforderte Entwicklung integrativer Strukturen bisher nicht vollzogen hat. Die damit verbundenen Prinzipien der Freiwilligkeit der Mitwirkung im Verbund, der Gleichberechtigung aller Partner, der Rotation in den jeweiligen Führungspositionen sowie der Einstimmigkeit bei allen Entscheidungen haben ohne Zweifel rasche Fortschritte auch hinsichtlich des weiteren Ausbaus von Governance-Strukturen behindert. Andererseits hat dieses umfassende Konsensmodell aber auch den Aufbau eines erheblichen wechselseitigen Vertrauenskapitals und eine Kontinuität der geschaffenen politischen Netzwerke ermöglicht. Man kann sagen, dass die Großregion wie ein Geleitzug ganz unterschiedlicher Lastschiffe nur langsam vorankommt, aber weiterhin Kurs hält. Weitergehende ambitionierte Ziele in Richtung einer integrativen Vertiefung der Zusammenarbeit – im Sinne des Zukunftsbildes 2020 – sind aber mit dem bisher geschaffenen grenzüberschreitenden Institutionengefüge kaum erreichbar. Insofern handelt es sich bei der Großregion tatsächlich „um ein Regionen-Konglomerat und somit letztlich um eine Nicht-Region“18. So lautet die Einschätzung zweier hochrangiger Experten, die mit dieser ernüchternden Bewertung allerdings die Hoffnung verknüpfen, dass die Zeit reif zu sein scheint, „durch neue Formen der Bürgerbeteiligung und modernen Regierens im Sinne der „new regional Governance“19 substantielle Fortschritte zu erreichen.
3. Weitere Akteure im Spektrum grenzüberschreitender Netzwerkbildung Schon heute haben wir eine kaum noch überschaubare Zahl von Institutionen, Verbänden, Kammern und Vereinen, die in ihren Aktionsfeldern unterhalb der politischen Führungsebene zum Teil enge Kontakte mit ihren jeweiligen Partnern in anderen Teilen der Großregion aufgebaut haben. Es handelt sich dabei teils um Kooperationsstrukturen, die die gesamte Großregion erfassen, andererseits aber auch häufig um eher kleinräumliche Netzwerke. Nicht immer bewegen sich diese Akteure im Fahrwasser des großregionalen Geleitzugs, sondern vielfach verfolgen sie auch eigenständige Ziele.
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Dazu gehört im kommunalen Bereich besonders der Städteverbund Quattropole, der den Anspruch erhebt, in sehr viel effizienterer Weise als die Großregion zu kooperieren20. In der Tat haben die vier Oberbürgermeister von Luxemburg, Metz, Saarbrücken und Trier seit dem Jahr 2000 ein effizientes Netzwerk geschaffen, in das zahlreiche Angehörige der kommunalen Verwaltungen eingebunden sind. Die Oberbürgermeister treffen sich viermal jährlich, die in jeder Stadt ernannten Koordinatoren einmal im Monat. In jeder Stadtverwaltung gibt es ein lokales Quattropole-Büro, das für die Kooperation zuständig ist. Insgesamt arbeiten zehn Projektgruppen, die jeweils von städtischen Mitarbeitern aus einer der vier Städte geleitet werden, in ganz unterschiedlichen Arbeitsfeldern. Dabei werden ausdrücklich andere Akteure zur Mitwirkung eingeladen, denn es gehört zum Selbstverständnis von Quattropole, „die Kooperation mit Akteuren und Institutionen außerhalb der Verwaltungen (zu) suchen“21. Gerade in manchen Projektgruppen zeigt sich diese bürgerschaftliche Öffnung, wenn es z.B. für die „Arbeitsgruppe Migration, Partizipation und Citoyenneté“ heißt: „Als Lebens- und Arbeitsraum wächst die Quattropole-Region trotz bestehender Grenzen immer mehr zusammen. Neue Modelle der Partizipation sollen es allen Bürgern, ob Niedergelassenen oder Pendlern erlauben, an Bildung, Arbeit und Zukunftschancen teilzuhaben“22. Durch regelmäßige Konferenzen, Stadtfeste und Bürgerreisen ist es dem Städtenetz tatsächlich gelungen, auch die Zivilgesellschaft zu aktivieren und in die kommunikative Struktur der Kooperation einzubinden, so dass es sich hier ohne Zweifel um einen Fall von Best Practise handelt23. Schließlich ist noch auf eine nahezu unübersehbare Zahl von Kooperationen im zivilgesellschaftlichen Bereich hinzuweisen. Eine gute Übersicht dazu bietet das im Jahr 2001 erschienene Register „Kultur-Kooperationen – Saar-Lor-Lux“24, das die Adressen von über 200 Institutionen und Vereinen enthält. Dort findet man z.B. Hinweise auf die Letzebuerger Gesellschaft fir nei Musek (L.G.N.M.) wie auch auf „Europ’Age – Europäisches Altenwerk Saar-Lor-Lux“ mit den jeweiligen Partnern in der Großregion, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ein neueres Verzeichnis, herausgegeben vom Institut der Großregion, erschien im Jahr 2008 unter dem Titel „Kooperationsverzeichnis der Großregion 2007-2008“25. Bei der Vorbereitung der zweiten Auflage wurden 220 Institutionen um eine aktualisierte Mitteilung ihrer grenzüberschreitenden Kooperationen gebeten. Allerdings gab es nur einen Rücklauf von ca. 30 %, was verdeutlicht, dass das Engagement der kontaktierten Akteure wohl sehr unterschiedlich ist und auch generell eine 20
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Bei dem Treffen der vier Oberbürgermeister sagte Dominique Gros (Oberbürgermeister von Metz): „On est ici dans le réel, cela marche car nous sommes entre décideurs. La Grande Région est un concept politique alors que nous restons, nous, dans le concret. La Quattropole c’est donc mieux que la Grande Région“, L’Ami hebdo, 22.6.2008. Quattropole, Grundsatzpapier Abs. 2 Selbstverständnis, S.3-5. Kurzportrait der AG Migration, Partizipation und Citoyenneté, in: www.quattropole.org (3.12.2009). JENSEN, K., (Oberbürgermeister Trier): „Noch viel mehr bedeutet es uns aber, dass über das Städtenetz mittlerweile auch eine starke Bewegung in die Bevölkerung hineinkommt und wir einen lebendigen Austausch schaffen und unterstützen können.“, in: http://www.plurio.org /param/59/CMSdk,10596/smid,320/kulturnachrichten.html(3.12.2009). Par delà les Frontières–Über die Grenzen, Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit, Saarbrücken, 2001. Herausgegeben vom Institut der Großregion Arlon, Online-Version in: http://www.institutgr.lu (2.12.2009).
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große Fluktuation herrscht, so dass ein zuverlässiger, jeweils aktueller Überblick kaum gelingen kann. Generell ist festzustellen, dass eine individuelle bürgergesellschaftliche Beteiligung an Formen der regional Governance häufig anlassbezogen ist, vielfach aus spezifischen Bedrohungssituationen resultiert und sich dann kurzfristig in lokalen Kontexten vollzieht. Eine größere Kontinuität ist zu erwarten, wenn sich Zivilpersonen dauerhaft in Vereinen oder anderen Korporationen organisieren. In diesem Fall können als relevant erachtete Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft auch auf regionaler Ebene in grenzüberschreitende Governance-Strukturen eingebunden werden. Da sie vielfach in schon bestehenden Netzwerken diesseits und jenseits der Grenzen tätig sind, verfügen sie häufig über ein erhebliches Vertrauenskapital. Im Falle ihres verlässlichen und dauerhaften Engagements können sie dann zu wertvollen Partnern politischer Steuerungsinstanzen werden. Nicht immer sind jedoch in Vereinen organisierte Akteure eindeutig der Zivilgesellschaft zuzuordnen. Vielmehr kann es in Einzelfällen auch zu komplizierten Gemengelagen kommen, bei denen sich hinter einem Vereinsetikett sowohl zivilgesellschaftliche Akteure als auch Vertreter staatlich-administrativer Steuerungsinstanzen verbergen. Es gibt auch Fälle, in denen ein in das Gewand eines gemeinnützigen Vereins gekleidetes Gremium in seiner Funktion und Zusammensetzung im Grunde lediglich das Exekutivorgan schon bestehender staatlicher Führungsinstanzen ist. So wurde am 28. April 2008 der Verein „Kulturraum Großregion“ gegründet. Dazu hieß es in einer Verlautbarung des 11. Gipfels der Großregion: „Die im Kulturjahr Europäische Kulturhauptstadt 2007 Luxemburg und Großregion begonnene intensive grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird über die Einsetzung des Vereins „Kulturraum Großregion“ weitergeführt. (…) Der Verein „Kulturraum Großregion“ wird künftig die im Kulturhauptstadtjahr 2007 begonnene intensive grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Großregion fortsetzen und Strategien für eine gemeinsame Kulturpolitik in der Großregion anregen. (…) Der Verein wird die regelmäßigen Treffen der politischen Verantwortlichen für Kultur aus der Großregion und deren Beschlüsse vorbereiten und umsetzen“26. Das in diesem Zitat offenbarte, sehr etatistische Verständnis der Steuerung politischen Handelns legt die Vermutung nahe, dass dieser Verein lediglich ein nachgeordnetes Instrument zur Durchsetzung übergeordneter politischer Ziele darstellt. Ein Blick in die Satzung bestätigt, dass dieser Verein auch hinsichtlich der Mitgliedschaft und Organisation eher eine parastaatliche Struktur aufweist: Der Verwaltungsrat besteht aus 25 Mitgliedern, wobei jede Teilregion 5 Vertreter entsendet; der Kreis der Mitglieder ist geschlossen und wird ausschließlich von Angehörigen der Kultusbürokratien auf ministerialer oder anderen hohen administrativen Ebenen gebildet. Damit entspricht eine Sitzung des Verwaltungsrats in der Personenkonstellation weitgehend einer intergouvernementalen Arbeitssitzung. Hinzu kommt, dass der rotierende Vorsitz bisher bei Kultusministern aus Luxemburg bzw. dem Saarland lag.
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11. Gipfel–Leitfaden zur Umsetzung von Leipzigcharta und Territorialer Agenda der EU, verfasst von der AG Raumentwicklung 21.5.2009, S.15.
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Diese Konstruktion vermittelt schon den Eindruck, dass hier politische und ministeriale Akteure am liebsten mit Ihresgleichen kooperieren, wobei ausdrücklich festgestellt werden soll, dass der Verein bisher eine hervorragende Arbeit geleistet hat und sich zahlreiche Akteure aus dem politisch-administrativen Bereich außerordentlich engagiert für die kulturelle Kooperation in der Großregion einsetzen. Dennoch muss man im Zusammenhang mit der Debatte um den Ausbau von Governance-Strukturen nach dem Sinn einer solchen Vereinsgründung fragen, deren wichtigste Aufgabe möglicherweise die Akquisition von EU-Projektmitteln ist.
4. Die laufenden Interreg IV-Projekte als Prüfstein für GovernanceStrukturen Das von der EU für die Zeit von 2007 bis 2013 aufgelegte Programm zur Förderung der „Europäischen territorialen Zusammenarbeit“ gilt allgemein als kraftvoller Motor der grenzüberschreitenden Kooperation. Dabei dominieren bei der Ausarbeitung der Programme politisch-administrative Akteure auf der Ebene der EU, der Nationalstaaten bzw. Regionen, die sich übrigens die Finanzierungskosten hälftig teilen. Als förderfähige Themenbereiche wurden drei Schwerpunkte vorgegeben: erstens die Wirtschaft27, zweitens der Raum28 und drittens die Menschen29. Abb.2: Fördergebiet des Interreg-Programms IVa 2007-2013 für die Großregion30
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Förderung der interregionalen Wirtschaft (46,3 % der Mittel). Verbesserung der Qualität des Lebensraums (26,9 % der Mittel). Stärkung der wissensbasierten Gesellschaft und des sozialen Zusammenhalts (26,8 % der Mittel). Siehe in: http://www.granderegion.net/fr/cooperation-politiqueinterregionale/interregIVA granderegion/aire_de_cooperation/index.html (12.12.2009).
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Auf dieser Grundlage entwickelten die zuständigen Ministerien bzw. Verwaltungen in den fünf Teilregionen der Großregion ein „operationelles Programm“, das diese Themenbereiche in ein strategisches Bedarfs- und Förderkonzept für die Großregion einbindet. Die Förderkulisse umfasst ein Kerngebiet, zu dem Luxemburg, der angrenzende Teil von Rheinland-Pfalz und von Wallonien gehören sowie der größte Teil des Saarlandes und die drei nördlichen Départements von Lothringen (Siehe Abb.2). Für die gesamte Laufzeit werden für die förderfähigen Gebiete in der Großregion knapp 106 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung gestellt. Zwei paritätisch besetzte Gremien mit leitenden Beamten aus den fünf Teilregionen steuern die Umsetzung des Programms: der Begleitausschuss und der Lenkungsausschuss. Um eine Projektförderung können sich sowohl Privatpersonen, juristische Personen, sonstige Vereinigungen als auch öffentliche Träger bewerben, wobei mindestens zwei Partner aus unterschiedlichen Ländern beteiligt sein müssen (Siehe Tab.1). Aus den Reihen der Projektpartner wiederum ist ein Projektkoordinator zu benennen, der als Hauptverantwortlicher die weitere Projektarbeit koordiniert. 31
Tab.1: Potentielle Projektträger in der Interreg-Förderung 2007-2013 Mögliche Projektträger in Interreg-Projekten (2007-2013) Gebietskörperschaften (Land, Landkreise, Gemeinden, Gemeindeverbände, Städte)
Wirtschaftsfördergesellschaften, Technologiezentren, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen
Körperschaften des öffentlichen Rechts
Vereine, Verbände, Stiftungen
Hochschulen, Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen
Kultur- und Sporteinrichtungen, Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen
Nicht gewerblich ausgerichtete Unternehmen/kommunale Zweckverbände
Sonstige Nicht-Regierungsorganisationen
In der Zeit von Dezember 2007 bis Juli 2009 wurden 155 Finanzierungsanträge gestellt, was aus der Sicht der Teilnehmer des 11. Gipfels ein großer Erfolg ist. Davon wurden 62 Projekte mit einem Betrag von 51 Millionen Euro aus EUMitteln genehmigt (Siehe Tab.2). Offensichtlich ist also eine Interreg-Förderung weiterhin für viele Partner trotz des damit verbundenen Aufwands und der thematischen Auflagen attraktiv. Zu Recht kann man sicher feststellen, dass die grenzüberschreitende Kooperation „am goldenen Zügel der europäischen Strukturpolitik32“ hängt und dieser finanzielle Anreiz den wichtigsten Motor für diese Vernetzung darstellt.
31 32
KOHLISCH, T., op.cit. S.51. DILLER, C., Regional governance by and with government. Die Rolle staatlicher Rahmensetzungen und Akteure in drei Prozessen der Regionsbildung, Technische Universität Berlin, 2005, S.113.
AUF DEM WEG ZUR GOVERNANCE ?
245
Tab. 2: Übersicht über die genehmigten Projekte bis zum 17. Juli 2009 Schwerpunkt 1 Wirtschaft
17 Projekte
13 Millionen € EU-Mittel
Schwerpunkt 2 Raum
21 Projekte
18 Millionen € EU-Mittel
Schwerpunkt 3 Mensch
23 Projekte
19 Millionen € EU-Mittel
Technische Assistenz
1 Projekt
2 Millionen € EU-Mittel
4.1. Die Mitwirkung der Teilregionen In der folgenden Übersicht werden die Interreg-Projekte hinsichtlich ihrer Akteurskonstellationen analysiert, die bis zum 17. Juli 2009 bewilligt wurden. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Zuordnung zu einer bestimmten Akteursgruppe nicht immer zweifelsfrei möglich ist, da die Akteursbezeichnungen mehrfach weder in den offiziellen Listen noch in den Selbstdarstellungen dieser Akteure im Internet eindeutige Hinweise zur Identifikation enthalten. Bei allen Graphiken wurde im Interesse einer größeren Übersichtlichkeit auf die Einbeziehung strategischer Partner verzichtet, was ohnehin die Ergebnisse kaum verändert hätte. Es wird deutlich, dass sich alle fünf Teilregionen an den thematischen Schwerpunkten des Projektaufrufs beteiligt haben (Tab. 3). Allerdings ist die Mitwirkung von Projektpartnern aus deutschsprachigen Teilregionen deutlich geringer. Tab.3: Beteiligung der Teilregionen an den genehmigten Projekten Beteiligung der Teilregionen an den genehmigten Projekten 50 45 40 17
35
17
13
30 25 16 20
10
15
15
8
15
Menschen Raum Wirtschaft
8
10
6
5
6
11
13
14 9
0
Saarland
Lorraine
Luxemburg
Rh-Pfalz
Wallonie
Dabei ist natürlich zu beachten, dass der geographische Zuschnitt der Fördergebiete sehr variabel gehandhabt werden konnte, so dass hier auf die Untersuchung einer Korrelation zwischen der Zahl der Projektträger und der geographischen und demographischen Größe der Herkunftsregionen bewusst verzichtet wird. Wallonien zeigt bei der Mitwirkung an Projekten das größte Engagement, denn sie ist an 46 der insgesamt 61 Projekte beteiligt. Das zeigt sich noch deutlicher, wenn man ermittelt, wie viele Projektpartner sich insgesamt an den genehmigten Fördermaßnahmen beteiligen (Tab. 4). Wallonien liegt hier mit 89
ROLF WITTENBROCK
246
Projektpartnern deutlich an der Spitze, da häufig zwei oder mehr Partner an demselben Projekt beteiligt sind. Tab. 4 : Zahl der beteiligten Partner an allen Projekten in den 5 Teilregionen Zahl der beteiligten Partner an allen Projekten in den 5 Teilregionen 90 80 35
70 27
60 50
Mensch Raum Wirtschaft
16 31
40
27
30
22
12
20 12
10
11 11
19
6
14
10
Luxemburg
Rh-Pfalz
23
0
Saarland
Lorraine
Wallonie
Das hat zur Folge, dass 32 % aller Projektpartner aus Wallonien kommen, hingegen nur 11 % aus Rheinland-Pfalz. Auch für Lothringen gilt, dass vielfach mehrere Projektpartner aus dieser Teilregion im selben Projekt mitarbeiten, was für Rheinland-Pfalz nur in wenigen Fällen geschieht. Von besonderer Bedeutung ist auch die Frage, aus welchen Teilregionen die Koordinatoren der Projekte stammen (Tab. 5). Tab. 5: Leadership der genehmigten Projekte Leadership der genehmigten Projekte
25 7 20
15
8
Menschen
11 10
Wirtschaft
2 5
Raum
2
3 0
3
4
7
3 1
3
6
3
0 Saarland
Lorraine
Luxemburg
Rh-Pfalz
Wallonie
AUF DEM WEG ZUR GOVERNANCE ?
247
Sie sind als ‚project-leader’ häufig die Initiatoren eines Interreg-Antrags und in der Regel der Knoten des gesamten Netzwerks der beteiligten Akteure. Vielfach übernehmen sie diese Funktion auch, weil sie bereits grenzüberschreitende Erfahrungen gesammelt haben und über die notwendige interkulturelle und administrative Kompetenz verfügen. Natürlich tragen sie eine hohe Verantwortung für den Erfolg des Projekts. So sind sie auch die Ansprechstation für die jeweiligen Interreg-Sekretariate, sie verfassen die Berichte und verwalten das Budget. Es fällt auf, dass die Projektbeteiligten aus Lothringen eher zurückhaltend sind in der Übernahme der Koordinatorenfunktion, denn nur 16 % aller Projekte werden von ihnen geleitet. Hingegen stellt Wallonien nicht nur die höchste Zahl von Projektpartnern, sondern hat auch in 52 % der geförderten Projekte mit wallonischer Beteiligung die Koordinatorenrolle. Sektoral ist bemerkenswert, dass mehr als die Hälfte aller Projekte im Schwerpunkt Raum von wallonischen Partnern geleitet wird. 4.2. Akteurskonstellationen in ihrer teilregionalen Zusammensetzung Weiterhin ist zu fragen, ob die geographische Herkunft bei der Auswahl der Projektpartner eine besondere Bedeutung hat. So könnte es durchaus sein, dass z.B. die gemeinsame Sprache ein wichtiges Auswahlkriterium ist oder aber auch eine große Ähnlichkeit in der Wirtschaftsstruktur der Teilregionen. Es ist ersichtlich (Tab. 6), dass Projektträger aus Lothringen vor allem mit wallonischen Partnern kooperieren. Möglicherweise gibt es für die beiden Bundesländer aber auch andere nationale Programme, um gemeinsame Projekte durchzuführen, zumal ein grenzüberschreitender Mehrwert nach den Interreg-Kriterien durch eine bilaterale Projektpartnerschaft nicht gegeben ist. Spiegelbildlich gilt auch für das Saarland, dass Kooperationen mit Rheinland-Pfalz eher selten sind. Wichtiger als das sprachliche Affinitätskriterium ist hier vermutlich die Tatsache, dass in der Kernzone der Großregion (Bereich von SaarLorLux) bereits besonders viele Kontakte bestehen, bei denen ein grenzüberschreitender Mehrwert durch eine erneute Kooperation generiert werden kann. Im Übrigen gibt es bei saarländischer Beteiligung einen ausgewogenen Mix mit Partnern aus den anderen Teilregionen. Die InterregBeteiligten aus Wallonien arbeiten am häufigsten mit Partnern aus Lothringen zusammen, vielfach kommen die Partner aber auch aus Luxemburg. Dagegen sind Projekte mit Partnern aus den germanophonen Teilregionen deutlich weniger zahlreich. Bei der Auswertung dieser Grafiken zur teilregionalen Mitwirkung an Interreg-Projekten ist immer auch in Rechnung zu stellen, dass die empirische Grundlage für diese punktuelle Analyse mit 61 Projekten eher schmal ist. Es ist auch denkbar, dass Interreg-Projekte in den einzelnen Teilregionen nicht die gleiche Wertigkeit haben. Möglicherweise ist das Engagement unterschiedlich, weil die jeweilige administrative Betreuung und Förderung in den Teilregionen divergiert. Außerdem gibt es vermutlich nicht überall positive Erfahrungen mit der Beteiligung an früheren Interreg-Programmen. Schließlich ist auch zu beachten, dass der geforderte grenzüberschreitende Mehrwert nicht im ganzen großregionalen Fördergebiet in gleichem Maß realisierbar ist. Grundsätzlich ist wohl erwiesen, dass die räumliche Nähe ein wichtiger Faktor für die Auswahl der Partner ist. Hingegen gibt es wohl auch noch andere Bestimmungsgründe wie z. B.
ROLF WITTENBROCK
248
die Zugehörigkeit zum gleichen Sprach- und Kulturraum. Vermutlich spielen aber auch noch andere Faktoren eine Rolle, wie zufällige persönliche Kontakte oder frühere Netzwerke. Tab. 6: Herkunft und Zahl der Partner aus anderen Teilregionen Herkunft und Zahl der Partner bei Projektträgern aus Rheinland-Pfalz (Gesamtzahl 89)
13% 35%
21%
Saarland
18%
Luxemburg 50%
21% 12%
Wallonie
Herkunft und Zahl der Partner bei Projektträgern aus dem Saarland (Gesamtzahl 79)
27%
30% 25%
Saarland
17%
Lorraine Luxemburg
31%
Herkunft und Zahl der Partner bei Projektträgern aus der Lorraine (Gesamtzahl 156)
Lorraine Luxemburg Rh-Pfalz
Rh-Pfalz Wallonie
Herkunft und Zahl der Partner bei Projektträgern aus Luxem burg (Gesamtzahl 155)
12% 40%
Saarland Lorraine
28% 20%
Wallonie
Rh-Pfalz Wallonie
Herkunft und Zahl der Partner bei Projektträgern aus der Wallonie (Gesamtzahl 145)
15%
10%
Saarland Lorraine
28%
47%
Luxemburg Rh-Pfalz
4.3. Akteurskonstellationen in ihrer sektoralen Zuordnung Um zu erkennen, ob und in welchem Maß die Akteursstrukturen in den gegenwärtig laufenden Interreg-Projekten bereits die in den regional Governance-Konzepten befürwortete Mischung aufweisen, erfolgt jetzt eine Untersuchung dieser Konstellationen (Tab. 7-9) auf der Grundlage der folgenden Gruppenbildung: Angehörige der Ministerialbürokratie und anderer staatlicher Verwaltungseinheiten bis hin zu den Kommunen (staatlich-administrative Akteure); alle Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie die staatlichen und privaten Forschungsinstitutionen (Lehre/Forschung); Wirtschaftsfördergesellschaften, nicht gewerblich ausgerichtete Unternehmen, Industrie- und Handelskammern (IHK), Handwerkskammern (HWK) etc. (Wirtschaft); Vereine, Verbände, Stiftungen, Kultureinrichtungen, Non-governmental Organizations (NGO) etc. (andere).
AUF DEM WEG ZUR GOVERNANCE ?
249
Tab. 7: Akteursgruppen Schwerpunkt 1 Wirtschaft
Akteursgruppen Schwerpunkt 1 Wirtschaft 14 andere (Vereine, Verbände) 12 Wirtschaft 10 10
Lehre/Forschung
8 staatlich-administrativ 6 1
4
2 2 0
3
2
4
1 7 2
2 3
4 2
5 3
1 4
5
4
1 1
5
4 2
2
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Für den Schwerpunkt Wirtschaft (Tab.7) erkennt man, dass es insgesamt 6 Projekte gibt, an denen ausschließlich staatlich-administrative Partner beteiligt sind: dazu gehört z.B. die Kooperation der Städte Trier und Esch (3) zur Entwicklung eines Science-Parks oder auch die Kooperation aller Tourismuszentralen (12) in den Teilregionen. In einem anderen Projekt (4) haben sich sieben Partner aus dem Bereich Hochschule/Forschung zusammengefunden, um den Technologietransfer zu optimieren. Schließlich gibt es ein weiteres Projekt (8) mit einer homogenen Akteursstruktur: Fünf Wirtschaftsförderungsgesellschaften organisieren gemeinsam einen Risikokapitalfonds für die Großregion. Etliche Projekte beruhen aber auch auf einem sektoralen Mix der Akteure, wie z.B. das Projekt (6) mit 14 Partnern, das sich um eine bessere Nutzung der Ressourcen in der Holzwirtschaft bemüht. Tab.8: Akteursgruppen Schwerpunkt 2 Raum
ROLF WITTENBROCK
250
Über die Hälfte der Projektpartner im Schwerpunkt Raum (Tab. 8) gehört dem politisch-administrativen Bereich an. Das ist vor allem für das erste Aufgabenfeld (1-6) normal, da die Raumentwicklungspolitik vor allem eine öffentliche Aufgabe ist. So findet man hier ein Projekt (4), in dem ausschließlich die sechs Statistikämter zusammen arbeiten, um die Datenerfassung zu harmonisieren und so bessere Grundlagen für die weitere großregionale Kooperation zu schaffen. Ein anderes Projekt (5) kümmert sich um die grenzüberschreitende Entwicklung der Saarachse als Impulsgeber für die wirtschaftliche Entwicklung. Unter Federführung des saarländischen Umweltministeriums kooperieren hier ausschließlich kommunale Verbände entlang der Saar mit einem Partner aus der Wirtschaft. Bei den folgenden Projekten zum Schutz der Umwelt (7-21) gibt es eher eine Mischung von Akteuren aus verschiedenen Sektoren: So haben sich in einem Projekt (12) Partner aus dem Bereich der Forschung und der Wirtschaftsförderung zu einem grenzüberschreitenden Netzwerk zur Information, Schulung und Betreuung von Unternehmen im Umweltmanagement zusammen gefunden. In mehreren Projekten sind aber auch hier staatlich-administrative Akteure unter sich, vor allem in den fünf Projekten, wo es um Fragen des Hochwasserschutzes und der Abwasserwirtschaft geht. Tab. 9 : Akteursgruppen Schwerpunkt 3 Menschen
Akteursgruppen Schwerpunkt 3 Menschen 9
andere (Vereine, Verbände)
1
8
3
7
1 3
0
staatl-admin. 3
3
7 6
3
5
1
2 1
1 2
2
4 3
Wirtschaft Lehre/Forschung
6 5
1
2
2
5
5 4
3
3
2
3 2
1
4
4 1
3 2
2
2
3 2
2
2
1 0
1
2 3 4
5 6
1-7 Zusammenarbeit in Bildung und Weiterbildung 8 Kooperation im Hochschulwesen 9-14 Zusammenarbeit im Gesundheitswesen 15-19 Zusammenarbeit im sozialen Bereich 20-23 Zusammenarbeit Kultur und Medien
7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
Im Sinne einer entfalteten Governance-Struktur gibt es ohne Zweifel im Schwerpunkt 3 (Tab. 9) die größte Zahl von Projekten (26) mit Partnern aus der Gruppe Vereine, Verbände etc. Aber auch hier dominieren die Akteure aus dem politisch-administrativen Bereich (42), wobei man vermuten darf, dass zahlreiche weitere Projekte, die von anderen Akteuren durchgeführt werden, auf Impulse und Initiativen aus dem politischen Bereich zurückzuführen sind. Im ersten Aufgabenfeld (1-7) verdient ein Projekt (7) besondere Beachtung: hier kooperieren ausschließlich Vereine wie z.B. „Action Locale pour Jeunes“ oder der „Verein Jugend und Arbeit“ aus drei Teilregionen, um eine grenzüberschreitende non-formale Jugendbildung auf den Weg zu bringen. Im Gesundheitsbereich (9-14) ist ein Projekt (9) hervorzuheben, das sich der Prävention von Entwicklungsstörungen bei Jugendlichen widmet: Hier sind nicht nur alle Akteursgruppen beteiligt, sondern auch alle Teilregionen. Im letzten Aufgabenfeld
AUF DEM WEG ZUR GOVERNANCE ?
251
Kultur und Medien (20-23) fällt auf, dass zwei Projekte (21 und 23) deutliche Überschneidungen in ihrer Akteurskonstellation aufweisen. Bei dem zuletzt genannten Projekt liegt die Koordination in der Hand des „Vereins Kulturraum Großregion“, von dem schon die Rede war. Alle anderen Partner in diesem Projekt gehören hingegen dem administrativen Bereich an. Das Engagement der verschiedenen Akteursgruppen offenbart sich natürlich auch in der Frage, ob ein Partner bereit ist, über die Mitwirkung als Beteiligter hinaus die Aufgabe des Koordinators zu übernehmen. Hier zeigt die Grafik (Tab. 10), dass der Schwerpunkt Raum auch in dieser Hinsicht eindeutig eine Domäne staatlich-administrativer Akteure ist, denn zwei Drittel aller Projekte werden von ihnen koordiniert. Das zeigt abermals, dass Fragen der Raumentwicklung und des Umweltschutzes primär als staatliche Aufgabe wahrgenommen werden. Tab. 10 : Leadership nach Akteursgruppen in allen Programm-Schwerpunkten Leadership nach Akteursgruppen in allen Program m -Schw erpunkten
25 20 15 10
4 2 2
9
1 2
andere (Vereine, Verbände) 3
6
5 14
5
7
Wirtschaft Lehre/Forschung staatlich-administrativ
6
0 Wirtschaft
Raum
Menschen
Im Schwerpunkt Wirtschaft fällt auf, dass Forschungsinstitutionen und Hochschulen sich auch als Koordinatoren engagieren, während Akteure aus dem Bereich der nicht gewerblichen Wirtschaft eher zurückhaltend sind. Im Schwerpunkt Menschen schließlich sind alle Akteursgruppen auch in der Rolle des Koordinators gut vertreten, wobei staatlich-administrative Akteure nur noch in einem Viertel der Projekte als Leiter agieren. Das erlaubt die Vermutung, dass gerade in diesem Bereich der Aufbau von funktionierenden Governance-Strukturen am weitesten fortgeschritten ist. Natürlich ist bei dieser Einschätzung zu beachten, dass die Trennungslinien zwischen den verschiedenen Akteursgruppen für externe Beobachter alles andere als eindeutig zu ziehen sind. Zudem wird man auch davon ausgehen müssen, dass zahlreiche Projekte, die nun in einem eher zivilgesellschaftlichen Gewand erscheinen, ohne wichtige Impulse und Hilfestellungen aus dem staatlichen Bereich gar nicht hätten entstehen können. Aber eine solche aktivierende Rolle des Staates ist ja auch ein Merkmal einer funktionierenden Governance.
ROLF WITTENBROCK
252
4.4. Die Einbindung der verschiedenen Akteursgruppen in den Teilregionen Bezüglich der Einbindung der verschiedenen Akteursgruppen in den Teilregionen fällt auf (Siehe Tab.11), dass sich die aus Wallonien kommenden Projektträger relativ ausgewogen auf die verschiedenen Akteursgruppen verteilen. Das hat zur Folge, dass der Anteil staatlich-administrativer Akteure mit 34 % prozentual geringer ist als in den anderen Teilregionen. Auch in Lothringen gibt es einen her ausgewogenen Akteurs-Mix, allerdings sind die Hochschulen eher zurückhaltend, während die wirtschaftsnahen Akteure relativ zahlreich vertreten sind. In Luxemburg hingegen sind die Partner aus dem wirtschaftsnahen Bereich sehr viel weniger beteiligt, was jedoch durch ein größeres Engagement von Vereinen und Verbänden ausgeglichen wird. Tab. 11: Akteursgruppen in den einzelnen Teilregionen Akteurs gruppen in den einzelnen Teilregionen
90 80
17 9
70 14
19
60
andere (Vereine, V erbände) 50
12 15
40 30 20 10
3 4 8
5 14
Lehre/Forschung
21
st aatlich-administrat iv
12 2 4
33
15
Wirt schaft 24
29
16
0 S aarland
Lorraine
Luxem burg
Rh-P falz
Wallonie
Bei den Interreg-Partnern aus Rheinland-Pfalz ist der Anteil der staatlich-administrativen Vertreter (47 %) relativ hoch. Insgesamt sind die Hochschulen und Forschungsinstitute eher zurückhaltend, ebenso wie der Bereich der nichtgewerblichen Wirtschaft. Hingegen sind Vereine und Verbände besser vertreten. Im Saarland ist die Beteiligung von Vertretern aus dem staatlich-administrativen Bereich mit 50 % höher als in den anderen Teilregionen. Auch der Forschungsund Hochschulbereich ist sehr aktiv. So ist z.B. die Universität des Saarlandes allein an fünf Projekten beteiligt, von denen sie zwei auch leitet. Eher gering ist die Mitwirkung von Vereinen und Verbänden. Lediglich im Gesundheitsbereich finden sich einige Akteure wie z.B. der Caritasverband oder die Hospizgesellschaft. Auffällig ist auch, dass Wirtschaftskammern und andere Berufsverbände sich im Augenblick an Interreg-Projekten nicht beteiligen.
Fazit Die Analyse der Akteurskonstellationen in den gegenwärtig laufenden InterregProjekten hat ergeben, dass die projektbasierte grenzüberschreitende Kooperation nicht allein eine Domäne der politisch-administrativen Akteure ist. Allerdings
AUF DEM WEG ZUR GOVERNANCE ?
253
zeigte sich, dass die Aktivierung zivilgesellschaftlicher Partner in den einzelnen Teilregionen in unterschiedlichem Maß gelungen ist. Aber hier sind sicher in Zukunft Ausgleichsprozesse denkbar, wenn die erfolgreiche Mitarbeit an solchen Projekten für die jeweiligen Akteure den erwarteten Mehrwert bringt und deshalb für Andere eine Vorbildwirkung entfaltet. Aber auch wenn die Einbindung weiterer Akteure aus Bereichen der Zivilgesellschaft weitgehend gelungen scheint, ist nicht zu übersehen, dass die Steuerungskompetenz auch bei diesen Projekten eindeutig bei den Verwaltungen der Teilregionen liegt. Zunächst entwickeln nur sie das operationelle Programm, ohne das ja die Vorbereitung von konkreten Projekten undenkbar ist. Weiterhin sind allein sie die Genehmigungsinstanz, und schließlich haben sie zahlreiche weitere Kontrollmöglichkeiten durch die regelmäßigen Evaluationen. Dennoch bleibt das Förderprogramm ein wichtiges Anreizinstrument, bietet es doch die wichtige Ressource Geld, um den Aufbau von grenzüberschreitenden Netzwerken zu fördern, die dazu bestimmt sind, die von der EU vorgegebenen Entwicklungsziele zu erreichen. Zivilgesellschaftliche Akteure sind hier zu einem Engagement bereit, wenn ihre Eigeninteressen wenigstens partiell mit den übergeordneten Zielen deckungsgleich sind, so dass der „Goldene Zügel“ akzeptabel erscheint. Das Problem grenzüberschreitender Projekte besteht jedoch vielfach darin, dass die Ressource Geld nicht ausreicht, um die gesetzten Ziele zu erreichen, da die bestehenden Unterschiede in den Verwaltungs- und Rechtsstrukturen vielfach substantielle Fortschritte in der Kooperation verhindern33. Das Rechtssystem als veränderbare Ressource steht jedoch in der Regel nicht zur Disposition, weshalb manche ehrgeizige Projekte wegen unüberwindbarer struktureller bzw. rechtlicher Disparitäten letztlich in einer Sackgasse enden. In diesem Zusammenhang muss auch daran erinnert werden, dass die Führungsebene der EU sich zwar immer wieder zum Fürsprecher partizipatorischer Governance-Strukturen macht, andererseits aber selbst durch ein sehr hohes Maß an bürokratischen Regeln eine hohe Hürde für zivilgesellschaftliche Akteure errichtet, sofern sie nicht über ein sehr kompetentes Büro-Management verfügen. Hier müsste man ehrenamtlich tätigen Repräsentanten der Zivilgesellschaft entsprechende Serviceleistungen anbieten. Wenn man im Zusammenhang mit der Governance-Debatte eine zu geringe Mitwirkung zivilgesellschaftlicher Akteure beklagt, wird häufig nicht beachtet, dass ein solches Engagement im Interesse des Gemeinwohls immer auch von allen Partnern ein hohes Maß an Berechenbarkeit, Verantwortlichkeit und mittelfristiger Bindungsbereitschaft erfordert. Dieses kann – aus verständlichen Gründen – von Einzelpersonen kaum erwartet oder verlangt werden. Deshalb gibt es auch gute Gründe dafür, dass die führenden Akteure auf der Regierungs- und Verwaltungsebene in den fünf Teilregionen weiterhin die zentralen Steuerungsinstanzen der grenzüberschreitenden Kooperation bleiben. Sie verfügen nicht nur über ein hohes Maß an Professionalität, sie sind auch Garanten der Kontinuität und vielfach sind sie auch Ideengeber für neue Initiativen. Solange auf der politischen Ebene der Großregion den Vertretern der Legislativen (IPR) und der Sozialpartner (WSAGR) nur konsultative Mitwirkungsrechte zugestanden werden,
33
Cf. DILLER, C., op.cit. S.186.
ROLF WITTENBROCK
254
kann von anderen Akteuren der Zivilgesellschaft nicht erwartet werden, dass sie die entscheidenden Impulse für eine stärkere Integration der Teilregionen geben. Das politische Handeln in der Großregion wird durch ein sehr komplexes Akteursgefüge gesteuert. Es ist das Ergebnis einer über 30jährigen Zusammenarbeit, wobei das Mandatsgebiet mehrfach erweitert wurde, was wiederum einer Vertiefung der Kooperation nicht unbedingt förderlich war. Will man eine typologische Klassifizierung versuchen, könnte man die Kooperationsstrukturen in der Großregion am ehesten als „Governance with Government“34 bezeichnen, wobei es sowohl horizontal als auch vertikal komplexe Kooperationsstrukturen gibt. Die Großregion ist keineswegs nur ein Zweckverband zur Akquisition von InterregMitteln, wie schon boshaft behauptet wurde. Aber es ist schon sehr wichtig, dass die laufenden Interreg-Projekte tatsächlich zu einer Verstärkung der Seile genutzt werden, die von den verschiedenen Netzwerken zwischen den Akteuren in der Großregion gespannt werden. Diese Nachhaltigkeit ist ja zu Recht ein wichtiges Kriterium für die Genehmigung der laufenden Interreg-Projekte, denn die Kooperation in der Großregion hat nur eine Chance, wenn sie sich dauerhaft – ohne externe finanzielle Hilfe – auf selbsttragende Strukturen stützen kann. Dazu ist aber ein Ausbau des Institutionengefüges erforderlich, der wiederum nur von den höchsten politischen Führungsgremien geleistet werden kann. Sie müssen die Richtung vorgeben, in die sich der großregionale Geleitzug bewegt. Ein – sehr ehrgeiziges – Ziel wurde im Jahr 2003 mit dem „Zukunftsbild 2020“ vorgegeben, das die Vision einer progressiven Integration in verschiedenen Aktionsfeldern entwickelt hat. Auch wenn dieses Ziel bis dahin kaum noch erreichbar ist, sollten sich die Kapitäne aus den Teilregionen bis dahin wenigstens auf einen gemeinsamen Kurs verständigen.
FORMES DE L’ACTION POLITIQUE TRANSFRONTALIÈRE DANS LA GRANDE RÉGION, SUR LE CHEMIN DE LA GOUVERNANCE ? La notion de gouvernance régionale connaît de multiples définitions. Elle repose en principe sur la participation d’acteurs aux échelles inférieures et non-étatiques et leur implication dans les processus de décision. Pour la coopération entre régions frontalières, cette notion doit toutefois être élargie : la gouvernance y revêt de nombreuses formes et implique de nombreux acteurs – y compris l’État et la société civile – et elle doit aussi tenir compte des exigences des États et de l’Union européenne en matière de politique régionale. La gouvernance régionale semble aussi avoir des vertus recherchées par les élus politiques, notamment au sein de la Grande Région, car elle est considérée comme un modèle à atteindre afin de disposer de meilleures structures de coopération. Dans le domaine de la coopération transfrontalière, ce modèle de décision apparaît comme un dessein attractif à terme permettant aussi l’utilisation toujours plus fréquente de calculs économistes et utilitaristes au sein des systèmes politico-administratifs, selon les principes du new public Management.
34
SCHUPPERT, G.F., op.cit., S.16.
AUF DEM WEG ZUR GOVERNANCE ?
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La gouvernance de la Grande Région se matérialise par l’action de représentants issus des domaines économique, scientifique, social, et politique. Ils sont regroupés dans des institutions transfrontalières telles que le Sommet de la Grande Région qui réunit les responsables politiques des organes exécutifs des régions participantes. La possibilité d’intégrer des acteurs de la société civile y a également été réalisée à travers la création du Comité économique et social interrégional, même s’il ne dispose que d’un pouvoir consultatif. Toutefois, le caractère non-obligatoire et le principe de l’unanimité au sein de ces institutions ont ralenti le développement de la gouvernance transfrontalière. Ils ont cependant permis l’instauration d’un capital de confiance entre les différents réseaux politiques. En revanche, les quatre villes de Luxembourg, Metz, Sarrebruck et Trêves forment un réseau efficace au sein duquel les citoyens sont invités à participer à des conférences, à des fêtes de villes et à des voyages. Ces manifestations sont une façon de solliciter la société civile, même si l’on constate seulement une participation ponctuelle des citoyens aux formes de la gouvernance régionale pour des occasions particulières. De plus, cette participation individuelle se réalise souvent sur le court-terme et dans un contexte local. Lorsque les personnes sont engagées de manière plus durable dans des associations, elles peuvent s’afficher comme des représentants de la société civile organisée à l’échelle régionale et être impliquées dans les instances de coopération de manière régulière. Lorsque l’on se base sur les projets Interreg IV de la Grande Région et que l’on tente d’analyser jusqu’à quel point ils sont influencés par les acteurs administratifs/politiques, les représentants de la sphère universitaire/scientifique, du secteur économique et de la société civile, l’on remarque que l’on fait face à une gouvernance multi-niveaux composée de structures de coopération horizontales et verticales et impliquant tout type d’acteur. Toutefois, la coopération est pour la plupart maîtrisée par le niveau administratif et politique qui se trouve à la source de la définition, la gestion et du financement des programmes européens.
DIFFERENT TYPES OF CROSS BORDER POLITICAL ACTION IN THE GREATER REGION, TOWARDS GOVERNANCE? Multiple definitions can be attributed to the concept of regional governance. It is usually based on the participation of stakeholders at lower, non-state levels and their involvement in the decision-making process. However, for the cooperation between border regions, this concept has to be enlarged: cross-border governance takes many forms and associates many actors – including the State and the civil society. Furthermore, it also has to take into account the States’ and European Union’s strategies for regional policy. Regional governance seems to have those virtues which are sought by politicians, especially within the Greater Region, because it is looked on as being a model to be achieved in order to have better cooperation structures. In the crossborder cooperation field, this model also appears to be attractive, because it allows for the use of economist and utilitarian calculations within the politicoadministrative systems, according to the principles of new public management.
256
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Governance in the Greater Region is realised through the action of different representatives from the economic, scientific and social sector and from political institutions. They come together in cross-border structures, such as the Summit of the Grande Région where the political leaders from the executive bodies of the participating regions are represented. The possibility of incorporating civil society actors has been realized with the establishment of the interregional economic and social committee, even though it only has a consultative status. However, the non-obligatory character and the principle of unanimity in these institutions have slowed the development of cross-border governance. Nonetheless, they have allowed for the establishment of a certain degree of confidence between the different political networks. In contrast, the four cities of Luxembourg, Metz, Saarbrücken and Trier constitute an effective network within which citizens are invited to participate in conferences, town festivals and trips, which is one way of canvassing civil society. However, individual citizens tend to participate in regional governance only on particular occasions and most often in the short term and in a local context. When people are committed in the long term to associations, they may declare themselves to be representatives of organised civil society at the regional level and thus be associated in cross-border structures on a more regular basis. From the Greater Region’s Interreg IV projects, and when attempting to analyse to what extent these are influenced by administrative/political stakeholders, by representatives from the scientific/university sphere, from the economic sector or from civil society, we note that we are facing a multi-level-governance structure composed of both horizontal and vertical cooperation and including each category of players. However, the cooperation is for the majority controlled by the administrative/political actors who are at the source of the definition, management and financing of the European programmes.
