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German Pages 427 [432] Year 1887
G-tth. Ephr. Lessings
dramatische Meisterwerke
Minna von Garnheim. Emilia Galotti. Nathan der Weise.
Stuttgart. G. I. Göschen'sche Verlagshandlung.
Ä. Hofbuchdruckerei Zu Guttenberg (Earl Grüninger).
Minna von Sarnhelm oder
das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen
von
Gotth. Ephr. Lefstng.
Stuttgart
G. I. Göschen'sche Verlagshandlung. 1887.
Jt. Hofbuchdruckerei Zu Guttenberg (Earl Gritninger).
Minna von Sarnhelm oder
das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen.
1763.
Perssnen: Major von Tellher«, verabschiedet. Minna von Barnhelm.
Graf von Bruchsall, ihr Oheim. FranciSka, ihr Mädchen. Just, Bedienter des Majors. Paul Werner, gewesener Wachtmeister d»es Maiors. Der Wirt. Eine Dame in Trauer.
Ein Feldjäger. Riccaut de la Marliniere.
Die Scene ist abwechselnd in dem Saale eines Wirtshauses und einem daranstoßenden Zimmer.
Lin gute- Lustspiel gekört seiner Zeit und allen Zeiten.
WaS es
seiner Zeit war, kann sich mit der Zeit schwächen, kann verblaßen, un
verständlich werden, aber eS muß, auch um für die Zeit, in welcher es wurzelt, etwas zu bedeuten, Eigenschaften haben, die es über den Moment erheben; es muß im vergänglichen Kostüm die unvergänglichen Züge des
Menschen, der an keine Zeit gebunden ist, zu treffen wiffen: nicht »Kein
die Laster, wie einst Leffings Jugendtheorie forderte; nicht aüein di« sondern die mit Schwäche gepaarten edlen Züge des
Lächerlichkeiten,
Menschen.
Denn wie kein Mensch bloß lasterhaft oder lächerlich ist, giebt
es auch keinen, der bloß aus einer Schwäche oder einer Farbenmischung
von Schwächen bestände.
Die Posse kann sich au diesen groben Züge«
genug sein lassen; das Lustspiel hat feiner zu schattieren und in der
Stuft seiner Eharaktere, aus denen die Handlung fließt, wie in de» Eha.
raktereu an fich die Bestandteile lebenswahr zu vereinigen, unbekümmert darum, ob es wirklich solche Eharaktere giebt, nur daß die Möglichkeit derselben unleugbar sein muß.
Ein solches Lustspiel ist Lesflngs Minna
von Barnhelm, das erste echt deutsche, aus deutschen Lnläfle«, mit deut schen Sitten, mit deutschem Gemüt gedichtete deutsche Lustspiel auf
der
deutschen Bühne, seit dem Untergänge des deutschen volksschauspiels, we nigstens seit den
beiden Lustspielen des schlefischen Dichters Andreas
GrpphiuS. Die Skizze
zu
seiner Minna schrieb Lesfing in heitern Arühlings-
morgeikstunden
im
Reldnerschen Garten im Bürgerwerder zu Breslau,
als er Sekretär des Generals Tauenzien war, und arbeitete dieselbe aus, als er nach Berlin zurückgekehrt war, obwohl er schon im August 1764
vor Begierde brannte, die letzte Hand daran zu legen'.
Minna erschien
im Jahr 1767 und wurde in demselben Jahre, nachdem sie anfangs auf preußische Veranlaflung beanstandet oder verboten war, zuerst am 88. Sept,
in Hamburg mit Lckhof als Dellheim, Ackermann als »erner, der Hensel als Minna gegeben, im März und April des nächsten Jahres auch in Berlin zehnmal ununterbrochen vor einem vollen Hause.
Wo hätte das
Stück auch fteudiger ausgenommen werden sollen, als in der Hauptstadt Preußens, ein Stück, das zur Verherrlichung des Soldatenstandes ge dichtet war?
IV Wo sich bi-her ein Militär auf dem deutschen Theater ;u produzieren
batte
erschien
er,
dank
anders als Karikatur,
dem plautinischen ruhmredigen Ritter, kaum
auch in LesfingS 'alter Jungfer' fast mehr als
Bei seinem soldatischen Verkehr batte Messing den
lächerlich: verächtlich.
Stand, Offiziere wie Soldaten, auch von der guten Seite, als brav, gut
herzig, aufopferung-fähig und ehrenhaft kennen lernen. Ten Anlaß, diese wackeren Seiten ins Licht zu rücken, bot ihm da- Schicksal der preußischen
Freikorps, die nach
dem fiebenjährigen Kriege
Teil dem bittern Elende prei-gegeben wurden.
verabschiedet
und zum
Al- Repräsentanten der
Edleren unter diesen Unglücklichen — e- war freilich auch Gesindel genug
darunter — schuf er seinen Tellheim,
seinen Just und seinen Werner,
alle drei so bi- in die kleinsten Züge lebenswahr ausgearbeitet, daß man schwankt, welchem von ihnen man den Borzug geben und ob man mehr die Arbeit oder daS fertige Produkt bewundern soll.
Daneben den für
seinen Verdienst besorgtet», aber darüber hinan- auch zu nicht- zu vermö genden neugierigen Wirt und den leichtfinnigen und doch Teilnahme er
weckenden Riccaut, der erst zum Mitleid bewegt, mit guter Art nimmt und sich dann mit unbefangner Leichtfertigkeit um das bißchen erschlichner
Teilnahme
bringt.
Diesen
Männern
gegenüber die
entschlosiene
Minna und ihre weniger sensitive FranciSka, die auS der Rolle der bloß
naseweisen Kammermädchen zu der einer Art von Freundin und Schwester erhoben ist, der man schon eher ein Wort mitzusprechen gestattet.
Die
Fabel de- Stück-, obwohl sie vortreffliche komische und rührende Situa tionen zuwege bringt, ist gkgen die Charaktere ein wenig schwach und
dient eben nur dazu, um die letzteren in ihren schönen Lichtern spielen zu lafien.
Auch der Dialog, obschon immerhin Lessingisch gehalten, ist
doch mehr als in andern Stücken deS Dichters den Individualitäten an gepaßt und bewegt sich nicht in den kurzen epigrammatisch zugespitzten
Sätzen, wie in dem nächsten dramatischen Crzeugnisie LessingS.
Das Lustspiel wurde, natürlich mit den erforderlichen Verbesserun gen' ins Französische, zweimal inS Italienische und ebenso oft inS Eng
lische verarbeitet.
Karl Gardekr.
Erster Aufzug. Erster Auftritt. Jvst (fitzet in einem Winkel, schlummert, und redet im Traume.)
Schurke von einem Wirte! Du, uns? — Frisch, Bruder! —
Schlag ZU, Bruder! — (er holt au-, und erwacht durch die
Bewegung.) He da!
schon wieder? Ich mache kein Auge zu,
so schlage ich mich mit ihm herum.
Hätte er nur erst die
Hälfte von allen den Schlägen!----------- Doch sieb, es ist Tag! Ich muß nur bald meinen armen Herrn aussuchen.
Mit meinem Willen soll er keinen Fuß mehr in das ver maledeite Haus setzen.
Wo wird er die Nacht -ugebracht
haben?
Zweiter Auftritt. Der Wirt. Just. Oer Wirt.
Guten Morgen, Herr Just, guten Morgen!
Ei, schon so früh aus? Oder soll ich sagen: noch so spät aus? Lust.
Sage Er, was Er will.
Lessing, Minna von Barnhetm.
1
2
Auszug 1.
Der Wirt. Ich sage nichts, als guten Morgen; und das verdient doch wohl, daß Herr Just großen Dank daraus sagte?
Großen Dank!
Lust.
Der Wirt Major ist nicht
wenn
Man ist verdrießlich,
gehörige Ruhe nicht haben kann.
Was
nach Hause gekommen,
man
seine
gilt's,
der Herr
und Er
hat hier
auf ihn gelauert?
Was der Mann nicht alles erraten kann!
Lust.
Ich vermute, ich vermute.
Der Wirt.
Lust (kehrt sich um, und will gehen.) Sein Diener! Der Wirt (hLu ihn.)
Nicht doch, Herr Just!
Nun gut; nicht Sein Diener!
Lust.
Der Wirt. Herr Just,
Ei, Herr Just! ich will doch nicht hoffen,
daß Er noch
von gestern her
böse ist?
Wer
wird seinen Zorn über Nacht behalten? Lust.
Ich; und über alle folgende Nächte.
Der Wirt. Lust.
Ist das christlich?
Eben so
christlich,
als
einen
ehrlichen Mann,
der nicht gleich bezahlen kann, aus dem Hause stoßen, auf die Straße werfen. Der Wirt. Lust.
Pfui, wer könnte so gottlos sein?
Ein christlicher Gastwirt. — Meinen Herrn! so
einen Mann! so ein Osstzier! Der Wirt.
Den hätte ich aus dem Hause gestoßen?
auf die Sttaße geworfen? Dazu habe ich viel zu viel Achtung für einen Offizier, und viel zu viel Mttleid mit einem abge-
dantten!
Ich habe ihm aus Not ein ander Zimmer ein-
räumen muffen. — Denke Er nicht mehr daran, Herr Just. (Er ruft in die Scene:) Holla! — Ich will's auf andere Weise
wieder gut machen.
(Ein Junge kdmmi.)
Bring ein Gläschen:
Herr Just will ein Gläschen haben; und was Gutes! Lust.
Mache Er sich keine Mühe,
Herr Wirt.
Der
Twpsen soll zu Gift werden, den — Doch ich will nicht
schwören: ich bin noch nüchtern!
Der Wirt «las bringt.)
(zu dem Jungen, Der eine Flasche Liqueur und ein
Gieb her;
geh!
Herr Just:
— Nun,
ganz Vortreffliches; start, lieblich, gesund, ihm -u.)
Das kann einen
was
(er fallt, und reicht
wieder
überwachten Magen
in
Ordnung bringen! Inst.
Bald dürste ich nicht!---------- Doch warum soll
ich meiner Gesundheit seine Grobheit entgelten laffen? — (er nimmt und trittst.)
Der Wirt.
Wohl bekomm's, Herr Just!
I U st (indem er das Gläschen Mieder zurückgiebt.)
Nicht Übel!
— Aber Herr Wirt, Er ist doch ein Grobian! Der Wirt. Nicht doch, nicht doch! — Geschwind noch eins; aus einem Beine ist nicht gut stehen.
Lust
(nachdem er getrunken)
DaS muß ich sagen: gut,
sehr gut! — Selbst gemacht, Herr Wirt? —
Der Wirt
Behüte! veritabler Danziger! echter dop
pelter LachS! Lust. Sieht Er, Herr Wirt; wenn ich heucheln könnte,
so würde ich für so was heucheln;
aber
ich kann nicht;
es muh raus: — Er ist doch ein Grobian, Herr Wirt! Der Wirt.
In meinem Leben
niemand gesagt. — Noch eins,
Dinge sind drei! Lust. Meinetwegen!
hat mir
Herr Just;
(er trinkt.)
das
aller
noch guten
Gut Ding, wahrlich gut
Ding! — Aber auch die Wahrheit ist gut Ding. — Herr
Wirt, Er ist doch ein Grobian! Der Wirt.
Wenn ich es wäre, würde ich das wohl
so mit anhören? Lust. 0 ja, denn selten hat ein Grobian Galle. Der Wirt.
Nicht noch eins, Herr Just? Eine vier
fache Schnur hält desto besser. Lust. Nein, zu viel ist zu viel! Ihm,
Herr Wirt? Bis auf
Und
was
hllst^s
den letzten Tropfen in
Flasche würde ich bei meiner Rede
bleiben.
Pfui,
der Herr
Wirt; so guten Danziger zu haben, und so schlechte Mores! — Einem Manne, wie meinem Herrn, der Jahr und Tag bei Ihm gewohnt, von dem Er schon so manchen schönen
Thaler gezogen, der in seinem Leben keinen Heller schuldig
geblieben ist; well er ein paar Monate her nicht prompt bezahlt, wett er nicht mehr so viel aufgehen läßt, — in
der Abwesenheit daS Zimmer auszuräumen!
Da
Der Wirt.
aber
ich
das
Zimmer
notwendig
brauchte? da ich voraus sahe, daß der Herr Major es selbst
gutwillig würde geräumt haben, wenn wir nur lange auf seine Zurückkunst hätten warten können?
so eine fremde Herrschaft
fahren lassen?
Sollte
Sollte
ich
einem
andern Wirte
Verdienst mutwillig in den Rachen jagen? nickt
einmal,
sie
daß
ich denn
wieder von meiner Thüre weg
sonstwo unterkommen
Wirtshäuser find jetzt alle stark besetzt.
so
einen
Und ich glaube wäre.
Die
Sollte eine so junge,
schöne, liebenswürdige Dame auf der Straße bleiben? Dazu ist Sein Herr viel zu galant! Und was verliert er denn dabei?
Habe ich ihm nicht ein anderes Zimmer dafür eingeräumt? Lust.
Hinten
an
dem
Taubenschlage:
die
Ausficht
zwischen des Nachbars Feuermauren —
Der Wirt. fie der
Die Ausficht war wohl sehr schön,
verzweifelte Nachbar
verbaute.
Das Zimmer
ehe
ist
doch sonst galant, und tapeziert —
Lust.
Gewesen!
ver Wirt.
Nicht doch, die eine Wand ist es noch.
Und Sein Stübchen daneben, Herr Just; was fehlt dem Stübchen? Es hat einen Kamin; der -war im Winter ein wenig raucht------------
Lust.
Aber doch im Sommer recht
hübsch
läßt.
—
Herr, ich glaube gar, Er vexiert uns noch obendrein? — Der Wirt. Lust. oder —
Nu, nu, Herr Just, Herr Just —
Mache Er Herr Justen den Kopf nicht warm,
5
Auftritt 3.
Ich
Der Wirt.
macht'
ibn
der
warm?
Danziger
thut's! — Just. Er,
daß
Einen Offizier, wie meinen Herrn! Oder meint
ein abgedankter Offizier nicht
ist, der Ihm den Hals brechen kann?
auch
ein Offizier
Warum wäret ihr
denn im Kriege so geschmeidig, ihr Herren Wirte? Warum war denn da jeder Offizier ein würdiger Mann, und jeder
Soldat ein ehrlicher, braver Kerl? Macht euch das bißchen Friede schon so übermütig? Der Wirt. Was ereifert Er fich nun, Herr Just? —
Lust.
Ich will mich ereifern. — —
Dritter Auftritt.
v. Tellhei«. Der Wirt. Just. v. Tel Ihr im
Lust
(im Hereintreten.)
Just !
(in der Meinung, daß ihn der Wirt nenne.)
Just?
—
So bekannt find wir? —
v. TeUhetm. Lust.
Just!
