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German Pages [168] Year 1993
V&R
Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte
Herausgegeben von Adolf Martin Ritter
Band 52
Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1993
Gottesbild und Politik Eine Studie zur Frömmigkeit in Preußen während der Befreiungskriege 1813-1815 von Gerhard Graf
Mit 21 Textbeilagen und 7 Abbildungen
Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1993
Der Kirchlichen Hochschule Leipzig in dankbarer Erinnerung
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Graf, Gerhard: Gottesbild und Politik: eine Studie zur Frömmigkeit in Preussen während der Berfreiungskriege 1813-1815; mit 21 Textbeilagen / von Gerhard Graf. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1993 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte; Bd. 52) ISBN 3-525-55160-6 NE:GT
Gedruckt mit Unterstützung des Forschungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Won
© 1993 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwenung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
Inhalt Einleitung
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1. 1.1. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.3.
Rußland - das vor Augen liegende Beispiel Preußen im Jahr 1812 Die Empfehlung des religiösen Volkskrieges Die Ausbreitung der Propaganda Die Hauptthemen der Argumentation Die Angleichung an das russische Konzept
12 13 16 16 21 24
2. 2.1. 2.1.1. 2.2. 2.2.1. 2.3. 2.3.1.
Mit Die Die Der Die Die Die
27 27 29 31 33 36 43
3. 3.1. 3.1.1. 3.1.2. 3.1.3. 3.1.4. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.3. 3.3.1. 3.3.2.
Bewährung und Erfüllung Eindruck und Wirkung des Waffenstillstandes Die staatlichen Vorkehrungen Das Beispiel der Predigt Das persönliche Beispiel Die Situation am Ende des Waffenstillstandes Fortdauernde Bewährung Das Kriegsgeschehen Die Frömmigkeit Der erste Siegesdank nach dem Waffenstillstand Erfüllte Hoffnung Das Erlebnis der Leipziger Schlacht Die neue Qualität
45 45 47 48 51 54 55 55 57 61 63 64 66
4. 4.1. 4.1.1. 4.1.2. 4.2. 4.2.1. 4.2.2.
Die Zeichen der Zeit Der „deutsche" Gott Arndts Beitrag Zur weiteren Verbreitung Die Verteufelung Zum Ausgangsort Die Verteufelung in ihrer Vielfalt
72 72 73 75 80 81 83
Gott für König und Vaterland in den Krieg Devise „Mit Gott für König und Vaterland" Herausbildung zum Leitw^ort des Nationalkrieges nationale Auftruch Rolle der Geistlichkeit Aussage der Predigt Theologie auf Hoffnung
6
Inhalt
4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.4.
Das Das Das Die Der
Kreuz als Sinnzeichen des gegenwärtigen Krieges militärische Symbol Zeichen der Zeit Beziehung zur Devise „Mit Gott für König und Vaterland" Kniefall
5. 5.1. 5.2.
Die Zusammenfassung: Das nationalpolitische Credo Das neue Gottesverhältnis Die politische Verheißung
89 89 91 93 94 98 98 101
Textbeilagen
105
Abbildungen
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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Einleitung Spätere Epochen deutscher Geschichte haben ihre Legitimation wiederholt mit dem Ereignis der Befreiungskriege verknüpft. Man glaubte in der eigenen Generation vollendet zu haben, was seinerzeit politisch unerfüllt blieb, beziehungsweise man orientierte sich an der unvergessenen Religiosität jener großen Jahre, aus der das "Werk der nationalen Erhebung einst seine Kraft gewann. Bekanntlich hat diese Rezeption der Befreiungskriege wenigstens zweimal für das deutsche Volk und auch seine Nachbarn verhängnisvolle Folgen gehabt, zugleich nach der jüngsten Katastrophe aber auch die Frage gestellt, auf welche Weise man sich von diesem Erbe abzugrenzen habe. Daß bloße Ablehnung des Vergangenen darauf keine Antwort sein kann, ist unterdessen verbreitete Überzeugung, denn aus Verdrängung ist noch niemals Gutes entstanden. Allerdings hat sich die seither stattfindende Aufarbeitung vordringlich der Rezeptionsgeschichte zugewendet, ohne - was sich eigentlich nahelegt - gesondert und umfänglich auf den Ausgangsort selbst, die Befreiungskriege, einzugehen. Hierzu einen Beitrag zu leisten, hat sich die vorliegende Studie vorgenommen. Wenn sich dabei die Untersuchung auf Preußen konzentriert, geschieht das nicht im Gefolge einer früher üblichen preußenorientierten Geschichtsauffassung, sondern in Anerkenntnis der gewichtigen Rolle, die Preußen im Befreiungskrieg zugewiesen bekam. Zwar ist sicher schon länger gegenüber älteren Geschichtsbildern eine Überlegung angebracht, mit welchen Leistungen und Erfahrungen andere deutsche Territorien an den Befreiungskriegen teilhatten. Aber so diskutabel und bearbeitenswert diese Bemerkung sein mag, sie ändert doch nichts an der Tatsache, daß Preußen der Kulminationspunkt und Hauptakteur innerhalb der deutschen Erhebung war. Weit schwieriger gestaltet sich dagegen ein anderer Sachverhalt: Auf welchem Wege verschafft man sich die nötige Information, um Preußens damaliges Verhalten - auch als Grundlage für die genannte spätere Rezeption - angemessen beschreiben zu können? Der Zugang dazu ist nicht mühelos. Das soll an einer exemplarischen Erörterung einschlägiger Literatur verdeutlicht werden. Sie zeigt mehrere Phasen: Zunächst ist dabei ein Wort zum Umgang mit der klassischen älteren Literatur zu sagen, die übrigens auch in sich nochmals ein Gefalle aufweist. Und zwar stehen für eine als „alte Schule" anzusprechende Autorengruppe Zeitgenossen, die in ihrer Kindheit oder Jugend den Geist der Befreiungs-
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Einleitung
kriege noch selbst erlebt hatten und ergänzend dazu auch Teilnehmer befragen konnten. Beispielhaft trifft das - bei allem qualitativen Unterschied - gleichermaßen auf die von Heinrich Beitzke herausgebrachte „Geschichte der Deutschen Freiheitkriege" (1855; ''1882)' wie auch auf die zeitlos gültige Yorckbiographie von Johann Gustav Droysen (1851; ' 4 9 1 3 ) zu. Hier wie dort offenbart sich vordringlich das Bestreben, die Materie möglichst aus sich selbst heraus sprechen zu lassen. Über der Lektüre erinnert man sich gelegentlich des bekannten Rankewortes „Ich möchte mein Selbst gleichsam auslöschen und die Dinge reden, die mächtigsten Kräfte erscheinen lassen." Demgegenüber wichtigster und, aus dem Rückblick geurteilt, folgenreichster Vertreter einer neuen Auffassung war dann wohl Heinrich von Treitschke. Nicht mehr das Geschehen an sich, sondern ein leidenschaftlicher, borussofizierter deutschnationaler Patriotismus diktierte seine Darstellung im ersten Band der bekannten „Deutschen Geschichte" (1879; zuletzt 1981). Die damit eingebrachte Form selektiver Idealisierung läßt sich auch bei anderen Autoren, selbst wenn sie sich bewußt von Treitschke abhoben, beobachten. Das ist der Fall zum Beispiel bei Max Lehmann in seiner Scharnhorstbiographie (1888/87) oder bei Friedrich Meinecke in dem Werk „Das Zeitalter der deutschen Erhebung" (1906; ^1963). Nochmals später, am Vorabend der Zentenarfeier, dokumentierten sich die Befreiungskriege eigentlich fast schon als ein „Mythos". Das pompöse Jubiläumswerk von Hermann Müller-Bohn und, auf drastisch populärer Ebene, die Darstellung C. von Zepelins erinnern daran. Die innewohnende Mischung von nationalen, chauvinistischen, byzantinischen und religiösen Tönen ist eklatant. Nebenher freilich ist in allen diesen Jahren eine nicht unbeträchtliche Zahl von Quellen ediert worden. Doch brachten jene noch heute unverzichtbaren Veröffentlichungen im Ergebnis keine veränderte Konzeption. Mittenhinein zog dann einerseits der Untergang des Hohenszollernreiches einen Schlußstrich, andererseits sah sich aber auch jetzt die Kirchengeschichtsschreibung nach der Trennung von Thron und Altar nicht veranlaßt, sich von dem bisher geltenden Geschichtsbild freizumachen. Der enttäuschenden Gegenwart wurde das große Beispiel vor Augen geführt, so in dem ausführlichen Aufsatz von Leopold Zschamack, „Die Pflege des religiösen Patriotismus durch die evangelische Geistlichkeit 1806-1815" (1921) oder in Ludwig Lehmanns „Bilder(n) aus der Kirchengeschichte der Mark Brandenburg" (1924). Nicht zuletzt bleibt man aber auch deshalb auf diese ältere Literatur angewiesen, weil sie, einst begleitet von dem Gespräch in der „Zunft", wovon Friedrich Meinecke anschaulich erzählt^, einen Informationswert ' Zu den vollständigen bibliographischen Angaben der hier erwähnten Publikationen vgl. das Quellen- und Literaturverzeichnis. ^ Erlebtes 1862-1901. Leipzig 1941 S. 137-224 passim.
Einleitung
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beinhaltet, der seither zunehmend verloren gegangen ist. Das wird im ganzen ersichtlich aus der Forschung, wie sie seit 1918 betrieben worden ist. Partielle Arbeiten gab und gibt es wohl. Doch sie kennzeichnete je länger je mehr die mangelnde Einbeziehung des allgemeinen Hintergrundes. Historiker, Germanisten oder Kirchengeschichtler arbeiteten für sich, und der Blick über den Zaun des eigenen Faches hinaus war flüchtig oder fand gar nicht statt. Die Kette dieser Beispiele ist lang und könnte Gegenstand einer eigenen Studie sein. Aus der jüngeren Zeit: So zeigt sich der Verlust an Information in den oft konjunktivischen, zuweilen auch nicht richtig gebotenen Annotationen von Thomas Nipperdey in seinem Werk „Deutsche Geschichte 1800-1866" (1983). Die germanistische Untersuchung von Hasko Zimmer, „Auf dem Altar des Vaterlands" (1971), möchte die These ausbauen vom Einfluß pietistischen Denkens auf die Befreiungskriege, setzt sich aber nirgends mit der Wirklichkeit des damaligen Kriegsgeschehens auseinander. Frei davon ist auch nicht die engagierte Arbeit von Albert Portmann-Tingueli, „Romantik und Krieg" (1989); sehr zum Schaden der Sache wird auf E. M. Arndt verzichtet, und so einfühlsam die Exegesen im einzelnen sein mögen, die vergleichende Einbindung in das zeitgenössische Erleben des Krieges, speziell auch die Beachtung allgemeiner Mentalität fehlen^. Und welches Maß an Aussagekraft haben dann solche Studien.^ Diese Frage wiederholt sich bei der militärhistorischen Veröffentlichung von Andreas Pawlas, „Militär, Freiheit und Demokratie in sozialethischer Perspektive" (1986). Die erwartete Sachvermittlung beschränkt sich auf Ansätze der Reformpartei; die Realisierung während des Krieges bleibt nebulös, beziehungsweise stützt sich auf summarisch gebotene Quellenhinweise dritter Hand. Im Bereich der Kirchengeschichtsschreibung findet sich dagegen ein bemerkenswerter Ansatz aus dem Jahr 1940. Es handelt sich um die Dissertation „Die religiöse und nationale Volksstimmung in Preußen 1813-1815" von Gotthard Kunze. Jedoch weckt der Titel mehr Hoffnungen, als die Arbeit selbst erfüllen kann; subtiles Abwägen fehlt, der Zeitgeist des Verfassers ist unüberhörbar. Erst der Ausgang des Zweiten Weltkrieges schuf offenbar kritische Distanz. Das zeigt die Untersuchung von Hartmut Rudolph, „Das evangelische Militärkirchenwesen in Preußen" (1973), die differenzierte Urteile äußert, leider aber keine Ausführlichkeit besitzt, was sich nicht zuletzt aus dem umfassenderen Arbeitsziel erklärt. In der Zeit danach ist keine kirchengeschichtliche Behandlung der Befreiungskriege mehr erschienen, die die vielerlei Mechanismen damaligen kirchlichen Handelns noch auch die Frömmigkeitsstruktur genauer erörtert ' Gerhard Schulz, Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration 2. 1 8 0 6 - 1 8 3 0 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart 7 , 2 ) . München 1989, nennt zumindest den Bereich der Tagesliteratur, orientiert sich dann aber auf Namen, die später in der Rezeptionsgeschichte eine Rolle spielen, S . 2 1 , 2 4 - 8 1 .
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Einleitung
hätte. Das verwundert kaum, denn schon für Preußen bedeutete das einen Aufwand, der wohl durch eine einzelne Feder nicht zu leisten ist. Jedenfalls hat die vorliegende Untersuchung in der vorhandenen Literatur so nur begrenzt einen Gesprächspartner. Letztlich muß das aber nicht zum Schaden der Arbeit sein, denn die Erkundung, wie sich in Preußen während der Befreiungskriege Gotteserfahrung und politisches Handeln aufeinander bezogen haben, kann ohnehin nicht über sekundäres Urteilen erfolgen, sondern bedarf der möglichst breiten Basis zeitgenössischer Meinung. Diese Tatsache hat darum auch Konsequenzen bis in die Darstellung hinein: Ihr Bestreben ist zuerst das Referat der damaligen Sicht, und die Diskussion mit der Sekundärliteratur setzt vorwiegend erst dort ein, wo es sich um die Weitergabe historischer Irrtümer oder um Interpretationen aus späterer Sicht handelt. Insofern haftet der Untersuchung etwas Vorläufiges an. Wenn sie sich deshalb bewußt als „Studie" bezeichnet, so hat das aber noch einen weiteren Grund: Mit der hier verhandelten Thematik beschäftigt sich der Verfasser seit etwa 20 Jahren. 1976 Schloß er eine Qualifikationsarbeit ab, die sich mit der Entstehung und Funktion der klassischen preußischen Devise „Mit Gott für König und Vaterland" im Zeitalter der Befreiungskriege befaßte"*. Ergebnisse daraus, aber auch weiterführende Forschungen wurden in mehreren Aufsätzen publiziert^. Zugleich ließ diese fortgesetzte Arbeit jedoch auch ein Unbehagen wachsen angesichts der geringen Aufarbeitung und Kenntnis des ersten „totalen" Krieges in der deutschen Geschichte. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch einen Besuch im Domstiftsarchiv Brandenburg, das unter seinen Beständen auch ungefähr 100 Pfarr- bzw. Ephoralarchive der Mark Brandenburg aufbewahrt. Die dort enthaltenen Sammlungen von Kriegsgebeten seit dem 17. Jahrhundert, darin eingebettet die der Befreiungskriege, die Fülle der regierungsamtlichen „Circulare" seit der Reformzeit, nicht wieder gelesen seit den Tagen ihres Umlaufs^, das Studium des Amts-Blattes der Provinz, von der Forschung niemals gebührend beachtet - das alles überliefert ein Bild jener Epoche, welches, wenn man noch dazu die Ebene lokaler Nachrichten in
* „Mit Gott für König und Vaterland!" Zu Funktion, Interpretation und Problematik einer klassischen preußischen Devise in ihrer frühen Geschichte (1813-1815). Prüfungsamt des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Berlin 1976. * Vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis ' Die ausführlichste Sammlung dort bietet das Ephoralarchiv Brandenburg-Dom. Sie ergänzt die Publikation von Rud. Jungklaus, Wie die Ereignisse der Freiheitskriege zu ihrer Zeit in Berlin kirchlich gefeiert worden sind, in: Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte 11/12. 1914 S. 304-330. Insgesamt vermitteln die dort zusammengeführten Bestände besonders durch handschriftliche Eintragungen und Beilagen, aber auch durch eine sehr unterschiedliche Tradierung des Archivgutes eine Fprschungsgrundlage von außergewöhnlichem Rang, und zwar auch bis in die kirchliche Alltagsgeschichte hinein.
Einleitung
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Rechnung stellt, eine wesentlich kompliziertere Welt veranschaulicht, als sie bisher von der Geschichtsschreibung wahrgenommen wurde. Impulse dieser Begegnung sind natürlich von der vorliegenden Studie aufgenommen, aber sie weiß, daß in dem, was durch sie mitgeteilt wird, nur die Spitze eines Eisberges präsent ist. Zu tiberlegen ist dabei außerdem, inwieweit die hauptsächlich berücksichtigten Verhältnisse der Kurmark sich uneingeschränkt auf die gesamte Monarchie übertragen lassen. Denn daß man an sich in diesem überregionalen Zusammenhang zu fragen hat, liegt in der Eigenart der neuen Kriegsführung der Befreiungskriege begründet: Praktisch ohne Unterschied war erstmals jedermann im ganzen Staat am Krieg beteiligt, und damals zuerst entstand ein Klima gemeinsamen politischen Empfindens und Handelns, das seither in der Geschichte der neuzeitlichen Kriege einen ausschlaggebenden Faktor darstellen sollte. Ob es jemals zu dieser notwendig zusammenhängenden Quellenaufarbeitung, die Ludwig Lehmann schon 1924 forderte^, kommen wird, ist ungewiß. Eben deshalb möchte sich die nachstehende Untersuchung als ein Interim anbieten, das einmal mittels einer Schneise zur Erhellung der frömmigkeitsgeschichtlichen Entwicklung der Befreiungskriege beiträgt, zum anderen jedoch auf diese Weise Voraussetzungen schafft, daß spätere Forschung im Bereich des 19. Jahrhunderts Gelegenheit nehmen kann, die Nachwirkungen der Befreiungskriege bei der eigenen Arbeit in Betracht zu ziehen. Bewußt wird dabei die - oben kritisierte - disziplinare Einseitigkeit vermieden. Sicher ist ein kirchengeschichtliches Interesse leitend, aber die Thematik sorgt von selbst dafür, daß zum Beispiel das Eingehen auf Kriegsgeschichte oder Uniformkunde oder Literaturwissenschaft brauchbare Sondierungen überhaupt erst ermöglicht. An sich ist interdisziplinäres Arbeiten wohl ohenhin die wünschenswerte Form wissenschaftlicher Betätigung. Und die Beschäftigung mit den Befreiungskriegen ist dafür ein einleuchtendes Exempel. Aber eine allseitige Behandlung dieser Epoche hat jetzt auch noch einen besonderen aktuellen Sinn: Der große Krieg am Beginn des 19. Jahrhunderts stellte die Weichen für Entwicklungen, die wir heute auf dem Weg zu einem neuen Europa abzubauen beginnen. Um so dringender ist die breite Auseinandersetzung mit dem Überkommenen. Auch dieser Gesichtspunkt ermutigte den Verfasser, diese „Studie", so vorläufig und gewiß unfertig sie ist, der Öffentlichkeit zu übergeben.
Bilder S.4
1. Rußland - das vor Augen liegende Beispiel Die Präambel zur preußischen Landwehrordnung, durch die am 17. März 1813 die Nationalbewaffnung geltendes Gesetz wurde, begann mit den Worten: „Ein vor Augen liegendes Beispiel hat gezeigt, daß Gott die Völker in besonderen Schutz nimmt, die ihr Vaterland im unbedingten Vertrauen zu ihrem Beherrscher mit Standhaftigkeit und Kraft gegen fremde Unterdrückung vertheidigen."' Die ausdrückliche Einbeziehung Gottes war erst kurz vor Erscheinen noch in den Text eingefügt worden^, wobei sicher eine Rolle spielte, daß man damit der inzwischen üblich gewordenen religiösen Beurteilung der Zeitereignisse entsprechen wollte. Und danach war es Gott, der den unglaublichen Wandel der politischen Szene eingeleitet habe. Rationale Gründe, um den Untergang der Großen Armee zu erklären, sah man als nicht ausreichend an: „Als uns die Kunde kam von dem entsetzlichen Untergang der zahlreichen Heeresmassen, die der große Würger und Dränger Europas gegen das weite Rußland geführt hatte, um den Thron der alten Czaren zu zertrümmern und das mächtige Reich zu zerstückeln, da durchdrang ein kalter Schauer unwillkürlich unser ganzes Wesen. Wir hatten die unübersehbaren Reihen von Kriegern und die unermeßlichen Streitkräfte zum Verderben unseres eigenen Landes vorüberziehen sehn und staunten über ihre Menge, über ihre Schönheit und über ihr stolzes Ansehn. Und alle diese Tausende waren eines schmählichen Todes gestorben, nicht durch das Schwert ihrer Feinde, sondern durch die Hand Gottes, erstarrt vom eisigen Hauch des Nordens. Wir fühlten es Alle recht lebhaft: ,das hat der Herr gethan! der Herr mächtig und groß. Nur er ist Gott! und alles muß sich beugen unter seiner gewaltigen Hand.'"^ Besonders eine borussophil orientierte Geschichtsschreibung hat sich über die Herausbildung dieser Erfahrung verhältnismäßig wenig Gedanken gemacht. Man sprach abkürzend von dem Eindruck eines „Gottesurteils", konzedierte allenfalls eine bald vorübergegangene Begeisterung für die Russen als Befreiet und ging dann rasch zur Tagesordnung über, indem ' Verordnung über die Organisation der Landwehr, in: Amts-Blatt der Königlichen Kurmärkischen Regierung. Potsdam 1813 S. 152-160, Zitat 152. ' Lehmann, Schamhorst 2 S.536. ' Christian Wilhelm Spieker, Gebete, Predigten und Reden. Berlin und Leipzig 1816 S. 77 (Predigt zum Kriegsbeginn). * Treitschke, Geschichte 1 S.387, 416f. Bedeutend korrekter, wiewohl keineswegs russophil, Beitzke, Geschichte 1 S. 66-224.
Preußen im Jahr 1812
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man sich speziell der preußischen bzw. deutschen Leistung des Befreiungsjahres 1813 zuwandte.^ Demgegenüber zeigt jedoch die Beschäftigung mit den Quellen, vor allem der Tagesliteratur, ein anderes Bild.^ Und zwar stellt sich die Frage, ob auf dem Wege des russischen Vormarsches nach Deutschland hinein im "Winter und Frühjahr 1813 nicht zugleich auch gezielt und erfolgreich Einfluß genommen wurde auf die sich ausbreitende religiöse Einschätzung der Zeit. Natürlich kann die Untersuchung diesen Einfluß nicht im einzelnen aufrechnen, aber sie möchte, mehr als bisher geschehen, auf ihn als eine bedenkenswerte Tatsache hinweisen. Zuvor ist allerdings noch ein anderer Schritt nötig: Es ist wenigstens ein kurzer Blick auf das zeitliche Vorfeld der Erhebung zu werfen. Erst auf diesem Hintergrund wird klar, daß die Zeitgenossen später die eigene Erhebung nur mit Staunen betrachten konnten.
1.1. Preußen im Jahr 1812 Ältere Literatur hat die Zeit zwischen dem Tilsiter Frieden von 1807 und der Erhebung von 1813 mit Vorliebe unter dem Aspekt einer Regeneration des preußischen Patriotismus behandelt. Unterdessen nimmt die neuere Forschung demgegenüber sehr viel kritischer Stellung^: Die „sieben unglücklichen Jahre" hätten nicht ein beharrliches Hinarbeiten auf den künftigen Befreiungskampf beinhaltet, sondern seien vielmehr für weite Teile der Bevölkerung zunehmend mit dem Gefühl der Depression und dem Eindruck eines nicht aufhaltsamen Bergab verbunden gewesen. Zur Veranschaulichung dieser Beobachtung muß man sich folgendes klarmachen: Seit 1807 existierte Preußen als Staat von Napoleons Gnaden. Die Fortdauer als politisches Gebilde war ungewiß. Auf dem an Ausdehnung und Bevölkerung etwa um die Hälfte verkleinerten Land lastete eine Kriegskontribution in der Höhe von 140 Millionen Francs, eine Summe, die zu begleichen praktisch unmöglich war. Die Kontinentalsperre lähmte - anders als teilweise im benachbarten Sachsen® - Handel und Gewerbe. ' Typisch für die Eliminierung die Darstellungen von C.v. Zepelin, Hermann Müller-Bohn, Theodor Rehtwisch/Karl Bleibtreu und Tim Klein. ' Юassisch nach wie vor die Publikation von Paul Czygan, Geschichte der Tagesliteratur während der Freiheitskriege 1-2. Leipzig 1909/1911. ' Vgl. die neue, grundlegende Untersuchimg durch Bernd von Münchow-Pohl, Zwischen Reform und Krieg. Untersuchungen zur Bewußtseinslage in Preußen 1809-1812 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 87). Diss. hist. phil. Göttingen 1984. Göttingen 1987. » Rudolf Kötzschke/Heilmut Kretzschmar, Sächsische Geschichte. Frankfurt/M. 1965 S.216.