DER INTERNATIONALE BODENSEE-HOCHSCHULE ALS BEISPIEL GRENZÜBERSCHREITENDER GOVERNANCE STEPHAN PREHN 1. Die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) von 1999 bis heute „Im Willen, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen innerhalb des Bodenseeraumes zu festigen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den Mitgliedsländern und -kantonen der „Internationalen Bodenseekonferenz (IBK)“ zu stärken, vereinbarten die Hochschulen in der Regio Bodensee eine verstärkte Zusammenarbeit in Lehre, Forschung, Technologietransfer und Weiterbildung unter dem gemeinsamen Dach des Kooperationsverbundes Internationale Bodensee-Hochschule (IBH)“1. So lautet die Präambel, mit der die ersten Leistungsvereinbarungen der IBK mit dem Hochschulverbund überschrieben waren. In der Region Bodensee wurde die Idee der grenzüberschreitenden Hochschulzusammenarbeit bereits Anfang der 1990er Jahre laut. Die Fachhochschulgründungen in der Schweiz und Österreich, die zu einer hohen Dichte von Hochschulen und akademischer Kompetenz in der Region führen würden, verstärkten den Gedanken, eine Zusammenarbeit der Hochschulen auf so engem Raum könnte sinnvoll sein. Sowohl seitens der Politik2 wie auch seitens der Hochschulen fielen diese Überlegungen auf fruchtbaren Boden. Die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) Konstanz, die damalige Ingenieurschule für Technik St. Gallen, die in der Fachhochschule (FH) St.Gallen aufging, die FH Vorarlberg und die Hochschule Ravensburg–Weingarten arbeiteten an Curricula für gemeinsame Studienangebote, die durch Kooperation ermöglicht werden sollten. Vieles, was europaweit erst durch die Bologna Declaration 1999 zum gemeinsamen Ziel erklärt wurde, war in der Region Bodensee bereits in Planung. 1998 nahm die Internationale Bodenseekonferenz (IBK) die Impulse auf und startete ein Projekt, um die grenzüberschreitende Hochschulzusammenarbeit auf Tragfähigkeit und Entwicklungspotential hin zu überprüfen. Die Regierungschefs beschlossen im Dezember 1998, zu diesem Zweck für drei Jahre eine Geschäftsstelle als Ein-Mann-Betrieb einzurichten. Im Rahmen zweier Interreg-Projekte stellte die IBK dafür jährlich 100.000 Euro Zuschuss zur Verfügung, weshalb für das Büro ein Gastgeber gesucht werden musste. Der Rektor der damaligen FH Konstanz, Olaf Harder, erklärte sich bereit, mit den Projektmitteln eine Stabsstelle in seinem Rektorat zu installieren und das Projekt mit der nötigen Infra1 2
Präambel, ErsteVereinbarung zur Internationalen Bodensee-Hochschule (IBH), 5.12.2002. Z.B. auf einem Symposium zum Thema 1997 in St. Gallen auf Einladung von Erziehungsdirektor Regierungsrat Ulrich Stöckling.
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struktur auszustatten. Am 1.9.1999 konnte mit der Arbeit begonnen werden. Die kooperierenden Hochschulen hatten bereits zwei Studiengänge konzipiert, die Studienreform in Baden-Württemberg erlaubte den Betrieb von MasterStudiengängen. Die Studiengänge erhielten Einrichtungsgenehmigungen beiderseits der Grenzen in Ministerium, Erziehungsdepartment und Bildungsabteilung und begannen. Getragen von dem Engagement der Rektoren und Studiengangsleiter in den kooperierenden Hochschulen, durch die staatlichen Stellen wohlwollend unterstützt, konnten erste Erfahrungen im gemeinsamen Studienbetrieb gesammelt werden. Bildung ist ein hoch reglementierter Bereich in allen Ländern und Kantonen der Region Bodensee, mit zahlreichen Gesetzen und Bestimmungen. Die Hochschulen in der Region wurden nach Kooperationspotentialen befragt. Ein Student des Faches „Kommunikationsdesign“ FH Konstanz, erarbeitete in einer Semesterarbeit unter Leitung von Bernd Jahnke ein professionelles Corporate Design für den geplanten Hochschulverbund und ermöglichte so einen ersten kohärenten Auftritt einer Gruppe von Hochschulen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Politisch begleitet wurde das Projekt durch die IBK-Kommission „Bildung, Wissenschaft und Forschung“, deren Vorsitzender Peter Wieser aus dem Erziehungsdepartement St. Gallen zum ständigen Ansprechpartner für die Regierungschefs, die Geschäftsstelle und die Rektoren wurde. Seine Kommission begleitete das Fortschreiten des Projekts, erarbeitete einen Mehrstufenplan und sicherte die kontinuierliche Finanzierung des Projekts. Am 5. Juni 2000 veranstaltete die IBK auf Einladung von Landeshauptmann Herbert Sausgruber im Landhaus Bregenz ein Symposium, das vor allem die Fragen nach Ziel und Potential des Hochschulverbundes zum Thema hatte. Nach einem Einführungsbeitrag von Peter Wieser sprachen Rektoren aus allen vier Ländern. Olaf Harder nutzte die Gelegenheit, ein Grundlagenpapier vorzustellen. Er wies auf die bevorstehende Bildung einer Rektorenrunde hin, um in den akademischen Angelegenheiten mit einer Stimme sprechen zu können. Landeshauptmann Sausgruber verknüpfte in seinem Beitrag die Zielerreichung einer wettbewerbsfähigen Bodenseeregion mit einem hohen Ausbildungs- und Qualifizierungsniveau, das durch die Kooperation der Hochschulen besonders effizient erreicht werden könne. Eine neue Hochschule, wie der Name „Internationale Bodensee-Hochschule“ nahe legte, sollte es nicht werden, denn die kooperierenden Hochschulen blieben, was sie waren: autonome Häuser. Eine Hochschulkoppelung wie in den schweizerischen Fachhochschulen sollte es aus demselben Grund nicht werden (obwohl der Projektname hier vermutlich sein Vorbild hatte). War es ein Verein? Vielleicht, aber welcher Nationalität? Olaf Harder stellte diese Frage zurück und rief die interessierten Amtskollegen mit der Absicht zusammen, ein Gremium zu bilden, das den Verbund repräsentiert. Jede Hochschule sollte ein Mitglied des Rektorats entsenden, um die offenen strategischen, formalen und finanziellen Fragen zu diskutieren. Am 17. Juli 2000 gründeten elf Rektoren auf einem Bodenseeschiff in Höhe Romanshorn die Regio-Rektorenkonferenz als Vorform des späteren Kooperationsrates. Die Teilnehmer waren Gäste des neuen Rektors der Universität Konstanz, Gerhart von Graevenitz, der damit bereits in den ersten Monaten seiner Amtszeit dieser Facette der universitären Außenpolitik eine besondere Bedeutung zumaß. Die Rektorenrunde gab sich den Auftrag, als hochschulische Ansprechpartner zum Thema zu fungieren: Eine Bestandsaufnahme wurde durch
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mehrere Arbeitsgruppen, moderiert durch die IBH-Geschäftsstelle, durchgeführt und weitere Sitzungen in rascher Folge vereinbart. Die Rektoren wählten Olaf Harder zu ihrem Sprecher, der stets die Besonderheit des Verbunds gegenüber anderen Hochschulverbünden herausstellte. Der Wille, vier oder mehr Hochschularten aus vier Ländern in einer Gruppe zusammenzufassen, mag auch heute noch kühn erscheinen, erweist sich aber als eine Konstruktion mit besonderem Reiz und Potential, die gerade aus den Unterschieden resultieren, die ein solches Miteinander mit sich bringt. Olaf Harder war es wichtig zu zeigen, dass man Grenzen zwischen Ländern und zwischen Hochschularten überschreiten kann, „ohne dass einem gleich der Himmel auf den Kopf fällt“. Der Verbund wuchs durch die Beitritte weiterer Hochschulen rasch heran, am 20. November 2000 konnte die Geschäftsstelle bereits 15 Rektoren zur Sitzung einladen. Arbeitsgruppen zu den Themen Lehre, Forschung und Ausland wurden gebildet, weitere Kooperationspotentiale ausgelotet und die Entwicklung der ersten grenzüberschreitenden Studiengänge begleitet: der Master-Studiengang „Mechatronik“ der Fachhochschulen St. Gallen und Konstanz; der Masterstudiengang Mechanical Engineering and International Sales Managemen der Fachhochschulen Dornbirn, Ravensburg-Weingarten und Konstanz; der Studiengang Information Engineering der Universitäten Zürich und Konstanz: Dieser Studiengang konnte bereits 2000 als Bachelor- oder Master-Studium betrieben werden. Diesen Studiengängen ist gemeinsam, dass die einzelnen Häuser sie solitär nicht betreiben wollen oder können, sie durch Kooperationen aber realisierbar werden. So entstehen hochwertige Qualifizierungsmöglichkeiten für weiterbildungsinteressierte Spezialisten in der Region Bodensee und ihren Unternehmen. Die IBK verfolgte bei der Gestaltung der IBH aus politischer Perspektive einen Mehrstufenplan, den Peter Wieser auf dem Symposium in Bregenz vorgestellt hatte. Für die zweite Stufe war als Führungsgremium der IBH an einen paritätisch besetzten Rat mit Vertretern aus Politik, Hochschule und Unternehmen gedacht, um alle Stakeholder einzubeziehen. Das erwies sich aus hochschulrechtlichen Gründen als zu aufwendig, und so entwickelten die Rektoren und die IBK im Dialog das Modell eines Kooperationsrates, der den Hochschulverbund rein akademisch wie eine einzige Hochschule führen kann. Die Einbeziehung der Unternehmen sollte später durch Leistungsvereinbarungen gesichert werden, mit denen die IBK Leistungsziele mit der Vergabe von Mitteln verknüpfte. Das Jahr 2002 wurde ein Jahr der Veränderungen, des Wachstums und der Innovation. An ihrer Sitzung vom 26. März 2002 in Schaan (Fürstentum Liechtenstein) skizzierten die Rektoren die Statuten der IBH, die dem Miteinander eine Grundlage geben sollten. Am 17. Juni 2002 gab sich die Rektorenkonferenz den Namen Kooperationsrat, nahm weitere Mitglieder auf, verabschiedete die Statuten und wählte aus den eigenen Reihen einen Vorsitzenden mit zwei Stellvertretern. Dieser Vorstand wurde 2004 und 2006 für eine zweite und dritte Amtszeit wiedergewählt3. In Würdigung seiner Verdienste um die Entstehung der IBH wurde Olaf Harder, der den Hochschulverbund bis zu diesem Punkt geführt hatte, gebeten, als Ehrenvorsitzender dem Vorstand anzugehören. 2008 stellten die
3
Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhart von Graevenitz, Rektor der Universität Konstanz, mit Prof. Dr. Beck, Rektor der Pädagogischen Hochschule (PH) Rorschach, und Dr. Feurstein, alt Rektor der PH Vorarlberg.
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Herren Feurstein und von Graevenitz sich zu einer Wiederwahl wegen Erreichen der Pensionsgrenze nicht mehr zur Verfügung. In den ersten drei Jahren war die IBH ein Verbund aus Hochschulen, der ohne zusätzliche Mittel zur Unterstützung von Kooperationen auskommen musste. Bald zeigte sich aber, dass Kooperationen über Ländergrenzen hinweg nicht ohne zusätzlichen Mühe zu veranstalten waren – der Abstimmungsaufwand leicht verschiedener Hochschulsysteme war dabei nur ein kleiner, wenn auch wichtiger Teil. Es zeigte sich aber auch – wie erhofft – mehr und mehr Potential im Verbund, das mithilfe eigener Projekte ausgeschöpft werden konnte. Mit diesem Hinweis waren die Rektoren bald nach Gründung der IBH an Politik und Verwaltung herangetreten. Die Aktivitäten des Jahres 2002 mündeten in einen Festakt am 16. September 2002 in St. Gallen, mit dem die IBK ein neues Gremium aus der Taufe hob: die Bodensee-Hochschulkonferenz, der alle für das Hochschulwesen in den Mitgliedsländern und -kantonen der IBK zuständigen Minister, Regierungsräte und Landräte angehören. Tagespräsident und Gastgeber dieses Gremiums war Regierungsrat Ulrich Stöckling. Er teilte in seiner Rede mit, dass die Bodensee-Hochschulkonferenz den Kooperationsrat als leitendes Gremium der IBH und den Vorsitzenden als Repräsentant akkreditiert habe, der Hochschulverbund für drei Jahre 1,5 Millionen Euro für kooperative Hochschulprojekte im Rahmen einer Leistungsvereinbarung erhalte und dass die Geschäftsstelle auf Dauer eingerichtet werde, auf Einladung des Kantons Thurgau in Kreuzlingen. Der Bodensee-Hochschulkonferenz obliegt die Zielsetzung und Erfolgskontrolle der gemeinschaftlichen Handlungen der IBH. Stellvertretend für seine Amtskollegen legt der Vorsitzende alle zwei Jahre Rechenschaft über das Handeln ab. Im Jahr 2004 trat das Gremium für eine Zwischenbilanz der ersten Leistungsvereinbarung ein zweites Mal zusammen. Wegen der überaus positiven Entwicklung empfahlen die Minister, der IBH auch für die Jahre 2006 bis 2010, wieder geknüpft an eine Leistungsvereinbarung, jährlich 500.000 Euro zur Verfügung zu stellen. In Zeiten knapper öffentlicher Mittel ein großartiger Erfolg, der durch die Einsparungseffekte des synergetischen Handelns nur teilweise erklärbar ist. Die Jahre 2003 und 2004 waren geprägt durch die über 20 Projekte, die der Kooperationsrat mit den zur Verfügung gestellten Mitteln fördern konnte. Strategien und Verfahren wurden entwickelt und evaluiert, denn im Jahr 2005 mussten die formalen Grundlagen für die dritte Phase der IBH ab 2006 gelegt werden. Am 16. September 2004 nahm die Bodensee-Hochschulkonferenz bei ihrem zweiten Zusammentreffen einen Zwischenbericht der IBH entgegen, bewertete ihn positiv und verabschiedete die zweite Leistungsvereinbarung über die Jahre 2006–2010. Um die vereinbarten Ziele zu erreichen, wurden dem Hochschulverbund in fünf Tranchen Mittel in Höhe von 2,5 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Diese Vereinbarung wurde wegen des hohen Entwicklungspotentials der IBH Ende 2008 durch eine dritte Leistungsvereinbarung vorzeitig abgelöst. Sie währt vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2013 und wurde am 20. Oktober 2008 von der Bodensee-Hochschulkonferenz und am 5. Dezember 2008 von der Regierungschefkonferenz der IBK verabschiedet. Die IBH wird damit in die Lage versetzt, ihr Profil als leistungsfähige Akteurin in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft der Region zu schärfen. Gegenwärtig zählt der Verbund 29 Mitglieder aus Deutschland,
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Liechtenstein, Österreich und der Schweiz4, die auf folgender Karte illustriert werden. Abb.: Geographische Ausbreitung der IBH und Standorte der IBH-Mitgliedshochschulen
Die IBH hat bisher schon mehrere Master-Studiengänge ins Leben gerufen, Forschungsvorhaben unterstützt und strukturbildende Maßnahmen ergriffen: So kann z.B. ein Studierender der einen Mitgliedshochschule Mensa und Bibliothek der anderen Hochschule so besuchen, als wäre er vor Ort eingeschrieben. Grundlage für die Zusammenarbeit der Hochschulen sind unter anderem die jeweiligen nationalen Regelungen für den Hochschulbereich, die bestehenden bilateralen Vereinbarungen der Hochschulen untereinander, die bilateralen Abkommen zwischen Deutschland, Österreich, der Schweiz und dem Fürstentum Liechten4
In Deutschland: Hochschule Albstadt-Sigmaringen; Hochschule Furtwangen; Hochschule Kempten; Hochschule Konstanz (HTWG); Hochschule Ravensburg-Weingarten für Technik, Wirtschaft, Sozialwesen; Pädagogische Hochschule (PH) Weingarten; Staatliche Hochschule für Musik Trossingen; Universität Konstanz. Im Fürstentum Liechtenstein: die Hochschule Liechtenstein und die Internationale Akademie für Philosophie. In Österreich: Fachhochschule Vorarlberg; PH Vorarlberg und Schloss Hofen. In der Schweiz: St.Gallen Hochschule für Angewandte Wissenschaften (FHS); Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH); Hochschule für Technik Rapperswil (HSR); Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ); Interstaatliche Hochschule für Technik Buchs (NTB); PH des Kantons St.Gallen; PH Schaffhausen; PH Thurgau; PH Zürich; Schweizer Hochschule für Logopädie Rorschach (SHLR); Swiss German University Asia (als Gast); Universität St. Gallen; Universität Zürich; Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
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stein, die Vereinbarung der Hochschulen zur Mitarbeit im Kooperationsrat der IBH und die Leistungsvereinbarungen der IBK mit der IBH. Grundlage für die Zusammenarbeit der Regionen sind insbesondere die Statuten der Internationalen Bodenseekonferenz. Bis zum Beweis des Gegenteils kann behauptet werden, dass die IBH in ihrer formalen Gestalt weltweit einzigartig ist: ein Hochschulverbund autonomer Häuser, die über Landesgrenzen hinweg projektweise kooperieren und dies unter einem gemeinsamen „Markennamen“ tun. Die Rektoren der Hochschulen der Bodenseeregion haben mit der konstruktiven Begleitung und Unterstützung der Repräsentanten der Internationalen Bodenseekonferenz ein beispielloses Erfolgsmodell hochschulischen kooperativen Handelns geschaffen, dessen Potential noch längst nicht ausgeschöpft ist, mittlerweile eine Eigendynamik entwickelt hat und immer weitere Kreise zieht, wie es nachfolgend diese Pressemitteilung aus dem Jahr 2008 illustriert. „Peter Frankenberg, Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, lobte die IBH als ’Juwel der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bodenseeraum’. Man hoffe, mit EU-Mitteln die Millionen-Grenze bei den Geldern für die Kooperationsprojekte überschreiten zu können. Die IBH biete aber nicht nur für Studierende Vorteile, mit den Forschungsprojekten gelte es auch den Technologietransfer in der Bodenseeregion zu verbessern, so Frankenberg“5.
2. Die IBH als (Governance)-Form: die Organisation6 Die IBH hat keine Rechtspersönlichkeit, sie ist vor allem juristisch gesehen keine Hochschule. Sie ist ein Hochschulverbund, mit den im Folgenden beschriebenen Gremien und Einrichtungen. Der IBH-Kooperationsrat ist das Lenkungsgremium des Verbundes. Er trifft alle Entscheidungen. Jede IBH-Mitgliedshochschule entsendet den Rektor oder einen Vertreter des Rektorats in den Rat und hat eine Stimme. Der Geschäftsleiter der Geschäftsstelle hat kraft Amtes mit beratender Stimme Einsitz in dem Rat. Der IBH-Kooperationsrat hält mindestens zweimal im Jahr eine Sitzung ab, in der Regel dreimal. Angesichts der vollen Terminkalender grenzt es an ein Wunder, dass zu den Sitzungen stets mehr als zwanzig Rektoren oder Prorektoren zugegen sind. Die Sitzungen werden durch den Vorstand vorbereitet, der dem Rat Beschlussvorschläge unterbreitet. Im Wesentlichen haben die Sitzungen Strategie, Verfahrensfragen und die Bewilligung von beantragten Mitteln für Projekte zum Inhalt – oder deren Ablehnung. Aus dem IBH-Kooperationsrat heraus sind derzeit die Arbeitsgruppen „Ausland“ und „Technologietransfer“ tätig. Der IBH-Kooperationsrat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden, der die IBH nach innen und außen vertritt sowie vier weitere Mitglieder des Vorstands. Einer von ihnen übernimmt die Rolle des Beauftragten für Wissens- und Technologietransfer (WTT). Sie bilden den Vorstand der IBH. Für die Amtszeit 2008—2010 5 6
Der Standard, Oktober 2008. Die folgenden Abschnitte beruhen auf dem „Abschlussbericht 2006-2008, 2. Leistungsvereinbarung IBK-IBH“ von BECK, E., St. Gallen.
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wird der IBH-Vorstand gebildet von: Erwin Beck, Rektor der Pädagogischen Hochschule des Kantons St. Gallen (Vorsitzender), Thomas Bieger, Prorektor der Universität St.Gallen, Rudi Feurstein, Rektor der Fachhochschule Vorarlberg, Kai Handel, Präsident der HTWG Konstanz (WTT-Beauftragter) und Klaus Näscher, Rektor der Hochschule Liechtenstein (stellvertretender Vorsitzender)7. Die Geschäftsstelle in Kreuzlingen dient dem Vorstand und dem IBHKooperationsrat als Sekretariat und Instrument zur Umsetzung der im Rat gefassten Beschlüsse. Sie dient darüber hinaus als Ansprechpartner für alle Anfragen von innen und außen, besorgt die Öffentlichkeitsarbeit, moderiert Gesprächskreise und berät Angehörige der IBH-Mitgliedshochschulen in Verbundangelegenheiten8. Sie wird zum einen finanziert als IBK-Projekt durch die Mitgliedsländer und -kantone und zum anderen über Standortbeiträge der Stadt Kreuzlingen und des Kantons Thurgau (Assistenz, Infrastruktur)9.
3. Finanzmittel und Governance-Verfahren Der Kooperationsrat entscheidet über die Mittelvergabe; die Verantwortung der Durchführung von Projekten liegt in den Mitgliedshochschulen. Die Erfahrungen aus den Jahren 1999—2002 haben gezeigt, dass ein hohes Ideenpotential bei den Mitgliedshochschulen vorliegt und die meisten Projektideen nur wegen Finanzierungsproblemen noch nicht realisiert werden konnten. Damit eine größere Zahl von Projekten finanziell-administrativ koordinierbar ist, sieht das Modell für eine Zusammenarbeit von mindestens zwei Hochschulen in einem Projekt eine federführende Hochschule vor. Sie hat die Projektleitung inne und koordiniert ihrerseits die finanziell-administrative Seite des Projekts mit ihren Projektpartnern. Die federführende Hochschule benennt einen Projektleiter, der mit Hilfe eines standardisierten Antragsformulars beim Kooperationsrat um Fördermittel ersucht. Der Antrag beschreibt das geplante Projekt und dient als Grundlage für die Durchführung des Projekts (im Falle einer Bewilligung). Der Vorstand stellt einen Terminplan auf, nach dem Anträge auf Projektförderung in der Geschäftsstelle zu bestimmten Terminen eingereicht werden können. Nach Gutachtervotum und Vorstandsvorschlag befindet der Kooperationsrat der IBH bei seiner nächsten Sitzung über die Genehmigung des Förderantrags. Das Gutachtermodell wurde noch im Jahr 2003 evaluiert und durch ein besseres ersetzt. Der Vorstand entschied, aus Gründen der sparsamen und effizienten Mittelverwendung gutachterliche Tätigkeiten aus dem Verbund für den Verbund nicht zu honorieren. Zunächst meldete jede Mitgliedshochschule ein oder zwei Professoren, die bereit waren, als ehrenamtliche Gutachter tätig zu werden. Aus 7 8 9
Vorsitzender, Vorstand und Kooperationsrat erhalten weder Honorare noch Spesen. Sie ist dotiert mit einer 100%-Stelle des Geschäftsleiters und einer 50%-Stelle Assistenz. Die steigenden Anforderungen an die Geschäftsstelle und ein stetiger Zuwachs an Aufgaben veranlassten den Vorstand, aus Mittelzuweisungen des IBH-Kooperationsrats für den Zeitraum von September 2007 bis Dezember 2008 eine 50%-Stelle für Projektbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit zu finanzieren. Der Kooperationsrat hat am 3. November 2008 im Hinblick auf die erneut wachsenden Aufgaben der Geschäftsstelle aufgrund der Forderungen aus der dritten Leistungsvereinbarung vom 20. Oktober 2008 (u.a. wegen der verstärkten Berichtspflicht) die Mittelzuweisungen so weit aufgestockt, dass die 50%-Stelle 2009 zu einer 100%Stelle erweitert wurde.
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diesem Gutachterpool wurden für die ersten Projektanträge Personen ausgewählt und um Gutachten gebeten. Zu manchen Antragsinhalten mussten aber weitere Fachgutachter, auch außerhalb der IBH, herangezogen werden. Allerdings waren auch diese zu einem honorarfreien Gutachten bereit, als (Arbeits-) Spende an die IBH. Um den engen Pool zu erweitern und das gesamte Fachpotential der Angehörigen der Mitgliedshochschulen zu erschließen, beschloss der Kooperationsrat am 20. Oktober 2003, die Prorektoren um Mithilfe zu bitten. Nahezu jede Mitgliedshochschule kennt das Amt des Prorektors mit seinen Schwerpunktaufgaben im Rektorat. Die Geschäftsstelle sendet einen Antrag an den Prorektor derjenigen Hochschule, deren Fächerspektrum den Inhalt des Antrages abzudecken scheint. Dieser bittet nach erster eigener Durchsicht des Antrages einen Fachkollegen im eigenen Haus um ein ehrenamtliches Gutachten. Pro Antrag werden zwei Gutachten eingeholt, die mit Hilfe eines standardisierten Formulars erstellt werden. Das Verfahren hat sich bewährt, in Ausnahmefällen werden Gutachten von außerhalb der IBH hinzugezogen (wiederum honorarfrei). Dem Vorstand liegen in seiner vorbereitenden Sitzung zur nächsten Kooperationsratssitzung alle eingereichten Anträge und die dazu erstellten Gutachten vor. Mit einem wiederum standardisierten Formular, das die Gutachtervoten bündelt, gibt der Vorstand dem Kooperationsrat eine Beschlussempfehlung für jeden Antrag. Der Kooperationsrat befindet in seiner nächsten Sitzung über die Beschlussempfehlung. Das Verfahren ist fair und für die Mitglieder des Kooperationsrats höchst transparent. Es wird laufend evaluiert. Da die finanzielle Abwicklung von Interreg-Projekten und seinen Subprojekten stark reguliert ist, musste auch eine professionelle Finanzverwaltung gefunden werden. Da die Geschäftsstelle keine eigene Rechtspersönlichkeit darstellt und aus fachlichen wie aus Kapazitätsgründen eine solche Aufgabe nicht bewältigen kann, beschloss der Kooperationsrat, aus dem Budget Mittel dafür bereitzustellen. Die Universität Konstanz erklärte sich bereit, mit diesen Mitteln in ihrer Haushaltsabteilung ein 50%-Stelle zu schaffen, die als „IBH-Abrechnungsstelle“ das Bindeglied zwischen den Subprojekten und dem Gemeinsamen Sekretariat Interreg in Tübingen bildet. Die IBH-Mitgliedshochschulen tragen außerdem zur Finanzierung der Projekte durch Bereitstellung von Eigenmitteln bei (Räume, Arbeitsplätze und weitere Infrastruktur). Als Grundlage für die Abrechnung von Personalkosten hat der IBH-Kooperationsrat die niedrigste Entlohnung von wissenschaftlichem Personal im Verbund (deutsches System, Bundesangestelltentarif) zugrunde gelegt. Falls Mehrkosten durch höhere Entlohnungen entstehen, werden sie von den projektteilnehmenden Hochschulen selber getragen.
4. Projekte und Aufgaben10 Im Zentrum der Zusammenarbeit innerhalb der IBH stehen die gemeinsamen, grenzüberschreitenden Projekte der Mitgliedshochschulen. Die Leistungsvereinbarung nennt die Bereiche Lehre, Aus- und Weiterbildung, Forschung und Entwicklung, Technologietransfer sowie strukturbildende Maßnahmen (Infrastruk10
Auf die einzelnen Projekte und ihre Inhalte kann aus Platzgründen nicht eingegangen werden, sie sind über die Webseite www.bodenseehochschule.org jederzeit aktuell zugänglich.
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tur). Gemäß Leistungsvereinbarung müssen mindestens zwei Hochschulen aus zwei der vier Mitgliedstaaten der IBK an diesen Projekten beteiligt sein. Der IBH-Kooperationsrat hat am 22. September 2008 Schwerpunkte für den Verbund gesetzt, um die zur Verfügung stehenden Mittel noch effektiver einsetzen zu können. So sollen künftig verstärkt Projekte aus dem Bereich „Energie, Umwelt, Mobilität“ oder mit einem Beitrag zur „Standortentwicklung der Regio Bodensee in Bildung, Sozialem oder Gesundheit“ gefördert werden. Mit einem Budget von 500.000 Euro jährlich für 29 Mitgliedshochschulen ist zusätzlich zu dem Bereich Lehre in Aus- und Weiterbildung ein eigenes Forschungsprogramm auch weiterhin nicht realisierbar. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit der regionalen und überregionalen Wirtschaft, durch die Nutzung und Koordinierung der Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie den verstärkten Zugriff auf vorhandene Forschungseinrichtungen bei den Mitgliedshochschulen wird das gemeinsame Handeln im Leistungsbereich Forschung und Entwicklung und Wissens- und Technologietransfer daher weiter intensiviert. Die Arbeitsgruppe „Wissens- und Technologietransfer“ entwickelt dazu eine Strategie. Es soll darüber hinaus die Frage beantwortet werden, welche zusätzlichen finanziellen Anreize notwendig sind, um die grenzüberschreitende WTT-Projektförderung zu befördern, wie und zu welchen Kosten größere internationale Verbundprojekte des WTT durchgeführt werden können, die zum Aufbau transparenter und effizienter Strukturen im WTT führen. Es wird geklärt, wie und zu welchen Kosten die IBH-Geschäftsstelle eine Anlaufstelle für WTT zur Vermittlung von wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Partnern im Bodenseeraum mit einem geeigneten Medium, z.B. einem Internetauftritt, einrichten und betreiben sollte. Weiter wird geprüft, wie und zu welchen Kosten regelmäßig wiederkehrende Anlässe zur Förderung von grenzüberschreitenden Kontakten und Projekten sowie den Austausch von good practice und Erfahrungen der WTT-Stellen zwischen Hochschulen, Wirtschaft, Verwaltung und weiteren Institutionen im Bodenseeraum durchgeführt werden können.
Fazit Der Vorstand hat mehrfach bekräftigt, dass Mehrwert und Nutzen der unten beschriebenen IBH-Projekte weit über den Einzelzweck eines Projektes hinausgehen, sie sind jeweils ein Novum und nachhaltig. Für nahezu alle Projekte, d.h. Studiengänge, Forschungsprojekte und Infrastrukturgewinne, gilt, dass sie von einer einzelnen Hochschule allein nicht hätten durchgeführt werden können. So wurden Innovationen im Hochschulwesen realisiert, die ohne die „Internationale Bodensee-Hochschule IBH“ nicht erreichbar gewesen wären. Die Nachhaltigkeit der Projektförderung liegt auf der Hand: Studiengänge werden eingerichtet, Infrastrukturen genutzt, Forschungskooperationen ausgebaut. Generell gilt dabei: Qualität geht vor inhaltlicher Steuerung. Die Master-Studiengänge und Einzelkurse, die mit dem Erstangebot jeweils ihr Projektziel erreichten, werden gut (10-15 Studierende) bis sehr gut (150 Studierende) belegt. Auch die übergreifende Forschung ist eine Chance für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Sie dient der Begegnung, dem Ressentimentabbau und der Vertrauensbildung. Besonders erfolgreich sind die Pädagogischen Hochschu-
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len im Verbund. Die Strukturbildungsprojekte erreichen die Studierenden aller Mitglieder unmittelbar und dienen der Gruppenbildung. Da für eine eigene Forschungsförderung die Mittel fehlen, auch bei obligatorischem Drittmittelgeber, müssen die Bereiche Lehre und Strukturbildung Vorrang haben. Die dritte Leistungsvereinbarung vom 20. Oktober 2008 bildet die Überlegungen der Rektoren, die Empfehlungen von vier Gutachten aus dem Jahr 2007 und die Wünsche der IBK ab, was die Profilierung und den weiteren Ausbau des Hochschulverbundes angeht. Dies ist primär an den fünf Zielen abzulesen, aber auch an Details wie der Erweiterung des Vorstands, der Ausweitung des Einbezugs auswärtigen gutachterlichen Sachverstands und der Erweiterung des Berichtswesens. Die IBK gewährt in der dritten Leistungsvereinbarung einen außerordentlichen Beitrag, der zum Abschluss eines Interreg-IV-Rahmenprojekts verwendet werden soll. Seine Schwerpunkte werden die beiden genannten sein. Wichtigster Bestandteil des Handelns dürfte der Aufbau eines leistungsfähigen WTT-Systems sein, dessen Wirkung in Gesellschaft und Industrien ablesbar sein wird. Die Erhöhung der Sichtbarkeit des hochschulischen Miteinanders und der Mobilität im Allgemeinen (in der Regio Bodensee) und Besonderen (unter den Hochschulen) ist bereits als Ziel in der Diskussion unstrittig. Für die Erhöhung der Sichtbarkeit nützlich ist das 10-jährige Jubiläum der IBH, das 2010 begangen wird. Die Erfüllung der hohen Erwartungen aller Beteiligten an ein solches Jubiläum ist angesichts eines sehr kleinen Budgets eine höchst anspruchsvolle Aufgabe.
L’ECOLE SUPÉRIEURE INTERNATIONALE DU LAC DE CONSTANCE COMME EXEMPLE DE GOUVERNANCE TRANSFRONTALIÈRE Dans la région du lac de Constance est née, au cours des années 1990, l’idée d’une coopération transfrontalière entre l’Allemagne, la Suisse et l’Autriche, au niveau des établissements d’enseignement supérieur (universités, écoles supérieures, instituts universitaires techniques) et des instituts de recherche. Il s’agissait de mettre en place un partenariat renforcé en matière d’enseignement, de recherche, de transfert de technologies et de formation continue sous l’égide de l’association de coopération de l’Ecole supérieure internationale du lac de Constance. La création d’instituts universitaires techniques (Fachhochschulen) en Suisse et en Autriche, qui devaient contribuer à augmenter la concentration de compétences académiques dans la région, donnait une réalité supplémentaire à l’idée de coopération entre établissements d’enseignement supérieur. Au départ, l’école supérieure pour la technique, l’économie et la conception de Constance (HTWG), l’ancienne école technique pour ingénieurs de St. Gallen (FHS), la Fachhochschule du Vorarlberg et l’école supérieure de Ravensburg-Weingarten ont travaillé à l’élaboration d’un panel d’offre de formations. C’est alors la Conférence internationale du lac de Constance qui a donné l’impulsion en 1998, grâce à deux projets Interreg qui ont permis la création de deux cursus intégrés. Le projet, soutenu po-
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litiquement, avait pour but de créer une région concurrentielle dotée d’un haut niveau de qualification et de formation, qui pourrait être atteint grâce à la coopération entre les écoles supérieures. Toutefois, chaque école devait rester autonome. En juillet 2000, onze recteurs ont créé la Regio-Conférence des recteurs qui devait travailler à la réalisation du projet. La Conférence internationale du lac de Constance a mis en forme une feuille de route politique visant à créer un Conseil de coopération pour l’école supérieure composé de représentants issus des écoles supérieures et des entreprises, dans le but d’amener tous les acteurs concernés à dialoguer sur ce sujet. Lors d’une rencontre transfrontalière des responsables politiques de la région à St.Gallen, en septembre 2002, il a été décidé que ce Conseil serait accompagné par une Conférence des écoles supérieures du lac de Constance qui regroupe tous les responsables politiques. La structure de gouvernance de l’école supérieure du lac de Constance était donc en place. Actuellement l’association compte 27 membres de l’Allemagne, de l’Autriche, de la Suisse et du Liechtenstein. Le Conseil de coopération est actuellement composé des recteurs de toutes les écoles membres et est appuyé par un bureau qui prépare ses décisions portant sur l’attribution des moyens financiers pour les projets de coopération. Ces derniers concernent surtout l’offre de formation – l’école dispose de plusieurs cursus Master – et le soutien à des démarches de recherche. Les moyens à disposition ne permettent pas encore la mise en place de programmes de recherche communs. Prochainement, les projets dans les secteurs du transfert technologique, de la mobilité ainsi que des projets contribuant au développement du potentiel de la Regio du lac de Constance en matière de formation, devraient voir le jour.
THE INTERNATIONAL COLLEGE OF LAKE CONSTANCE AS AN EXAMPLE OF CROSS-BORDER GOVERNANCE The idea of cross-border cooperation between higher education (colleges, universities) and research institutes in the Lake Constance region, i.e. between Germany, Switzerland and Austria, emerged in the 1990s. This cooperation aimed at setting up a strong partnership in education, research, technology transfer and further education under the auspices of the cooperative association of the International College of Lake Constance. The creation of polytechnics (Fachhochschulen) in Switzerland and Austria, which were to increase the concentration of academic skills in the region, brought to life the idea of cooperation between higher education institutes. The College for Technology, Economy and Design of Constance (HTWG), the former Technical School for Engineers in St. Gallen (FHS), the Fachhochschule in Vorarlberg and the College in Ravensburg-Weingarten initially worked on a range of training courses which could be proposed through this cooperation. In 1998, the Lake Constance International Conference then provided the impetus for two Interreg projects allowing for two integrated courses to be set up. This project had received political support and aimed to create a competitive region with a high level of qualifications and training which would be achieved thanks to the cooperation between the colleges. Each college was to remain independent however.
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In July 2000, eleven college presidents created the Regio Conference of College Presidents which was to work on the implementation of the project. The Lake Constance International Conference devised a political roadmap to set up a Council of cooperation for the common college composed of representatives from the colleges and the business sector with the aim of bringing all relevant stakeholders together to dialogue on this subject. At a cross-border meeting of the heads of regional governments which took place in September 2002 in St. Gallen, it was decided to create a Conference of colleges of Lake Constance in order to accompany the Council of cooperation on the political level. The governance structure of the College of Lake Constance had thus been set up. Currently, the association has 27 members coming from Germany, Austria, Switzerland and Liechtenstein. The Council of cooperation is currently composed of all Presidents from the participating colleges and helped by a bureau which prepares its decisions on the allocation of financial means to the different cooperation projects. These mainly concern the offer in teaching – the College has several Master courses – and support for research projects. However, the actual financing does not yet allow for joint research programmes. Upcoming projects include projects in technology transfer and mobility sectors as well as to help develop the potential of the Lake Constance Regio in training.
GRENZÜBERSCHREITENDE POLITISCHE ZUSAMMENARBEIT IN DER DEUTSCH-DÄNISCHEN GRENZREGION MARTIN KLATT 1. Die deutsch-dänische Grenze Dieser Artikel schildert die Entwicklung der politischen Zusammenarbeit in der deutsch-dänischen Grenzregion. Grenzregion soll dabei im Sinne einer grenzüberschreitenden Betrachtung aufgefasst werden, im Sinne der Definition des Europarats: „Eine grenzüberschreitende Region ist eine durch Geschichte, Ökologie, ethnische Gruppen, wirtschaftliche Möglichkeiten, usw. potentiell einheitliche Region, die jedoch durch die Souveränität der Staaten, die dies- und jenseits der Grenze regieren, durchbrochen wird“1. Und Peter Schmitt-Egner, der einen kollektiven Akteur diesseits und jenseits der Grenze als unverzichtbaren Baustein für grenzüberschreitende Zusammenarbeit hält2, definiert eine grenzüberschreitende Region wie folgt. „[Die] transnationale Region ist durch einen grenzübergreifenden Handlungsraum subnationaler Gebietskörperschaften aus mindestens zwei Nationalstaaten gekennzeichnet. Hat dieser gemeinsame grenzübergreifende Strukturen aufzuweisen, dann sprechen wir von der transnationalen Region als Handlungseinheit, deren Stärke freilich vom Integrationsgrad und den gemeinsamen Kompetenzen abhängt“3. Es soll also untersucht werden, inwieweit die deutsch-dänische Grenzregion als potentielle grenzüberschreitende Region verstanden werden kann. Kern ist auch die Fragen in wie weit politische Strukturen und damit verbunden grenzüberschreitende Governance entstanden ist, die es rechtfertigt, von grenzüberschreitenden Regionen als gemeinsamen Handlungsräumen zu sprechen. Hierbei wird analog Blatter zwischen territorialer und funktionaler Governance unterschieden4
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Council of Europe, Handbook on transfrontier cooperation for local and regional authorities in Europe, Strasbourg, 1996. SCHMITT-EGNER, P., „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Strategie transnationaler Praxis. Anmerkungen zur Theorie, Empirie und Praxis des Transnationalen Regionalismus“, in: BRUNN, G./SCHMITTEGNER, P. (Hrsg.), Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa. Theorie – Empirie – Praxis, Baden Baden, 1998. S.64ff. SCHMITT-EGNER, P., „‚Transnationaler Regionalismus‘ als Gegenstand der Politikwissenschaft“, in: BELLERS, J./ROSENTHAL, C. (Hrsg.), Die gesellschaftliche Basis von Außenpolitik. Internationale Wirtschaft, Umwelt, Ideologien, Regional- und Entwicklungspolitik, Münster, 2001. S. 405. BLATTER, J., „From spaces of place to spaces of flows? Territorial and functional governance in cross-border regions in Europe and North America“, International Journal of Urban and Regional Research, 28/3, 2004, S.530-548.
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und die untersuchten Governance-Strukturen werden im System der multi-level Governance5 eingeordnet. Die Grenzregion wird dabei in drei Teilregionen aufteilt: SønderjyllandSchleswig (Landgrenze), Fyn-K.E.R.N.-Region (Kiel-Eckernförde-RendsburgNeumünster) und Storstrøm-Ostholstein (Vogelfluglinie), beides Seegrenzen. Eine mögliche vierte Region (Nordmecklenburg-Falster) bleibt unberücksichtigt, da die Region beiderseits dieser Seegrenze bisher in keinem Zusammenhang als grenzüberschreitende Region aufgetreten ist. Die heutige Landgrenze zwischen Deutschland und Dänemark ist ca. 70 km lang und wurde 1920 nach zwei vorausgegangenen Volksabstimmungen gezogen. Die Seegrenze durch die Ostsee ist älter, kann aber bis 1864 durch die enge Verbindung der Herzogtümer Schleswig und Holstein mit der dänischen Krone nicht als Staatsgrenze im heutigen Sinne aufgefasst werden. Gleiches gilt für die Eidergrenze, welche bis 1864 Außengrenze des Deutschen Reichs bzw. Deutschen Bundes war. Durch die Verbindung der Herzogtümer Schleswig (als dänisches Lehen) und Holstein (als Lehen/Teil des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation bzw. des Deutschen Bundes) mit der dänischen Krone hat die Entwicklung der Staatsgrenze zwischen Deutschland und Dänemark im 19. und 20. Jahrhundert eine Region geteilt, die seit dem Mittelalter eng miteinander verbunden und sowohl wirtschaftlich als auch sozial und kulturell miteinander verflochten war6. Die eingangs erwähnte Definition des Europarats für eine grenzüberschreitende Region ist deshalb in Sønderjylland-Schleswig voll, aber allenfalls eingeschränkt in den beiden anderen grenzüberschreitenden Regionen anwendbar. Der Artikel schildert zunächst die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in den drei Teilregionen der deutsch-dänischen Grenzregion und fasst dann zusammen, welche Push- und Pull-Faktoren ausschlaggebend für die Entwicklung der Zusammenarbeit waren und inwieweit von einer grenzüberschreitenden Regionsbildung mit Ansätzen grenzüberschreitender Regierungsbildung gesprochen werden kann.
2. Drei grenzüberschreitende Regionen? 2.1. Region Sønderjylland-Schleswig – die Wiedererrichtung einer echten, grenzüberschreitenden Region? 1997 gründeten die deutschen Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg sowie die kreisfreie Stadt Flensburg zusammen mit dem dänischen Amt Sønderjylland (Südjütland) die Region Sønderjylland/Schleswig, heute nach ihrem 5 6
MARKS, G., HOOGHE, L., BLANK, K., „European Integration from the 1980s: State-centric versus multi-level governance“, Journal of Common Market Studies, 34/3, 1996, S.341-378. KLATT, M., „Common cross-border regional history as an approach to People-to-People cooperation and cross-border regionaliIntegration“, in: HURD, M. (Hrsg.), Borderland identities. Territory and belonging in North, Central and East Europe, Eslöv, 2006, S.109-146; cf. auch KLATT, M., „Fließende Grenzen in einer Grenzstadt. Sprache, Kultur, gesellschaftlicher Status und Identität im Flensburg des langen 19. Jahrhunderts“, in: DUHAMELLE, C., KOSSERT, A., STRUCK, B. (Hrsg.), Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Frankfurt/New York, 2007, S.315-332.
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Selbstverständnis eine Euroregion wie andere an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland,7 auch wenn auf die Bezeichnung „Euro-“ auf dänischen Wunsch bewusst verzichtet worden ist. Die vier Gebietskörperschaften umfassten damals den größten Teil des ehemaligen dänischen Herzogtums Schleswig, das nach einer wechselvollen und im 19. Jahrhundert konfliktreichen Geschichte 1920 im Rahmen des Versailler Friedensvertrags nach zwei Volksabstimmungen zwischen Dänemark und Deutschland an der Stelle der heutigen deutsch-dänischen Grenze geteilt worden ist. Insbesondere für die deutsche Seite stand die Überwindung der Grenze und eine stärkere grenzüberschreitende Integration bei der Errichtung der Euroregion im Vordergrund. Ist somit die „Narbe der Geschichte“ beseitigt worden und eine natürlich zusammenhängende Region wiedererstanden, welche durch die negativen Konsequenzen des Nationalismus geteilt wurde? 2.1.1. Vier Phasen der Entwicklung Vier Phasen kennzeichnen die Entwicklung der grenzüberschreitenden deutschdänischen Beziehungen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. 2.1.1.1. Konfrontation (1945-1955) Die erste Phase war eine der Konfrontation bzw. des Grenzkampfes. Obwohl die dänische Regierung im Gegensatz zur deutschen die Grenze von 1920 in der Zwischenkriegszeit akzeptierte und als endgültig ansah, haben nationale Kreise in Dänemark die Wiedererlangung der südlicheren Eidergrenze nie ganz aufgegeben8. Die internationale Konstellation der Nachkriegszeit und die besonnene Politik der dänischen Regierung waren die Hauptursache, dass es nicht zu einer Grenzverschiebung kam, auch wenn die ersten demokratischen Wahlen 1946 und 1947 insbesondere im Flensburger Raum hohe dänische Mehrheiten in der einheimischen Bevölkerung zeigten9. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits 1946 ab. Dennoch wurde eine Bedrohung der Grenze von deutscher Seite aus weiter empfunden, wie auch politische Ströme in Dänemark und in der dänischen Minderheit in Südschleswig alles taten, um das Fernziel einer Grenzverschiebung am Leben zu erhalten. Eine etwaige Zusammenarbeit über die Grenze hinweg konnte in diesem Klima erst gegen Ende der Periode in Angriff genommen werden, als ab 1954 in Flensburg alle zwei Jahre eine deutsch-dänische Kulturveranstaltung, die „Flensburger Tage“, stattfand.
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Cf. http://www.region.de/wm210074, (19.11.2008). JOHNSEN, A., Dannevirkemænd og Ejderfolk. Den grænsepolitiske opposition i Danmark 1920-1940, [Danewerkmänner und Eiderleute. Die grenzpolitische Opposition in Dänemark 1920-1940], Flensburg, 2005. Erst kürzlich hat ein Parlamentsabgeordneter der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei wieder mehrfach betont, dass Südschleswig nach wie vor eine offene Wunde des dänischen Staates darstelle und der Wunsch nach der „Wiedervereinigung“ Südschleswigs mit Dänemark die Grundlage des Selbstverständnisses der dänischen Minderheit in Südschleswig darstellen müsse (u.a. Flensborg Avis, 31.10.2006). Cf. hierzu NOACK, J.P., Det sydslesvigske grænsespørgsmål 1945-1947, [Die südschleswigsche Grenzfrage 1945-1947], Aabenraa, 1991.