Ich dächte, ich wäre wohl Herr Just für Ihn!
Ver Wirt
(der den Major gewahr wird.)
St! st!
Herr,
Herr, Herr Just, — seh Er fich doch um; Sein Herr---------v. TeUhetm. Just, ich glaube, du zankst? Was habe
ich dir befohlen? ver Wirt. O, Jhro Gnadm! zanken? da sei Gott vor! Ihr unterthänigster Knecht sollte fich unterstehen, mit
einem, der die Gnade hat, Ihnen anzugehören, zu zanken? Lust. Wenn ich ihm doch eins auf den Katzenbuckel geben dürste!----------ver Wirt. Es ist wahr, Herr Just spricht für seinen
Herrn, und ein wenig hitzig. ich schätze ihn um soviel höher;
Aber daran thut er recht;
ich liebe ihn darum. —
Tust.
Daß
ick
Oer Wirt Denn ich bin
ihm nicht
die Zähne austreten soll!
Nur schade, daß er sich umsonst erhitzet.
gewiß versichert,
daß Jhro Gnaden
keine
Ungnade deswegen aus mich geworfen haben, weil — die Not — mich notwendig — v. LeUhetm.
Ihnen schuldig;
Sie muffen bezahlt werden;
das Zimmer aus;
wo
Schon -u viel, mein Herr!
Ich
bin
Sie räumen mir in meiner Abwesenheit
ich
muß
anders unterzukommen suchen. Sehr natürlich! — Der Wirt. Wo anders? Sie wollen ausziehen, gnä
diger Herr? Ich unglücklicher Mann! ich geschlagner Mann! Nein,
nimmermehr! Eher muß
wieder räumen.
die Dame
das Quartier
Der Herr Major kann ihr, will ihr sein
Zimmer nicht lassen; das Zimmer ist sein; sie muß fort;
ich kann ihr nicht helfen. — Ich gehe, gnädiger Herr---------v. TeUheim.
einen!
Die
Dame
bleiben. — — Der Wirt.
Freund, nicht zwei dumme Streiche für muß in
dem
Besitze
des
Zimmers
Und Jhro Gnaden sollten glauben, daß
ich aus Mißtrauen, aus Sorge für meine Bezahlung? — — Als wenn ich nicht wüßte,
daß
mich Jhro Gnaden
bezahlen können, sobald Sie nur wollen.---------- Das ver siegelte Beutelchen, — fünfhundert Thaler Louisdor stehet
darauf,
— — welches Jhro Gnaden in
dem Schreibe
pulte stehen gehabt;----------ist in guter Verwahrung. — v. Tellheim. Das will ich hoffen; sowie meine übrige Sachen. — Just soll sie in Empfang nehmen, wenn er
Ihnen die Rechnung bezahlt hat.----------Der Wirt. Wahrhaftig, ich erschrak
recht,
als ich
das Beutelchen sand. — Ich habe immer Jhro Gnaden für einen ordentlichen und vorsichtigen Mann gehalten, der
sich niemals ganz ausgiebt.---------- Aber dennoch,-------------
wenn ich bar Geld in dem Schreibepulte vermutet hätte--------v. TeUheim.
Würden Sie höflicher mit mir verfahren
7
Auftritt 4.
Ich verstehe Sie. — Gehen Sie nur, mein Herr;
sein.
lasten
Sie
ich
mich;
habe
mit
meinem
Bedienten
zu
sprechen. — — Der Wirt. Aber gnädiger Herr — —
der Herr
v. TeUheim. Komm Just,
will
lauben, daß ich dir in seinem Hause sage, sollst.----------Der Wirt.
Ich gehe ja schon,
nicht er
was du thun
gnädiger Herr! —
Mein ganzes Haus ist zu Ihren Diensten.
Dierter Austritt.
v. TeUheim. Just. I U st (der mit dem Au-e stampft, und dem Wirte nachspuckt.) Psui!
Was giebt's?
o. Tel!heim.
Lust.
Ich ersticke vor Bosheit.
v. Tellheim. Das wäre so viel, als an Bollblütigkeit. Lust.
Herr.
Und Sie, — Sie erkenne ich nicht mehr, mein
Ich sterbe vor Ihren Augen, wenn Sie nicht der
Schutzengel dieses hämischen, unbarmherzigen Racker- find! Trotz Galgen
hätte
ich
und
Schwert und Rad
ihn mit diesen Händen
hätte
erdrosseln,
ich
ihn —
mit
diesen
Zähnen zerreißen wollen. — v. TeUheim. Bestie! Lust.
Lieber Bestte, als so ein Mensch!
v. TeUheim. Was willst du aber? Lust.
Ich will,
daß Sie
es empfinden sollm, wie
sehr man Sie beleidiget. v. TeUheim. Und dann?
Lust.
Daß Sie sich rächten, — Nein,
der Kerl ist
Ihnen zu gering. — v. TeUheim. Sondern, daß ich es dir auftrüge, mich
zu rächen?
Das war von
Anfang mein Gedanke.
hätte mich nicht wieder mit Augen sehen,
zahlung aus deinen Händen empfangen sollen.
daß
du eine Hand
Er
und seine Be
Ich weiß,
voll Geld mit einer ziemlich verächt
lichen Miene hinwerfen kannst. —
Zull. So? eine vortreffliche Rache! — v. Teilheim. Aber die wir noch verschieben müffen. Ich habe keinen Heller bares Geld mehr;
ich
weiß auch
keines aufzutreiben. Zu st.
Kein bares Geld? Und was ist denn das für
ein Beutel mit fünfhundert Thaler Louisdor, den der Wirt in Ihrem Schreibepulte gefunden?
v. Tellheim. Das ist Geld, welches mir auszuheben gegeben worden. Zu st. Doch nicht die hundert Pistolen, die Ihnen Ihr alter Wachtmeister vor vier oder fünf Wochen brachte? v. Tellheim.
Warum nicht? Lust. Diese Herr,
Die nämlichen,
von Paul Wernern.
haben Sie noch nicht gebraucht?
mit diesen können Sie machen,
Mein
was Sie wollen.
Aus meine Verantwortung — v. Tellheim.
Wahrhaftig?
Zu st. Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ihren
Forderungen an die Generattriegskaffe aufzieht. Er hörte — v. Tellheim. Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon wäre. — Ich bin dir sehr verbunden, Just. — Und diese Nachricht vermochte Wer nern, fein bißchen Armut mit mir zu
mir doch lieb,
daß
mache mir zugleich
ich
auch
teilen. — Es
ist
es erraten habe. — Höre Just,
deine Rechnung:
wir
sind ge
schiedene Leute. — — Zust.
Wie? was?
v. Tellheim. Kein Wort mehr; es kömmt jemand. —
9
Auftritt 6. 6.
Muster Austritt. Eiue Dame
Ich
Wen suchen Sie, Madame? — Eben den würdigen Mann, mit welchem
Die Dame. ich die Ehre
Just.
Ich bitte um Verzeihung, mein Herr! —
Vie Dame.
v. Tellheim.
mehr?
v. Tellheim.
in Trauer,
habe
bin
Sie
zu sprechen.
kennen
mich
nicht
die Witwe Ihres ehemaligen Stabsritt
meisters — v. Tellheim. Um des Himmels willen, gnädige Frau!
welche Veränderung! — Ich
DU Dame.
stehe von
aus,
dem Krankenbette
auf das mich der Schmerz über den Verlust meines Mannes warf.
Major.
Ich
Ihnen früh
muß
beschwerlich
fallen,
Herr
Ich reise auf das Land, wo mir eine gutherzige,
aber eben auch nicht glückliche Freundin eine Zuflucht vors erste angeboten. — v. Tellheim (zu Just.)
Geh, laß uns allein. —
Sechster Austritt. Die Dame. v. Tellheim. v. Tellheim.
Reden Sie frei, gnädige Frau!
mir dürfm Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen.
Bor
Kann
ich Ihnen worin dienen? DU Dame. Mein Herr Major — v. Tellheim. Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worin
kann ich Ihnen dienen?
Sie wiffm, Ihr Gemahl
war
mein Freund; mein Freund, sage ich; ich war immer karg
mit diesem Titel.
Vie vame.
Wer weih es bester, als ich,
Eie seiner Freundschaft waren, wie wert war?
wie Wirt
er der Ihrigen
Sie würden sein letzter Gedanke, Ihr Name der
letzte Ton seiner sterbenden Lippen gewesen sein, hätte nicht
die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für seinen un glücklichen Sohn, für seine unglückliche Gattin gefordert —
v. TeUheim.
Hören
Sie
wollte ich mit Ihnen gern; Thränen.
auf,
Verschonen Sie mich!
Madame!
ich
aber
Weinen
habe heute
keine
Sie finden mich in einer
Stunde, wo ich leicht zu verleiten wäre, wider die Vorsicht zu murren. — 0 mein rechtschaffner Marloff!
gnädige Frau,
was
Geschwind,
haben Sie zu befehlen?
Wenn ich
Ihnen zu dienen im stände bin, wenn ich es bin — Die vame. Ich darf nicht abreisen, ohne seinen letzten
Willen zu vollziehen.
Er erinnerte sich kurz vor seinem
Ende, daß er als Ihr Schuldner sterbe, und beschwor mich,
diese Schuld mit der ersten Barschaft zu tilgen.
Ich habe
seine Equipage verkauft, und komme seine Handschrift ein
zulösen. — v. TeUheim. Wie, gnädige Frau? darum kommen Sie?
Vie Vame.
Darum.
Geld auf-ähle. v. TeUheim.
Erlauben Sie,
Nicht doch,
schuldig? das kann schwerlich sein.
Madame!
ich
das
Marloff
mir
daß
Lasten Sie doch sehen,
Ich finde nichts. Die Vame. Sie werden seine Handschrift verlegt haben, und die Handschrift thut nichts zur Sache. — Er (er ziehet fein Taschenbuch heraus und sucht.)
lauben Sie — v. TeUheim. nicht zu verlegen.
Nein,
Madame!
so etwas pflege ich
Wenn ich sie nicht habe, so ist es ein
Beweis, daß ich nie eine gehabt habe,
oder daß sie ge-
ttlgt, und von mir schon zurückgegeben worden.
Vie vame. Herr Major! v. TeUheim. Ganz gewiß, gnädige Frau.
Marloff
11
Austritt 6.
ist mir nichts schuldig nicht zu erinnern, wesen wäre.
mehr
etwas thun
Ich
Nicht anders, Madame;
seinen
als
geblieben.
mich
wüßte
auch
daß er mir jemals etwas schuldig ge
können,
er
hinterlassen.
Schuldner
hat mich viel
Ich
habe
nie
mit einem Manne abzufinden,
mich
der sechs Jahre Glück und Unglück, Ehre und Gefahr mit mir geteilet.
Ich werde es nicht vergessen, daß ein Sohn
von ihm da ist.
Vater sein kann. selbst befinde — Vie Vame.
Er wird mein Sohn sein, sobald ich sein Die Verwirrung,
in der ich mich jetzt
Edelmütiger Mann!
auch von mir nicht zu klein.
Aber denken Sie
Nehmen Sie das Geld, Herr
Major; so bin ich wenigstens beruhiget. —
v. Lellheim. Was brauchen Sie zu Ihrer Beruhigung weiter, als meine Versicherung, daß mir dieses Geld nicht
gehöret?
Oder wollen Sie, daß ich die unerzogene Waise
meines Freundes bestehlen soll?
Bestehlen, Madame; da-
würde es in dem eigentlichsten Verstände sein.
Ihm ge
hört es; für ihn legen Sie es an. — vie Dame. Ich verstehe Sie; verzeihen Sie
nur,
wenn ich noch nicht recht weiß, wie man Wohlthaten an-
nehmen muß.
Woher wissen es denn aber auch Sie, daß
eine Mutter mehr für ihren
Sohn thut, als sie für ihr
eigen Leben thun würde? Ich gehe — v. Lellheim. Gehen Sie, Madame, Reisen Sie glücklich!
Ich
von Ihnen zu geben.
gehen Sie!
bitte Sie nicht, mir Nachricht
Sie möchte mir zu einer Zeit kom
men, wo ich sie nicht nutzen könnte.
Aber noch
eines,
gnädige Frau; bald hätte ich das Wichtigste vergessen. Marloff hat noch an der Kaffe unsers ehemaligen Regi
ments zu fordern. die meinigen.
Seine Forderungen find so richttg, wie
Werden meine bezahlt, so müffen auch die
seinigen bezahlt werden.
Vie Vame.
Ich haste dastr. —
O! mein
Herr —
Aber
ich
schweige
lieber.
— Künftige Wohlthaten so vorbereiten, heißt sie in
Empfangen
den Augen des Himmels schon erwiesen haben. Sie seine Belohnung, und meine Thränen!
(geht ab.)
Siebenter Austritt, v. Tellheim. Armes, braves Weib!
Zch muß nicht vergessen, den
Bettel zu vernichten,
(er nimmt aus seinem Laschenbuche Brief
schaften, die er zerreißt.)
Wer steht mir
dafür,
daß
eigner
Mangel mich nicht einmal verleiten könnte, Gebrauch da
von zu machen?
Achter Austritt. 3iifr ». Tellheim. v. Tellheim.
Bist du da?
Just (indem er sich die Lugen wischt.)
v. Tellheim. Lust.
Ich
schrieben,
und
Ja!
Du hast geweint?
habe
in der Küche
die Küche ist
voll
meine Rechnung Rauch.
Hier
ist
ge sie,
mein Herr! v. Tellheim.
Lust.
Gieb her.
Haben Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr.
Ich weiß wohl, daß die Menschen mit Ihnen keine haben;
aber — v. Tellheim.
Lust.
Was willst du?
Ich hätte mir eher den Tod, als meinen Ab
schied vermutet.
v. Tellheim.
Ich kann dich nicht länger
ich muß mich ohne Bedienten behelfen lernen,
brauchen; (schlägt
die
„Was der Herr Major mir schuldig:
Rechnung auf und liefet.)
„Drei und einen halben Monat Lohn, den Monat 6 Thaler, „macht 21 Thaler. „taten
Seit
1
ausgelegt,
dem ersten dieses an Kleinig-
Thaler
7
Gr.
9
Pf.
Summa
„Summarum, 22 Thaler 7 Gr. 9 Pf." — Gut, und es ist billig,
bezahle. Lust.
daß
ich dir
diesen
lausenden Monat
ganz
Die andere Seite, Herr Major — Noch mehr? (liefet)
v. TeUheim.
„Was dem Herrn
„Major ich schuldig: An den Feldscher für mich bezahlt,
„25 Thaler.
Für Wartung und Pflege, während meiner
„Kur, für mich bezahlt, 39 Thaler. „und
geplünderten Vater
Meinem abgebrannten
auf meine Bitte
„ohne die zwei Beutepferde zu rechnen, „schenkt, 50 Thaler.
die
vorgeschoffen,
er ihm
ge-
Summa Summarum, 114 Thaler.