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Rußland - das vor Augen liegende Beispiel
Allgemein seufzte man unter der immer wieder angezogenen Steuerschraube. Die zur Reorganisation des Staates eingeleiteten Reformen waren unfertig liegen geblieben. Ihr Wert war im Urteil der öffentlichen Meinung geteilt. Man lehnte sich gegen Maßnahmen der Behörden auf und wollte sich über sie beim König beschweren. Es gab lokale Unruhen, gegen die auch Militär eingesetzt wurde. Man beklagte den Mangel an Patriotismus, und umstritten war der Schritt, als aktive Offiziere angesichts des aufgezwungenen Militärbündnisses mit Frankreich in russische Dienste überwechselten. Letzter Schock war die brutale Art, in der Napoleon Preußen zum Aufmarschgebiet für seinen Krieg mit Rußland benutzte: nicht endenwollende Durchmärsche, unbarmherzige Requisition und als Hinterlassenschaft oft völlige Armut. "Weniger einfach ist hingegen eine Beschreibung der Frömmigkeit in diesen schweren Jahren. Es gab lutherische, reformierte und auch pietistische Positionen', letztere, wie in anderen deutschen Ländern, auch wohl hier bereits Apollyon (Offenb.9,11) mit Napoleon gleichsetzend^®. Indessen, was noch die Predigten von 1813 bis 1815 erkennen lassen - überwiegend haben wir vermutlich doch mit dem Geist der Spätaufklärung zu rechnen. Und dieses Konzept hatte es jetzt natürlich schwer, denn die Beschwörung einer allweisen Regierung Gottes oder die wiederkehrenden Ermahnungen praktischer Moral als der Weg zum Besseren besaßen oft nur wenig Bezug zu der Misere, in der man sich tatsächlich befand. Eher konnte sich schon vorhandene Unlust durch solche Ausführungen noch verstärken. Jedenfalls sollte man Erscheinungen moralischer Mobilisierung, wie sie zum Beispiel in Berlin, wo sie nebeneinander etwa von Hanstein, Schleiermacher und in anderer Weise vielleicht auch von Jänicke versucht wurde, oder in Königsberg, wo offenbar Borowski Einfluß auf das Königspaar ausübte", nicht als selbstverständlich auf die ganze Monarchie übertragen. Es existierten Inseln einer inneren nationalen Erhebung, die teilweise, wie der Charlottenburger Kreis, dem viele der bekannten Patrioten angehörten, auch bewußt religiöspolitisch geprägt waren'^. Aber wenn
' Ein Beispiel lutherischer Prägung ist der Vater von Carl Büchsei, vgl. des letzteren Erinnerungen aus dem Leben eines Landgeistlichen 1. Berlin 'l897 S. 11 u.ö. " In Dresden z.B. schon 1805, Hans-Joachim Schoeps, Aus den Jahren preußischer Not und Erneuerung. Tagebücher und Briefe der Gebrüder Gerlach und ihres Kreises 1805-1820. Berlin (West) 1963 S.420. " Vgl. Ruhlemann Friedrich Eylert, Charakterzüge und historische Fragmente aus dem Leben des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm ΙΠ. 1 und 3. Magdeburg 1842 und 1846 S. 214-123 bzw. 3,1 S. 87-91. " Günther Ott, Emst Moritz Arndt Religion, Christentum und Kirche in der Entwicklung des deutschen Publizisten und Patrioten (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn 2). Bonn 1966 S. 171 (mit Hinweis auf Aktenmaterial).
Preußen im Jahr 1812
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sogar in diesen Kreisen zuzeiten Verzweiflung auflcam, so möchte man das fast noch mehr für den Predigerstand annehmen, den man sich, der damaligen agrarischen Situation entsprechend, hauptsächlich in Dörfern und kleinen Städten amtierend zu denken h a t " . Den Prediger drückte nicht nur das wachsende ökonomische Elend seiner Gemeinden herab. E r befand sich zudem in einer unglücklichen Doppelstellung: Einerseits hatte er als Funktionär des Staates ergehende Auflagen öffentlich zu „sanktionieren" bzw. aufklärend für sie zu wirken, andererseits war er zugleich aber auch selbst Adressat dieser Verfügungen als Landwirt, Veφächter, Deputatsempfänger oder Grundstücksverwalter und daher häufig keineswegs besser gestellt als seine Gemeindeglieder'''. Für ihn wie seine Gemeinde hatte kirchliches und christliches Leben sich in den letzten Jahren zunehmend mühselig gestaltet. Mehr davon erfahren wir eigentlich erst aus dem Rückblick, nämlich als es um die Herausstellung der „Erhebung" von 1813 ging. Manches mag dabei - auch aus paränetischem Interesse - rhetorisch überhöht worden sein („Ach, meine Brüder und Mitchristen, wie tief waren wir gesunken"'^). Deshalb soll hier aus einem Zirkular zitiert sein, das noch vor dem Kriegsausbruch, aber bereits frei von französischem Druck, eine Analyse der alten und der neuen Zeit versuchte: „Was lange uns ein drückendes Verhältniß geschienen hat, das Unglück, worüber so Viele gemurrt und die Vorsehung angeklagt haben, ist, - wir können es nun sicher hoffen - von der allgütigen Weisheit über uns verhängt worden, um für uns die Quelle eines dauerhaften und reineren Glücks zu werden. Wer möchte es verkennen, daß diese traurigen Jahre, die wir verlebt haben, nothwendig waren, um den Egoismus, welcher die Herzen so vieler Menschen verderbt hatte, in seiner abscheulichen Blöße uns zu zeigen; um die Schlaffheit aufzuregen, in welche die Menschheit unter uns größtentheils versunken war; um verjährte Vorurteile zu erschüttern, welche den Weg zum Besserwerden versperrten, um uns erkennen zu laßen, daß es anders mit uns und in uns werden müsse; um zufriedener und glücklicher zu werden, um den Sinn für Religiosität, Vaterlandsliebe und Freiheit, ja für alles Gute, Schöne und Erhabene in uns zu erwecken, zu verjüngen und zu befeuern? Müssen wir nicht offenherzig bekennen, und ist es nicht laut anerkannt worden, daß wir krank waren und der " Der bekannte Aufsatz von Zschamack, Die Pflege des religiösen Patriotismus durch die evangelische Geistlichkeit 1806-1815, ist zu weitläufig orientiert und zudem auch unter dem Eindruck einer notwendigen neuen Regeneration (1921!) abgefaßt " Vgl. das ihm zur Lektüre verordnete Amts-Blatt der entsprechenden Provinzialregierung. - Daß .die soziale und theologische Hebung des „Predigerstandes" ein Dauerthema war, zeigt Erich Foerster, Die Entstehung der Preußischen Landeskirche unter der Regierung Friedrich Wilhelms des Dritten, nach den Quellen erzählt Ein Beitrag zur Kirchenbildung im deutschen Protestantismus 1. Tübingen 1905 passim. " Spieker, Predigten S.75 (nach der Kriegserklärung).
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Rußland - das vor Augen liegende Beispiel
Heilung bedurften? Nun wohlan, eine gütige Gottheit hat uns die Arznei gegeben, und wir fühlen es jetzt schon freudig, daß wir im Zustande der Genesung sind ! Es ist nun an einem Jeden unter uns, nach allen Kräften diese Genesung zu befördern und zu schaffen, daß daraus der Zustand einer kraftvollen Gesundheit entstehe."'^
1.2. Die Empfehlung des religiösen Volkskrieges Die Erwartungshaltung, die sich am Schluß des vorangegangenen Abschnitts aussprach, stellte auch den Anknüpfungspunkt dar, dessen sich die russische Propaganda bediente bei ihrer Agitation des religiösen Volkskrieges. Allerdings - und dieses Faktum ist bislang zu wenig einbezogen worden - kann man sich über Anliegen, Aussage und einschätzbare Wirkung dieser Propaganda wohl überhaupt nur ein angemessenes Bild machen, wenn man sich dazu die Rahmenbedingungen vergegenwärtigt, unter denen die damalige Propaganda erfolgte'^.
1.2.1. Die Ausbreitung
der
Propaganda
Der ungünstige Tilsiter Frieden hatte Preußens Beziehungen zu Rußland auf Dauer nicht belastet. Das Zarenreich blieb für die preußische Politik der wichtigste potentielle Verbündete gegen Napoleon. Auch die persönlichen Kontakte der Herrscherhäuser setzten sich fort; zur Jahreswende 1808/09 folgte das Königspaar einer Einladung nach Petersburg. Bei der Reorganisation des preußischen Heeres machte Friedrich Wilhelm III. wiederholt Anleihen bei der russischen Armee, etwa die Uniform oder die Regimentsfahne betreffend'®. Zunehmend wurde Rußland aber auch Zufluchtsort deutscher Patrioten. Geächtet von Napoleon, war der Freiherr vom Stein vom Zaren als Berater geholt worden. Er wiederum zog Arndt " Circular der K. Preuß. Regierung von Pommern an sämdiche Superintendenten, Stargard, den Ilten März 1813, in: Rußlands Triumpf oder das erwachte Europa, neu hg. von Ernst Lange. Berlin (Ost) 1953, S.285f. " Diese Fragestellung nicht berücksichtigt von Kunze, Volksstimmung, und im Verhältnis sehr knapp von Hans-Bernhard Spies (Hg.), Die Erhebung gegen Napoleon 1806-1814/15 (Quellen zum politischen Denken der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert). Darmstadt 1981. " Vgl. Gerhard Förster/Peter Hoch/Reinhold Müller, Uniformen europäischer Armeen. Berlin (Ost) 1978 S.42; Hans Delbrück, Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neidhardt von Gneisenau 1. Berlin ' l 9 0 8 S. 140f; Geschichte der königlich preussischen Fahnen und Standarten seit dem Jahre 1807 1. Bearb. vom Königlichen Kriegsministerium. Berlin 1889 S. 17, 133
Die Empfehlung des religiösen Volkskrieges
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nach, als er einen wirkungsvollen deutschen Publizisten benötigte. Und zu den Offizieren, die in Rußland Dienst genommen hatten, gehörten Clausewitz, Friedrich Dohna und Boyen, alles Männer, die in den Feldzügen 1812 und 1813 eine wichtige politische Rolle spielen sollten und die sämtlich Schüler Scharnhorsts waren, der im Frühjahr 1812 (!) hinsichtlich Napoleons gesagt hatte: „Seine Macht ist nicht so groß mehr."^' Schamhorst wie Gneisenau hatten, russischem Wunsche folgend, vor Ort Gutachten angefertigt, in welcher Weise dem militärischen Angriff Napoleons zu begegnen sei.^° Seit Anfang November 1812 nahmen die an sich nur spärlich fließenden Nachrichten von der Großen Armee plötzlich überraschenden Charakter an. Es stand offiziell in der Zeitung, man habe Moskau geräumt^'. Mitte Dezember war von einer Schlacht an der Beresina zu lesen, und es wurde - zunächst wohl nur mündlich - bekannt, Napoleon sei gleich dem Dieb in der Nacht durch Preußen nach Paris geeilt. Und wieder einen Monat später verbreitete sich die Kunde von Yorcks Konvention, die man weithin als Beginn der Befreiung vom französischen Joch verstand. Und in der Tat war die bisherige Welt auch aus den Fugen, als man erst die wenigen schaurigen Elendsgestalten der Großen Armee sah und darauf die Vortrupps der Sieger, zumal die Baschkiren, bewaffnet mit - Pfeil und Bogen. Ende März 1813 reichte der russische Einflußbereich bis nach Norddeutschland (Hamburg) und Westsachsen^^. Dieses verhältnismäßig schleppende Vorrücken hatte seine Ursache einmal in der Tatsache, daß auch die russische Armee durch den vorangegangenen Feldzug stark in Mitleidenschaft gezogen war und westwärts zunächst lediglich durch Streifkorps agieren konnte. Indessen hauptsächlich lag die Schuld bei dem preußischen Kabinett, das zwar inzwischen rüstete, aber noch lange auf eine unblutige Vermittlerrolle hoffte und zudem mit Rußland langwierige Verhandlungen wegen der Grenzregelung nach dem Kriege führte. Andererseits jedoch bot gerade dieser anhaltende Schwebezustand, der auf immer umfänglichere Landesteile zutraf (nur in Ostpreußen hatte man sich selbst geholfen) und der einer politisch längst unruhigen, zu Aktionen bereiten Bevölkerung eine klare Stellungnahme schuldig blieb, die denkbar besten Voraussetzungen für eine Agitation, wie jetzt die russische, die unverhüllt zum nationalen Krieg gegen die Franzosen drängte.
" Lehmann, Scharnhorst 2 S.447. » Ebd. S. 402-415, 463; Gerhard Förster/Christa Gudzent (Hgg.), Gneisenau. Ausgewählte Schriften. Berlin (Ost) 1984 S. 214-233. " Die Daten nach Lehmann, Schamhorst 2 S.464. " Zum militärischen Geschehen Heinz Helraert/Hansjürgen Usczeck, Europäische Befreiungskriege 1808 bis 1814/15. Militärischer Verlauf. Beriin (Ost) 1976 S.203-222.
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Rußland - das vor Augen liegende Beispiel
Daß eine deutsche Erhebung maßgeblich durch eine gezielte Publizistik beeinflußt werden müsse, war schon Steins Konzept in Rußland gewesen. Als Werbung unter Kriegsgefangenen, die in die Russisch-deutsche Legion eintreten sollten, hatte deshalb sein Mitarbeiter Arndt die „Glocke der Stunde" und für die Legion selbst den „Kurzen Katechismus für den teutschen Soldaten" geschrieben und dazu nationale Lieder verfaßt, wie „Der Gott, der Eisen wachsen ließ / der wollte keine Knechte". Flugschriften waren auch schon 1812 offenbar über das Yorcksche Korps nach Preußen gelangt, bzw. hatten ihren Weg über die Ostseeküste genommen^^. Was aber nun seit Januar 1813 sich an Publizistik über die Grenzen ergoß, das hatte es vergleichsweise bisher nicht gegeben. Erste Verteiler waren die Streifkorps, die eine Flut von Ein- oder Faltblattdrucken (aber auch schon wieder in Heften gesammelt, wie „Rußlands TriumpP), kleine Broschüren, Zeitungen, naive Bilder und Karikaturen (auch zweisprachig) unter die Leute brachten. Ihr Inhalt bewirkte im damaligen Sinn des Wortes tatsächlich „Aufregung", wobei als Problem entstand, daß den spontan ausgelösten Erhebungen dann der notwendige militärische Rückhalt fehlte, wie beispielsweise im Yorckschen Hauptquartier an dieser Praxis bemängelt wurde^·*. Die Verbreitung solcher Flugschriften beschränkte sich nicht auf Maßnahmen unmittelbar russischen Einflusses: Als die Russen Mitte Februar eben die Überquerung der Oder begannen, da kopierte man bereits handschriftlich in Dresden die wohl gefragteste Schrift des Winters, den „Rückzug der Franzosen" von PfueF^. Überall dort, wo in der Folge die Presse wieder frei wurde, erschienen insbesondere die Aufrufe der militärischen Instanzen jetzt auch in den Zeitungen, das gesamte Material dagegen fand Aufnahme in den ersten Heften sich neu etablierender Zeitschriften. Dieses Phänomen ist mit entsprechender zeidicher Verschiebung durch ganz Deutschland hindurch zu beobachten^^. Seine intensivste Phase hatte es im Frühjahrsfeldzug, aber die Aktualität blieb, ja erhöhte sich, weil die einst ausgesprochenen Verheißungen inzwischen den Stempel der Bestätigung trugen.
" E. Lange in Einleitung zu Rußlands Triumpf S.20f, 18. " Droysen, York 2 S.9; bes. das Land westlich der Elbe betreffend S.37. " Anna und Emma von KUgelgen (Hgg.), Helene Marie von Kügelgen. Ein Lebensbild in Briefen. Stuttgart 1912 S.182. - Ernst v. Pfuel, preußischer Offizier, 1812 russischer Major, schrieb den Bericht unmittelbar während der Verfolgung, abgeschlossen in Wilna. " Z.B. Das neue Deutschland. Heft 1-9. Hg. von den Gebrüdern Gädicke. Berlin 1813/И. Neu hg. von Ernst Lange. Berlin (Ost) 1953; Aktenstücke für die Deutschen, oder Sammlung aller officiellen Bekanntmachungen in dem Kriege von 1813. Heft 1-4. Dresden o.J. [1813]; Deutsche Blätter Nr. 1-254. Hg. von Friedrich Arnold Brockhaus. Leipzig und Altenburg 1813/14; Rußlands Triumpf, Neudruck Jahreswende 1813 unter verkürztem Titel Das erwachte Europa.
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"Wie schon angedeutet, beruhte nicht zuletzt die Effektivität der russischerseits vertriebenen Publizistik auch auf ihrer Vielseitigkeit. Nur zum Teil genuin nationalrussischer Herkunft, war der Beitrag deutscher Feder, die in russischem Dienst wirkte, erheblich. Nachträglich könnte man das Corpus der Flugschriften vielleicht folgendermaßen beschreiben: Eine große Gruppe bildeten die Summe von Armeebefehlen an die eigenen Truppen bzw. die Aufrufe an Deutschlands Bevölkerung, die aus dem Hauptquartier des Zaren bis hinab zu dem der Streifkorpsführer datierten. Adressaten waren die Deutschen allgemein, speziell aber auch die Preußen, Sachsen und die Bewohner westlich der Elbe^^. Ergänzend dazu äußerten sich ebenfalls offiziös oder privat engagierte Patrioten. Eine zweite große Gruppe hatte ihren gemeinsamen Nenner in der Vermittlung von akuteller Information. Erzählt wurden der Hergang der Katastrophe, kommentiert die französischen Falschmeldungen, Details berichtet von der beispielhaften Haltung der russischen Bevölkerung, die notwendige Nationalbewaffnung erklärt. Zuzüglich gab es Ansätze einer „Bildberichterstattung"^®, nicht ohne Naivität und hinübergleitend in die oft bunte Welt der Karikaturen. Ein vollständiges Bild erhält man jedoch erst, wenn das vielerlei Kleinund Юeinstschrifttum einbezogen wird^': also etwa die politische Posse voll ätzenden Spotts, fromme oder höhnische Lieder und Gedichte, auch ein Gebet, das Metropolit Piaton angesichts des brennenden Moskau sprach^®, ein Briefwechsel des Zaren mit diesem Metropoliten^^, und es fehlte, wie häufig in Zeiten nationaler Leidenschaft, ebenfalls nicht die Travestie, so als Beispiel „Napoleon und der böse Geist" unter Rückgriff auf Jesu Versuchung (Mt. 4,1-11)". Besonders hinzuweisen im vorliegenden Zusammenhang ist schließlich auch auf Arndt und Kotzebue. Mit dem russischen Bevollmächtigten Stein zusammen am 22. Januar in Königsberg eingetroffen, widmete sich Arndt sofort mit ganzer lö-aft der publizistischen Mobilisierung der Bevölkerung. " Am vollständigsten gesammelt durch die Aktenstücke; außerdem Das neue Deutschland und Rußlands Triumpf; einige Faksimiles bei Friedrich Schulze (Hg.), Urkunden der Deutschen Erhebung. Originalwiedergabe in Faksimiledrucken der wichtigsten Aufrufe, Erlasse, Flugschriften, Lieder und Zeitungsnummern. Als Ergänzung aller Erinnerungsschriften. Leipzig 1913; auch Friedrich Nippold (Hg.), Erinnerungen aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Hermann von Boyen 3. Leipzig 1890 S. 265-269; Spies, Erhebung S. 246-254. " Einige Beispiele bei Friedrich Schulze (Hg.), Die Franzosenzeit in deutschen Landen. Von Wort und Bild der Mitlebenden 2. Leipzig 1912, S.31, 53, 69; ders., 1813-1815. Die deutschen Befreiungskriege in zeitgenössischer Schilderung. Leipzig 1912 Tafel 14, 18. Vgl. die hier beigegebenen Abbildungen (im folg.: Abb.) 1-4. " Bei Czygan, Tagesliteratur 1 passim; auch in den drei ersten Heften von Rußlands Triumpf. Czygan, Tagesliteratur 1 S. 165; deutsche Übersetzung in gereimten Versen. ' ' Thema: Rußland kämpft als David gegen Goliath, Kunze, Volksstimmung S.23, 25. " Bei Czygan, Tagesliteratur 1 S.177f.
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Rußland - das vor Augen liegende Beispiel
Vorhandene Texte wie die „Glocke der Stunde"^^ und der „Katechismus" wurden der Öffentlichkeit neu zugänglich gemacht, die kriegerischen Lieder vermehrt, wobei den Texten häufig bekannte Choralmelodien unterlegt waren^"*. Eine bislang ungehörte leidenschaftliche Sprache redete der Aufruf „An die Preußen" (als erste Beteiligte der deutschen Erhebung angesprochen)^^, und es erschien als Agitationsschrift für die in Ostpreußen einsetzende allgemeine Rüstung „Was bedeutet Landsturm und Landwehr?"^^. Diese Schrift und ebenso der im Laufe des Jahres nochmals überarbeitete „Katechismus" gewannen durch wiederholte Nachdrucke in ganz Deutschland eine Verbreitung, die nach Zehntausenden zählte^^ und maßgeblich dazu beitrug, daß Arndt - hinzu kam noch weiteres Schrifttum^® - zum erfolgreichsten Publizisten unter seinen Kollegen während des Befreiungsjahres wurde^'. Ein großes Publikum besaß jedoch auch Kotzebue. In Deutschland hatte er sich bisher vor allem einen Namen gemacht als erfolgreicher Autor von Lustspielen, und mit einem solchen, der politischen Posse „Der Flußgott Niemen und noch Jemand", wartete er auch zum Jahreswechsel auf"*". Sodann, attachiert dem Hauptquartier
" Der Text selbst (Nachdruck) Rußlands Triumpf S. 139-158, 188-198, 236-263. " Ernst Moritz Arndt, Werke in Auswahl 1-12. Hg. von August Leffson/Wilhelm Steffens. Berlin usw. o.J. [1912] 1 S. 100-127, 12 S. 178-185. Arndt greift hauptsächlich auf solche Melodien zurück, die schon im (preußischen) Militärkirchenwesen Verwendung hatten, vgl. Sammlung geistlicher Lieder für christliche Soldaten in Kriegs- und Friedenszeiten nebst einem Anhang von Gebeten, Potsdam 1780; außerdem Geistliche Lieder für Soldaten beim Feldgottesdienst und zur eigenen Erbauung. Von einem Feldprediger. O. O. 1813. " Werke 10 S. 163-170; Faksimile Schulze, Urkunden Nr. 2; Textbeilage (im folg.: Tb.) 1. " Schulze, Urkunden Nr.3; auch bei Rolf Weber (Hg.), Drei Flugschriften von Emst Moritz Arndt. Berlin (Ost) 1988 (als Reprint: Kurzer Katechismus für teutsche Soldaten; Zwei Worte über die Entstehung und Bestimmung der Teutschen Legion; Was bedeutet Landsturm und Landwehr?); Werke 10 S. 171-186 ( = Ausgabe 1815); auch außerhalb Ostpreußens regierungsamtlich verbreitet; in der Kurmark (Potsdam, 24.3.1813) über die Superintendenturen in die Parochien, DStA Brandenburg, BED 139/250 S. 114, 121-124. " Vgl. Rudolf Müller, Geschichte von Arndts Schrift „Was bedeutet Landsturm und Landwehr"? in: Nord und Süd 123. 1907 S. 224-253. Zum „Katechismus", überarbeitet unter dem Titel „Katechismus für den teutschen Kriegs- und Wehrmann, worin gelehret wird, wie ein christlicher Wehrmann sein und mit Gott in den Streit gehen soll", mit einschlägiger Literatur, Graf, Nachahmung S. 119-131. Arndt, Werke 10 S. 113-129, 132-162. " Wichtig im vorliegenden Zusammenhang auch „Geist der Zeit III", 1813 (Werke 8 S. 7-181), besonders aber ebenfalls, Pfuels Schrift verarbeitend: Kurze und wahrhaftige Erzählung von Napoleon Bonapartens verderblichen Anschlägen, von seinen Kriegen in Spanien und Rußland, von der Zerstörung seiner Heeresmacht und von der Bedeutung des gegenwärtigen teutschen Krieges: ein Büchlein dem teutschen Volke zum Trost und zur Ermahnung gestellt. Germanien 1813. " Nur Eingeweihte wußten von der Autorschaft; die Schriften erschienen bis in den Herbst 1813 anonym. « Zuerst Reval 1812; Nachdrucke, u.a. in Rußlands Triumpf S. 158-170; Vorbild für ähnliche Possen.