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272 2.1.1.2. Normalisierung und Misstrauen (1955-1972)
Mit der Abgabe der Bonn-Kopenhagener Erklärungen10 galt die Grenzfrage als erledigt: Den nationalen Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze wurde die freie Entwicklung garantiert. Seit 1954 galt die Visumsfreiheit für private Reisen. Die technischen Fragen um die Grenze waren größtenteils durch eine Wiederinkraftsetzung der deutsch-dänischen Grenzverträge aus den 1920er Jahren geregelt. Die Grenze war ein Normalfall europäischer Grenzen. Regionale Zusammenarbeit über die vertraglich geregelten Punkte wie z.B. in der Grenzgewässerkommission hinaus fand nicht statt. Dies änderte sich langsam, da das Bundesland Schleswig-Holstein bestrebt war, direkte Kontakte zur dänischen Regierung und dem dänischen Parlament aufzubauen. Hier gab es jedoch große Vorbehalte in Kopenhagen, wo man den direkten Kontakt zur Bundesregierung befürwortete und das Bundesland Schleswig-Holstein nicht als außenpolitischen Akteur akzeptieren wollte. Dennoch gelang es dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Helmut Lemke, 1963 als erster deutscher Regierungschef offiziell zu einem Staatsbesuch eingeladen zu werden. Weiterreichende Pläne, wie z.B. die Unterzeichnung eines deutsch-dänischen Kulturabkommens vergleichbar mit den zeitgleich unterzeichneten deutsch-französischen Verträgen, ließen sich jedoch nicht verwirklichen. Im Gegenzug erweckte es in der schleswig-holsteinischen Landesregierung Misstrauen, dass dänische Industrieunternehmen ab Ende der 1950er Jahre begannen, in Südschleswig Filialen zu eröffnen, um von dort auf den deutschen bzw. den Europäischen Gemeinschafts(EG)-Markt vorzustoßen. Dies wurde von nationalen Politikern insbesondere in der Christlich-demokratischen Union (CDU) als Unterstützung der dänischen Minderheit und dem Fernziel einer Grenze an der Eider interpretiert11. 2.1.1.3. Dänemark in der EG – Zusammenarbeit von Fall zu Fall (1973-1997) Am 1.1.1973 wurde Dänemark nach einer vorausgegangenen Volksabstimmung Mitglied der EG. Die deutsch-dänische Grenze war nun eine EG-Binnengrenze, was zunächst nur praktische Konsequenzen hatte, wie z.B. höhere Freimengen im privaten Warenverkehr. Doch auch die grenzpolitische Situation änderte sich. Schon als sich der dänische Beitritt zur EG abzeichnete, entwickelte die Europaabteilung des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministerium Skizzen zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Diese Pläne entstammten Gedanken des damaligen Generalsekretärs der deutschen Minderheit in Nordschleswig12. Vision war eine grenzüberschreitende Region, wobei ausdrücklich auf die gemeinsame Geschichte Schleswigs hingewiesen wurde. Die Ausbildungssysteme beider Länder sollten gegenseitig geöffnet werden, und man wollte Raumplanung, Umweltschutz und Küstenschutz koordinieren.
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Cf. hierzu KÜHL, J./WELLER, M. (Hrsg.), Minority policy in action. The Bonn-Copenhagen Declarations in a European context 1955-2005, Aabenraa, 2005. Cf. KLATT, M., Fra modspil til medspil? Grænseoverskridende samarbejde i Sønderjylland/Schleswig 1945-2005, [Vom Gegeneinander zum Miteinander? Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Sønderjylland/Schleswig 1945-2005], Aabenraa, 2006, S.99ff. Ibid., S.124ff.
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Die dänische Seite stand diesen Plänen skeptisch gegenüber13. Grenzüberschreitende Institutionen sollten vermieden werden und in der Raumplanung zeichneten sich widersprüchliche Interessen ab, als Schleswig-Holstein im Regionalplanentwurf für Südschleswig verkündete, dass Flensburg auch Oberzentrum für sein nordschleswigsches (dänisches) Hinterland sein sollte. Es ärgerte die dänische Seite auch, dass Schleswig-Holstein unbedingt an der Zonenrandförderung für Flensburg und den Kreis Schleswig-Flensburg festhalten wollte, obwohl die deutsch-dänische Grenze nun eine EG-Binnengrenze war. Hier sah man einen eindeutigen Bruch des EG-Vertrages hinsichtlich regionaler Subventionen. Letztendlich erklärte die dänische Seite, d.h. in Praxis das Außenministerium in enger Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister des Amtes Sønderjylland, dass man bereit wäre, auf gleicher Ebene in konkreten Projekten zusammenzuarbeiten, aber keine grenzüberschreitenden Institutionen oder eine Euroregion aufbauen wolle. 2.1.1.4. Institutionalisierung. Vom Gegeneinander zum Miteinander? (1997) 1997 wurde die Region Sønderjylland-Schleswig errichtet. Damit war die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in einer grenzüberschreitenden Euroregion institutionalisiert, auch wenn man den Namen Euroregion auf dänischen Wunsch vermied. Alle üblichen Charakteristika sind aber vorhanden: ein gemeinsames, grenzüberschreitendes Sekretariat, ein Vorstand und eine grenzüberschreitende Regionalversammlung aus politischen Delegierten der beteiligten Gebietskörperschaften und anderen gesellschaftlichen Akteuren. Die Region führt seitdem eine ganze Reihe grenzüberschreitende Projekte und Veranstaltungen durch und tritt gemeinsam als Lobbyist auf nationaler Ebene auf. Sie hat damit, wenn auch gut 25-30 Jahre später als vergleichbare Regionen an den EG-Grenzen der sechs bzw. der neun Mitgliedstaaten, den aktuellen Normalzustand grenzüberschreitender Regionen in der Europäischen Union (EU) erreicht. 2.1.2. Problematische Aspekte der Zusammenarbeit Durch die ganze Entwicklungsphase der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zeigten sich zwei Grundprobleme: Zwei unterschiedliche konzeptionelle Ansätze sowie ein „gefühltes“ Machtungleichgewicht. Erstere sind im Zweiten begründet. Das gefühlte Machtungleichgewicht ist zum einen historisch erklärbar14. Die gemeinsame regionale Geschichte hat in zwei Narrationen Eingang in das jeweilige nationale Geschichtsverständnis erfahren. Die deutsche Narration hebt die Einheit Schleswigs mit Holstein hervor und die Blütezeit der angeblich vereinigten Herzogtümer im dänischen Gesamtstaat, bis die nationalen Dänen an der Einheit Schleswig-Holsteins rüttelten und Schleswig Dänemark einverleiben wollten. Die dänische Narration dagegen hebt die kulturelle deutsche Expansion hervor, die zur Entfremdung der ursprünglich dänischen Schleswiger von ihrer angestammten Kultur geführt hat. Die 1920 nach zwei Volksabstimmungen ge13 14
Ibid., S.128ff. Cf. KLATT, M., „Common cross-border regional history as an approach to People-to-People cooperation and cross-border regional integration“, op.cit., S.109-146.
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zogene heutige Grenze, welche das ehemalige Herzogtum Schleswig teilt, hat somit für Dänen eine andere Bedeutung als für Schleswig-Holsteiner. Dänen sehen eher die Schutzfunktion vor dem historisch (zumindest von 1864-1945) übermächtigen Nachbarn. Schleswig-Holsteiner sehen die Grenze eher als „Narbe der Geschichte“, die es zu überwinden gilt. So entstand die Vorstellung von Dänemark als dem kleineren Partner im Vergleich zu Deutschland (aber nicht unbedingt Schleswig-Holstein), der sich vor der Dominanz des großen Nachbarn schützen muss. Hier ist zum einen die Angst vor der Einmischung in innere Verhältnisse, sollten grenzüberschreitende Institutionen geschaffen werden. Andererseits ist die gefühlte Dominanz z.B. im alltäglichen, grenzüberschreitenden Sprachgebrauch deutlich fühlbar, da normaler Weise Deutsch benutzt wird und ein klares Ungleichgewicht der Kenntnisse der Sprache des Nachbarlandes besteht15. Alle diese Punkte führten dazu, dass Dänemark lange an der beschränkten Zusammenarbeit von Fall zu Fall festhielt und keine grenzüberschreitenden Institutionen wollte, während insbesondere die schleswig-holsteinischen Landesregierungen seit den 1970er Jahren die Errichtung einer Euroregion mit grenzüberschreitenden Institutionen forcierten. Die praktische Zusammenarbeit blieb darüber hinaus bis in die 1990er Jahre sehr begrenzt, da beide Seiten konkrete Interessengegensätze z.B. in der Regionalplanung feststellten16. 2.1.3. Euroregion Sønderjylland/Schleswig – Zusammenarbeit mit Hindernissen Die Idee zur Errichtung einer Euroregion in der deutsch-dänischen Grenzregion war nicht neu, sondern wurde seit den 1970er Jahren wiederholt von schleswigholsteinischer Seite ins Spiel gebracht. 1995, 75 Jahre nach der Festlegung der deutsch-dänischen Grenze, 50 Jahre nach Kriegsende und 45 Jahre nach der Abgabe der Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen, erneuerte der damalige schleswig-holsteinische Europaminister Gerd Walter den Aufruf, eine Euregio Slesvigensis zu errichten. Diesmal wurde seine Idee von Sønderjyllands Amtsbürgermeister Kresten Philipsen aufgenommen. Eine kleine Arbeitsgruppe erarbeitete in den folgenden eineinhalb Jahren den Entwurf einer Vereinbarung. Die Euroregion sollte ein gemeinsames Sekretariat, einen gemeinsamen Vorstand und einen Regionalrat erhalten. Politische Kompetenzen wurden nicht an die Region delegiert, ihre Organe konnten lediglich Empfehlungen abgeben. Die deutsche Seite war überglücklich, dass die Errichtung einer Euroregion nun Wirklichkeit werden sollte. Flensburgs Oberbürgermeister sprach von einer Wiederanknüpfung an die 400-jährige glückliche gemeinsame Geschichte unter der dänischen Krone17. Auf dänischer Seite regte sich jedoch Widerstand, als die Pläne im Februar 1997 öffentlich wurden. Nationale Kreise machten gegen die Euroregionspläne Front: Dies sei ein Ausverkauf Südjütlands und eine Respektlosigkeit vor der regionalen Geschichte und der Blutopfer in der Schlacht auf den Düppeler Schan-
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95 % der Schüler in Sønderjylland lernen zumindest zeitweilig Deutsch, während Dänisch als Fremdsprache an den Schulen in Schleswig-Holstein immer noch ein Schattendasein führt, insbesondere an den Gymnasien. Cf. KLATT, M., Fra modspil til medspil?, op.cit., S.138ff. In einem dänischen Fernsehinterview, April 1997.
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zen 186418. Die Pläne wurden in einer Linie mit der historischen deutschpreußischen Expansionspolitik von 1864 und der deutschen Besetzung im 2. Weltkrieg gesetzt. Eine Demonstration an der deutsch-dänischen Grenze im Mai 1997 stellte den Höhepunkt der Kampagne dar, auch wenn mit ca. 2000-3000 Teilnehmern weit weniger als die von den Arrangeuren erhoffte Teilnehmerzahl erreicht wurde. Politisch erreichte eine Protestliste „Sønderjysk Borgerliste“ bei der dänischen Kommunalwahl im November 1997 mit 5,5 % der Stimmen ein Mandat im Amtsrat von Sønderjyllands Amt, das sie aber vier Jahre später wieder verlor. Interessanterweise löste sich die regionale Liste noch vor der dänischen Strukturreform 2007, mit der das Amt Sønderjylland aufgelöst wurde, auf. Der regionale Widerstand zeigte jedoch, dass die Schutzfunktion der Grenze in Dänemark weitaus stärker im Vordergrund stand, als es die deutsche Seite wahrhaben wollte. Das Misstrauen insbesondere in der Bevölkerung gegenüber einer fest institutionalisierten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, getragen von der Vision der Errichtung einer grenzüberschreitenden Region, war nach wie vor groß. Seit ihrer Errichtung hat die Region Sønderjylland-Schleswig unspektakulär gearbeitet. Obwohl der Name Euroregion nicht benutzt wird, gleicht sie in ihrem Aufbau und ihren Aktivitäten einer Euroregion. Es gelang jedoch nicht, einen gemeinsamen Namen zu finden. Sønderjylland und Schleswig stehen historisch für das gleiche Territorium19. Heute werden beide Begriffe aber anders benutzt: „Sønderjylland“ ist das ehemalige Sønderjylland Amt, also der Teil Sønderjyllands, der nach 1920 zurück zu Dänemark kam. „Schleswig“ als Landesteil Schleswig-Holsteins ist kaum noch geläufig. Im offiziellen Sprachgebrauch meint man oft nur den Planungsraum V des Bundeslandes, der die Kreise Nordfriesland, Schleswig-Flensburg und die Stadt Flensburg umfasst. Der Begriff „Sønderjylland“ war von 1864-1920 im Kaiserreich verboten, und „Schleswig“ symbolisiert im dänischen Geschichtsverständnis die Periode der Germanisierung des Herzogtums und schied deshalb als alleiniger Regionsname aus. Man wählte also zunächst die Schrägstrichlösung Sønderjylland/Schleswig: ein dänischer und ein deutscher Name für das gleiche Territorium. 2002 ersetzte man den Schrägstrich durch einen Bindestrich, um die Verbundenheit der Region auszudrücken. Damit sind die Regionspolitiker unbewusst von der ursprünglichen Vision einer grenzüberschreitenden Region bzw. der Wiederherrichtung einer historischen Region abgerückt. Der Bindestrich verbindet das deutsche Schleswig mit dem dänischen Sønderjylland und kommt damit der heute empfundenen Realität näher. Mitglieder sind die drei deutschen Grenzkreise und auf dänischer Seite bis 2006 das Amt Sønderjylland, seit 2007 die Kommunen Tønder, Aabenraa, Haderslev, Sønderbrog und die neue Region Syddanmark, die die ehemaligen Ämter Sønderjylland, Ribe, Vejle und Fyn umfasst. Es ist so18
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Zum Widerstand gegen die Pläne cf. KLATT, M., „Common cross-border regional history as an approach to People-to-People cooperation and cross-border regional integration“, op.cit., S.122ff, und DAMSGAARD, J.I., Der må være en grænse – osse mellem gode naboer. En analyse af modstandskampen mod oprettelsen af det grænseoverskridende samarbejdsorgan Euroregion Slesvig, [Es muss eine Grenze geben – auch zwischen guten Nachbarn. Eine Analyse des Widerstandskampfes gegen die Errichtung des grenzüberschreitenden Zusammenarbeitsorgans Euroregion Schleswig, nicht publizierte Magisterarbeit], Aarhus, 1999. Cf. HENNINGSEN, L.N./SCHULTZ HANSEN, H., „‚Sønderjylland‘ og ‚Slesvig‘“, Sønderjyske Årbøger, 1997, S.5-26.
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mit etwas unklar, ob sich die Region Sønderjylland-Schleswig zur Region Syddanmark-Schleswig ausgeweitet hat, mit einem vier bis fünf Mal größeren dänischen Territorium und entsprechender Bevölkerungszahl20. 2.1.4. Erfolge und Misserfolge Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Sønderjylland-Schleswig befindet sich heute auf einem sowohl quantitativ als auch qualitativ höheren Niveau als 1997. Dies ist ohne Zweifel ein Verdienst der Region Sønderjylland-Schleswig, hängt aber auch mit der Ausweitung der EU-geförderten Interreg-Programme zusammen. Es gibt heute zahlreiche grenzüberschreitende Projekte und Initiativen, vor allem auf dem People-to-People Niveau. Einige Projekte haben eine integrierende Wirkung: Die Universität Flensburg und die Süddänische Universität in Sønderborg bieten heute drei grenzüberschreitende Studiengänge an – allerdings ist die Universitätszusammenarbeit älter als die Region Sønderjylland-Schleswig. Die dänischen Ortschaften unmittelbar nördlich von Flensburg werden heute in der Regel von Flensburger Rettungswagen bedient, da diese schneller vor Ort sein können, als der dänische Rettungsdienst. In Niebüll auf deutscher Seite ist ein Helikopter stationiert, der grenzüberschreitenden Rettungsdienst bis weit nach Süddänemark hinein leistet. Des Weiteren gibt es eine gut angenommene Nachbehandlung von süddänischen Krebspatienten in Flensburg. Diese ist auf freiwilliger Basis – die Patienten könnten sich auch in Odense oder Århus in Dänemark nachbehandeln lassen. Es gelang auch, eine in den 1980er Jahren stillgelegte Eisenbahnstrecke für den Güterund Personenverkehr zu reaktivieren und eine grenzüberschreitende Expressbuslinie einzurichten. Nicht zuletzt durch langjähriges Drängen der Region wurde auch dem Thema Barrieren für Grenzpendler bzw. Schaffung eines grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes auf nationaler Ebene mehr Aufmerksamkeit geschenkt21. Die Region hat auch konkrete Verbesserungen in der Pendlerinformation erreicht. Misserfolge müssen an den teilweise sehr hohen Erwartungen gemessen werden. Es gelang nicht, eine transnationale, grenzüberschreitende Region zu errichten, die sich als einheitlicher Handlungsraum versteht, im Sinne einer integrierten grenzüberschreitenden Region nach Schmitt-Egners Model22 oder der Klassifikation des amerikanischen Grenzregionsforschers Oscar Martinez23. Die Mitglieder haben keine wesentlichen Beschlusskompetenzen an die Region delegiert, so dass deren politische Struktur schwach geblieben ist. Interessenunterschiede 20
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Offiziell ist das Territorium nicht verändert worden. Es wird jedoch deutlich, dass der Vorsitzende der Region Syddanmark, der ehemalige Amtsbürgermeister von Sønderjyllands Amt Carl Holst, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht auf das ehemalige Sønderjylland begrenzt, sondern die ganze Region Syddanmark einbezieht. Cf. z.B. Jydske Vestkysten, 28.6.2007; Flensborg Avis, 17.4.2008. Abschlussbericht Dänisch-Deutsche Arbeitsgruppe zur Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität, Beskaeftigelsesministeriet/Bundesministerium für Arbeit und Soziales, København/ Berlin, 2006. SCHMITT-EGNER, P., „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Strategie transnationaler Praxis. Anmerkungen zur Theorie, Empirie und Praxis des Transnationalen Regionalismus“, op.cit., S.64ff. MARTINEZ, O., Border people. Life and society in the U.S.-Mexico borderlands, Tucson, 1994. S.9-10.
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der einzelnen Partner haben die Zusammenarbeit geschwächt. Bis 2006 war dies nur auf deutscher Seite der Fall, wo die beiden Kreise und die Stadt Flensburg teilweise unterschiedliche Interessen hatten. Seit 2007 hat die Region fünf dänische Mitglieder mit ebenfalls unterschiedlichen Interessen. Dies zeigt sich schon daran, dass die dänischen Kommunen Sønderborg und Aabenraa eine direkte, grenzüberschreitende Partnerschaft mit Flensburg unter dem Namen „Grenzdreieck“ eingegangen sind. Die Region Sønderjylland-Schleswig hat damit ihre zunächst exklusive Rolle in der regionalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eingebüßt. Auch „oberhalb“ haben die Region Syddanmark und das Land Schleswig-Holstein 2007 ein Partnerschaftsabkommen abgeschlossen, das die Hamburger Metropolregion ausdrücklich in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit einbezieht24. 2.2. Storstrøm-Ostholstein25 Die Region Storstrøm-Ostholstein umfasst ursprünglich den schleswigholsteinischen Kreis Ostholstein und das dänische Storstrøms Amt26. Seit 1997 gehört die Hansestadt Lübeck dazu, seit 2007 durch die Umstrukturierung des Interreg-Programmes im Prinzip auch der Kreis Plön und die gesamte dänische Region Sjælland27. Die Region liegt an der sogenannten Vogelfluglinie, der kürzesten Route von Hamburg nach Kopenhagen. Die Europastraße E 47, heute größtenteils Autobahn, sowie die Eisenbahnstrecke Hamburg-Kopenhagen durchziehen die Region. Die Seegrenze zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf Lolland wird heute durch eine kombinierte Auto- und Eisenbahnfähre überbrückt, im Jahre 2018 soll eine feste Verbindung fertig gestellt sein. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in dieser Region hat ihre Wurzeln in Städtepartnerschaften aus den 1960er und 1970er Jahren. 1977 wurde eine deutsch-dänische Kulturwoche veranstaltet und ein Kooperationsabkommen zwischen dem Kreis Ostholstein und Storstrøms Amt abgeschlossen. Die folgenden grenzüberschreitende Kontakte und Aktivitäten hingen stark vom Engagement einzelner Personen ab. Als das dänische Parlament 1989 den Bau einer festen Querung des Großen Belts beschloss (1998 fertiggestellt), kamen beide Partner überein, die Zusammenarbeit zu vertiefen. Man befürchtete Verkehrsverlagerungen, welche zu Einbußen im Fährverkehr führen konnten – grundlos, da die Große Belt Brücke zwar die innerdänischen Verkehrsströme entscheidend veränderte, nicht aber die internationalen Ströme. Der 1989 gegründete deutsch-dänische Rat bereitete die Region auf die Teilnahme am Interreg I-Programm der Europäischen Gemeinschaft vor. Hier war die Region mit einem Finanzierungsvolumen von 0,5 Millionen Euro EG-Mitteln 24 25 26
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Cf. Flensborg-Avis, 2.11.2007, „Hamborg er med i samarbejdet“. Cf. BARTEN, U., BRÖCKER, J., HERRMANN, H., KLATT, M., Barrieren und Potentiale der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Fehmarnbelt Region, Beiträge aus dem Institut für Regionalforschung der Universität Kiel, Kiel, 2006. Bis zur Kommunalreform 2007 war die Funktion eines dänischen Amtes in etwa mit der eines deutschen Landkreises vergleichbar. S. BONG, M., KÜHL, J., SCHACK, M., DALL SCHMIDT, T., Kommunale und regionale Selbstverwaltung. Sønderjyllands Amt (Dänemark) und das Land Schleswig-Holstein (Deutschland) im Vergleich, Aabenraa, 2004. Da die Region noch nicht grenzüberschreitend institutionalisiert ist, ist eine genaue topographische Abgrenzung nicht möglich.
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beteiligt. Aus dem deutsch-dänischen Rat wurde der Interreg Lenkungsausschuss, und das finanzielle Volumen des Interreg Programms wurde über 5,2 Millionen Euro (Interreg II) auf 9,5 Millionen Euro EU-Mittel (Interreg III) gesteigert. Seit 1997 (Interreg III) ist die Hansestadt Lübeck Teil der Region. In der Region werden auf dänischer Seite große Erwartungen an die feste Fehmarn Belt Querung gesetzt, die auf deutscher Seite nur zum Teil geteilt werden. So hat z.B. die in Ostholstein direkt gewählte Bundestagsabgeordnete der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Bettina Hagedorn gegen den deutschdänischen Staatsvertrag zum Bau der festen Belt Querung gestimmt28. Zahlreiche Initiativen in der Region weisen jedoch auf eine stattfindende Intensivierung der grenzüberschreitenden Beziehungen hin. 2009 wurde in enger Zusammenarbeit mit der Region Sønderjylland-Schleswig ein „Informationscenter Grenze“ errichtet, es wurden einige Tagungen zur geplanten Fehmarn Belt Querung veranstaltet, die Trägergesellschaft für den Bau der Querung, Femern Bælt A/S, hat in Burg auf Fehmarn ein Informationsbüro eingerichtet, wie auch zahlreiche InterregProjekte sich mit einer engeren Integration der Region befassen29. 2.3. Fyn-K.E.R.N. Die Region Fyn-K.E.R.N. bestand aus dem dänischen Amt Fyn und dem deutschen Zweckverband Technologieregion K.E.R.N., dem ursprünglich die kreisfreien Städte Kiel und Neumünster und der Kreis Rendsburg-Eckernförde angehörten. Der Kreis Plön gehörte dem Zweckverband bis 2005 an. Heute sind nur noch die Städte Kiel, Neumünster, Rensburg und Eckernförde Mitglieder der Technologieregion K.E.R.N. Die Region Fyn-K.E.R.N. ist durch eine Seegrenze getrennt. Bis zum Verbot des zollfreien Warenverkaufs auf Fährlinien innerhalb der EU 1999 bestand eine hauptsächlich touristische Fährverbindung zwischen Kiel und der dänischen Insel Langeland. Die schnellste direkte Verbindung zwischen beiden Regionen führt über die dänische Landgrenze, d.h. durch die Region Sønderjylland-Schleswig. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Fyn und K.E.R.N. entstand durch das Interreg II-Programm ab 1994. Insbesondere zwischen den Universitätskliniken in Kiel und Odense hat sich seit dem eine enge Zusammenarbeit entwickelt, während die sonstigen Kontakte und grenzüberschreitenden Initiativen begrenzt blieben. Dies ist nicht zuletzt darin begründet, dass der deutsche Partner ein loser Zweckverband geblieben ist, der nie wesentliche politische Handlungsfähigkeit erlangt hat. Mit der dänischen Kommunalreform 2007 ist Fyns Amt aufgelöst worden bzw. in der Region Syddanmark aufgegangen. Gleichzeitig wurden im Interreg IV Programm die bisherigen Fördergebiete Sønderjylland-Schleswig und FynK.E.R.N. zusammengelegt, so dass eine neue Förderregion Syddanmark-Schleswig-K.E.R.N. entstanden ist. Die grenzüberschreitende Region Fyn-K.E.R.N. existiert seitdem nicht mehr.
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Flensburger Tageblatt, 20.6.2009. Operationelles Programm Europäische Territoriale Zusammenarbeit (Interreg IV A) 20072013, in: http://news.eformation.de/v3/client/media/386/data/11132.pdf (10.7.2009).
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3. Cross-border Governance Der Begriff „cross-border Governance“ ist nur schwer auf Deutsch zu übersetzen. Es geht nicht um eine grenzüberschreitende, regionale Regierung (die es noch nirgendwo gibt), sondern um die Frage nach Mechanismen, wie grenzüberschreitende Regionen regiert werden, und ob diese als eine Ebene von „multi-levelGovernance“ beschrieben werden können. Multi-level-Governance bedeutet hier die Entwicklung weg von klaren, hierarchischen Regierungsstrukturen mit dem westfälischen Konzept der Souveränität der Nationalstaaten als Kern hin zu einer Diffusion von Autorität im Geflecht verschiedener staatlicher und nichtstaatlicher Regierungsebenen30. Hooghe und Marks knüpfen jedoch die Existenz von Jurisdiktion als Bedingung, um von Ebenen von multi-level-Governance zu sprechen31. Jurisdiktion ist immer auch mit Autorität verbunden, Beschlüsse umzusetzen. Deshalb ist es problematisch, die zahlreichen grenzüberschreitenden Netzwerke z.B. in der Oberrhein-Region als ein Beispiel verschiedener Ebenen von Jurisdiktion zu bezeichnen32, bevor es zuverlässige empirische Untersuchungen über die Wirkmächtigkeit dieser Netzwerke gibt. Passender ist die Fragestellung, ob es überhaupt Anzeichen gibt, dass ein grenzüberschreitender Handlungsraum und eine Handlungseinheit im Sinne Schmitt-Egners entsteht33, die durch grenzüberschreitende Beschlussfassung und deren Umsetzung unter weitgehender Ausschaltung der nationalstaatlichen Ebene belegbar ist. Oder muss cross-border Governance weiter gefasst verstanden werden im Sinne funktionaler Governance losgelöst von Territorien? Blatter definiert hier vier Idealtypen grenzüberschreitender Institutionen (Siehe Tabelle unten). Wenden wir uns in der Analyse zuerst der historischen Entwicklung in der Region Sønderjylland-Schleswig zu. Vor der Errichtung der Region Sønderjylland-Schleswig 1997 gab es nämlich schon vier grenzüberschreitende Institutionen in dieser deutsch-dänischen Grenzregion. Die älteste ist die deutsch-dänische Grenzgewässerkommission, welche durch den deutsch-dänischen Grenzvertrag von 1922 völkerrechtlich verankert ist34. Hier haben die nationalen Regierungen Souveränität auf eine aus Beamten gebildete Kommission übertragen. Eine klassische „Commission“ in der Typologisierung Blatters, die deshalb hier nicht von Interesse ist. 1971 wurde das Gemeinsame Komitee zur Verbesserung der Wasserqualität der Flensburger Förde eingerichtet (der Einfachheit halber „Fördekommission“). Die Fördekommission folgte einem rein funktionalistischer An30
31 32 33
34
Cf. MARKS, G., HOOGHE, L., BLANK, K., „European Integration from the 1980s: StateCentric v. Multi-level Governance“ op.cit. S.341-378; HOOGHE, L., MARKS, G., „Unraveling the Central State, but How? Types of Multi-level Governance“, American Political Science Review, 97/2, 2003, S.233-243. HOOGHE, L., MARKS, G., „Unraveling the Central State, but How? Types of Multi-level Governance“, op.cit. S.236ff. HOOGHE, L., MARKS, G., „Unraveling the Central State, but How? Types of Multi-level Governance“, op.cit. S.238. Cf. SCHMITT-EGNER, P., SCHMITT-EGNER, P., „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Strategie transnationaler Praxis. Anmerkungen zur Theorie, Empirie und Praxis des Transnationalen Regionalismus“, op.cit., S.59ff. Cf. RASMUSSEN, T., Den dansk-tyske traktat 1922, Aabenraa, 1996. [Der deutsch-dänische Vertrag von 1922]
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satz: Mangelhafte Klärung des Abwassers der Anrainerkommunen sowie Einleitungen der zahlreichen, sog. Butterschiffe schafften einen Handlungsbedarf, und da die Staatsgrenze mitten durch die Förde verläuft, musste das Problem grenzüberschreitend angepackt werden. Die vier Idealtypen von Governance nach Blatter35 Territorial governance Instrumental/ Control
Identityproviding/ orientation
COMMISSION Actors from the national government Large scale: national boundaries determine geographic area of cooperation Broad scope: all-purpose institution, many tasks Objective interdependencies, material spillover Experts: lawyers and engineers CONSOCIATION Regional actors Cascading scales Broad scope: all-purpose institution, many tasks Shared identities, emotional ties integrators: charismatic leaders
Functional governance CONNECTION Actors from various levels and sectors Multiple scales: variable geometry, functional economics of scale Narrow scope: single-purpose institutions, few tasks Subjective synergies, useful combination of resources Brokers: planners, developers COALITION Actors from various levels and sectors Fuzzy scale: no specified geographic demarcation Narrow scope: policy-field specific goals Shared beliefs and values Mobilizer: parties and interest groups
Interessant ist nun der gewählte Weg: Es wurde eine grenzüberschreitende Kommission aus kommunalen Vertretern gebildet, lediglich auf deutscher Seite war das Bundesland Schleswig-Holstein vertreten – aber weder die Bundesregierung noch die dänische Regierung. Diese Kommission setzte ein Technikerkomitee ein, um praktische Lösungsvorschläge zu erarbeiten, welche dann in der Kommission besprochen und von den Anrainerkommunen umgesetzt wurden. Es gab aber in der Geschichte der Kommission und ihrer Folgegremien (1971heute) keine zwischenstaatliche Vereinbarung, wie auch keine formelle, grenzüberschreitende Vereinbarung unter den teilnehmenden regionalen Akteuren, wie sonst bei grenzüberschreitenden Gewässerkommissionen üblich. Solch eine Lösung wurde auch in den ersten Jahren der Arbeit der Kommission erwogen, dann aber verworfen, weil sich das dänische Außenministerium und das Auswärtige Amt einig waren, dass ein internationaler Vertrag oder auch nur ein No-
35
BLATTER, J., „From spaces of place to spaces of flows? Territorial and functional governance in cross-border regions in Europe and North America“, op.cit., S.534.
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tenwechsel zu viel Verwaltungsaufwand erfordern würden36. Obwohl es keine bindende Vereinbarung gab, wurden die Beschlüsse der Kommission auf nationaler Ebene von den regionalen Akteuren umgesetzt. Die Fördekommission ist damit in der Typologie Blatters37 ein Instrument funktionaler Governance, das Elemente der „Connection“ mit der „Coalition“ vereinigt. Das Interesse regionaler, schleswig-holsteinischer Akteure an einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit stieg nach Dänemarks Beitritt zur EG 1973 sprunghaft an. Wie schon erwähnt, wurden die deutschen Wünsche nach der Errichtung einer Euroregion von dänischer Seite abgelehnt. Im Winter 1975-1976 beschlossen Politiker der vier Grenzkreise Sønderjyllands Amt, SchleswigFlensburg, Nordfriesland und Flensburg daraufhin die Einrichtung eines kommunalen deutsch-dänischen „Forums“. Dieses Organ tagte bis Anfang der 1990er Jahre ein bis zweimal jährlich. Mitglieder waren die höchsten politischen Repräsentanten der Gebietskörperschaften und Beamte aus deren Verwaltungen. Das „Forum“ hatte einen technischen Charakter und diente vor allem der gegenseitigen Information. Konkrete politische Initiativen und Zusammenarbeitsprojekte gingen nicht daraus hervor. Die vierte grenzüberschreitende Institution entstand durch das im Februar 1988 vom Land Schleswig-Holstein und dem Amt Sønderjylland beschlossene gemeinsame regionale Entwicklungsprogramm. Dies stand in enger Verbindung zur Neuentwicklung der EG-Regionalförderung Ende der 1980er Jahre38. Durch das gemeinsam erarbeitete Programm konnten erstmals EG-Fördergelder für grenzüberschreitende Projekte eingeworben werden. Auch wenn statt der erhofften ca. 300 Millionen Euro nur 3 Millionen Euro bewilligt wurden, erforderte das Programmmanagement die Errichtung eines gemeinsamen, grenzüberschreitenden Sekretariats. Dieses bestand fort, als beide Partner an der Kommissionsinitiative Interreg teilnahmen. Das grenzüberschreitende Sekretariat, das physisch an zwei Standorten (Kiel und Aabenraa) angesiedelt war, kann als grenzüberschreitende funktionale Institution charakterisiert werden, die in direktem Zusammenhang mit europäischen Fördermitteln steht. 3.1. Cross-border Governance in der gesamten Region Die verschiedenen grenzüberschreitenden Institutionen und Regionskonstruktionen in der deutsch-dänischen Grenzregion können in zwei Gruppen eingeteilt werden: endogene Institutions- und Regionskonstruktionen, die aus verschiedenen Motiven von Akteuren innerhalb der Region aktiviert wurden, und exogene Institutions- und Regionskonstruktionen als Reaktion auf externe Entwicklungen (Siehe Abbildung unten). Die Zusammenarbeit Fyn-K.E.R.N. ist ausschließlich exogen motiviert gewesen. Bis auf den Interreg-Lenkungsausschuss sowie den Interreg-Begleitausschuss sind keine grenzüberschreitenden Institutionen entstanden. Nach der Neuzuschneidung des Fördergebiets für die vierte Programmperiode (2007-2013) sind
36 37 38
Zu den Verhandlungen cf. KLATT, M., Fra modspil til medspil?, op.cit., S.152f. BLATTER, J„From spaces of place to spaces of flows? Territorial and functional governance in cross-border regions in Europe and North America“, op.cit., S.534. Cf. HOLST JØRGENSEN, B., Building European cross-border cooperation structures, Copenhagen, 1999, S.119ff.
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keine eigenen grenzüberschreitenden Institutionen oder andere Elemente grenzüberschreitender Governance mehr vorhanden. Die Zusammenarbeit Storstrøm-Ostholstein ist ursprünglich endogen motiviert, basierend auf Städtepartnerschaften und Kulturaustausch. Idealistische Motive standen im Vordergrund. Grenzüberschreitende Integrationstiefe wurde nicht erreicht, wie auch keine stabilen grenzüberschreitenden Institutionen oder andere Elemente grenzüberschreitender Governance sichtbar wurden. Die erste Vertiefung (1989, deutsch-dänischer Rat) ist dagegen exogen motiviert: Die Furcht einer Peripherisierung durch den Bau einer festen Querung über den Großen Belt führte zu einer neuen institutionellen Stufe der Zusammenarbeit. Die regelmäßigen politischen Kontakte produzierten aber keine Ergebnisse, die als grenzüberschreitende Governance charakterisiert werden können. Abb. Die grenzübereschreitende Governance in der deutsch-dänischen Region
Zusammenarbeit Syddanmark-Schleswig-Holstein (seit 2007)
-2006 Sønderjyllands Amt Haderslev (seit 2007)
Fyns Amt (2007 aufgelöst)
- 2006 Storstrøms Amt
Sønderborg (seit 2007) Grenzdreieck (seit 2008)
Tønder (seit 2007)
Grenzdreieck (seit 2008)
Femern Bælt Forum (seit 2007)
Aabenraa (seit 2007)
Stadt Flensburg
Kreis Schleswig-Flensburg
Interessengemeinschaft der Städte Kiel und Neumünster und der Kreise RendsburgEckernförde und Plön, 20072008 aufgelöst)
Kreis Ostholstein seit 1997: Hansestadt Lübeck
Kreis Nordfriesland
Sønderjylland-Schleswig (seit 1997)
Fyn-K.E.R.N. (1994-2006)
Ostholstein-Storstrøm (seit 1977)
Abb.: Schematische Darstellung der verschiedenen grenzüberschreitenden Kooperationen. Die Dicke der Rahmen beschreibt das politische Gewicht der Institution. Dies Schema zeigt die institutionelle Schwäche grenzüberschreitender Regionskonstruktionen: --------- = Zweckverband, Zusammenarbeitsabkommen ohne Institutionalisierung und eigene Verwaltung = Administrative Einheit mit eigener Verwaltung, ohne wesentliche politische Beschlusskompetenz = Administrative Einheit mit eigener Verwaltung, demokratisch legitimierter politischer Vertretung und politischer Beschlussfähigkeit
Die Teilnahme am Interreg-Programm führte zu einer exogen motivierten Institutionalisierung und geographischen Neukonstruktion der Region entsprechend den Förderkriterien. Mit der Konkretisierung der Planungen einer festen Que-
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rung des Fehmarn Belts wurde eine weitere, exogen motivierte Vertiefung der Kontakte erreicht. Diese ist sowohl quantitativ (höhere Anzahl von Treffen, Kontakten und Konferenzen) als auch qualitativ (Aufbau eines Informationszentrums). Die Region Sønderjylland-Schleswig ist in ihrer Struktur eine typische Euroregion. Es gibt einen gemeinsamen Vorstand, ein Sekretariat und eine Regionalversammlung mit ursprünglich 42, seit 2007 noch 22 Mitgliedern. Die Mitglieder der Regionalversammlung setzen sich aus politischen Vertretern der Mitglieder und gesellschaftspolitischen Repräsentanten (Gewerkschaften, Arbeitgeber, Universitäten und die nationalen Minderheiten) zusammen. Die Regionalversammlung kann Ausschüsse einrichten, tagt normalerweise zweimal jährlich und verwaltet das Budget der Region, das aber vorher von den beteiligten Gebietskörperschaften auf nationaler Ebene bewilligt wurde. Die grenzüberschreitenden politischen Strukturen der Region sind schwach39. Es gelang nicht, Beschlusskompetenzen oder zumindest die Verwaltung der Interreg-Mittel in die Kompetenz der Region zu stellen. Die Gremien der Region haben beratenden und informierenden Charakter. Dies gilt auch für das Sekretariat, das seit 2008 deutlich unter „Infocenter Grenze“ firmiert: Es bietet umfassende Informationsangebote für Grenzpendler und andere grenzüberschreitenden Fragen an. Darüber hinaus ist es Servicebüro für die Regionalversammlung und ihre Ausschüsse. Die Regionalversammlung ist laut Vereinbarung das höchste beschlussfassende Organ der Region40. Sie kann nur in einem hochkomplizierten Verfahren Mehrheitsbeschlüsse fassen, das die Dominanz der einen nationalen Seite über die andere verhindern soll. Die demokratische Legitimität der Regionalversammlung ist problematisch, da auch unpolitische Vertreter Mitglieder sind. Die Regionalversammlung kann grenzüberschreitende Projekte aktivieren und Ausschüsse einsetzen, welche sich mit Fragen und Aspekten bestimmter Ebenen der Zusammenarbeit befassen. Eine eigentliche, grenzüberschreitende politische Beschlusskompetenz hat sie nicht. Resolutionen setzen im Prinzip Einstimmigkeit voraus. Hier unterscheidet sich die Region aber nicht von anderen Euroregionen. 3.2. Grenzüberschreitende Region ? Netzwerk? Koalition ? Die Region Sønderjylland-Schleswig als am weitesten institutionalisierte Institution der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist ein typisches Beispiel einer Euroregion. Euroregionen sind nach wie vor unverbindliche Zusammenschlüsse, welche das Souveränitätsprinzip nicht antasten. Ihnen können (selten) funktionale Aufgaben übertragen werden, so wie das „Infocenter Grenze“ in der Region Sønderjylland-Schleswig. Hauptfunktion einer Euroregion ist aber das grenzüberschreitende Forum, das sie Politikern und anderen Entscheidungsträgern beiderseits der Grenze bietet. Euroregionen haben weder die Macht noch die Autorität, Beschlüsse grenzüberschreitend umzusetzen. Es fehlt zurzeit auch der politische Wille, ihnen diese Autorität zu verleihen, ungeachtet der nach wie vor hierfür fehlenden rechtlichen Grundlage. Grenzüberschreitendes Regieren durch Autorität ist nicht möglich – 39 40
Cf. KLATT, Fra modspil til medspil? op.cit., S.228ff., S.252ff. Dieses Urteil ist auch von den bisherigen Evaluatoren und vom Regionalrat bzw. der Regionalversammlung geteilt worden. Text der Vereinbarung: in: http://www.region.de/wm210226 (2.2.2010).
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kein politisches Organ unterhalb der Organe der EU hat grenzüberschreitende Autorität. Die Grenze, obwohl physisch kaum sichtbar, trennt noch immer. Nationale Gesetze, Bestimmungen und Verordnungen auf der technischen Seite, eine Sprachbarriere, kulturelle Unterschiede und Desinteresse im Bereich der „soft-skills“ beeinträchtigen die Zusammenarbeit und die Integration. Die Menschen der Region treffen sich immer noch auf einer „Ihr“ und „Wir“-Basis, mit Ausnahme derjenigen, deren persönliche Biographie Grund anderer, multipler Identifikationen ist. Hier sind natürlich insbesondere die Angehörigen der beiden nationalen Minderheiten zu nennen. Diese sind heute eher „transnational borderlanders“ im Sinne Martinez‘41, als nationale Brückenköpfe im Nachbarland. Grenzüberschreitende Governance in Euroregionen muss in der Typologie Blatters als „Coalition“ charakterisiert werden. Dies wird zum Teil im Aufbau der verschiedenen Euroregionen deutlich. Sie sind Koalitionen von Gebietskörperschaften, gesellschaftlichen Akteuren und Institutionen, wie es z.B. in der Zusammensetzung der Regionalversammlung der Region Sønderjylland-Schleswig zum Ausdruck kommt. Ihre geographische Abgrenzung ist meist zufällig und orientiert sich nicht an historischen Regionen oder regionalkulturellen Grenzen, sondern an lokalen Interessen und exogenen Faktoren wie des Zuschnitts der Interreg-Fördergebiete. Mangels eigener Autorität können sich in grenzüberschreitenden Regionen Interessenkoalitionen bilden, die angenommene gemeinsame Interessen auf einer höheren politischen Ebene formulieren, in der Regel der Ebene des Nationalstaats. Meist geht es um die Infrastruktur und Fragen des grenzüberschreitenden Arbeitsmarkts. Die Peripherie kann durch die Kenntnis grenzüberschreitender Probleme die beschlusskompetente nationale Ebene zur Handlung drängen. Gewisse Formen funktionaler grenzüberschreitender Governance sind gegeben, z.B. in der Fördekommission und den Interreg-Begleitausschüssen. Das „Infocenter Grenze“ in Padborg (Sønderjylland/Schleswig), welches zurzeit ein Pendant in der Region Storstrøm-Ostholstein erhält, ist eine funktionale grenzüberschreitende Institution. Es dient jedoch als Service Center und ist deshalb kein Instrument funktionaler Governance. Die grenzüberschreitenden Institutionen haben zahlreiche Netzwerke zwischen unterschiedlichen Akteuren geschaffen. Diese Institutionen dienen auch der Information und Kontaktvermittlung, bzw. als Think Tank für mögliche Initiativen. Wo es einen Bedarf oder Synergieeffekte gibt, wird zusammengearbeitet. Es sei denn, bürokratische Hürden und andere grenzbedingte Kosten erweisen sich als zu hoch. Grenzüberschreitende Informationsveranstaltungen und Diskussionsrunden kommen häufig vor, auch die grenzüberschreitende Berichterstattung der regionalen Medien hat sich verbessert.
Fazit Die Erfolge und Probleme der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der deutsch-dänischen Grenzregion unterscheiden sich heute nicht von Problemen in anderen Grenzregionen Europas. Dies ist eigentlich ein Erfolg, da die Region sich im westeuropäischen Vergleich erst spät einen institutionellen Rahmen gegeben
41
MARTINEZ, O., Border people. Life and society in the U.S.-Mexico borderlands. op.cit., S.59ff.
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hat, der bis heute unvollständig ist. Die Euroregionen an den deutsch-niederländischen und deutsch-französischen Grenzen sind teilweise weit älter und decken heute die gesamte Grenze ab. Der Konflikt zwischen dem ursprünglichen dänischen Ansatz einer projektorientierten, eher informellen Zusammenarbeit mit dem deutschen Ansatz einer visionär angelegten, fest institutionalisierten Zusammenarbeit hat in Sønderjylland-Schleswig bis 1997 die Entwicklung der Zusammenarbeit blockiert. In den anderen beiden Teilregionen hat die geographische Distanz nicht dazu beigetragen, eine intensive Zusammenarbeit zu fördern. Seit 1997 hat sich eine Verbindung beider Ansätze als förderlich erwiesen. Eine pragmatische Zusammenarbeit, die grenzüberschreitende Netzwerke schafft, keine Tabus kennt und auf informelle Lösungen ausweichen kann, ist vielleicht immer noch der einfachste Weg, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit so erfolgreich wie möglich zu gestalten.
COOPÉRATION TRANSFRONTALIÈRE POLITIQUE DANS LA RÉGION FRONTALIÈRE GERMANO-DANOISE Cet article compare le développement de la coopération transfrontalière aux abords de la frontière germano-danoise et s’intéresse plus particulièrement au thème de la gouvernance transfrontalière régionale. La frontière germano-danoise est divisée en trois secteurs : Sønderjylland-Schleswig, Fyn-K.E.R.N (Kiel/ Eckernförde/Rendsburg/Neumünster) et Storstrøm-Ostholstein, tous ayant expérimenté les étapes de construction d’une région transfrontalière. Seule une de ces trois régions s’est constituée en tant qu’eurorégion car elle dispose d’un cadre institutionnel particulier. La région Fyn-K.E.R.N., quant à elle, a disparu suite à la refonte géographique des espaces financés par Interreg pour la période 2007-2013. Une coopération plus intensive existe dans la région Storstrøm-Ostholstein depuis la décision politique de construire un pont combinant à la fois la voie ferrée et la route au-dessus de la Fehmarn Belt séparant le Danemark de l’Allemagne. Sønderjylland-Schleswig a la particularité d’avoir une histoire transfrontalière commune. En effet, elle ne fut divisée qu’en 1920 lorsque la nouvelle frontière entre le Danemark et l’Allemagne fut dessinée à l’issue de deux referenda. L’unité historique de cette région, tout comme les divisions nationales et culturelles, ont toujours constitué des éléments influençant le développement de ses relations transfrontalières, plus comme une barrière que comme un facilitateur d’intégration. Toutefois, les aspects historiques ont récemment été relégués à l’arrière-plan de l’action transfrontalière et ainsi, la volonté politique de coopérer a augmenté des deux côtés. La coopération s’impose à travers de nombreuses activités, ce qui ne permet toutefois pas encore d’identifier clairement ses résultats quantitatifs et qualitatifs. C’est également le cas avec la gouvernance transfrontalière mesurable, puisque les institutions et les réseaux transfrontaliers n’ont pas d’autorité politique ni de compétence, bien que des coalitions temporaires aient émergé pour promouvoir les intérêts régionaux ou des sujets d’intérêts spécifiques au niveau national.