„Davon abgezogen vorstehende 22 Thlr. 7 Gr. 9 Pf. bleibe
„dem
Herrn Major schuldig, 91 Thlr.
16 Gr. 3 Pf."
— Kerl, du bist toll! — Lust. Ich glaube es gern, daß ich Ihnen weit mehr
koste.
Aber es wäre verlorne Tinte, es dazu zu schreiben.
Ich kann Ihnen das nicht bezahlen,
vollends die Liverei nehmen,
und wenn Sie mir
die ich auch noch nicht ver
dient habe, — so wollte ich lieber,
Sie
hätten mich in
dem Lazarette krepieren lassen. v. Teilheim.
mir nichts schuldig,
Wofür siehst du
mich an?
Du
bist
und ich will dich einem von meinen
Bekannten empfehlen,
bei dem du es bester haben sollst,
als bei mir. Luft. Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie mich verstoßen?
v. Tellhetm. Luft.
Weil ich dir nichts schuldig werden will.
Darum? nur darum? — So gewiß ich Ihnen
schuldig bin, so gewiß Sie mir nichts schuldig werden können,
so gewiß sollen Sie mich nun nicht verstoßen. — Machen
Sie, was Sie wollen, Herr Major; ich bleibe bei Ihnen;
ich muß bei Ihnen bleiben. v. TeUheim.
—
deine Hartnäckigkeit,
Und
dein Trotz,
dein wildes ungestümes Wesen gegen alle, von denen du
meinest, daß sie dir nichts zu sagen haben, deine tückische Schadenfreude, deine Rachsucht —
—
Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen;
Lust.
ich will darum doch nicht schlechter von
von
meinem
Hunde.
dem Kanale,
Dämmerung an
Winter
Vorigen
und
mir
denken,
als
in
der
ich
ging
etwas winseln.
hörte
Ich stieg herab, und griff nach der Stimme, und glaubte
ein Kind zu retten, und zog einen Pudel aus dem Waffer. Auch gut;
dachte ich.
Der Pudel kam mir
ich bin kein Liebhaber von Pudeln.
nach;
Ich jagte
umsonst; ich prügelte ihn von mir, umsonst.
aber
ihn
fort,
Ich ließ ihn
des Nachts nicht in meine Kammer; er blieb vor der Thür
aus der Schwelle.
Wo er mir zu nahe kam, stieß ich ihn
mit dem Fuße; er schrie, sahe mich an, und wedelte mit
dem
Schwänze.
Noch
hat
er
keinen
Biffen
Brot
aus
meiner Hand bekommen; und doch bin ich der einzige, dem Er springt vor mir
er hört, und der ihn anrühren darf.
her und macht mir
seine Künste unbesohlen vor.
Es ist
ein häßlicher Pudel, aber ein gar zu guter Hund. er es länger treibt, so höre ich endlich
auf,
Wenn
den Pudeln
gram zu sein. v. Tellhetm (beiseite.) So wie ich ihm! Nein, es giebt
keine
völlige
Unmenschen!
—
—
Just,
wir
bleiben
beisammen. Lust.
Ganz
dienten behelfen?
gewiß! — Sie Sie
vergeffen
wollten Ihrer
daß Sie nur eines Armes mächttg sind.
ja nicht
allein
ankleiden.
Ich
sich
ohne Be
Bleffuren,
und
Sie können sich
bin Ihnen unentbehrlich;
und bin,-----------ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major — und bin ein Bedienter, der — wenn das Schlimmste
15
Austritt 9.
ZUM schlimmen kömmt, — für seinen Herrn betteln und stehlen kann. v. TeUheim.
Tust.
Just, wir bleiben nicht beisammen.
Schon gut!
Neunter Austritt.
Ein Bedienter, v. Tellheim. Just. Der bediente. Bst! Kamerad! Tust. Was giebt's? Kann Er mir nicht den Offizier nach
Der Dedtente.
weisen, der gestern noch in diesem Zimmer
(auf eines an der
gewohnt hat? Das dürste ich leicht können. Was bringt Er
Seite zeigend, von welcher er hert-mutt.)
Lust.
ihm? Der Dediente.
nichts bringen;
Was wir immer bringen, wenn wir
ein Kompliment.
Meine Herrschaft
hört,
daß er durch fie verdrängt worden. Meine Herrschaft weiß zu leben, und ich soll ihn desfalls um Verzeihung 'bitten. Lust.
Nun so bitte Er ihn um Verzeihung: da steht er.
Was ist er?
Der Bediente.
v. Tellheim.
Wie nennt man ihn?
Mein Freund, ich habe Euern Auftrag
schon gehört. Es ist eine überflüsfige Höflichkeit von Eurer Herrschaft, die ich erkenne, wie ich soll. Macht ihr meinen
Empsehl. — Wie heißt Eure Herrschaft? — Der Bediente. Wie fie heißt? Sie läßt fich gnä
diges Fräulein heißen.
v. Tellheim. Und ihr Famllienname? Der Bediente. Den habe ich noch nicht gehört, und
danach
zu fragen ist meine Sache nicht.
so ein,
daß ich meistenteils aller sechs Wochen eine neue
Herrschaft habe.
Ich richte mich
Der Henker behalte alle ihre Namen! —
Lust.
Bravo, Kamerad!
Zu dieser bin ich erst vor wenigen
Der Dedteute.
Tagen in Dresden gekommen. ihren Bräutigam. — v. TeUheim. Genug,
Sie sucht, glaube ich, hier
mein Freund.
Den Namen
Eurer Herrschaft wollte ich wiffen; aber nicht ihre Geheim nisse.
Geht nur!
Der Dediente.
Kamerad,
das wäre kein Herr für
mich!
Zehnter Austritt.
v. Tellheinu Just. v. TeUheim.
Mache, Just,
diesem Hause kommen!
mache,
daß wir aus
Die Höflichkeit der ftemden Dame
ist mir empfindlicher als die Grobheü des Wirts.
Hier,
nimm diesen Ring; die einzige Kostbarkeit, die mir übrig ist; von der ich nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch
zu machen! — Versetze ihn! laß dir achtzig Friedrichsdor darauf- geben; die Rechnung des Wirts kann keine dreißig
betragen.
Bezahle ihn, und räume meine Sachen — Ja,
wohin? — Wohin du willst. Der wohlfeilste Gasthof der beste. Du sollst mich hier neben an auf dem Kaffeehause
treffen. Lust.
Ich gehe, mache deine Sache gut. —
Sorgen Sie nicht, Herr Major! —
v. TeUheim (Ommt wieder zurück.) Dor allen Dingen, daß meine Pistolen, die hinter dem Bette gehangen, nicht vergessen werden. Lust. Ich will nichts vergessen.
v. TeUheim
(kömmt nochmals zurück.)
Noch eins: nimm
mir auch deinen Pudel mit; hörst du, Just! —
17
Austritt 11. 12.
Elfter Austritt. S«ft. Der Pudel wird nicht zurückbleiben.
laß ich
Dafür
den Pudel sorgen. —
Hm!auch den kostbaren Ring hat
der Herr noch gehabt?
Undtrug chn
in der Tasche, an
statt am Finger? — Guter Wirt, wir find so kahl noch nicht,
als wir scheinen.
Bei
chm, bei
versetzen, schönes Ringelchen!
du
selbst will ich dich
ihm
er ärgert fich, daß
Ich weiß,
in seinem Hause nicht ganz
sollst
werden!
verzehrt
- Ah -
Zwölfter Austritt.
P««l Werner. Aust. Sieh da, Werner! guten Tag, Werner! »Ul-
Last.
kommen in der Stadt! Werner. Da» verwünschte Dorf!
möglich wieder gewohnt werden.
Ich
kann's un
Luftig, Ämter,
lustig;
ich bringt frisches Geld! Wo ist der Major?
Er muß dir begegnet sein;
Just.
er ging
eben die
Treppe herab. Werner. Ich komme die Hintertreppe herauf. Run wie geht'S ihm? Ich wäre schon vorige Woche tei euch
gewesen, aber — Just.
Run? was hat dich abgehalten? —
Werner. — Just, —
Heraklius gehört? Just. HerakliuS? Werner.
hast
du von de« Prinzen
Ich wüßte nicht.
Rennst du den großen Helden im Morgen-
land« nicht? Lessing, Minna von Barnhelm.
2
Just.
Die
Weisen
aus dem Morgenlande
ich
kenn'
wohl, die ums Neujahr mit dem Sterne herumlausen.----------
Vverner.
die Zeitungen,
Mensch, ich glaube, du liesest ebensowenig als die Bibel- — Du kennst den Prinz
Heraklius nicht? den braven Mann nicht, der Persien weggenommen, und nächster Tage die ottomanische Pforte ein sprengen wird?
Gott sei Dank,
in der Welt Krieg
ist!
Ich
es sollte hier wieder losgehen.
jemand behorcht.)
lange
Aber
genug
da fitzen
gehofft, und
fie,
Nein, Soldat war ich, Soldat muß
hellen sich die Haut. ich wieder sein !
daß doch noch irgendwo
habe
Kurz, — (indem er sich schüchtern umsteht, ob ihn
im
Vertrauen,
ich wandere
Just;
Perfien, um unter Sr. Königlichen Hoheit,
nach
dem Prinzen
Heraklius, ein paar Feldzüge wider den Türken zu machen. Lust.
Du?
Verner.
Ich, wie du mich hier fiehst!
fahren zogen fleißig wider den Türken;
und
Unsere Vor das
sollten
wir noch thun, wenn wir ehrliche Kerls und gute Christen
wären.
Frellich begreife ich wohl, daß ein Feldzug wider
den Türken nicht halb so lustig sein kann, als einer wider den Franzosen;
licher sein,
aber dafür muß er auch
desto
in diesem und in jenem Leben.
verdienst
Die Türken
haben dir alle Säbels, mit Diamanten besetzt — Lust.
Um mir von so einem Säbel den Kopf spalten
zu lassen, reise ich nicht eine Meile.
Du wirft doch nicht
toll sein, und dein schönes Schulzengerichte verlassen? — Verner.
O,
das
nehme
ich
mit! — Merkst
du
was? — Das Gütchen ist verkauft —
Lust.
Verkauft?
Verner. ich
gestern
St!
— hier find
hundert Dukaten,
auf den Kaus bekommen;
die
die bring' ich dem
Major — Lust.
Und was soll der damit?
Verner.
Was er damit soll?
Verzehren soll er fie;
verspielen,
vertrinken,
Der Mann
ver — wie er will.
muß Geld haben, und es ist schlecht genug, daß man ihm
das Seinige so sauer macht! wenn ich an
thäte,
ich
Aber ich wüßte schon, was Ich dächte:
seiner Stelle wäre!
hol' euch hier alle der Henker; und ginge mit Paul Wernern
nach ja
Persien!
wohl
— Blitz!
—
der Prinz
Heraklius
muß
haben ;
wenn
dem Major Tellheim gehört
von
er auch schon seinen gewesenen Wachtmeister, Paul Wernern, nicht kennt.
Lust.
Unsere Affaire bei den Katzenhäusern —
Soll ich dir die erzählen? —
Du mir? — Ich merke wohl,
Werner.
schöne Disposition
über deinen Berstand
geht.
daß eine
meine Perlen nicht vor die Säue werfen. — Da
die hundert Dukaten; er soll mir auch
Martt;
ich
gieb sie dem Major.
die aufheben.
habe
zwei
Wmspel
Ich
muß
Roggen
will
Ich
nimm
Sage
jetzt
herein
auf
ihm: den
geschickt;
was ich daraus löse, kann er gleichfalls haben. — Lust.
Werner, du meinest es herzlich gut; aber wir
mögen dein Geld nicht.
Behalte deine Dukaten, und deine
hundert Pistolen kannst du auch unversehrt wieder bekommen,
sobald als du willst. —
Werner. Lust.
Werner. Lust.
Hat er sich wo welches geborgt?
Nein.
Werner.
Lust.
So? hat denn der Major noch Geld?
Nein.
Und wovon lebt ihr denn?
Wir laffen anschreiben,
und
wenn man nicht
mehr anschreiben will, und uns zum Hause herauswirst, so versetzen wir, was wir noch haben, und ziehen weiter. —
Höre nur, Paul; dem Wirte hier müffen wir einen Posten spielen.
Werner.
Hat er dem Major was in den Weg ge
legt? — Ich bin dabei! — Lust.
Wie wär's, wenn wir ihm des Abends, wenn
er aus der Tabagie kömmt, aufpaßten, und ihn brav durch-
prügelten? — Werner.
DeS Abends? — aufpaßten? — ihrer
zwei, einem? — Das ist nichts. — Just. Oder, wenn wir ihm da- Haus über dem Kopf
anfteckten? — Werner. Sengen und Brennen? — Kerl, man hört's,
daß du Packknecht gewesen bist, und nicht Soldat; — pfui!
Just.
Oder,
wenn wir ihm
seine Tochter zur Hure
machten? Sie ist zwar verdammt häßlich — Werner. O, da wird fie'S lange schon sein!
allenfalls brauchst du auch hier-« keinen Gehilfen. waS haft du denn? Was giebt's denn?
Und
Aber
Just. Komm nur, du sollst dein Wunder hören! Werner. So ist der Teufel wohl hier gar los?
Just.
Jawohl; komm nur!
Werner.
Desto
bester!
Rach Persien
Persien! Ende de- ersten Luszugs.
also,
nach
Zweiter Aufzug. «rster Austritt. Miuu« »»« Barutzel«. AroeiSk«. (bie Scene ist in dem Zimmer des Fräuleins.) Cas Fräulein (in N«-u-e, nach ihr« Uhr ich«»».) Franciska,
mir finb
auch sehr früh
aufgeftanben.
Sie Zeit
wirb unS lang werben. FranrleKa.
Wer tarnt in ben verzweifelten gwßen
Städten schlafen? Die Uarvffen, bie Nachtwächter, bie Trommeln, bie Katzen, bie Korporals — das hört nicht auf
zu raffeln,
M schreien, zu wirbeln, M mauen,
zu
fluchen; gerade als ob bie Nacht zu nichts weniger wäte, als zur Ruhe. — Eine Taffe Thee, gnädiges Fräulein? —
Das
Fräulein. Der Thee schmeckt test nicht. — Francisko. Ich will von unserer Schokolade machen lasten. Las Fräulein.
Francisko.
Laß machen, für dich!
Für mich?
Ich wollt« ebenso
gern
für mich allein plaudern, als für mich allein trinken. — Freilich wird uns die Zeit so lang werden. — Wir «erden, vor langer Welle, uns putzen wüsten, und da- Kleid »er
suchen,
in welchem wir den ersten Sturm
geben wollen.