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Wittgensteins, war er beteiligt an der Abfassung von Aufrufen'^^ und wurde am 26. März mit der Herausgabe eines „Russisch-Deutschen Volks-Blattes" beauftragt"*^. Durch ihre Art der Aufmachung fand diese Zeitung viel Beifall, wie die von weither eingesandten Leserbriefe beweisen, die vom Herausgeber seinerseits dazu benutzt wurden, sich eine Gemeinde zu schaffen, die mit ihm in der Entfaltung patriotischen und zugleich auch religiösen Sinnes mitunter förmlich wetteiferte. Insofern liegt hier ein anschaulicher Beleg vor, daß die russische Orientierung auf den religiösen Volkskrieg im öffentlichen deutschen Bewußtsein ein positives Echo fand.
1.2.2. Die Hauptthemen
der
Argumentation
An der bereitwilligen Aufnahme der Propaganda aus dem russischen Lager ist kein Zweifel. Jedoch was machte sie so anziehend? Die Antwort darauf soll in Form eines Konspektes versucht werden: Zunächst, die Entdeckung eines ergangenen Gottesgerichtes hatte man auch ohne die Anwesenheit der Russen gemacht. Aber es war dann doch noch etwas anderes, wenn die Russen selbst sich in immer neuen Formulierungen zu diesem Urteil bekannten und so bewußt dem militärischen Triumph religiösen Charakter einräumten. Zwar fehlten bei der Beschreibung des Sieges Hinweise auf das „Schwerdt der Russen" und auf die an den Tag gelegte eigene Tapferkeit und Ausdauer nicht. Aber man beschrieb dieses Handeln eingebunden in den Akt der Demut, die vertrauensvoll alles von Gott erwartet hatte und nunmehr über die Maßen sichtbar gesegnet worden war. Der Zar verfiel diesbezüglich bei seiner Proklamation Weihnachten 1812 fast in die Rolle eines Predigers"*^, und zumeist versuchten die anderen Aufrufe, den auffällig frommen Ton ebenfalls zu treffen"*"*. Doch nicht nur die offiziellen Verlautbarungen führten diese, deutschen Zeitgenossen damals ungewohnte Sprache, sondern unterdessen holte nahezu alles, was als Flugschrift im Lande kursierte, in irgendeiner Weise Gott in das politische Geschehen hinein, das schlichte Lied nicht weniger als die monumentalen Sätze eines Arndt. Mitgeteilt wurde zugleich, weshalb sich Gott auf so außergewöhnliche Art eingeschaltet habe: Es ging ihm um die Wiederherstellung seines, der " Russisch-Deutsches Volks-Blatt. Hg. von August von Kotzebue. Berlin 1813. Neu hg. von Ernst Lange. Berlin (Ost) ^1953 S. 16. " Erschienen in 39 Nummern und 10 Ergänzungsblättern vom 1.4.-29.6.1813. (Zitiert: Russ.-Dt.Volks-Bl.). " Nippold, Erinnerungen Boyen 3 S. 265-269. ** Die Aufrufe aus dem Hauptquartier Wittgensteins sind von verschiedener Hand, zwei davon, nicht religiös, von Kotzebue (!), vgl. Spies, Erhebung Nr. 59 u. 61; massiv frommer Ton dagegen Tb. 2 u. 3.
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Rußland - das vor Augen liegende Beispiel
Menschheit gegebenen Rechts, das von Napoleon durch die fortgesetzten Kriegszüge und Unterjochungen dem Einzelnen als auch ganzen Völkern gegenüber beispiellos mißachtet worden sei. Gottlos in seinem Handeln, befangen im Wahn der Unfehlbarkeit, trug er die Züge des Widergöttlichen, ja des Satanischen. Deshalb setzte Gott in Rußland ein Zeichen und begann das Gericht an dem, der mit seinen „Horden" an der Menschheit frevelte. Dankbar bekannte Alexander Ende 1812, die Bilanz des letzten halben Jahres ziehend: „Ich habe gesehen einen Gottlosen, der war trotzig und breitete sich aus und grünte wie ein Lorbeerbaum, da man vorüberging, da war er dahin; ich fragte nach ihm, da war er nirgend gefunden." (Ps. 37,35 f)"*^. Freilich, zu Ende war man noch nicht: „Gott hat der Welt ein herrliches und fröhliches Neues Jahr gegeben; er hat ein fürchterliches Gericht gehalten, er hat gnädig und gewaltig bewiesen, daß er noch der alte Gott ist und daß er stehet und streitet mit denen, die fest auf ihn bauen; er hat die Bösen geblendet, gestraft, zerschmettert, damit die Guten sich erheben und ermannen können.""*^. Es klang wie eine Theologie der Befreiung, die hier deutschen Ohren geboten wurde. Die wenigen Uberlebenden, von Gott so furchtbar gezeichnet, ließ man zumeist unangetastet vorüber"*^. Aber andererseits war die Legitimation für den nächsten Feldzug bereits gegeben: Man war nur mit Gott, handelte nur an seiner Seite, wenn man sein Werk vollenden half. Dieses einvemehmliche Handeln mit Gott setzte allerdings auch Normen für das eigene Verhalten. Selbst wer die Elendsgestalten der Großen Armee nicht persönlich gesehen hatte, las mit Schaudern, wie es dem Gottlosen erging: „... hier sah man Scenen des Gräuels, wie sie noch nie erlebt worden sind; von Rauch und Schmuz ganz schwarz, schlichen sie wie Gespenster auf den Brandstätten unter ihren todten Kameraden herum, bis sie hinfielen und starben. Mit bloßen Füßen, in denen der Brand schon war, hinkten manche noch auf dem Wege bewußtlos fort, andere hatten die Sprache verloren und viele waren vor Hunger und Kälte in eine Art wahnsinnige Betäubung gefallen, in welcher sie Leichname rösteten und verzehrten, oder sich selbst Arme und Hände benagten. Manche waren so schwach, daß sie nicht einmal mehr Holz herantragen konnten, diese saßen auf ihren todten Gefährten, dicht gedrängt um irgend ein kleines Feuer, das sie gefunden, herum, und starben, so wie dieses erlosch. Im Zustande der Bewußtlosigkeit sah man sie freiwillig ins Feuer hinein kriechen wimmernd sich verbrennen, in der Meinung sich zu wärmen, und andere ihnen nachkriechen und den nämlichen Tod finden."*® Impliziert war diesem schrecklichen Geschehen " « *' "
Nippold, Erinnerungen 3 S.266. Arndt, An die Preußen (Tb.l) Vgl. Münchow-Pohl, Zwischen Reform und Krieg S.377f. Pbel, Rückzug der Franzosen, in Rußlands Triumpf S.56.
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die Warnung, sich des Auftretens der „bonapartischen Rotten" zu enthalten. Bei Übertritt der russischen Truppen auf preußisches Gebiet wurde diesen eingeschärft (und der deutschen Bevölkerung ebenfalls bekannt gemacht): „Aber laßt uns nicht das Beispiel unserer Feinde in ihren Grausamkeiten und in ihrer Zügellosigkeit, die den wahren Soldaten erniedrigt, nachahmen. Sie verbrannten unsere Häuser, sie schändeten unsere Heiligtümer, und ihr seht es, wie die Rechte des Höchsten gerechte Rache für ihre Schandtaten über sie ausgoß. Laßt uns großmüthig seyn. Laßt uns einen Unterschied machen zwischen dem Feinde, und dem ruhigen Bürger.'"^' Mit anderen "Worten: Übermut und Frevel würden das Werk abbrechen, das Gott in Rußland begonnen habe und an dem teilzunehmen jeder Rechtschaffene und Freiheitsliebende aufgerufen sei. Man konnte jetzt nur noch fromm sein, wie die Russen im letzten Feldzug, oder dem Verderben anheimfallen, wie den Franzosen geschehen war. „Das ganze Volk ergrimmte, rüstete und bewaffnete sich; sie beteten zu Gott, knieeten an den Altären, zeichneten sich in den Kirchen mit dem heiligen Kreuze für den heiligen Krieg, ließen sich und ihre Fahnen durch priesterliche Gebete und Segen weihen, und so zogen sie gegen den Feind: Leben und Gut, Städte und Dörfer - alles gaben sie in Blut und Feuer dahin, damit ihr Land gerettet, der Feind vertilgt und ihr Schwur erfüllt würde. Was diese tapfem Bauern und Bürger in Rußland und Pohlen Löbliches und Gewaltiges gethan und wie sie das Reich aufgerichtet und erhalten; wie auch mit ihnen der Adel, die Priester, die Beamten einmütig und gemeinschaftlich gestritten, gearbeitet und gewirkt haben - das wird die Geschichte einst mit goldenen Buchstaben schreiben. So ging das französische Heer unter, gegen solche Frömmigkeit und solchen Muth konnte Bonapartens Bosheit nicht bestehen ..."^o. Und an anderer Stelle sagte Arndt: „Wohlan! ihr habt das Beispiel, so gebt auch das Beispiel."^' Und noch einen Schritt weiter war es gedacht, wenn am Beginn des Frühjahrsfeldzuges Wittgenstein den „deutschen Jünglingen und Männern" zurief: „Gott war mit den Russen! Gott wird mit Euch seyn!"^^ Und schließlich - alles, was man damals aus dem russischen Lager hörte oder las, erhielt zudem einen Realitätsbezug durch die Präsenz der Russen. Noch unter den Augen der Franzosen hatte der deutsche Buchhandel Informationen über Rußland, auch Sprachführer und Wörterbücher (!) angezeigt^^. Dann aber, von fernher als Befreier erwartet, kamen sie selbst. " Armeebefehl Kutusows, 21.12.1812, in Rußlands Triumpf S.97; ähnlich in den anderen gleichlaufenden Armeebefehlen. " Was bedeutet Landsturm und Landwehr? S.5, Schulze, Urkunden Nr.3; Werke 10 S . 1 7 5 f ; auch vgl. Tb. 1. " An die Preußen ( T b . l ) . " Vgl. .Tb. 2. " Beitzike, Geschichte 1 S. 183, für Berlin seit dem 21. Januar 1813; dasselbe in Sachsen,
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Rußland - das vor Augen liegende Beispiel
durch ihren Gesang wie eine „reitende Kirche" wirkend^"^, als Feldzeichen führten sie Heiligenbilder auf Standarten^^. Und gar die Feldgottesdienste, in denen bis hinauf zum Zaren das ganze Heer demütig auf die Knie fiel! Wer mußte da nicht an das hohle Gepränge der Franzosen etwa beim Siegesdank denken^^? Sonderlich die Presse, soweit sie wieder frei war, wurde nicht müde, die fromme Art der Russen hervorzuheben^^, wobei die Abgrenzung gegenüber Franzosen und Napoleon nicht fehlte und am fast beliebigen Beispiel erörtert wurde, wie religiöser Sinn sich überall in der Monarchie zu regen begonnen habe^'. 1.2.3. Die Angleichung
an das russische
Konzept
In der zweiten Hälfte des März nahm für Preußen die politische Ungewißheit der letzten drei Monate ein Ende. Genötigt von seinem Volk, war der König am 28. Februar zunächst geheim und am 17. März öffentlich an die Seite Rußlands getreten. Dabei handelte es sich nicht nur um eine politische Geste, besonders wenn man an die Frömmigkeitsstruktur von Friedrich "Wilhelm III. denkt^', daß damit zugleich auf das ideologische Konzept der Russen eingeschwenkt wurde. Wie anderswo, prägte jetzt auch in Breslau die Anknüpfung an das „Russische" das Bild. Spontan übernahmen die sich hier versammelnden preußischen Streitkräfte, voran die Freiwilligen Jäger, das dreifache Hurra des siegreichen Verbündeten und begrüßten mit diesem Ruf in langem Spalier den Zaren, als dieser die schlesische Hauptstadt besuchte^®. Eine preußische Gardekosaken-Schwadron wurde aufgestellt^'. Und als die Reformer nun ihre lange gehegten vgl. Heinz Füßler (Hg.), Leipzig 1813. Die Völkerschlacht im nationalen Befreiungskampf des deutschen Volkes (Leipziger Stadtgeschichtliche Forschungen 3). Leipzig 1953 S. 57f. Der Ausdruck in Leipzig, vgl. Christoph Heinrich Ludwig Hußell, Leipzigs Geschichte seit dem Einmarsch der Verbündeten im April 1813 bis zur großen Völkerschlacht im Monat Oktober. Leipzig 1814 S. 39. '' Zwei Originale in der Russischen Gedächtniskirche des Hl. Alexius in Leipzig. " Typisch für solche Reflexionen etwa „Verehrung Gottes und Siegesdank bei dem französischen und russischem Militair", Das neue Deutschland S. 152f, ebd. 153; ähnlich Russ.-Dt.Volks-BI. z. B. S. 107 (ebenfalls April). " Daß man Anstoß besonders am Auftreten der Kosaken nahm, die als irreguläre Truppen zu ihrer Versorgung auch gewaltsam vorgingen, gehört einer späteren Zeit des Jahres an; dazu auch Karl-Heinz Börner (Hg.), Vor Leipzig 1813. Die Völkerschlacht in Augenzeugenberichten. Beriin (Ost) 1988 S.29 u.ö. " Tenor z. B. im Russ.-Dt.Volks-BI. " Vgl. Eylert, Charakterzüge 1 bes. S.220. Ludwig von Jordan (Hg.), Heinrich von Jordan. Erinnerungsblätter und Briefe eines jungen Freiheitskämpfers aus den Jahren 1813 und 1814. Beriin 1914 S.29 u. 31. " In originaler Abbildung bei Georg Ortenburg, Mit Gott für König und Vaterland. Das preußische Heer 1807-1914. München 1979 S.46f; auch Förster/Hoch/Müller, Uniformen S.174f.
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Pläne einer Nationalbewaffnung verwirklichen konnten, erhielt diese, nur unterschieden in der Farbe, als Zeichen das russische Landwehrkreuz^^. Anstelle der Inschrift „Für Glaube und Zar" hatten sie „Wehrlos, ehrlos" vorgeschlagen^^. Doch der König verordnete in letzter Minute eigenhändig „Mit Gott für König und Vaterland"^'*. Wie eingangs des Kapitels schon angedeutet, wurde es in offiziellen Erlassen nunmehr überhaupt gebräuchlich, Gott einen festen Platz im politischen Geschehen zu geben: Alle wichtigen Aufrufe dieser Breslauer Tage („An Mein Volk", „An Mein Kriegsheer", „Verordnung über die Organisation der Landwehr", „Urkunde über die Stiftung des eisérnen Kreuzes") haben den neuen Sprachgebrauch. Aber auch die Propaganda des russischen Lagers, vornehmlich in der Agitation des religiösen Volkskrieges, erfuhr durch die Entscheidung in Breslau gleichsam eine zweite Blüte. Zwar war für Preußen die Zeit der proklamierten „Franzosenjagd" fast gänzlich vorüber, denn die Bedrücker waren inzwischen über die Elbe hinaus oder saßen eingeschlossen in einigen noch behaupteten Festungen des Landes. Doch die Vorstellung von einer allgemeinen, religiös geprägten Erhebung war nunmehr legalisiert. Was bislang als Eigenart des russischen Lagers gegolten hatte, wandelte sich " Die Übernahme eines - modifizierten - Kreuzes bereits wiederholt in den Verhandlungen um die Königsberger Landwehrordnung, vgl. Adalbert Bezzenberger, Urkunden des Provinzial-Archivs in Königsberg und des Gräflich Dohnaschen Majorats-Archivs in Schlobitten betreffend die Erhebung Ostpreußens im Jahre 1813 und die Errichtung der Landwehr. Königsberg 1894 (im Anhang übrigens die Petersburger Landwehrordnung); außerdem C. Krollmann (Hg.), Landwehrbriefe 1813. Ein Denkmal der Erinnerung an den Burggrafen Ludwig zu Dohna-Schlobitten. Danzig 1913 S.61 f, 65 f; auch Arndt, Was bedeutet Landsturm und Landwehr?, Werke 10, S. 179. Schließlich in Breslau verordnet wurde für Ostpreußen die römische Form, ansonsten die griechische, vgl. Carl Friccius, Geschichte des Krieges in den Jahren 1813 und 1814. Mit besonderer Rücksicht auf Ostpreußen und das Königsbergsche Landwehr-Bataillon 1. Altenburg 1843. S.95. Das russische Landwehrkreuz war aus Messing, das preußische von „weißem Blech". Die Formengleichheit mit dem Eisernen Kreuz, dessen Geschichte samt der typischen Form in die Zeit vor (!) 1813 zurückreichen (vgl. Georg Heinrich Pertz,'Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt von Gneisenau 2. Berlin 1865 S. 128: eigenhändige Zeichnung des Königs bei Durchsicht des Insurrektionsplanes von Gneisenau 1811), ist schuld an falschen Erklärungen, wie die von Hans-Joachim Schoeps, Preußen. Geschichte eines Staates. Berlin (West) ^1967 S. 140, wo es heißt, der dekorierte Landwehrmann habe das Eiserne Kreuz an seinem Tschako tragen sollen; dieser Fehlschluß geht zurück auf eine undeutliche Formulierung von Lehmann, Scharnhorst 2 S. 562. " Die Formel war älter; vgl. Friedrich Ludwig Jahn, Deutsches Volkstum. Leipzig o.J. (Reclam) S. 186, der sie schon vor 1810 kennt. " Zum ganzen Vorgang als Beteiligter Theodor Gottlieb von Hippel, Beiträge zur Charakteristik Friedrich Wilhelms ΙΠ. Bromberg 1841 S.67. - Auch während des Krieges orientierte sich der König mehrfach am frommen militärischen Brauchtum der Russen: Einführung des Gebetes bei Reveille und Zapfenstreich, Erich Schild, Der preußische Feldprediger 2. Halle 1890 S.259f; Kriegsauszeichnung von Regimentern durch das Eiserne Kreuz an der Fahnenspitze, Geschichte der Kgl. Preußischen Fahnen 1, S. 23f; die Kriegsdenkmünze mit der Inschrift „Gott war mit uns. Ihm sey die Ehre." Abbildung bei Ortenburg, Mit Gott für König und Vaterland S. 53.
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Rußland - das vor Augen liegende Beispiel
fortan zum Grundstock der unterdes aus dem Boden schießenden deutschen Publizistik, wie sich beispielhaft an der Sammlung russischer Aufrufe im ersten Heft der Zeitschrift „Das neue Deutschland" (Mitte April) zeigt. Und nicht weniger sorgten etwa auch die massenhafte Verbreitung Amdt'schen Schrifttums, in einem Fall sogar vom Staat betrieben^®, oder das „Russisch-Deutsche Volks-Blatt" in seinen fortlaufenden Nummern dafür, daß eine Unterscheidung bald kaum noch möglich war. Der neue Nenner war der gemeinsame Krieg, und im Zusammenhang des nationalen Aufbruchs, den Preußen in den folgenden Monaten durchmachte, wurde aus dem anregenden Beispiel, von dem man nun seit Januar hörte und las, eine hilfreiche Orientierung für das jetzt notwendig eigene Denken und Handeln.
" Vgl. Anm. 36.
2. Mit Gott für König und Vaterland in den Krieg Die Breslauer Entscheidungen hatten in die Wege geleitet, daß der anhebende Kampf für die nationale Freiheit unter religiösen Vorzeichen zu führen sei. Für die Untersuchung entsteht daraus das Problem, daß sie es künftig mit einer großen Zahl von Einzelbereichen zu tun haben wird, zum anderen aber eine „Richtschnur" benötigt, um das Spezifische jenes Krieges im Blick behalten zu können. Deshalb greift sie auf das der Landwehr gegebene Wort „Mit Gott für König und Vaterland" zurück. Nicht nur galt dieses Wort späterhin den Zeitgenossen als Kurzformel des Erlebten', sondern auch schon seit seiner Einführung durch Friedrich Wilhelm III. besaß es in mehrfacher Weise subsumierenden Charakter: Für den König propagierte es den Anspruch, wie er aus seiner Sicht den Krieg geführt wissen wollte. Im öffentlichen Bewußtsein dagegen wandelte sich die ursprünglich der Landwehr zugedachte Devise sehr bald zur Chiffre, die überhaupt für den Vorgang der allgemeinen Erhebung stand. Und schließlich für beide Seiten gemeinsam, König wie Bevölkerung, sprach die Devise von der Hoffnung in einen Gott, der sich der nationalen Selbstbehauptung annehmen möchte. Das daraus entspringende Handeln soll nun zunächst bis an die Zeit des Waffenstillstandes verfolgt werden.
2.1, Die Devise „Mit Gott für König und Vaterland" Für Friedrich Wilhelm III. war der anstehende Krieg ein Abenteuer, das er lieber vermieden hätte. Das hatte verschiedene Gründe. So hatte er nicht nur wiederholt Zweifel angesichts eines immer noch übermächtigen Gegners^. Fragwürdig war ihm gleichfalls die Einrichtung der neuen Nationalbewaffnung. Gneisenau hatte er diesbezüglich erklärt, das alles sei „Poesie" und freiwillig werde keiner kommen'. Inzwischen hatte die ' Stellvertretend der Pfarrer von Gatersleben südlich Magdeburg, F.G.Nagel, Bilder aus der Heimath. Die denkwürdigen Jahre von 1806 bis 1815. Berlin (Ost) 1955 (Nachdruck von 1848) S. 195: „da wurde die Begeisterung - mit Gott für König und Vaterland! - zu einem Rausche, von welchem die spätere Zeit kaum eine Vorstellung hat oder haben wird." ' Bezeichnend die Äußerung während der Schlacht von Großgörschen: „Nun mag es werden, wie es will, ein Auerstedt wird es nicht.", Nippold, Boyen 3 S. 39. ' Randbemerkungen zum Insurrektionsplan von 1811, vgl. Pertz, Gneisenau 2 S. 137, und
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Befolgung des Aufrufs zur Bildung freiwilliger Jäger-Detachements das Gegenteil bewiesen. Doch dabei war es nicht geblieben: Die Verhandlungen mit Rußland waren noch nicht abgeschlossen, da erfuhr Friedrich Wilhelm in allen Einzelheiten, daß eine ganze Provinz seines Staates, ohne königliche Order abzuwarten, längst an der Entfaltung der Nationalbewaffnung arbeitete"*. Das grenzte bereits an revolutionären Geist. Und wenn nun schon Krieg sein mußte, und es dabei nicht ohne die allgemeine Bewaffnung ging, dann bedurfte gerade letztere wenigstens einer klaren Anbindung an die Krone. Auf diesem Hintergrund wird ohne Mühe verständlich, daß der König deshalb das allgemein gehaltene „Wehrlos, ehrlos" verärgert durch eine Formulierung eigener politischer Überzeugung ersetzte. Dabei sprach sich aus seiner Sicht das »König und Vaterland" keineswegs additiv im Sinne einer konstitutionellen Interpretation aus, sondern der Gebrauch unterstrich, was landläufig nun schon seit Generationen niit dieser Formel verbunden wurde, nämlich daß dem Vaterland recht zu sein habe, was der Monarch für dasselbe als angemessen erachte. „Treue und Anhänglichkeit an König und Vaterland" - das war, übrigens auch jüngst aus Ostpreußen^, die stereotype Versicherung, mit der man sich dem Monarchen näherte. Mit anderen Worten, der König erinnerte auf diese Weise an seine absolutistische Gewalt, appellierte im übrigen damit aber auch an den naiven Monarchismus, wie er sich, vielleicht weniger in den großen Städten, vor allem jedoch auf dem platten Land, tatsächlich vorfand^. Das Neue an der Devise war daher eigentlich nur die hier ausdrückliche Einbeziehung Gottes. Sie meinte nicht allein, daß man in dem der Obrigkeit geschuldeten Gehorsam Gott verantwortlich sei. Und sie übernahm ebenfalls nicht nur den Sprachgebrauch, der inzwischen in aller Munde war. Gleichermaßen verbarg sich dahinter auch ein Stück persönlicher Glaubenshaltung: Von Borowski hatte er einst in den Königsberger Tagen gehört, daß es Gott sei, der hinter dem Steigen und Sinken der Völker stehe^. Und die eben damals gelesene Inschrift „Meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in Gott" Friedrich Meusel (Hg.), Friedrich August Ludwig von der Marwitz. Ein märiiischer Edelmann im Zeitalter der Befreiungskriege 1. Beriin 1908 S.548. ' Graf Ludwig Dohna langte im Auftrag der Königsberger Ständeversammlung am 21. Februar in Breslau an und erhielt sofort beim König Audienz, vgl. Max Duncker, Preußen während der französischen Occupation in: Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde 8. 1871 S.789. ' In der Anrede des Begleitschreibens, das die Stände den getroffenen Maßnahmen beifügten, bei R. Bräuner, Geschichte der preußischen Landwehr 1. Berlin 1863 S.76. ' Bei den Unruhen 1809 in Schlesien rief man den König als Schutz gegen die Übergriffe seiner Beamten an, vgl. Münchow-Pohl, Zwischen Reform und Krieg S. 103-107; zur Vielfalt monarchischer Gesinnung ebd. S. 393-443 passim. ' Eylert, Charakterzüge 1 S.220; später hatte der König Borowskis Bild als Kupferstich in seinem" Schlafzimmer hängen, S. 215.