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La coopération transfrontalière, tout comme la gouvernance transfrontalière, n’ont toujours pas été développée à un si haut niveau. Fyn-K.E.R.N. était une région transfrontalière exclusivement liée au programme Interreg. Lorsque l’espace relatif au programme a été redessiné en 2007, la région transfrontalière cessa d’exister en tant que telle pour être intégrée dans un espace plus large, Syddanmark-Schleswig-K.E.R.N. Au sein de Storstrøm-Ostholstein, des facteurs exogènes comme les décisions politiques consistant à construire des ponts entre les voies d’eau de Großer Belt et Fehmarn Belt, ont permis l’approfondissement de la coopération ; le premier fut simplement limité sous la forme d’un forum transfrontalier, le second a récemment pris la forme de plusieurs nouveaux réseaux et réflexions au sujet de différentes formes d’institutionnalisation. L’ensemble des aspects transfrontaliers des régions germano-danoises a atteint un degré de coopération similaire à celui d’autres régions transfrontalières semblables. Comme dans d’autres régions de l’Union européenne (UE), l’eurorégion établie à la frontière terrestre est plus institutionnalisée que celle située à la frontière maritime. Il est vrai qu’il est difficile de mesurer la gouvernance transfrontalière actuelle tout comme l’intégration fonctionnelle, mais il faut souligner qu’il existe de nombreux réseaux transfrontaliers dans différents domaines.
CROSS-BORDER POLITICAL COOPERATION IN THE GERMAN DANISH BORDER REGION This article compares the development of cross-border cooperation across the Danish-German border, with a special focus on regional, cross-border governance. The Danish-German border region is divided into three sections, which all have experienced some form for cross-border region building: SønderjyllandSchleswig, Fyn-K.E.R.N (Kiel/Eckernförde/Rendsburg/Neumünster) and Storstrøm-Ostholstein. Only one of the regions is constituted as a Euroregion with a certain institutional framework, and the Fyn-K.E.R.N. region has disappeared after the geographical redrawing of the Interreg financing areas for the 2007-2013 program period. An intensification of cooperation can be measured in the Storstrøm-Ostholstein region after the political decision to build a combined highway/railroad bridge across the Fehmarn Belt dividing Denmark and Germany. Sønderjylland-Schleswig is special because of a common, cross-border history. It was only divided in 1920, when the new border between Denmark and Germany was drawn after two referenda. The historic unity of the region, as well as the fluid national and cultural divides have been a constant factor in the development of cross-border relations, and rather a hindrance than a promoter of cross-border integration. Recently, though, historical aspects have retreated to the background of cross-border action, and the political will to cooperate has increased on both sides. Cooperation takes place on a wide range of activities, but quantitative and qualitative results are yet unclear. This is also the case with measurable crossborder governance, as cross-border institutions and networks do not have political authority or jurisdiction, although temporary coalitions to promote regional interests or specific regional issues on the national level have emerged.
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Cross-border cooperation as well as cross-border governance has not yet developed to such a high level. Fyn-K.E.R.N. was a cross-border region exclusively connected to the Interreg program. Thus, when the program area was redrawn in 2007, the cross-border region ceased to exist as such and was integrated into the larger program area Syddanmark-Schleswig-K.E.R.N. In Storstrøm-Ostholstein exogenic factors as the political decisions to build bridges across the Great Belt and Fehmarn Belt waterways have lead to a deepening of cooperation ; the first only limited in the form of a cross-border forum, the latter has at present resulted in several new networks and considerations on different forms for institutionalisation. All in all the Danish-German cross-border regions have reached a level of cooperation comparable to similar cross-border regions. On the land border, a Euroregion has been established similar to other land borders of the European Union (EU), whereas the cooperation across the sea border is less institutionalised. As in other euroregions, it is difficult to measure actual cross-border governance and functional integration, but it must be stressed, that there exists a wide range of cross-border networks in different fields.
DEUTSCH-POLNISCHE ZUSAMMENARBEIT ALS KLASSISCHE FORM DER GRENZÜBERSCHREITENDEN KOOPERATION OLGA JARECKA Die deutsch-polnische Nachbarschaft wird häufig von Wissenschaftlern, Historikern sowie Politikern als eine schwierige Nachbarschaft bezeichnet. Die Oder-Neiße-Grenze zwischen Deutschland und Polen stellt keine natürlich gewachsene Grenze dar. Sie resultiert aus der Westverschiebung Polens und wurde mit dem Potsdamer Abkommen festgelegt. Diese Entscheidung führte zu einem belastenden Streit zwischen beiden deutschen Staaten und Polen. Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) wollte diese Grenzziehung jahrelang nicht anerkennen. Erst nach der Wende am 14. November 1990 wurde die Oder-NeißeGrenze von der BRD offiziell im Grenzvertrag1 anerkannt. Anders verhielt es sich mit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Diese wurde bereits 1950 im sogenannten Görlitzer Abkommen durch die Festlegung der bestehenden Grenze bestätigt. Die deutsch-polnische Grenze erstreckt sich von der Ostsee im Norden bis zum Sudetengebirge im Süden. Sie ist 467 km lang und verbindet heute auf beiden Seiten Menschen aus den drei deutschen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, sowie den drei polnischen Woiwodschaften Westpommern, Lebuser Land und Niederschlesien.
1. Die deutsch-polnische Grenzregion Die derzeitige Grenze zwischen Polen und Deutschland umfasst Gebiete, die historisch nie Grenzgebiet waren. Um die deutsch-polnischen Beziehungen gut zu beschreiben, muss man zunächst kurz die historischen Faktoren erläutern. 1.1. Deutsch-polnische Grenzregion 1945-89 Die Grenzziehung ist fest mit der Vertreibung der Deutschen verbunden. Die deutschen Bürger wurden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Auf deren Platz kamen neue Einwohner aus Zentralpolen sowie sogenannte „polnische Vertriebene“ aus den Ostgebieten der zweiten polnischen Republik, die jetzt zur Sowjetunion gehörten. Diese Faktoren führten nach Ende des Krieges zu einem Vertrauensverlust auf beiden Seiten. Die damalige Bevölkerung der Regionen entlang von Oder und Neiße charakterisierte enormer gegenseitiger Hass. Ein Beispiel beschreibt die damalige Situation: „Der Hass gegenüber allem was deutsch war, war so stark, dass die Leute nach dem Krieg sogar deutsche Gebetbücher, die in der evangelischen Kirche liegen geblieben waren, zerrissen, damit von den 1
Vertrag zwischen der BRD und der Republik Polen (RP) über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze – Grenzvetrag 14.11.1990.
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Deutschen keine Spur übrig bleibe“2. Einen besonderen Einfluss auf die gegenseitige Wahrnehmung beider Völker hatten zusätzlich revisionistische Kampagnen, die besonders in den 1950er Jahren das Misstrauen und den Hass vertieften3. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war die Grenze zwischen beiden Staaten undurchlässig und in hohen Grad formalisiert4. Diese Situation blieb bis zur Unterzeichung der Görlitzer Abkommen zwischen DDR und Volksrepublik Polen am 6. Juli 1950 fast unverändert. Diese Undurchlässigkeit der Oder-Neiße-Grenze war keineswegs eine Ausnahme zu dieser Zeit. Man muss berücksichtigen, dass alle Grenzen innerhalb des Ostblocks ähnlich aussahen. Diese Grenzen unterschieden sich von denen im übrigen Europas dadurch, dass sie militärisch gesichert und für Personen, Informationen und Waren völlig undurchlässig waren5. Die Entstehung der DDR und ihre Zugehörigkeit zum sowjetischen Machtbereich, wie auch die darauffolgende Unterzeichnung der Görlitzer Abkommen, schufen aber erst die Bedingungen zur Aufnahme von Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Die Zusammenarbeit im Grenzgebiet wurde zum Instrument der Verbreitung der sozialistischen Ideologie. In dieser Zeit gewannen Parolen wie „die bestehende Friedens- und Freundschaftsgrenze, die die beiden Völker nicht trennt, sondern einigt!“ an Bedeutung6. Nachdem der ostdeutsche Staat gegründet worden war, veranstaltete man deutsch-polnische Tage oder sogar Monate der Freundschaft, während derer sowohl polnische als auch deutsche Künstler eine Möglichkeit hatten, aufzutreten. Bei diesen Gelegenheiten wurden Filme gezeigt und Ausstellungen organisiert7. Ende der 1950er Jahre erkennt man die ersten Symptome einer Annäherung zwischen den Bewohnern der deutsch-polnischen Grenzregion. In dieser Zeit wurden auch einige Militär- und Verwaltungsbeschränkungen abgeschafft. Erst in der Amtszeit Edward Giereks als Erstem Sekretär des Zentrakomitee (ZK) der Polnischen Volks- und Arbeiterpartei (PVAP) und Erich Honeckers als Erstem Sekretär des ZK der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie mit der Öffnung der Grenzen 1972 sowie der Pass- und Visafreiheit änderte sich diese Situation. Von diesem Zeitpunkt an konnten die Bewohner der Grenzregionen das Nachbarland besuchen und sich dadurch kennen lernen. Man konnte im Nachbarland einkaufen gehen, ins Kino, oder zu Sportereignissen. Es
2 3 4
5 6 7
OPILOWSKA, E., „Józef Rogulski i Danuta Chudek. Die Liebe überwindet alle Hindernisse …“, in: PFEIFFER S./OPILOWSKA, E., Goerlitz–Zgorzelec. Zwei Seiten einer Stadt. Dwie strony miasta, Dresden, 2005, S.136. CIOK, S., Pogranicze polsko-niemieckie. Problemy wspópracy transgranicznej, [Die deutschpolnische Grenzregion. Die Probleme der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit], Wrocaw, 2004, S.108. GRÄFE, K-H., „Zur Entwicklung und einigen Problemen der Zusammenarbeit von Bezirken der DDR und Wojewodschaften der VRP im Grenzgebiet an Oder und Lausitzer Neiße in den 70er und 80er Jahren“, in: FIEDOR, K. (Hrsg.), Wspópraca na obszarach przygranicznych PRL – NRD,[Die Zusammenarbeit in den Grenzregionen der VR Polen und der DDR], Wrocaw, 1984, S. 87. JAJESNIAK-QUAST/D., STOKLOSA, K., Geteilte Städte an Oder und Neiße. Frankfurt (Oder) – Subice, Guben–Gubin und Görlitz–Zgorzelec, Berlin, 2000, S.13. TROSIAK, C., Procesy ksztaltujce pogranicze polsko-niemieckie po II wojnie wiatowej, [Die Gestaltungsprozesse der polnisch-deutschen Grenzregion nach dem Zweiten Weltkrieg], Pozna, 1999, S.108. FIEDOR, K., „Pogranicze polsko-niemieckie wczoraj i dzi“, in: FIEDOR, K., op.cit., S.35.
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kam zur Entstehung zahlreicher Partnerschaften zwischen Schulen, Betrieben und Organisationen. Für Polen waren die Besuche, vor allem aber Einkäufe, in der DDR sehr hilfreich, da die Auswahl der Waren dort größer und vielfältiger als im eigenen Land war. Schon bald arteten ihre Einkäufe in Hamster- und Masseneinkäufe aus, nicht zuletzt deshalb, weil sie sehr profitabel wurden. Deshalb kam es schnell zu Konflikten und zu Unzufriedenheit innerhalb der DDR-Gesellschaft. Oft wurde den polnischen Kunden eine „Ausplünderung“ der Läden vorgeworfen8. Im Endeffekt wurde die Grenze geschlossen. Als Hauptargument dienten die Masseneinkäufe der Polen aus den Grenzbezirken. Die wirkliche Ursache war jedoch die Befürchtung der Leitung der SED, dass die antikommunistische Opposition in Polen einen ungünstigen Einfluss auf die eigene Gesellschaft ausüben würde. Aus Angst vor eventuellen Unruhen in der DDR wurde die Grenze zur Volksrepublik Polen geschlossen. Unbestritten bleibt, dass die Freundschaft zwischen sozialistischen Staaten von oben erzwungen war. Diese wird heute von vielen Wissenschaftlern als eine erzwungene Freundschaft bezeichnet. Fakt ist aber auch, dass die Bewohner der Grenzstädte enorme Möglichkeiten hatten, sich kennen zu lernen und die existierenden Barrieren zu überwinden. Obwohl die Partnerschaften zwischen Schulen und Betrieben offensichtlich angeordnet waren, kam es häufig zur langjährigen privaten Freundschaften oder auch deutsch-polnischen Ehen. 1.2. Die deutsch-polnische Grenzregion nach der Wende (1989) Im Zuge des Zusammenbruchs des kommunistischen Regimes in Ost- und Mitteleuropa und der deutschen Wiedervereinigung entstand eine völlig neue Situation an der deutsch-polnischen Grenze. Polen öffnete sich langsam den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontakten mit dem Ausland. Viele Beschränkungen wurden aufgehoben und der Visazwang wurde abgeschafft. Das alles weckte neue Aktivität und Kooperation an der Grenze. In dieser Zeit hat sich der grenznahe Handel rasant entwickelt. Die Polen schufen mit Hilfe des Preisunterschieds sogenannte „ Marktplätze“ in allen polnischen Grenzstädten, die hauptsächlich auf deutsche Kunden ausgerichtet waren. Die Deutschen erwarben dort vor allem Textilien, Zigaretten und Schuhe. Mit der Zeit haben sie hauptsächlich billiges Benzin gekauft9. Neue Rahmenbedingungen für die deutsch-polnischen Beziehungen und dementsprechend auch für die grenzüberschreitende Kooperation in der Grenzregion brachte die Unterzeichnung des Vertrags zwischen der BRD und der Republik Polen (RP) über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze vom 14. Nov. 1990 und des Vertrags über gute Nachbarschaft und freundliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991. Mit dem ersten Vertrag wurde ein Schlussstrich unter die in der BRD lange geführte Debatte über den Verlauf der Staatsgrenzen mit Polen gezogen. Größere Bedeutung in Bezug auf die grenzüberschreitende Kooperation in der Grenzregion hatte jedoch der zweite Vertrag von 1991. In Art. 12 des Nachbarschaftsvertrags stellen die Vertragsparteien fest, dass 8 9
OPILOWSKA, E./SZOSTAK, I., „Wenn ich ein Buch schreiben würde über das, was ich erlebt habe, würde es niemand glauben ...“ in: PFEIFFER, S., OPILOWSKA, E., op.cit., S.95. JAJESNIAK-QUAST, D., STOKLOSA, K., op.cit. S.150.
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sie der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Regionen, Städten, Gemeinden und anderen Gebietskörperschaften, insbesondere im grenznahen Bereich, hohe Bedeutung beimessen. Außerdem wurde eine Regierungskommission für regionale und grenznahe Zusammenarbeit eingerichtet, die diese Zusammenarbeit auf allen Gebieten erleichtern und fördern sollte. Die Kommission tagt seit den 1990er Jahren regelmäßig10. Nach der Verabschiedung der Verträge kam es zu ersten Partnerschaftskooperationen zwischen Regionen und Städten in der Nähe der Grenze. Weitere Zusammenarbeit sah man im Schulwesen, im Gesundheitswesen11, im Umweltschutz12, zwischen Freuerwehren13, im Kommunalbereich, sowie in der gemeinsamen Teilnahme an Messen, gemeinsame Vorhaben zur Raumplanung und Städterevitalisierung. Geplant wurde zudem die enge Zusammenarbeit im Bereich der Infrastrukturentwicklung und des Wohnungsbau. 1.3. Schwierigkeiten und Hindernisse für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Neben historischen Faktoren, trifft die deutsch-polnische Zusammenarbeit nach wie vor auf weitere grundlegende Schwierigkeiten. Eines der größten Probleme stellen Kommunikationsschwierigkeiten dar – besonders auf deutscher Seite mangelt es an Polnischkenntnissen. Zudem ist eine nicht ausreichende Kenntnis der Situation im Nachbarnland zu beobachten. Dazu kommen noch andere emotionale Hindernisse, wie zum Beispiel Angst. In Polen handelt es sich um die Angst vor dem Ausverkauf von polnischem Grund und Boden an Deutsche, die Deutschen dagegen fürchten einen Ansturm billiger Arbeitskräfte aus Polen14. Weitere Schwierigkeit in den deutsch-polnischen Beziehungen bereiten die immer noch lebendigen Stereotypen und Vorurteile, die innerhalb beider Gesellschaften stets zu beobachten sind. In den deutschen Medien wird nach wie vor ein negatives Polenbild (Grenzkriminalität, Autodiebstahl, polnische Schwarzarbeiter etc.) transportiert. Auch die Analyse von Tageszeitungen auf beiden Seiten der Grenze vor allem in den 1990er Jahren, erweckt den Eindruck, dass die deutsch-polnische Grenze ein einziger Streifen von Gewalt, verstärkter Kriminalität und psychischem Stress sei. Sie ist abstoßend, spannungsvoll und bedrohlich15. Diese Darstellung der Grenze hat sich jedoch in den letzten Jahren positiv verändert.
10 11 12 13 14 15
BARCZ, J./TOMALA, M., Polska Niemcy dobre ssiedztwo i przyjazna wspópraca, [Polen Deutschland, gute Nachbarschaft und freundliche Zusammenarbeit], Warszawa, 1992, S.28. Zum Beispiel: „Vereinbahrung über die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern 19.1.1991“ in: JAJESNIAK-QUAST/D., STOKLOSA, K., op.cit. S.153. Zum Beispiel: Projekt Saubere Neiße, Zgorzelec und Görlitz, in: OSEKOWSKI, Cz./ SZCZEGOLA, H., Euroregiony na pograniczu polsko-niemieckim (1991-1997), [Die Euroregionen in der polnisch-deutschen Grenzregion 1991-1997], Zielona Góra, 1994, S.244. So z.B.: 1992 Abkommen über gegenseitige Hilfe und Unterstützung zwischen den Feuerwehren in Guben und Gubin, in: JAJESNIAK-QUAST/D., STOKLOSA, K., op.cit., S.130. BUßMANN, A., Die dezentrale grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Deutschlands Nachbarländern Frankreich und Polen. Zur möglichen Übertragbarkeit des Karlsruher Übereinkommens auf die deutsch-polnische Grenzregion, Baden-Baden, 2005, S.24. Transodra, April/Mai 1993, S.38.
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Zu anderen Barrieren gehören: häufige Änderungen der Regierungen (Polen), Mangel an Finanzmitteln sowie die unpräzise oder fehlende Vorschriften.
2. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Regionen Alle deutschen Länder haben mittlerweile mit ihren angrenzenden polnischen Woiwodschaften sogenannte Regionalpartnerschaftsvereinbarungen abgeschlossen. So unterhält Mecklenburg-Vorpommern eine Regionalpartnerschaftsvereinbarung mit der Woiwodschaft Westpommern, Brandenburg mit den drei polnischen Woiwodschaften Westpommern, Lebuser Land und Niederschlesien, sowie der Freistaat Sachsen mit der Woiwodschaft Niederschlesien16. Das Marschallamt, ein Organ der lokalen Selbstverwaltung in Polen, koordiniert die internationale Zusammenarbeit in der Region. Wenn der Wille und das Interesse der Partner ausreichend stark sind, kommt es zur Unterzeichnung bilateraler Vereinbarungen (in Form einer Gemeinsamen Erklärung oder eines Vertrags) zwischen polnischen Woiwodschaften und deutschen Ländern. Da das Prozedere bezüglich des Abschlusses von Regionalpartnerschaftsvereinbarungen auf polnischer Seite sehr kompliziert und langwierig ist, geht eine nicht formale Kooperation meist einer solchen formalen Partnerschaft voraus17. Bilaterale Vereinbarungen werden vom Marschall der Woiwodschaft, auf der polnischen Seite, und auf deutscher Seite vom jeweiligen Ministerpräsident abgeschlossen. In einem solchen Vertrag werden Ziele, Bereiche, Erwartungen und konkrete Beispiele der Zusammenarbeit festgelegt18. Die Regionalpartnerschaften werden häufig auf mehrere Jahre abgeschlossen und falls sie nicht vorher gekündigt werden, werden sie automatisch verlängert. Im Fall einer Verwaltungsreform ist die Unterzeichnung von neuen Verträgen erforderlich19. Polen nahm nach 1989 einen grundlegenden Umbau seiner Verwaltung vor. Nachdem 1990 die kommunale Selbstverwaltung wiedereingeführt wurde, hat die Verwaltungsreform, die zum 1. Januar 1999 in Kraft getreten ist, die Zahl der Woiwodschaften von 49 auf 16 reduziert. Es wurden 314 Kreise und 65 Städte mit Kreisrecht eingerichtet und damit ein dreiteiliges Verwaltungssystem (Gemeinde, Kreis, Woiwodschaft) geschaffen20. Ein Beispiel für eine langdauernde und fruchtbare Kooperation ist die Regionalpartnerschaft zwischen dem Freistaat Sachsen und der Woiwodschaft Niederschlesien. Grundlage für die Zusammenarbeit ist die „Gemeinsame Erklärung“, die am 17. September 1999 in Görlitz unterzeichnet wurde. Beide Seiten beabsichtigten eine Zusammenarbeit in folgenden Bereichen: Kultur, Bildung, Wissenschaft und Forschung, Verkehrsinfrastruktur, Sicherheit und Justiz, Land16 17 18 19
20
BUßMANN, A., op.cit., S.37. CIOK, S., DOLZBLASZ, S., RACZYK, A., Dolny lsk. Problemy rozwoju regionalnego, [Niederschlesien. Die Probleme der Regionalentwicklung], Wrocaw, 2006. S.242. Ibid, S.242-243. DOLZBLASZ, S., „Midzynarodowa wspópraca regionów poudniowo-zachodniej Polski“, in: RDZANEK, G./STADTMULLER, E., Czowiek, region, pastwo w procesach globalizacji, regionalizacji oraz integracji, [Mensch, Region, Staat in den Globalisierungs-. Regionalisierungsund Integrationsprozessen], Wrocaw, 2004, S.290-291. GARSZTECKI, S., „Polnische Selbstverwaltung – Traditionen und aktuelle Entwicklungen“, in: BINGEN, D./RUCHNIEWICZ., K. (Hrsg.), Länderbericht Polen, Bonn, 2009. S.211.
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wirtschaft, Ernährung und Forsten, Umwelt und Raumplanung, Wirtschaft und Energiepolitik.
3. Euroregionen an der deutsch-polnischen Grenze In den 1990er Jahren erwiesen sich Euroregionen als eine neue Art von Kooperation entlang der Oder und Neiße. Sie spielten eine wichtige Rolle bei der Gestaltung und Entwicklung der Grenzregion. Entlang der deutsch-polnischen Grenze haben sich seit 1991 vier Euroregionen etabliert: die Euroregion Neiße–Nisa–Nysa (gegründet im Dezember 1991 vom Verband der polnischen Gemeinden Euroregion Nysa, von der deutschen Kommunalgemeinschaft Euroregion Neiße und vom regionalen Kommunalverband der Städte und Gemeinden Nordtschechiens); die Euroregion Spree–Neiße–Bober (gegründet im September 1993 vom Verband der Gemeinden der Republik Polen und dem deutschen Verein Euroregion Spree–Neiß–Bober); die Euroregion Pro Europa Viadrina (gegründet im Dezember 1993 vom Bund polnischer Gemeinden der Euroregion Pro Europa Viadrina und vom deutschen Verband Mitteloder), und die Euroregion Pomerania (gegründet im Dezember 1995 vom kommunalen Zweckverband der Gemeinden Westpommerns Pomerania, der Stadt Stettin und dem deutschen Kommunalverband Pomerania21). Die Vereinsmitglieder auf deutscher Seite sind natürliche Personen, Firmen, Vereine, Verbände sowie Kommunen. Auf polnischer Seite dagegen haben sich ausschließlich Kommunen zu Zwecksgemeinschaften zusammengeschlossen22. So zum Beispiel die Euroregion Neiße – sie ist eine „freiwillige Interessengemeinschaft deutscher, tschechischer und polnischer Gemeinden, Städte, Landkreise und weiterer Selbstverwaltungskörperschaften und anderer Institutionen ihres Raumes“. Diese Gemeinschaft hat jedoch keine eigene Rechtspersönlichkeit23. Die Organisationsstruktur der Euroregion besteht aus einem Präsidium, das mit den Vorsitzenden der drei Vereinigungen (Verband der polnischen Gemeinden Euroregion Nysa, deutsche Kommunalgemeinschaft Euroregion Neiße und regionaler Kommunalverband der Städte und Gemeinden Nordtschechiens) besetzt ist, der Rat der Euroregion, der aus zehn Vertretern der drei Seiten besteht und dem Sekretariat. Das Sekretariat besteht aus einem trilateralen Team von Koordinatoren24.
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OSEKOWSKI, Cz./SZCZEGOLA, H., op.cit., S.174; WALK, F., „Euroregionen an Binnen- und Außengrenzen der EU – Regionale und kommunale Kooperation in Grenzregion“, in: KNEIPP, D./STRATENSCHULTE, E. (Hrsg.), Staatskooperation in der EU und darüber hinaus, Opladen, 2003, S.158. DUMALA, H., „Europejskie ugrupowania wspopracy terytorialnej – nowe moliwoci dla polsko-niemieckich euroregionów“, in: JANCZAK, J./MUSICAL-KARG, M., Pogranicze polsko-niemieckie po 2004 roku. Nowa jak ssiedztwa?, [Die polnisch-deutsche Grenzregion nach 2004. Eine neue Qualität der Nachbarschaft?],Toru, 2009, S.67-68. Cf.http://www.neisse-nisa-nysa.org/fileadmin/documents/intern/rahmenvereinbarung. pdf (2.3.2010). KOWALKE, H., „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Ost und West – die neuen Euroregionen an der östlichen Außengrenze der EU. Das Beispiel Euroregion Neiße-NisaNysa“, in: GU, X., Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Regionen in Europa, BadenBaden, 2002, S.131.
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Die Arbeit der Euroregion wird hauptsächlich durch Beiträge der einzelnen Mitglieder der drei Länder sowie durch Beiträge fördernder Mitglieder, Spenden und Schenkungen finanziert. Die Aufgaben der Euroregion Neiße-Nysa-Nisa sind vor allem die Verbesserung des Informationsaustausches und der Kommunikation über die Grenze hinweg, sowie die Schaffung einer gemeinsamen, integrierten Urlaubs- und Tourismusregion Neiße. Die Gemeinschaft unterstützt auch die Interessen der Gemeinden und Landskreise sowie die Aktivitäten von Einzelnpersonen, die mit den euroregionalen Entwicklungszielen übereinstimmen25. Zwei Beispiele der zahlreichen Projekte in der Euroregion Neiße–Nisa–Nysa sind die Gründung der „Neiße Universität“ in Zusammenarbeit der Hochschulen Zittau-Görlitz, Wroclaw und Liberec, sowie die Entwicklung von Schüleraustauschprogrammen.
4. Görlitz und Zgorzelec – „Eine Stadt zweier Nationen“ Ein besonderes und interessantes Beispiel für die deutsch-polnische Zusammenarbeit sowie für die grenzüberschreitende Verwaltung stellen die geteilten Städte Görlitz und Zgorzelec dar. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren sie eine Stadt, die infolge der Entscheidungen in Jalta und Potsdam durch die neue Staatsgrenze getrennt wurden. Zu den bekanntesten Beispielen geteilter Städte gehören: Frankfurt an der Oder–Slubice, Guben–Gubin und Görlitz–Zgorzelec. Das letzte Paar soll im Weiteren besonders betrachtet werden. Görlitz ist eine Stadt im Bundesland Sachsen. Erste Erwähnungen über Görlitz (Villa Goerlitz) findet man in einem Dokument aus dem Jahr 107126. Einen bedeutsamen Einfluß auf die Entwicklung der Stadt hatte ihre gute, geographische Lage. Durch Görlitz führte die bekannte Via Regia27, ein wichtiger Handelsweg von Santiago de Compostella in Spanien nach Kiev. Die Stadt gehörte zur böhmischen und piastischen Krone, und infolge des Dreißigjährigen Krieges zum sächsischen Kürfürstentum. Nach dem Wiener Kongress wurde Görlitz 1815 Preußen zugeschlagen. Durch die Grenzziehung an Oder und Lausitzer Neiße verlor Görlitz die östlichen Stadtteile Görlitz–Moys, Görlitz–Ober Moys und Görlitz–Ost. Der östliche Stadtteil Görlitz wurde schließlich nach langen Überlegungen Zgorzelec benannt. 4.1. Rechtliche Grundlagen der Zusammenarbeit Rechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Görlitz und Zgorzelec ist der am 29. April 2004 geschlossene Partnerschaftsvertrag, der eine Erneuerung der Verträge von 1991 und 1993 war. Die beiden Städte unterzeichneten schon in den 1980er Jahren den ersten Partnerschaftsvertrag, der als Grundlage für die späteren Verträge galt. Ziel dieser Partnerschaft ist laut der Vereinbarung „die Vertiefung der Zusammenarbeit, um die Einwohner beider Städten einander näher zu bringen“. Beide Seiten möchten mit ihrer Kooperation die europäische 25 26 27
Rahmenvereinbarung der Euroregion Neiße–Nisa–Nysa, cf. http://www.neisse-nisa-nysa. org/fileadmin/documents/intern/rahmenvereinbarung.pdf (2.3.2010). BENA W., Polskie Górne uyce, [Die polnische Oberlausitz], Zgorzelec, 2003. S.502. Bekannt auch als Jakobsweg.
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Integration unterstützen und ein gemeinsames Image als „Europa-Stadt“ entwickeln28. Dank der Partnerschaftsvereinbarung war es möglich, Mechanismen eines gemeinsamen Entscheidungsprozesses zu schaffen. Und so wird die Zusammenarbeit von der mit einer entsprechenden Vereinbarung geschaffenen Koordinationskommission (KK) gestaltet. Die Kommission wird vom ersten Stellvertretenen Bürgermeister von Zgorzelec und dem Vize-Oberbürgermeister der Stadt Görlitz geleitet. Die anderen Mitglieder der Kommission werden von den beiden Bürgermeistern ernannt29. Zur Durchführung von Ideen und gemeinsamen Projekte wurden zahlreiche Arbeitsgruppen und zeitweilige Projektgruppen eingerichtet. Diese sind verpflichtet, einmal im Jahr der KK Berichte über die Ergebnisse ihrer Arbeit vorzulegen30. Diese Organe arbeiten in allen Bereichen des Alltags zusammen: Wirtschaft, Bauwesen, Stadtplanung, Infrastruktur; Umweltschutz, Kommunalbereich, Gesundheit, Kultur, Tourismus, Sport, Jugend, Schulwesen sowie Sicherheit und Ordnung. Einen besonderen, wenn auch eher symbolischen Höhepunkt der Zusammenarbeit erreichten die beiden Städte vor einigen Jahren. Am 5 Mai 1998, während einer gemeinsamen Stadtratsversammlung, wurde die Proklamation der Europastadt Görlitz/Zgorzelec unterzeichnet. „Europa, ist die Zukunft unserer Städte“31 – so lautete der Leitgedanke des unterzeichneten Dokumentes. Das bedeutet, dass beide Städte durch eine lebendige Partnerschaft die Stellung der jeweiligen Regionen innerhalb der Europäischen Union (EU) stärken wollen. Ulf Großmann, Oberbürgermeister von Görlitz, sagte in seiner Rede nach der Unterzeichnung der Proklamation, dass die Wirbelsäule der Europastadt durch den Abbau von Vorurteilen und das Entstehen von guten Kontakten auf der zivilgesellschaftlichen Ebene in allen Lebensbereichen geschaffen wird32. Das Konzept der Europastadt lautet wie folgt: „Die Europastadt – ein Ergebnis geschichtlicher Ereignisse – wird durch deutsche und polnische Bürger bewohnt. Es vereint sie eine gemeinsame Kultur. Gemeinsam wollen sie Probleme der Bildung, der Kultur, des Sports, der Wirtschaft und der kommunalen Selbstverwaltung lösen. (...) Die Entwicklung hin zu einer sich auf zwei Nationen erstreckenden Europastadt ist aber noch nicht abgeschlossen und wird als gemeinsame Herausforderung angesehen. Sie wird begleitet durch die schrittweise Integration der Republik Polen in die EU. Europa ist die Zukunft beider Städte. Hieraus leiten beide Städte für sich das gemeinsame Ziel ab, sich im Rahmen einer immer engeren Zusammenarbeit zu einer Europastadt zu entwickeln“33. In einem erarbeiteten Strukturkonzept wurden die Hauptziele der Europastadt erfasst. Dazu gehörten unter anderen: die Erarbeitung eines gemeinsamen Stadtentwicklungskonzeptes, eines gemeinsamen Stadtmarketing, der Wiederaufbau der Altstadtbrücke, die Förderung und Unterstützung lokaler Einrich28 29 30 31 32 33
Partnerschaftsvertrag zwischen der Stadt Zgorzelec und Stadt Görlitz vom 29.4.2004, Art. 3. Ibid, Art. 4. Ibid, Art.5. Proklamation der Europastadt Zgorzelec/Görlitz, 5.5.1998. Eurpa-Miasto, Kurier Tygodnik Poudniowo-Zachodni, Nr 27, 1998. Strukturkonzept der Europastadt Zgorzelec/Görlitz, 5.5.1998.
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tungen, Vereine und Verbände der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit34. Obwohl die Europastadt Görlitz und Zgorzelec eher einen symbolischen Charakter hat, ist seit der Unterzeichnung der Proklamation das nationale und internationale Interesse für die Entwicklung der Europastadt gestiegen. Die Verwaltungen der beiden Städte streben stets die Entwicklung einer Gemeinschaft an, sowohl von Menschen als auch bei Entscheidungsprozessen. Allerdings gibt es keine rechtlichen Grundlagen, die eine Gemeinschaft der Verwaltung vorsehen würden. In Zgorzelec und Görlitz werden daher gemeinsame Absichtserklärungen35 und Stellungnahmen36 vorbereitet37. Ein Beispiel wird im Folgenden die Absichtserklärung zur Erstellung eines gemeinsamen Stadtmarketing sein. Laut Stadtverwaltungen ist die Promotion für Görlitz und Zgorzelec sehr wichtig, weil es nur so möglich ist, strategische Investoren für die Städte zu gewinnen, was zu einer Belebung der Wirtschaft in der Region führen würde. Neue Investitionen sind für diese Städte enorm wichtig, vor allem für Görlitz38, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist und man den ständigen Abfluss von Menschen in die westlichen Bundesländer zur Arbeitssuche beobachten kann. Anlässlich des zweiten Jahrestags der Proklamation der Europastadt, am 5. Mai 2000, unterschrieben der Bürgermeister von Zgorzelec und der Oberbürgermeister von Görlitz eine Absichtserklärung zur Erstellung eines gemeinsamen Stadtmarketings. Ziel der gemeinsamen Werbeanstrengungen wird das langfristige Bestehen der Europastadt zwischen den internationalen Konkurrenten sowie das einander Näherbringen der Städtebewohner sein39. Zur Realisierung der oben genannten Ziele wurde ein gemeinsamer Planungs- und Koordinierungprozess entwickelt. Mit Hilfe verschiedener Mittel sollte die internationale Präsenz der Europastadt unterstützt werden. Es entstand ein Paket von Prospekten, die Informationen über beide Städte beinhalten, das unter anderem während der gemeinsamen Teilnahme an Messen zur Nutzung kommen soll. Zur den gemeinsamen Initiativen im Rahmen des Stadtmarketing gehörten auch die Erstellung und Veröffentlichung einer Europastadtchronik, eine gemeinsame Präsentation im Internet, Infobroschüren, ein digitaler Stadtplan sowie die Arbeit an einem gemeinsamen Logo. Die beiden Seiten haben sich darauf geeinigt, diese Ziele gemeinsam mit Hilfe der europäischen Finanzmittel zu verfolgen. Görlitz und
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39
Ibid. Gemeinsame Erklärung der Europastadt „Die Stadt und die Behinderten“ vom 29.5.2006. Gemeinsame Stellungnahme der Stadträte zur Anerkennung der Kinderrechtskonvention vom 5.5.2003. JANCZAK, J., „Cross-border governance jako koncepcja wspólnego zarzdzania miastem podzielonym. Efektywno w warunkach czlonkowstwa w UE“, in: JANCZAK, J./MUSICAL-KARG, M., op.cit., S.228. Seit Mitte der 1950er Jahre verliert Görlitz stetig an Bewohnern. Die Gründe dafür liegen einerseits in der Randlage der Stadt (Entfernung von den großen Industriezentren). Anderseits verlor Görlitz durch noch zu DDR-Zeiten getroffene Entscheidungen seine wirtschaftliche Unabhängigkeit. Vor allem junge Leute verlassen die Stadt, was zum Sinken der Geburtenzahlen führt. Die Gründe für die Abwanderung sind: ungünstige Situation am Arbeitsmarkt, schlechte Chancen für die berufliche Entwicklung, fehlende Freizeitangebote, Randlage, cf. BAST-HAIDER, K./DRAUSCHKE, P., „Zarys problemów historyczno-ekonomicznych w niemieckiej czci Euroregionów Nysa i Pro Europa Viadrina“, in: KURCZ, Z. (Hrsg.), Pogranicze z Niemcami a inne pogranicza Polski, [Die Grenzregion mit Deutschland und die anderen Grenzregionen Polens], Wrocaw, 1999, S.86-87. Die Absichterklärung zu Vorstellungen eines gemeinsamen Stadtmarketings vom 5.5.2000.
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Zgorzelec präsentieren sich gemeinsam auf Messen in Polen und Deutschland, nehmen an Kongressen und Symposien gemeinsam teil. 4.2. Kulturelle Zusammenarbeit In der Zusammenarbeit der Städte spielen kulturelle Initiativen eine sehr wichtige Rolle. Schon seit 1992 wurden gemeinsame Veranstaltungen in diesem Bereich geplant und durchgeführt. Dazu zählten unter anderen Konzerte, Foto- und Kunstaustellungen, Sportereignisse sowie Theatervorführungen40. Die Liste der gemeinsamen Initiativen ist lang. Einige Veranstaltungen finden regelmäßig statt, andere mussten leider nach einigen Jahren vom kulturellen Kalender der Europastadt gestrichen werden. Seit Mitte der 1990er Jahren wird in Zgorzelec und Görlitz jedes Jahr ein Kinderfest „Wir Neißekinder“ organisiert. Das Programm des Festes wird gemeinsam von der Stadtverwaltung, der Stadthalle in Görlitz, der Stadtverwaltung Zgorzelec und dem Miejski Dom Kultury geplant und durchgeführt. Die Kinder beider Neißeufer haben an diesen Tagen die Möglichkeit an zahlreichen Freiluftfesten, Sportveranstaltungen und Theatervorführungen gemeinsam teilzunehmen41. Eine der größten und interessantesten Ereignisse im Leben der Europastadt ist das Internationale Straßentheaterfestival Via Thea. Es wird seit 1995 in Zgorzelec und Görlitz organisiert. Das Straßentheater hat die enorme Möglichkeit, Barrieren zwischen den Gesellschaften zu überwinden. Hier ist die Fremdsprache kein Hindernis, weil ja andere Formen der Darstellung benutzt werden. Diese Veranstaltung wird in Zusammenarbeit des Kulturamtes der Stadtverwaltung in Görlitz und der Abteilung für Bildung, Kultur und Sport des Stadtrates in Zgorzelec organisiert. Seit 1993 in Görlitz und seit 2001 in der Europastadt Görlitz/Zgorzelec wird der „Internationale Brückepreis“ vergeben. Dies ist eine Auszeichnung für die Personen, die sich aktiv für die Verständigung zwischen den Ländern Ost- und Westeuropas engagieren. Der Preis wird verliehen durch den Verein zur Förderung des Internationalen Brückenpreises der Europastadt Görlitz/Zgorzelec42. Zu den Preisträgern gehören unter anderem: Marion Gräfin von Doenhoff (Deutschland), Adam Michnik (Polen), Jiri Grusa (Tschechen), Freya von Moltke, Arno Lustieger, Wadysaw Bartoszewski (Polen). Im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit haben sich Görlitz und Zgorzelec gemeinsam um den Titel der „Kulturhauptstadt Europas 2010“43 beworben. Um den Titel konkurrierten Städte aus Deutschland und Ungarn. Die Konkurrenz der Europastadt war stark, unter anderem: Essen/Ruhrgebiet, Karlsruhe, Lü40 41 42 43
Ausführlicher darüber in: DOBRZYNSKI, Z./FOKT, K., Pod stuletni kopu (skarbnica wspomnie), [Unter der hundertjährigen Kuppel. Die Schatzkiste der Erinnerungen], Zgorzelec, 2003. Ibid., S.151. Bestimmungen für die Verleihung des Internationalen Brückenpreises der Europastadt Görlitz/Zgorzelec, in: http://www.brueckepreis.de/index.jsp?p_lang=de&p_contrib=175& details=true (2.3.2010). Die Idee des Wettbewerbs wurde Anfang der 1980er Jahren von der griechischen Kulturministerin Melina Mercouri entwickelt. Sie wollte durch das Projekt die Einwohner Europas näher zu einander bringen. Seit 1985 vergibt die Europäische Union jedes Jahr den Titel der Kulturhauptstadt Europas. Als erste hat den Wettbewerb Athen gewonnen, cf. BAUMGART, P., „From the middle of nowhere to the hart of Europe“, ZeitenSprung, Magazin zur Bewerbung der Europastadt Goerlitz/Zgorzelec um den Titel Kulturhauptstadt Europa 2010, Goerlitz, 2004, S.11.
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beck, Potsdam. Anfang 2005 entschied die Jury des Projekts, dass Essen und Görlitz/Zgorzelec in der Finaletape sind. Die Endentscheidung oblag jedoch der Europäischen Kommission. Die Koordination des Projektes übernahm Peter Baumgart. Mit Hilfe eines Teams koordinierte er zahlreiche Veranstaltungen und Initiativen, die zu einem Erfolg im Wettbewerb führen sollten. Diese Maßnahmen sollten außer der Unterstützung von Kunst auch eine ökonomische, ökologische sowie kommunale Verbindung zwischen den Städten schaffen. Das Rahmenkonzept der Bewerbung sah die Realisation von fünf Hauptprojekten vor: „der Brückenpark – eine neue Urbanität; die Grenzgänge mit ihren drei Jahrtausenden im Spiegel der Künste; die Via Regia als Dialog der Horizonte; das Görlitzer Millionenmärchen der Steinernen Chronik und die Berzdorfer See als ein (Nieder-) Schlesisches Himmelreich“44. Die Endentscheidung der Jury fiel für Görlitz und Zgorzelec nicht positiv aus. Essen und das Ruhrgebiet wurden zur Kulturhauptstadt Europas gewählt. Die Grundlage für die Niederlage könnte man in der fehlenden Kommunikation zwischen beiden Seiten sehen. Der Großteil der Einwohner von Zgorzelec wusste nichts über die Bewerbung ihrer Stadt im Wettbewerb. Auch das Interesse der polnischen Seite an gemeinsamen Projekten war gering. Oft war das nicht ihre Schuld. Sie wurden einfach von den deutschen Koordinatoren nicht zur Zusammenarbeit eingeladen. Trotz der Niederlage muss man unterstreichen, dass sich der Zeitraum der Vorbereitung auf den Wettbewerb positiv auf die Situation und die internationale Bekanntheit der Europastadt auswirkte. 4.3. Grenzüberschreitende Kooperation in der Bildung Eine der interessanten und gemeinnützigen Ideen der Kommission war, dass deutschen und polnischen Kindern der gemeinsame Besuch des Kindergartens ermöglicht werden sollte. Bereits 1994 hatten die Bürgermeister beider Städte die gemeinsame Entscheidung über die Entstehung eines deutsch-polnischen Kindergartens getroffen. Es dauerte lange, bis das Projekt zu Stande kam. 2003 wurde schließlich der erste bi-nationale Kindergarten „Zwergenhaus“ in Görlitz eröffnet. Laut Entschluss der Kommission sind für Kinder aus Zgorzelec 14 Plätze vorgesehen45. Leider haben diese Kinder nach dem gemeinsamen Besuch des Kindergartens noch keine Möglichkeit zusammen die Grundschule in Görlitz oder in Zgorzelec zu besuchen. Die Verwirklichung einer solchen Idee verlangt viele Veränderungen, wie z.B. neue Schulbücher und Entwicklung neuer Lehrprogramme, was die Kompetenz der Stadträte weit überschreitet. Nichts desto trotz verbleiben die Grundschulen in diesen Städten in einer engen Kooperation. Eine andere Initiative ist eine bilinguale Gymnasialklasse in Görlitz. Wie schon erwähnt, können die wichtigen Entscheidungen im Schulwesen nicht durch die Koordinationskommission selbst getroffen werden. Es wurde eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Regionalen Schulamt in Bautzen und dem Niederschlesischen Bildungskuratorium getroffen. Die Schüler beider Länder erlernen die jeweilige Fremdsprache in der 5. und 6. Klassenstufe getrennt in 44 45
Antrag–Kulturhauptstadt Europas 2010 Görlitz/Zgorzelec, in: http://www.bip.zgorzelec. iap.pl/2219,5783/5783/art2058.html. (2.3.2010). Protokoll der Koordinationskommission Zgorzelec/Görlitz vom 22.1.2003, Abteilung für Sport und Bildung des Stadthauses in Zgorzelec.
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ihren Heimatländern und werden in der Klassenstufe 7 dann in einer gemeinsamen binationalen Klasse am Augustum-Annen-Gymnasium Görlitz zusammengeführt. Als Abschluss erhalten die deutschen und polnischen Schüler und Schülerinnen das deutsche Abitur sowie ein Zertifikat über den erfolgreichen Besuch des Bildungsganges46. Die angestrebte hohe sprachliche Bildung sichert den Absolventen besonders gute berufliche Chancen in der Grenzregion und soll dazu beitragen, die Abwanderung hoch qualifizierter junger Menschen zu reduzieren. Die Lehre in dieser Klasse beruht auf der Grundlage der Vorschriften und des Bildungsprogramm des Freistaates Sachsen. Die Fächer werden hauptsächlich von deutschen Lehrern in deutscher Sprache unterrichtet47. Nur ein zusätzliches Fach, dies aber auf Polnisch, wird von einem vom niederschlesischen Bildungskuratorium delegierten Lehrer unterrichtet. Während der Arbeit am AugustumAnnen-Gymnasium müssen sich die polnischen Lehrer der deutschen Schulleitung unterordnen48. 4.4. Infrastruktur: Buslinie, Intertaxi, Altstadtbrücke Ein sehr interessantes Beispiel der Kooperation in Görlitz und Zgorzelec sind gemeinsame Unternehmen in der Infrastruktur. Die Zusammenarbeit in diesem Bereich gehört zu einer der schwierigsten, da diese einerseits große Finanzmittel erfordert und sie andererseits häufig mit den Interessen der einzelnen Bewohner kollidiert49. Nichtsdestotrotz wurden seit 1990 viele gemeinsame Initiativen in diesem Bereich durchgeführt. Bis 1989 existierte in dieser Region nur ein Grenzübergang. Angesichts der permanenten Zuwachsraten im Verkehr seit Beginn der 1990er Jahren wurde dieser Grenzübergang zu klein. Dies führte zur großen Belastung, sowohl für die Zollbeamten als auch für die Einwohner der Grenzstädte. 1994 wurde der Autobahngrenzübergang Ludwigsdorf–Jedrzychowice eröffnet. Anfangs war er nur für den Lastwagen (LKW)-Verkehr gedacht, allerdings war auch dies schon eine große Entlastung für die beiden Städte. 1996 wurde der Grenzübergang zusätzlich für Personenwagen (PKW)-Verkehr zugelassen50. Eine Initiative, die die Bedürfnisse beider Seiten erfüllt, ist die seit 1991 existierende grenzüberschreitende Buslinie. In den ersten Jahren verkehrte nur eine Linie zwischen dem Postplatz Görlitz und dem Hauptbahnhof von Zgorzelec. Seit 2000 wurde die Linie verlängert. Die zweite deutsch-ponische Buslinie Görlitz Königshufen–Ludwigsdorf Grenzübergang–Zgorzelec Busbahnhof wurde am 14 März 1999 in Dienst gestellt. Am 1. Februar 1993 wurde auch eine Vereinbarung über den grenzüberschreitenden Einsatz von Intertaxen unterzeichnet.