Vas Fräulein. ich
bloß
fordern? Franciska. trieben,
lasten;
Was redest du von Stürmen,
da
Kapitulation
zu
die
herkomme,
Haltung
der
Und der Herr Offizier,
und dem wir das Kompliment
er
muß auch nicht die
wir ver
den
darüber
machen
feinste Lebensart
haben-
sonst hätte er wohl um die Ehre können bitten lasten, unS seine Aufwartung machen zu dürfen. —
v as Fräulein.
Die Wahrheit zu
Es find nicht alle Offiziere Tellheims.
sagen, ich
ließ ihm
das Kompliment
auch bloß machen, um Gelegenheit zu haben,
mich nach
diesem bei chm zu erkundigen. — Franciska, mein Herz sagt es mir, daß meine Reise glücklich sein wird, daß ich ihn finden werde. — Franciska. Das Herz, traue
doch
ja seinem
redet uns gewalttg
Herzen
gern nach
gnädiges Fräulein?
Man
nicht zu viel.
Das Herz
dem Maule.
Wenn das
Maul eben so geneigt wäre, nach dem Herzen zu reden, so wäre die Mode längst aufgekommen, die Mäuler unterm Schlöffe zu ttagen. Vas Fräulein. Ha! ha! mit deinen Mäulern unterm
Schlöffe! Die Mode wäre mir eben recht! Franciska. Lieber die schönsten Zähne nicht gezeigt^ als alle Augenblicke das Herz darüber springen laffen!
Das Fräulein.
Was? bist du so zurückhaltend? —
Franciska. Nein, gnädiges Fräulein; sondern ich wollte es gern mehr sein. Man spricht selten von der
Tugend, die man hat; aber desto öftrer von der, die uns fehlt. Vas Fräulein.
Siehst du, Franciska? da hast du
eine sehr gute Anmerkung gemacht. —
Franciska.
Gemacht? macht man das, was einem
so einsällt? — Vas Fräulein.
Und weißt du, warum ich eigentlich
diese Anmerkung so gut finde?
Sie hat viele Beziehung
aus meinen Tellheim. Was hätte
FrancisKa.
bei Ihnen nicht auch Be
ziehung auf ihn?
Vas Fräulein.
Freund und Feind sagen, daß er
der tapferste Mann von der Welt ist. von Tapferkeit jemals reden
schaffenste Herz,
Aber wer hat ihn
hören?
hat
Er
und
aber Rechtschaffenheit
das recht
Edelmut find
Worte, die er nie aus die Zunge bringt. FrancisKa.
Bon
was
für
Tugenden
spricht
er
denn? Er spricht von
Vas Fraulein.
keiner;
denn
ihm
fehlt keine. FrancisKa.
Er
Das wollte ich nur hören.
Warte, Franciska; ich befinne mich. von Ökonomie. Im Vertrauen,
Vas Fräulein. spricht sehr oft
Franciska; ich glaube, der Mann ist ein Berschwender. Franciska.
Noch
eins,
gnädige-
Fräulein.
Ich
habe ihn auch sehr oft der Treue und Beständigkeit gegen Sie
erwähnen
hören.
Wie,
wenn
der
Herr
auch
ein
Flattergeist wäre? Vas Fräulein.
Du Unglückliche! — Aber meinest
du das im Ernste, Franciska?
Franciska.
lange
Wie
er Ihnen
hat
nun
schon
nicht geschrieben?
Vas Fräulein.
Ach! feit dem Frieden hat er mir
nur ein einzigesmal geschrieben.
Franciska. Wunderbar!
Auch ein Seufzer
der Friede
sollte
wider den Frieden!
nur daS Böse wieder gut
machen, daS der Krieg gestiftet, und er zerrüttet auch das Gute, hat.
was dieser
sein Gegenpart
etwa
noch
veranlaflet
Der Friede sollte so eigenfinnig nicht sein! — Und
wie lange haben wir schon Friede?
gewaltig lang,
wenn es so
Die Zeit wird einem
wenig Neuigkeiten giebt. —
Umsonst gehen die Poften wieder richtig; niemand schreibt; denn niemand hat was -u schreiben. Das Fräulein.
Es ist Friede, schrieb er mir, und
ich nähere mich der Erfüllung' «einer Wünsche.
Aber, daß
er mir dieses nur einmal, nur ein einzigesmal geschrieben — Fraueirka.
Daß er uns zwingt,
dieser Erfüllung
der Wünsche selbst entgegen -u eilen: finden wir chn nur; da- soll er uns entgelten! — Wenn indes der Mann
doch Wünsche ttfüHt hätte, und wir erführen hier — Das Fräulein Franciska.
(iwgstttch und hitzig.)
Für Sie,
Daß er tot wäre?
gnädiges Fräulein;
Armen einer andern. — Das Fräulein. Du Quälgeist!
in den
Warte, Franciska,
er soll dir es gedenken! — Doch schwatze nur; sonst schlafen wir wieder ein. — Sein Regiment ward nach dem Frieden zerriffen.
Wer weiß, in welche Berwirrung von Rechnungen
und Nachweisungen er dadurch geraten? Wer weiß, -u welchem andem Regimente, in welche entlegne Provinz er
versetzt worden?
Wer weiß, welche Umstände — Es pocht
jemand. Franciska.
Herein!
Zwetter Auftritt. Der Wirt. Die Bsrige«. Der Wirt
(den «opf voransteckend.)
Ist es erlaubt, meine
gnädige Herrschaft? — Franciska. Unser Herr Wirt? —Nur vollends herein. Der Wirt
(mit einer Feder hinter dem Ohre, ein Blatt Papier
und Schreibzeug in der -and.)
Ich
komme, gnädiges Fräulein,
Ihnen einen unterthänigen guten Morgen zu wünschen, — (zur Franci-ka.)
und auch Ihr, mein schönes Kind, —
Franciska.
Ein höflicher Mann!
Das Fräulein. Franciska.
Wir bedanken uns.
Und wünschen Ihm auch
einen guten
Morgen.
Der Wirt.
Darf ich mich unterstehen zu fragen, wie
Ihrs Gnaden die erste Nacht unter meinem schlechten Dache geruhet? — Franciska.
schlecht nicht,
Das Dach ist so
Herr
Wirt; aber die Betten hätten bester sein können. Der Wirt.
Was
höre
ich?
Richt
geruht?
wohl
Bielleicht, daß die gar zu große Ermüdung von der Reise — Das Fräulein. Der Wirt.
Es kann sein.
Gewiß,
gewiß!
denn
sonst
—
Indes
sollte etwas nicht vollkommen nach Jhro Gnaden Bequem lichkeit
gewesen fein-,
so
geruhen Jhro
Gnaden
nur
zu
befehlen.
Franciska.
nicht blöde; blöde sein.
und
Gut, Herr Wirt,
am
wenigsten
muß
gut! Wir find auch
«an
in Gasthofe
Wir wollen schon sagen, wie wir es gern hättm.
Der Wirt.
Hiernächst komme ich zugleich —
(indem
er die Feder hinter de« Ohr hervorzieht.)
Fra«ri,Ka. Ott Wtrt
Run? —
Ohne Zweifel kennen Jhro Gnaden schon
die weise» Verordnungen unserer Polizei. —
Das FrSulet». Der Wirt
Richt in geringsten, Herr Wirt —
Wir Wirte find angewiesen, keinen Frem
den, weS Standes und Geschlecht» er auch sei,
»ierund-
zwanzig Stunde« zu behausen, ohne seine« Ramen, Heimat, Charakter, hiesige Geschäfte, vermutlich« Dauer de» Aufent
halt», und so Wetter, gehörigen Ort» schriftlich «inzureichen. Das FtLnletn.
Dtr Witt
Sehr wohl.
Jhro Gnaden
werden also
sich gefallen
lasten — (tnbem er an einen Lisch tritt, und sich fertig »acht, ,u schreiben.)
Vas FrLuLeiu. Sehr gern. — Ich heiße — ver Wirt. Gnen kleinen Augenblick Geduld! — (er
„Dato, den 22. August a. c. allhier zu« Könige „von Spanien angelangt" — Nun Dero Namen, gnädiges
schreibt.)
Fräulein? Vas Fräulet«.
Das Fräulein von Barnhelm.
ver Wirt (schreibt.) „von Barnhelm" — Kommend?
woher, gnädiges Fräulein? Vas Fräulein.
Bon »einen Gütern aus Sachsen.
ver Wirt (schreibt.) „Gütern aus Sachsen" — Aus
Sachsen!
Ei, ei, aus Sachsen,
gnädiges Fräulein? aus
Sachsen? Frauciska.
Nun? warum nicht? Es ist doch wohl
hier zu Lande keine Sünde, aus Sachsen zu sein? ver Wirt. Eine Sünde? behütet das wäre ja eine ganz neue Sünde! — Aus Sachsen also? Ei, ei! aus Sachsen! das liebe Sachsen! — Aber wo mir recht ist, gnädiges Fräulein, Sachsen ist nicht klein, und hat mehrere,
— wie soll ich es nennen? — Distrikte, Provinzen. —
Unsere Polizei ist sehr exakt, gnädiges Fräulein. — Vas Fräulein. Ich verstehe: von meinen Gütern aus Thüringen also. ver Wirt. Aus Thüringen! Ja, das ist bester, gnä diges Fräulein, das ist genauer. — (schreibt und liest.)
„Fräulein
von
Barnhelm,
kommend von
„aus Thüringen, nebst einer Kammerfrau
„ dienten" — Franciska.
ihren
„Das Gütern
und zwei Be-
Einer Kammerfrau? das soll ich wohl
sein?
ver Wirt. Franriska.
Ja, mein schönes Kind. — Nun, Herr Wirt, so setzen Sie anstatt
Kammerftau, Kammerjungser. — Ich höre, die Polizei ist
sehr exatt;
es möchte ein Mißverständnis geben,
welches
mir bei meinem Aufgebote einmal Händel machen könnte.
Denn ich bin wirklich noch Jungfer und heiße Franciska; mit dem Geschlechtsnamen Willig; Franciska Willig. bin auch aus Thüringen.
Mein Vater
einem von den Gütern des gnädigen Fräuleins.
klein Rammsdorf.
Ich
war Müller auf
Es heißt
Tie Mühle hat jetzt mein Bruder.
Ich
kam sehr jung auf den Hof, und ward mit dem gnädigen
Wir find
Fräulein
erzogen.
Lichtmeß
einundzwanzig
von
Jahr.
einem Alter;
Ich habe
was das gnädige Fräulein gelernt hat.
künftige
alles gelernt,
Es soll mir lieb
sein, wenn mich die Polizei recht kennt.
Der Wirt. mir auf
Gut, mein schönes Kind;
weitere Nachftage
merken
—
das wM ich
Aber nunmehr,
gnädige- Fräulein, Dero Verrichtungen allhier? —
Vas Fräulein. Meine Verrichtungen? Der Wirt. Suchen Jhro Gnaden etwas
bei
des
Königs Majestät?
Das Fräulein.
Ver Wirt.
O, nein!
Oder bei unsern
hoben JuftizkollegiiS?
Vas Fräulein. Auch nicht. Ver Wirt. Oder —
Vas Fräulein.
Nein, nein.
Ich bin lediglich in
meinen eigenen Angelegenheiten hier. Der Wirt.
Ganz wohl, gnädiges Fräulein; aber wie
nennen fich diese eigne Angelegenheiten? Vas Fräulein. Sie nennen fich — Franciska, ich
glaube, wir werden vernommen. Franciska. Herr Wirt, die Polizei wird doch nicht
die Geheimnisse eines Frauenzimmer- zu wissen verlangen? Ver Wirt. Allerdings, mein schöne- Kind: die Polizei will alles, alle- wissen; und besonder- Geheimnisse.
Franciska. -u thun? — So
Ja nun, gnädige- Fräulein;
was ist
hören Sie nur, Herr Wirt; — aber
daß es ja unter uns und der Polizei bleibt! — Vas Fräulein. Was wird ihm die Närrin sagen?
Wir kommen, dem Könige einen Offizier
Franctska. wegzukapern — Oer Wirt
Wie? waS?
kaffen.
Mein Kind! mein Kind! —
Oder uns von dem Offiziere kapern -u
Franriska.
Beides ist eins.
FranciSka, bist du toll? — Herr
Das Fräulein.
Wirt, die Naseweise hat Eie -um besten. — Der tvirt.
Ich will nicht hoffen!
Zwar mit meiner
Wenigkeit kann fie scherzen so viel wie fie will;
nur mit
einer hohen Polizei — Das Fräuleiu. Wissen Sie waS, Herr Wirt? — Ich weiß
mich
in
dieser Sache nicht zu
nehmen.
Ich
dächte, Sie ließen die ganze Schreiberei bis aus die An kunft meines Oheims.
Ich habe Ihnen schon gestern gesagt,
warum er nicht mit mir zugleich angekommen. Er ver unglückte, zwei Müllen von hier, mit seinem Wagen; und
wollte durchaus nicht, mehr kosten
daß mich dieser Zufall eine Nacht
Ich mußte
sollte.
also
voran.
vierundzwanzig Stunden nach mir eintrifft,
Wenn er
so ist es das
längste. Der Wirt
Nun ja, gnädige- Fräulein,
so wollen
wir ihn erwarten. Vas Fräulein. antworten können.
Er wird auf Ihre Fragen beffer
8r wird wiffen, wem,
er fich zu entdecken hat;
was
er
und wie weit
von seinen Geschäften
anzeigen muß, und was er davon verschweigen darf. Der Wirt Desto beffer! Freilich, ftellich kann man
von einem jungen Mädchen
(ble Franeisra mit einer bedeutenden
nicht verlangen, daß es eine ernsthafte Sache, mit ernsthaften Leuten, ernsthaft traktiere —
Miene ansehend.)
Vas Fräulein.
Und die Zimmer für ihn find doch
in Bereitschaft, Herr Wirt? Der Wirt Völlig, gnädiges Fräulein,
auf das eine —
völlig;
bis
29
Auftritt 2.
Aus dem Sie vielleicht auch noch erst
Franciska.
einen ehrlichen Mann vertreiben muffen?
Der Wirt
Tie Kammerjungfern aus Sachfen, gnä
diges Fräulein, sind wohl sehr mitleidig. —
Das Fräulein.
Doch, Herr Wirt; das haben Sie
Lieber hätten Sie uns nicht einnehmen
nicht gut gemacht.
sollen. Der Wirt.
Wieso, gnädiges Fräulein, wieso?
Das Fräulein.
Ich höre, daß der Offizier, welcher
durch uns verdrängt worden —
Der Wirt.
Ja nur ein abgedantter Offizier ist, gnä
diges Fräulein. — Das Fräulein. Der Wirt.
Wenn schon!
—
Mit dem es zu Ende geht. —
8s soll ein sehr
Desto schlimmer!
Das Fräulein. verdienter Mann sein.
Der Wirt.