Die Devise „Mit Gott für König und Vaterland"
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wurde ihm zu einem Lieblingswort^ So blieb auch jetzt angesichts all des Ungewissen nur noch das Vertrauen auf Gott. Von alledem wußte man in der Öffentlichkeit natürlich nichts. Sie wurde mit der Devise bekannt im Rahmen der wichtigen Veröffentlichungen am Kriegsbeginn. Über die Hintersinnigkeit des Wortes wird man dabei nicht zuerst nachgedacht h^ben. Vielmehr war die Devise das zeitgemäße, jedermann eingängige Wort, welches zum Losschlagen aufrief, und das, sofem es nötig war, überdies die Aussöhnung mit der lange zögerlichen Haltung der Krone vollzog. 2.1.1. Die Herausbildung zum Leitwort des Nationalkrieges Daß die Devise „Mit Gott für König und Vaterland" schließlich als Synonym für den Kriegsablauf stand und als nationalpolitisches Credo in die Geschichte einging, lag in der Eigenart dieses Krieges begründet. Im Gegensatz zu früheren Fällen wurde er erstmals von der gesamten Nation unter Waffen geführt, und in der Devise, dem Sinnspruch eines Teiles der Nationalbewaffnung, sah man den angemessenen Ausdruck, der das Ungewohnte des neuen Vorgangs beschrieb. Der Weg, der das Wort zum Allgemeingut machte, ist nachstehend durch einige Beispiele zu verdeutlichen: Eine erste wichtige Voraussetzung lieferte der regierungsamtlich landesweit verordnete feierliche Gottesdienst anläßlich des „Ausmarsches der vaterländischen Krieger", in dem der Aufruf „An Mein Volk" und die Präambel zur Landwehrordnung zu verlesen waren'. Die dazu erläuternde Predigt steckte den Rahmen für das ideologische Konzept und die Besonderheit des beginnenden Krieges ab. Und wenn auch hier die Erwähnung der Devise noch fehlte, so war der ganze Gottesdienst, zu dessen Besuch schon eine Woche vorher eindringlich aufgefordert worden war, doch bereits eine einzige Explikation dessen, wie man sich fortan mit Gott auf das Gebot von König und Vaterland einzurichten habe. Superintendent Schulze, Fürstenwalde: „So gilt es auch jetzt, da unsere vaterländischen Krieger ausziehen, da unser ganzes Volk sich gleichsam zum Kampfe rüstet, eine heilige Sache, es gilt den König und das Vaterland, es gilt unseres Volkes Wohl, das Wohl eines großen Theils der Menschheit; es bedarf des Kampfes, es bedarf vieler und schwerer Opfer . . . und nur wenn diese . . . Opfer gebracht werden, sind wir, was wir seyn sollen, ist uns das Leben, Heil und Seegen von Gott."'° ' Treitschke, ' Vgl. Tb. 4 " Raymund kleinen Städten
Geschichte 1 S.269. u. 5; zur besonderen Stellung dieses Gottesdienstes dann mehr unter 2.3. Dapp (Hg.), Gemeinnütziges Magazin für Prediger auf dem Lande und in 8, 1. Berlin und Stettin 1817 S.40f.
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Mit Gott für König und Vaterland in den Krieg
Ein weiterer Schritt war die Vereidigung der Landwehr, die möglichst rasch nach vollendeter Auslosung auf der Ebene der politischen Kreise erfolgte. Die Geistlichkeit hatte hierzu die den Eid vorbereitende Rede zu halten. Der Rückgriff auf die Devise bot sich dazu als natürlich an. In einem - uns überlieferten - Beispiel besaß die ganze Ansprache als Gerüst die Devise, und rückblickend auf Gottes Handeln in Rußland hieß es speziell zu ihr: „.Nicht uns, sondern deinem Namen sei Ehre!' sprach der edle Alexander, als er die feindlichen Schaaren vertrieben hatte.' Mit Gott für König und Vaterland!' so lautet das Feldgeschrei, mit dem uns unser frommer König aufruft zum Streit. Dieser begeisternde Heldenspruch ist es auch, den ihr auf eurer Stim, und о gewiß auch im Herzen traget."*' Zugleich aber förderte der Vorgang, daß in der ganzen Monarchie allmählich etwa 120000 Mann Landwehrtruppen als zusätzliche Nationalbewaffnung aufgestellt wurden, überhaupt die Popularität der Devise. Wie schon Belege aus dem April zeigen, verstand man das Wort bald nicht mehr nur als Sinnspruch der Landwehr, sondern es diente jetzt allgemeiner als Ausdruck persönlichen Engagements in diesem Kriege*^. Unter diesem Aspekt wurde es auch aufgenommen in die Reden zu den bald nachgezogenen Vereidigungen des Landsturms, der bekanntlich den Rest der männlichen Bevölkerung zum nationalen Aufgebot vereinen sollte: „Auf denn, meine theuren Mitbürger! auch euch ist erschollen der heilige Ruf: mit Gott fiir König und Vaterland! Auch ihr habt ihn vernommen, diesen ehrwürdigen heiligen Ruf, in welchem der bedrängte Landesvater mit seinen bedrängten Kindern spricht - auch ihr habt ihn vernommen, auch eure Herzen hat er entflammt und auch ihr werdet ihm folgen mit Einigkeit des Sinnes und aus Liebe zur Pflicht und Gott wird mit euch seyn."'^ Allerdings hieß die schnelle Einbürgerung der Devise als Leitwort der nationalen Bewaffnung nicht, daß jedermann ihr habe folgen wollen. Beispiele, sich der Losung zur Landwehr zu entziehen, sind bekannt' " Spieker, Predigten S.lOl. " Russ.-Dt.Volks-Bl. (1. Mai 1813) S. 119, als Inschrift einer privat gestifteten Landsturmi !)fahne; auch S. 101. " C.F.W.Herrosee, Königl. Hofyrediger und Superintendent in Züllichau. Rede bei der Vereidung einiger Compagnien Züllichauscher Landsturmmänner gehalten in der Königl. Schloßkapelle am 3ten Junius und auf Verlangen in den Druck gegeben. [Züllichau 1813] O.S. - Bezeichnend ist für die wachsende Publizität auch, daß am 29.4.1813 ausdrücklich verfügt wurde, das Landwehrkreuz sei allein der entsprechenden Formation vorbehalten, Amts-Blatt 1813 S.216. " U.a. in den „untersten deutschen Schichten Westpreußens", Bräuner, Landwehr 1 S. 136; Einwohner „polnischer Zunge" desertierten, ebd.; zu förmlicher Meuterei kam es ausgerechnet in Potsdam, 1 S. 153. Verbreitet Unlust zeigte sich in Schlesien, vgl. Dorothea Schmidt, Die preußische Landwehr 1813. Beriin (Ost) 1987 S.21; auch ließen sich dort während des Waffenstillstandes junge Leute, die wegen der Landwehr desertiert waren, von Franzosen (!) anwerben, H. Hoffmann (Hg.), Die Franzosenzeit in Niederschlesien 1806-1815. Das Kriegs-
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Und auch wer die Devise beherzigte, mag es mit gemischten Gefühlen getan haben. Denn hinter der Befolgung stand für den Einzelnen, oft unerwartet genug (Losentscheid), die Hingabe des eigenen Lebens vor Augen. So war die Devise nicht in jedem Falle populär, aber an ihrer Publizität änderte dies nichts, da sie als Formel für die Wirklichkeit der nationalen Mobilisierung fungierte'^.
2.2. Der nationale Aufbruch Hinweise eines mangelnden Patriotismus einerseits und fast mehr noch der aufdringlich glorifizierende Ton in den Darstellungen besonders zur Jahrhundertfeier andererseits'^ können uns heute unsicher machen, wenn es um eine reale Einschätzung des nationalen Aufbruchs gerade der ersten "Wochen des Krieges geht. Doch auch ein daraufhin bewußt kritisch vorgenommenes Quellenstudium zeigt an, daß es sich um eine außergewöhnliche Zeit gehandelt haben muß: Opferbereitschaft, Gemeinsinn, Hingabe, Vaterlandsliebe äußerten sich damals in einem Maße, das seinesgleichen sucht in der deutschen Geschichte'^. Einzelheiten können nicht Sache der Untersuchung sein; sie würde sich darüber bald zu einer eigenen Arbeit verselbständigen. Anzusprechen ist nur ein Thema, das zunächst bei der ideologischen Mobilisierung durch die Predigt und später bei der zeitgenössischen Beurteilung des durchstandenen Kampfes eine Rolle spielt: Inwieweit, und zwar auch ohne obrigkeitliches Gebot, war man in der Bevölkerung bereit, den Krieg tatsächlich persönlich mitzutragen? In der Diskussion hat man die Antwort gem mit dem Verweis auf die hohe Zahl von 10000 Freiwilligen gegeben'^, wobei allerdings nicht vertagebuch des [katholischen] Deutschwartenberger Pfarrers Karl Moser. Berlin 1937 S.37. Noch im Oktober 1813 wird die Geistlichkeit Schlesiens aufgrund von Widersetzlichkeit unter der Bevölkerung in einigen Orten zu gezielter Belehrung aufgefordert, Kunze, Volksstimmung S. 27 (Erlaß der Breslauer Regierung). " Ausgenommen waren Geistliche, Schullehrer sowie Beamte in Schlüsselfunktionen. Die Mennoniten in Ostpreußen kauften sich durch eine hohe Summe frei, die allerdings in die Rüstung flöß, Krollmann, Landwehrbriefe S.61f. Hinweise auf jüdische Teilnahme, auch bedingt durch das Edikt von 1812, finden sich wiederholt u.a. Russ.-Dt.Volks-Bl. S.98, 107, 380. Entgegen Behauptungen in der Literatur, z.B. Adolf Heger, Evangelische Verkündigung und deutsches Nationalbewußtsein. Zur Geschichte der Predigt von 1806-1848 (Neue deutsche Forschungen. Abt. Religions- und Kirchengeschichte 7). Berlin 1939, S. 151, weigerten sich schließlich auch die (schlesischen) Hermhuter nicht, vgl. Julius von Pflugk-Harttung, Das Befreiungsjahr 1813. Aus den Akten des Geheimen Staatsarchivs. Berlin 1913 Nr. 19 u. 27. " Vgl. u.a. die in Anm. 1/5 genannten Darstellungen. " Auch annähernd parallele Erscheinungen, wie die ersten Kriesgwochen 1870 und 1914, können sich daran nicht messen; denn neben anders gearteten äußeren Bedingungen lag zudem eine rezeptive - und teilweise gelenkte - Adaption des preußischen Verhaltens von 1813 vor. " Die Zahl für den Anfang des Krieges, vgl. Beitzke, Geschichte 1 S. 155f mit Anm.
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gessen werden darf, daß sich mit dem Eintritt in diese Formation Vergünstigungen verbanden, die sich noch erhöhten, als dann jeder zum Militärdienst gezogen werden k o n n t e " . Bunt war die Zusammensetzung; ein Freiwilliger erwähnt unter seinen Kameraden: Studenten als Raufbolde, Vagabunden, die dem Zuchthaus entgehen wollen, Kandidaten der Theologie, endaufene Lehrjungen, Tertianer, rohe Offiziere (in einem Fall, daß „kein Funken von Begeisterung in ihm lebt, keine Liebe, kein Glaube, sondern daß er nur das traurige Götzenbild, die Ehre, bloß anbetet und diesen heiligen Krieg für eine Ehrensache hält, um höchstens den Schimpf bei Jena auszulöschen"), außerdem Handlungsdiener und „so mancher an der Lustseuche kränkelnder Sünder, der ein ruchloses Leben durch die Kugelbüchse heiligen wiH"^°. Aber bemerkenswerter Schwung zeichnete, man denke nur an Großgörschen (2. Mai), diese Kontingente aus. Daneben war damals das Prinzip der Freiwilligkeit jedoch auch noch in weiteren Bereichen anzutreffen. Erinnert sei an die Errichtung der National-Kavallerieregimenter durch einzelne Provinzen, und Freiwilligkeit war der Grundgedanke bei der Aufstellung der Landwehr, denn die Auslosung trat erst als zweiter Schritt zur Auffüllung der Sollstärke in Kraft^'. Mit entsprechenden Zahlen ist im letzteren Falle begreiflicherweise nicht aufzuwarten. Doch es kennzeichnet die Kriegsbegeisterung oder wenigstens Kriegsbereitschaft jener ersten Wochen, wenn sich etwa in der M a r k ganze Ortschaften anscheinend wie ein Mann als provisorischer Landsturm erhoben, als es hieß, die Franzosen kämen zurück^^. Ein wichtiges Indiz ist schließlich die bislang in dieser Form nicht gekannte Bereitschaft, das Vaterland durch freiwillige Gaben zu unterstützen^^. Dabei nur den nach Tausenden zählenden Ringewechsel „Gold für Eisen" zu erwähnen, bedeutete eine Verkürzung. In Wirklichkeit handelte es sich um eine ungeheure Spendenaktion. Sie begann aus eigenem Antrieb seitens der Bevölkerung im Februar zur Ausstattung unbemittelter Freiwilliger und dauerte dann zur Unterstützung des nationalen Kampfes in verschiedenen Bereichen durch die ganzen Kriegsjahre fort. Ihre öffentliche " Auch von Nipperdey, Geschichte S. 83, geltend gemacht; ergänzend dazu jedoch die weiteren unten namhaft gemachten Bereiche. " Vgl. Theodor Rehtwisch (Hg.), Aus dem Tagebuch eines Freiwilligen. Bilder aus den Jahren 1813 und 1814 (Aus vergilbten Pergamenten 3). Leipzig o.J. [1910] S. 51-53 (Zitat zusammengezogen). " § 5 der Landwehrordnung, Amts-Blatt 1813 S.154. " Russ.-DtVolks-Bl. S.82f, 101; Amts-Blatt 1813 S. 190f; für das Oderbruch Anfang 1813 vgl. Friedrich Förster, Geschichte der Befreiungskriege 1813, 1814, 1815. Dargestellt nach theilweise ungedruckten Quellen und mündlichen Aufschlüssen bedeutender Zeitgenossen, sowie vielen Beiträgen von "Mitkämpfern 1. Berlin ' l 8 5 7 S.168. " Neu war der Umfang; 1812 liefen freiwillige landesweite Sammlungen von Verbandsmaterial, Amts-Blatt 1812 S.383 u.ö.; auf selbständige Initiative gehen auch die Geldsammlungen für Verwundete zurück, seit dem 12.10.1812, ebd. 1812 S.455f u.ö.
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listenmäßige Dokumentation reichte hinüber bis in das Jahr 1816. Noch jetzt mag man diese in Fortsetzungen erschienenen Aufstellungen nicht ohne Bewegung lesen: Geld- und Sachspenden, namentlich oder anonym, jedes Lebensalter, beiderlei Geschlecht, alle sozialen Schichten brachten immer wieder neue Opfer^^. Der Wert soll am Schluß mehr als 6 Millionen Taler betragen haben^^. Wenn man diese Opferwilligkeit in Rechnung stellt, ergibt sich indirekt schließlich auch noch eine Aussage zur Stimmung in den oben erwähnten ersten Kriegsgottesdiensten. Wie in anderem Zusammenhang zu zeigen sein wird, waren dort die Hörer einer sehr massiven Anrede ausgesetzt. Offenbar handelte es sich dabei aber nicht allein um ein „Anpredigen", sondern man sollte im ganzen vielmehr wohl eher einen Sektor der Übereinstimmung annehmen, in dem sich das obrigkeitliche Gebet, die Aussagen der Predigt und die eigene Empfindung miteinander verbanden.
2.2.1. Die Rolle der
Geistlichkeit
Wie genannt, lag die ideologische Betreuung angesichts des Krieges der ganzen Nation in der Hand der Geistlichkeit. Daß die Behandlung säkularer Dinge vor die Kirchentüre gehöre, war zwar erst 1810 verfügt worden^^. Gegenwärtig aber, da es um Preußens Existenz ging, fielen solche Überlegungen weg. Wie die Gemeinde sich zu einem Volk in Waffen verwandeln sollte, so übernahm der Prediger gleichsam den Part eines „Feldpredigers". Gneisenau hatte ihn sogar als Mittelpunkt der örtlichen Insurrektion gegen die Bedrücker gedacht^^. Dies wurde nur abgemildert Praxis, aber geblieben war doch, daß die Geistlichkeit anregend oder dämpfend den Verlauf der nationalen Erhebung begleiten sollte. In der Landwehrordnung hieß es: Nach der Losung „führt der Kommissarius des Ausschusses die Landwehrmänner in die nächste Kirche. Der hierzu schon beauftragte Prediger hält eine kurze, herzliche Anrede an die neuen Vertheidiger des Vaterlandes, legt ihnen das Ehrenvolle und Rühmliche ihres Berufs an's Herz und sucht dadurch ihren Muth und Eifer zu entflammen. Nach beendigter Rede läßt der Kommissarius die Landwehrmänner den gewöhnlichen Soldateneid schwören, und entläßt sie hierauf, bis auf weitere Order, in ihre Wohnungen."^® Und die Landsturmordnung betonte insbesondere: „Ich hege zu der Geistlichkeit des Landes das noch » " " " "
Z.B. als Extra-Blätter dem Amts-Blatt beigefügt; Tb.6. Die Angabe der Summe nach Nipperdey, Geschichte S. 84. Zirkular, 18.1.1810, DStA Brandenburg PuE 38 S.271. Pertz, Gneisenau 2 S. 112-142 passim. Landwehrordnung 1. Beilage § 6, Amts-Blatt 1813 S.167.
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nie getäuschte Vertrauen, daß sie dem Volke den Geist und Zweck aller dieser Vorschriften wiederholt erklären und einprägen, ja daß sie die ihrer Seelsorge anvertrauten Gemeinden in keinem Drangsale und in keiner Gefahr aus den Augen verlieren, oder von ihnen weichen werden."^' Doch noch ehe diese Verordnungen oder auch der Aufruf „An die Geistlichkeit"'® zur allgemeinen Kenntnis gelangten, war eigentlich alles schon in Gang gekommen. In die Praxis, die Interessen des Staates wahrzunehmen, war man eingeübt. Und hinzu trat, daß man, wie Predigtbeispiele deutlich genug zeigen, nicht weniger als die Bevölkerung ebenfalls vom Geist der Zeit ergriffen war. Das Gottesurteil in Rußland, die sich nach langer Öde wieder füllenden Kirchen (auch wegen der hier zu erlangenden Information''), die wachsende religiöse Empfänglichkeit und der fromme Ton, der sich nun auch über Geschäfte des Alltages legte dies schuf ein Fluidum, dem man sich nur schwer entziehen konnte, ja es vielfach gar nicht wollte, da man selbst gleichermaßen von Hoffnungen erfüllt oder auch dadurch in den Krieg einbezogen war, indem jetzt der eigene Sohn mit ins Feld rückte. Dabei brachten nicht erst der Ausbruch des Krieges, sondern schon die voraufgehenden Wochen gehäufte Arbeit. Probleme wirtschaftlicher Art ergaben sich durch die Durchzüge fremder und eigener Truppenkontingente. Und zusätzlich zu den alljährlichen Verordnungen zu Wandel und Handel (denen übrigens auch während des Krieges, soweit es die regionale Situation zuließ, zu entsprechen war'^) traten Aufgaben, die sich neu seit dem Aufruf der Freiwilligen einstellten: Vorgezogene Konfirmationen (sie lagen altersmäßig damals oft später), Kriegstrauungen'', die Einsegnung ausziehender Freiwilliger, Mithilfe beim Ausbau der Spendenaktionen. Als nächster Schritt folgte der Gottesdienst zum Kriegsbeginn, auf dessen Wichtigkeit regierungsamtlich im voraus hingewiesen worden war'^. Dann
" Verordnung über den Landsturm § 28, Amts-Blatt 1813 S.246. " Tb. 7; Verfasser ist Staatsrat Nicolovius, Ende März 1813, vgl. Alfred Nicolovius, Denkschrift auf Georg Heinrich Ludwig Nicolovius. Bonn 1841 S.204 (-207). Auch im'weiteren Verlauf des Krieges wurde die Kanzel zur Verlesung von Proklamationen benutzt; das geht nicht hervor aus dem an sich sehr informativen Aufsatz von Jungklaus, Ereignisse S. 304-330, zeigt aber der Fundus von Pfarrarchivakten im DStA Brandenburg. " Demzufolge hat der Jahrgang des Amts-Blattes fast doppelten Umfang. » Amts-Blatt 1813 S. 93. " In der Kurmark durch zwei Zirkulare, datiert Potsdam 18. (!) bzw. 24. März, beide bedingt durch die Eile, handschriftlich. Ihr Umlauf (bis wenigstens 31. M ä r z ) wurde teilweise überholt „durch besondere Boten", die die beiden Aufrufe und vermutlich auch „Was bedeutet Landsturm und Landwehr?" f ü r den Gottesdienst am 28. d . M t s . direkt überbrachten, vgl. DSLA. Brandenburg B E D 139/250 S.99, 101, 109, 111 bis 124. Die Anordnungen waren f ü r alle Konfessionen, also auch die römisch-katholische, gleich, vgl. H o f f m a n n , Moser S. 31, auch Jungklaus, Ereignisse S. 305, 315; ausgenommen war offenbar nur das „Todtengedächtnis" 1816, Zirkular, Potsdam 2.1.1816, DStA Brandenburg BED 139/250 S. 194.
Der nationale Aufbruch
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wurde es immer turbulenter: Die Mitarbeit bei der entstehenden Nationalbewaffnung lief an. Auch wenn man nicht zu den fälligen Vereidigungsreden aufgefordert war, fand sich hier genügend Betätigung. In der Mark hatte man schon am Aufgebot des provisorischen Landsturms mitgewirkt^®, später, nach Erscheinen des Gesetzes, wurde die Teilnahme, sofem es Alter und Gesundheit zuließen, überhaupt üblich. Mehr als sonst gesucht war seelsorgerlicher Rat^^. Es kam zur Belebung der alten Einrichtung von Kriegsbetstunden, und Sorge zu tragen war hinsichtlich der verordneten Siegesfeiern (Predigt, Musik, Extrasammlungen), die zunächst Lüneburg und Möckern, den Fall von Thom und Spandau und Großgörschen betrafen'^. Natürlich sollte man Unbehagen, und zwar auch theologischer Art, gegenüber dieser abverlangten patriotischen Mission nicht ausschließen. Aber ein deutliches Aufbegehren, wie wenige Jahre später im Streit um Union und Agende, lag offensichtlich nicht im Zug der Zeit. Vielmehr ist, ähnlich dem Verhalten in der Bevölkerung, eher sogar eine bejahende Tendenz anzunehmen, indem man über die geforderte Staatsräson hinaus durchaus bereit war, auch seinen persönlichen Beitrag zu leisten. So zogen bellikosere Naturen wie Spieker (Frankfurt/Oder) oder Köhler (Naumburg/Bober)'® als Prediger der Landwehr mit, oder man übte des Sonntags nach dem Gottesdienst eigens den Landsturm^', beziehungsweise organisierte selbst Verteidigungsmaßnahmen"^". Andere schätzten mehr das literarische Feld: Herausgegeben wurden Reden politischer Art"*', Zeitgedichte, neue Texte zu bekannten Choralmelodien·*^, dazu auch das Kriegsgebet in sangbaren Strophen"^'. Groß war die Menge der „auf Wunsch und zum Besten von ..." in Druck gegebenen Predigten, mitunter beschlossen durch aktualisierte Segensformeln"*"^. Wieder andere betrieben als Etappendirektor " Vgl. Anm.2/22. " Ein Beispiel bei Eylert, CharakterzUge 2,2 S. 157 f Anm. " Die entsprechenden Zirkulare hatten in der Form bereits eine lange Tradition, nur der altväterische Anfang und Schluß fielen jetzt weg, vgl. die seit 1689 datierende Sammlung in DStA Brandenburg BED 139/250; außerdem Tb. 8, 9, 10. " Jäkel (Hg.), Tagebuchblätter eines Feldgeistlichen, des Dr. K.A. Köhler, Prediger der Brigade des Generalmajor v. Dobschütz. Berlin 1912. " Beitzke, Geschichte 1 S.535; Lehmann, Bilder S.233. Lehmann, ebd. (Superintendent Böwenrot, Altmark). " Z.B. Spieker, Predigten S.42-58; Mehring (Berlin), vgL Russ-DtVolks-Bl. S.107; Pflugk-Harttung, Befreiungsjahr Nr. 333 (TangermUnde). Vgl. die bei Czygan, Tagesliteratur 2, abgedruckten Zensurberichte. « Dapp, Magazin 7, 1 S. 118-131. ** »Der Herr segne Euch mit Gemeinsinn und Vaterlandsliebe und behüte Euch vor Feigheit und jeglichem Frevel. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten in den Stunden der Gefahr und der Versuchung; und sey Euch gnädig am Tage der Schlacht und Gefahr. Der Herr erhebe sein Angesicht auf Euch bei allen Euren Unternehmungen und Vollbringungen; und gebe Euch seinen Frieden, in dem Frieden eines guten Gewissens und treuer Pflichterfüllung.", Nicolai
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die Verpflegung der durchziehenden Landwehr"*^ oder beteiligten sich, wozu schon die Landsturmordnung aufrief, an der Ausspähung des Feindes^^. Jedenfalls war es vielerorts so, daß der Prediger nicht nur als „Mann auf der Kanzel" agierte, sondern auf dieser lediglich aussprach, was er in der gegenwärtigen außergewöhnlichen Zeit auch selbst tat"*^.