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Binationaler-bilingualer deutsch-polnischer Bildungsgang, in: http://www.anne-augustum. de (2.3.2010). Ibid. Ibid. JANCZAK, J., „Cross-border governance jako koncepcja wspólnego zarzdzania miastem podzielonym. Efektywno w warunkach czlonkowstwa w UE“ op.cit., S.231. TROST, A., „Die Europastadt Goerlitz/Zgorzelec – Eine kurze geographische Betrachtung der aktuellen Entwicklung“, in: MARGUARDT, U./FAUST, N. (Hrsg.), Görlitz. Von der mittelalterlichen Handelstadt zur Grenzstadt an der Neiße. Nahe Ferne, ferne Nahe, Görlitz/Zittau, 2000, S.283.
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Nach dieser bekamen vierzig Taxifah-rer aus jeder Stadt das Recht, die Grenze überqueren zu dürfen, ohne warten zu müssen51. Seit Anfang der 1990er Jahre verbindet Zgorzelec und Görlitz die Idee eines Wiederaufbaus der in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs gesprengten Altstadtbrücke. Noch 1996 signalisierten die Bürgermeister der Grenzstädte den Bedarf nach einer weiteren Verbindung beider Neiße Ufer. Allerdings sind erste Versuche einer Einigung zwischen den Regierungen gescheitert. Erst 2000 wurde das Projekt des Aufbaus der Brücke akzeptiert. Im Jahre 2002 unterschrieben die Regierungen der RP und der BRD ein Abkommen über die Schaffung eines neuen Grenzübergangs zwischen Görlitz und Zgorzelec52. Der neue Grenzübergang ist nur für Fußgänger- und Fahrradverkehr gedacht. Die Einweihung der Altstadtbrücke feierten die beide Städten am 20. Oktober 2004. Der Bau dauerte 18 Monate und wurde hauptsächlich aus deutschen Mitteln finanziert. Seit ihres Wiederaufbaus hat diese Brücke einen symbolischen Charakter für die Stadtoberhäupter sowie die Bewohner der geteilten Städte, deren Motto lautet: „Brückenbauen“. Jedes Jahr treffen sich die Deutschen und Polen auf der Altstadtbrücke um gemeinsam das „Altstadtfest“ (Görlitz) und die Jakuby (Zgorzelec) zu feiern. In Jahr 2003 entwickelte sich in den beiden Grenzstädten die Idee eines neuen, grenzüberschreitenden Projektes. Dies sah den Bau einen Straßenbahnlinie vor, die die beiden Städte verbinden würde. Man hat eine Reihe von Untersuchungen durchgeführt, um die beste Variante zu entwickeln. Untersucht wurden unterschiedliche Faktoren, wie die Bevölkerungsstruktur und -verteilung in den Städten, die Stärke des Straßen- und Grenzverkehrs sowie die Mobilität der Einwohner. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wurden vier Konzepte einer zukünftigen Straßenbahnlinie erstellt53. Leider gibt es immer noch viele Probleme und Uneinigkeiten, welche die Realisierung des Projekts verhindern, wie z.B. die Finanzierung des Unternehmens. Folgt man den Ideengebern, hat die Straßenbahnverbindung eine enorme Bedeutung für die beiden Städte, weil sie die Mobilität der Bewohner erleichtern wird. Leider scheinen die Bewohner selbst eher nicht an dem Projekt interessiert zu sein. Zum geplanten Treffen zum Thema des Baus von Straßenbahnlinien kamen nur 15 Personen, wobei die Mehrheit der Teilnehmenden aus Görlitz war54. Das bedeutet, dass die angestrebte Zusammenarbeit, bzw. der Aufbau einer grenzüberschreitenden Gemeinschaft im Moment nur ein Wunsch der Beamten ist. Die Bewohner der Städte Görlitz und Zgorzelec sind nicht besonders daran interessiert. Das Zusammenleben begrenzt sich offensichtlih immernoch weitgehend auf die Erfüllung kommerzielle Bedürfnisse wie Einkaufen und Dienstleistungen. Es gibt bis jetzt keine Straßenbahnlinie, die beide Neißeufer verbinden würde.
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JAJESNIAK-QUAST/D., STOKLOSA, K., op. cit., S.105. Abkommen vom 13.3.2002 zwischen Regierung der BRD und Regierung RP über Erstehung des Grenzüberganges Görlitz/Zgorzelec (Altstadtbrücke). Machbarkeitsstudium für einen grenzüberschreitenden Straßenbahnbetrieb in der Europastadt Görlitz–Zgorzelec, Kurzfassung, S.13. „Linie tramwajowe w Zgorzelcu“, Gazeta Powiatowa dolny lsk 10, 23.3.2003, S.8.
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4.5. Das Projekt „Stadt 2030 – Gemeinsames Leitbild für die Europastadt Görlitz/Zgorzelec“ Zgorzelec und Görlitz nahmen 2002-2004 am Ideenwettbewerb „Stadt 2030“ teil. Das Projekt wurde vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung ins Leben gerufen. Es richtete sich an die Städte und Städteverbünde. Sie sollen in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen neue Wege zur Entwicklung von umfassenden Zukunftskonzeptionen erproben. Zur Förderung wurden 21 Städte und Städteverbünde ausgewählt, darunter Görlitz/Zgorzelec mit dem Projekt „Stadt 2030 – Gemeinsames Leitbild für die Europastadt Görlitz“ und Guben/Gubin als die einzigen grenzüberschreitenden Städtepaare55. Bei diesem Projekt arbeiteten die Städte Zgorzelec und Görlitz mit dem Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) zusammen56. Es wurden Facharbeitsgruppen der Stadtverwaltungen ins Leben gerufen. Man hat auch zahlreiche weitere Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und sonstigen gesellschaftlichen Institutionen zur Mitarbeit beider Städte eingeladen. Das Projekt hat sowohl einen wissenschaftlichen als auch politischen und urbanistischen Charakter. Bei der Durchführung des Projektes stellten sich stets die folgenden Fragen: Unter welchen Bedienungen und wie können diese beiden Städte eine Stadt zweier Nationen werden, eine Stadt, in der gemeinsam geplant oder gemeinsam verwaltet wird? Im Rahmen des Projektes wurden auf zahlreichen Veranstaltungen57 mögliche Entwicklungen und wichtige strategische Projekte diskutiert sowie Schwerpunkte für weitere Kooperation gesetzt. Aus einer Vielzahl von Ideen und Vorschlägen wurden solche ausgewählt, die prioritäre Bedeutung hatten: Die Schaffung eines grenzüberschreitenden Wirtschaftsraumes, einbinationales Europasekretariats zur Umsetzung der strategischen Projekte, sowie die Gestaltung gemeinsamer Stadtentwicklung. Die meisten dieser Vorschläge wurden schon realisiert. Görlitz und Zgorzelec haben in den letzten Jahren viel erreicht. Die Stadtverwaltung, gesellschaftliche und kulturelle Einrichtungen sowie Schulen arbeiten zusammen. Es liegt aber immer noch ein langer Weg vor ihnen, wenn sie das Niveau ihrer Vorbilder, d.h. der Städte an der deutsch-französischen Grenze erreichen wollen.
Fazit Die deutsch-polnische Grenzregion war 1945-1989 ein Brennpunkt der Geschichte Europas. Erst nach der Unterzeichnung der Verträge über die Bestätigung der bestehenden Grenze und über gute Nachbarschaft und freundliche Zusammenarbeit durch Bundesrepublik Deutschland und Republik Polen eröffneten sich Anfang der 1990er Jahre erste Möglichkeiten für eine Kooperation zwischen Grenzregionen und Grenzstädten. Leider verlangsamte der Mangel an Sonder55 56 57
KSIAZEK, K./KUNERT, M. (Hrsg.) Stadt 2030 – Gemeinsames Leitbild für die Europastadt Görlitz/Zgorzelec. Grenzüberschreitende Leitbildentwicklung in einer Stadt zweier Nationen, Dresden, 2004, S.13. Ibid. S.14. Unter anderem: Sommerakademie, Szenariokonferenz, Perspektivenwerkstatt.
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und Ausnahmereglungen zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Kooperation in der Grenzregion die Entwicklung der Zusammenarbeit. Erst der Beitritt Polens zur EU brachte eine Verbesserung auf diesem Gebiet. Eine große Rolle in der Entwicklung von Kooperationen im Grenzgebiet hatte die Gründung der ersten Euroregionen in der Grenzregion. Ihre Wirkung wies den Weg für weitere grenzüberschreitende Projekte und Initiativen. Dann folgten erste Regional- und Städtepartnerschaften. Man kann die Kooperation in der deutsch-polnischen Grenzregion auf vielen Ebenen und in unterschiedlichen Bereichen beobachten: Wirtschaft, Bauwesen, Stadtplanung, Infrastruktur, Umweltschutz, Kommunalbereich, Gesundheit, Kultur, Tourismus, Sport, Jugend, Schulwesen sowie Sicherheit und Ordnung. Am Beispiel der durch Oder und Neiße geteilten Städte wie Görlitz und Zgorzelec lässt sich am besten die Zusammenarbeit darstellen. Man kann beobachten, dass die Verwaltungen beider Städte stets nach der Entwicklung gemeinsamer Entscheidungsprozesse streben. Jedoch fehlen immer noch Vorschriften, die eine solche Gemeinschaft institutionalisieren würden. In Zgorzelec und Görlitz werden daher gemeinsame Absichtserklärungen und Standpunkte entwickelt. Zu den größeren Erfolgen der beiden Städte zählt auf jeden Fall der gelungene Aufbau gemeinsamer Koordinationseinrichtungen, die die Zusammenarbeit organisieren und durchführen. Eine Vision vieler Wissenschaftler und städtischen Akteure hinsichtlich der Schaffung einer Stadtverwaltung mit einem Bürgermeister für beide Zwillingsstädte wurde noch nicht erfüllt. Ob es zu einer solchen Gemeinschaft überhaupt kommt, werden wir noch im Laufe der Jahre beobachten können. Eins ist aber sicher: Solange noch keine Gemeinschaft der Menschen existiert, sollte man diese Vision zunächst eher zurückstellen. Laut neusten Umfragen, die in Zgorzelec und Görlitz durchgeführt wurden, identifizieren sich sowohl Deutsche als auch Polen nur mit ihrem eigenen Stadtteil58. Man weiß zwar die günstige Lage der beiden Städte zu schätzen, aber immer wieder sprechen die Unterschiede in den Mentalitäten und immer noch aktuelle „alte“ Vorurteile gegen eine Zusammenführung der beiden Seiten. Vor allem die Deutschen sehen ihre polnische Nachbarstadt primär als einen Ort, an dem man günstige Dienstleistungen genießen kann. Zusammenfassend funktioniert die Kooperation in den Grenzstädten vor allem dank der Projekte der Bürgermeister und deren Mitarbeiter. Dies wird auch von den Einwohnern beider Seiten so gesehen. Erst wenn diese Barrieren zwischen den Bewohnern überwunden sind, kann man über die Perspektive einergemeinsamen Verwaltung in der Grenzregion nachdenken.
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OPILOWSKA, E., Kontinuitäten und Brüche deutsch-polnischer Erinnerungskulturen. Görlitz/Zgorzelec 1945-2006, Dresden, 2009.
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LA COOPÉRATION GERMANO-POLONAISE COMME FORME CLASSIQUE DE LA COOPÉRATION TRANSFRONTALIÈRE Dans le cadre de l’implosion du régime communiste en Europe centrale et orientale et de la réunification allemande, une nouvelle situation est née à la frontière germano-polonaise. La Pologne a instauré progressivement de nouvelles relations économiques, culturelles et sociales avec l’étranger. De nombreuses restrictions furent levées tandis que l’obligation de visa fut abolie. Tout ceci a entrainé de nouvelles activités et une coopération le long de la frontière. Un nouveau cadre des relations germano-polonaises et par conséquent de la coopération transfrontalière a conduit à la signature le 14 novembre 1990 du traité sur la reconnaissance de la frontière existante entre l’Allemagne et la Pologne et du traité du 17 juin 1991 sur le bon voisinage et la coopération harmonieuse. Suite à l’adoption des traités s’est mis en place le premier partenariat entre les régions et les villes aux abords de la frontière. La coopération s’est affichée principalement dans le système scolaire, dans le système de santé, dans le domaine environnemental, entre les pompiers, dans le domaine communal ainsi que dans la participation commune à des congrès, les projets communs d’aménagement du territoire et de rénovation urbaine, le développement d’infrastructures et la construction. L’ensemble des Länder allemands a conclu entre temps des accords de coopération régionale avec les provinces polonaises voisines. Ainsi le Land de Mecklembourg-Poméranie occidentale a signé un accord avec la province polonaise de Poméranie-occidentale, le Brandebourg avec les trois provinces polonaises de Poméranie-occidentale, Lubusz, Basse Silésie et la Saxe avec la Basse Silésie. Une autre forme de la coopération le long de la frontière occidentale se matérialise par les Eurorégions. Dans les années 1990 quatre eurorégions se sont créés le long de la frontière Oder-Neie : l’eurorégion Nei e-Nisa-Nysa, l’eurorégion Spree–Neiße–Bober, l’eurorégion Pro Europa Viadrina et l’eurorégion Pomerania. Un exemple particulier et intéressant pour la coopération germano-polonaise ainsi que pour l’administration transfrontalière est représenté par la ville de Görlitz-Zgorzelec qui s’étend des deux côtés de la Neie. Le traité de partenariat conclu le 29 avril 2004 sert de base juridique à la coopération entre Görlitz et Zgorzelec. Grâce à lui, il fut possible de créer les mécanismes d’un processus de décision commun. La coopération est façonnée par la commission de coordination. Des groupes de travail et des groupes de projet ont été mis en place pour réfléchir à des idées et des projets communs. Ces organes travaillent ensemble dans tous les domaines du quotidien : l’économie, la construction, la planification urbaine, les infrastructures, la protection de l’environnement, le domaine communal, la santé, la culture, le tourisme, le sport, la jeunesse, l’enseignement ainsi que la sécurité et l’ordre. Les administrations des deux villes se rencontrent régulièrement afin de préparer des déclarations d’intention et de formuler des prises de position. Parmi les succès de leur coopération transfrontalière, il faut citer la désignation de la ville Görlitz-Zgorzelec comme ville européenne ainsi que leur participation commune au concours d’idées sur la « ville de 2030 », mais aussi le jardin d’enfants germano-polonais, la classe binationale de lycée, Via Thea, le prix du pont international, la ligne de bus ou encore la construction du pont de la vieille
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ville. Cette coopération fut avant tout possible grâce à l’initiative des maires et de leurs collaborateurs. Il ne faut pas oublier que la coopération transfrontalière fait face à des difficultés profondes, parmi lesquelles les problèmes de communication ou la connaissance trop faible de la situation du voisin. Par ailleurs les stéréotypes et les préjugés tiennent encore une place importante au sein des deux sociétés. En outre, les barrières que représentent les changements de gouvernement fréquents en Pologne, le manque de financement et les réglementations imprécises ou inexistantes demeurent. Ainsi, une véritable gouvernance transfrontalière dans la région germano-polonaise ne semble envisageable que lorsque les barrières de communication entre les populations seraient levées.
GERMAN-POLISH COOPERATION AS A FORM OF CLASSICAL BORDER COOPERATION As part of the implosion of Communism in Central and Eastern Europe and of German reunification, a new situation arose at the border between Germany and Poland. Poland progressively introduced new economic, cultural and social ties with other countries. Many restrictions were lifted whilst the visa requirement was abolished. All this resulted in new activities and co-operation along the border. A new framework for relations between Germany and Poland, and therefore cross-border cooperation, led to the signing of the treaty on the recognition of the border between Germany and Poland on 14 November 1990 and the treaty of 17 June 1991 on good neighbourliness and amicable cooperation. Following the adoption of these treaties, the first partnership between the regions and cities near the border was established. At local council level, cooperation was mainly in the school and health systems, in the environmental field, between fire brigades, as well as joint participation in congresses, joint projects in urban planning and renewal, and the development of infrastructure and construction. In the meanwhile, all of the German Länder, or regions, have concluded regional cooperation agreements with their neighbouring Polish provinces. Thus, Mecklenburg-Western Pomerania has signed one such agreement with the Polish province of Western Pomerania, Brandenburg with the three Polish provinces of Western Pomerania, Lubuskie and Lower Silesia, and Saxony with Lower Silesia. Another form of co-operation along the western border is in the form of Euroregions. In the 1990s, four Euroregions were created along the Oder-Neie border: the Euroregion Nei e-Nisa-Nysa, the Euroregion Spree–Neiße–Bober, the Euroregion Pro Europa Viadrina and the Euroregion Pomerania. The border town of Görlitz-Zgorzelec, which extends on both banks of the Neie, is a unique and interesting example of cooperation between Germany and Poland as well as of cross-border administration. The partnership treaty which was signed on 29 April 2004 provides the legal basis for cooperation between Görlitz and Zgorzelec. Thanks to this treaty, mechanisms for joint decisionmaking processes were set up. The cooperation is shaped by the Co-ordination
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Commission. Working and project groups have been set up to reflect on ideas and joint projects. These bodies work together in all areas of daily life: economics, construction, urban planning, infrastructure, environmental protection, in the municipal field, health, culture, tourism, sport, youth, education as well as security and order. The administrations of both cities meet regularly to prepare statements of intent and to formulate positions. One of the successes of their cross-border cooperation was the designation of Görlitz-Zgorzelec as European city as well as their joint participation in the competition on “the city in 2030”, but also the German-Polish kindergarten, the binational class in the Via Thea grammar school, the international bridge prize, the bus route or even the construction of a bridge from the old city. These cooperation projects were mainly possible thanks to the initiative of the mayors and their staff. It should not be forgotten that cross-border cooperation is facing great challenges, including communication problems and insufficient knowledge of one’s neighbour. Moreover, stereotypes and prejudices have a sharp tongue in both societies. The obstacles posed by the frequent changes in government in Poland as well as the lack of funding and vague or non-existent regulations also remain problematic. Thus, a true cross-border governance in the German-Polish region only seems so be possible after breaking down all communication barriers between the population living on both sides of the border.
DIE GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT AN DER DEUTSCH-TSCHECHISCHEN GRENZE THOMAS GROH1 Die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik bietet viel Raum für grenzüberschreitende Zusammenarbeit: Mit 811 km Länge ist sie für die tschechische Seite die längste, für die deutsche Seite immerhin die knapp zweitlängste Grenze2, die das jeweilige Land mit einem seiner Nachbarn teilt. Dieser Raum wird heute – nicht zuletzt dank der starken Förderung durch die Europäische Union (EU) – für vielfältige Formen der Kooperation genutzt, die insgesamt ein relativ dichtes Netz grenzüberschreitender Beziehungen bilden. Dieses Netz ist schon aus historischen Gründen – an ihm kann erst seit etwa 20 Jahren „gewebt“ werden – noch nicht so engmaschig geknüpft wie etwa an der deutsch-französischen Grenze. Gleichwohl ist es Ausdruck einer bemerkenswerten Annäherung an einer Grenze, die vor zwei Jahrzehnten jedenfalls für die tschechischen Bürger noch weitgehend unüberwindbar war. Der vorliegende Beitrag gibt nach einem kurzen Abriss der historischen Entwicklung der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit einen Überblick über die Kooperation staatlicher Stellen im deutsch-tschechischen Grenzgebiet. Sein Schwerpunkt liegt jedoch auf der regionalen und lokalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit insbesondere in den Euroregionen.
1. Entstehung und Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ In der Zusammenarbeit auf Landesebene spielte zunächst Bayern eine Vorreiterrolle. Bereits am 11.7.1990 vereinbarten der bayerische und der tschechische Ministerpräsident die Einsetzung einer bayerisch-tschechischen Arbeitsgemeinschaft, die die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern auf Regierungsebene koordiniert. Ergänzt und erweitert wurde diese Vereinbarung durch die „Karlsbader Erklärung“ vom 5.10.2001, in der beide Seiten eine Vertiefung der Zusammenarbeit im Bereich der Regional- und Landesentwicklung vereinbart haben. Die Zusammenarbeit über die sächsisch-tschechische Grenze hinweg begann demgegenüber nicht auf Länder- bzw. staatlicher Ebene, sondern nahm dort ihren Ursprung, wo das Trennende der Grenze am deutlichsten spürbar ist, nämlich in der unmittelbaren Grenzregion: Dort entstanden in den Jahren 1991 und 1992 insgesamt vier Euroregionen, darunter die trilaterale Euroregion Neiße–Nisa– Nysa unter Einbeziehung polnischer Mitglieder. Dass die sächsisch-tschechische 1 2
Für kritische Anmerkungen zu einem Entwurf dieses Beitrags danke ich meiner Kollegin Dr. Tina Roeder und meinem Kollegen Marcus Korneli. Nur mit Österreich hat die Bundesrepublik Deutschland (BRD) eine noch längere Grenze (815 km).
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Zusammenarbeit auf Länderebene sich erst etwas später entwickelte, lässt sich damit erklären, dass sich die neuen Bundesländer in den ersten Jahren nach der Wende zunächst auf die Bewältigung des Systemwechsels konzentrieren mussten. Die Errichtung funktionsfähiger staatlicher Strukturen, die Umstellung der Wirtschaft und die Schaffung einer zeitgemäßen bzw. die Erneuerung der bestehenden Infrastruktur nahmen zunächst alle verfügbaren Ressourcen in Anspruch. Am 5.12.1992 bekundeten dann der sächsische und der tschechische Ministerpräsident in einer gemeinsamen Erklärung über partnerschaftliche Zusammenarbeit ihre Absicht, unter anderem die Zusammenarbeit der lokalen Gebietskörperschaften zu fördern und den Erfahrungsaustausch der staatlichen Verwaltungsebene zu vertiefen3. Sie setzten zudem die sächsisch-tschechische Arbeitsgruppe ein, die sich seit 1993 im jährlichen Rhythmus auf Regierungsebene trifft. Mittlerweile wurde der Teilnehmerkreis der Arbeitsgruppe um Vertreter der Landesdirektionen und Regionalämter sowie der Euroregionen an der sächsisch-tschechischen Grenze erweitert. Als Grundlagen für eine weitere Vertiefung der Kooperation haben die sächsischen Regierungsbezirke mit den an sie angrenzenden tschechischen Regionen zudem gemeinsame Erklärungen abgegeben, die die Handlungsfelder sowie die Art und Weise der Zusammenarbeit konkretisieren4. Für den Bereich der Raumordnung und Regionalentwicklung, insbesondere auf den Feldern der Verkehrsinfrastruktur, des Umwelt- und des vorbeugenden Hochwasserschutzes sowie des Tourismus wurde aufgrund der „Rothenburger Erklärung“ vom 16.4.2004 zudem eine regelmäßig tagende sächsischböhmische Arbeitsgruppe Raumentwicklung eingesetzt, die die Aufgabe hat, raumbezogene Planungen und Maßnahmen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen gegenseitig abzustimmen.
2. Zusammenarbeit staatlicher Stellen im deutsch-tschechischen Grenzgebiet Am weitesten entwickelt ist die Zusammenarbeit deutscher und tschechischer staatlicher Stellen im Grenzraum auf dem Feld der Sicherheit und der Gefahrenabwehr. Aufgrund des Vertrags über Polizei- und Grenzschutzzusammenarbeit5 laufen seit 2003 deutsche und tschechische Grenzschutzbedienstete gemeinsam Streife6. Neben zahlreichen weiteren Formen der Zusammenarbeit ermächtigt der
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Typoskript der Gemeinsamen Erklärung, S.2. Gemeinsame Erklärungen über Zusammenarbeit zwischen dem Regierungsbezirk Chemnitz und der Region Karlovy Vary, 23.5.2002, in: www.ldc.sachsen.de/download/Download_0/ Erklaerung_230502.pdf (28.10.2009); zwischen dem Regierungsbezirk Dresden und der Region Liberec, 6.4.2006, in: www.kraj-lbc.cz/public/vnejsi_vztahy/nemecke_zneni_dohody_ nemecko_34013c12e3.rtf (28.10.2009) und zwischen den Regierungsbezirken Chemnitz und Dresden sowie der Region Ústi, 5.2.2007, in: www.medienservice.sachsen.de/medien/assets/ download/23582 (28.10.2009). Vertrag zwischen der BRD und der Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit der Polizeibehörden und der Grenzbehörden in den Grenzgebieten, BGBl. 2002 II, S.791. Die gemeinsamen Streifen (und Kontrollgruppen) sind in Art. 6 Abs. 1 lit. a) des Vertrags vorgesehen. Cf. zur Zusammenarbeit vor dem Inkrafttreten des Vertrags: BORNMANN, U., „Rechtsfragen polizeilicher Zusammenarbeit zwischen Sachsen und Polen sowie der Tsche-
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Vertrag zudem die jeweils zuständigen Behörden, eine im Inland begonnene Verfolgung einer Person auf dem Gebiet des anderen Staates fortzusetzen (sogenannte grenzüberschreitende Nacheile)7. Er enthält Bestimmungen über den Schutz personenbezogener Daten beim Austausch und der Verarbeitung solcher Daten und regelt die allgemeine Rechtsstellung der Bediensteten eines Staates im jeweiligen anderen Staat8. Im Dezember 2007 wurden im tschechischen Petrovice und im bayerischen Schwandorf zwei gemeinsam besetzte Zoll- und Polizeizentren mit insgesamt etwa 90 Bediensteten eröffnet, die insbesondere dem Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden sowie der Koordination der grenzüberschreitenden Einsätze dienen9. Ähnliche Einrichtungen gab es zuvor nur an der deutsch-französischen und an der deutsch-polnischen Grenze. Ebenfalls im Dezember 2007 wurde auf der Elbe ein gemeinsames Wasserschutzpolizeiboot in Betrieb genommen. Durch den Vertrag über gegenseitige Hilfeleistung10 wurde zudem die Zusammenarbeit im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes verstärkt. Inzwischen werden beispielsweise im Erzgebirge und Vogtland regelmäßig grenzüberschreitende Brand- bzw. Katastrophenschutzübungen durchgeführt. Durch einen völkerrechtlichen Vertrag geregelt ist außerdem die Kooperation staatlicher Stellen im Bereich der Wasserwirtschaft an den Grenzgewässern11.
3. Regionale und lokale Zusammenarbeit an der deutschtschechischen Grenze 3.1. Rechtlicher Rahmen 3.1.1. Spezifische Regelungen über die deutsch-tschechische Zusammenarbeit Für die Kooperation auf regionaler und lokaler Ebene gibt es nur wenige spezifische Regelungen. Immerhin strebt der Freistaat Sachsen nach Art. 12 seiner Verfassung eine grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit an, die unter anderem auf den Ausbau nachbarschaftlicher Beziehungen gerichtet ist. Der Freistaat Sachsen ist ausdrücklich verpflichtet, dieses Staatsziel nach seinen Kräften
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chischen Republik“, in: BALDUS, M./SOINÉ, M. (Hrsg.), Rechtsprobleme der internationalen Zusammenarbeit, Baden-Baden, 1999, S.157ff. Cf. zu den äußerst detailliert geregelten Voraussetzungen der Nacheile Art. 6 des Vertrags. Art. 11 des Vertrags. Rechtsgrundlage hierfür ist Art. 5 des Vertrags. Vertrag zwischen der BRD und der Tschechischen Republik über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen und schweren Unglücksfällen, BGBl. 2002 II, S.1875. Nach Art. 13 Abs. 3 des Vertrags können die zuständigen Behörden Vereinbarungen zur Durchführung des Vertrags treffen. Von dieser Ermächtigung wurde u. a. durch die Vereinbarung für grenzüberschreitende Hilfeleistungen und Zusammenarbeit im Brandschutz vom 25.4.2007 zwischen grenznahen Gebietskörperschaften des Regierungsbezirks Chemnitz und der Region Karlovy Vary sowie deren Feuerwehr Gebrauch gemacht; die Region Usti nad Labem beabsichtigt den Abschluss einer vergleichbaren Vereinbarung mit ihren sächsischen Nachbarkreisen bzw. -gemeinden, cf. die Information der Sächsischen Staatskanzlei unter www. europa.sachsen.de/9023.htm (2.3.2010). Vertrag zwischen der BRD und der Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft an den Grenzgewässern, BGBl. 1997 II, S.925.
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anzustreben und sein Handeln danach auszurichten12. Dies allein ist freilich keine rechtliche Grundlage für eine konkrete Zusammenarbeit. Besondere völkerrechtliche Vereinbarungen über die regionale oder lokale grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wie sie für die Kooperation an den Grenzen zu Deutschlands westlichen Nachbarländern existieren13, hat Deutschland mit der Tschechischen Republik nicht abgeschlossen. Zahlreiche bilaterale Verträge enthalten zwar allgemeine oder bereichsspezifische Klauseln über die Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf regionaler und lokaler Ebene14, doch regeln sie diese nicht näher und bilden auch keine rechtliche Grundlage für sie. 3.1.2. Allgemeiner rechtlicher Rahmen Es bleibt daher bei den allgemein für diese Form der Zusammenarbeit geltenden (nationalen und internationalen) Regelungen – und bei den mit ihnen verbundenen Problemen15. Art. 24 Abs. 1a des Grundgesetzes (GG) ermächtigt zwar die Länder, in ihrem Zuständigkeitsbereich mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte auf eine grenznachbarschaftliche Einrichtung zu übertragen16, doch hiervon haben bisher weder Bayern noch Sachsen Gebrauch gemacht. Die unmittelbare Kooperation kommunaler Gebietskörperschaften auf öffentlich-rechtlicher Grundlage ist sowohl in Bayern als auch in Sachsen im Wesentlichen in den jeweiligen Landesgesetzen über die kommunale Zusammenarbeit geregelt17. Die im Bayerischen Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit
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Cf. hierzu Art. 13 SächsVerf. Cf. zu den verschiedenen Vereinbarungen: VON MALCHUS, V., „Rechtliche Instrumente: Von der Madrider Rahmenkonvention zum Anholter Abkommen, zum Karlsruher Übereinkommen und zu den Eurodistrikten“, in: JANSSEN, G. (Hrsg.), Europäische Verbünde für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), Berlin, 2006, S.19, 31ff; NIEDOBITEK, M., Das Recht der grenzüberschreitenden Verträge, Tübingen, 2001, S.106ff; SCHMIDT, T. I., Kommunale Kooperation. Der Zweckverband als Nukleus des öffentlich-rechtlichen Gesellschaftsrechts, Tübingen, 2005, S.591ff. Nach Art. 13 des Vertrags zwischen der BRD und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, BGBl. 1992 II, S.463, „unterstützen und erleichtern“ die Vertragsparteien die „Zusammenarbeit zwischen Regionen und anderen Gebietskörperschaften, insbesondere im Grenzbereich“ (die hierzu in dem Vertrag vorgesehene Gemischte Kommission ist allerdings, soweit ersichtlich, bisher nicht eingerichtet worden; der Grund hierfür mag darin liegen, dass eine zentrale Kommission angesichts der dichten Kooperation vor Ort ohnehin keinen sinnvollen Beitrag zu deren Vertiefung (mehr) leisten könnte). Ähnliche Klauseln finden sich in Art. 14 des Abkommens zwischen der Regierung der BRD und der Regierung der Tschechischen Republik über kulturelle Zusammenarbeit, BGBl. 1999 II, S.1058, und in Art. 3 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Regierung der BRD und der Regierung der Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes, BGBl. 1998 II, S.2587. Cf. zu der Entstehung und den Defiziten des bisher allgemein geltenden rechtlichen Rahmens für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit: HALMES, G., „Zusammenarbeit im Europa der Regionen: Die Entstehung des rechtlichen Rahmens“, in: GU, X. (Hrsg.) Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Regionen in Europa, Baden-Baden, 2002, S.15, 19ff. Cf. zu Art. 24 Abs. 1a im Kontext der kommunalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ausführlich: BECK, A., Die Übertragung von Hoheitsrechten auf kommunale grenznachbarschaftliche Einrichtungen, Baden-Baden, 1995, S.70ff. BayKommZG, BayGVBl. 1994, S.555; SächsKomZG, SächsGVBl. 1993, S.815. Neben diesen Gesetzen bestehen für bestimmte Formen der öffentlich-rechtlichen Zusammenarbeit von
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vorgesehenen Formen der kommunalen Zusammenarbeit – kommunale Arbeitsgemeinschaften, Zweckvereinbarungen, Zweckverbände und gemeinsame Kommunalunternehmen18 – werden, soweit ersichtlich, an der bayerisch-tschechischen Grenze bisher nicht praktiziert. Insbesondere wurde beim Bayerischen Staatsministerium des Innern bisher keine Genehmigung für die Gründung eines grenzüberschreitenden Zweckverbandes beantragt19. Die nach dem Sächsischen Gesetz über kommunale Zusammenarbeit zulässigen Formen der kommunalen Zusammenarbeit kommen in der Praxis durchweg nicht für eine grenzüberschreitende Kooperation in Betracht. Einen Verwaltungsverband oder eine Verwaltungsgemeinschaft können nur benachbarte Gemeinden desselben (sächsischen) Landkreises gründen. Die Gründung eines grenzüberschreitenden Zweckverbands ist nur möglich, wenn ein Staatsvertrag dies zulässt20; für grenzüberschreitende Zweckvereinbarungen wird der Abschluss eines Staatsvertrags ebenfalls für erforderlich gehalten21. Mit der Tschechischen Republik hat Sachsen aber bisher keinen entsprechenden Staatsvertrag geschlossen. Das Madrider Rahmenübereinkommen von 198022 enthält zwar eine allgemeine Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, regelt diese aber nicht unmittelbar. Das erste Zusatzprotokoll zum Rahmenübereinkommen sieht ausdrücklich das Recht kommunaler und regionaler Gebietskörperschaften vor, Vereinbarungen über grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit vergleichbaren Gebietskörperschaften angrenzender Staaten zu schließen. Die Tschechische Republik hat es jedoch bisher – wie auch das Protokoll Nr. 2 zum Rahmenübereinkommen – nicht unterzeichnet23, so dass es auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im deutsch-tschechischen Grenzraum nicht anwendbar ist. Nach Art. 10 Abs. 3 der Europäischen KommunalCharta von 198524, den sowohl die BRD als auch die Tschechischen Republik als
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Kommunen (beispielsweise Sparkassenzweckverband, Rettungszweckverband, Planungsverband) jeweils Sonderregelungen. Art. 2 BayKommZG. Ausführlich zu den Formen kommunaler Zusammenarbeit nach dem BayKommZG, cf. KNEMEYER, F.-L., Bayerisches Kommunalrecht, Stuttgart u. a., 2007, S.443ff. Cf. zum Genehmigungserfordernis Art. 17 Abs. 3 Satz 1 BayKommZG. § 81 Satz 1 SächsKomZG. HEBERLEIN, H., Europäische Aspekte für die kommunale Selbstverwaltung in den neuen Bundesländern, Landes- und Kommunalverwaltung, 1996, S.6, 9; LÜKE, M./KAPLONEK, B., „Zur Zulässigkeit die Bundesgrenze überschreitender kommunaler Projekte“, Sächsische Verwaltungsblätter, 2000, S.149, 156. Dies wird durch die Praxis bestätigt: Sachsen hat mit allen angrenzenden Bundesländern Staatsverträge geschlossen, die neben grenzüberschreitenden Zweckverbänden auch grenzüberschreitende Zweckvereinbarungen regeln (Bayern: SächsGVBl. 1996, S.443; Brandenburg: SächsGVBl. 1998, S.634; Sachsen-Anhalt: SächsGVBl. 996, S.442; Thüringen: SächsGVBl. 1997, S.550). Europäisches Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften vom 21.5.1980, BGBl. 1981 II, S.966. Cf. zum Rahmenübereinkommen und seinen Zusatzprotokollen: VON MALCHUS, V., „Rechtliche Instrumente: Von der Madrider Rahmenkonvention zum Anholter Abkommen, zum Karlsruher Übereinkommen und zu den Eurodistrikte“ op.cit., S.22ff. Cf. die Angaben zum Ratifikationsstand in der Vertragsdatenbank des Europarats in: http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ListeTraites.asp?CM=8&CL=GER (2.3.2010). Europäische Charta der Kommunalen Selbstverwaltung (EKC) vom 15.10.1985, BGBl. 1987 II, S.66.
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für sich bindend anerkannt haben25, sind die kommunalen Gebietskörperschaften zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nur im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Bedingungen der Vertragsstaaten berechtigt. Die Vorschrift schafft also keine über das nationale Recht hinausgehende Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Kooperation. In diese insgesamt unbefriedigende Rechtslage ist durch den Erlass der am 1.8.2006 in Kraft getretenen Verordnung der Europäischen Gemeinschaft (EG) über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ)26 Bewegung gekommen27. Mit der ETVZ-Verordnung steht den kooperationswilligen Regionen und Kommunen nunmehr eine neue, in den EG-Mitgliedstaaten unmittelbar geltende Rechtsgrundlage für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Verfügung. Diese ermöglicht unter anderem die Gründung eines grenzüberschreitenden Verbands mit eigener Rechtspersönlichkeit. Für die Ausführung der EVTZ-Verordnung ist in Bayern die Regierung der Oberpfalz zuständig28, in Sachsen die Landesdirektion Dresden29. Bis Mitte Oktober 2009 lag allerdings keiner der beiden Behörden ein Antrag auf Genehmigung der Teilnahme an einem deutsch-tschechischen EVTZ vor. Im deutsch-tschechisch-österreichischen Grenzgebiet wird jedoch derzeit die Gründung einer großräumigen „Europaregion Donau-Moldau“ in der Rechtsform eines EVTZ vorbereitet, die spätestens 2012 abgeschlossen sein soll30. 3.2. Die Euroregionen als „Dach“ der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Angesichts des bis 2006 geltenden rechtlichen Rahmens, der nur bedingt geeignete Formen für eine vertiefte grenzüberschreitende Zusammenarbeit vorgesehen hat, ist es nicht verwunderlich, dass sich auch im deutsch-tschechischen Grenzraum die an der deutschen Westgrenze über Jahrzehnte hinweg erfolgreich erprobte Kooperationsform der Euroregion durchgesetzt hat31. Sie setzt keine spe25
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Cf. die Angaben über die als verbindlich anerkannten Absätze der EKC in der Vertragsdatenbank des Europarats in: http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ListeDeclarations.asp? NT=122&CM=1&DF=&CL=GER&VL=1 (2.3.2010). Verordnung (EG) Nr. 1082/2006 über den EVTZ, ABl. EU 2006, L 210/19. Cf. ausführlich zum Inhalt der ETVZ-Verordnung: PEINE, F.-J./STARKE, Th., „Der europäische Zweckverband – zum Recht der Europäischen Verbünde für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ)“, Landes- und Kommunalverwaltung, 2008, S.402. Art. 13 des Gesetzes über die Zuständigkeiten für den Vollzug wirtschaftsrechtlicher Vorschriften, BayGVBl. 2005, S.17. § 1 EVTZ-Zuständigkeitsverordnung, SächsGVBl. 2008, S.78. Damit soll die Gründung rechtzeitig vor Beginn der nächsten Förderperiode der EU (2013– 2019) vollzogen sein. Dass finanzielle Gesichtspunkte bei der Gründung eine maßgebliche Rolle spielen, wird von politischer Seite deutlich eingestanden. So hofft der oberösterreichische Wirtschaftslandesrat Viktor Sigl, dass die beteiligten Regionen durch die Gründung der Europaregion „die Brüsseler Fördertöpfe auch in Zukunft optimal ausschöpfen können“, cf. Euroregion Bayerischer Wald, Geschäftsbericht 2008-2009, S.28. Cf. zu den spezifischen Entstehungsbedingungen der Euroregionen an der deutschpolnischen und der deutsch-tschechischen Grenze (u. a. Wohlstandsgefälle, Umweltverschmutzung, Sprachbarriere, historische Entwicklung): BÖTTGER, K., Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa. Erfolge und Misserfolge der Kooperation am Beispiel der Euregio (RheinEms-Ijssel), der Euregio Maas-Rhein und der Euroregion Neisse-Nisa-Nysa, Tübingen, 2006, S.65ff.; KOWALKE, H., „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Ost und West – die neuen Euroregionen an der östlichen Außengrenze der EU. Das Beispiel Euroregion Neiße–Nisa–
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ziellen Rechtsgrundlagen voraus32, ermöglicht aber gleichwohl eine zwar rechtlich „lose“, aber dennoch praktisch effektive Kooperation auch bei erheblichen Organisations- und Regelungsdivergenzen der an ihr beteiligten Rechtsordnungen und -kulturen. Ihre zentrale Funktion für die regionale und kommunale grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird von politischer Seite klar hervorgehoben. So werden sie etwa als „tragende[s] Element der partnerschaftlichen Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg“33 bzw. als „Motoren der sächsischtschechischen Beziehungen“34 bezeichnet. Entlang der deutsch-tschechischen Grenze sind zwischen 1991 und 1994 fünf Euroregionen entstanden, die die gesamte Grenze lückenlos flankieren: die Euroregion Nei e–Nisa–Nysa (trilateral unter Einbeziehung polnischer Mitglieder); die Euroregion Elbe/Labe; die Euroregion Erzgebirge/Krušnoho í; die Euregio Egrensis und die Euroregion Bayerischer Wald–Böhmischer Wald–Mühlviertel (trilateral unter Einbeziehung österreichischer Mitglieder). 3.2.1. Institutionelle Aspekte Alle fünf Euroregionen an der deutsch-tschechischen Grenze haben die gleiche Grundstruktur35. Sie besitzen selbst keine Rechtspersönlichkeit36, sondern sind lediglich Interessengemeinschaften37 oder transnationale Kooperationsforen38, in denen nationale Verbände zusammenarbeiten. Diesen gehören in den meisten Fällen ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend juristische Personen des öffentlichen Rechts (zumeist Gebietskörperschaften) an. Die deutschen Teilverbände der deutsch-tschechischen Euroregionen sind durchweg als eingetragene Vereine organisiert39, auf tschechischer Seite handelt es sich fast ausnahmslos um
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Nysa“, in: GU, X. (Hrsg.), Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Regionen in Europa, op.cit., S.123 (126ff). Cf. hierzu auch: LÜKE, M./KAPLONEK, B., Zur Zulässigkeit die Bundesgrenze überschreitender kommunaler Projekte, op.cit., S.155 (mit Beispiel der deutsch-niederländischen Euregio). Sächsisch-tschechische Gemeinsame Erklärung vom 5.12.1992, S.2 des Typoskripts. Presseerklärung der Sächsischen Staatsregierung vom 24.5.2002 (Ergebnis der 10. Sitzung der Sächsisch-Tschechischen Arbeitsgruppe), in: www.medienservice.sachsen.de/medien/news/ 5356 (2.3.2010). Cf. zu den verschiedenen in der Praxis vorkommenden Grundstrukturen von Euroregionen: NIEDOBITEK, M., Das Recht der grenzüberschreitenden Verträge, op.cit., S.101ff. So ausdrücklich § 1 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa, in: www.neisse-nisa-nysa.org/fileadmin/documents/intern/rahmenvereinbarung.pdf (2.3.2010). Andere Bestimmungen der Rahmenvereinbarung suggerieren allerdings das Gegenteil; so spricht § 2 Abs. 4 etwa von „ihr [der Euroregion] übertragenen Zuständigkeiten“ und § 6 von „Organen“ der Euroregion. So ausdrücklich § 1 Abs. 1 Rahmenvereinbarung der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa und § 2 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung der Euroregion Elbe/Labe, in: www.euroregion-elbe-labe.eu/ files/dokumente/Rahmenvereinbarung-der-EEL-komplett-D.pdf (2.3.2010). So KOTZUR, M., „Rechtsfragen grenzüberschreitender Zusammenarbeit“, in JANSSEN, G., Europäische Verbünde für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), op.cit., S. 55, 62. Euroregion Neiße e. V.; Kommunalgemeinschaft Euroregion Oberes Elbtal/Osterzgebirge e. V.; Euroregion Erzgebirge e. V.; Euroregio Egrensis Arbeitsgemeinschaft Sachsen/Thüringen e. V. und Euregio Egrensis Arbeitsgemeinschaft Bayern e. V.; Euregio Bayerischer Wald/Böhmerwald/ Unterer Inn e. V.