Ich sage Ihnen ja, daß er abgedantt ist.
kann
Der König
Das Fräulein.
alle
nicht
ver
diente Männer kennen. Der Wirt.
O gewiß,
kennt
er
er kennt fie
fie,
alle. — Das Fräulein.
Der Wirt.
gelebt hätten.
So kann er fie nicht alle belohnen.
Sie wären alle belohnt, wenn fie danach Aber
so lebten die Herren
Krieges, als ob ewig Krieg bleiben
während
des
würde;
al- ob das
Dein und Mein ewig ausgehobm sein würde.
Jetzt liegen
alle Wirtshäuser und-Gasthöfe von chnen voll;
Witt hat sich wohl mit ihnen in bin mit diesem noch
acht
zu
und
nehmen.
so ziemlich weggekommen.
ein
Ich
Hatte er
gleich kein Geld mehr, so hatte er doch noch Gelbe-wert; und zwei,
drei Monate hätte
können fitzen lassen.
ich ihn frellich
noch
ruhig
Doch besser ist besser. — Apropos,
gnädiges Fräulein; Sie verstehen sich doch aus Juwelen? —
Das Fräulein.
Richt sonderlich.
Der Wirt
Was
sollten
Jhro
Gnaden
nicht?
—
Ich muß Ihnen einen Ring -eigen, einen kostbaren Ring. Zwar gnädiges Fräulein haben da auch einen sehr schönen
am Finger, und jemehr ich ihn betrachte, jemehr muß ich «ich wundern, daß er dem meinigen so ähnlich ist. — O! sehen Sie doch, sehen Sie doch! (tubot er ih» au- dem Futteral herausnimmt, und dem KrLulein -ureicht.)
Welch ein Feuer!
der mittelste Brillant allein wiegt über fünf Karat. Das Fräulein (ihn betrachtend.) Wo bin ich? was seh' ich?
Meser Ring —
Der Wirt
Ist seine fünfzehnhundert Thaler unter
Brüdern wert. Das Fräulein.
Der Wirt
Franciska! — Sieh doch!
—
Ich habe mich auch nicht einen Augen
blick bedacht, achtzig Pistolen darauf zu leihm. Das Fräulein.
Franciska.
Erkennst du ihn nicht, Franciska?
Der nämliche! — Herr Wirt, wo haben
Sie diesen Ring her? —
Der Wirt
Run, mein Kind?
kein Recht daran? Franciska.
Sie hat doch wohl
Wir kein Recht an diesem Ringe? —
Inwärts auf dem Kasten muß des Fräuleins
verzogener
Rmne stehn. — Weisen Sie doch, Fräulein. Vas Fräulein. Er ist'-, er ift'S! — Wie kommen
Sie zu diesem Ringe, Herr Wirt? Der Wirt Ich? auf die ehrlichste Weise von der Welt. — Gnädige- Fräulein, gnädiges Fräulein, Sie
werden mich nicht in Schaden und Unglück bringen wollen?
WaS weiß ich, wo
sich
der Ring
eigentlich
herschreibt?
Während des Krieges hat manches seinen Herm sehr oft, »it
und ohne Borbewußt
Krieg war Krieg.
de-
Herm,
verändert.
Und
ES werden mehr Ringe aus Sachsen
über die Grenze gegangen sein. — Geben Sie mir ihn
wieder, gnädiges Fräulein, geben Sie mir ihn wieder!
31
luftritt 2.
Franciska.
Lie ihn? Der Wirt.
geantwortet:
Erst
einem
Von
nicht zutrauen kann;
von
Manne,
einem
von
wem
dem ich
haben
so was
sonst guten Manne —
Das Fräulein. Von dem besten Manne unter der Sonne, wenn Sie ihn von seinem Eigentümer haben. — Geschwind bringen Sie mir den Mann!
Er ist es selbst,
oder wenigstens muß er ihn' kennen. Der Wirt.
FranrisKa. Der Wirt.
Wer denn? wen denn, gnädiges Fräulein?
Hören Sie denn nicht? unsern Major. Major? Recht, er ist Major, der dieses
Zimmer vor Ihnen bewohnt hat, und von de« ich ihn habe. Das Fräulein. Major von Tellheim? Der Wirt.
Von Tellheim; ja!
Das Fräuleiu. Tellheim ist hier?
Ob
Aenne» Sie ihn?
ich ihn kenne?
Er ist hier?
Er, er hat in diesem Zimmer gewohnt?
Er, er hat Ihnen diesen Ring versetzt? Wie kommt der Man« in diese Verlegenheit? Wo ist er? Er ist Ihnen schuldig? — — Franciska, die Schatulle her! Schließ auf! (indem sie Franciela auf
Ihnen schuldig?
bcn risch fetzet und Bffuct.) Was ist er
Wem ist er mehr schuldig?
mir alle seine Schuldner.
Hier ist Geld.
Bringen Sie
Hier find Wechsel.
Alles ist sein! Der Wirt.
Was höre ich?
Das Fräulein.
Do ist er? wo ist er?
Der Wirt. Roch vor einer Stunde war er hier. Das Fräulein. Häßlicher Mann, wie konnten Sie gegen ihn so unfreundlich, so hart, so grausam sein?
Der Wirt. Jhro Gnaden verzeihen — Das Fräulein. Geschwind, schaffen Sie mir ihn zur Stelle. Der Wirt.
Sein Bedienter ist vielleicht noch
hier.
Wollen Jhro Gnaden, daß er ihn aufsuchen soll? Das Fräulein.
Ob ich will? Eilen Sie, laufen Sie;
für diesen Dienst allein will ich es vergeffen, wie schlecht
Sie mit ihm umgegangen find. — Francirka.
Herr
Fix,
Wirt,
hurtig,
fort,
fort!
(stößt ihn -erau».)
Dritter Austritt. D«S Friiulei». Kr««ciSka. Vas Fräulein.
ciska!
nicht,
Nun habe ich chn wieder,
Siehst du, nun habe ich ihn wieder! wo ich vor Freuden bin!
liebe Franäska.
Freue
Aber freilich, warum du?
dich, du mußt dich mit mir freuen.
dich
Fran-
Ich weiß doch
mit,
Doch du sollst
Komm,
Liebe,
ich
will dich beschenken, damit du dich mit mir freuen kannst.
Sprich, FranciSka, was soll ich dir geben?
WaS steht dir
van meinen Sachen an? WaS hättest du gern? Nimm, was du wMft'; aber freue dich nur. Ich sehe wohl, du wirst dir nichts
nehmen.
Warte!
(st- faßt in die Schatulle)
da, liebe FranciSka; (und giebt ihr Geld.) kaufe
dir,
was
Fordere mehr, wenn es nicht zulangt. du gern hättest. Aber freue dich nur mit mir. Es ist so traurig, fich allein zu freuen. Nun, so nimm doch — FranciSka. Ich stehle eS Ihnen, Fräulein; Sie find trunken, von Fröhlichkeit trunken. —
Vas Fräulein.
Mädchen, ich habe einen zänkischen
Rausch, nimm, oder — (sie zwingt ihr das Geld in die Hand.) Und wenn du dich bedankest! — Warte; gut, daß ich daran denke, (sie greift nochmal» in die Schatulle nach Geld.) Das, liebe FranciSka, stecke beiseite; für den ersten blesfierten armen Soldaten, der uns anspricht. —
Auftritt 4. 5.
Nitrier Auftritt. Ter Wirt.
Vas Fräulein.
Ver Wirt
Nun? wird er kommen?
Der widerwärtige, ungeschliffene Kerl!
Vas Fräulein.
ver Wirt
Franciska.
Tas Fräulein.
Wer? Er weigert sich,
Sein Bedienter.
nach
ihm zu gehen.
Franriska. Bringen Sie doch den Schurken her. — Des Majors Bediente kenne ich ja wohl alle. Welcher wäre denn das? Vas Fräulein.
Bringen
Sie
ihn
Wenn er uns sieht, wird er schon gehen,
geschwind
her.
(der »in geht ab.)
Muster Austritt. DaS Fräulein. Vas Fräulein.
warten.
FranciSka.
Ich kann den Augenblick nicht er
Aber, Franciska, du
immer so kalt?
bist noch
Du willst dich noch nicht mit mir freuen?
Franciska. Ich wollte von Herzen gern; wenn nur —
Vas Fräulein. Franciska.
Wenn nur?
Wir haben den Mann wiedergefunden;
aber wie haben wir ihn wiedergesunden? wir von ihm hören,
unglücklich sein.
es
Nach allem, was
ihm übel gehn.
Er muß
Das jammert mich.
Das Fräulein.
umarmen,
muß
Jammert dich? — Laß dich dafür
meine liebste Gespielin!
Das will ich dir nie
vergeffen! — Ich bin nur. verliebt, und du bist gut. —
Messing, Minna von Barnhelm.
3
Sechster Auftritt. Der Wirt. Just. Die Vorigen. ver Wirt Mit genauer Not bring’ ich ihn. Franctska. Ein fremdes Gesicht! Ich kenne ihn nicht. Das Fräutetn. Mein Freund, ist Er bei dem Major von Tellheim? Lust. Ja. Das Fräulein. Wo ist Sein Herr? Lust. Nicht hier. Das Fräulein. Aber Er weiß ihn zu finden? Lust. Ja. Das Fräulein. Will Er ihn nicht geschwind herholen? Tust. Nein. Das Fräulein. Er erweiset mir damit einen Ge fallen. — Tust. Ei! Das Fräulein. Und Seinem Herrn einen Dienst. — Lust. Vielleicht auch nicht. — Das Fräulein. Woher vermutet Er das? Tust. Sie find doch die fremde Herrschaft, Die ihn diesen Morgen fontplimentieren lassen? Das Fräulein. Ja. Lust. So bin ich schon recht. Das Fräulein. Weih Sein Herr meinen Namen? Lust. Nein; aber er kann die allzu höflichen Damen ebensowenig leiden, als die allzu groben Wirte. Der Wirt. Das soll wohl mit auf mich gehn? Lust. Ja. Der Wirt. So laß Er es doch dem gnädigen Fraulein nicht entgelten; und hole Er ihn geschwind her. Das Fräulein (zur Francisra.) Franciska, gieb ihm etwas —
Franciska
(die dem Just Geld in die Hand drücken will.)
Wir verlangen Seine Dienste nicht umsonst. — Luft.
Und ich Ihr Geld nicht ohne Dienste.
Franciska.
Eines für das andere.
Lust. Ich kann nicht. Mein Herr hat mir besohlen, auszuräumen. Das thu' ich jetzt, und daran, bitte ich, mich nicht weiter zu verhindern.
Wenn ich fertig bin, so
will ich es ihm ja wohl sagen, daß er Herkommen kann.
Er
ist nebenan aus dem Kaffeehause; und wenn er da nichts
Besiers
zu
thun
findet,
wird
er
auch
kommen,
wohl
(will fortgehen.)
Franciska.
So warte Er doch. — Das
Fräulein ist des Herm Majors — Schwester.
gnädige
—
Vas Fräulein. Ja, ja, seine Schwester. Luft. Das weiß ich besser, daß der Major keine Schwester hat.
Er hat mich in sechs Monaten zweimal
an seine Famllie nach Kurland geschickt. — Zwar es giebt
mancherlei Schwestern —
Franciska. Luft.
Unverschämter!
Muß man es nicht sein, wenn einen die Leute
sollen gehn lassen ? (g-ht ab.) Franciska. Das ist ein Schlingel! Der Wirt. Ich sagt' es ja. Aber lassen Sie ihn nur!
Weiß ich doch nunmehr, wo sein Herr ist.
Ich will
ihn gleich selbst holen. — Nur, gnädiges Fräulein, bitte
ich unterthänigst, sodann ja mich bei dem Herm Major zu entschuldigen, daß ich so unglücklich gewesen, wider meinen
Willen einen Mann von seinen Verdiensten —
Das Fräulein. Wirt.
Gehen Sie nur geschwind,
Das will ich alles wieder gut machen,
Herr
(der »in geht
, und hierauf) Franciska, lauf ihm nach : er soll ihm meinen
Ramen nicht nennen! (Franciska dem Sirte nach.)
Siebenter Austritt.
Das Fräulein, Das Fräulein.
und hieraus
Franciska.
Ich habe ihn wieder!
— Bin ich
allein? — Ich will nicht umsonst allein sein, cfie faltet die Auch bin ich nicht allein! (und blickt aufwLrt-.)
Hiinde»)
Ein
einziger dankbarer Gedanke gen Himmel ist das vollkommenste
Gebet! Armen.)
— Ich hab' ihn, Ich bin
ich hab' ihn! (mit auSgebreiteten fröhlich!
glücklich! und
Schöpfer lieber
sehen,
(FranciSka Rmmt.)
Bist
als du
ein
wieder
da,
jammert dich? Mich jammert er nicht.
kann
der
Geschöpf!
—
Was
fröhliches
Franciska? —
Er
Unglück ist auch gut. um ihm in
Vielleicht, daß ihm der Himmel alles nahm, mir alles wieder zu geben!
Franciska.
Er
kann
den Augenblick
hier sein —
Sie sind noch in Ihrem Neglige, gnädiges Fräulein.
Wie,
wenn Sie sich geschwind ankleideten?
Das Fräulein.
Geh! ich bitte dich.
Er wird mich
von nun an öfterer so, als geputzt sehen.
Franciska.
O, Sie kennen sich, mein Fräulein.
Das Fräulein (nach einem kurzen Nachdenken.) Wahrhaftig.
Mädchen, du hast es wiederum getroffen. Franciska.
Wenn wir schön sind, sind wir ungeputzt
am schönsten. Das Fräulein.
Müssen
denn schön sein? —
wir
Aber, daß wir uns schön glauben, war vielleicht notwendig.
— Nein, wenn ich ihm, ihm nur schön bin! — Franciska, wenn alle Mädchens so sind, wie ich mich jetzt fühle, so
sind wir — sonderbare Dinger. — Zärtlich und stolz, tugend haft und eitel,
nicht
verstehen.
wollüstig und fromm
Ich verstehe
mich
— Du
wohl
Die Freude macht drehend, wirblicht. —
selbst
wirst mich nicht. —
Fassen Sie sich, mein Fräulein; ich höre
Franciska.
kommen — Vas Fräulein.
Ich sollte ihn ruhig
Mich sasien?
empfangen?
Achter Austritt. Der Wirt.
v. Tellheim. v. Tellheim auf sie
zu.)
Die B-ri-en.
(tritt herein, und indem er sie erblickt, flieht er
Ah! meine Minna!
Das Fräulein
(ihm
—
entgegen
fliehend.)
Ah!
mein
Tellheim! —
o. Teilheim (stutzt auf einmal und tritt wieder zurück.) Ver zeihen Sie, gnädiges Fräulein, — das Fräulein von Barnhelm hier zu finden —
Da« Fräulein.