2.3. Die Aussage der Predigt Sicher sollte man zu Anfang dieses Abschnittes die Frage stellen, ob es überhaupt zulässig sei, die seinerzeit nach vielen Hunderten gehaltenen Predigten auf einen gemeinsamen Nenner bringen zu wollen. Daß dies, und zwar auch unter Benutzung im Verhältnis weniger Beispiele, gleichwohl möglich ist, hat seine Erklärung zunächst im allgemeinen Grundtenor der damaligen Kriegspredigt: Einer Dauerkasualie vergleichbar, intendierte sie auf zu beherzigende Moral, da anders Gott gewiß nicht den Sieg verleihen würde. Dieses Abheben auf Moral war besonders den Älteren der Predigergeneration nicht fremd. Das Neue lag darin, daß diese moralische Zuund Aufrüstung jetzt praktisch bis in die letzte Hütte der Monarchie Wirkung zeigen sollte. Eine Schlüsselfunktion - und das ist der zweite Grund für die auffällig unisone Predigt - übte in diesem Zusammenhang die Predigt zum Kriegsausbruch aus, der die bald darauf erfolgten Vereidigungsreden zu Landwehr und Landsturm im gleichen Sinne nochmals sekundierten"*®. Das Material, das der Staat zu diesen drei innenpolitisch höchst bedeutsamen Gelegenheiten dem Prediger zugefertigt hatte"", legte (Züllichau), Landsturmvereidigung, Dapp, Magazin 7,1 S.58; auch das Vaterunser erhielt aktuelle Einschübe, ebd. S.49. « Jäkel, Köhler S.17. " SS 63, 64, Amts-Blatt 1813 S.250; Henrich Steffens, Was ich erlebte. Aus der Erinnerung niedergeschrieben 7. Breslau 1842 S. 217 u. 219. " Dieses Engagement fand auch Kritik, vgl. die auf Briefen basierende, vorzügliches Zeitkolorit vermittelnde Quellenedition betreffend die Herrschaft Liebenberg bei Theodor Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg 5. Fünf Schlösser. Hg. von Gotthard Erler/Rudolf Mingau/Therese Erler. Berlin (Ost) 1987 S. 276-319, 447-530, spez. 520. " Anscheinend wurde die Landwehr zumeist in Bataillonsstärke (800 Mann) vereidigt; das ergibt - rechnerisch - etwa 150 Vereidigungen. Die Zahl beim Landsturm mag eher noch höher gelegen haben. " Hinzu kam, in der Mark seit Palmarum (11. April), die Verwendung des Kriegsgebetes. Der Streit, ob es in dieser Form überhaupt benutzt worden sei, vgl. Foerster, Entstehung 1 S. 198f, und Zschamack, Pflege S.399, wird gegenstandslos angesichts des archivalischen (!) Befundes: Der von Foerster angefochtene Text (Tb. 11) galt bis zum 29. April; seither wurde eine veränderte Fassung (in der Forschung bislang unbekannt) gebraucht (Tb. 12), abgesetzt 25.5.1814, vgl. DStA Brandenburg BED 139/250 S. 117, 127-130, 167. Die Beziehung zu älteren Beispielen ist frappant, vgl. ebd. und auch Tb. 13. Das Kriegsgebet 1813 wurde nicht eingeschaltet, sondern anstelle des Allgemeinen Kirchengebetes gesprochen.
Die Aussage der Predigt
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die Aussage der Predigt so eindeutig fest, daß spätere größere Korrekturen nur um den Preis totaler Unglaubwürdigkeit hätten geschehen können. Unterdessen, bedingt durch den sich schwierig gestaltenden Verlauf des Krieges, war aber auch an einen Themenwechsel gar nicht mehr zu denken. Je länger je mehr ging es um ein Alles oder Nichts, und erst die Zeit der Siege seit dem Spätsommer setzte dann veränderte Akzente. Aber vorliegend ist ohnehin nur die Anfangsphase des Krieges zu betrachten^®. Noch zu erinnern bleibt, daß bei der nun folgenden Skizzierung der wichtigsten Predigtaussagen der schon geschilderte Einfluß des russischen Lagers nicht zu vergessen ist. Ihren Ausgangsort nahm die Predigt in der Anschauung, daß der gegenwärtige Krieg ein heiliger sei, und zwar nicht nur, weil er die Sache des Vaterlandes betreffe^', sondern weil sich Gott zu ihm bekenne. Gott beabsichtige, in ihm fortzusetzen, was er bereits in Rußland begann: sein Gericht zu vollstrecken an denen, die seiner Gerechtigkeit spotten und an seinem Rechte freveln. Gott „hat uns den ersehnten Wink gegeben. Er bietet uns die Hand zur Rettung, Er ruft uns auf ... durch die Wunder-
Dem Gesagten folgend, wird sich die Studie vordringlich an Predigten zum Ausmarsch und zur Vereidigung von Landwehr und Landsturm halten. Zugrunde liegen: (Anonym:) Entwurf zur Predigt, das Volk zur Teilnahme am Kriege aufzufordern, über 4. Mose 10,9, in: Dapp, Magazin 7,2 S. 35-38; Friedrich Ehrenberg (Berlin): Wie wir auf eine würdige Weise an dem Auszuge des Königs und unserer tapferen Krieger Theil nehmen?, über Ps. 20,6-9, in: ders., Das Volk und seine Fürsten. Volkswesen und Volkssinn. Leipzig 1815 S. 265-293; Gottfried August Ludwig Hanstein (Berlin): Mit Gott wollen wir Thaten thun. Bey der gottesdienstlichen Feyer des Auszuges der vaterländischen Heere im Frühjahre 1813 am vierten Sonntage in der Fastenzeit den 28sten März, über Ps. 108,14, in: ders.. Die ernste Zeit. Predigten in den Jahren 1813 und 1814. Magedeburg 1815 S. 13-32; C.F.W.Herrosee (Königl. Hofprediger und Superintendent in Züllichau): Rede bei der Vereidung einiger Compagnien Züllichauscher Landsturmmänner gehalten in der Königl. Schloßkapelle am 3ten Junius 1813 und auf Verlangen in den Druck gegeben, o. S.; Kohli: Anrede an die Landsturm-Mannschaft des Tammendorfer Bezirks vor der Vereidigung derselben. Trebichow, den 30. Mai 1813, in: Dapp, Magazin 7,2 S. 30-34; Cari Friedrich Ferdinand Nicolai (Lehrer und Prediger am Waisenhaus Züllichau): Rede bei der Eidesleistung zweier Compagnien des Züllichauer Landsturms, I.Juni 1813, in: ders., Vaterlandspredigten 1. Züllichau 1814 S.45-54; Schulze (Superintendent in Fürstenwalde): Predigt am Tage des Ausmarsches der vaterländischen Krieger, den 28sten März 1813, über Matth. 10,32-39, in: Dapp, Magazin 8,1 S. 38-49; Dr. C.W.Spieker (Frankfurt/O): Warum dürfen wir mit Zuversicht auf den Beistand des Allmächtigen in dem jetzt beginnenden Kriege rechnen?, über Zeph. 23,14-20, in: ders., Predigten S. 59-99; ders., Altarrede bei Vereidigung der Frankfurter Landwehr, über 5. Mose 20,1-4 u. 8, in: ebd. S. 98-110; Wolf (Superintendent in Zossen): Anrede und Gebete bei Einweihung der Landwehr des Teltowschen Kreises. Am Grünen Donnerstage 1813 in Zossen gesprochen, in: Dapp, Magazin 7,1 S. 44-51. Um künftig das Zitieren zu vereinfachen, erscheinen lediglich Verfassername und Stellenangabe nebst der Bemerkung, ob Pred.A. (Predigt zum Auszug), Pred. V. Lw. bzw. V. Lst. (Predigt Vereidigung Landwehr bzw. Landsturm). " Ausdrücklich im regierungsamtlichen Anschreiben aus Potsdam, 18.3.1813, DStA Brandenburg BED 139/250 S. 99.
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Mit Gott für König und Vaterland in den Krieg
zeichen unserer Zeit."^^ Dabei hat man allen Grund, dieser Kontinuität des helfenden göttlichen Handelns gewiß zu sein. Denn worin besteht die Gerechtigkeit, und was beinhaltet Gottes Recht, das er durchzusetzen im Begriff ist? Es sind die Güter, für welche Preußen jetzt in den Kampf zieht, Güter, die Gott seiner Menschheit verliehen hat, und als solche seine, jeder Nation zugedachten, heiligsten Güter: „Und nicht bloß für den vaterländischen Boden, für die angestammten Fürsten, für unsere Sprache, für unser Gesetz und unsere Sitte, für die Freiheit zu reden und zu handeln streiten wir; wir streiten zugleich für die Ordnung - gegen eine grenzenlose Verwirrung aller menschlichen Dinge und Verhältnisse; für das Recht gegen empörende Gewaltthätigkeit; für die Wahrheit - gegen Lug und Trug; für Menschenwürde - gegen ihre Verächter; für die Ehre Gottes gegen die, welche mit ihr schnöden Muthwillen trieben; für das Reich Gottes - gegen das Reich der Finsternis."®^ Jedoch - und damit rückt eine weitere grundlegende Aussage ins Blickfeld - ist mit diesem gnädigen Angebot, der Kooperation Gottes, das glückliche Ende des Krieges noch nicht gesichert, denn sein Ausgang ist abhängig „vom Steigen und Sinken des innem Wertes" der Beteiligten, wie es Schleiermacher in seiner bekannten Auszugspredigt formulierte®"*. Anders gesagt: Die von Gott verheißene Kooperation bleibt also nur in Kraft, wenn sich darin das eigene Handeln als Nachfolge in der von Gott verfochtenen Gerechtigkeit orientiert. Was bewahrt und was leitet aber dann den solchermaßen als recht kämpfend Angesprochenen auf seinem Weg in dieser Nachfolge? Vornehmlich drei Erläuterungen sind dazu zu hören: Erstens: Zuweilen wird diese Frage mit Hinweis auf die besondere, das heißt religiös bedeutsame Stellung des Königs beantwortet. Dies ist der Fall, wenn der König als der „Gesalbte des Herrn" erinnerlich gemacht wird®®, oder wenn es im Gebet von ihm heißt: „Denn wir glauben in ihm Deine Stimme zu hören, о Gott"®^. Hier gilt der Kampf für den König nicht nur in Erinnerung an eine selbstverständliche Pflicht, sondern er gilt dem götdichen Auftrag, dessen berufener Mittler der König ist. Und daraus wiederum erwächst als Nutzanwendung für das eigene Tun: eine strikte Befolgung des königlichen Gebotes ist der beste Weg, sich in der Nachfolge der von Gott erwarteten Gerechtigkeit zu halten.
» Kohli in Dapp, Magazin 7,2 S. 31 (Pred.V.Lst.) » Ehrenberg, Volk S.276 (Pred.A.) " Bei Johannes Bauer, Schleiermacher als patriotischer Prediger. Ein Beitrag zur Geschichte der nationalen Erhebung vor hundert Jahren (Studien zur Geschichte des neueren Protestantismus 4). Gießen 1908 S.95 (mit diesbezüglicher brieflicher Erklärung). » Ehrenberg, Volk S.275 (Pred.A.); auch in Tb. 12 " Spieker, Predigten S.109 (im Aiischluß an seine Pred.V.Lw.).
Die Aussage der Predigt
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Zweitens: Allgemein gebräuchlich war hingegen, die Frage der rechten Nachfolge im Zusammenhang des französischen Auftretens zu behandeln. Dabei ergeben sich anschauliche und teilweise auch rhetorisch glänzende Lasterkataloge®^. Doch ist emotionale Aufreizung der Gemüter nicht das erklärte Ziel der Predigt. Vielmehr liegt ihr daran, daß in bewußter Auseinandersetzung mit Verhalten und Schicksal des Gegners die Erkenntnis des notwendig eigenen Handelns erwächst. Drei Aspekte sind typisch: Da ist zunächst die grundsätzliche Klarstellung: „Im Namen unseres Gottes werfen wir Panier auf! So können nicht die sprechen, die ein wilder Ehrgeiz, eine rohe Begierde, eingebildete Beleidigungen zu rächen, die Lust nach Raub und Beute oder das Machtgebot eines, über willenlose Sclaven herrschenden Despoten auf das Schlachtfeld treibt, nicht die, welche Gewalt und Unrecht üben, Gottes Ordnungen zerstören, Gesetz und Sitte verachten und in höhnendem Uebermuthe sich über alles, was ehrwürdig ist, und geschont und heilig gehalten werden soll, erheben. So können nur die sprechen, die sich bewußt sind, für eine gerechte Sache ..." usw.^'. Sodann: Dieser Kampf des Gerechten ist kein hoffnungsloses Unterfangen, denn daß andererseits ungerechtes und gottloses Wesen in der Katastrophe endet, hat sich jüngst erst wieder erwiesen: „Es schien zwar seit einigen Jahren, daß das Glück dem Ungerechten beistehe. Aber die neueste Erfahrung hat gezeigt, daß Gottes allmächtiger Arm dem Gerechten beistehe. Denn was sich kürzlich in Rußland mit den Armeen zugetragen hat, ging über alle menschliche Erwartung, und Jedermann mußte bekennen, das hat Gott gethan, [mußte] niederfallen und anbeten den, der allein Wunder thut. Das haben auch wir zu hoffen, wenn wir fest an Gott halten, wenn wir unserm Könige treuen Gehorsam leisten, Gut und Blut daran wagen, um den gerechten Kampf zu bestehen."®' Und schließlich, richtungweisend ist dabei das Vorbild der Russen: „Doch, о Theuerste, wir sind noch nicht zum Ziele. Gott half dem mit uns verbündeten Volke nur, weil es fromm vor ihm wandelte und erkannte und that, was es in seiner Noth, in seinen Drangsalen erkennen und thun sollte. Dies werde auch unser Entschluß, und dazu segne [uns] Gott Drittens: Also gefährdet den Sieg nichts mehr als die Wendung zur Selbstherrlichkeit^'; sie gibt Gott nicht die Ehre. Das war der Weg in die Katastrophe von 1806'^, und dieser Gefahr zu entgehen, sieht die Predigt jetzt den alleinigen Ausweg darin, daß alle zu Gebote stehende christliche " Tb. 14. " Ehrenberg, Volk S.269 (Pred.A.) " (Anonym:), Entwurf zur Predigt, in Dapp, Magazin 7,1 S. 37 f. " Schulze in Dapp, Magazin 8,1 S.38 (Pred.A.). " Sehr eindrücklich Hanstein, Ernste Zeit S. 13-32 passim (Pred.A.). " Ehrenberg, Volk S.285 (Pred.A.); dieses Argument war in der Frühjahrspredigt nicht allgemein.
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Mit Gott für König und Vaterland in den Krieg
Tugend mobilisiert werden muß: „Lasset uns alle uns schicken in die Zeiten, denn es sind böse Zeiten, alle uns fügen in jede Ordnung, in jede Zucht, jedem Gesetz, was die Noth gebietet, gerne nachkommen, für die heilige Sache, welche die unsere ist, eines Sinnes seyn, jedes Kreuz auf uns nehmen, und soll es sein, selbst unser Leben hingeben; und unsere Arbeit wird nicht vergeblich seyn in dem Herrn, sondern reiche und schöne Frucht tragen. Nur wer säet, kann emdten, nur wer guten Saamen ausstreut, kann Weitzen in seine Scheuer sammeln, nur wer recht kämpft, wird gekrönt."^' Nicht zuletzt bezogen diese Paränesen ihre Illustration aus dem - vorweg geschilderten - warnenden Beispiel des Gegners. Sein Verhängnis vor Augen, hieß es, im vorliegenden Fall an die Landwehrpflichtigen gerichtet: „Gehet mit Gott, und jaget durch Eure Tapferkeit die Feinde des Landes in Schrecken vor dem Namen Preußen und Preußische Landwehr; und flößet durch Eure Selbstbeherrschung, Milde und Freundlichkeit dem Wehrlosen, dem Freunde, dem Bürger und dem Landmann, wohin Ihr kommt, Zutrauen, Liebe und Achtung gegen Euch selbst und gegen den Namen Preußen ein."'^ Und dem zivilen Sektor war gesagt, daß - gleichsam'zur Maxime seines Handelns - auch hier der Einsatz des eigenen Lebens Notwendigkeit werden könne (s.o.)'^. Eine stärker predigtgeschichtlich orientierte Ermitdung könnte die zusammengestellten Aussagen mühelos noch vermehren und vertiefen^^. In unserem Falle wichtiger ist jedoch das Achten auf das Konzept als ganzes. Die Predigt des Frühjahres abschließend, ist dabei noch auf zwei Fragen einzugehen: Einmal ist das die Frage, wie in der Predigt die Forderung jenes totalen Opfers motiviert wurde. Nicht immer beruht sie auf christologischer Basis^^. Inwieweit dafür theologisches Unbehagen zu veranschlagen ist, sollte allerdings offen blieben. Denn es ist daran zu erinnern, daß die damalige Theologie keine Mühe hatte, Fragen christlicher Ethik, vom Boden des Alten Testamentes her zu entscheiden; angesichts der verordneten Texte zu den Dankpredigten bestand sogar Anlaß dazu^®. Und außerdem ist zu vermerken, daß man es vielfach gerade als Erweis rechter Auslegung auffaßte, die Bedeutung Jesu von fälschlich irenischen Vorstellungen zu befreien. Ein klassisches Beispiel bietet dazu die „Predigt am Tage des Ausmarsches der Vaterländischen Krieger" von Superintendent Schulze, in Fürstenwalde; er legt Matth. 10,32-39 zugrunde und gliedert
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Schulze in Dapp, Magazin 8,1 S.45f (Pred.A.). Wolf in Dapp, Magazin 7,1 S.48 (Pred.V.Lw.) Vgl. Text zu Anm. 63. Zusätzliche Belege bei Graf, Ermittlungen S. 41-51 Z.B. Herrosee, Rede (Pred.V.Lst.);Ehrenberg, Volk (Pred.A) Für das Frühjahr vgl. Tb. 9.
Die Aussage der Predigt
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danach: „I) Ich predige Euch denn heute nicht Frieden, sondern Krieg, weil jetzt den Frieden wollen heißt: das Ungerechte und Böse wollen. II) Ich fordere von Euch jedes Opfer, das gebracht werden muß, auf daß der Kampf, der gekämpft werden soll, siegreich geführt und herrlich vollendet werden könne. III) Und ich verkündige Euch, wenn Ihr willig und freudig jedes Opfer bringet, Leben, Heil und Seegen von Gott."^' Schulze ist mit seiner Vergewisserung, daß die Legitimation des gegenwärtigen Krieges sich auf Jesus stützt, kein Einzelfall: „Es ist ein Altar der Liebe und des Friedens, an welchem ich stehe. Darf ich Euch da ohne Widerspruch meines Herzens zum Kriege entflammen? Ja, das darf ich! Jesus, der Sanftmüthige selbst, ruft nicht lange vor seinem Tode seinen Jüngern zu (Luc. 22,36): ,Wer nicht hat, verkaufe sein Kleid und kaufe ein Schwerdt.' Um alles in der Welt hatte der Göttliche nicht gewollt, daß seine Lehre und Wohlthaten der Welt durch das Schwerdt aufgedrungen würden; aber er sähe, seine Jünger würden in Lagen gerathen, wo sie gegen Bösewichter sich wehren müßten. Dazu sollten sie sich mit Waffen und mit Muth, sie zu gebrauchen, versehen ... Wir müssen, um Schwerdter zu haben, Kleider verkaufen; es muß mitziehen, wer Irgend die Jahre und die Kraft hat."^® Gebräuchlicher als diese Absicherung expressiv verbis war jedoch ein stillschweigend vorausgesetztes Einverständnis in der Sache, welches der Christologie gestattete, sofort das verpflichtende Vorbild Jesu aufzunehmen: „Wir sehen Christum, wie er für die Sache Gottes, wie er für das Heil der Menschheit sich verfolgen, mißhandeln, kreuzigen läßt, und so wollen auch wir als seine wahren Verehrer muthig kämpfen und wenn es sein muß, durch den Tod den Bund mit Gott besiegeln. Wir wollen sein Kreuz auf uns nehmen und ihm nachfolgen, damit er uns helfe zu einem glorreichen Siege."^' Nun wird man zwar nicht sagen wollen, Spiekers Worte kennzeichnen die überall im Lande vertretene Christologie; aber sie geben die herrschende dieses Krieges wieder. Später bei der Gedächtnisfeier nach dem Ende der beiden Kriege wird sie regierungsamtlich sanktioniert werden^^; aber schon " In Dapp, Magazin 8,1 S.61. '0 Wolf in Dapp, Magazin 7,1 S.44f u. 46 (Pred.V.Lw.) " Spieker, Predigten S. 177f (Abendmahlsrede im Felde). " Im entsprechenden Zirkular, Potsdam 4.6.1816, nach den beiden, gemeinsam zugrunde zulegenden Predigttexten l . M a k k . 9 , 1 0 und Jak.5,11: werden die Prediger nach geschehener Erwähnung des Anlasses der Feier im Allgemeinen und der in Beziehung auf die aus jeder einzelnen Gemeinde im Kampfe für das Vaterland gefallenen Krieger anzuführenden besondern Umstände den zu Grunde gelegten Text tröstend und ermahnend benutzen, um den Sinn der Hingebung für das allgemeine Beste, womit die Söhne des Vaterlandes in den heiligen Kampf zogen und ihn bestanden, als ächt christlich, den Tod fürs Vaterland, den Viele von ihnen starben, in seiner hohen Würde und Verdienstlichkeit darzustellen, und dabei auf die christliche Hoffnung unvergänglicher Fortdauer und Vergeltung hinzuweisen, damit diese vaterländische Feier nicht sowohl schmerzliche Gefühle von neuem anrege und nähre, als vielmehr ermuthigend und erhebend auf die Erhaltung und Belebung des wahrhaft religiösen
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Mit Gott für König und Vaterland in den Krieg
zuvor begegnet sie auf Schritt und Tritt, und ihr Generalthema ist eben der Jesus, der, vertrauend in Gottes Sache, das Beispiel gibt, das Leben zu lassen für die Brüder. Die andere Frage schließlich betrifft die Eidesleistung bzw. die mit dem gehaltenen Eid verbundene Verheißung. Vorweg zum Problem hat man sich hierbei zu vergegenwärtigen, daß rückschauend gerade im militärischen Sektor recht ungute Erfahrungen vorlagen (Mißkredit des Eides durch unmäßige Dersertion und häufigen Fahnenwechsel)^', und zum anderen, daß man trotz dieser negativen Erfahrungen kein anderes Mittel hatte, um die jetzt und erstmalig zur Nationalbewaffnung vereinte Bevölkerung - fast alle waffenfähigen Männer der Monarchie! - auf dem Wege der Subordination zu halten. Man sollte meinen, auch darum findet sich oft eine bemerkenswerte Strenge theologischer Weisung in den Vereidigungsreden für Landwehr und Landsturm. Bei der Erklärung ging man unterschiedlich vor. Sie konnte dahin gehen, daß man in Kennzeichnung des positiven Verhaltens eine negative Entscheidung verhüten wollte^·*. Daneben gab es auch Beispiele, wo sich die Weisung weniger in einer Mahnung, als einseitig in bedrückender Warnung aussprach: „Seyd überzeugt, daß Ihr auf Gottes fortdauernde Gnade schwerlich Anspruch machen könnt, sofern Ihr nicht zur Zeit der Gefahr Euer Vaterland auf das muthigste zu vertheidigen entschlossen seyd."^® Doch bei aller Vielfalt schließlich einig war man sich in dem Bemühen, unter den zu Vereidigenden einen heiligen Schrecken auszulösen, der über der Unruhe der möglichen Strafe Gottes eine ablehnende Entscheidung gar nicht erst in Erwägung zog. Falscher Eid oder Eidbruch - das war jedem gesagt - ließ als Konsequenz nicht nur soziale und zeitliche Ächtung besorgen, sondern machte darüber hinaus christliche Hoffnung unsicher, wenn nicht gegenstandslos: „Gott, der gerechteste Richter, welcher einem Jeden gegeben wird nach seinen Werken, und der, so wahr er ein wahrhaftiger Gott ist, es, wenn auch nicht hier, doch ganz unfehlbar in den endlosen Fluren der Ewigkeit nicht ungestraft lassen wird, wenn Jemand es wagen könnte, seinen Namen zu mißbrauchen und unter seiner Anrufung einen falschen Eid zu schwören."^^ Freilich - daran möchte erinnert werden - begegneten diese Bemerkungen zur Eidesleistung gewöhnlich nicht zusammenhanglos; vielmehr sekundierte ihnen, wie bei einer Kasualie üblich, im Grunde genommen die ganze
Patriotismus, welcher auch das Leben für die Brüder zu lassen freudig bereit ist, hinwirken." DStA Brandenburg BED 139/250 S. 197. " Schild, Feldprediger 2 S.190f. » Kohli in Dapp, Magazin 7,2 S.33f ( P r e d . V . b t ) . " Nicolai, Vaterlandspredigten 1 S.53 ( P r e d . V . b t ) " Kohtt in Dapp, Magazin 7,2 S.34 (Pred.V.Lst).