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Kommunalverbände40. Die Euroregionen haben keine eigenen Rechtsetzungsbefugnisse41. Die von ihnen gefassten Beschlüsse bedürfen daher der Umsetzung bzw. Ausführung durch die nationalen Verbände, wobei diese nach den Vorschriften ihres jeweiligen nationalen Rechts handeln42. Ein wesentlicher Vorteil dieser Organisationsstruktur liegt darin, dass Reibungsverluste, die durch die unterschiedliche Ausgestaltung der nationalen Rechtsordnungen entstehen können, soweit wie möglich vermieden werden43. Vor diesem Hintergrund kann man die Euroregionen auch als Schnittstellen zwischen zwei oder mehreren Rechts- und Behördenordnungen und -kulturen verstehen. Im Einzelnen gibt es freilich deutliche Unterschiede in der institutionellen Ausgestaltung der deutschtschechischen Euroregionen. Das betrifft bereits die Mitgliederstruktur der nationalen Verbände. Der deutsche Verein Euroregion Neiße hat einen in der Satzung abschließend definierten Mitgliederbestand, der fast ausschließlich aus Gebietskörperschaften gebildet wird44. In den Satzungen der anderen deutschen Verbände wird der Mitgliederkreis nur abstrakt umschrieben. Am restriktivsten ist insoweit der Verein der Kommunalgemeinschaft Euroregion Oberes Elbtal/Osterzgebirge, in den nur juristische Personen des Öffentlichen Rechts und mehrheitlich von Gebietskörperschaften getragene Gesellschaften des Privatrechts aufgenommen werden können45. Mitglied der übrigen deutschen Verbände können demgegenüber auch alle sonstigen (juristischen oder natürlichen46) Personen werden, die die Vereinsziele anerkennen; teilweise ist allerdings die ordentliche bzw. konstituierende Mitgliedschaft Gebietskörperschaften vorbehalten47. Abgesehen von dem tschechischen Verband der Euroregion Erzgebirge/Krušnoho í, dem auch Firmen angehören, sind die Verbände auf tschechischer Seite als reine Kommunalverbände organisiert48. 40 41 42 43
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Dem tschechischen Verband der Euroregion Erzgebirge/Krušnoho í gehören allerdings auch sonstige Organisationen und Firmen aus den beteiligten Gemeinden an. Die Vereinbarung der Euregio Egrensis legt in Art. 4 Abs. 5 ausdrücklich fest, dass die Beschlüsse der euroregionalen Gremien nur empfehlenden Charakter haben. Cf. hierzu etwa § 1 Abs. 3 Rahmenvereinbarung der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa; § 8 Abs. 4 Rahmenvereinbarung Euroregion Elbe/Labe. Cf. zu dieser Funktion der Euroregionen: GABBE, J., „Regionen und Regionalisierung in Europa – Die Rolle der Grenzregionen und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“, in: XU, GU, X. (Hrsg.), Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Regionen in Europa, op.cit, S. 201, 205f. Mitglieder sind nach § 3 Abs. 1 der Vereinssatzung, die Landkreise der Region OberlausitzNiederschlesien (Bautzen und Görlitz) und die Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien mbH (deren Gesellschafter ganz überwiegend Gebietskörperschaften und Sparkassen sind), in: www.neisse-nisa-nysa.org/fileadmin/documents/intern/satzung-euroregionneisse.pdf (2.3.2010). So in § 3 Abs. 1 der Satzung der Kommunalgemeinschaft Euroregion Oberes Elbtal/Osterzgebirge e. V., in: www.euroregion-elbe-labe.eu/files/Satzung_28_01_09.pdf (2.3.2010). Im Euroregio Bayerischer Wald/Böhmerwald/Unterer Inn e. V. ist die Mitgliedschaft natürlicher Personen allerdings nicht möglich. § 4 der Satzung des Euroregion Erzgebirge e. V.; § 3 Abs. 2 und 3 der Satzung des Euregio Egrensis Arbeitsgemeinschaft Bayern e. V., in: www.euregio-egrensis.de/euregio/satzung. php (2.3.2010); § 4 Abs. 2 und 3 des Euregio Egrensis Arbeitsgemeinschaft Sachsen/ Thüringen e. V., in: www.euregioegrensis.de/index.php?gapath=Deutsch/AGSachsen/ Thueringen/Satzung&CID=59 (2.3.2010). Ursprünglich war der tschechische Verband der Euroregion Elbe/Labe wie die deutschen Verbände als eingetragener Verein organisiert. Aufgrund einer Neufassung der tschechischen Kommunalgesetzgebung hat er sich aber 2001 in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft um-
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Die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Verbänden ist in den einzelnen Euroregionen unterschiedlich stark formalisiert. Die Euroregion Nei e–Nisa–Nysa verfügt über eine detaillierte Rahmenvereinbarung, durch die mehrere formelle Gremien eingerichtet wurden, die alle auf der Grundlage eigener Geschäftsordnungen handeln. Auch die Euroregion Elbe/Labe arbeitet auf der Grundlage einer detaillierten Rahmenvereinbarung; sie hat daneben eine einheitliche Geschäftsordnung für sämtliche Gremien49. Demgegenüber verzichtet die Euroregion Bayerischer Wald–Böhmischer Wald–Mühlviertel sowohl auf eine Rahmenvereinbarung als auch auf förmliche Geschäftsordnungen50. Die Zusammenarbeit der drei nationalen Verbände in den informellen Gremien der Euroregion wird lediglich durch die jeweiligen Geschäftsstellen der nationalen Verbände koordiniert. Ähnlich informell ist die Zusammenarbeit in der Euroregion Erzgebirge/Krušnoho í. Sie beruht zwar auf einer als Vertrag bezeichneten Vereinbarung51, die jedoch weder Gremien einrichtet noch die gemeinsame Beschlussfassung regelt. Eine Zwischenstellung nimmt die Euregio Egrensis ein. Sie hat die Zusammenarbeit in einer Vereinbarung52 geregelt, in der auch die Errichtung von zwei Gremien vorgesehen ist. Schriftliche Geschäftsordnungen existieren für diese Gremien jedoch nicht. Die institutionelle Struktur der drei Euroregionen, die förmliche Gremien – in den jeweiligen Vereinbarungen (rechtlich irreführend) als „Organe“ bezeichnet53 – eingerichtet haben, ist unterschiedlich ausgestaltet. Die Gremienstruktur der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa ist am stärksten ausdifferenziert54. Ihr höchstes Entscheidungsgremium ist ein aus 30 Mitgliedern bestehender Rat, der mindestens einmal im Jahr tagt; die Sitzungen sind öffentlich. Als Entscheidungs- und Vertretungsgremium zwischen den Ratssitzungen fungiert das dreiköpfige Präsidium, dem die jeweiligen Präsidenten der nationalen Verbände angehören. Die Geschäftsführer55 der nationalen Verbände nehmen an den Präsidiumssitzungen mit beratender Stimme teil. Sie bilden zusammen das Gemeinsame Sekretariat, das die Tätigkeit aller anderen Gremien koordiniert und die diese betreffenden Angelegenheiten erledigt. Daneben räumt die Rahmenvereinbarung der Eurore-
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gewandelt, cf. PREUßCHER, C., „Euroregionen – haben sie sich bewährt? – Funktionen, Aufgaben und Perspektiven“, in: JANSSEN, G., Europäische Verbünde für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), op.cit., S.79. Geschäftsordnung des Rates der Euroregion Elbe/Labe, in: www.euroregion-elbe-labe.eu/files/ dokumente/Geschaftsordnung-komplett.pdf (2.3.2010). Die Geschäftsordnung ist nach ihrem § 1 sinngemäß auf die anderen Gremien anzuwenden. In §§ 11 Abs. 1 und 2, 13 Abs. 3 und 17 Abs. 3 der Satzung des deutschen Verbands wird allerdings geregelt, wer diesen in den länderübergreifenden (informellen) Gremien der Euroregion – Rat, Präsidium, Sekretariat und Arbeitsgruppen – vertritt. Vertrag vom 11.2.1993 über die Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe zwischen der Euroregion Krušnoho i und der Euroregion Erzgebirge e. V. Vereinbarung der Euroregio Egrensis vom 3.2.1993. Art. 4 Vereinbarung der Euregio Egrensis, § 5 Rahmenvereinbarung der Euroregion Elbe/Labe und § 6 Rahmenvereinbarung der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa. Cf. zu den Einzelheiten §§ 6 bis 12 Rahmenvereinbarung der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa, zu einer kritischen Analyse der Effektivität der euroregionalen Arbeit trotz dieser Organisationsstruktur: BÖTTGER, K., Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa, op.cit., S.69f und 75f. Für den polnischen Verband: Direktor, für den tschechischen Verband: Sekretär (cf. § 1 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Sekretariats der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa, in: www.neisse-nisa-nysa.org/fileadmin/documents/intern/geschaeftsordnung-gemsekretariat.pdf (2.2.2010).
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gion Nei e–Nisa–Nysa auch den insgesamt 16 fachlichen Arbeitsgruppen, den sogenannten „Euroregionalen Expertengruppen (Eurex)“, den Status von Organen ein. Ergänzt wird diese Struktur durch zwei regelmäßig tagende Foren. Der „Euroregionale Konvent (E.Konvent)“ ist ein informelles Forum, das dem Informationsaustausch zwischen Kommunalpolitikern der Region und Abgeordneten auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene dient56. Das „Sicherheitsforum (For-Be-S)“ dient dazu, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch der für die Aufrechterhaltung und Erhöhung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa zuständigen Gremien zu koordinieren. Die Euroregion Elbe/Labe hat nach ihrer Rahmenvereinbarung drei „Organe“ (Rat, Präsidium und Sekretariat), die im Wesentlichen dieselben Funktionen wahrnehmen wie die entsprechenden Gremien der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa 57. Im Gegensatz zum Rat der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa, der keinen Präsidenten, sondern für die jeweiligen Sitzungen nur einen sog. Versammlungsleiter hat58, wählt der Rat der Euroregion Elbe/Labe aus seiner Mitte zwei paritätische Präsidenten und zwei Stellvertreter. Das Präsidium, das die Arbeit der Euroregion zwischen den Ratssitzungen leitet, ist deutlich größer als dasjenige der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa; es besteht aus zwei Präsidenten, zwei Stellvertretern, zwei vom Rat berufenen weiteren Mitgliedern und den Geschäftsführern der beiden nationalen Verbände. Die beiden Geschäftsführer bilden gemeinsam das Sekretariat, in dem sie parallel zusammenarbeiten. Neben diesen „Organen“ hat die Euroregion Elbe/Labe sechs Fachgruppen, die über fachliche Fragen beraten, die für die Tätigkeit der Euroregion bedeutsam sind, und dazu Vorschläge und Empfehlungen gegenüber den euroregionalen Entscheidungsgremien abgeben. Die Euregio Egrensis hat ein Gemeinsames Präsidium und derzeit zwei beratende Ausschüsse. Das Gemeinsame Präsidium, das aus jeweils drei Vertretern des Präsidiums bzw. Vorstands jedes nationalen Verbandes zusammengesetzt ist und von deren jeweiligen (hauptamtlichen) Geschäftsführern unterstützt wird, führt die Geschäfte der Euroregion. Sein Vorsitz (in der Praxis auch als „Gemeinsamer Präsident“ bezeichnet) wechselt alle zwei Jahre zwischen den drei nationalen Verbänden. In die beratenden Ausschüsse entsendet nach der Vereinbarung59 jeder nationale Verband drei stimmberechtigte Mitglieder und eine beliebige Anzahl nicht stimmberechtigter Berater. Derzeit ist allerdings nur der TourismusAusschuss trilateral besetzt, während der Ausschuss zum Rettungsdienst und verwandten Fragen nur sächsische und tschechische Mitglieder hat. Fachliche Fragen werden in den Euroregionen in der Regel von sektorbezogenen Arbeits- bzw. Fachgruppen (z. B. für Umweltschutz, Verkehr, Tourismus, Bildung) behandelt, deren Status und Anzahl allerdings ja nach Euroregion variiert. Das Spektrum reicht von lediglich projektbezogenen Arbeitsgruppen in der Euroregion Bayerischer Wald–Böhmischer Wald–Mühlviertel bis hin zu 16 dauerhaft 56 57
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In der Praxis lassen sich allerdings kaum gemeinsame Termine für alle potentiellen Mitglieder des Forums finden, so dass dieses in den Jahren 2007 und 2008 nicht stattfinden konnte. Cf. zu den Einzelheiten §§ 5 bis 10 Rahmenvereinbarung der Euroregion Elbe/Labe, zu einer Schilderung aus praktischer Perspektive: PREUßCHER, C., „Euroregionen – haben sie sich bewährt? – Funktionen, Aufgaben und Perspektiven“, op.cit., S.79ff. Dies ist nach § 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Rates der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa der Präsident des jeweils gastgebenden nationalen Verbandes, in: www.neisse-nisanysa.org/fileadmin/documents/intern/geschaeftsordnung-rat.pdf (2.3.2010). Art. 4 Abs. 4 Vereinbarung der Euregio Egrensis.
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eingerichteten Expertengruppen in der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa, die nach der dortigen Rahmenvereinbarung den Status euroregionaler „Organe“ haben60. Für die Zusammenarbeit gilt in allen Euroregionen im deutsch-tschechischen Grenzraum der Grundsatz der Gleichberechtigung61. Das wirkt sich nicht nur auf die Zusammensetzung der Gremien aus, die durchweg paritätisch mit Vertretern der nationalen Verbände besetzt sind und deren Vorsitz in der Regel ebenfalls paritätisch (nebeneinander oder nacheinander) wahrgenommen wird, sondern auch auf die Beschlussfassung in den Gremien. Entscheidungen bedürfen stets der Zustimmung aller nationalen Verbände62. Eine Besonderheit ergibt sich insoweit in der Euroregio Egrensis daraus, dass sie auf deutscher Seite zwei Verbände hat. Gleichberechtigt sind hier nicht die deutsche Seite einerseits und die tschechische andererseits, sondern die einzelnen Verbände. So entsendet jeder Verband drei Vertreter und seinen Geschäftsführer in das Präsidium der Euregio Egrensis, so dass zwei Drittel der Mitglieder von deutscher Seite gestellt werden (und die tschechische Seite theoretisch überstimmen können). Auch der gemeinsame Präsident der Euregio Egrensis wird abwechselnd aus den Reihen jedes Verbandes gewählt, ist also nicht abwechselnd Deutscher oder Tscheche. Das Denken in Kategorien der Nationalität ist insoweit in der Euregio Egrensis überwunden. Bemerkenswert ist schließlich, dass die in Bayern tätigen nationalen Trägervereine der Euroregionen in ihren Satzungen dem Freistaat Bayern ausdrücklich ein Informations- und Beteiligungsrecht einräumen. Vertreter der Regierungen der jeweiligen Regierungsbezirke63 werden demnach zu den Sitzungen der Vereinsgremien eingeladen und haben dort das Recht, gehört zu werden64. 3.2.2. Tätigkeitsfelder der Euroregionen Die Euroregionen sind in ihrem räumlichen Arbeitsgebiet „Drehscheibe und Kristallisationspunkt“65 für (fast) alle grenzüberschreitenden Beziehungen auf regionaler und lokaler Ebene. In welchen Sachgebieten sich solche Beziehungen entwickeln, wird insbesondere dadurch bestimmt, wo die Grenze – nicht zuletzt in ganz alltäglichen Situationen – als Hindernis wahrgenommen wird. Viele Be60 61
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Die Euregio Egrensis hat zwei beratende Ausschüsse, die Euroregion Elbe/Labe sechs Fachgruppen und die Euroregion Erzgebirge/Krušnoho í acht Arbeitsgruppen. Ausdrücklich hervorgehoben in den Präambeln der Rahmenvereinbarungen der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa und der Euroregion Elbe/Labe sowie in § 1 Vertrag zur Euroregion Erzgebirge/ Krušnoho í. In größeren Gremien ist für die Zustimmung eines nationalen Verbandes teilweise die Mehrheit der Vertreter des jeweiligen Verbandes ausreichend; es gilt also kein strenges Konsensprinzip. So bedürfen Beschlüsse des Rates der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa beispielsweise der einfachen Mehrheit der Ratsmitglieder, wobei jede Seite (= die Vertreter jedes nationalen Verbands) in sich die einfache Mehrheit erzielen muss (§ 6 Abs. 3 Geschäftsordnung des Rates der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa). In der Euregio Egrensis: Regierungen von Oberfranken und der Oberpfalz, in der Euroregion Bayerischer Wald–Böhmischer Wald–Mühlviertel: Regierungen der Oberpfalz und von Niederbayern. § 9 Satzung Egrensis AG Bayern ; § 16 Satzung Euregio Bayerischer Wald/Böhmerwald/Unterer Inn e. V. Cf. GABBE, J., „Regionen und Regionalisierung in Europa – Die Rolle der Grenzregionen und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“, op.cit., S.205.
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reiche sind insoweit „natürliche Kandidaten“ für eine verstärkte Zusammenarbeit; zu nennen sind beispielsweise die wirtschaftliche Entwicklung, die Bereitstellung und Verbesserung der Infrastruktur, die touristische Erschließung, die Abstimmung der Linienführungen und Taktzeiten des Personennahverkehrs und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Daneben gehört das Einwerben finanzieller Förderung (insbesondere aus Mitteln der EU) für konkrete grenzüberschreitende Einzelprojekte zu den wichtigen Aufgaben, die von allen Euroregionen an der deutsch-tschechischen Grenze wahrgenommen werden66. Schließlich ist auch das Eintreten für die Schaffung geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ein typisches Tätigkeitsfeld der Euroregionen67. Bei einigen Euroregionen entlang der deutsch-tschechischen Grenze lässt sich eine klare Konzentration ihrer Tätigkeit auf wenige Schwerpunktziele oder -bereiche beobachten. Die Euroregion Nei e–Nisa–Nysa verfolgt als herausragendes Entwicklungsziel die Schaffung einer gemeinsamen, integrierten Urlaubsund Tourismusregion; ihr zweiter Tätigkeitsschwerpunkt liegt im (weit verstandenen) Bereich der Bildung68. Die Euregio Egrensis hat drei Schwerpunktbereiche – Sprachoffensive, Verkehr/Infrastruktur sowie Kultur- und Bäderwesen/ Tourismus – gebildet und deren Umsetzung im gesamten Gebiet der Euroregion jeweils einem der drei nationalen Verbände übertragen. 3.3. Exemplarische Einzelkooperationen im deutsch-tschechischen Grenzraum Welchen Stand die deutsch-tschechische grenzüberschreitende Zusammenarbeit mittlerweile erreicht hat, illustrieren am besten konkrete Einzelkooperationen, von denen nachfolgend einige exemplarisch vorgestellt werden69. 3.3.1. Sprachenvermittlung Zu den größten praktischen Hindernissen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik gehört auf deutscher Seite die verhältnismäßig hohe Sprachbarriere70. Tschechisch wird im Schulunterricht (wenn überhaupt) nur als zweite oder gar dritte Fremdsprache 66
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In § 2 Abs. 4 Rahmenvereinbarung der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa wird die Wahrnehmung der euroregionalen Interessen bei der Anwendung oder Verwaltung relevanter Fonds ausdrücklich als Aufgabe der Euroregion aufgeführt. Nach § 2 Abs. 6 Rahmenvereinbarung der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa und § 1 Abs. 4 Rahmenvereinbarung der Euroregion Elbe/Labe ist es ein Ziel bzw. eine Aufgabe der betreffenden Euroregionen, für den Abschluss zwischenstaatlicher Verträge über eine verbindliche grenzüberschreitende Zusammenarbeit einzutreten; für die Euroregion Nei e–Nisa–Nysa ist zudem die Schaffung eines gemeinsamen Rechtssubjekts ein prioritäres Ziel (§ 2 Abs. 7 Rahmenvereinbarung der Euroregion Nei e–Nisa–Nysa). Das wichtigste Projekt in diesem Bereich ist das grenzübergreifende Bildungsnetzwerk PONTES, cf. www.pontes-pontes.de (2.3.2010). Die Anzahl und Bandbreite der einzelnen Kooperationsprojekte ist unüberschaubar. Allein in der Euroregion Elbe/Labe wurden beispielsweise zwischen 1992 und 2005 etwa 1.000 Projekte durchgeführt, die (insbesondere aus den Mitteln der EU-Strukturförderung) eine öffentliche Förderung erhielten; cf. hierzu PREUßCHER, C., „Euroregionen – haben sie sich bewährt? – Funktionen, Aufgaben und Perspektiven“, op.cit., S.82. Cf. hierzu auch BÖTTGER, K., Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa., op.cit., S.71f.
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angeboten. Obwohl die Tschechische Republik unmittelbarer Nachbar Sachsens ist, lernten im Schuljahr 2007/2008 an den sächsischen allgemein bildenden Schulen nur 2114 Schüler Tschechisch71; das sind weniger als 0,7% der sächsischen Schüler72. Mangels hinreichender Kenntnisse der jeweils anderen Sprache müssen auch bei den Sitzungen euroregionaler Gremien häufig Dolmetscher hinzugezogen werden73, um die korrekte Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen zu ermöglichen. Projekte zur Vermittlung und Vertiefung von Sprachkenntnissen verdienen daher besondere Aufmerksamkeit, weil sie eine wesentliche Grundvoraussetzung für ein besseres gegenseitiges Verständnis schaffen. Folgerichtig versteht die Euregio Egrensis die Sprachkompetenz als Standortvorteil und hat 2005 nach dem Vorbild einer Initiative Niederösterreichs eine Sprachoffensive gestartet. Diese hat drei Schwerpunkte: Die Bedeutung der jeweiligen Nachbarsprache für die gemeinsame (Wirtschafts-)Region soll stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden; die Angebote und Initiativen im Bereich der Sprachvermittlung sollen dokumentiert und untereinander vernetzt werden, um einen leicht zugänglichen Gesamtüberblick für Nachfrager zu schaffen und den Anbietern einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen74; das bestehende Sprachvermittlungsangebot soll erweitert und unter anderem durch die Bereitstellung von geeigneten Lehrmaterialien fachlich unterstützt werden. Sowohl die Euregio Egrensis als auch die Euroregion Bayerischer Wald–Böhmischer Wald–Mühlviertel beteiligen sich an dem Projekt „Gastschuljahr“, das daneben vom deutsch-tschechischen Zukunftsfonds und der Bayerischen Staatskanzlei getragen wird. Dieses Projekt ermöglicht es tschechischen Gymnasiasten, ein deutsches Gymnasium zu besuchen und dort nicht nur Deutsch und andere Sprachen (sowie den sonstigen Lehrstoff) zu erlernen, sondern im Rahmen zahlreicher Projekttage auch Einblicke in die bayerische Politik, Verwaltung, Kultur und Gesellschaft zu erhalten. Ein besonders enges gemeinsames Lernen deutscher und tschechischer Schüler ist seit 1998 im binationalen und bilingualen Bildungsgang des Friedrich-Schiller-Gymnasiums im sächsischen Pirna möglich. Dort werden die teilnehmenden Schüler beider Länder in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 in mehreren Fächern, in den Jahrgangsstufen 11 und 12 dann in allen Fächern gemeinsam unterrichtet.
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Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistisches Jahrbuch Sachsen 2008, Kamenz 2008, S.98. Zum Vergleich: 239.809 Schüler lernten im selben Zeitraum Englisch und immerhin 36.403 Schüler Französisch. In der Tschechischen Republik lernen demgegenüber etwa 400.000 Schüler Deutsch, in: www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/ Tschechische Republik/Kultur-UndBildungspolitik.html (2.2.2010). Im Schuljahr 2007/08 besuchten insgesamt 307.771 Schüler allgemein bildende Schulen in Sachsen, cf. Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, op.cit., S.97. Englisch lernten somit knapp 78%, Französisch knapp 12% der Schüler in Sachsen. In den meisten Geschäftsstellen bzw. Sekretariaten sind demgegenüber zweisprachige Mitarbeiter tätig, so dass dort auf den Einsatz von Dolmetschern verzichtet werden kann. Zur Dokumentation des Angebots wurde die bereits für den sächsisch-tschechisch-polnischen Grenzraum existierende Datenbank Linguaporta, in: http://call.tu-dresden.de/lingua (2.2.2010), auf das Gebiet der Euregio Egrensis erweitert.
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320 3.3.2. Gegenseitige Information über Rechts- und Behördensysteme
Ein weiteres erhebliches Hindernis für grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Verwaltungssektor sind die Unterschiede zwischen den Rechtssystemen und den Behördenstrukturen bzw. -kulturen der benachbarten Staaten. Daher sind auch solche Projekte von besonderer Bedeutung, die Grundkenntnisse über die Rechts- und Verwaltungssysteme des jeweiligen Nachbarn vermitteln und unmittelbare Kontakte zwischen öffentlichen Bediensteten herstellen bzw. fördern, die diesseits und jenseits der Grenze jeweils für denselben fachlichen Bereich zuständig sind. Eines der umfangreichsten Projekte zur Förderung der Behördenkooperation war das von Dezember 2004 bis Mai 2006 laufende Projekt Clara@EU75, das im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur EU die Zusammenarbeit zwischen deutschen und tschechischen Behörden in den Regionen Chemnitz, Oberfranken und Karlovy Vary angestoßen bzw. vertieft hat. In sieben für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit besonders relevanten Sachbereichen, darunter bürgernahe Verwaltung, Umweltschutz sowie Zivil- und Katastrophenschutz, wurden in regelmäßigen Workshops grenzüberschreitende Kontakte geknüpft. Diese wurden anschließend in Arbeitskreisen bei der gemeinsamen Entwicklung von Strategien zur Lösung konkreter grenzüberschreitender Probleme im jeweiligen Sachbereich ausgebaut und vertieft. Im Rahmen des 2008 abgeschlossenen Großprojekts „Gute Nachbarschaft im bayerisch-tschechischen Grenzraum“ wurde ein Teilprojekt „Recht und Verwaltung“ durchgeführt, durch das das zu diesem Themenkomplex bestehende Informationsangebot wechselseitig besser erschlossen und vernetzt wurde. Dazu wurden neben grundlegenden Informationen über den jeweiligen Staats- und Behördenaufbau auch spezifische Informationen zu ausgewählten Sachgebieten (etwa Bauen und Planen, Umwelt, Wirtschaft und Verkehr) auf einer Internetseite zusammengestellt76. Viele der dort abrufbaren Informationen werden jedoch nur in einer der beiden Sprachen bzw. alternativ in englischer Sprache angeboten, so dass sich die Sprachbarriere einmal mehr als Hindernis für die grenzüberschreitende Kommunikation und Kooperation erweist. 3.3.3. Hochwasserschutz Das Elbehochwasser im Sommer 2002 hat vor allem in Sachsen, aber auch in der Tschechischen Republik mehrere Menschenleben gefordert und Schäden in Milliardenhöhe angerichtet. Weiteren Hochwassern dieser Dimension kann nur durch eine grenzüberschreitend abgestimmte Raumplanung und Wasserbewirtschaftung wirksam begegnet werden. Entsprechende Vorsorgekonzepte und die hierzu erforderlichen Kartierungen wurden im Rahmen des Projekts Ella77 erar75 76 77
Die Abkürzung steht für „Cooperation of local and regional authorities at the moment of enlarging the Union“. Informationen in: www.uni-kl.de/FG-RuR/gn/relaunch/aktivitaeten_recht_verwaltung.php (2.2.2010). Die Abkürzung steht für „Elbe – Labe. Vorsorgende Hochwasserschutzmaßnahmen durch transnationale Raumordnung“.
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beitet78, an dem insgesamt 22 Partner aus Deutschland und der Tschechischen Republik, aber auch aus Österreich, Polen und Ungarn beteiligt waren. Die transnationale Zusammenarbeit in diesem Bereich wird gegenwärtig durch das Nachfolgeprojekt Label79 fortgesetzt, das unter anderem die Zusammenarbeit zwischen Raumplanung und Wasserbewirtschaftung beim Hochwasserrisikomanagement verstärken und Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an das Hochwasserrisiko entwickeln soll.
4. Fazit In den letzten 20 Jahren hat sich insbesondere im Rahmen der fünf deutschtschechischen Euroregionen eine rege Zusammenarbeit entwickelt, durch die grenzüberschreitende Probleme gemeinsam gelöst werden können und das Trennende der Grenze in bestimmten Bereichen an Bedeutung verliert. Dass insoweit allerdings auch noch existentielle Lücken klaffen, belegt der Umgang mit einem gewöhnlichen Verkehrsunfall, der sich Anfang September 2009 in einem tschechischen Grenzort ereignete80: Ein deutscher Fahrradfahrer, der bei einem Sturz eine Schädelverletzung erlitten hatte, wurde vom tschechischen Rettungsdienst nicht in das unmittelbar jenseits der Grenze gelegene Sebnitzer Krankenhaus, sondern in das 35 Kilometer entfernte nächstgelegene tschechische Krankenhaus gebracht. Dieses konnte die erforderliche neurochirurgische Behandlung jedoch nicht selbst durchführen, so dass der Verletzte weitere 50 Kilometer in das Krankenhaus von Ústi nad Labem transportiert wurde. Seitdem ist er stark gelähmt. Unabhängig davon, ob die Lähmung bei einem sofortigen Transport in das deutsche Krankenhaus hätte verhindert werden können, macht dieses Beispiel deutlich, wie stark auch in wichtigen Bereichen die trennende Wirkung von Grenzen selbst zwischen EU-Staaten heute noch sein kann.
LA COOPÉRATION À TRAVERS LA FRONTIÈRE GERMANOTCHÈQUE Dès le début des années 1990, non seulement la République fédérale d’Allemagne, mais aussi les Länder situés à la frontière germano-tchèque (la Bavière et la Saxe) ont commencé à coopérer avec les institutions tchèques. Depuis, la coopération transfrontalière des institutions étatiques s’est développée notamment dans les domaines de la sécurité (entre autres par l’institution de patrouilles binationales) et de la prévention d’incendies et de catastrophes.
78
79 80
Cf. zum rechtlichen Rahmen des Projektgegenstandes: JANSSEN, G./ALBRECHT, J., Rechtliche Rahmenbedingungen des grenzüberschreitenden Hochwasserschutzes im Einzugsgebiet der Elbe, Dresden, 2006. Die Abkürzung steht für „Labe – Elbe. Anpassung an das Hochwasserrisiko im Elbeeinzugsgebiet“. Cf. zum Hergang des Unfalls und seinen Folgen Sächsische Zeitung vom 2.9.2009 in: https://secure.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2250397 (2.3.2010).
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THOMAS GROH
A côté de la coopération au niveau de la Fédération et des Länder s’est établie rapidement une coopération régionale et locale. Elle est soumise, à défaut de dispositions spécifiques sur la coopération germano-tchèque, au régime juridique général de la coopération transfrontalière (avec toutes ses imperfections), à savoir notamment la Convention-cadre de Madrid et, depuis 2006, le règlement relatif au Groupement européen de coopération territoriale (GECT). Les « moteurs » de la coopération sont les cinq eurorégions qui se sont constituées, entre 1992 et 1994, au long de la frontière. Deux d’entre elles ont un caractère trinational, à savoir germano-tchèque-polonaise (l’eurorégion Nei e–Nisa–Nysa) et germanotchèque-autrichienne (l’eurorégion Bayerischer Wald–Böhmischer Wald–Mühlviertel). L’Euregio Egrensis, bien que binationale, est également composée de trois entités, à savoir deux associations allemandes (l’une bavaroise, l’autre saxonnethuringienne) et une entité tchèque. Les deux autres eurorégions (Elbe/Labe et Erzgebirge/Krušnoho í) comprennent des entités saxonnes et tchèques. La plupart des entités « nationales » des eurorégions est composée par des collectivités territoriales locales. Les eurorégions n’ont ni une personnalité juridique ni la compétence d’adopter des mesures juridiquement contraignantes. Tandis qu’un accord cadre prévoyant plusieurs institutions (parfois même avec leurs propres règlements intérieurs) formalise fortement la coopération et la structure institutionnelle de certaines eurorégions, d’autres se contentent de coopérer sur la base d’une simple entente informelle. Toutes les eurorégions coopèrent sur la base du principe d’égalité des entités qui la composent. Parmi les obstacles majeurs à la coopération germano-tchèque, le manque de connaissance de l’autre langue figure au premier rang. Très peu d’Allemands peuvent communiquer avec leurs partenaires tchèques dans la langue de ceux-ci. Les différences entre les deux systèmes juridiques et administratifs constituent également une difficulté importante. La pratique de la coopération germanotchèque démontre toutefois que ces obstacles peuvent être surmontés au moins en partie, contribuant ainsi à la solution de problèmes se retrouvant à l’identique de part et d’autre de la frontière.
THE COOPERATION ACROSS THE GERMAN-CZECH BORDER From the early 1990s, cooperation with the Czech institutions started not only with the Federal Republic of Germany, but also with the Länder (Bavaria and Saxony) on the German-Czech border. This cooperation between the state institutions has since developed, especially in the fields of security (amongst others through the setting up of binational patrols) and the prevention of fire and disasters). Alongside this cooperation between the Federation and the Länder, cooperation was rapidly established at regional and local levels. Since no specific legal rules on German-Czech cooperation exist, the general legal framework for crossborder cooperation (with all its weaknesses) applies, i.e. in particular the Madrid framework Convention and, since 2006, the regulation on the European Grouping for territorial Cooperation (EGTC). The main actors of this cross-border cooperation are the five Euroregions that were set up between 1992 and 1994 along
DIE DEUTSCH-TSCHECHISCHE GRENZE
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the German-Czech border. Two of them are trilateral: the German-Czech-Polish (Nei e–Nisa–Nysa) Euroregion and the German-Czech-Austrian (Bayerischer Wald–Böhmischer Wald–Mühlviertel) Euroregion. The Egrensis Euroregion, although binational, is also composed of three entities, i.e. two German associations (one Bavarian, the other Saxon-Thuringian) and a Czech entity. The other two Euroregions (Elbe/Labe and Erzgebirge/Krušnohoí) are composed of Saxon and Czech entities. Most of the “national” entities of which the Euroregions are composed are local authorities. The Euroregions have neither a legal personality nor can they adopt legal binding measures. While in some Euroregions, a framework agreement establishing several institutions provides a legal basis (sometimes even with formal rules of procedure), others settle for cooperation based on a simple informal arrangement. All of the Euroregions operate according to the principle of equality of their component entities. One of the most important obstacles to German-Czech cooperation is the lack of knowledge of the other language. Very few Germans are able to communicate with their Czech partners in the latter’s language. The differences between the two legal and administrative systems present another major difficulty. However, the experience of German-Czech cross-border cooperation demonstrates that these obstacles can be overcome, at least partially, so that problems which are the same on either side of the border can be resolved.
SCHLUSSFOLGERUNG BIRTE WASSENBERG „Cross-border Governance: Manche Forscher fühlen sich bereits an die territorialen Flickenteppiche des Mittelalters erinnert, wenn sie die Hypothese eines „entstehenden neo-mittelalterlichen Politikgeflechtes aus überlappenden territorialen Gerichtsbarkeiten” evozieren“1. „Ein Rückfall ins Mittelalter?” fragt sich Martin Weber in diesem Forschungsband, wenn er die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu einem multi-level-Governance-System beobachtet, in dem nationale, regionale und lokale Akteure aus Grenzregionen immer enger verflechtet miteinander kooperieren. Der Vergleich zum Mittelalter sei durch die Relativierung der Bedeutung der nationalen Grenze zu verstehen, denn die Idee des Nationalstaates und seiner politischen Souveränitätsbegrenzung stammt in der Tat aus erst dem 19. Jahrhundert. Grenzüberschreitende Governance sei daher eine Rückkehr zum Mittelalter mit seinen überlappenden Gerichtsbarkeiten, bei denen keine klare politische Trennlinie zwischen den Einflussbereichen der Fürstentümer bestand. Doch dieser Vergleich hinkt: Auch wenn Grenzregionen über die nationalen Grenzen hinweg zusammenarbeiten und wenn, wie es Stefan Fisch in seinem Vorwort zu diesem Forschungsband ausdrückt, eine fortschreitende „Entgrenzung” der Welt durch den Prozess der Globalisierung stattfindet, so kann dieser Prozess nicht mit einer Abwendung vom Nationalstaat und seinen politischen Grenzen verwechselt werden. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit fügt sich auch im 21. Jahrhundert in das System der internationalen Beziehungen von souveränen Staaten ein, das seit dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. In diesem System haben sich einige europäischen Staaten zwar verpflichtet, innerhalb einer Europäischen Gemeinschaft (EG) und später der Europäischen Union (EU) einen Integrationsprozess zu vollziehen, bei dem vor allem wirtschaftliche Grenzen abgebaut werden sollten, der jedoch das Bestehen des Nationalstaates an sich letztendlich nicht in Frage stellt. Multi-level-Governance zwischen der EU, ihren Mitgliedsstaaten und Regionen, sowie cross-border Goverance zwischen Grenzregionen findet also immer unter Berücksichtigung von klar abgesteckten Souveränitätssphären verschiedener nationaler Politik- und Rechtssysteme statt. Der Vergleich zum Mittelalter scheint jedoch in anderer Hinsicht für diesen Forschungsband wieder relevant: So verwenden viele der Autoren Metaphern, die aus der Zeit des Mittelalters stammen, vor allem um die Entwicklung der Terminologie und der Strukturen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu beschreiben. Martin Weber spricht dabei in seinem Artikel „Von der Agglomerationspolitik zur Metropolitan Governance im trinationalen Metropolitanraum Basel” im Bezug auf die Metropolregion von dem in Shakespeares’ Hamlet be1
GUALINI, E., „Cross-border governance: inventing regions in a trans-national multi-level Polity“, DISP 152, 2003, S.49.
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kannten „Gespenst, das in Europa umgeht“; Rolf Wittenbrock erinnert in seinem Beitrag zu den „Formen grenzüberschreitenden politischen Handels in der Groregion- Auf dem Weg zur Governance?” daran, dass Governance in wissenschaftlichen Debatten immer mehr als eine Art „Zauberwort” verwendet wird. Das Mittelalter ist in der Tat bekanntlich eine Zeit der Mystik, Hexerei und Zauberei und diese Metaphern erwecken den Eindruck, dass die Autoren cross-border Governance fast als eine „mystische Erscheinung“ empfinden, die sie nicht wirklich verstehen und die sowohl Hoffnung auf eine Lösungsformel für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erweckt, aber auch Angst vor einem letztendlich nicht durchschaubaren Phänomen. Auch vor der neuen Begriffsflut in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit – Euroregionen, Metropolregionen, Eurodistrikte, euroregionale, mutli-level, Metropolitan Governance – bleiben die Autoren perplex, sowohl die Wissenschaftler, wie auch die Praktiker. Dies liegt schon allein daran, dass diese Begriffe nicht in Anlehnung an ein theoretisches Modell zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit entwickelt wurden, sondern in der Praxis einfach eingesetzt wurden und nun die Aufgabe besteht, sie wie „durch Zauberhand“ in eine Art kohärente Gesamtformel einzufügen. Liefert dieser Forschungsband also eine Zauberformel für die grenzüberschreiten Governance am Beispiel der deutschen Grenzregionen? Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist natürlich keine Zauberei. Dieser Forschungsband kann durch seine Analysen einen Schlüssel zum Verständnis liefern, warum es seit der Jahrhundertwende zu einer wahrhaften Begriffsrevolution in der Terminologie der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit einschließlich der explosionsartigen Verwendung des multi-level-Governance-Ansatzes gekommen ist. Er kann außerdem am Beispiel der deutschen Grenzregionen erläutern, ob und wie eine regional Governance-Theorie für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit relevant ist.
1. Neue Begriffe für eine veränderte grenzüberschreitende Zusammenarbeit Im ersten Teil zu den theoretischen Grundlagen und Ansätzen zur grenzüberschreitenden Governance wird deutlich, dass die revolutionäre Begriffserneuerung in den Grenzregionen ein direktes Resultat eines Veränderungsprozesses ist, den die grenzüberschreitende Zusammenarbeit seit den 1950er Jahren erfahren hat. Zu Beginn dieser Kooperation über die Grenzen, die in den 1950er und 1960er Jahren vor allem an der deutsch-niederländischen, sowie der deutschfranzösischen Grenze (am Oberrhein und in der Region Saar-Lor-Lux) stattfand, diente die Zusammenarbeit vor allem der Versöhnung der Völker nach dem Zweiten Weltkrieg, der Erhaltung des Friedens und der Lösung konkreter Grenzprobleme auf lokaler Ebene2. Die sogenannte „kleine Außenpolitik“ der Grenzregionen war jedoch eher eine Ausnahmeerscheinung und kam zumeist auf informeller Basis zwischen regionalen und lokalen Akteuren sowie auf deren Initiative hin zustande.
2
Cf. FRHR. VON MALCHUS, V., Partnerschaft an europäischen Grenzen, Bonn, 1975.
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Wie jedoch Ulrich Bohner aus seiner langjährigen Erfahrung als Sekretär des Kongresses für lokale und regionale Gebietskörperschaften des Europarates feststellt, hat sich die Situation der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa heute grundlegend verändert. Der Kongress begleitet z.B. seit Anfang der 2000er Jahre die Bildung von multilateralen Euroregionen um das Adriatische und Schwarze Meer herum, deren Ziel nicht nur die Kooperation zwischen den an die Meere angrenzenden Regionen ist, sondern vor allem auch eine geopolitische Stabilisierung einer gesamten europäischen Region. Daher wird für diese Art von Grenzkooperation der neue Begriff der „Makroregionen“ verwendet, innerhalb derer nicht eine „kleine Nachbarschaftspolitik“ zwischen Grenzregionen, sondern eher eine „große Außenpolitik“ unter Einbezug der Nationalstaaten erfolgt. Robert Hertzog zeigt hingegen in seinem Beitrag „Repenser les fondements, domaines et enjeux de la coopération transfrontalière“, dass für die meisten Grenzregionen in Europa grenzüberschreitende Zusammenarbeit heute zum alltäglichen Geschäft geworden ist. Dies sei auch der Einführung des Interreg-Programms durch die EG Anfang der 1990er Jahre zu verdanken, wodurch erhebliche Mittel in die Grenzregionen flossen und die Realisierung grenzüberschreitender Projekte europaweit stimuliert wurden. Es handelte sich in diesem Sinne also nicht mehr um eine „kleine Außenpolitik“, sondern um einen Teil der regionalen „Innenpolitik“: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit werde zum Bestandteil aller öffentlichen Politikfelder – Verkehr, Raumordnung, Kultur, Bildung, etc. – von lokalen und regionalen Gebietskörperschaften. Dies wirft aber dann in der Diskussion um die regional Governance die Frage nach deren Ausweitung auf den grenzübergreifenden Politikbereich auf. Robert Hertzog unterscheidet zwischen zwei Hauptkategorien von cross-border Governance, die sich seit Anfang des 21. Jahrhunderts herauskristallisiert haben: zum einen einer thematischen, problem- und projektorientierten Kooperation auf lokaler Ebene und zum anderen einer politisch ausgerichteten Kooperation auf regionaler Ebene mit Blick auf allgemeine Grenzprobleme. Für beide GovernanceTypen braucht es jeweils unterschiedliche Zielsetzungen, Formen und Strukturen, aber auch bei Einführung neuer Kooperationsmodi, wie z.B. der Eurodistrikte gilt, dass sie sich innerhalb der jeweiligen nationalen Rechtssysteme bewegen müssen. Dabei hat sich auch im Bezug auf die Rechtsinstrumente die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter entwickelt. Wie Jean-Marie Woehrling im Vortrag zu den „Les fondements juridiques de la coopération transfrontalière des autorités publiques locales“ aufführt, sind seit dem Madrider Rahmenabkommen des Europarates von 1980 neue Rechtsformen eingeführt worden, vor allem der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) für die 27 EU-Mitgliedstaaten, sowie dessen Pendant für alle 47 Mitgliedstaaten des Europarates, das in einem dritten Zusatzprotokoll des Madrider Abkommens vorgesehen ist. Dennoch betonen sowohl Robert Hertzog wie Jean-Marie Woehrling, dass die Grundlage der Grenzbeziehungen nicht im Völkerrecht, sondern im internen Recht der betreffenden Staaten zu suchen ist. Auch „moderne“ grenzüberschreitende Zusammenarbeit generiert kein grenzüberschreitendes Recht, was diese Kooperationsform von der EU mit ihrem Gemeinschaftsrecht klar unterscheidet. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht sind bei juristischen Governance-Fragen also nicht die institutionellen und Strukturfragen entscheidend, sondern substanzielle und materielle rechtliche Fragen, wie z.B. die Äquivalenz technischer Normen.
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Die Veränderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beschreiben Joachim Beck und Eddie Pradier in ihrem Beitrag zur „Governance in der transnationalen Regionalpolitik“ als eine Evolution von klassischer Governance, die sachlich-strategisch, d.h. Policy-bezogen ist hin zu einer cross-border Governance als Querschnittaufgabe in einem (trans)-nationalen Verflechtungsraum. Anhand ihrer Vergleichsanalyse der „erfahrenen“ Grenzregionen Bodensee, Oberrhein, Saar-Lor-Lux und Euregio Maas-Rhein beschreiben sie eine ähnliche Entwicklung von grenzüberschreitender Governance in vier Zeitperioden: In den 1970er Jahren fand eine administrative Institutionen-Bildung für grenzüberschreitende Zusammenarbeit statt; in den 1980er Jahren wurde diese weiter ausdifferenziert; in den 1990er Jahren kam es dann zu einer projektorientierten Professionalisierung der Kooperation und ab den 2000er Jahren schließlich zu einer Ebenenspezifischen Differenzierung von Governance-Strukturen. Kann unter Berücksichtigung dieser Veränderungen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der neuen Termini (Eurodistrikte, Metropolregionen, usw.) auch von einem neuen theoretischen Ansatz gesprochen werden, der die Funktionsweise von cross-border Governance erläutert?
2. Cross-border Governance: ein Sonderfall von regional Governance Die Ergebnisse dieses Forschungsbandes zeigen eindeutig, dass es aus politikwissenschaftlicher Sicht bei der Governance-Frage noch einer erheblichen Klärung der Terminologie bedarf, um eine Anwendung des regional-Governance-Ansatzes auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu ermöglichen. Zunächst ist das Konzept der regional Governance schon im nationalen Kontext unterschiedlichen Interpretationen und Definitionen ausgesetzt, die, wie es Rolf Wittenbrock ausdrückt, einen „weit gespannten Bogen von der Hierarchie bis zur institutionalisierten gesellschaftlichen Selbstregelung, d.h. die gesamte Bandbreite der Interaktionsmuster und Modi kollektiven Handelns“ umfassen. Diese Bandbreite sollte jedoch für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit klar definiert werden. Die Steuerung in grenzüberschreitenden Regionen ist, wie es Eric Jakob am Beispiel „Der Oberrhein- ein Governance-Modell für andere Grenzregionen?“ eindeutig feststellt, ein Sonderfall von „regional Governance“, der dadurch auch eine besondere Definition benötigt. Obwohl die zentralen Merkmale der „regional Governance“ in grenzüberschreitenden und binnenstaatlichen Regionen grundsätzlich dieselben seien, würden sie in Grenzregionen aufgrund des Grenzeffekts „in zugespitzter Form“ zu Tage treten: das Fehlen herkömmlicher (vertikaler) staatlicher Steuerung, die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit staatlicher, kommunaler und privater Akteure sowie die Bildung horizontaler Netzwerk- und Koordinationsstrukturen, etc. Wie kann diesem Sonderfall der regional Governance Rechnung getragen werden? Alle Autoren, die sich in diesem Forschungsband mit dem Begriff der crossborder Governance auseinandersetzen, beziehen sich zunächst in einer Grunddefinition auf Dietrich Fürst, der für die regional Governance-Frage in der deutschen Politikwissenschaftsliteratur bekannt ist. Demnach seien mit regional Governance auch im grenzüberschreitenden Kontext generell „netzwerkartige intermediäre Formen der regionalen Selbststeuerung in Reaktion auf Defizite sowie in Ergän-
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zung der marktlichen und der staatlichen Steuerung“ zu verstehen3. Dietrich Fürst selbst gibt jedoch in seiner Abhandlung „Regional Governance- Was ist neu an dem Ansatz und was bietet er?“ zu bedenken, dass hinsichtlich der regional Governance die Begriffsbestimmung „verwirrend vielfältig ist“ und dass gerade für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit keine zu eng gefasste Definition verwendet werden dürfe. Im engen Sinne hätte regional Governance nämlich keinen Akteur, sondern nur ein handelndes Kollektiv (z.B. eine Regionalkonferenz oder die Repräsentanten einer Region). Da aber in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit viele „handelnde Kollektive“ aufweise, die meist unterschiedlichen nationalen Steuerungssystemen zugewiesen sind, bräuchte es für crossborder Governance eine flexiblere Definition. Außerdem müsse multi-levelGovernance in Grenzregionen nach Meinung von Fürst klar von multi-levelGovernance innerhalb der EU unterschieden werden, da im grenzüberschreitenden Kontext nicht wie bei der EU ein Bezug auf eine gemeinschaftliche institutionelle Organisation mit eigenem Verhandlungssystem und mit Machtausübung existiere. Für den Versuch, ein theoretisches Modell zur cross-border Governance aufzustellen, nimmt der Beitrag von Joachim Beck und Eddie Pradier eine zentrale Stellung in diesem Forschungsband ein. Sie entwickeln ein sogenanntes Holistisches Modell, das sich auf zwei grundlegende Charakteristika der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beruft: zum einen auf die unterschiedlichen Dimensionen und zum anderen auf die unterschiedlichen Bezugsebenen der crossborder Governance. Vier Merkmale unterscheiden demnach diesen Typus von Governance binnenstaatlicher Regionalkooperationen: eine territoriale Dimension deren Partikularität in der geographischen Bezugnahme auf ein Grenzgebiet zwischen zwei oder mehreren Ländern besteht; eine transnationale Dimension, die die Entscheidungsarenen zweier oder mehrerer nationaler politscher Systeme miteinschließt; eine europäische Dimension, die den Einfluss der EURegionalpolitik in den Grenzgebieten berücksichtigt und zuletzt eine sachlichstrategische Dimension, die die verschiedenen Politikfelder umfasst, in denen grenzüberschreitende Zusammenarbeit wirkt. Kombiniert mit den fünf sich steigernden Funktionsebenen der Kooperation – Begegnung, Information, Koordination, Planung, Entscheidung/Umsetzung – zielt das Holistische Modell der grenzüberschreitenden Governance darauf ab, ein Kaldor-Optium durch ein Gleichgewicht zwischen den Dimensionen und Funktionsebenen zu erhalten, indem eine komplementäre, vertikal und horizontal ausdifferenzierte Steuerungsstruktur für die Zusammenarbeit erarbeitet wird. Ein solches Modell würde nach Ansicht der Autoren der Komplexität der grenzübergreifenden Zusammenarbeit Rechnung tragen. Ist dies jedoch in der Praxis der Fall?