Kann Ihnen
doch so
gar
uner
wartet nicht fein? — (indem sie ihm näher tritt, und er mehr zurückweicht.) Ich soll Ihnen verzeihen, daß ich Noch Ihre
Minna bin?
Verzeih Ihnen der Himmel, daß ich noch
das Fräulein von Barnhelm bin! —
v. Tellheim.
Gnädiges Fräulein —
(sieht starr auf de»
Wirt und zuckt die Schultern.)
Vas Fräulein
(wird den Wirt gewahr und winkt der Franciska.)
Mein Herr, — v. Tellheim. Wenn wir uns beiderseits nicht irren — Franciska.
Je, Herr Wirt, wen bringen Sie uns
denn da? Geschwind kommen Sie, lasten Sie rechten suchen. Ver Wirt.
Ist es nicht
der rechte?
uns
den
Ei ja doch!
Franciska. 6i nicht doch! Geschwind kommen Sie; ich habe Ihrer Jungfer Tochter noch keinen guten Morgen
gesagt. Der Wirt. zu gehn.)
0! viel Ehre —
(doch
ohne von der Stelle
Franciska
(faßt ihn an.)
Kommen Lie,
wir
wollen
den.Küchenzettel machen. — Lassen Sie sehen, was wir
haben werden — ver Wirt.
Sie sollen haben; vors erste —
Franciska.
Süll, ja stille!
Wenn
das
Fräulein
jetzt schon weiß, was fie zu Mittag speisen soll, so ist es
um ihren Appettt geschehen.
Sie Mir allein sagen,
Kommen Sie, das
müssen
(führt ibn mit Gewalt ab )
Neunter Auftritt.
v. Tellheim. Das Fräulein. o. Tellheim.
Das Fräulein.
Nun? irren wir uns noch?
Daß es der Himmel wollte! — Aber
es giebt nur Eine, und Sie sind es. — Das Fräulein.
Welche Umstände!
Was
wir uns
zu sagen haben, kann jedermann hören. v. Tellheim. Sie hier? Was suchen
Sie
gnädiges Fräulein? Das Fräulein.
(mit offenen
Armen auf ihn zugehend.)
sunden. v. Tellheim
lichen,
einen
Nichts suche ich mehr,
hier,
Alles, was ich suchte, habe ich ge
(zurückweichend.)
Ihrer Liebe
Sie suchten einen glück
würdigen Mann ;
und
finden
nicht
mehr?
— einen Elenden. Das Fräulein.
So lieben Sie mich
— Und lieben eine andere?
v. Tellheim.
Ah!
der hat Sie nie
geliebt, mein
Fräulein, der eine andere nach Ihnen lieben kann.
Das Fräulein.
Sie reißen nur Einen Stachel aus
meiner Seele. — Wenn ich Ihr Herz verloren habe, was liegt daran, ob mich Gleichgültigkeit oder mächtigere Reize
darum gebracht? — Sie lieben mich nicht mehr: und lieben auch keine andere? — Unglücklicher Mann, wenn
Sie gar nichts lieben! — v. Tellheim. Recht,
gnädiges Fraulein;
glückliche muß gar nichts lieben.
der
Un
Er verdient sein Unglück,
wenn er diesen Sieg nicht über sich selbst zu erhalten weiß; wenn er es sich gefallen lasten kann, daß
die, welche er
liebt, an seinem Unglück Anteil nehmen dürfen. — Wie
schwer ist
dieser
Sieg!
—
Seitdem
mir Vernunft
und
Notwendigkeit befehlen, Minna von Barnhelm zu vergeffen: was für Mühe habe ich angewandt! Eben wollte ich anfangen zu hoffen, daß diese Mühe nicht ewig vergebens sein würde: — und Sie erscheinen, mein Fräulein! — Das Fräulein. Versteh' ich Sie recht? — Halten
Sie, mein Herr; laffen Sie sehen, wo wir find, ehe wir
uns weiter verirren! — Wollen Sie mir die einzige Frage beantworten? v. Tellheim.
Jede, mein Fräulein —
Das Fräulein.
Wollen Sie mir auch ohne Wen
dung, ohne Winkelzug antworten?
Mit nichts als einem
trockenen Ja, oder Nein?
v. Tellheim.
Ich will es, — wenn ich kann.
Das Fräulein.
Sie können
es. — Gut. unge
achtet der Mühe, die Sie angewendet, mich zu vergeffen,
— lieben Sie mich noch, Tellheim? v. Tellheim. Mein Fräulein, diese Frage — Das Fräulein.
Sie haben versprochen, mit nichts
als Ja oder Nein zu antworten. v. Tellheim. Und hinzugesetzt: wenn ich kann. Das Fräulein.
Sie können;
Sie
müflen wiffen,
was in Ihrem Herzen vorgeht. — Lieben Sie mich noch,
Tellheim? — Ja, oder Nein. v. Tellheim. Wenn mein Herz —
Das Fräulein.
Ja, oder Nein!
Nun, Ja!
v. TeUheim.
Vas Fräulein. Ja? o. Tellheim. Ja, ja! — Allein — Das Fräulein.
Geduld!
— Sie lieben mich noch:
genug für mich. — In was für einen Ton bin ich mit
Ihnen gefallen!
Ein widriger, melancholischer, ansteckender
Ton. — Ich nehme den meinigen wieder an.
Nun,
—
mein lieber Unglücklicher, Sie lieben mich noch, und haben Ihre Minna noch, und find unglücklich?
Hören Sie dock,
was Ihre Minna für ein eingebildetes, albernes Ding war,
— ist.
Sie ließ, sie läßt sich träumen, Ihr ganzes Glück
sei sie. — Geschwind kramen Sie Ihr Unglück aus.
Sie
mag versuchen, wie viel sie deffen auswiegt. — Nun?
v. Tellheim.
Mein Fräulein, ich bin nicht gewohnt
zu klagen. Das Fräulein.
Ich wüßte auch nicht,
Sehr wohl.
was mir an einem Soldaten, nach dem Prahlen, weniger
Aber es giebt eine gewisse kalte,
gefiele, als das Klagen.
nachlässige
Art, von
seiner
Unglücke zu sprechen — v. Tellheim. Die und geklagt ist. Das Fräulein.
Tapferkeit
im
Grunde
von
und doch
seinem
auch geprahlt
O, mein Rechthaber, so hätten Sie
sich auch gar nicht unglücklich
nennen
sollen.
—
Ganz
geschwiegen, oder ganz mit der Sprache heraus. — Eine
Vernunft, eine Notwendigkeit, die Ihnen mich zu vergessen befiehlt? — Ich bin eine große Liebhaberin von Vernunft,
ich habe sehr viel Ehrerbietung für die Notwendigkeit. — Aber lassen Sie doch hören, wie vernünftig diese Vernunft,
wie notwendig diese Notwendigkeit ist. v. Tellheim. Wohl denn; so hören Sie, mein Fräu lein. — Sie nennen mich Tellheim; der Name trifft ein.
— Aber Sie meinen, ich
sei der Tellheim,
Ihrem Vaterlande gekannt haben;
der
den Sie in
blühende Mann,
voller Ansprüche, voller Ruhmbegierde; der
seines ganzen
Körpers, seiner ganzen Seele mächtig war; vor. dem
die
Schranken der Ehre und des Glückes eröffnet standen; der Ihres Herzens und Ihrer Hand, wenn er schon ihrer noch
nicht würdig war, täglich würdiger ui werden hoffen durste.
— Dieser Tellheim bin ich ebensowenig, — als ich mein Vater
bin.
Beide
gewesen.
sind
—
Ich
bin Tellheim,
der Verabschiedete, der an seiner Ehre Gekränkte, der Krüppel,
der Bettler. — Jenem,
mein Fräulein,
versprachen Sie
sich; wollen Sie diesem Wort halten? — Das klingt sehr tragisch!
Vas Fräulein.
— Doch,
mein Herr, bis ich jenen wieder finde, — in die Tellheims
bin ich nun einmal vernarret, — dieser wird
mir schon
aus der Not helfen müssen. — Deine Hand, lieber Bettler! (indem sie ihn bei der Hand ergreift.)
v. Tellheim (der die andere Hand mit dem Hute vor das Ge sicht schlägt -und sich von ihr abwendet.)
bin ich? — Lassen
Sie
Das ist ZU viel! — Wo
mich, Fräulein!
—
Ihre Güte
foltert mich! — Lassen Sie mich.
Das Fräulein. Was ist Ihnen? wo wollen Sie hin? v. Tellheim.
Bon Ihnen! —
Dar Fräulein. ihre Brust zieht.)
Von mir? (indem sie seine Hand an
Träumer! Die
v. Tellheim.
Verzweiflung
wird
mich
tot
zu
Ihren Füßen werfen.
Vas Fräulein.
Von mir?
Von Ihnen.
v. Tellheim.
— Sie nie, nie wieder
zu sehen. — Oder doch so entschlossen, so fest entschlossen, — keine Niederträchtigkeit zu begehen, —
Sie keine Un
besonnenheit begehen zu lassen — Lassen Sie mich, Minna! (reißt sich los, und ab.)
Das Fräulein (ihm nach.) Minna Sie lassen?
heim!
Tellheim! Ende des zweiten Auszuges.
Tell
Dritter Aufzug. Erster Austritt. (die Scene, der Saal.)
Zust Muß ich doch
kommen!
(einen Brief in der Hand.) noch einmal in das verdammte Haus
— Ein Brieschen von meinem Herrn an das
gnädige Fräulein, das seine Schwester sein will. — Wenn
sich nur da nichts anspinnt! — Sonst wird des Bries-
tragens kein Ende werden. — aber ich möchte auch nicht
Ich wäre es gern los;
gern ins Zimmer hinein. —
Das Frauenszeug fragt so viel; und ich antworte so un gern! — Ha, die Thüre geht auf.
Wie gewünscht! das
Kammerkätzchen!
Zweiter Austritt. Franciska. Franciska
Sie
nicht;
ich
Just.
(zur Thüre herein, aus der sie kömmt.)
will schon aufpasien. — Sieh!
Sorgen indem pe
Justen gewahr wird.)
da stieße mir ja gleich was auf.
Aber
mit dem Vieh ist nichts anzufangen.
Lust.
Ihr Diener —
Franclska. Ich wollte so einen Diener nicht — Lust. Nu nu; verzeih' Sie mir die Redensart! — Da bring' ich ein Brieschen von
meinem Herm an Ihre
Herrschaft, das gnädige Fräulein — Schwester. — War's
nicht so? Schwester. «Franclska. Geb' Er her!
(reißt ihm den Brief aus der
Hand.)
Lust.
Sie soll so gut sein,
und es übergeben.
läßt mein Herr bitten,
Hemach soll Sie so gut sein, läßt
mein Herr bitten — daß Sie nicht etwa denkt, ich bitte was! — Franclska. Nun denn? Lust. Mein Herr versteht den Rummel.
Er weiß,
daß der Weg zu dm Fräuleins durch die Kammermädchens geht: — bild' ich mir ein! — Die Jungfer soll also so
gut sein, — läßt mein Herr bitten, — und ihm sagen lasten, ob er nicht da- Vergnügm haben könnte, die Jungfer
auf ein Viertelstündchen zu sprechen. Franclska. Mich? Lust. Verzeih' Sie mir, wenn ich Ihr einen unrechten Titel gebe. — Ja, Sie! — Nur auf ein Biertelftündchen; aber allein, ganz allein, insgeheim, unter vier Augen. Er hätte Ihr was sehr Notwendige- zu sagen. Franclska. Gut! ich habe ihm auch viel -u sagen. — Er kann nur kommen, ich werde zu seinem Befehle sein.
Luft.
Aber, wann kann er kommen? Wann ist es Ihr
am gelegenstm, Jungfer? So in der Dämmemng? —
Franclska.
Wie meint Er das? — Sern Herr kann
kommen, wann er will; — und damit packe Er sich nur! Lust. Herzlich gem! (will fortgehen.)
Franciska. Hör' Er doch; noch auf ein Wort. — Wo sind denn die andern Bedienten des Majors? Tust.
Die andern? Dahin, dorthin, überallhin.
Franciska. Wo ist Wilhelm? Tust. Der Kammerdiener? den laßt der Major reifen.
Franciska. So? Und Philipp, wo ist der? Tust. Der Jäger? den hat der Herr auszuheben ge
geben. Franciska. Weil er jetzt keine Jagd hat, ohne Zweifel.
— Aber Martin? Tust.
Der Kutscher? der ist weggeritten.
Franciska.
Tust.
Und Fritz?
Der Lauser? der ist avanciert.
Franciska.
Wo war Er denn, als der Major bei
uns in Thüringen im Winterquartiere stand? Er war wohl noch nicht bei ihm? Tust. O ja; ich war Reitknecht bei ihm; aber ich lag
im Lazarett. Franciska. Tust.
Reitknecht? und jetzt ist Er?
Alles in allem; Kammerdiener und Jäger, Läufer
und Reitknecht. Franciska.
Das muß ich gestehen! So viele gute,
tüchtige Leute von sich zu lasten, und gerade den allerichlechtesten zu behalten! Ich möchte doch wiffen, was Sein Herr an Ihm fände! Tust. Vielleicht
Kerl bin. Franciska.
findet
er,
daß
ich
ein
ehrlicher
O, man ist auch verzweifelt wenig, wenn
man weiter nichts ist, als ehrlich. — Wilhelm
war ein
andrer Mensch! — Reisen läßt ihn der Herr? Tust. Ja, er läßt ihn; — da er's nicht hindern kann. Franciska.
Tust.
C,
Reisen machen.
Wie?
Wilhelm wird
sich
alle Ehre
aus seinen
Er hat des Herrn ganze Garderobe mit.
Franciska. gegangen? Lust.
Was? er ist doch nicht damit
durch-
Tas kann man nun eben nicht sagen; sondern
als wir von Nürnberg weggingen,
ist er uns nur nicht
damit nachgekommen. FrancisKa. O der Spitzbube!
Lust.
Es war ein ganzer Mensch! er konnte frisieren,
und rasieren, und parlieren, — und scharmieren. — Nicht
wahr? FrancisKa.
Sonach hätte ich den Jäger nicht von
mir gethan, wenn ich wie der Major gewesen wäre. Konnte er ihn schon nicht als Jäger nützen, so war es doch sonst
ein tüchtiger Bursche. — Wem hat er ihn denn aufzuheben gegeben. Lust.
Dem Kommandanten von Spandau.
Franckska.
Der Festung? Die Jagd auf den Wällen
kann doch da auch nicht groß sein. Lust. O, Philipp jagt auch da nicht. Franci«ka. Was thut er denn? Lust. Gr karrt. FrancisKa. Er karrt? Luft. Aber nur auf drei Jahr.^ Er machte ein kleines
Komplott unter des Herrn Kompagnie,
und
wollte sechs
Mann durch die Vorposten bringen. —
FrancisKa. Luft.