Die Aussage der Predigt
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(voranstehend skizzierte) Predigt, dies zuweilen auch mittels einer ausdrücklichen Überleitung christologischen Bezugs. „Ist aber Einer oder der Andere von Euch im Rathe des Unerforschten als ein Opfer für die heilige Sache bezeichnet: so vergeßet nicht, was Gott durch Jesum Christum denen zugesagt hat, welche für große Zwecke ihr Leben verlieren: sie sollen es herrlich in jenen Höhen wieder erhalten. Ihr Andenken lebt im dankbaren Vaterlande, ihr Geist in dem seligen Umgange mit Dem fort, der auch sein Leben nicht geliebt hat, bis in den Tod, sondern es, wie Ihr jetzt bereit seyd, zur Erlösung für viele gegeben. Diesen männlichen und christlichen Muth, diese deutsche unverbrüchliche Treue wollet Ihr jetzt Gott und dem Vaterlande geloben durch einen heiligen Eid. Gott, der diesen Eid hört, stärke Euch, ihn zu erfüllen. Er halte seine schützende H a n d über Euch und sein guter Geist regiere Euch, getreu zu seyn bis in den Tod, daß Ihr die Krone des Lebens empfahet."^^ Und außerdem: auch noch bei geschärfter Formulierung wurde vom Wesen des Eides offenbar nicht anders gesprochen als von der mit ihm verknüpften Verheißung. Sie umfaßt zwei Aussagen. Zunächst ist da die Zusicherung, daß derjenige, der unter dem (Landwehr-)Kreuz den Kampf für König und Vaterland, und somit auch für Gott, aufnimmt, nicht auf sich selbst gestellt ist, denn „Gott selber wird uns, da wir es redlich meinen, zum Wollen auch das Vollbringen geben, und seine Gnade und sein Segen wird mit uns seyn und unsere Treue krönen."^' Und zweitens: diese Treue bringt Ansehen vor Gott, welches über die Grenzen dieses Lebens hinausgreift; am lapidarsten Spieker: „Der Tod fürs Vaterland gewährt den Himmel."^' Besonders dieser zweite Aspekt, übrigens schon seit der Auszugspredigt zu hören'°, wurde mit Vorliebe und Anschaulichkeit behandelt.
23.1. Die Theologie auf Hoffiiung Die Methode, durch gezielt ausgewählte Zitate die Gesamtaussage der Predigt rekonstruieren zu wollen, kann irritieren. Doch auch wenn man daraufhin die benutzten Predigten jeweils nochmals im Zusammenhang liest, ist der Eindruck kein anderer, ja verstärkt sich eigentlich nur noch: der - oft sogar mit Vehemenz vertretene - religiöse Patriotismus war die übliche Erscheinung. Sicher, die räumlichen Dimensionen einer gotischen Hallenkirche mochten der Rede eine zusätzliche rhetorische Brillanz verleihen (so Schulze/Fürstenwalde, Spieker/Frankfurt a.d.O.); und zudem. " Wolf in Dapp, Magazin 7,1 S.48f (Pred.V.Lw.) Kohli in Dapp, Magazin 7,2 S.34 (Pred.V.bt.). " Predigten S.231 (in einer Grabrede). Schulze in Dapp, Magazin 8,1 S. 47 f (Pred.Α.).
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wer seine Predigten in den Druck gab, wollte dann auch ein beachtetes Beispiel „acht patriotischer Gesinnung" liefern. Aber ebenfalls in schlichteren Produkten war die Linie als solche klar. Dabei entschied zum wenigsten die eigene theologische Herkunft. Vielmehr war der Prediger zuerst Funktionär des Staates und, insbesondere „auf dem Lande und in kleinen Städten", auch der wichtigste Ideologe und Informator des Ortes. Maßgebend war für ihn der angetragene Kasus, dem er in traditionell eingeübter Weise zu entsprechen hatte und der durch flankierende staatliche Verlautbarungen in seiner Intention eindeutig war. Wie eine vergleichende Lektüre erweist, geht man nicht fehl in der Annahme, daß die Predigt in der Eröffnungsphase des Krieges ganz erheblich Reflexion der bedeutsamsten öffentlichen Erlasse war („An Mein Volk", die Präambel zur Landwehrordnung, die „Urkunde zur Stiftung des eisernen Kreuzes", die Erklärung von Kaiisch, die beiden Kriegsgebete). Die dort gebrauchten religiösen Formeln, kombiniert mit dem anhebenden Existenzkampf der Nation, ergaben, homiletisch umgesetzt, fast von selbst politische Schwarzweißmalerei, geschärfte Paränesen, permanente Appelle an das praktisch umzusetzende Gottvertrauen. Daß und wie die Argumentation erfolgte, erscheint uns heute als „fremdes Werk". Für die Zeitgenossen, Prediger wie Gemeinde, dagegegen war es aber gerade die „frohe Botschaft", daß Gott die nationale Freiheit in Aussicht stelle. Die Legitimation dafür bot Gottes Eingreifen in Rußland. Nicht zu vergessen ist, daß in der Predigt des Frühjahres Anklänge an ein einfaches „Do, ut des"-Denken noch fehlen. Man predigte, auch wohl klopfenden Herzens, daß sich die Bundesgenossenschaft Gottes auf der Seite des Rechtes fortsetzen möge. Doch man wußte nicht, inwieweit das eigene Handeln dem Gottes gemäß war. (Dieses Gefühl mag auch bei den eindringlichen Paränesen eine Rolle gespielt haben.) Man glaubte erste Anzeichen einer Entsprechung zu besitzen: die Bereitschaft weiter Teile der Bevölkerung, mit Gott alles zu wagen, und dreimal, als Siegesdank gefeiert, waren die eigenen Waffen erfolgreich gewesen. Hatte man demnach begründete Hoffnung? Da platzte mittenhinein die Nachricht vom Waffenstillstand (4. Juni). Erst allmählich erfuhr man Genaueres: Schon Großgörschen hatte keinen wirklichen Sieg dargestellt, sondern war der Beginn der großen Rückzugsbewegung gewesen, die dahin führte, daß sogar Breslau kurze Zeit in die Hand des Feindes fiel. Und auch um Berlin hatte es bereits schlecht gestanden. War daher der abgeschlossene Waffenstillstand - in Erinnerung an 1807 - vielleicht der Anfang vom Ende? Es war alles wieder offen und die Theologie auf Hoffnung auf eine neue Probe gestellt.
3. Bewährung und Erfüllung Die historische Forschung hat den Waffenstillstand eher kurz und vor allem unter dem Aspekt der administrativen Leistung abgehandelt, die dann die Voraussetzung für die Siege des Herbstes bot. Daß der Waffenstillstand zum Wendepunkt des Krieges wurde, ist bekannt, aber dies war den Beteiligten vorerst kaum oder gar nicht bewußt. Sie hatten zunächst einmal ein moralisches Tief zu verkraften, und die Spannung, ob der Krieg gewonnen werden könne, löste sich nach wiederholt retardierenden Momenten erstmals voll durch den Triumph in der Leipziger Schlacht. Diesem zeitgenössischen Fühlen und Erleben folgend, soll darum nachstehend auch die zweite Hälfte des ersten Befreiungskrieges gegen Napoleon nunmehr als Einheit in den Blick genommen werden. Nur wenn man bereit ist, das teilweise atemberaubende Auf und Ab der Entwicklung nachzuvollziehen, wird die Massivität verständlich, mit der man schließlich Gott für sich als Alliierten in Anspruch nahm, beziehungsweise auch eigenes Selbstbewußtsein artikulierte.
3.1. Eindruck und Wirkung des Waffenstillstandes Moralisch unerschüttert war am Beginn des Waffenstillstandes am ehesten wohl noch das Heer, und zwar obgleich es fechtend bis fast an die östliche Grenze des Landes zurückgedrängt worden war. Anders stand es vielfach mit der Zivilbevölkerung. Depression kam auf, und Furcht breitete sich in den preußischen Gebieten aus, die wieder in französische Hand fielen oder dies befürchten mußten. Die unter dem 2. Februar befohlene, von der waffenfähigen männlichen Bevölkerung zu tragende Nationalkokarde legte man hier still ab. Wiederum war die Willkür des Feindes zu ertragen, und wer sich in den vergangenen Wochen in vaterländischer Begeisterung hervorgetan hatte, sah sich Verfolgungen ausgesetzt. So konnte Pfarrer Köhler (Naumburg/Bober), unter anderm mißliebig durch eine gedruckt vorliegende Vereidigungsrede für die Landwehr, zuletzt sich nur durch gewaltsamen Ausbruch aus seinem Gefängnis vor dem angedrohten Standgericht retten'. Jäckel, Köhler S.7.
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Bewährang und Erfüllung
Unterschiedliche Stimmung herrschte in Berlin. Natürlich war die Stadt nach wie vor ein Mittelpunkt nationaler Gesinnung. Man denke an die in jeder Darstellung der Befreiungskriege wiederholten Berichte: Fichte und Schleiermacher exerzierten mit der Pike beim Landsturm, Frauen, auch der obersten Gesellschaftsschicht, halfen bei Schanzarbeiten oder in Lazaretten. Doch schon als Boyen am 8. Mai in Berlin eintraf, um Verteidigungsmaßnahmen südlich der Stadt zu organisieren, war die Stimmung nicht mehr die beste^. Sie verschlechterte sich weiter, als der Hof evakuiert wurde und die wichtigsten Behörden folgten (12. Mai). Nun verstärkte sich, besonders unter dem begüterten Bürgertum, die Fluchtbewegung. Die Zeitschrift „Das neue Deutschland" setzte den Druck aus'. Oft lustlos oder ohne Emst wurden die Schanzarbeiten vorangetrieben. Der dazu gegebene Bericht von Friedrich Юöden, damals eingesetzt als Vermessungsfachmann, ist ernüchternd zu lesen''. Es waren eben zwei Welten: Während Anhängern der Patriotenpartei bei der Nachricht vom Waffenstillstand die „hellen Thränen über die Wangen strömten"^, meinten andere hingegen erleichtert, daß Schanzarbeiten und Krieg hoffentlich ein Ende hätten^. Aber auch anderswo war nicht überall eine gleichmäßig patriotische Frische anzutreffen. Das enthüllte gerade in jenen Wochen die zum Beispiel in Pommem, vor allem aber in Schlesien nur schleppend vorangekommene Errichtung der Landwehr^. Fast schien es, als sei ein allgemeiner neuer Impuls nötig. Und das Königliche Hauptquartier verabsäumte denn auch nicht, mit der Bekanntgabe des Waffenstillstandes sogleich eine Erläuterung zu verbinden, wie dieser zu verstehen sei: Die ganze (restliche) Monarchie habe die eingetretene Waffenruhe nicht einfach als Verschnaufpause anzusehen, sondern diese Zeit sei zu intensivster Rüstung zu benutzen, damit der Gegner nach ihrem Ende um so wirkungsvoller niedergerungen werden könne (vgl. dann in З.1.1.). Wie schon im Frühjahr, lief auch jetzt wieder die Vermittlung und permanente Aktualisierung dieser Verlautbarung über die Kanzel und hatte zur Folge, daß, und zwar besonders auf dem flachen Lande, der Prediger auch künftig der ideologische Kopf des nationalen Krieges blieb.
^ Friedrich Meinecke, Das Leben des Generalfeldmarschalls Hermann von Boyen I.Stuttgart 1896 S.276-279; Karl Friedrich Klöden, Von Berlin nach Beriin. Erinnerungen 1786-1824. Hg. von Rolf Weber. Beriin (Ost) ^1978 S.358. ' Das neue Deutschland S.457. ' Beriin S. 360-373. ' Ernst Moritz Arndt, Erinnerungen aus dem äußeren Leben. Leipzig ^1840 S.201. « Юöden, Beriin S.372f. ' Delbrück, Gneisenau 1 S.322.
Eindruck und Wirkung des Waffenstillstandes
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3.1.1. Die staatlichen Vorkehrungen In der Schlacht bei Bautzen (20./21. Mai) hatten die Verbündeten nur etwa die Hälfte der Truppen zur Verfügung gehabt, die Napoleon ins Feld stellen konnte (96000 gegenüber 190000 Mann). Das hieß speziell für Preußen, wollte es weiter im Konzert der Mächte eine Rolle spielen, daß es seine Truppen beträchtlich vermehren mußte. Nunmehr im Waffenstillstand war dazu die Möglichkeit gegeben. Nicht allein die Garde- und Linienregimenter erhielten weitere Augmentierangen, auch das begonnene Landwehrprojekt wurde nun energisch vorangebracht. Das Fehlen dieser Formation hatte sich bereits schmerzlich bemerkbar gemacht, als der Krieg nach Schlesien kam. Jetzt aber nahm in dieser Provinz Gneisenau an der Aufstellung der Landwehr maßgeblichen Anteil, ein Geschäft, das ihm durch sein tatkräftiges Auftreten keineswegs nur Freunde verschaffte und Anstoß auch deshalb erregte, weil er den Landsturm als letzte Reserve aktiviert sehen wollte®. Im Militärgouvernement zwischen Elbe und Oder dagegen war Boyen am Werk, der damit fortsetzte, was er vor dem Waffenstillstand im Berliner Raum begonnen hatte'. Später aus dem Rückblick nannte er unter denen, die damals einen wichtigen Beitrag leisteten, die Geistlichkeit'®. Diese Bemerkung wird verständlicher durch eine weitere Hintergrundinformation. Sie liegt vor in dem Schreiben der Kurmärkischen Regierung an die Superintendenten vom 9. Juni aus Potsdam, das neben der Nachricht vom Waffenstillstand außerdem die nötigen Verhaltensmaßregeln mitteilte. Nicht gedruckt, eilig kopiert, ist es als erläuterndes Schreiben der schon erwähnten Erklärung des Königlichen Hauptquartiers anzusehen. Auf der Superintendentur Brandenburg-Dom langte es freilich erst am 13. Juni an. Der Wortlaut war folgender: „Wir sind benachrichtiget worden, daß zwischen den Kriegführenden Mächten ein Waffenstillstand bis zum 20. f(o)l.(genden) M.(onats) abgeschlossen worden ist, ganz sind uns noch nicht die nähern Festsetzungen dieser Convention bekannt, jedoch dürfen, nach den uns bis jetzt zugekommenen Bestimmungen vom 4. d.(es) M.(onats) an, das Corps von General Lieut: ν. Bülow, so wie mehrere Freycoφs in hiesiger Provinz während dieser Waffenruhe cantoniren. Daß ein Friede diesem Waffenstillstände, der durch besondere politische Conjuncturen herbey geführt zu seyn scheint, folgen werde, dafür ist gar keine Wahrscheinlichkeit vorhanden, noch kann derselbe bey der jetzigen Lage der Dinge so ausfallen, wie es nach der großen Anstrengung der Nation, ihrem Monarchen und sich Freyheit u(nd) eine sichere Unabhängigkeit gegen allen äußern Druk zu • Ebd. S.322f. ' Meinecke, Boyen 1 S. 282-287. " Nippold, Erinnerungen Boyen 3 S. 49.
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Bewährung und Erfüllung
erwerben mit Gewissheit gehofft und erwartet werden muß. Die jetzige Waffenruhe muß dahe(r) zu Erreichung des hohen uns vorgestekten, von allen Einwohnern des Staats so sehnlich gewünschten Ziels, besonders dazu benutzt werden, unsere Streitkräfte nochmehr zu vervollkommne(n) und alles anzuwenden, die Landwehr u(nd) die sonst angeordneten Schutzanstalten mit Zurücksetzung aller etwannigen Bedenklichkeiten und Rüksichten so in den Stand zu setzen, daß nach dem 20. July mit desto größerer Macht der Feind angegriffen und fern von unseren Grenzen zurükgetrieben werden kann. Wir halten es für eine unsere heiligste Pflicht, Sie jetzt gleich in dieser anscheinenden Krisis auf diesen Gesichtspunkt aufmerksam zu machen und sie [sie] aufzufordern, Ihrerseits in Ihrem Wirkungskreise diese Ansicht, als die, welche den jetzigen allgemeinen Verhältnissen nur angemessen ist, geltend zu machen und mit allen Ihnen zu Gebot stehenden Mitteln dahin zu wirken, daß allenthalben der Muth der Einwohner und das Vertrauen zu unserm Monarchen aufrecht erhalten werde, auch der Nation, welche sich in Aufopferung ebenso hochherzig wie ihre Krieger im Kampfe tapfer gezeigt hat, durch Ausdauer, willige Tragung der jetzt gar nicht zu vermeidenden Lasten und festen Willen, ihre Größe bewährt, wo alsdannn der Ausgang des Kampfes ungeachtet aller Machinationen des Feindes unserer Freyheit und Unabhängigkeit nicht zweifelhaft seyn kann.""
3.1.2. Das Beispiel der Predigt
An sich war es für den Prediger, gemessen an seiner seit dem Frühjahr vorgetragenen Theologie, nur folgerichtig, wenn er nun auch als einer der ideologischen und moralischen Sachwalter des Waffenstillstandes fungieren sollte. Spätestens jetzt wandelte sich aber auch die den Krieg betreffende Predigt zur Dauerkasualie bzw. zur „Duchhaltepredigt". Inwieweit diese Anforderung dem einzelnen Prediger gelang, ist unbekannt. Doch diesem Auftrag kam sicher entgegen, daß es geradezu ein Merkmal jener Predigergeneration war, weniger den biblischen Text selbst zu predigen, als vielmehr diesen zum Motto der Erforderisse der eigenen Zeit zu machen'^. So empfand man es noch nach dem Krieg, 1815, als geglücktes, nachdruckenswertes Beispiel, in welcher Weise sich aufgrund von Mk. 16,1-8 das Osterfest von 1813 und der frische Sieg bei Lüneburg in Beziehung hatten setzen lassen: „,Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Thür?' Mit dieser Sorge kamen die tiefbekümmerten Frauen zum Grabe, aber sie " DStA Brandenburg, BED 139/250 S. 135 f. " Vgl. die Untersuchung von Reinhard Krause, Die Predigt der späten deutschen Aufklärung. 1750-1805 (Arbeiten zur Theologie 2,5). Stuttgart 1965.
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wurde in Erstaunen verwandelt, als der Stein schon weg war, und sie die Nachricht erhielten: Der Herr ist auferstanden. So macht sich der Mensch oft ängstliche Sorgen, indem Gottes Hülfe schon da ist. So hat Gott auch uns durch den glücklichen Anfang der Waffen gezeigt, daß er mit seiner Hülfe nahe sei."'^ Und als ein weiteres Beispiel sei Nicolai (Züllichau) hinzugefügt, der Weihnachten 1813 Lk.2,1-14 zu einer Ermunterung des Patriotismus benutzt: »Von den Belehrungen, welche uns das heutige Fest über die Liebe zu unserem Vaterlande ertheilt, 1) über die Gründe, die uns zur Vaterlandsliebe verpflichten, 2) über die Art, wie wir sie beweisen können, 3) über die Bedingung, unter der sie allein erst recht vollkommen und Gott wohlgefällig wird, 4) über das Mittel, durch welches sie ihre wohlthätigste Kraft empfängt. Man mag diese Predigtweise spätaufklärerischer Tradition zurechnen oder vielleicht ihren Rahmen auch noch weiter und allgemeiner fassen jedenfalls war sie in dieser Art durchaus geeignet, den jetzt staatlich gesetzten Erwartungen zu entsprechen. Wohl vorzüglichstes Thema war dabei in den folgenden Wochen die Bekämpfung der vorhandenen oder vermuteten Depression unter der Bevölkerung angesichts der eingetretenen politischen Lage und - was thematisch damit zusammenhing - ebenso der Haltung Gottes, die sich inzwischen unsicherer darstellte als in der Zeit des Aufbruchs. Auf welche Weise die Predigt neuen Mut machen wollte, zeigt einmal die aufmunternde Fragestellung im Stil katechetischer Unterweisung. So Ribbeck (Berlin): „Wie wir als christliche Vaterlandsfreunde gesinnt seyn und uns verhalten sollen, bey der unerwartet eingetretenen Waffenruhe zwischen unsern und den feindlichen Heeren."'^ Oder Spieker (Frankfurt/Oder): „Wozu müssen wir die eingetretene Waffenruhe benutzen, wenn der Feind von den Grenzen des Landes mit Nachdruck zurückgewiesen werden soll?"'^ Zum anderen aber belegen recht anschaulich zusammenhängende Predigtbände, etwa von Nicolai („Vaterlandspredigten") oder von Hanstein („Ernste Zeit"), daß tatsächlich Sonntag für Sonntag an der notwendigen moralischen und praktischen Aufrüstung gearbeitet wurde, wobei man um neue Akzente stets bemüht war. So wurde selbst Jesus jetzt bei Hanstein zum „treuen Vaterlandsfreund"'^. Zugang dazu bot ihm Jesu Wehklage über Jerusalem (Lk. 23,27 f), woraus sich ergab: „Zeugnisses genug, daß Er gewollt habe, so sollten wir auch gegen das Vaterland gesinnt seyn, an dem Vaterlande handeln, für das Vaterland leben und sterben. Zeugnisses genug, daß sein Wort: Gebet mit erbarmen-
" » » " "
Dapp, Magazin 7,2 S.38f. Vaterlandspredigten 1 S. 89-106. Russ.-DtVolks-Bl. S.377 (Auszug und Kommentar). Predigten 5.111-136. Ernste Zeit S. 108 f.
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den, gefühlvollen Herzen! auch dann in Geltung tritt, wenn das Vaterland Leistungen fordert, Abgaben auflegt, zu freyen Opfern und Werken der Liebe seine Söhne und Töchter aufruft."'® Vielleicht besondere Erwähnung verdienen Spiekers Ausführungen, der sich überhaupt oft mit seinen Predigten und Reden unter seinen Zeit- und Amtsgenossen heraushebt. In seiner Predigt zum Waffenstillstand sagt er zunächst zur Stellung Gottes: „Wer könnte jetzt noch zweifeln an die unmittelbare [sie!] Einwirkung Gottes in die Schicksale des Menschengeschlechts! Ist uns die weltregierende Hand Gottes nicht sichtbar genug geworden? Tönt seine Stimme nicht so mächtig zu den Völkern der Erde? Hat er sich nicht zu uns geneigt und sich uns erwiesen als ein Gott der Stärke?"" Und dem folgt wenig später die Paränese: „Bei dieser Zuversicht auf den Herrn unsem Gott müssen wir uns aber vor einer sehr verderblichen Täuschung hüten. Weil unsere Sache gerecht und gut ist, meinen Etliche, so müsse sie gelingen, auch bei geringen Anstrengungen; Gott werde als ein Vergelter des Bösen, den Übermüthigen immer tiefer beugen, auch ohne menschliches Zuthun. Gott ist nur mit denen, meine Lieben, die groß und edel und freiherzig handeln. Er legte große Kräfte in die Natur und in unser Gemüth und gab uns zugleich das Vermögen, diese Kräfte zu gebrauchen. In Übung, Erhöhung und Veredlung derselben liegt unser Fortschreiten zum Vollkommenen. Wir haben es uns also selbst beizumessen, wenn wir in träger Fahrlässigkeit unsere Selbsthülfe versäumen, uns mit halben Maßregeln begnügen, und nicht alle Kräfte in Thätigkeit setzen, und dann einen unerwarteten Ausgang oder eine ungünstige Wendung der Begebenheiten erleben. Auch dies ist ein Irrthum, so wohl wider die Schrift, als gegen die Ordnung der Natur. Die biblischen Helden haben für ihr Volk gethan, was tapfern und weisen Männern zukommt, und Betriebsamkeit und Bewegung sind im Plan der Natur; aus ihnen kommt alles Große, Edle und Schöne. Wissen wir es also auch, daß es die Sache Gottes ist, für die wir das Schild erhoben, und daß Er mit denen ist, die sein Werk treiben, so wollen wir uns selbst doch nicht versäumen, sondern an die große Unternehmung unsre ganze Kraft und unsre ungetheilte Liebe setzen."^® Nicht jeder Prediger mag Worte in der Art Spiekers gefunden haben. Aber an dem seit Frühjahr datierenden Konzept war nichts zu ändern. Schon am Beginn des Waffenstillstandes sprach Ribbeck deshalb „vom unausbleiblichen Lohn unserer Anstrengungen"^'. Und Hanstein etwa, der im Mai (!) anscheinend noch mit dem Gedanken des Weggangs aus Berlin " " " "
Ebd. S.llO. Predigten S. 129. Ebd. S.131f. Vgl. Anm. 15.