3. Der Oberrhein als Beispiel komplexer cross-border Governance Im zweiten Teil dieses Forschungsbandes wird anhand der grenzüberschreitenden Governance am Oberrhein deutlich, dass die Anwendung des regional Governance-Ansatzes dort zwar zu einer Modernisierung der Kooperationsstrukturen 3
Cf. FÜRST, D., „Regional governance“, in: BENZ, A., (Hrsg.), Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen: Eine Einführung, S.45-64, Opladen, 2004.
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führte und dabei auch neue Governance-Modelle wie die Metropolregion oder die Eurodistrikte entstanden, dass dies jedoch keineswegs den Oberrhein automatisch zu einem Best-Practice Beispiel für gelungene multi-level-Governance macht. Das Beispiel des Oberrheins illustriert auch, dass die Begriffsrevolution in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nicht unbedingt für mehr Klarheit im Verständnis von cross-border Governance führt, denn die neuen Kooperationsformen und Versuche, diese nach einem multi-level-Ansatz in ein grenzüberschreitendes Mehrebenen-System einzufügen, verstärken die Komplexität in der Grenzregion noch weiter und machen diese damit vor allem für den Bürger noch unverständlicher. Trotzdem ist der Oberrhein ein gutes Beispiel für die Erprobung einer crossborder Governance-Theorie. Seit den 2000er Jahren findet dort ein Metropolisierungsprozess statt, durch den Kooperationsstrukturen und Entscheidungsprozesse grundlegend neu gestaltet werden. Michael Frey zeigt in seinem Beitrag „Grenzüberschreitende multi-level-Governance für den Oberrhein“, dass innerhalb des am 11. Dreiländer-Kongress verabschiedeten Konzeptes einer Metropolregion die institutionelle Zusammenarbeit in ein Vier-Säulen-System integriert wurde, die alle Akteure und wesentlichen Politikfelder der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit einbeziehen: Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, Politik und die Zivilgesellschaft. Die Entwicklung von effizienten Governance-Strukturen wird dabei von der Säule Politik geleistet, die versucht, die verschiedenen institutionellen Ebenen, – die Oberrheinkonferenz auf der exekutiven Seite und den Oberrheinrat auf der parlamentarischen Seite –, sowie die geographischen Ebenen – die Metropolregion auf regionaler und die Eurodistrikte auf lokaler Ebene – miteinander in Einklang zu bringen. Die Schlagwörter zur Orientierung sind dabei „Komplementarität, Subsidiarität und Ressourcenökonomie“. Eric Jakob kommt sogar in seinem Artikel zu dem Schluss, dass das MehrebenenSystem am Oberrhein ein Modell bezüglich des Projektoutputs sei und die oberrheinischen Metropolen (Freiburg, Colmar, Strasbourg, Basel, Karlsruhe) ein Sinnbild für die „europäische Stadt des 21. Jahrhunderts“. Dennoch verweisen die Autoren insgesamt auf Defizite sowohl in der grenzüberschreitenden Governance am Oberrhein, als auch bei der Anwendung der neuen Begriffsdefinitionen. Michael Frey beklagt demnach das Prinzip der Einstimmigkeit in den Entscheidungsprozessen, das Effizienz und Geschwindigkeit bei der Umsetzung grenzüberschreitender Zusammenarbeit bremst. Zudem sei auch der extreme Konsenszwang bei den Partnern am Oberrhein ein nicht unerhebliches Hindernis für innovatives Handeln. Karen Denni wiederum findet in ihrer Analyse zu „Governance von Eurodistrikten am Oberrhein“ heraus, dass entgegen dem ursprünglichen Anspruch einer effizienten und bürgernahen Kooperation auf lokaler, kleinräumiger Ebene eher ein top-down Ansatz bei der konkreten Umsetzung der Eurodistrikte stattfand. Am Beispiel des Eurodistriktes Strasbourg-Ortenau macht sie deutlich, dass Entscheidungen häufig von der politischen Regierungsebene der Kommunen ohne Einbezug des Bürgers vor Ort getroffen wurden. Auch die asymmetrischen Beziehungen zwischen einer großen und einer kleinen Stadt (Strasbourg-Kehl) erschweren eine ausgeglichene Mehrebenen-Governance. Martin Weber zeigt in seinem Beitrag zum MetropolitanRaum Basel, dass das Metropol-Konzept am Oberrhein schon bei der Definierung auf konkurrierende Konzepte stößt: Der kleinräumige Ansatz z.B. einer Metropolregion um Basel steht dabei im Gegensatz zum polyzentrischen Kon-
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zept einer regionalen Metropolregion Oberrhein, in der mehrere mittlere Städte als „Pole“ relevant werden. Aber auch nationale Metropoldiskurse können in Konkurrenz zur Idee einer grenzüberschreitenden Metropolregion stehen. Metropolräume, so meint Weber, seien keine „Oasen in der Würste“ und so müsse die Metropolregion Oberrhein sowohl mit dem Raumkonzept der Schweiz wie auch mit anderen Modellen, z.B. einer Metropolregion Nordwestschweiz in Einklang gebracht werden. Insgesamt weist Birte Wassenberg in ihrem Artikel „Historisch gewachsene Governance am Oberrhein (1963-2010)“ nach, dass grenzüberschreitende Kooperationsstrukturen nur mithilfe einer geschichtlichen Analyse erklärt werden können. Governance-Forschung zu Grenzregionen sollte die geschichtliche Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit berücksichtigen, da ihre Steuerungsformen nicht durch Anwendung eines theoretischen mutli-levelGovernance-Modells entstünden, sondern im Laufe der Zeit progressiv von verschiedenen Akteuren und mit unterschiedlichen Zielsetzungen aufgebaut würden. Dies führte z.B. am Oberrhein zu einer Art institutionellem Mille-feuilles, bei dem effiziente Governance letztendlich sogar durch Verkrustungen, Parallelstrukturen und konkurrierenden Institutionen behindert wurde. Daher unterstützt auch Eric Jakob die These, dass der Oberrhein nicht als allgemein gültiges Modell für cross-boder Governance betrachtet werden kann. Modellcharakter hätte nur die langjährige und intensive Einbindung der Schweizer Partner, die beweise, dass eine EU-Mitgliedschaft nicht unbedingt erforderlich sei, um grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu bewältigen.
4. Die Vielfältigkeit und Typologien von Governance in deutschen Grenzregionen Die ausgewählten Fallbeispiele von Governance in den übrigen deutschen Grenzregionen in diesem Forschungsband verdeutlichen die Vielfalt von bestehenden Formen und Strukturen von grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Durch die einzelnen Analysen wird klar, dass es in der Tat unterschiedliche Entwicklungsphasen von Governance an den deutschen Grenzen gibt, wie sie Joachim Beck und Eddie Pradier für die „erfahrenen“ Grenzregionen schon identifiziert hatten. Diese Phasen treten jedoch zum Teil zeitlich versetzt auf und sind unterschiedlich lang, sodass die deutschen Grenzregionen sich nicht alle in derselben Entwicklungsphase befinden. Für unterschiedliche Entwicklungsphasen sind ebenfalls jeweils unterschiedliche Governance-Modelle ausschlaggebend. Die Beiträge zur Groregion Saar-Lor-Lux von Rolf Wittenbrock und zur „Internationalen Bodenseehochschule (IHB) als Beispiel grenzüberschreitender Zusammenarbeit“ von Stephan Prehn zeigen eindeutig, dass diese Regionen mit dem Oberrhein vergleichbar sind. Die Grenzregion Saar-Lor-Lux weist dabei ähnlich komplexe, geschichtlich gewachsene und differenzierte Governance-Strukturen auf. Von einer intergouvernementalen Regierungskommission über regionale Gipfeltreffen der Repräsentanten der Exekutivorgane, sowie einem interregionalen Wirtschafts- und Sozialausschuss sind alle Governance-Ebenen bis hin zu den Sozialpartnern in der institutionellen Zusammenarbeit vertreten. Die Einbeziehung vielfältiger Akteure aus der Wissenschaft, Wirtschaft, dem administrativen-
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politischen Sektor und der Zivilgesellschaft (Vereine, Verbände) zeigt Wittenbrock in einer Analyse der Interreg-IV Projekte auf, die außerdem wie beim Oberrhein den Erfolg des Projektoutputs in der Saar-Lor-Lux Region belegt. Auch der Metropolisierungsprozess hat mit der „Quattropole“ und der Verabschiedung eines „Zukunftsbilds 2020“ eingesetzt. Der mutli-level-Governance-Ansatz bietet hier dieselben Lösungsmöglichkeiten (Koordinierung, Subsidiarität, Komplementarität), aber auch dieselben Probleme (Einstimmigkeitsprinzip, Konsensbildung, komplizierte Teilräumigkeiten). Am Beispiel der Bodensee-Region zeigt Stephan Prehn, dass integrierte und innovative Governance in „erfahrenen“ Grenzregionen durchaus möglich ist: Die Bodenseehochschule funktioniert dabei als grenzüberschreitendes Hochschulprojekt mithilfe gemeinsamer GovernanceStrukturen, d.h. einer Konferenz und einem Rat unter Beteiligung der politischen Träger und der Rektoren aus 27 Hochschulen in Österreich, Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz. Die integrierte Governance wird in diesem Falle jedoch auch durch die mehrheitlich föderalistischen Strukturen der beteiligten Staaten erleichtert. In Bezug auf die Grenzregionen zu Dänemark, Polen und der Tschechei werden jedoch große Unterschiede im Vergleich zum Oberrhein, der Groregion oder dem Bodensee deutlich. So hat im deutsch-dänischen Grenzgebiet lange Zeit großes Misstrauen eine institutionalisierte Zusammenarbeit verhindert. Die konfliktreiche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts hat die deutsch-dänische Grenze zu einer „Narbe der Geschichte“ gemacht, deren „Heilung“ im Gegensatz zum deutsch-französischen Versöhnungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg erst viel später stattgefunden hat, auch weil Dänemark erst 1973 der EG und somit dem europäischen Integrationsprozess beigetreten ist. Vor dem Interreg-Programm konnte so grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der deutsch-dänischen Grenzregion nur vereinzelt und projektbezogen im Sinne der von Blatter4 entwickelten Theorie der funktionalen Governance erfolgen. Erst 1997 wurde dann in der Region Sønderjylland-Schleswig an der Landgrenze eine Euroregion gegründet, in der auch institutionalisierte Governance-Strukturen vorgesehen waren, die jedoch bisher weder zu einer Mehrebenen-Politik noch einem Metropolisierungsprozess geführt haben. Zudem macht Martin Klatt in seinem Beitrag „Grenzüberschreitende politische Zusammenarbeit in der deutsch-dänischen Grenzregion“ darauf aufmerksam, dass in den beiden anderen deutsch-dänischen Teilregionen Fyn-K.E.R.N. (Kiel-Eckernförde-Rendsburg-Neumünster) und Storstrøm-Ostholstein (Vogelfluglinie) durch die geographische Distanz der Seegrenze die Zusammenarbeit weitaus weniger intensiv war und im Falle von FynK.E.R.N sogar nach Auslaufen des speziellen Interreg-Programms gänzlich aufgelöst wurde. Dies sei ein Indiz dafür, dass grenzüberschreitende Governance durch Interreg zwar gefördert, nicht aber den substantiellen, regional-identitären Unterbau hierfür liefern könne. In den Grenzregionen zu den Osteuropäischen Staaten ist die Entwicklung grenzüberschreitender Zusammenarbeit noch stärker von den „Narben der Geschichte“ geprägt. Hier findet zum Teil noch ein Prozess der Annäherung und Aussöhnung statt, der im deutsch-französischen Grenzgebiet schon in den 1950er 4
BLATTER, J., „From spaces of place to spaces of flows? Territorial and functional governance in cross-border regions in Europe and North America, International Journal of Urban and Regional Researt ch, 28/3, 2004, S.534.
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Jahren eingesetzt hat und heute größtenteils abgeschlossen ist. Olga Jarecka zeigt in ihrem Beitrag zur „Deutsch-polnischen Zusammenarbeit als klassische Form der grenzüberschreitenden Kooperation“, dass die Grenze noch bis heute durch die negativen Erfahrungen der Bevölkerung belastet ist: Nach 1945 wurde die Grenzziehung demnach vor allem mit der Vertreibung der Deutschen verbunden, was zu einem dauernden Vertrauensverlust auf beiden Seiten führte, der den Aufbau grenzüberschreitender Zusammenarbeit erschwerte. Zudem diente diese Kooperation zwischen der Volksrepublik Polen und der Deutschen Demokratischen Republik in der Zeit des Kalten Krieges der Verbreitung der Sozialistischen Ideologie und war von „oben“ her erzwungen. Erst nach dem Mauerfall 1989 und mithilfe der Interreg-Mittel wurden dann neue Grenzbeziehungen entwickelt, aber dennoch wurde die Grenze auch weiterhin von der Bevölkerung als Symbol von Gewalt und Kriminalität und damit als bedrohlich empfunden. Governance-Strukturen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wurden in Form von vier Euroregionen entlang der deutsch-polnischen Grenze (Neiße–Nisa– Nysa, Spree–Neiße–Bober, Pro Europa Viadrina und Pomerania) gegründet, von denen eine (Neiße–Nisa–Nysa) auch mit der tschechischen Seite kooperiert. Diese Euroregionen sind jedoch weniger ein Mehrebenen-System mit integrierten crossborder Governance-Strukturen, als freiwillige Interessengemeinschaften, die auf lokaler Ebene relativ flexibel und ohne eigene Rechtpersönlichkeit funktionieren. Nur im Fall der nach dem Zweiten Weltkrieg geteilten Stadt Görlitz/Zgorzelec scheint grenzüberschreitende Governance im Sinne von einem integrierten Raumordnungs- und Politikansatz verwirklicht zu werden, mit dem Ziel, eine gemeinsame „Europastadt“ zu schaffen. Auch bei der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit wird grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wie Thomas Groh in seinem Beitrag betont, vor allem unter dem „Dach“ von Euroregionen „institutionalisiert“: Die bis 1994 entstandenen fünf Euroregionen im bayrisch-tschechischen und sächsisch-tschechischen Grenzgebiet ( Nei e–Nisa–Nysa, Elbe/Labe, Erzgebirge/Krušnoho , Bayerischer Wald– Böhmischer Wald–Mühlviertel und Euregio Egrensis) basieren wie auch bei der polnisch-deutschen Zusammenarbeit auf rechtlich „lose“, aber dennoch praktisch effektive lokale Verbandsstrukturen, die keine speziellen Rechtsgrundlagen voraussetzen. Der Vorteil dieser flexiblen Governance-Strukturen liegt in ihrer Kapazität, mit erheblichen Organisations – und Regelungsdivergenzen der an ihr beteiligten nationalen Rechtsordnungen und – kulturen umgehen zu können. Der Nachteil dieser Schnittstellen zwischen verschiedenen Rechtsordnungen ist eine letztendlich insgesamt unbefriedigende Rechtslage und eine Governance, die in keiner Weise mit der in den erfahrenen Grenzregionen stattfindenden Metropolisierung und Mehrebenen-Politik verglichen werden kann. Die Vergleichsanalysen zwischen den so unterschiedlichen GovernanceFormen von grenzüberschreitender Zusammenarbeit an den deutschen Grenzen lassen die Schlussfolgerung zu, dass kein einheitliches cross-border-GovernanceModell für alle deutschen Grenzregionen entwickelt werden kann. Auch das von Joachim Beck und Eddie Pradier konzipierte Holistische Modell kann nur auf einen bestimmten Typ von Grenzgebiet, nämlich die erfahrenen Regionen an den Grenzen zu den Niederlanden, Frankreich und der Schweiz übertragen werden. Jede grenzüberschreitende Governance hängt vom Typ der Grenzregion und ihrer jeweiligen Entwicklungsphase ab.
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Um verschiedene Governance-Modelle bestimmten Grenzregionen zuordnen zu können, muss daher eine Typologie erstellt werden, die für die deutschen Grenzgebiete aus diesem Forschungsband klar hervorgeht. Bei den deutschen Grenzregionen lassen sich demnach zwei Kategorien von Grenzregionen aufstellen: Zum einen die „etablierten“ Grenzregionen (Oberrhein, Saar-Lor-Lux, Bodensee), in denen die Kooperation schon in den 1950er/19060er Jahren begonnen hat und die über ein kompliziertes mutli-level-Governance-System verfügen. In diesen Regionen hat seit den 2000er Jahren ein Metropolisierungsprozess begonnen, der Governance-Fragen im Sinne einer Umstrukturierung und Reformierung bestehender grenzüberschreitender Organe in den Mittelpunkt stellt und bei dem neue Governance-Formen (Metropolregion, Eurodistrikte) mit neuen Rechtsinstrumenten (Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit) erprobt werden. Für diese Regionen kann ein Holistisches Governance-System als Entwicklungsmodell angestrebt werden, bei dem die vielfältigen Handlungsdimensionen und Funktionsebenen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit miteinander in Einklang gebracht werden. Zum anderen gibt es die Grenzregionen, die erst mit der Einführung des Interreg-Programms Anfang der 1990er Jahre grenzüberschreitende Zusammenarbeit intensiviert und institutionalisiert haben. Hier muss außerdem weiter zwischen der deutsch-dänischen Grenzregion einerseits und den Grenzregionen zu Osteuropa andererseits unterschieden werden. Im deutsch-dänischen Grenzgebiet behindern zwar die Erinnerung an Grenzkonflikte aus der Vergangenheit und die Existenz einer maritimen Grenze die Einrichtung von integrierten Governance-Strukturen, aber die seit 1973 in die EG integrierten Binnenregionen konnten die grenzüberschreitende Zusammenarbeit dennoch in einem funktionalen Governance-System bewältigen. Im Gegensatz dazu war die Entwicklung von grenzüberschreitenden Beziehungen – ohne ideologisch-doktrinären Hintergrund – und die Bildung von Governance-Strukturen an der polnischen und tschechischen Grenze erst nach Öffnung des Eisernen Vorhangs überhaupt möglich. Hier dient Governance also zunächst der Überwindung der Narben der Geschichte, d.h. einem Versöhnungsprozess und dabei erscheinen losere, flexible Governance-Strukturen in Form von Euroregionen als Zweckverbände ein angemessenerer Organisationsmodus. Ob cross-border-Governance insgesamt auf eine Mehrebenen-Politik hinstreben sollte und die Bildung von Metropolregionen, Eurodistrikten oder anderen neuen Governance-Formen letztendlich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und damit auch dem europäischen Integrationsprozess dient, bleibt fraglich. Denn viele der Autoren in dieser Publikation weisen auch bei den „erfahrenen“ Grenzregionen darauf hin, dass bei allen Governance-Formen immer noch ein wesentlicher Demokratie-Defizit vorhanden ist und der Bürger nicht genügend in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit einbezogen wird. Um bürgernahe Kooperation zu bewerkstelligen, hilft es nicht, sich hinter einer neuen Terminologie zu verstecken: Ob Euroregion, Metropolregion, Eurodistrikt – wahrhafte Mehrebenen-Politik muss bei der Frage beginnen: Dient diese Zusammenarbeit wirklich dem Bürger und kann sich dieser auch damit identifizieren?
CONCLUSION « Cross-border Governance : certains chercheurs se disent prêts à se remémorer le patchwork territorial du Moyen-Âge, lorsqu’ils évoquent l’hypothèse d’un « entrelacement politique néo-moyenâgeux » s’étant établi suivant les juridictions territoriales entremêlées »1. « Un retour vers le Moyen-Âge ? » questionne Martin Weber dans cette publication, lorsqu’il associe le développement de la coopération transfrontalière à un système de gouvernance multi-niveaux, au sein duquel les acteurs nationaux, régionaux et locaux des régions frontalières coopèrent dans une interdépendance toujours plus marquée. La comparaison avec le Moyen-Âge est à comprendre à travers la relativisation de la signification de frontière nationale, car l’idée d’État national et de l’encadrement de sa souveraineté n’apparaît en effet qu’au 19e siècle. La gouvernance transfrontalière marquerait ainsi un retour au Moyen-Âge et à ses juridictions qui se recoupent et dans lesquelles aucune ligne séparatrice claire entre les secteurs d’influence des principautés n’existe. Toutefois, cette comparaison est bancale : même si les régions frontalières travaillent en commun au-delà des frontières nationales, et si, comme l’exprime Stefan Fisch dans l’avant-propos de cette publication, une « défrontièrisation » (Entgrenzung) croissante du monde à travers le processus de mondialisation est en cours, ce processus ne pourra toutefois pas être confondu avec le détournement de l’État national et des ses frontières politiques. La coopération transfrontalière au 21e siècle s’insère toujours dans le système des relations internationales, qui s’est construit à partir de la Seconde Guerre mondiale. Dans ce système, certains États européens se sont lancés dans un processus d’intégration à l’intérieur de la Communauté européenne (CE) et plus tard de l’Union européenne (UE), au sein duquel notamment les frontières économiques ont été abolies, mais qui ne remet pas en cause l’existence de l’État-nation. La gouvernance multi-niveaux entre l’UE, ses États membres et ses régions, tout comme la gouvernance transfrontalière entre des régions frontalières, se produit toujours par la prise en compte de sphères de souveraineté clairement fixées issues de différents systèmes politiques et juridiques nationaux. Selon un autre point de vue, la comparaison avec le Moyen-Âge semble néanmoins avoir un intérêt pour cette publication : ainsi nombreux sont les auteurs à avoir utilisé des métaphores prenant leur image de l’époque du MoyenÂge, comme celles notamment cherchant à décrire le développement de la terminologie et des structures de la coopération transfrontalière. Dans son article intitulé « Formen grenzüberschreitenden politischen Handels in der Gro region- Auf dem Weg zur Governance?» Martin Weber, au sujet de la région métropolitaine, parle d’ailleurs, du, comme dans le célèbre Hamlet de Shakespeare, « fantôme qui erre en Europe » ; Rolf Wittenbrock, dans sa contribution intitulée « Von der Agglomerationspolitik zur Metropolitan Governance im trinationalen Metropolitanraum Basel », 1
GUALINI, E., « Cross-border governance: inventing regions in a trans-national multi-level Polity », DISP 152, 2003, S.49.
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se souvient que dans les débats scientifiques la gouvernance est de plus en plus utilisée comme une sorte de « formule magique ». Le Moyen-Âge est en effet connu pour être une période mystique, de sorcellerie et de magie, ces métaphores donnent alors l’impression que les auteurs de la gouvernance transfrontalière ressentent une quasi « révélation mystique » qu’ils ne comprennent pas vraiment et qui éveillent à la fois l’espoir d’une formule magique pour la coopération transfrontalière mais aussi la peur d’un phénomène finalement non prévisible. Devant le nouveau flot de nouvelles notions relatives à la coopération transfrontalière – eurorégions, régions métropolitaines, eurodistricts, gouvernance eurorégionale, multi-niveaux et métropolitaine –, les auteurs, autant les scientifiques que les praticiens, restent perplexes. Cela réside sans doute dans le fait que ces concepts n’ont pas été développés en appui d’un modèle théorique de la coopération transfrontalière, mais qu’ils ont plutôt simplement été dévoilés dans la pratique, et qu’il faut désormais les insérer à l’aide « une main magique » dans une sorte de formule globale cohérente. Cette publication livre-t-elle, à l’exemple des régions frontalières allemandes, une formule magique pour la coopération transfrontalière ? La coopération transfrontalière n’est naturellement pas du ressort de la magie. Par ses analyses, cette publication essaye de livrer une clef de compréhension expliquant pourquoi à partir du 21e siècle, nous en sommes arrivés à une réelle révolution terminologique de la coopération transfrontalière, y compris à l’utilisation explosive de la notion de gouvernance multi-niveaux. Elle peut par ailleurs démontrer, à l’exemple des régions frontalières allemandes, si une théorie de la gouvernance régionale peut être pertinente pour la coopération transfrontalière et si oui comment.
1. De nouveaux concepts pour une coopération transfrontalière modifiée Dans la première partie traitant des fondements et approches de la gouvernance transfrontalière, il apparaît clairement que le renouveau révolutionnaire de terminologie dans les régions frontalières est le résultat direct d’un processus de transformation opéré par la coopération transfrontalière depuis les années 1950. Aux premières heures de la coopération au-delà des frontières qui, dans les années 1950 et 1960 s’est produite principalement à la frontière germano-néerlandaise ainsi qu’à la frontière franco-allemande (dans le Rhin supérieur et dans la Région Saar-Lor-Lux), la coopération a surtout contribué à la réconciliation des peuples suite à la Seconde Guerre mondiale, au maintien de la paix et à la résolution de problèmes frontaliers concrets à l’échelle locale2. Toutefois, la ainsi nommé « petite politique étrangère » des régions frontalières a plutôt été un phénomène exceptionnel venant la plupart du temps d’une base informelle entre les acteurs régionaux et locaux et de leur propre initiative. Comme le constate toutefois Ulrich Bohner du fait de sa longue expérience en tant que Secrétaire général du Congrès des pouvoirs locaux et régionaux du Conseil de l’Europe, la situation de la coopération transfrontalière en Europe 2
Cf. FRHR. VON MALCHUS, V., Partnerschaft an europäischen Grenzen, Bonn, 1975.
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s’est profondément transformée. Depuis le début des années 2000, le Congrès accompagne la formation d’eurorégions multilatérales autour de la Mer Adriatique et de la Mer Noire, dont le but ne consiste pas seulement en la coopération entre les régions limitrophes de la Mer, mais aussi en une stabilisation géopolitique d’une région européenne entière. Par conséquent, le nouveau concept de « macro-région » est utilisé pour ce genre de coopération frontalière, au sein de laquelle a lieu non pas une « petite politique de voisinage » entre régions frontalières, mais bien plus une « grande politique étrangère » avec la participation des États limitrophes. En même temps, Robert Hertzog, dans sa contribution « Repenser les fondements, domaines et enjeux de la coopération transfrontalière », montre que pour la plupart des régions frontalières en Europe, la coopération transfrontalière est aujourd’hui devenue une affaire quotidienne. Cela a été possible grâce à la création du programme Interreg par la CE au début des années 1990, programme à travers lequel d’importants moyens ont été alloués aux régions frontalières et la réalisation de projets transfrontaliers a été encouragée dans toute l’Europe. Il ne s’agissait ainsi plus seulement d’une « petite politique étrangère », mais aussi d’une partie de la « politique intérieure » régionale : la coopération transfrontalière est devenue une composante de tous les secteurs des politiques publiques – transport, aménagement du territoire, culture, éducation etc. –, et des collectivités locales et régionales. Ceci amène, dans la discussion sur la gouvernance régionale, à la question si celle-ci peut être élargie au domaine politique transfrontalier. Robert Hertzog différencie deux catégories principales de la gouvernance transfrontalière qui se sont cristallisées dès le début du 21e siècle : d’une part une coopération thématique, orientée vers le problème et le projet à l’échelle locale et de l’autre une coopération politique orientée vers l’échelle régionale avec un regard porté sur les problèmes frontaliers globaux. Pour les deux types de gouvernance, des objectifs, des formes et des structures différents sont nécessaires, ceux-ci doivent également pouvoir être activés à l’intérieur de leurs systèmes juridiques nationaux lors de l’instauration de nouveaux modes de coopération, à l’exemple des eurodistricts. C’est ainsi au niveau des instruments juridiques que la coopération transfrontalière a continué de se développer. L’énumération de Jean-Marie Woehrling dans sa contribution intitulée « Les fondements juridiques de la coopération transfrontalière des autorités publiques locales » indique que de nouvelles formes juridiques ont été introduites depuis la Convention-cadre de Madrid du Conseil de l’Europe de 1980, principalement le Groupement européen de coopération territoriale (GECT) pour les 27 États membres de l’UE, et son pendant destiné aux 47 États membres du Conseil de l’Europe, prévu dans un troisième protocole additionnel de la Convention-cadre. Robert Hertzog et Jean-Marie Woehrling soulignent cependant que les fondements des relations frontalières ne sont pas à chercher du côté du droit international, mais bien plus dans le droit interne des États concernés. Même une coopération transfrontalière « moderne » ne génère aucun droit transfrontalier, ce qui différencie cette forme de coopération clairement de l’UE avec son droit communautaire. D’un point de vue juridique, ce ne sont pas les questions de gouvernance juridique qui sont déterminantes, mais plutôt les questions juridiques substantielles et matérielles, comme par exemple l’équivalence de normes techniques.
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Dans leur contribution « Governance in der transnationalen Regionalpolitik », Joachim Beck et Eddie Pradier décrivent la modification de la coopération transfrontalière comme une évolution de la gouvernance classique stratégique, c'est-à-dire en lien avec la « policy », à la gouvernance transfrontalière comme exercice transversal au sein d’un espace d’interdépendance (trans)national. A travers leur analyse comparative des régions frontalières « expérimentées », le lac de Constance, le Rhin supérieur, la Région Saar-Lor-Lux et l’Euroregio Maas-Rhein, ils décrivent un développement de la gouvernance transfrontalière similaire en quatre périodes : une construction d’institutions administratives pour la coopération transfrontalière dans les années 1970; dans les années 1980, ces institutions se sont singularisées les unes par rapport aux autres ; dans les années 1990 s’est produit une professionnalisation de la coopération orientée vers le projet et enfin à partir des années 2000 s’est opérée une différenciation des structures de gouvernance selon les échelles. A l’aune de ces modifications dans la coopération transfrontalière et des nouveaux termes (eurodistricts, régions métropolitaines etc.), peut-on parler d’une nouvelle approche théorique qui expliquerait les modes de fonctionnement de la gouvernance transfrontalière ?
2. Gouvernance transfrontalière : un cas particulier de la gouvernance régionale Les résultats de cette publication montrent clairement que selon une vision des sciences politiques au sujet de la gouvernance, un effort considérable de clarification considérable de la terminologie est encore à effectuer afin de permettre un emploi de l’approche de gouvernance régionale pour la coopération transfrontalière. Tout d’abord le concept de gouvernance régionale est, déjà dans un contexte national, soumis à différentes interprétations et définitions qui, comme l’exprime Rolf Wittenbrock, recouvrent un « champ relativement large allant de la hiérarchie à l’autorégulation de la société institutionnalisée, c'est-à-dire couvrant toute la gamme des modèles d’interaction et d’action collective ». Cette gamme doit toutefois être clairement définie pour la coopération transfrontalière. Comme le constate de manière univoque Eric Jakob dans sa contribution « Der Oberrhein- ein Governance-Modell für andere Grenzregionen?», la régulation dans les régions transfrontalières est un cas particulier de gouvernance régionale, qui nécessite dès lors une définition particulière. Bien que les caractéristiques centrales de la gouvernance dans les régions transfrontalières par rapport à celles internes aux États semblent être fondamentalement les mêmes, elles émergent de manière « pointue » en raison de l’effet de frontière : manque de régulation étatique (verticale) traditionnelle, nécessité d’une coopération entre acteurs étatiques, communaux et privés, tout comme constitution de structures de coordination et de réseaux horizontaux, etc. De quelle manière peut-on tenir compte de ce cas particulier de la gouvernance régionale? Tous les auteurs de cette publication qui se sont penchés sur le concept de gouvernance transfrontalière se réfèrent tout d’abord à une définition de base de Dietrich Fürst, chercheur reconnu en matière de gouvernance régionale dans la
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littérature des sciences politiques allemandes. Selon lui, il faudrait d’une manière générale comprendre par gouvernance régionale en contexte transfrontalier des « formes intermédiaires, telles des réseaux, une autorégulation régionale en réaction aux déficits mais aussi en complément de la régulation par le marché et par l’État »3. Or, dans sa contribution « Regional Governance- Was ist neu an dem Ansatz und was bietet er?», Dietrich Fürst propose lui-même de réfléchir au fait que la variété des définitions du concept de la gouvernance régionale « est déconcertante » et que, précisément pour la coopération transfrontalière, aucune définition trop étroite ne peut être utilisée. Dans un sens étroit, la gouvernance régionale n’aurait en effet aucun acteur, mais simplement un collectif actif (comme par exemple une conférence régionale ou bien les représentants d’une région). La coopération transfrontalière faisant preuve de beaucoup de « collectifs actifs », la plupart assignés aux différents systèmes de régulation nationale, il faudrait une définition plus flexible de la gouvernance transfrontalière. Par ailleurs, la gouvernance multi-niveaux dans les régions frontalières devrait, selon Fürst, être clairement différenciée de la gouvernance à l’intérieur de l’UE, car dans un contexte transfrontalier, à l’inverse de l’UE, il n’existe pas de référence à des institutions communautaires avec un système de négociations et un exercice du pouvoir propres. Concernant la tentative de construction d’un système théorique de gouvernance transfrontalière, la contribution de Joachim Beck et Eddie Pradier revêt une place centrale dans la publication. Ils développent un modèle dit holistique, qui se réclame de deux caractéristiques fondamentales de la coopération transfrontalière : d’une part de dimensions différentes et d’autre part de niveaux de référence à la gouvernance transfrontalière différents. Quatre caractéristiques différencient alors ce type de gouvernance des coopérations régionales intraétatiques : une dimension territoriale dont la particularité réside dans l’ancrage géographique sur un territoire frontalier situé entre deux ou plusieurs pays ; une dimension transnationale qui inclut les arènes de décision de deux ou plusieurs systèmes politiques nationaux ; une dimension européenne, qui prend en compte l’influence de la politique régionale de l’UE dans les territoires frontaliers et enfin une dimension stratégique englobant les différents champs politiques dans lesquels la coopération transfrontalière agit. Combiné aux cinq fonctions différentes de la coopération – rencontre, information, coordination, planification, décision/ mise en œuvre –, le modèle holistique sert à la gouvernance transfrontalière en ce sens qu’il lui permet de maintenir un « optimum de Kaldor » grâce à un équilibre entre les dimensions et les fonctions, au sein duquel est travaillée une structure de régulation complémentaire, différenciée verticalement et horizontalement pour la coopération. Un tel modèle tiendrait compte de la complexité de la coopération transfrontalière, selon le point de vue des auteurs. Est-ce toutefois le cas dans la pratique ?
3
Cf. FÜRST, D., « Regional governance », in: BENZ, A., (Hrsg.), Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen: Eine Einführung, S.45-64, Opladen, 2004.
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3. Le Rhin supérieur comme exemple d’une gouvernance transfrontalière complexe Dans la deuxième partie de cette publication, à travers l’exemple du Rhin supérieur, il devient clair que l’utilisation de l’approche de la gouvernance régionale conduit certes à une modernisation des structures de coopération et à de nouveaux modes de gouvernance comme les régions métropolitaines ou les eurodistricts, mais que ceci ne fait en aucun cas du Rhin supérieur un modèle pour une gouvernance multi-niveaux réussie. Le cas du Rhin supérieur est une illustration du fait que la révolution terminologique de la coopération transfrontalière ne conduit pas forcément à plus de clarté dans la compréhension de la gouvernance transfrontalière. Les nouvelles formes de coopération et les tentatives cherchant à les insérer dans un système de gouvernance transfrontalière à plusieurs échelles, selon une approche multi-niveaux, renforcent toujours plus la complexité des régions frontalières et les rendent toujours moins compréhensibles aux yeux des citoyens. Malgré tout le Rhin supérieur est un bon exemple pour l’expérimentation d’une théorie de la gouvernance transfrontalière. Depuis les années 2000, il s’y produit un processus de métropolisation qui remodèle en profondeur les structures de coopération et les processus décisionnels. Michael Frey montre dans sa contribution « Grenzüberschreitende multi-level-Governance für den Oberrhein », qu’à l’intérieur du concept de la Région métropolitaine adopté lors du 11e Congrès tripartite, la coopération institutionnelle a été intégrée dans un système à quatre piliers, qui inclut tous les acteurs et les champs politiques conséquents de la coopération transfrontalière : l’économie, la science et la recherche, la politique et la société civile. Le développement de structures de gouvernance efficientes est dès lors assuré par le pilier politique qui tente de concilier les différents niveaux institutionnels, – la Conférence du Rhin supérieur pour le pouvoir exécutif et le Conseil rhénan pour le pouvoir législatif –, ainsi que l’échelle géographique – la région métropolitaine à l’échelle régionale et les eurodistricts à l’échelle locale. Les mots clefs servant à l’orientation sont les suivants : « complémentarité, subsidiarité et économie de ressources ». Dans son article, Eric Jakob en arrive à la conclusion que le système multi-niveaux du Rhin supérieur est un modèle par rapport aux résultats des projets réalisés et que les métropoles du Rhin supérieur (Fribourg, Colmar, Strasbourg, Bâle, Karlsruhe) sont un symbole pour la « ville européenne du 21e siècle ». Néanmoins et d’une manière générale, les auteurs font état des déficits à la fois dans la gouvernance transfrontalière dans le Rhin supérieur, mais aussi dans l’utilisation des nouveaux concepts. Michael Frey dénonce à ce propos le principe de l’unanimité dans les processus de décision qui ralentit l’efficience et la vitesse de la mise en œuvre de la coopération transfrontalière. De plus, l’obligation de consensus entre les partenaires du Rhin supérieur constitue selon lui une barrière non-négligeable à l’action innovatrice. Karen Denni, dans son analyse au sujet de « Governance von Eurodistrikten am Oberrhein », remarque à son tour que par rapport à la revendication initiale d’une coopération efficiente et proche du citoyen aux échelles locales relativement petites, c’est davantage une approche top-down qui s’opère dans la mise en œuvre concrète des eurodistricts. En prenant l’exemple de l’eurodistrict Strasbourg-Ortenau, elle montre clairement que les
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décisions sont très souvent prises à l’échelle du conseil municipal sans participation des citoyens. Les relations asymétriques entre une grande et une petite ville (Strasbourg-Kehl) rendent difficile l’exercice équilibré d’une gouvernance à plusieurs niveaux. Martin Weber montre dans sa contribution sur le thème de l’espace métropolitain de Bâle que le concept de métropole dans le Rhin supérieur se heurte déjà à la définition de concepts concurrents : l’approche à petite échelle d’une région métropolitaine comme par exemple celle de Bâle est opposée au concept polycentrique de région métropolitaine régionale comme celle du Rhin supérieur, dans laquelle plusieurs villes moyennes s’affirment en tant que « pôles ». Les discussions métropolitaines nationales peuvent aussi être en concurrence avec l’idée de région métropolitaine transfrontalière. Les espaces métropolitains, comme le pense Weber, ne sont en aucun cas un « oasis dans le désert » et par conséquent la région métropolitaine du Rhin supérieur doit à la fois être conciliée avec le schéma d’aménagement national de la Suisse tout comme avec d’autres modèles, par exemple celui d’une région métropolitaine au nord- ouest de la Suisse. En résumé, Birte Wassenberg prouve dans son article « Historisch gewachsene Governance am Oberrhein (1963-2010) » que les structures de coopération transfrontalières ne peuvent être expliquées qu’à l’aide d’une analyse historique. La recherche sur la gouvernance au sujet des régions frontalières devrait prendre en compte le développement historique de la coopération transfrontalière, car ses formes de régulation ne proviennent pas de l’utilisation d’un modèle théorique de gouvernance multi-niveaux, mais elles se construisent progressivement au cours du temps grâce à différents acteurs et avec différentes finalités. Cela mène à une sorte de mille-feuilles institutionnel, notamment dans le Rhin supérieur, au sein duquel aucune gouvernance efficiente ne peut s’opérer, du fait de structures sclérosées, parallèles et d’institutions concurrentes. Ainsi Eric Jakob soutient la thèse suivante : globalement, le Rhin supérieur ne peut pas être considéré comme un modèle pour la gouvernance transfrontalière. Le caractère de modèle ne vaut que pour la participation intensive des partenaires suisses depuis de longues années, ce qui prouve que l’appartenance à l’UE n’est pas absolument nécessaire pour réussir la coopération transfrontalière.
4. La diversité et les typologies de la gouvernance dans les régions frontalières allemandes Les exemples de gouvernance dans cette publication choisis parmi les régions frontalières allemandes démontrent la diversité des formes et structures existantes de coopération transfrontalière. A travers ces seules analyses, il devient évident qu’il existe différentes phases de développement de la gouvernance aux frontières allemandes, comme Joachim Beck et Eddie Pradier l’ont identifié pour les régions frontalières « expérimentées ». Ces phases apparaissent en partie temporellement décalées et sont de longueur différente, ce qui signifie que les régions frontalières allemandes ne se situent pas toutes dans la même phase de développement. A chaque phase de développement existent des modèles de gouvernance différents. Les contributions au sujet de la Grande région Saar-Lor-Lux de Rolf Wittenbrock et au sujet de l’École supérieure du Lac de Constance (IBH) comme exem-
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ple de la coopération transfrontalière de Stephan Prehn décrivent des espaces indéniablement comparables à la région du Rhin supérieur. La Région Saar-Lor-Lux montre des structures de gouvernance complexes, différenciées et ayant été progressivement construites au cours de l’histoire. D’une commission intergouvernementale à sommets régionaux au niveau des représentants des organes exécutifs, en passant par un comité économique et social interrégional, toutes les échelles de la gouvernance sont représentées, jusqu’aux partenaires sociaux, dans la coopération institutionnelle. Dans une analyse des projets Interreg-IV, Wittenbrock démontre l’intégration de multiples acteurs issus de la science, de l’économie, du secteur politico-administratif et de la société civile (associations, fédérations), qui, comme dans le Rhin supérieur, contribuent au succès d’un taux élevé de projets réalisés dans la Région Saar-Lor-Lux. Le processus de métropolisation a également commencé avec la « Quattropole » et avec l’adoption d’une « vision d’avenir 2020 ». L’approche de la gouvernance multi-niveaux offre ici les mêmes possibilités de solution (coordination, subsidiarité, complémentarité), mais créé aussi les mêmes problèmes (principe de l’unanimité, création d’un consensus, espaces de petite échelle compliqués). A l’exemple de la Région du Lac de Constance, Stephan Prehn montre que la gouvernance intégrée et innovante dans les régions frontalières « expérimentées » est aisément possible : l’École supérieure du Lac de Constance fonctionne comme un projet transfrontalier de grande école reposant sur des structures de gouvernance communes, c'est-à-dire une conférence et un conseil soumis à participation des porteurs politiques et des recteurs de 27 grandes écoles en Autriche, Allemagne, Liechtenstein et en Suisse. La gouvernance intégrée est dans ce cas facilitée par les structures des États impliqués, à majorité fédéraux. Au niveau des régions frontalières au Danemark, en Pologne et en République tchèque, de grosses différences sont à remarquer par rapport au Rhin supérieur, à la Grande Région ou au Lac de Constance. Ainsi pendant longtemps, une grande méfiance a empêché une coopération institutionnalisée. L’histoire riche en conflits des 19e et 20e siècles a fait de la frontière germano-danoise une « cicatrice de l’histoire », dont la « guérison » est arrivée bien plus tard que le processus de réconciliation franco-allemande suite à la Seconde Guerre mondiale, ce qui s’explique aussi parce que le Danemark est entré dans la CE et ainsi dans le processus d’intégration européenne seulement en 1973. Avant le programme Interreg, la coopération transfrontalière dans les régions frontalières germano-danoises ne pouvait se produire que de manière isolée et en relation à un projet précis, dans le sens de la théorie de la gouvernance fonctionnelle développée par Blatter4. C’est seulement en 1997 qu’une eurorégion est créée à la frontière de la région de Sønderjylland-Schleswig, dans laquelle des structures de gouvernance institutionnalisées sont prévues, mais elles n’ont mené ni à une gouvernance multi-niveaux ni à un processus de métropolisation. De plus, comme Martin Klatt l’explique dans son article « Grenzüberschreitende politische Zusammenarbeit in der deutsch-dänischen Grenzregion », dans les deux autres parties des régions germano-danoises Fyn-K.E.R.N. (Kiel-Eckernförde-Rendsburg-Neumünster) et Storstrøm-Ostholstein (Vogelfluglinie), la coopération est moins intensive, du fait de la 4
BLATTER, J., « From spaces of place to spaces of flows? Territorial and functional governance in cross-border regions in Europe and North America », International Journal of Urban and Regional Researt ch, 28/3, 2004, S.534.
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distance géographique venant de la frontière maritime, et dans le cas de FynK.E.R.N., elle est même complètement dissoute à la fin de son programme Interreg spécifique. Cela est un indice démontrant que la gouvernance transfrontalière est certes encouragée par Interreg, mais qu’elle ne peut pas y construire les bases d’une identité régionale substantielle. Dans les régions frontalières des pays d’Europe de l’Est, le développement de la coopération transfrontalière est encore plus marqué par les « cicatrices de l’histoire ». Il s’y passe en partie encore un processus de rapprochement et de réconciliation, processus existant déjà depuis les années 1950 dans les territoires frontaliers franco-allemands où il est aujourd’hui en grande partie terminé. Olga Jarecka montre dans sa contribution « Deutsch-polnische Zusammenarbeit als klassische Form der grenzüberschreitenden Kooperation » que la frontière germano-polonaise est encore aujourd’hui marquée par les expériences négatives de la population : après 1945 le passage de la frontière est principalement lié à l’expulsion des Allemands, ce qui mène à une perte de confiance durable des deux côtés et qui rend la construction de la coopération transfrontalière compliquée. Par ailleurs, cette coopération entre la République populaire de Pologne et la République démocratique allemande au temps de la Guerre froide sert la diffusion de l’idéologie socialiste et est imposée « d’en haut ». C’est seulement après la chute du mur en 1989 et grâce à l’aide apportée par Interreg que de nouvelles relations frontalières sont développées. Toutefois la frontière continue à être vue par la population comme le symbole de la violence et de la criminalité et est par conséquent ressentie comme dangereuse. Les structures de gouvernance pour la coopération transfrontalière ont été créées sous la forme de quatre eurorégions le long de la frontière germano-polonaise (Neiße–Nisa–Nysa, Spree–Neiße–Bober, Pro Europa Viadrina et Pomerania), dont une (Neiße–Nisa–Nysa) coopère également avec le côté tchèque. Ces eurorégions ne sont pas tant un système de gouvernance multiniveaux avec des structures de gouvernance transfrontalière intégrées, que des communautés d’intérêt volontaires qui fonctionnent de manière relativement flexible et sans personnalité juridique propre à l’échelle locale. Uniquement dans le cas de la ville Görlitz/Zgorzelec divisée suite à la Seconde Guerre mondiale, la gouvernance transfrontalière semble avoir été réalisée en poursuivant une approche intégrée au niveau de l’aménagement du territoire et de la politique, avec l’objectif de créer une « ville européenne » commune. Dans la coopération germano-tchèque, la coopération transfrontalière est également « institutionnalisée », comme l’indique Thomas Groh dans son article, principalement sous le « toit » d’eurorégions : les cinq eurorégions créées jusqu’en 1994 dans le territoire frontalier tchéco-bavarois et tchéco-saxon (Nei e– Nisa–Nysa, Elbe/Labe, Erzgebirge/Krušnoho , Bayerischer Wald–Böhmischer Wald– Mühlviertel et Euregio Egrensis) se fondent, tout comme dans la coopération germano-polonaise, sur des structures de coopération locales sans personnalité juridique mais effectives dans la pratique. L’avantage de ces structures de gouvernance flexibles réside dans leur capacité à gérer les asymétries organisationnelles, institutionnelles et réglementaires de leurs cultures et systèmes juridiques nationaux concernés. Le désavantage de ces interfaces entre des systèmes juridiques différents s’exprime dans une base juridique finalement insuffisante dans l’ensemble et dans une gouvernance ne pouvant en aucun cas être comparée à la métropolisation et la gouvernance à plusieurs niveaux des régions frontalières « expérimentées ».