Ich erstaune; der Bösewicht!
O, es ist ein tüchttger Kerl! Ein Jäger,
der
fünfzig Meilen in der Runde, durch Wälder und Moräste,
alle Fußsteige, alle Schleiswege kennt. Und schießen kann er! FrancisKa.
Gut, daß der Major nur noch den braven
Kutscher hat!
Lust.
Hat er ihn noch?
FrancisKa.
Ich denke, Er sagte, Martin wäre weg
geritten? So wird er doch wohl wieder kommen?
Luft.
Meint Sie?
46 Franciska.
Lust. mit
Wo ist er denn hingeritten?
Es geht nun in die zehnte Woche,
Herrn
des
Auszug 3.
einzigem
und
da ritt er
Reitpferde — nach
letztem
der Schwemme.
Franciska.
Und ist noch nicht wieder da?
O, der
Galgenstrick!
3nfL
Die Schwemme kann den braven Kutscher auch
wohl verschwemmt haben! Kutscher!
Er hatte
Es
—
in Wien zehn
war
gar
Jahre
ein
rechter
gefahren.
So
Wenn die Pserde
einen kriegt der Herr gar nicht wieder.
im vollen Rennen waren, so durfte er nur machen : burr! und aus einmal standen sie, wie die Mauenl.
Dabei war
er ein ausgelernter Roßarzt!
Franciska.
Run ist mir für das Avancement des
Läufers bange.
Lust.
Nein, nein; damit hat's seine Richtigkeit.
Er
ist Trommelschläger bei einem Garnisonregimente geworden. Franciska. Lust.
des Nachts niemals
Namen
Kurz,
Dacht' ich's doch!
Fritz hing sich an ein liederliches Mensch, kam
Hause,
nach
überall Schulden, der Major sahe,
machte
und lausend
daß
er
aus
des Herrn
infame
Streiche.
aller Gewalt
mit
höher
wollte: (da- HLngen pantomimisch anzeigend.) er brachte ihn also
auf guten Weg. Franciska.
Lull.
O der Bube!
Aber ein perfekter Läufer ist er, das ist gewiß.
Wenn ihm der Herr fünfzig Schritte vorgab, so konnte er ihn mit seinem besten Renner nicht
Fritz
hin
vorgeben,
und
einholen.
gegen kann dem Galgen tausend Schritte
ich wette mein Leben, er holt ihn ein.
— Es waren wohl
alles Ihre guten Freunde, Jungfer? Der Wilhelm und der
Philipp, der Marttn und der Fritz? — Nun, Just empfiehlt sich!
(geht ab.)
Dritter Auftritt. Frantiska, FrancisKa
und hernach
(die ihm ernsthaft nachfieht.)
Biß! — Ich bedanke mich, Just.
Ich verdiene den
Ich setzte die Ehrlich
Ich will die Lehre nicht vergeffen. —
keit zu tief herab.
der unglückliche Mann!
Ah!
Der Wirt.
(kehrt sich um, und will nach dem
Zimmer des FrLuleinS gehen, indem der Wirt kömmt.)
Warte Sie doch, mein schönes Kind.
Der Wirt.
Franci-Ka. Der Wirt.
Ich habe jetzt nicht Zeit, Herr Wirt — Nur ein kleines Augenblickchen! — Noch
keine Nachricht weiter von dem Herrn Major? Das konnte doch unmöglich sein Abschied sein! — Was denn?
FrancisKa.
Hat es Ihr das gnädige Fräulein nicht
Ver Wirt.
erzählt? — Als ich Sie, mein schönes Kind, unten in der Küche verließ,
ich von ungefähr wieder hier in
so kam
den Saal — FrancisKa.
zu horchen. Der Wirt.
Bon ungefähr, in der Absicht, ein wenig Ei, mein Kind, wie kann Sie das von
mir denken? Einem Wirte läßt nichts übler, als Neugierde. — Ich war nicht lange hier, so prellte auf einmal die Thüre bei dem gnädigen Fräulein auf. Der Major stür-te heraus; das Fräulein ihm nach; beide in einer Bewegung,
mit Blicken, sehen. wieder.
in einer Stellung — so was läßt sich nur
Sie ergriff ihn; Tellheim!
—
er riß sich los; Fräulein!
lassen
sie
Wohin? — So zog er sie bis an die Treppe. schon bange, er würde sie mit herabreißen. sich noch los.
stehn;
sah
ergriff ihn
Sie mich!
—
Mir war
Aber er wand
Das Fräulein blieb an der obersten Schwelle
ihm nach;
rief
ihm nach; rang
die Hände.
Aus einmal wandte sie sich um, lies nach dem Fenster, von dem Fenster wieder zur Treppe, von der Treppe in dem Saale hin und wieder. Hier stand ich; hier ging sie dreimal bei mir vorbei, ohne mich zu sehen. Endlich war es, als ob sie mich sähe; aber, Gott sei bei uns! ich glaube, das Fräulein sahe mich für Sie an, mein Kind. „Franciska," rief sie, die Augen auf mich gerichtet, „bin ich nun glück lich?" Daraus sahe sie steif an die Decke, und wiederum: „bin ich nun glücklich?" Darauf wischte sie sich Thränen aus dem Auge, und lächelte, und fragte mich wiederum: „Franciska, bin ich nun glücklich?" — Wahrhaftig, ich wußte nicht, wie mir war. Bis sie nach ihrer Thüre lief; da kehrte sie sich nochmals nach mir um : „ So komm doch, Franciska ; wer jammert dich nun?" — Und damit hinein. Franciska. O, Herr Wirt, das hat Ihnen geträumt Ver Wirt Geträumt? Nein, mein schönes Kind; so umständlich träumt man nicht. — Ja, ich wollte wie viel drum geben, — ick bin nicht neugierig, — aber ich wollte wie viel brum geben, wenn ich den Schlüssel dazu hätte. Franciska. Den Schlüssel? zu unsrer Thüre? Herr Wirt, der steckt innerhalb; wir haben ihn zur Nacht hereingezogen; wir sind furchtsam. Der Wirt. Nicht so einen Schlüssel; ich will sagen, mein schönes Kind, den Schlüssel; die Auslegung gleichsam; so den eigentlichen Zusammenhang von dem, was ich ge sehen. — Franciska. Ja so! — Nun, adieu, Herr Wirt. Werden wir bald essen, Herr Wirt? Der Wirt. Mein schönes Kind, nicht zu vergessen, was ich eigentlich sagen wollte. Franciska. Nun? aber nur kurz — Der Wirt. Das gnädige Fräulein hat noch meinen Ning; ich nenne ihn meinen — Franciska. Er soll Ihnen unverloren sein.
49
Auftritt 4.
ver Wirt.
Ich trage darum auch keine Lorge; ich
will's nur erinnern.
Sieht Sie;
einmal wieder haben.
Ich
kann
will ihn gar nicht
ich
mir doch wohl an den
Singern abzählen, woher sie den Ring kannte, und woher
er dem ihrigen so ähnlich sah. am besten aufgehoben.
Er
ist in ihren Händen
Ich mag ihn gar nicht mehr, und
will indes die hundert Pistolen,
die
ich
gegeben
daraus
habe, auf des gnädigen Fräuleins Rechnung setzen.
Nicht
so recht, mein schönes Kind?
Nitrier Austritt. Paul Werner.
Der Wirt.
FranriSka.
Werner. Da ist er ja! Franriska. Hundert Pistolen? Ich meinte nur achtzig.
Der Wirt.
Es ist wahr, nur neunzig, nur neunzig.
Das will ich thun, mein schönes Kind, das will ich thun. Alles das wird sich finden, Herr Wirt.
Franriska.
Werner (der ihnen htnlerwLrt- näher Rmmt, und auf einmal der Franct-ta auf die Schulter klopft.) Frauenzimmercheu! Frauen-
zimmerchen! Franriska (erstritt.) He! Werner. Erschrecke Sie nicht! — Frauenzimmercheu,
Frauenzimmerchen, ich sehe, Sie ist hübsch, und ist wohl gar ftemd — Und hübsche fremde Leute müffen gewarnet werden — Frauenzimmercheu, Frauenzimmercheu, nehm' Sie sich vor dem Manne in acht! (auf den »in zeigend.)
Der Wirt.
Werner!
Je, unvermutete Freude!
Herr Paul
Willkommen bei un-, willkommen! — Ah, es
ist doch immer noch der luftige, spaßhafte, ehrliche Werner! — Sie soll sich vor mir in Kind!
acht nehmen, mein schönes
Ha, ha, ha!
Lessing, Minna von Barnhelm.
4
Werner.
Geh' Sie ihm überall aus dem Wege!
Der Wirt Mir! mir! — Bin ich denn so gefähr lich? — Ha, ha, ha! — Hör' Sie doch, mein schönes
Kind! Wie gefällt Ihr der Spaß? Werner.
Daß
e-
doch
immer Seinesgleichen
für
Spaß erklären, wenn man ihnen die Wahrheit sagt.
Die Wahrheit!
Der Wirt
ha, ha,
ha! — Nicht
Der Mann kann
wahr, mein schönes Kind, immer besser!
spaßen! Ich gefährlich? — ich? — So vor zwanzig Jahren
war was dran.
Ja, ja, mein schönes Kind, da war ich
gefährlich ; da wußte manche davon zu sagen; aber jetzt — Werner. O, über den alten Narrn! Der Wirt Da steckt's eben! Wenn wir alt werden,
ist es mit unserer Gefährlichkeit aus.
Es wird Ihm and)
nicht besser gehn, Herr Sterner! Werner.
Potz Geck, und kein Ende! —
Frauen-
zimmerchen, so viel Verstand wird Sie mir wohl zutrauen,
Der eine Teufel
daß ich von der Gefährlichkeit nicht rede. hat ihn verlassen, aber es find dafür
ihn gefahren — Der Wirt
sieben
andre
in
O hör' Sie doch, hör' Sie doch! Wie
er das nun wieder so herum zu bringen weiß! — Spaß O, es ist ein vor
über Spaß, und immer was Neues!
trefflicher Mann, der Herr Paul Sterner! — (zur Francisko, als ins Ohr.) Ein wohlhabender Mann, und noch ledig. Er hat drei Meilen von hier ein schönes Freifchulzengerichte. Der hat Beute gemacht im Kriege! — Und ist Wacht
meister bei unserm Herrn Major gewesen.
Freund
von unserm
O, das ist ein
das ist ein Freund!
Herrn Major!
der fich für ihn totschlagen ließe! — Werner. Ja! und das ist ein Freund von meinem Major! das ist ein Freund! — den der Major sollte totschlagen lasten.
Der Wirt
Wie? was?
—
Nein,
Herr Sterner,
ist
das
guter
nicht
Herrn Major? —
ein
Ich
Freund
kein
vom
Ich dacht's wohl, daß Just durch
Just?
Just ist ein böser, garstiger Mensch.
Sie spräche.
ist
—
Just hat mir schöne Dinge erzählt.
Werner.
Der Wirt. hier
Spaß.
Nein, den Spaß versteh' ich nicht.
schönes
zur Stelle;
Kind
das
Aber
kann reden;
das mag sagen, ob ich kein Freund von dem Herrn Major
bin? ob ich ihm keine Dienste erwiesen habe? sein Freund sein?
sollte ich nicht
Und warum
ein ver
nicht
Es ist wahr; er hat das Unglück gehabt,
dienter Mann?
abgedankt -u
Ist er
werden : aber was thut das?
kann nicht alle verdiente Männer
kennen ;
Der König
und
er
wenn
sie auch alle kennte, so kann er sie nicht alle belohnen.
Werner.
Das
heißt Ihn Gott sprechen!
— Aber
Just — freilich ist an Justen auch nicht viel Besonders; doch ein Lügner ist Just nicht; und wenn das wahr wäre,
was er mir gesagt hat — Der Wirt.
Ich will von Justen nichts hören!
Wie
gesagt: das schöne Kind hier «ag sprechen! Qu ihr ins Ohr.Sie weiß, «ein Kind; den Ring! — Erzähl' Sie es doch
Herr
Da
Wemern.
wird er mich bester kennen lernen.
Und damit es nicht herauskömmt, als ob Sie mir nur zu Gefallen rede:
so
will
will nicht dabei sein;
ich nicht einmal dabei sein. ich
Ich
will gehn; aber Sie sollen mir
es wiedersagen, Herr Werner, Sie sollen
mir es wieder
sagen, ob Just nicht ein garstiger Verleumder ist.
Muster Austritt.
Paul Werner. Franei-ka. Werner.
Major?
Frauenzimmerchen, kennt Sie denn meinen
Franciska.
Den Major von Tellheim? Jawohl kenn'
ich den braven Mann. Werner.
Ist es nicht ein braver Mann? Ist Sie
dem Manne wohl gut? — Franciska.
Werner.
Bon Grund meines Herzens.
Wahrhaftig? Sieht Sie, Frauenzimmerchen;
nun kömmt Sie mir noch einmal so schön vor. — Aber
was
find
denn
da-
für Dienste,
die
der Wirt unserm
Major will erwiesen haben?
Franciska.
Ich wüßte eben nicht;
es wäre denn,
daß er fich das Gute zuschreiben wollte, welches glücklicher
weise aus seinem schurkischen Betragen entstanden. Werner. sagt
hat?
—
So wäre es ja wahr, was mir Just ge (gegen die Seite, wo der Wirt abgegangen.)
Dein
Glück, daß du gegangen bist! — Er hat ihm wirklich die Zimmer ausgeräumt? — So einem Manne so einen Streich zu
spielen, weil fick das Eselsgehirn einbildet, daß der Mann kein Geld mehr habe! Der Major kein Geld? Franciska. So? hat der Major Geld? Werner.
Wie Heu! Er weiß nicht, wie viel er hat.
Er weiß nicht, wer ihm schuldig ist. Ich bin ihm selber schuldig, und bringe ihm ein altes Reftchen. Sieht Sie,
Frauenzimmerchen, hier in diesem Beutelchen, einen Tasche zieht.)
Röllchen,
find
hundert
Louisdor;
(da- er au- der andern zieht.)
sein Geld! Franciska.
Wahrhaftig?
(da- er au- der
und
in
hundert Dukaten.
diesem Alles
Aber warum versetzt denn
der Major? Er hat ja einen Ring versetzt — Werner. Versetzt! Glaub' Sie doch so was nicht.
Vielleicht, daß er den Bettel hat gern wollen los sein. Franciska.
Es ist kein Bettel! es ist ein sehr kost
barer Ring, den er wohl noch dazu von lieben Händen hat. Werner. Das wird's auch sein. Von lieben Händen! ja, ja! So was erinnert einen manchmal, woran man nicht
gern
erinnert
sein
Trum schafft
will.
man's
aus
den
Augen. Franriska.
Wie?