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gespielt hatte^^, beschäftigte sich unterdessen wiederholt mit der Heimsuchung Gottes, die - Rußland 1812 - wohl strafend sein könne, doch - in der Gegenwart - auch segensreich und den Christen gemahnend an seine anstehenden Pflichten^^. Die Predigt am Johannistag stand sogar ausdrücklich unter diesem Thema („Der Herr hat besuchet sein Volk)"^"*. Es war also nicht eigentlich ein Wandel, den die Predigt des Waffenstillstandes auszeichnete, sondern allenfalls - vielleicht auch durch Zutun behördlicher Ermahnung - eine zusätzlich entfaltete Intensität. Diese konnte, wie im Beispiel Hansteins greifbar, auch Züge der Verinnerlichung erhalten. Die Erklärung solcher Erscheinungen fällt dabei nicht schwer, weil inzwischen unter politisch anderen Voraussetzungen zu predigen war. Nicht mehr der ungetrübte patriotische Eifer aus dem Frühjahr bot die Plattform, sondern auch Gefühle von Krise' und geknickter Hoffnung waren jetzt, und wohl am meisten zu Beginn des Waffenstillstandes, zu bekämpfen. Und eben hierin ist die Wirkungskraft der damaligen Predigt zu suchen, daß sie in dieser schwierigen Phase auf unerschütterliches, ja notwendig zu vertiefendes Gottvertrauen hinzielte. In der gegenwärtig ernsten Zeit, dem Leben „unterm Kreuz" (Landwehr!) gestaltete sie die Bundesgenossenschaft Gottes enger, vertrauter und befähigte gerade so zu neuer Hoffnung.
3.1.3. Das persönliche
Beispiel
Die Predigt versuchte patriotischen Sinn zu wirken, aber sie hatte damit nicht überall gleichen Erfolg. Schon im Frühjahr war es geschehen, daß man sich dem Ansinnen des allgemeinen Krieges widersetzte^^. Nun, nicht zuletzt durch die Umstände, die den Waffenstillstand herbeiführten, hatte diese Erscheinung ihre Aktualität behalten. Diesbezügliche Nachrichten, insbesondere zur Landwehr, begegnen eher nur zufällig. Das mag seine Erklärung auch darin haben, daß der spätere Erfolg dieser neuen militärischen Formation schon die Zeitgenossen die Probleme vergessen ließ, die es im Vorfeld gegeben hatte. Anzuführen sind solche Begebenheiten aber doch, da anders sich das tatsächliche Geschehen des Krieges verunklärte. Neben dem Wissen von Eidesverweigerung, Desertion und sogar Kollaboration mit dem Feind während des Waffenstillstandes mußte es patriotisches Empfinden schon beschweren, wenn das Amtsblatt, in diesem Falle das der Kurmark, zu monieren fand, „daß sich sehr viele landwehrpflich" " » "
Jungklaus, Ereignisse S.314. Ernste Zeit S. 124-129 passim. Ebd. S. 115-132. Vgl. Anm. 2/14.
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tige Personen bei irgend einem Bureau, Kommissariate, Lazarehte etc als Hülfsarbeiter engagiren" und von den Behörden dann auch noch „als unentbehrlich in Schutz genommen" werden^^. Problematisch war ebenfalls, den Beitritt zur Landwehr aus arbeitstechnischen Gründen zu regulieren. Denn das weckte wiederum bei denen, die daraufhin als Ersatz gezogen wurden, Empörung (Potsdam)^^. Und recht nachdenklich macht auch die Januar 1814 eingestreute Bemerkung in einer Dankpredigt aus Zossen: „Der erboßte Feind und auch wohl hin und wieder einige Uebelunterrichtete oder etwas unfreundlich Gestimmte unter uns haben die Landwehr bald in einem verächtlichen, bald in einem gehässigen Lichte darzustellen gesucht-^s Einseitig ausbeuten sollte man solche Berichte jedoch nicht. Sie stellen eine wünschenswerte Korrektur zu der Legende „Der König rief, und alle, alle kamen" dar, werden aber unter anderem schon dadurch relativiert, wenn man die großen Opfer bedenkt, die von der Bevölkerung erbracht wurden, um am Ende des Waffenstillstandes etwa 120000 Mann Landwehr ins Feld schicken zu können. An sich hatte jeder Wehrmann seine Ausrüstung selbst besorgen sollen. Allein, das war durch die herrschende Armut sowie durch die soziale Herkunft den Wenigsten möglich. So mußte sich die politische Kreisbehörde einschalten und die Ausstattung übernehmen, wobei man auf die Mithilfe der Bevölkerung wesentlich angwiesen war. Von der Stadt Potsdam wird berichtet^', daß man 350 Mann Infanterie und 48 Mann Kavallerie aufzustellen hatte. Da Eigenleistungen fast vollständig ausfielen, mußte die Stadt schließlich 18 ООО Taler aufbringen, nicht eingerechnet die „durch patriotischen Eifer der Einwohner gesammelten Kleidungsstücke und Wäsche". Bereits ein Paar Socken oder ein Hemd waren hochwillkommene Geschenke^®. Ähnlich, wenn nicht noch schlechter (etwa Schlesien^'), lagen die Verhältnisse in der ganzen Monarchie. Dabei war, wie sich aus den Spendenlisten des Amtsblattes (der Kurmark) rekonstruieren läßt, die Ausstattung der Landwehr nur eines der Felder persönlichen Engagements. Daneben erfolgten Lieferungen für das Militär, setzten sich je getrennt Spendenlisten fort für die Freiwilligen, für Belange des Militärgouvemements und für die „verwundeten und kranken Preußischen Krieger" (im letzteren Falle durch die sonntägliche Kollekte). » Amts-Blatt 1813 S.472. " (Georg Wilhelm Keßler), Leben des königlich preußischen Wirklichen Geheimen Rathes Georg Wilhelm Keßler, Biographen Ernst Ludwig Heims. Aus seinen hinterlassenen Papieren. Leipzig 1853 S.163; Bräuner, Landwehr 1 S. 153. » Dapp, Magazin 7,2 S.70. " Keßler, Leben S.163. Vgl. die Spendenlisten ab August 1813, durch die Anhäufung von Mitteilungen erst Amts-Blatt 1814 S.204. " Droysen, York 2 S.86f.
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Sicher haben die Spender, Privatpersonen oder Ortsgemeinden, ihren Namen zuweilen gem in den wiederholt gedruckt verbreiteten Listen gelesen, und vielleicht entstand auch durch die Lektüre hin und wieder eine Axt moralischer Zugzwang. Aber gerade in der ersten beklemmenden Zeit des Waffenstillstandes wurden diese endlosen Listen zu einer Ermunterung, in der Solidarität der Vielen im Kampf für die nationale Freiheit nicht nachzulassen. In der ersten Woche nach Bekanntwerden des Waffenstillstandes hieß es seitens der Kurmärkischen Regierung zur eingesammelten Kollekte: „Es muß allgemein erfreulich sein, daß in dieser Woche der Beitrag besonders reichlich ausgefallen ist, und überaus rührend ist es, unter dem, bei so vielen Leistungen, fortdauernden rühmlichen Bestreben aller, selbst Schulkinder, die patriotische Milde mancher Stadt- und Dorfgemeine zu beobachten, die, obwohl sie durch unsägliche Einquartierungslasten, mehrftialige Plünderungen und Gewaltthätigkeiten des Feindes, auch durch Brand besonders gelitten haben, doch bereit sind zur Erquickung und Heilung der verunglückten Krieger, reichlich beizutragen"^^ So deuten Belege dieser Art nun doch daraufhin, daß Kriegsverdrossenheit auch zu diesem Zeitpunkt nicht das Übliche war. Viel hing davon ab, inwieweit man damals selbst Beispiel sein konnte und wollte. Das soll noch in zwei Fällen gezeigt werden: Die Landwehr betreffend, so erfahren wir, angefangen von der Auslosung bis hinein in die Schlacht von Dennewitz, Genaueres durch Georg Wilhelm Keßler^'. Höherer Verwaltungsbeamter in der Kurmark, gehörte er zum Charlottenburger Kreis und meldete sich freiwillig zur Landwehr, wurde Hauptmann und nahm des Morgens 4-5 Uhr gegen Bezahlung Exerzierunterricht, sogleich dann das Gelernte weitergebend. Er hatte Verdruß an teilweise verkalkten oder primitiven, jetzt wieder reaktivierten Offizieren und rieb sich an der Unzulänglichkeit des militärischen Apparats, zumal wenn das Auswirkungen für die eigene Kompanie hatte. Aber so sehr er sich zuweilen auch angefochten fühlte - das alles war jetzt selbstverständlicher Dienst und notwendige Pflicht gegenüber König und Vaterland. Das andere, eminent engagierte Beispiel präsentiert Spieker. Wie Köhler und andere Amtsgenossen, so stellte auch er sich der Landwehr als Feldprediger zur Verfügung. Militärgeistlicher war er bereits einmal in der Alten Armee gewesen, inzwischen hatte er noch einen Sanitätskurs absolviert^··, und nunmehr nahm er in der schon mehrfach zitierten Predigt zum Waffenstillstand folgendermaßen Abschied von seiner Hörergemeinde in Frankfurt an der Oder: " Amts-Blatt 1813 S.320. » Leben S. 162-187. " Schild, Feldprediger 2 S.265.
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Bewährung und Erfüllung
„Geliebte, theure Freunde! Ich fühle mich in meinem Gewissen aufgefordert, in diesem heiligen Kampfe unter die Schaar der frommen Krieger als Diener des göttlichen Worts zu treten, sie mit aller Kraft eines tiefbewegten Gemüths zur Standhaftigkeit, zum freudigen Muth, zum festen Vertrauen und zur stillen Gottesfurcht zu ermuntern, die Verwundeten und Kranken zu trösten und zu pflegen, den Rathlosen und Verlassenen ein treuer Freund und Seelsorger zu sein, überall aber und so viel mir Gott Gelegenheit giebt, die große und heilige Sache zu befördern. Mit den Wehrmännem, die ihr sendet in den Freiheitskrieg, mit euren Gatten und Söhnen, mit meinen lieben und theuren Mitbürgern, will ich ziehen im Namen des allmächtigen Gottes. Ich will allezeit bei ihnen sein und sie in keiner Noth und Gefahr verlassen. Der Herr des Lebens wird uns schützen, er wird uns glücklich und wohlbehalten in eure Mitte zurückführen; würdig eurer Achtung und Liebe werden wir wieder vor euch erscheinen. Weib und Kinder wird der Höchste bewahren vor allem Leid, unsre liebe Vaterstadt wird er in seinen Schutz nehmen und uns Allen sein Angesicht gnädig zuwenden. Wie viel ich dir auch noch zu sagen habe, meine theure Gemeinde; jetzt kann ich es nicht. Züme mir keiner, daß ich gehe. Es ist ein heiliger Krieg! Es gilt das Höchste und Herrlichste! Die Stimme des Vaterlandes dringt zum Herzen! Ich kann nicht anders - Gott helfe mir! A m e n ! " "
3.1.4. Die Situation am Ende des Waffenstillstandes Zweifellos sollte man zwischen Anfang und Ende des Waffenstillstandes einen Unterschied machen. Das teilweise geschockte oder doch erschütterte Preußen aus der Mitte des Juni gehörte der Vergangenheit an. Die anschließenden Wochen hatten das Land noch umfänglicher als im Frühjahr zu einer einzigen großen Waffenschmiede gemacht. Was nicht zu Garde, Linie und Landwehr eingezogen war, das war im Aufgebot des Landsturms zusammengefaßt. Auch wenn er damals seiner Guerillafunktion weithin entkleidet wurde, Bestandteil eines bis zum letzten Mann gerüsteten Preußen blieb er. Die Landwehr wurde zu großen Übungslagern vereint. Exerzieren, Marschieren, die einfachsten Bewegungen als größere Formation darum ging es hier. Schließlich wurden die drei großen Armeen gebildet: die Nordarmee im Raum Berlin, die Schlesische Armee und die sogenannte Hauptarmee, die ihren Ausgangspunkt in Böhmen nahm. Denn neben Schweden und England gehörte jetzt auch Österreich zum Bündnis. Dazu kamen die aufgefüllten russischen Truppenverbände. Zurecht glaubte man »
Predigten S. 135.
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sich zahlenmäßig den napoleonischen Streitkräften überlegen. Schien der Ausgang des Krieges schon wie eine Rechenaufgabe? Der Passus aus dem sonntäglichen Kirchengebet „Wir lassen Dich nicht, Du segnest uns denn" behielt seine Aktualität, aber es war jetzt vielleicht schon weniger herzandringendes Flehen, das sich hier aussprach, als eher ein erneuertes, inhaltlich begründetes Hoffen. Nicht zufällig schrieb ein junger Freiwilliger, rasch gereift im Frühjahrsfeldzug, seinen Eltern aufgrund des angehäuften militärischen Potentials rund um den Zobtenberg in Schlesien: „Gott gebe uns jetzt gute Anwendung unserer Kraft, die wirklich ungeheuer ist; nächstens werde ich Ihnen genauer hierüber schreiben; ich denke wir werden den heiligen Kampf von neuem beginnen und Gott wird mit uns seyn, damit wir endlich das Joch abschütteln, was uns so grausam drückt."^6
3.2. Fortdauernde Bewährung Die Wochen, die zwischen dem Ende des verlängerten Waffenstillstandes (17. August) und der Leipziger Schlacht (16.-19. Oktober) lagen, lassen sich sehr verschieden interpretieren. Einmal stellten sie durch die nun eintretenden Siege eine Zeit wachsenden militärischen Erfolges dar. Zum anderen - und zwar wenn man sich in die Rolle der Beteiligten in Feld und Heimat versetzt - waren sie ein Zeitraum ungeheurer äußerer und innerer Anspannung, da man bis hinein in die Tage der Leipziger Schlacht nicht recht wußte, wie weit man vom entscheidenden Sieg tatsächlich noch entfernt war. Später, nach dem Feldzug, werden diese schwierigen Wochen in der zeitgenössischen Bewertung des Krieges eine Rolle spielen.
3.2.1. Das
Kriegsgeschehen
Nun im Herbstfeldzug lagen die Kriegsschauplätze teilweise so weit auseinander, daß auch die operierenden Stäbe erst im nachhinein von den Aktionen der anderen Heeresgruppen erfuhren. Noch weniger durchschaubar war das laufende „Kriegstheater" für die Zivilbevölkerung. Diesen Sachverhalt machte sich anscheinend das Hauptquartier zunutze, indem es Nachrichten von dem Debakel vor Dresden (26./27. August) verschwiegt^: " Jordan, H. V.Jordan S.104. " So schon Beitzke, Geschichte 2 S.67f.
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Bewährung und Erfüllung
Keine Rede von der chaotischen Flucht der Hauptarmee über das Erzgebirge nach Böhmen, erst der schließliche Sieg bei Kulm (29./30. August) als glücklicher Abschluß der vorangegangenen ^SWrren fand Erwähnung. Anders lag es mit den übrigen bekannten Schlachten und Gefechten bis zur Völkerschlacht. Namen wie Großbeeren (23. August), Katzbach (26. August), Hagelberg (27. August), Bennewitz (6. September) oder Wartenburg (3. Oktober) stehen für eine ganze Kette von Erfolgen, und zwar alle errungen auf heimischem Boden oder doch „vor der Haustür". Zugleich waren diese Namen aber auch Chiffren für erlebte, sich wiederholende Ängste oder fast unmenschliche Entbehrungen. Dreimal ließ der Anmarsch der Franzosen auf Berlin die Stadt und ihre Umgebung erzittern, und ebenso sorgte das Katze-Maus-Spiel zwischen der Schlesischen Armee und den napoleonischen Kontingenten für eine unablässige, eigentlich nicht mehr tragbare Belastung. Es ist insofern bezeichnend, wenn in der Mark schließlich erst am 12. September ein summarisches Dankfest für alle bisherigen Siege gefeiert wurde^®. Zuvor war die Lage zu ungewiß. Auch dadurch, daß man auf heimischem Boden kämpfte, verstärkte sich nochmals der Charakter des nationalen Krieges. Während die geängstigte Landbevölkerung südlich Berlins, beladen mit Sack und Pack, in die Hauptstadt drängte, rückte mitten hindurch die kurmärkische Landwehr aus, um sich unweit Großbeerens dem heranziehenden Feind zu stellen^'. Nie war der Kampf für den eigenen Herd augenfälliger gewesen. Die Schrecknisse einer - modern ausgedrückt - vor- und rückwärtsrollenden Front erlebte zugleich Schlesien'*®. Die Beanspruchungen der Region, wie bald auch im benachbarten Sachsen, waren entsetzlich. Aber nicht nur die Zivilbevölkerung litt, auch die Truppen, eigene wie fremde, lebten in einer dauernden Überforderung. Mangelnde Verpflegung samt all ihren Folgeproblemen waren an der Tagesordnung. Außergewöhnliche Marschleistungen stellten fast das Übliche dar. Wesentlichen Einfluß gewann das häufig regnerische Wetter des Spätsommers und des Herbstes. Vielfach marschierte man barfuß, weil die Schuhe im Schlamm stecken geblieben waren. Infolge des meist feuchten Pulvers wurde neben dem Bajonett der Gewehrkolben zur gebräuchlichsten Waffe („So flutscht et bäter"). Es kam zu Szenen, bei denen nach Hunderten zusammengedrängte Soldaten beinahe bis auf den letzten Mann erschlagen wurden (Hagelberg). Pardon war in diesen Nahkämpfen nicht möglich oder wurde auch nicht gegeben. Das Mitgeteilte macht erklärlich, wenn sich unter den extremen Bedingungen, wie sie zum Beispiel im Zusammenhang der Schlacht an der
" Das Zirkular in DStA Brandenburg, BED 139/250 S. 139. » Keßler, Leben S.176. "> Nach wie vor anschaulich Droysen, York 2 S. 96-139.
Fortdauernde Bewährang
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Katzbach herrschten, Landwehrbataillone nahezu auflösten^'. Man hielt es einfach nicht mehr aus und setzte sich nach Hause ab. Um die Disziplin zu garantieren, wurde teilweise zur Prügelstrafe gegriffen^^. Aber viele Wehrmänner kehrten nach Überwindung des ersten Schocks anscheinend auch freiwillig zurück"". Im ganzen jedenfalls bewährte sich die neue Einrichtung. Es gab Anfangsschwierigkeiten, etwa bei der ersten Begegnung mit dem feindlichen Feuer. Verständlich war das, denn bis dahin hatte im Bataillon kaum jemand den Krieg wirklich erlebt. Doch bald schon stand die Landwehr der Linie nicht mehr nach. Selbst der gestrenge Yorck dokumentierte das durch hohes Lob (Wartenburg). "Weiter noch ging der unter dem Namen des Königs erlassene Armeebefehl, der der ganzen Monarchie die Anerkennung der Verdienste der Landwehr bekannt machte. Der Befehl war auf allen Kanzeln zu verlesen und kursierte auch als Einblattdruck'*'^. Familien von Landwehrverpflichteten erhielten staatliche Vergünstigungen"*^.
3.2.2. Die
Frömmigkeit
Daß letztlich nur unter Beweis gestellte Frömmigkeit den Feind besiegen könne, war ein Thema, das seit den Tagen des Aufbruchs in der Kriegsideologie seinen festen Platz hatte. Zuletzt hatte es die im Übungslager zusammengefaßte Landwehr so gehört: „Nehmt die Wahrheit der Religion willig auf und bewahret sie in einem feinen und guten Herzen. Stärkt euch im Vertrauen auf den Höchsten und in treuer Erfüllung eurer Pflichten. Lernet Muth, Entschlossenheit und gottseliges Wesen von dem, der auch für die Sache Gottes und für das Reich der Wahrheit in einen schweren Kampf ging und selbst durch seinen Tod der Tugend den Sieg verschaffte. Schlaget die Einladungen für das Göttliche nicht aus und bedenket, daß der schönste Zug in dem Bilde eines christlichen Kriegers Frömmigkeit und Gottesfurcht ist. So werdet ihr mit Gott Thaten verrichten .. Nun in den folgenden dramatischen Wochen war solche Frömmigkeit zu praktizieren. Es gab dazu äußere Anleitung, ebenso findet sich aber auch persönliches Verlangen. „Du wunderst Dich, wie der Soldat jetzt so fromm beten könne, und fürchtest, es würde dies nur zu Gespötte Anlaß geben; allein glaube das ja nicht; denn es sind jetzt nicht mehr die Menschen " Ebd. S.107; Delbrück, Gneisenau 1 S.360f. " Delbrück ebd.; Droysen, York 2 S.127. " Droysen, York 2 S.138. " Mit Anweisungen гиг Verbreitung in DStA Brandenburg, BED 139/250 S. 145-149, 155 f. « Vgl. Amts-Blatt 1813 über Ilegister Stichwort „Landwehr". " Spieker, Predigten S.152.
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Bewährung und Erfüllung
ohne Gott und Vaterland, die für einen geringen Lohn Freiheit und Leben verkauften; es sind die edelsten Söhne des Vaterlandes, welche mit Gott aufstanden, um die Freiheit wieder zu erringen. Es wird mit solcher Stille und Andacht gebetet, auch wenn ich nicht da bin, daß selbst die Sachsen, welche mehr durch Zufall gegenwärtig sind, bis zu Tränen gerührt werden. Der religiöse Sinn ist der schönste Schmuck unserer Krieger, auch der Leichtsinnige wird hingerissen zu dem hohen himmlischen Glauben, kein Leutnant spottet mehr wie ehemals; sie haben das Höchste angenommen im gläubigen Gemüt, und wer es nicht hat, wagt doch nicht, es zu verspotten. Darum sind wir unbesieglich; denn was kann der fürchten, der den Himmel im Herzen trägt, an Gott und Unsterblichkeit glaubt. Gegen ein solches Heer kann der Tyrann nichts ausrichten, und wir zweifeln mit Recht nicht am Siege. Welch ein Jammer ist beim feindlichen Heer! Napoleons Glücksstern ist völlig untergegangen.. Durch Köhlers „Tagebuchblätter" (ursprünglich Briefe an seine Schwester) ist überhaupt viel vom religiösen Leben in der Landwehr zu erfahren. So wurden Gesangbücher angeschafft von dem Beichtgeld, das die Offiziere gaben"". Offiziere sprangen aushilfsweise mit Lesepredigten ein*·'. Und oft ausdrücklich gewünscht, wurden reihum bei den Truppen neben den Betstunden auch Abendmahlsfeiem gehalten^®. „Gestern [24. September] habe ich einen schönen Tag gehabt; denn ich habe mit dem Feldprediger Tülft Kommunion gehalten. Das Wetter war unvergleichlich schön. Auf einem ziemlich großen, rundum mit Wald umgebenen Platze hatten die Soldaten einen schönen Altar von Rasen, rundum mit einer Stufe umgeben, gebaut. Hinten bildete eine Ehrenpforte den Eingang. Der Altar war mit einer Girlande von Weinranken umgeben. Auf demselben war ein Altartuch von weißem Atlas gebreitet. Es hatte einen Kranz von Eichenlaub, mit schwarzer Seide gestickt. In demselben war das Landwehrkreuz, mit der schönen, sinnvollen Inschrift desselben [Mit Gott für König und Vaterland], auch von schwarzer Seide. Im großen Halbkreise standen tausend Kommunikanten vier Mann hoch, der General mit seinen Adjutanten in der Mitte, um die Feier zu verherrlichen. Da hörten sie die heilige Rede; da dachten sie an den, der das Leben ließ für die Brüder, gelobten ihm ähnlich zu werden und auch das Leben für die Brüder zu lassen; da genossen sie das heilige Mahl mit mehr Glauben und Liebe und Andacht als in der Kirche. Sie standen ja in dem großen Tempel der Natur, in dem der Odem des Allmächtigen sie anwehte, unter dem großen Gewölbe des
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Jäkel, Köhler S.68. Ebd. S.121. Ebd. S.126. Ebd. S.116.