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Les analyses comparatives entre ces formes si différentes de gouvernance de coopération transfrontalière aux frontières allemandes mènent à la conclusion qu’aucun modèle unique de gouvernance transfrontalière ne peut être développé pour l’ensemble des régions frontalières allemandes. Le modèle holistique conçu par Joachim Beck et Eddie Pradier ne peut s’appliquer qu’à un certain type de territoire frontalier, à savoir les régions expérimentées aux frontières avec les Pays-Bas, la France et la Suisse. Chaque gouvernance transfrontalière dépend du type de région frontalière et de sa phase de développement propre. Afin de pouvoir ordonner les différents modèles de gouvernance dans des régions frontalières précises, il est nécessaire de créer une typologie qui, pour les territoires frontaliers allemands, provient clairement de cette publication. Deux catégories se distinguent dans les régions frontalières allemandes : d’une part les régions frontalières « établies » (le Rhin supérieur, Saar-Lor-Lux, le Lac de Constance), au sein desquelles la coopération a déjà débuté dans les années 1950-1960, ce qui leur permet de disposer d’un système de gouvernance multi-niveaux complexe. Dans ces régions un processus de métropolisation a débuté dans les années 2000. Ce processus place au centre les questions de gouvernance dans le sens d’une restructuration et d’une réforme des organes transfrontaliers existants. A travers ce processus, de nouvelles formes de gouvernance (région métropolitaine, eurodistricts) avec de nouveaux instruments juridiques sont testés (Groupement européen de coopération territoriale). Pour ces régions un système de gouvernance holistique peut-être visé comme modèle de développement, dans lequel les diverses dimensions d’action sont conciliées avec les échelles de fonctionnement de la coopération transfrontalière. D’autre part il y a les régions frontalières ayant intensifié et institutionnalisé la coopération transfrontalière avec l’instauration du programme Interreg au début des années 1990. Il faut dès lors distinguer la région frontalière germano-danoise et les régions frontalières d’Europe de l’Est. Dans le territoire germano-danois, le souvenir passé des conflits frontaliers et l’existence d’une frontière maritime rendent l’instauration de structures de gouvernance intégrées certes difficile, mais les régions intérieures qui ont intégrée la CE en 1973 pouvaient toutefois entreprendre la coopération transfrontalière dans un système de gouvernance fonctionnel. A l’inverse, le développement de relations transfrontalières – sans arrière-plan idéologicodoctrinaire – ainsi que la formation de structures de gouvernance aux frontières polonaise et tchèque n’ont été possible qu’à la suite de l’ouverture du rideau de fer. A ce propos, la gouvernance a d’abord contribué au dépassement des cicatrices de l’histoire, sous-entendu a enclenché un processus de réconciliation. Ainsi sont apparues des structures de gouvernance plus légères et flexibles sous la forme d’eurorégions comme associations de droit public qui semblent être un mode d’organisation plus adapté pour ces régions. La question de savoir si dans l’ensemble la gouvernance transfrontalière devrait aspirer à une gouvernance multi-niveaux ainsi qu’à la constitution de régions métropolitaines, d’eurodistricts ou d’autres formes de gouvernance qui contribueraient au processus d’intégration européenne, reste en suspens. Ainsi nombreux sont les auteurs de cette publication à signaler dans les régions frontalières « expérimentées », que dans toute forme de gouvernance transfrontalière repose encore un déficit démocratique conséquent et que le citoyen n’est à ce jour pas suffisamment impliqué dans la coopération transfrontalière. Afin d’assurer une coopération proche du citoyen, il ne suffit pas de se cacher derrière une nou-
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velle terminologie : eurorégion, région métropolitaine, eurodistrict – une réelle gouvernance à plusieurs échelles se doit de débuter par la question : cette coopération sert-elle réellement le citoyen et celui-ci peut-il s’y identifier ?
CONCLUSION “Cross-border governance: some researchers feel that the hypothesis of a political pattern of neo-medieval overlapping territorial jurisdictions brings to mind the territorial patchwork of the Middle Ages”1. “A return to the Middle Ages?” Martin Weber raises the question in this publication when he associates the development of cross-border cooperation with a system of multi-level governance, within which national, regional and local stakeholders in border regions cooperate in an increasingly interdependent way. The comparison with the Middle Ages has to be understood in relationship with the decreasing importance of national borders, for the idea of the nation state and the limits of its political sovereignty indeed only appear in the 19th century. Crossborder governance can therefore be regarded as a return to the Middle Ages with its overlapping jurisdictions within which there was no clear political dividing line between the areas of influence of the different principalities. This comparison is flawed however: even if border regions work together beyond national boundaries, and even if, in the words of Stefan Fisch in the foreword of this publication, there is an increasing “de-bordering” (Entgrenzung) of the world through globalisation, this process cannot be confused with the hijacking of the nation state and its political boundaries. Cross-border cooperation in the 21st century still fits into the system of international relations which has emerged since World War II. In this system, some European states have embarked on an integration process within the European Community (EC) and later the European Union (EU), within which economic borders in particular have been abolished, but which does not challenge the existence of the nation state. Multi-level governance between the EU, its member states and regions, and cross-border governance between border regions always happens within clearly established spheres of sovereignty where different national political and legal systems are taken into consideration. The comparison with the Middle Ages seems nevertheless to be relevant to this publication. Many authors have used metaphors from the Middle Ages, especially those who seek to describe the development of the terminology and structures of cross-border cooperation. In his article “Von der Agglomerationspolitik zur Metropolitan Governance im trinationalen Metropolitanraum Basel” Martin Weber echoes Shakespeare’s famous Hamlet when he speaks, in relation to metropolitan regions, of a “ghost haunting Europe”. Rolf Wittenbrock, in his contribution entitled “Formen grenzüberschreitenden politischen Handels in der Großregion – Auf dem Weg zur Governance?” recalls that governance is increasingly used in scientific discussions as a kind of “magic formula”. The Middle Ages are indeed known to have been a mystical period of witchcraft and magic, these metaphors give the impression therefore that the authors of cross-border governance experience an almost “mystical revelation” that they do not really understand and which gives 1
GUALINI, E., “Cross-border governance: inventing regions in a trans-national multi-level Polity”, DISP 152, 2003, S.49.
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rise to both hope for a magic solution for cross-border cooperation and to the fear of an ultimately unpredictable, mysterious phenomenon. Faced with the flood of new concepts for cross-border cooperation – Euroregions; metropolitan regions; Eurodistricts; Euroregional, multi-level and metropolitan governance – the authors are puzzled, both scientists and practitioners. This probably lies in the fact that these concepts were not developed in support of a theoretical model of cross-border cooperation but somehow just appeared in practice and must now be inserted, as if “by magic”, into a sort of overall coherent formula. Does this publication provide a magic formula for cross-border cooperation in the German border regions? Cross-border cooperation is of course not a question of magic. This publication delivers a key to understanding why, since the turn of the century, there has been a real revolution in cross-border cooperation terminology, including the use of the notion of multi-level governance which has increased at an explosive rate. It may also explain, taking the example of German border regions, whether and how a theory of regional governance can be relevant for cross-border cooperation.
1. New concepts for a different kind of cross-border cooperation In the first part on the theoretical foundation for and approaches to cross-border governance, it is clear that the revolutionary renewal of terminology in border regions is the direct result of a process of change experienced by cross-border cooperation since the 1950s. At the beginning of this cooperation beyond borders in the 1950s and 1960s, which occurred mainly on the borders between Germany and the Netherlands and between France and Germany (in the Upper Rhine and the Saar-Lor-Lux Region), cooperation mainly contributed to the reconciliation of peoples after World War II, to maintaining peace and to resolving tangible border problems at the local level2. However, the so-called “small-scale foreign policy” in border regions was rather an exception and took place mostly on an informal basis between regional and local stakeholders and on their own initiative. As Ulrich Bohner notes, however, from his many years as Secretary General of the Congress of Local and Regional Authorities of the Council of Europe, the situation of cross-border cooperation in Europe has changed radically. Since the early 2000s, the Congress has been supporting the setting up of multilateral Euroregions around the Adriatic Sea and the Black Sea, the aim of which is not only cooperation between the regions bordering these seas, but also a geopolitical stabilisation of the entire European region. Therefore, the new concept of “macro region” is used for this kind of border cooperation within which we find not only a “small-scale neighbourhood policy” between border regions, but rather a “major foreign policy” involving the adjacent states. At the same time, Robert Hertzog shows in his contribution on “Repenser les fondements, domaines et enjeux de la coopération transfrontalière” that for most of the border regions in Europe, crossborder cooperation has become an everyday issue. This has been made possible thanks to the launch of the EC Interreg Programme in the early 1990s, thanks to
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Cf. FRHR. VON MALCHUS, V., Partnerschaft an europäischen Grenzen, Bonn, 1975.
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which significant funds have been allocated to border regions and which has encouraged the implementation of cross-border projects across Europe. Thus, we are no longer talking of “small-scale foreign policy” but rather of a part of “regional domestic policy”. Cross-border cooperation has indeed become a component of all public policy areas – transport, spatial planning, culture, education, etc. – of local and regional authorities. In our discussions on regional governance, this leads us to the question of whether this concept can be extended to cross-border policy. Robert Hertzog distinguishes two main categories of cross-border governance that have emerged since the beginning of the 21st century: firstly a thematic, problem- and projectoriented cooperation at local level and secondly policy-driven cooperation at regional level around general border problems. For both types of governance, different objectives, forms and structures are needed, which can also be activated within the national legal systems when introducing new modes of cooperation, like the Eurodistricts. Thus, cross-border cooperation has continued to grow in terms of the relevant legal instruments. In his paper on “Les fondements juridiques de la coopération transfrontalière des autorités publiques locales” Jean-Marie Woehrling lists the new legal forms which have been introduced since the 1980 Madrid Framework Convention of the Council of Europe, mainly the European Grouping of Territorial Cooperation (EGTC) for the 27 EU member states, and its counterpart for the 47 member states of the Council of Europe, which is provided for in a third additional protocol to the Madrid Framework Convention. Robert Hertzog and JeanMarie Woehrling emphasize, however, that we should not look for the solution of cross-border relations in international law, but rather in the domestic law of the states concerned. Even “modern” cross-border cooperation does not generate any cross-border law, which clearly differentiates this form of cooperation from the EU with its community law. From a legal standpoint, it is not legal governance issues that are important, but rather the substantive and material legal issues, such as for example the equivalence of technical standards. In their contribution on “Governance in der transnationalen Regionalpolitik”, Joachim Beck and Eddie Pradier describe the change in cross-border cooperation as an evolution of traditional strategic governance, that is to say in connection with policy, to cross-border governance as a transversal exercise within a (trans)national interdependent space. Based on their comparative analysis of “experienced” border regions, Lake Constance, the Upper Rhine, the Saar-LorLux Region and the Maas-Rhein Euregio, they describe a similar pattern of crossborder governance in four time periods: in the 1970s, administrative institutions for cross-border cooperation were formed; in the 1980s, these institutions differentiated themselves further one from the other; in the 1990s, there was an increased professionalism of project-oriented cooperation; and finally since the 2000s, we have seen a differentiation of the various levels involved in governance structures. In the light of these changes in cross-border cooperation and the new terminology (Eurodistricts, metropolitan regions, etc), can we speak of a new theoretical approach which explains the functioning of cross-border governance?
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2. Cross-border governance: a special case of regional governance The results of this publication clearly show that from the political science perspective of the governance issue, considerable clarification of the terminology is yet to be made before the regional governance approach can be used for crossborder cooperation. First, the concept of regional governance, in a national context, is subject to different interpretations and definitions which, as expressed by Rolf Wittenbrock, cover a “relatively wide field ranging from hierarchy to the self-regulation of institutionalised society, that is to say covering the full range of models of interaction and collective action”. This range, however, must be clearly defined for cross-border cooperation. As Eric Jakob clearly states in his contribution on “Der Oberrhein- ein Governance-Modell für andere Grenzregionen?”, governance in crossborder regions is a particular type of regional governance which therefore requires a particular definition. Although the central features of governance in cross-border regions seem to be basically the same compared to those within states, they appear in an “exaggerated” form because of the border effect: the lack of traditional state control (vertical), the need for cooperation between state, municipal and private stakeholders, and the formation of coordination structures and horizontal networks, etc. How can we take into account this special case of regional governance? All of the authors of this publication who focused on the concept of crossborder governance relate first and foremost to the basic definition given by Dietrich Fürst, a well-known researcher in the field of regional governance in German political science literature. According to Fürst, the definition we should generally use for regional governance in a cross-border context is that of “network-like intermediate forms of regional self-control in response to deficits but also to complement control by the market and by the state” 3. However, in his essay on “Regional Governance- Was ist neu an dem Ansatz und was bietet er?”, Dietrich Fürst suggests himself to reflect on the fact that the definition of the concept of regional governance is “bafflingly diverse” and that a too limiting definition for cross-border cooperation cannot be used. In the strict sense, regional governance would in fact not need any stakeholders, only an action group (e.g. a regional Conference or representatives of a region). Because cross-border cooperation shows a lot of “action groups”, most of which are assigned to different national regulatory systems, a more flexible definition of cross-border governance is required. Moreover, according to Fürst, multi-level governance in border regions should be clearly distinguished from governance within the EU, because in a cross-border context, unlike in the EU, there is no reference to Community institutions with their own bargaining system and decision-making process. With regard to the attempt to construct a theoretical system of cross-border governance, the contribution from Joachim Beck and Eddie Pradier plays a central role in the publication. They develop a so-called holistic model which relies on two basic characteristics of cross-border cooperation: first on the various dimensions and second on the different reference levels of cross-border governance. Four characteristics distinguish therefore this type of governance from re3
Cf. FÜRST, D., “Regional governance”, in: BENZ, A., (Hrsg.), Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen: Eine Einführung, S.45-64, Opladen, 2004.
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gional intra-state cooperation: a territorial dimension whose peculiarity lies in the geographical reference to a border territory between two or more countries; a transnational dimension which includes the decision-making arenas of two or several national political systems; a European dimension which takes into account the influence of EU regional policy on border territories; and finally a strategic dimension which covers the different policy areas in which cross-border cooperation operates. Combined with the five different functions of cooperation – meeting, information, coordination, planning, decision-making/implementation – the holistic model is useful for cross-border governance in that it allows it to maintain a “Caldor-optimum” thanks to a balance between the dimensions and the functions within which an additional control structure has been incorporated, this being differentiated vertically and horizontally for cooperation purposes. Such a model would, from the authors’ viewpoint, take sufficiently into account the complexity of cross-border cooperation. But is this the case in practice?
3. The Upper Rhine as an example of complex cross-border governance In the second part of this publication, it becomes clear, through the example of the Upper Rhine that the application of the regional governance approach leads to a modernisation of cooperation structures and new governance models such as metropolitan regions or Eurodistricts. This does not mean, however, that the Upper Rhine is a model for successful multi-level governance. The case of the Upper Rhine illustrates that the revolution in cross-border cooperation terminology does not necessarily lead to greater clarity in the understanding of cross-border governance. In a multi-level approach, new forms of cooperation and efforts to insert them into a system of cross-border governance at several levels increases the complexity of border regions and makes them less and less understandable to citizens. Nevertheless, the Upper Rhine is a good example for testing a cross-border governance theory. Since the 2000s, there has been a process to develop the metropolitan region which is reshaping in depth cooperation structures and decision-making processes. Michael Frey demonstrates in his contribution on “Grenzüberschreitende multi-level-Governance für den Oberrhein” that, within the metropolitan region concept adopted at the 11th tripartite Congress, institutional cooperation has been integrated into a system with four pillars which includes all stakeholders and policy areas of cross-border cooperation: economy, science and research, politics and civil society. The development of efficient governance structures is therefore provided by the political pillar which attempts to reconcile the different institutional levels – the Upper Rhine Conference for the executive and the Upper Rhine Council for the legislature, as well on the geographic level – the Metropolitan Region at the regional level and the Eurodistricts at the local level. The keywords for orientation are “complementarities, subsidiary and economies of scale”. In his article, Eric Jakob comes to the conclusion that the multi-level system of the Upper Rhine is a model with respect to the number of projects implemented and that the Upper Rhine Metropolis (Freiburg, Colmar,
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Strasbourg, Basel, Karlsruhe) is a symbol for the “European City of the 21st century”. Nevertheless and in general the authors point to shortcomings regarding both cross-border governance in the Upper Rhine and also the use of new concepts. Michael Frey complains about the principle of unanimity in the decision-making process which slows down the efficiency and the implementation rate of crossborder cooperation. In addition, the requirement of consensus among the Upper Rhine partners is a not insignificant obstacle to innovative action. Karen Denni in her analysis of “Governance von Eurodistrikten am Oberrhein” in turn remarks that, with regard to the initial claim of efficient cooperation close to the citizen at relatively small local levels, the approach to the implementation of the Eurodistricts was rather one of top-down. Using the Strasbourg-Ortenau Eurodistrict as an example, she clearly shows that decisions are often taken at municipal council level without any citizen participation. The asymmetrical relations between a large and a small town (Strasbourg-Kehl) make it difficult to balance out multi-level governance. Martin Weber shows in his contribution on the theme of the Basel metropolitan area that the metropolis concept in the Upper Rhine is already coming up against the problem of competing concepts: the small scale approach of a metropolitan region such as Basel stands in contrast to the concept of a regional polycentric metropolitan region such as the Upper Rhine in which several medium-sized towns have established themselves as “hubs”. The discussions led by national metropolitan authorities may also be in competition with the idea of a cross-border metropolitan region. Metropolitan areas, as suggested by Weber, are by no means an “oasis in the desert” and as such, the Upper Rhine Metropolitan Region must both be reconciled with the national space planning for Switzerland as well as with other models, such as that of a metropolitan region in the northwest of Switzerland. In summary, Birte Wassenberg proves in her article on “Historisch gewachsene Governance am Oberrhein (1963-2010)” that cross-border cooperation structures can only be explained by means of a historical analysis. Research on governance in border regions should take into account the historical development of crossborder cooperation as their forms of governance do not result from the use of a theoretical model of multi-level governance, rather they are built up gradually over time thanks to different stakeholders with different purposes. This leads to multiple institutional layers, especially in the Upper Rhine, within which no effective governance can be achieved because of sclerotic and parallel structures and competing institutions. Eric Jakob thus argues that overall, the Upper Rhine cannot be considered a model for cross-border governance. The model is valid only for the extensive participation of the Swiss partners over many years which proves that EU membership is not absolutely necessary for successful crossborder cooperation.
4. The variety and types of governance in German border regions The examples of governance in this publication selected from the German border regions show the diversity of the forms and structures of existing cross-border cooperation. Through these analyses alone it becomes obvious that there are different phases of development of governance at the German borders as identified
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for “experienced” border regions by Joachim Beck and Eddie Pradier. These phases occur partly offset in time and vary in length, meaning that not all German border regions are at the same stage of development. There are different governance models at each stage of development. Contributions on the Greater Region Saar-Lor-Lux by Rolf Wittenbrock and on the International College of Lake Constance (IBH) as an example of cross-border cooperation by Stephan Prehn describe spaces that are undeniably comparable to the Upper Rhine Region. The Saar-Lor-Lux Region has complex governance structures which are differentiated and have been built up gradually over the course of time. All governance levels are represented, from an Intergovernmental Commission to Regional Committees, to the Summit for representatives of the executive bodies, to an Interregional Economic and Social Committee which involves all social partners into the institutional cooperation. In an analysis of Interreg IV projects, Wittenbrock demonstrates the inclusion of multiple stakeholders from science, economics, the politico-administrative sector and from civil society (associations, federations), which, as in the Upper Rhine, contributes to the success of a high project output in the Saar-Lor-Lux Region. The process to develop the metropolitan region also began with the “Quattropole” project and with the adoption of a “vision for the future 2020”. The multi-level governance approach offers the same solutions (coordination, subsidiary, complementarities), but also creates the same problems (principle of unanimity, consensus building, smallscale complex spaces). Stephan Prehn uses the example of the Lake Constance Region to show that innovative integrated governance in “experienced” border areas is easily possible: the International College of Lake Constance functions as a cross-border higher education project with joint governance structures, i.e. a Conference and a Board with the participation of political share-holders and the Presidents of 27 universities in Austria, Germany, Liechtenstein and Switzerland. Integrated governance is in this case facilitated by the structures of the states involved which are mainly federal. As far as the border regions in Denmark, Poland and the Czech Republic are concerned great differences can be observed compared to the Upper Rhine, to the Greater Region or to the Lake Constance Region. Thus, for a long time, great distrust prevented any institutionalised cooperation. The conflict-ridden history of the 19th and 20th centuries has made the border between Germany and Denmark a “scar of history” which “healed” much later than the Franco-German reconciliation after World War II, partly because Denmark only joined the EC and thus the European integration process in 1973. Before the Interreg Programme, crossborder cooperation in the border regions between Germany and Denmark was only possible in isolated cases and in relation to specific projects in the sense developed by Blatter4 in his theory of functional governance. It was only in 1997 that a Euroregion was created at the border of the Sønderjylland-Schleswig Region which provided institutionalised governance structures, but these have led neither to multi-level governance nor to a process to develop a metropolitan region. Moreover, as Martin Klatt explains in his article “Grenzüberschreitende politische Zusammenarbeit in der deutsch-dänischen Grenzregion”, in the other two parts 4
BLATTER, J., “From spaces of place to spaces of flows? Territorial and functional governance in cross-border regions in Europe and North America”, International Journal of Urban and Regional Researt ch, 28/3, 2004, S.534.
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of the region between Germany and Denmark Fyn-KERN (Kiel-RendsburgEckernförde-Neumünster) and Storstrøm-Ostholstein (Vogelfluglinie – as the crow flies), cooperation is less intensive because of the geographical distance from the sea border, and in the case of Fyn-KERN, cooperation was completely dissolved at the end of the relevant Interreg Programme. This is an indication that Interreg can certainly encourage cross-border governance but cannot build the foundation for a substantial regional identity. In the border regions of East European countries, the development of crossborder cooperation is even more marked by the “scars of history”. The process of rapprochement and reconciliation is still on-going there, whereas it has existed in the Franco-German border territories since the 1950s and is now largely complete. Olga Jarecka shows in her contribution on “Deutsch-polnische Zusammenarbeit als klassische Form der grenzüberschreitenden Kooperation” that the GermanPolish border is still marked today by the negative experiences of the citizens: after 1945, the border was mainly linked to the expulsion of Germans which led to a long-standing loss of confidence on both sides. This complicates the development of cross-border cooperation. Moreover, the cooperation between the People’s Republic of Poland and the German Democratic Republic during the Cold War helped to disseminate socialist ideology and was imposed “from above”. Only after the Berlin Wall fell in 1989 and by using the Interreg tools could new border relations be developed. However, the border is still seen by people as a symbol of violence and crime and is therefore perceived as dangerous. Governance structures for cross-border cooperation have been created in the form of four Euroregions along the border between Germany and Poland (Neisse-NisaNysa, Spree-Neisse-Bober, Pro Europa Viadrina and Pomerania), one of which (NeisseNisa-Nysa) also cooperates with the Czech side. These Euroregions are not so much a tiered system with integrated cross-border governance structures; rather they are voluntary communities of interest that work in a relatively flexible manner, without legal personality and at local level. The city of Görlitz/Zgorzelec which was divided following World War II is the only case where cross-border governance seems to have been implemented as an integrated approach to planning and policy with the goal of creating a common “European city”. Cross-border cooperation has also been institutionalised between Germany and the Czech Republic, as Thomas Groh states in his article, primarily under the “umbrella” of Euroregions. The five Euroregions created up to 1994 in the CzechBavarian and Czech-Saxon border territory (Nei e-Nisa-Nysa, Elbe/Labe, Erzgebirge/Krušnohor, Bayerischer Wald Wald-Böhmischer Mühlviertel and Euregio Egrensis) are based on local cooperation structures without legal personality which are efficient in practise, as is the case with cooperation between Germany and Poland. The advantage of these flexible governance structures lies in their ability to manage the enormous differences in organisation and regulation of their national cultures and legal systems. The disadvantage of these interfaces between different legal systems lies in a totally insufficient legal base and in governance which can in no way be compared to the process of developing metropolitan regions and the multi-level governance of “experienced” border regions. A comparative analysis of such different forms of governance of cross-border cooperation on the German borders leads to the conclusion that no single crossborder governance model can be developed for all border regions in Germany. The holistic model designed by Joachim Beck and Eddie Pradier can only be ap-
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plied to a certain type of border territory, namely experienced regions on the borders with the Netherlands, France and Switzerland. Each type of cross-border governance depends on the type of border region and its own development. In order to assign different governance models to specific border regions, we must develop a typology which, for the German border territories, clearly emerges from this publication. Two categories can be distinguished in the border regions in Germany: first “established” border regions (Upper Rhine, Saar-LorLux, Lake Constance) in which cooperation started as far back as the 1950s and 1960s which allows them to have a complex multi-level governance system. In these regions, the “metropolitan process” began in the 2000s, and this process affords a central place to governance issues in terms of a restructuring and reform of existing cross-border bodies. Through that, new forms of governance (metropolitan region, Eurodistricts) with new legal instruments are being tested (European Grouping of Territorial Cooperation). For these regions, a holistic system of governance can be sought as a development model within which the various dimensions of activity are reconciled with the operation levels of cross-border cooperation. Then, there are the border regions which intensified and institutionalised cross-border cooperation when the Interreg Programme was established early in the 1990s. We must furthermore distinguish between the German-Danish border region and East European border regions. In the territory between Germany and Denmark, the memory of past border disputes and the existence of a maritime boundary hindered the setting up of integrated governance structures, but the internal regions which joined the EC in 1973 could, however, initiate cross-border cooperation within a functional system of governance. In contrast, the development of cross-border relations – without any ideological and doctrinal background – and the formation of governance structures at the Polish and Czech borders have been possible only since the disappearance of the Iron Curtain. In this regard, governance contributed first to getting over the scars of history, or in other words to setting in motion a process of reconciliation. Thus lighter and more flexible governance structures appeared in the shape of Euroregions as public law associations which appear to be better suited to these regions. The question as to whether cross-border governance should gravitate to multilevel governance and the formation of metropolitan regions, Eurodistricts or other forms of governance which contribute to the European integration process, remains unresolved. Many of the authors of this publication have indicated that in “experienced” border regions, in all forms of cross-border governance, a major democratic deficit still remains and that citizens are still not sufficiently involved in cross-border cooperation. It is not enough to hide behind new terminology – Euroregion, metropolitan region, Eurodistrict – to ensure citizens’ closer cooperation. Genuine multi-level governance must begin with the question: does this cooperation really serve the citizen and can citizens identify with it?
ANHÄNGE
ANNEXES
APPENDICES
ABKÜRZUNGEN AGEG AG ARE BFS BGB BL BRD BS BV CDU DDR DK EFRE EG EU EUCOR EVTZ FARE FH GG GmbH GÖZ HTWG IAP IBH IBK IÖR IPR K.E.R.N. KK KMU KOR
Arbeitsgemeinschaft europäischer Grenzregionen Kanton Aargau Bundesamt für Raumentwicklung Bundesamt für Statistik Bundesgesetzblatt Kanton Basel-Landschaft Bundesrepublik Deutschland Kanton Basel-Stadt Bundesverfassung Christlich- demokratische Union Deutsche demokratische Republik Dänemark Europäischen Fonds für regionale Entwicklung Europäische Gemeinschaft Europäische Union Europäische Konföderation der Oberrheinischen Universitäten Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit Grenze, Akteure und Europas Vorstellungen Fachhochschul Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Grenzüberschreitender örtlicher Zweckverband Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Interkantonalen Agglomerationsplattform Internationale Bodensee-Hochschule Internationalen Bodenseekonferenz Institut für ökologische Raumentwicklung Interregionale Parlamentarierrat Kiel-Eckernförde-Rendsburg-Neumünster Koordinationskommission Kleine und Mittlere Unternehmen Konferenz Oberrheinischer Raumplaner
LGNM
Letzebuerger Gesellschaft fir nei Musek
LKW
Lastkraftwagen
NRW OB ÖPNV PEAP PH PIK PKW
Nordrhein-Westfalen Oberbürgermeister Öffentlicher Personennahverkehr Europäischer öffentlicher Verwaltungspol – Straßburg Pädagogische Hochschule Periodische Internationale Koordinationsgespräche Personenkraftwagen
ABKÜRZUNGEN
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Polnische Volks- und Arbeiterpartei Republik Polen Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Kanton Solothurn Sozial-demokratische Partei Deutschlands Trinationale Agglomeration Basel Tripartite Agglomerationskonferenz Trinationaler Eurodistrict Basel Wirtschafts- und Sozialausschuss Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion Wissens- und Technologietransfer Zentralkomitee
SIGLES ET ABBRÉVIATIONS CGCT COPIT CUS DIACT DGCL FARE GECT GIP GLCT MOT RMT SGAR PEAP TVA UE
Code général des collectivités territoriales Conférence permanente intercommunale transfrontalière Communauté urbaine de Strasbourg Délégation interministérielle à l'aménagement et à la compétitivité des territoires Direction générale des collectivités locales Frontières Acteurs et Représentation de l’Europe Groupement européen de coopération territoriale Groupement d’intérêt public Groupement local de coopération transfrontalière Mission opérationnelle transfrontalière Région métropolitaine trinationale Secrétariat général pour les affaires régionales Pôle Européen d’Administration Publique – Strasbourg Taxe sur la valeur ajoutée Union européenne
ABBREVIATIONS EU FOCJ FUA IA MORE NGO OECD PIA PUSH TMR
European Union Functional Overlapping Competing Jurisdictions Functional Urban Areas Impact Assessment Matching opportunities for regions in Europe Non Governmental Organization Organization for economic cooperation and development Potential Integration Area Potential Urban Strategic Horizon Trinational Metropolitan Upper Rhine Region
DIE AUTOREN – LES AUTEURS – THE AUTHORS JOACHIM BECK Joachim Beck ist Direktor des deutsch-französischen Euro-Institutes in Kehl, spezialisiert in grenzüberschreitender Zusammenarbeit, insbesondere interkulturelle Vergleiche von Verwaltungssystemen und Governance-Fragen. Er promovierte an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften (DHV) in Speyer und ist Herausgeber mehrerer Publikationen: z.B. mit Franz Thedieck The European dimension of administrative culture, Baden-Baden, 2008; Netzwerke in der transnationalen Regionalpolitik, Rahmenbedingungen, Funktionsweise, Folgen, Baden-Baden, 1997.
ULRICH BOHNER Ulrich Bohner ist Jurist und Haut fonctionnaire (a.D.) des Europarates in Straßburg, spezialisiert in grenzüberschreitender Zusammenarbeit und (Rechts)Fragen der Regionalen und Kommunalen Politik in Europa. Er wurde nach der Gründung des Kongresses für Kommunen und Regionen im Europarat Generalsekretär des Kongresses (1994 bis 2009).
KAREN DENNI Karen Denni hat im Dezember 2006 in deutsch-französischer co-tutelle an der Université de Strasbourg (UdS) und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Soziologie und den Geschichtswissenschaften promoviert. Von 2007 bis 2008 war sie Post-Doc-Stipendiatin bei der Fritz-Thyssen-Stiftung, danach Postdoktorandin am Institut „Kulturen und Gesellschaften in Europa“ der UdS. Seit 2007 ist sie ebenfalls in Straßburg als Lehrbeauftragte am Institut für Internationale Beziehungen tätig.
STEFAN FISCH Stefan Fisch ist Professor für Geschichtswissenschaften und seit 2009 Rektor der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften (DHV) in Speyer; seine Spezialgebiete sind Verwaltungsgeschichte und Geschichte von Institutionen. Er ist in Coburg aufgewachsen und hat daher eine sehr sensible Grenze (zwischen Ost-und Westdeutschland, unüberbrückbar vom Westen bis 1972 und vom Osten bis 1989) selbst erlebt. Er hat unter anderem über die Geschichte des Elsasses von 1870 bis 1940 geforscht, als ein Grenzgebiet zwischen Deutschland und Frankreich und zugleich auch als eine Region, wo viele Begegnungen zwischen beiden Kulturen stattfanden.
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MICHAEL FREY Michael Frey ist seit 2010 Referent in der Koordinierungsstelle des Regierungspräsidium Freiburg und war von 2007 bis 2009 deutscher Delegationssekretär im Gemeinsamen Sekretariat der deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheinkonferenz; er hat an der Universität Freiburg in Rechtwissenschaften promoviert und einige Artikel zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit veröffentlicht, z.B. „Konzepte für eine grenzüberschreitende regionale Governance am Beispiel der trinationalen Region am Oberrhein“, VBlBW 2009, 43.
DIETRICH FÜRST Dietrich Fürst ist emeritierter Professor für Politik- und Verwaltungswissenschaften; er war von 1974 bis 1981 an der Universität Konstanz tätig und danach bis 2003 an der Universität Hannover (Landesplanung und Raumforschung); seine Forschungsschwerpunkte sind: Regionalplanung, Planungsorganisation und Regionalmanagement, Regionalisierung, regionale Kooperation, regional Governance, Planungstheorie und Steuerungstheorie, in denen er zahlreiche Publikationen veröffentlicht hat.
THOMAS GROH Thomas Groh ist seit 2000 wissenschaftlicher Assistent an der Juristischen Fakultät der Universität Dresden. Er hat in Rechtswissenschaften promoviert und war von 1997 bis 1999 zunächst Rechtsanwalt im Dresdner Büro einer überörtlichen Anwaltssozietät und danach wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kabinett des deutschen Richters am Europäischen Gerichtshof. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Europarecht; das Verhältnis von nationalem und internationalem Recht; juristische Methodik und juristische Didaktik.
ROBERT HERTZOG Robert Hertzog est professeur de droit public à l’Institut d’études politiques (IEP) de Strasbourg ; Il est ancien directeur du Master d’Administration locale « ALORE », président de la Société Française de Finances Publiques et membre du Conseil scientifique du Groupe de recherches sur l’administration locale en Europe (GRALE - CNRS). Il a également occupé de nombreuses fonctions administratives et politiques: élu local à Hoenheim (1989-2008) ; Conseiller à la Communauté urbaine de Strasbourg (2001-2008); Président de la Communauté de travail Centre (2004-2006) ; Membre du Conseil de l’Euro-Institut (1993-2008) et de l'Eurodistrict Strasbourg-Ortenau (de la fondation à 2008).
ERIC JAKOB Eric Jakob ist seit 2003 Geschäftsführer der Regio Basiliensis in Basel. Nach dem Studium in Germanistik, Medienwissenschaftler, Philosophie und Anglistik hat er 1995 in politischer Philosophie promoviert und 2000 ein Nachdiplomstudium
DIE AUTOREN – LES AUTEURS – THE AUTHORS
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in „Marketing und Betriebswirtschaft“ an der Universität Basel absolviert. Nach anfänglicher Tätigkeit als Projektleiter bei der Interdisziplinären Berater- und Forschungsgruppe (IBFG) in Basel hat er vor allem als Schweizer Mitarbeiter der trinationalen Informations- und Beratungsstelle Infobest Palmrain in Village-Neuf (1993-1995) und danach bei der Regio Basiliensis grenzüberschreitende Erfahrung gesammelt.
OLGA JARECKA Olga Jarecka ist seit 2007 Doktorandin der Abteilung für Osteuropäische Geschichte an der Universität Bonn und Stipendiatin des Katholischen Akademischen Austausch-Dienstes; Sie hat ihr Studium in internationalen Beziehungen an der Universität Wroclaw (Polen) absolviert. Ihre wissenschaftliche Interessen sind u.a.: Beziehungen zwischen Volksrepublik Polen und DDR; Geschichte und Zusammenarbeit der geteilten Städten an der Oder und Neiße (Magisterarbeit); deutsch-polnische Städtepartnerschaften.
MARTIN KLATT Martin Klatt is Associate Professor of Contemporary History at the Department of Border Region Studies, University of Southern Denmark, Sønderborg Campus. His research activities concentrate on national minorities in border regions, the Danish-German border region’s history, cross-border regions in history and today, and cross-border regional governance. Besides research and teaching, he has participated in the department’s consultancy activities for European border regions and EU cross-border cooperation programs.
EDDIE PRADIER Eddie Pradier est gestionnaire de projet à l’Euro-Institut de Kehl. Diplômé de l’lEP de Grenoble et titulaire d’un master en coopération transfrontalière des universités de Metz et de la Sarre, il s’est spécialisé dans les projets d’étude et de conseil en transfrontalier. Publications : Mémoire de Master sur le projet Eurozone de création de zones d’activités transfrontalières à la frontière sarromosellane ; participation à l’élaboration de la prise de position commune du Rhin supérieur sur le livre vert « cohésion territoriale » de la Commission européenne.
STEPHAN PREHN Stephan Prehn ist seit 1999 Leiter der Geschäftsstelle der Internationalen Bodenseehochschule (IBH), zunächst in Konstanz und seit 2003 in Kreuzlingen. Er hat in Bonn Germanistik und Religionswissenschaft studiert und war von 1994-1999 Leiter einer Schulbuchredaktion in Bonn und Köln.
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ANNE THEVENET Anne Thevenet est directrice adjointe de l’Euro-Institut de Kehl (depuis 2007). Diplômée de sciences politiques (IEP), elle s’est spécialisée dans la mise en réseau d’acteurs, l’animation de groupe multinationaux et l’ingénierie pédagogique transfrontalière. Au travers d’échanges avec d’autres frontières, elle s’attache, dans différents projets fédérant acteurs de terrain, de la formation et chercheurs, à mettre en lumière des bonnes pratiques et à travailler à leur conceptualisation. Publications : mallette pédagogique pour la formation de chef de projets transfrontaliers.
BIRTE WASSENBERG Birte Wassenberg ist seit 2006 Maître de conférences in Geschichtswissenschaften am Europainstitut (IHEE) der Universität Straßburg und Mitglied des Forschungszentrums für Geschichte FARE. Von 1993-2006 war sie Referentin für grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Région Alsace. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Euroskeptizismus, Grenzregionen und die Geschichte des Europarates. Publikationen, z.B.: Vers une eurorégion ? La coopération transfrontalière franco-germano-suisse dans l’espace du Rhin supérieur de 1975 à 2000, Brüssel, 2007 ; Vivre et penser la coopération transfrontalière (Volume I) : les régions frontalières françaises, Stuttgart, 2009.
ROLF WITTENBROCK Rolf Wittenbrock ist promovierter Geschichtswissenschaftler und Leiter des Planungsbüros „Schwerpunkt Europa“ der Universität des Saarlandes. Er ist Spezialist für Raumentwicklung der Großregion SaarLorLux und für grenzübergreifende Schulmanuelle, sowie Mitglied des konstituierenden Ausschusses für die Gründung der Universität der Großregion. Veröffentlichungen, u.a.: (mit Rainer Hudemann) Stadtentwicklung im deutsch-französisch-luxemburgischen Grenzraum, Saarbrücken 1991 ; Schule und Identitätsbildung in der Region SaarLorLux, Saarbrücken 1994.
MARTIN KURT WEBER Martin Kurt Weber hat Internationale Beziehungen am Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales in Genf und an der Universität Basel studiert. Er ist seit 2010 Projektkoordinator der Internationalen Bauausstellung beim Hochbauund Planungsamt der Basel-Stadt; von 2002-2009 war er Leiter der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Präsidial- bzw. Justizdepartement der BaselStadt und von 1995-2002 Schweizer Delegationssekretär der deutsch-französischschweizerischen Oberrheinkonferenz.
DIE AUTOREN – LES AUTEURS – THE AUTHORS
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JEAN-MARIE WOEHRLING Diplômé d'études supérieures de droit public, ancien élève de l'ENA, Jean-Marie Woehrling a été pendant longtemps juge et président du tribunal administratif de Strasbourg (1994-2008). Il est actuellement détaché dans la Commission Centrale pour la Navigation du Rhin et Président de l’Institut du droit local alsacienmosellan. Il a participé en tant qu’expert auprès du Conseil de l’Europe à de nombreux travaux dans le domaine de la coopération transfrontalière, notamment à l’élaboration de la Convention-cadre sur la coopération transfrontalière des collectivités ou autorités territoriales (« Convention de Madrid »).
ZUR REIHE „STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER EUROPÄISCHEN INTEGRATION“ Mit zunehmendem Abstand zum Beginn des europäischen Integrationsprozesses nimmt die Bedeutung der Geschichtswissenschaften im Spektrum der wissenschaftlichen Erforschung des Europäischen Integrationsprozesses zu. Auch wenn die übliche dreißigjährige Sperrfrist für Archivmaterial weiterhin ein Hindernis für die Erforschung der jüngeren Integrationsgeschichte darstellt, werden die Zeiträume, die für die Wissenschaft zugänglich sind, kontinuierlich größer. Heute können die Archive zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bis hin zur ersten Erweiterung eingesehen werden; in einem Jahrzehnt wird ein aktengestütztes Studium der Rahmenbedingungen der Mittelmeererweiterung und der Entstehung der Einheitlichen Europäischen Akte möglich sein. Darüber hinaus ist der Beitrag der Geschichtswissenschaften auch heute schon Rahmen der Erforschung der jüngsten Integrationsgeschichte nicht mehr zu übersehen. Ihre Methodenvielfalt hilft dabei, die durch Sperrfristen der Archive entstandenen Probleme auszugleichen. Allerdings findet der einschlägige geschichtswissenschaftliche Diskurs in der Regel immer noch im nationalstaatlichen Kontext statt und stellt damit, so gesehen, gerade in Bezug auf die europäische Geschichte einen Anachronismus dar. Vor diesem Hintergrund haben sich Forscherinnen und Forscher aus ganz Europa und darüber hinaus dazu entschlossen, eine Schriftenreihe ins Leben zu rufen, die die Geschichte der Europäischen Integration nicht nur aus einer europäischen Perspektive beleuchtet, sondern auch einem europäischen Publikum vorlegen möchte. Gemeinsam mit dem Verlag Franz Steiner wurde deshalb die Schriftenreihe Studien zur Geschichte der Europäischen Integration (SGEI) gegründet. Ein herausragendes Merkmal dieser Reihe ist ihre Dreisprachigkeit – Deutsch, Englisch und Französisch. Zu jedem Beitrag gibt es mehrsprachige ausführliche und aussagekräftige Zusammenfassungen des jeweiligen Inhalts. Damit bieten die Studien zur Geschichte der Europäischen Integration interessierten Leserinnen und Lesern erstmals einen wirklich europäischen Zugang zu neuesten geschichtswissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Geschichte der Europäischen Integration.
CONCERNANT LA SÉRIE „ETUDES SUR L’HISTOIRE DE L’INTGRATION EUROPÉENNE“ L’importance des recherches historiques ne cesse d’augmenter au sein de l’éventail qu’offrent les recherches scientifiques sur le processus d’intégration européenne, et ce à mesure que le recul par rapport au début du processus d’intégration européenne se fait de plus en plus grand. Même si le délai d’attente habituel de trente ans pour la consultation des archives constitue encore un obstacle pour les recherches sur l’histoire récente de l’intégration, les périodes accessibles à la recherche se révèlent de plus en plus étendues. A l’heure actuelle, les archives datant de la fondation de la Communauté Européenne du Charbon et de l’Acier jusqu’au premier élargissement peuvent être consultées ; d’ici dix ans, une étude documentée des conditions générales de l’élargissement méditerranéen et de la conception de l’Acte unique européen sera possible. La contribution des recherches historiques dans le cadre de la recherche sur l’histoire toute proche de l’intégration est dès à présent remarquable. La diversité de méthodes utilisées permet en effet de régler des problèmes engendrés par le délai de blocage des archives. Toutefois, le débat historique s’y rapportant s’inscrit encore généralement dans le contexte de l’Etat-nation et représente, de ce point de vue, un anachronisme par rapport à l’histoire européenne. C’est dans ce contexte que des chercheuses et chercheurs de toute l’Europe et au-delà ont décidé de lancer une série d’ouvrages qui mettent en lumière l’histoire de l’intégration européenne non seulement dans une perspective européenne, mais qui se veut également accessible à un large public européen. Cette série d’ouvrages, intitulée Etudes sur l’Histoire de l’Intégration Européenne (EHIE), a été créée en collaboration avec la maison d’édition Franz Steiner. Le caractère trilingue de cette série – allemand, anglais et français – constitue une particularité exceptionnelle. Chaque contribution est accompagnée de résumés plurilingues, détaillés et éloquents sur le contenu s’y rapportant. Les Etudes sur l’Histoire de l’Intégration Européenne offrent pour la première fois aux lectrices et lecteurs intéressés un accès réellement européen aux avancées historiques les plus récentes dans le domaine de l’histoire de l’intégration européenne.
ABOUT THE SERIES “STUDIES ON THE HISTORY OF EUROPEAN INTEGRATION” With increasing distance to the process of European integration, there is a growing significance of the historical sciences within the range of the scientific research on the European integration process. Even if the usual blocking period for archive sources is still an obstacle for researching the more recent history of integration, the periods which are accessible for the sciences are continuously becoming more extended. Today, the archives on the foundation of the European Coal and Steel Community are accessible as far as to the first extension; in one decade it will be possible to gain access to the appropriate files for studying the history of the prerequisites of the Mediterranean extension and the development of the Single European Act. Furthermore, already today the contribution of historic sciences in the context of researching the most recent history of integration cannot be overlooked. Their variety of methods helps with balancing problems resulting from the blocking periods for archives. However, usually the relevant historic discourse still happens in the context of national states and is thus, if we like to see things this way, rather an anachronism in respect of European history. Against this background, researchers from all over Europe and beyond have decided to found a series of publications which intends not only to shed light on the history of European integration from a European point of view but also to present this to a European audience. For this reason, together with the Franz Steiner Publishing House the series of publications Studies on the History of European Integration (SHEI) was founded. One outstanding feature of this series will be its trilingualism – German, English and French. For every contribution there will be extensive and telling summaries of the respective contents in several languages. Thus, by Studies on the History of European Integration interested readers will for the first time be offered a really European approach at most resent historic insights in the field of the history of European integration.