Dem Soldaten geht's in Winterquartieren
Werner.
Da hat er nichts zu thun,
wunderlich.
und
und macht vor langer Weile Bekanntschaften,
pflegt sich,
nur
die er
aus den Winter meinet, und die das gute Herz, mit dem er sie macht, für zeitlebens annimmt.
an
ein Ringelchen
den Finger
Husch ist ihm dann
praktiziert;
er
weiß
selbst
Und nicht selten gäb' er gern
nicht, wie es daran kömmt.
den Finger mit drum, wenn er es nur wieder los werden
könnte. FranrisKa.
Ei! und sollte es dem Major auch so
gegangen sein?
Werner.
Ganz gewiß.
Besonders in Sachsen; wenn
er zehn Finger an jeder Hand gehM hätte,
er hätte sie
alle zwanzig voller Ringe gekriegt. FranrisKa (beiseite.) und
verdient
untersucht
Das klingt ja ganz besonders,
zu
werden. — Herr Freischulze,
oder Herr Wachtmeister —
Werner.
Frauenzimmerchen, wenn's Ihr nichts ver
schlägt: — Herr Wachtmeister höre ich am liebsten.
FranrisKa.
Nun, Herr Wachtmeister, hier habe ich
ein Briefchen von dem Herrn Major an meine Herrschaft. hereintragen,
bin
Ich will es
nur geschwind
wieder da.
Will Er wohl so gut sein, und so lange hier
und
gleich
warten? Ich möchte gar zu gern mehr mit Ihm plaudern. Werner.
meinetwegen;
Plaudert Sie gern, Frauenzimmerchen? Run
geh' Sie nur;
ich plaudere auch gern;
will warten.
FranrisKa.
O, warte Er doch ja! (g-ht ab.)
ich
Sechster Austritt. Paul Werner. Das
ist kein
unebenes Frauen-immerchen!
Aber
—
ich hätte ihr doch nicht versprechen sollen, zu warten. —
Denn das Wichtigste wäre wohl, ich suchte den Major auf. — Er will mein Geld nicht, und versetzt lieber? — Daran kenn' ich ihn. — Es fallt mir ein Schneller ein. — Als
ich vor vierzehn Tagen in der Stadt war, besuchte ich Vie
Rittmeisterin
Das
Marloff.
arme Weib
lag krank,
und
daß ihr Mann dem Major vierhundert Thaler-
jammerte,
bezahlen sollte.
die
wäre,
schuldig geblieben
sie nicht wüßte,
wie
sie
sie
Heute wollte ich sie wieder besuchen; —
ich wollte ihr sagen, wenn ich das Geld für mein Mtchen
ausgezahlt kriegte, könnte.
—
daß ich ihr
fünfhundert Thaler leihen
Denn ich muß ja wohl was davon in Sicher
heit bringen, wenn's in Persien
war über alle Berge.
nicht geht. — Aber sie
Und ganz gewiß wird sie den Major
nicht haben bezahlen können. — Ja, so will ich's machen;
und das je eher, je lieber.
— Das Frauenzimmerchen mag
mir's nicht übel nehmen;
ich kann nicht warten,
(geht in
Gedanken ab, und sibßt fast auf den Major, der ihm entgegen kömmt.)
Siebenter Austritt. v. Tkllheim. o. Teil heim.
Werner.
Paul Werner.
So in Gedanken, Werner?
Da sind Sie ja; ich wollte eben gehn, und
Sie in Ihrem neuen Quartiere besuchen, Herr Major.
v. Teil he im.
Um mir auf den Wirt des alten die
Qhren voll zu fluchen.
Gedenke mir nicht daran.
Werner.
Das hatte
ich
beiher
gethan;
ja.
Aber
eigentlich wollte ich mich nur bei Ihnen bedanken, daß Sie so gut gewesen, und mir die hundert Louisdor aufgehoben.
Just hat mir sie wiedergegeben.
lieb,
wenn Sie mir
sie
noch
Es wäre mir wohl freilich
länger
aufheben
könnten.
Aber Sie find in ein neu Quartier gezogen, das weder Sie noch ich kennen. Wer weiß, wie's da ist. Sie könnten Ihnen da gestohlen werden; und Sie müßten mir fie er setzen; da hülfe nichts davor. Also kann ich's Ihnen freilich nicht zumuten.
o. Tellheim (lächelnd.) Seit wann bist du so vorsichtig, Werner? Werner.
Es lernt sich wohl.
Man kann heutzutage
mit seine« Gelde nicht vorsichtig genug
sein.
—
Danach
hatte ich noch was an Sie zu bestellen, Herr Major; von der Rittmeisterin Marloff; Ich kam eben von ihr her.
Ihr
Mann ist Ihnen ja vierhundert Thaler schuldig geblieben;
bier schickt fie Ihnen aus Abschlag hundert Dukaten. übrige will fie künftige Woche
schicken.
Das
Ich mochte wohl
selber Ursache sein, daß fie die Summe nicht ganz schickt. Denn sie war mir auch ein Thaler achtzig schuldig;
und
weil sie dachte, ich wäre gekommen, fie zu mahnen, — wie's denn auch wohl wahr war; — so gab fie mir fie,
und gab fie mir aus dem Röllchen, das fie für Sie schon zurechte gelegt hatte. — Sie können auch schon eher Ihre hun dert Thaler ein acht Tage noch miffen, als ich meine paar Groschen. — Da nehmen Sie doch! (reicht ihm di« Roll« Dukaten.)
v. Tellheim. Werner.
Werner!
Nun? warum sehen Sie mich so starr an?
— So nehmen Sie doch, Herr Major! —
v. Tellheim. Werner.
Werner!
Was fehlt Ihnen? Was ärgert Sie?
v. Tellheim (bitter, indem er sich vor die Stirne schlägt, und
mit dem Fuße auftritt.)
Daß
es
—
die
vierhundert Thaler
nicht ganz sind! Werner. Nun, nun, Herr Major! Haben Sie mich denn nicht verstanden? v. Tellheim.
Eben weil ich
dich verstanden habe!
— Daß mich doch die besten Menschen heut am meisten quälen müssen!
Werner.
Was sagen Sie?
v. Tellhetm.
Es geht dich nur zur Hälfte an! —
Geh, Werner! (indem er die Hand, mit der ihm Werner die Dukaten reicht, zurückst-ßt.)
Werner.
Sobald ich das los bin!
v. Tellheim. Werner, wenn du nun von mir hörst: das;
die Marloffin, heute ganz früh, selbst bei mir gewesen ist? Werner.
So?
v. Tellheim. Werner.
Daß sie mir nichts mehr schuldig ist?
Wahrhaftig?
v. Tellheim.
Daß sie mich bei Heller und Pfennig
bezahlt hat: was wirst du dann sagen? Werner (der sich einen Augenblick besinnt.) Ich werde sagen,
daß ich gelogen habe, und daß es eine hundsföttsche Sache
ums Lügen ist,
weil man darüber
v. Tellheim. Werner.
ertappt werden kann.
Und wirst dich schämen?
Aber der,
der mich so
zu
lügen zwingt,
was sollte der? Sollte der sich nicht auch schämen? Sehen Sie, Herr Major; wenn ich sagte, daß mich Ihr Verfahren
nicht verdrösse,
so hätte ich wieder gelogen, und ich will
nicht mehr lügen. — v. Tellheim. Sei nicht verdrießlich, Werner! Ich er kenne dein Herz und deine Liebe zu mir.
Aber ich brauche
dein Geld nicht. Werner. Sie brauchen es nicht? Und verkaufen lieber, und versetzen lieber, und bringen sich lieber in der Leute
Mäuler?
Tie Leute
v. TeUheirn.
daß ich nichts mehr habe.
mögen
immer
es
wiffen,
Man muß nicht reicker scheinen
wollen, als man ist.
Werner.
Aber warum ärmer?
— Wir haben,
so
lange unser Freund hat.
v. Gellheim.
Es
ziemt
sich
daß
nicht,
ich
dein
Schuldner bin. Werner. heißen Tage,
sich
Ziemt
den
uns
die
nicht?
—
Sonne
Wenn
und
an
der Feind
einem
heiß
machte, sich Ihr Reitknecht mit den Kantinen verloren hatte;
und Sie zu mir kamen, und sagten: Werner, hast du nichts zu trinken? und ich Ihnen meine Feldstasche reichte,
nicht
wahr. Sie nahmen und tranken? — Ziemte sich das? — Bei meiner armen Seele, wenn ein Trunk faules Wasier damals nicht oft mehr wert war, als alle 'der Quark! (Indem er auch den Beutel mit den Louisdoren heraus zieht, und ihm
beides hinreicht.)
Nehmen Sie, lieber Major! Bilden Sie sich
ein, es ist Wasser.
Auch das hat Gott für alle geschaffen.
v. Tellheim.
Du marterst mich; du hörst es ja, ich
will dein Schuldner nicht sein. Werner.
Erst ziemte es sich nicht; nun wollen Sie
nicht? Ja, das ist was anders, (etwas ärgerlich.) Sie wollen
mein Schuldner nicht sein? Wenn Sie es denn aber schon wären,
Herr Major?
Oder
find Sie
beut Manne nichts
schuldig, der einmal den Hieb auffing, der Ihnen den Kopf spalten sollte,
und ein andermal den Arm
vom Rumpfe
hieb, der eben losdrücken und Ihnen die Kugel durch die
Brust jagen wollte? — Was können Sie diesem Manne mehr schuldig werden?
Oder
hat es
mit meinem Halse
weniger zu sagen, als mit meinem Beutel? — Wenn das
vornehm gedacht ist,
bei meiner
armen Seele,
so
ist es
auch sehr abgeschmackt gedacht!
v. Gellheim.
Mit wem sprichst du so, Werner? Wir
find allein; jetzt darf ich es sagen; wenn uns ein Dntter
hörte, so wäre es Windbeutelei.
Ich bekenne es mit Ver
gnügen, daß ich dir zweimal mein Leben zu danken habe. Aber, Freund, woran fehlte mir es, daß ich bei Gelegen
heit nicht ebensoviel für dich würde gethan haben? He!
Werner. gezweifelt,
Wer hat daran
Nur an der Gelegenheit!
Herr Major?
Habe
ich Sie nicht
hundertmal
für den gemeinsten Soldaten, wenn er ins Gedränge ge kommen war, Ihr Leben wagen sehen?
v. Tetlheim. Werner.
Also!
Aber —
v. Teitheim.
Warum verstehst du mich nicht recht?
Ich sage: es ziemt sich nicht, daß ich dein Schuldner bin; ich will dein Schuldner nicht sein.
Nämlich in den Um
ständen nicht, in welchen ich mich jetzt befinde.
Wernes.
beffre
Zeiten;
So, so! Sie wollen es verspüren, bis aus Sie
wollen
ein
andermal
Geld
von
mir
borgen, wenn Sie keines brauchen, wenn Sie selbst welches haben, und ich vielleicht keines.
v. Teitheim. Man muß nicht borgen, wenn man nicht wieder zu geben weiß.
Werner.
Einem Manne,
wie Sie,
kann
es
nicht
immer fehlen.
v. Vellheinu
Du kennst die Welt! — Am wenigsten
muß man sodann von einem borgen, der sein Geld selbst braucht. Werner.
O ja, so einer bin ich! Wozu braucht' ich's
denn? — Wo man einen Wachtmeister nötig hat,
giebt
man ihm auch zu leben.
v. Teitheim.
;u werden;
der, ohne
Du brauchst es, mehr als Wachtmeister
dich auf einer Bahn weiter
Geld,
auch
der Würdigste
zu bringen,
zurückbleiben
auf
kann.
Werner.
Mehr als Wachtmeister zu werden? daran
denke ich nicht.
Ich bin ein guter Wachtmeister; und dürste
leicht ein schlechter Rittmeister, und sicherlich noch ein schlechtrer
General werden.
Die Erfahrung hat man.
Mache nicht, daß ich etwas Unrechtes
o. Teilheim. von
dir
Werner!
denken muß,
gehört, was mir Just gesagt hat.
Ich
habe
es
nicht gern
Du hast dein Gut ver
kauft, und willst wieder herumschwärmen.
Laß mich nicht
von dir glauben, daß du nicht sowohl das Melier, als die
wilde, liederliche Lebensart liebest, die unglücklicherweise da
Man muß Soldat sein für sein Land;
mit verbunden ist.
oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird.
Ohne
Absicht heute hier, morgen da dienen: heißt wie ein Fleischer-
knecht reisen, weiter nichts.
Werner. folgen.
Nun ja doch, Herr Major; ich will Ihnen
Sie wissen besser, was sich gehört.
Ich will bei
Ihnen bleiben. — Aber, lieber Major, nehmen Sie doch auch verweile mein Geld.
Sache aus sein. Sie sollen
mir
Heut oder morgen muß Ihre
Sie müssen Geld die Menge bekommen. sodann mit Interessen
es
wieder
geben.
Ich thu' es ja nur der Interessen wegen.
Schweig davon!
v. Tellheim. Werner.
Bei meiner armen Seele, ich thu' es nur
der Interessen wegen!
— Wenn ich manchmal dachte: wie
wird es mit dir aufs Alter werden? wenn du zu Schanden gehauen bist? wenn du nichts haben wirst? wenn du wirft
betteln gehen müssen? So dachte ich wieder: Nein, du wirst
nicht betteln gehn;
du
wirst
zum Major Tellheim
der wird seinen letzten Pfennig mit dir teilen; dich zu Tode füttern;
der
bei dem wirst du als ein
gehn; wird
ehrlicher
Kerl sterben können. v. Tellheim
(indem er
Werners
Hand
ergreift.)
Und,
Kamerad, das denkst du nicht noch?
Werner.
Nein, das denk' ich nicht mehr. — Wer
von mir nichts annehmen will, wenn er's bedarf, und ich's
habe; der will mir auch nichts geben, wenn er's hat, und ich's bedarf. — Schon gut! (will gehe«.)
v. Tellheim.
Mensch, mache mich nicht rasend! Wo
willst du hin?
(hält ihn zurück.)
Wenn ich dich nun aus meine
Ehre versichere, daß ich noch Geld habe; wenn ich dir aus meine Ehre verspreche,
ich keines mehr habe;
sollst, bei
daß ich
dir es
sagen will, wenn
daß du der erste und
einzige
sein
— Bist
du
Geben Sie mir
die
dem ich mir etwas borgen will:
dann zufrieden? Muß ich
Verner.
nicht? —
Hand darauf, Herr Major. v. Teltheim. Da, Paul! — Und nun genug davon. Ich kam hierher, um ein gewiffes Mädchen zu sprechen —
Achter Austritt. Frankiska
(aus dem Zimmer des Fräuleins.)
v. Tell-
heim. Paul Werner. Francisko Wachtmeister? —
Sind Sie noch da, Herr Und Sie
(im $