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Himmels, in dem sie zwar nur Staub und Asche, doch allein mit Gott verwandt sind; es waren ja die edelsten Menschen, die alles hingegeben, sich dem Siege oder Tode geweiht hatten, mit Glaube und Liebe in den heiligen Krieg gezogen waren, um den daheim Gebliebenen die Freiheit zu erringen! Das schöne, bei gedämpften H ö m e m gesungene Lied: , 0 Haupt voll Blut und Wunden' riß unwiderstehlich zur Andacht hin, und die Krieger schämten sich nicht der heiligen Rührung..."^* Teilt Köhler insgesamt nur wenig von den eigenen Predigten mit, so hört man diesbezüglich mehr von Spieker. Von ihm sind, weil er, Belagerungstruppen zugeordnet, mehr Muße als seine Amtskollegen hatte, ausformulierte Predigten, aber auch Predigtvorträge erhalten (etwa „Ueber den Sinn und die Bedeutung des eisernen Kreuzes", „Der Tod fürs Vaterland, dargestellt durch Beispiele aus der Geschichte")^^. Die hochtönenden Passagen mögen dem einfachen Hörer zuweilen schwierig gewesen sein, doch das eindrückliche Pathos verfehlte sicherlich seine "Wirkung nicht. Unauslöschlich in Erinnerung blieb den Teilnehmern der Vorgang, wenn im Feldgottesdienst beim Dank für den geschenkten Sieg das ganze Heer auf die Knie fiel, im Beispiel von Kulm während mehrerer Feiern etwa 180000 Mann®^. Hinzu trat seit dem 19. August die Verfügung des Königs, daß künftig Morgen- und Abendgebet nicht fehlen sollten, damit es bei den preußischen Truppen nicht weniger fromm zugehe als bei den anderen verbündeten Heeren^"*. Voraussetzung bei alledem war natürlich die Ruhestellung der Truppen. Mit anderen Worte, in den zahlreichen, häufig pausenlosen Bewegungen vieler Heeresteile während des Herbstfeldzuges war folglich die religiöse Betreuung darum oft nur sporadisch. Das Schloß persönliche Frömmigkeit nicht aus: „In den beiden letzten Nächten hatten wir weder Stroh noch Gesträuch zum Obdach oder Unterlage, dennoch preisen wir unser Glück, da das Himmelszelt so rein und der Mond so klar ist. Sonst betete ich mit verschlossenen Augen, jetzt aber sehe ich immer in die hellen Gestirne des Nordpols, und wie ganz anders betet sich's da!"" Hingegen die Zivilbevölkerung betreffend, so ist auf das hinzuweisen, was bereits zur Predigt des Waffenstillstandes ausgeführt wurde. Die sonntägliche „Durchhaltepredigt", zahlreich besucht, setzte sich fort. Abgehoben wurde auf das notwendige Gottvertrauen und seine Entsprechung vor Ort, nämlich daß man nach wie vor zu jedem persönlichen Opfer
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Ebd. S.67. Predigten S. 185-204, 235-254. Jordan, H.V.Jordan S.138. Schild, Feldprediger 2 S.259f. Keßler, Leben S.179f.
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bereit war. Gezielte behördliche Aufforderungen versuchten diese Bereitschaft zu kanalisieren, damit den schwierigsten Problemen bei den Armeekorps abgeholfen werden könne, wozu neben Ausrüstungsgegenständen Verpflegung und Vorspann auch die Sorge um die Verwundeten zählte^^. Letztlich gab man um so lieber, weil das ja denen zugute kam, die man als Angehörige, Freunde und Bekannte draußen im Felde hatte. Im ganzen jedenfalls waren Gründe, wie die ständige Konfrontation mit dem Tod oder der inzwischen eingetretene Verlust nahestehender Menschen oder auch die politisch unabgeklärte Lage, dazu angetan, daß sich die Sehnsucht nach religiöser Beziehung ausbaute. Sie konnte sich nochmals vertiefen in aktuellen Notsituationen. Angesichts des ersten Zuges der Franzosen auf Berlin richtete Jänicke (Berlin) einen Gebetsdienst ein, in dem Tag und Nacht auf Knien liegend um die Bewahrung der Stadt gebetet wurde®^. Und Hanstein hielt bei gleichem Anlaß eine - dann auch im Lande gelesene - Predigt unter der Fragestellung „Was hat eine Stadt zu bedenken, die in kriegerischer Zeit von drohenden Gefahren umgeben ist?"^® Sie Schloß - Predigttext war Jesu Gerichtsprophezeiung über Jerusalem - die Katastrophe nicht aus, vermittelte dem Hörer aber das Gefühl, daß er im Vertrauen auf Gott diese Spannung aushalten müsse, wichtigstes Bindeglied sei dabei das anhaltende Gebet, daraus erwachse neue Hoffnung. In Zossen hingegen feierte man offenbar schon vor dem verordneten Siegesfest spontan einen Dankgottesdienst, als klar war, daß der bei Anrücken des Feindes zu devastierende Stadtteil nebst Kirche nunmehr aus dieser Gefahr befreit waren^'. Auf weitere Belege kann hier verzichtet werden, da- es nicht um den Nachweis der Frömmigkeit an sich geht, sondern darum, wie sie sich unter den gegebenen politischen Bedingungen äußerte. Man sah Gott als Bundesgenossen, aber noch immer fehlte der unerschütterliche Beweis. Irritation war im Auf und Ab dieser Wochen möglich, doch es gab keinen anderen Weg als das sich fortsetzende Vertrauen, praktisch umgesetzt in persönlichem Tun. Verständlicher wird dieser Gedanke, wenn man sich erinnert, daß schon seit den Anfängen des Jahres in Publizistik, Predigt und Gespräch die Gleichung galt: Gottlos und dem Untergang geweiht wie die Franzosen, und andererseits, wie die Russen schließlich doch siegreich, weil unerschütterlich im Vertrauen auf den gerecht handelnden Gott.
" Vgl. das laufende Amts-Blatt; außerdem Tb. 15. " Karl Friedrich Ledderhose, Johann Jänicke, der evangelisch-lutherische Prediger an der böhmischen- oder Bethlehems-Kirche zu Berlin nach seinem Leben und Wirken. Berlin 1863 S.68f. " Ernste Zeit S. 151-168; Jäkel, Köhler S.26. " Dapp, Magazin 7,2 S.42.
Fortdauernde Bewährang
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3.2.3. Der erste Siegesdank nach dem Waffenstillstand Das letzte Siegesfest hatte man nach Großgörschen gefeiert. Ihm schloß sich bald darauf die deprimierende Nachricht vom Waffenstillstand an. War jetzt nach einer Kette von Siegen die Wende in Sicht? Ais ein Beispiel dafür, wie man zu diesem Zeitpunkt die eigene Situation empfand, wird die von Superintendent Wolf in Zossen gehaltene, oben schon erwähnte Predigt benutzt^®. Sie besitzt ihren besonderen existentiellen Bezug darin, daß man hier nicht nur die Kanonen von Dennewitz gehört, sondern, südöstlich von Berlin gelegen, zuvor auch die Schlacht bei Großbeeren aus nächster Nähe miterlebt hatte: „Sie sind noch in frischer Erinnerung und werden nie bei euch in Vergessenheit kommen, die Tage, wo sie nahe an dieser Stadt vorbei, durch die Wohnörter Mancher von euch, arme, schwergeprüfte Mitglieder unserer Landgemeine, daherzogen in gedrängten Schaaren, und euch fragten, in wieviel Stunden sie die Hauptstadt erreichen könnten?"^' Der Gang der Predigt ist, kurz skizziert, folgender: Nach dem Eingangsgebet wird einleitend der doppelte Anlaß der Predigt genannt: Die bei Herannahen des Feindes zu verwüstende Stadt sei nunmehr von dieser Sorge befreit, und zum anderen sei dem Vaterland Heil widerfahren durch eine Reihe aufeinander folgender Siege. Der gnadenvolle Beistand Gottes habe sie ermöglicht. Es folgen Gesang und nochmals Gebet. Dem schließt sich die Verlesung des verordneten Textes an: „Wohl dem, den du, Herr, züchtigest, und lehrest ihn durch dein Gesetz, daß er Geduld habe, wenn es übel geht, bis dem Gottlosen die Grube bereitet werde. Denn der Herr wird sein Volk nicht verstoßen, noch sein Erbe verlassen. Denn Recht muß doch Recht bleiben, und dem werden alle frommen Herzen zufallen." (Ps.94,12-15) Als „eine Selbstermunterung Davids, aus einer Zeit, wo Uebermuth und Ruchlosigkeit ihn vom Throne verdrängen wollten", seien dies passende Worte für „alle, die sich in ähnlichen Umständen befinden."^^ Und Wolf gliedert daher auf die Frage „Mit welchen Gesinnungen wir dieses Siegesfest feiern sollen": 1) mit lebendigem Dank, 2) mit demutvoller Unterwerfung, 3) mit gläubigem Vertrauen^^. Ausgangspunkt des ersten Teiles ist die Verszeile „Der Herr wird sein Volk nicht verstoßen". Es heißt dazu: „das war die ermunternde Hofnung, womit wir diesen Krieg begonnen, und womit wir uns bei den Ereignissen, die unsem Wünschen entgegen waren, und bei so manchen Gefahren, die '» " »» "
Dapp, Magazin 7,2 S. 41-50. Ebd. S.45. Ebd. S.43. Ebd. S.44.
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Bewährung und Erfüllung
uns droheten, aufrecht erhielten. Oft trübte sich vor uns der Himmel und unserm Kleinmuth verdunkelten sich alle Sterne der Hofnung. Aber die letzten Ereignisse dieses Krieges, die Siege, die wir heute feiern - wie haben sie unsre Herzen gestärkt und unsre Hofnungen erfüllt!"^'* Im Anschluß folgt eine Schilderung der vorangegangenen militärischen Operationen. Als Summe wird gezogen: „Der Gottlose wollte uns mit Leid in die Grube stürzen, aber siehe, er hatte sich die Grube selbst bereitet. Denn der Herr hat sein Volk nicht verstoßen, noch sein Erbe verlassen. Darum beugen wir an diesem fesdichen Tage dankvoll unsere Knie vor Gott und unsere Herzen geloben es ihm, den Sinn zu bewahren, der dieser ausgezeichneten Wohlthaten würdig ist."^' Der zweite Teil, „demuthvolle Unterwerfung", beschäftigt sich zum einen mit „Züchtigung" und zum anderen mit „Geduld, wenn es übel geht". Über aller Züchtigung, erlebt seit Jahren, während des Krieges und noch in den jüngsten Verwüstungen, stehe das dem Glaubenden nicht hinterfragbare „Gott züchtiget uns zu Nutz!"^^. Geduld dagegen sei „kindliches Harren auf die gewisse Hülfe Gottes", sei „die Weisheit der Schrift bei solchen Verhängnissen" wie Tod, Verwundung, Verlust der Gesundheit^^. Für die Betroffenen gelte: „je edler ihr Sinn, je entschlossener und fester ihr Muth, je heiliger ihre Liebe zu König und Vaterland, mit desto innigerer Theilnahme blicken wir hin auf ihre frühen Gräber, auf die Lager der Schmerzen, wo sie so zahlreich dulden; wir mischen in unseren Dank gegen Gott und gegen sie, unsre heißen Gebete für sie, unsre gerührteste, dankbarste Theilnehmung an ihrem Schicksal, und wir heiligen unsre Siegesfreude durch eine demüthige Unterwerfung unter den Rath dessen, der für diese großen Erfolge so schätzbare Opfer gefordert hat:"^® Im dritten Teil schließlich wird appelliert an das kindliche Vertrauen in Gott. Der Gang des Krieges habe es illustriert: „... am Ende offenbart es sich in seinem heiligen Reiche immer, daß Recht doch Recht bleiben, und daß die gerechte Sache, wenn sie mit Gottesfurcht, Muth, Ausdauer, Besonnenheit verfochten wird, mit Sieg und Gelingen gekrönt wird."^' „Und dem werden alle frommen Herzen zufallen." Dies sei „durch die Lenkung des Weltregierers" nun schon mehrfach der Fall gewesen^". Das zeige sich durch die Siege, aber auch durch den Beitritt Österreichs und die beträchtlichen Scharen deutscher Krieger, die die Fahnen der Ruchlosigkeit verlassen hätten. „Die in ihrem Joche bisher noch so geduldigen " « " " " "
Ebd. Ebd. S.46. Ebd. S.47. Ebd. Ebd. S.48. Ebd. S.49. Ebd.
Erfüllte Hoffnung
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deutschen Fürsten" möchten dem folgen^'. Bezüglich des Verhältnisses von Gott zum deutschen Volk wird gesagt, daß er es „durch so viele Beweise von väterlichem Wohlthum zu seinem Volke, seinem Erbe, dem Augenmerk seiner besonderen Gnade geweihet hat."^^ Ein Blick auf den hoffentlich bald eintretenden Frieden unter den Völkern schließt die Predigt. Faßlich vorgetragen einer von vielerlei Gefühlen bewegten Gemeinde, umrahmt von besonderer Kirchenmusik und dem abgesungenen Tedeum, war das eine Predigt, die in Erinnerung an die eben noch erlebten Bedrängnisse tatsächlich neue Hoffnung ausstrahlte. Sie Schloß ein schreckliches Kapitel ab und spannte zugleich die Erwartung für das Künftige. Ja, indem Geduld gepredigt wurde, machte sie eigentlich schon neu ungeduldig. Man freute sich an den Teilerfolgen, aber diese ließen die Erkenntnis wachsen, daß der entscheidende Schlag noch immer fehle. Nimmt man diese Aussage zur Kenntnis, dann kann man die vorliegende Predigt sicherlich verallgemeinem, das heißt, sie als Anzeige der gegenwärtigen Stimmung in der Monarchie verstehen. Schwieriger verhält es sich dagegen mit der Einordnung der ebenfalls in der Predigt ausgesprochenen besonderen Zuwendung Gottes an das deutsche Volk; darüber wird noch in anderem Zusammenhang zu sprechen sein.
3.3. Erfüllte Hoffnung Lange genug hatte man zwischen Beklemmung und Hoffnung gelebt. Doch nun endlich gestaltete der Ausgang der Leipziger Schlacht die politischen Verhältnisse eindeutig. Abgesehen von einigen noch besetzten Festungen, war die Macht Napoleons bis zum Rhein hin gebrochen. Allgemein war es so, als weiche ein großer Druck von der Brust, und entsprechend äußerte sich der Jubel aus dem Gefühl der wiedererlangten Freiheit vehement und vielseitig. Dieses neue Lebens-, auch Triumphgefühl hat seinen Niederschlag in den verschiedensten Bereichen gefunden. Man kann es in den Siegespredigten ebenso finden wie in persönlichen und behördlichen Äußerungen. Eine neue Dimension gewann nochmals die Tagesliteratur. Schon in Preußen während des Frühjahres einer Flut vergleichbar, brach sie jetzt alle Dämme und wurde zu einem politischen Kampfmittel gesamtdeutscher Ausdehnung^'. So ziemlich jeder, den es drängte, konnte sich durch " Ebd. S.49f. " Ebd. S.50. " Neben dem klassischen Werk von Czygan, Tagesliteratur, vgl. auch Karl Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen 7. Hg. von Edmund Goetze. Dresden ^1900 § 311 (S.813-868).
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Gedicht, Lied, Flugschrift oder auch Karikatur seinem Publikum zuwenden. Die „Bestseller" des Frühjahres erschienen neu, zum Teil auch umgearbeitet und ergänzt^"*. Ein Problem blieb die kleinliche preußische Zensur; deshalb wich man auch nach Leipzig aus, wo Stein als Chef der Zentralverwaltung patriotisches Schrifttum förderte^^. Hatte die militärische Lage bis zur Völkerschlacht dafür gesorgt, alle Kräfte zusammenzuhalten, so bot sich nach dem Sieg ein merklich diffuseres Bild. Die Kabinette versuchten je ihre eigene Politik, die neu hinzugetretenen Rheinbundländer waren zumeist bescheiden in ihrem Rüstungsaufkommen, wollten aber alle ihre Sonderinteressen gewahrt sehen. So war die Leipziger Völkerschlacht tatsächlich Höhe-, aber auch Wendepunkt des Krieges zugleich. Der Krieg war noch gar nicht gewonnen, da fiel man wieder in alte Denkstrukturen zurück. Vielleicht lag das auch daran, daß es ein klares deutschlandpolitisches Konzept nicht gab. Jedenfalls ist längst vor dem Wiener Kongreß und spätestens am Ende des Winterfeldzuges zu bemerken, daß landesherrliches Denken wieder im Aufwind lag. Davon ist hier ausdrücklich deshalb zu sprechen, weil diese Erscheinung sich zunehmend auch in Preußen fand. Sicher mag dabei eine Rolle gespielt haben, daß sich der Krieg von den eigenen Grenzen entfernt hatte. Doch es machte den Krieg auch nicht populärer, wenn man an den langen und unübersichtlichen Winterfeldzug oder an die immer wieder eintretenden Verluste dachte. War Preußens altes Ansehen nicht zurückgewonnen, und war die Friedenssehnsucht dieses Staates nicht nach einem Jahr unglaublicher Anstrengungen verständlich? Eine Entsprechung zu solchen Gedankengängen zeigt sich auch in der eigenen Beziehung zu Gott: Wie die politische Lage, so war nun auch das Gottesbild in der zweiten Hälfte des Krieges maßgeblichen Veränderungen unterworfen.
3.3.1. Das Erlebnis der Leipziger
Schlacht
Vielleicht mehr noch als das abschließende Friedensfest, dessen Feier durch die späte Rückkunft des Königs erst in den August 1814 fallen sollte, hat Preußens Bevölkerung wohl die Nachricht vom Sieg in der Völkerschlacht begeistert. Zum Teil zunächst nur bruchstückhaft informiert, weil die Kuriere in der Mehrtageschlacht mit Zwischenberichten abgeschickt wurden, kannte der Jubel keine Grenzen mehr, als man von dem Ausmaß und den Folgen dieses Sieges erfuhr^^. Es kam zu spontanen Feiern und zu " Z.B. Arndts „Katechismus", vgl. Graf, Nachahmung S. 122-125. " Friedrich Schulze (Hg.), Die deutsche Napoleon-Karikatur. Weimar 1916 S.VI. " Graf, Völkerschlacht S. 95-100.
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Dankgottesdiensten. Die großen Zahlen von Gefangenen und Kriegsbeute wurden aufgezählt. Nur von den furchtbaren Verlustert hörte man noch nicht (Nach der Schlacht bei Möckern: „Unsere elfte Kompanie zählte am Morgen des 16. Oktober 210 Mann, und am Abend waren wir noch unser acht. Am folgenden Tag fanden sich noch etliche Versprengte wieder ein, so daß wir's auf 15 Mann brachten. In dieser Nacht, die dem schrecklichsten aller Tage folgte, kam ich nicht viel zur Besinnung. Das Stöhnen, Wimmern, Schreien und Röcheln um mich her wollte gar kein Ende nehmen. Und als es Tag ward, gingen mir vollends die Augen über. Fast alle meine guten, treuen Kameraden waren dahin. Ich mußte auf die Seite gehen und mich satt weinen."^^). Spieker predigte auf den Höhen bei Körbelitz vor Magdeburg: „Der Feind ist geschlagen, die Fesseln sind zerbrochen, die Freiheit ist gerettet und Gott der Herr wandelt sichtbar unter den Völkern."^® Welche Ergriffenheit die Nachricht vom Siege verbreitete, zeigt auch der Bericht seines Amtskollegen Köhler: „Auf einer Berglehne, im Angesichte von Wittenberg stellte sich das Korps kolonnenweise auf . . . Ich stand auf einer natürlichen Anhöhe, rechts und links die Musik und Sänger, hinter mir der General mit seinem Stabe. ,Ich rief den Herrn in meiner Not', und die zwei folgenden Verse sangen die Tausende, und tausend Tränen der Freude und des Dankes flössen über die Wangen. Darauf predigte ich über P s . 2 0 , 7 - 9 : ,Nun merke ich, daß der Herr seinem Gesalbten hilft und erhöret ihn in seinem heiligen Himmel, seine rechte Hand hilft gewaltiglich. Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse; wir aber gedenken an den Namen des Herrn, unseres Gottes. Sie sind niedergestürzt und gefallen, wir aber stehen aufgerichtet.' Nach der Predigt kniete ich nieder und mit mir die Tausende, der General und alle Offiziere; mit entblößtem Haupte sprachen sie alle das Gebet des Dankes und der Bitte für König und Vaterland, für die Verwundeten und Gebliebenen, und das Gebet des Herrn beschließt den gläubigen Dank. Darauf sangen alle fröhlich und freudig ,Nun danket alle Gott'. Jetzt marschierte das Korps in unabsehbaren Linien auf, alles vereinte sich in dem Rufe: ,Es lebe der König!' und die Kanonen und das kleine Gewehrfeuer donnern in den Freudenruf... Es gibt ja nichts Erhabeneres, als unter dem großen Himmelszelte dem zu danken, der alle Himmel mit seiner Gottheit erfüllt, und nichts Rührenderes, als Tausende knien zu sehen vor dem, in dem wir leben und weben und sind."''' Während die Feldprediger freie Textwahl hatten, war der Siegespredigt in der Monarchie Ps. 3 4 , 4 - 5 zugrunde zu legen: „Preiset mit mir den Herrn
" Ebd. S.44f. " Predigten S.296. " Jäkel, Köhler S.119f.
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und laßt uns miteinander seinen Namen erhöhen. Da ich den Herrn suchte, antwortete er mir und rettete mich aus aller Furcht."®" Ohne daß man es damals wissen konnte, waren damit zwei Theologumena angesprochen, die über den Friedensschluß von 1814 hinaus und nochmals 1815 immer wieder neu zu reflektieren waren: das Bewußtsein der Bundesgenossenschaft Gottes und die Konsequenzen, die aus dieser neuen Qualität zu resultieren hatten.
3.3.2. Die neue Qualität Der siegreiche Ausgang der Leipziger Schlacht annullierte die bisher vorgetragene Kriegsideologie nicht, verlangte jedoch nach einer neuen Präzisierung. Die Aufforderung, durch zu leistende Moral die zweifelsfreie Bundesgenossenschaft Gottes zu erlangen, sah man sichtbar bestätigt. Aber da der Krieg fortdauerte, stellte sich die Frage, wie die geschenkte neue eigene Qualität inhaltlich zu füllen sei. Die diesbezügliche Antwort war nicht einheitlich. Zunächst einmal soll hier deshalb die Linie verfolgt werden, die von der Kanzel her ihren Ausgang nahm. Sie orientierte sich, wie schon seit dem Frühjahr, an regierungsamtlicher Verordnung und kommt so einer die Staatsideologie betreffenden Aussage gleich. Der zeitliche Gang entspricht dabei auch einer inhaltlichen Entwicklung, die bis in den Herbst 1814, also bis in die ersten Friedensmonate reicht. Deutlich machen kann man sich diese Entwicklung an den verordneten wichtigsten Predigttexten jener Zeitspanne®': Anläßlich der Leipziger Schlacht war, wie genannt, verfügt: „Preiset mit mir den Herrn und laßt uns miteinander seinen Namen erhöhen. Da ich den Herrn suchte, antwortete er mir und rettete mich aus aller Furcht." (Ps. 34,4-5) Zur Einnahme von Paris (31. März 1814) war zu predigen über: „Gott, dein Weg ist heilig. Wo ist ein so mächtiger Gott, als du, Gott, bist? Du bist der Gott, der Wunder thut; du hast deine Macht bewiesen unter den Völkern. Du hast dein Volk erlöset gewaltiglich." (Ps. 77,14-16) Und das Friedensdankfest hatte als Text für die Hauptpredigt: „Hüte dich nur und bewahre deine Seele wohl, daß du nicht vergessest die Geschichte, die deine Augen gesehen haben, und daß sie nicht aus deinem Herzen komme, all' dein Lebelang." (5. Mose 4,9)
«» Vgl. Tb. 16. " Die entsprechenden Zirkulare und Erläuterungen bei Jungklaus, Ereignisse S. 315-322.
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In diesem Zusammenhang brachte der letzte Text eine Bündelung der jüngst erlebten Geschichte, wobei das gleichzeitig verfügte Dankgebet®^ nachdrücklich vor aller Selbstgerechtigkeit warnte und außerdem mit Nachdruck auf einen Gott verwies, der die Jahre der Verirrung Preußens vergeben habe und neues Heil schenke. Möglicherweise war das eine Korrektur zu Aussagen, wie sie sich bei der Meditation des Predigttextes zur Einnahme von Paris ergeben hatten. Zum Beispiel Nicolai (Züllichau): „Denn obgleich Gottes Güte so weit reicht, so weit die Himmel reichen, und obgleich, genau genommen, alle Völker Gottes Kinder sind; so ist doch im ausgezeichneten Sinne des Wortes nur dasjenige sein Volk und unter allen Umständen seines theuren Schutzes werth, welches ihn fürchtet und auf seine Güte hofft. Ganz gewiß ist es aber weder Stolz noch Übermuth, wenn wir, für unsem heutigen Zweck andere Völker dieser Art übergehend, von unserm Preußischen Volke behaupten, daß es während des letzten Krieges im Ganzen sich deudich als Gottes Volk gezeigt habe; indem selbst fremde Völker, selbst unsere bisherigen Feinde es bekennen, daß gerade die großen gottesfürchtigen Anstrengungen unserer Preußischen Nation für König, Vaterland und Brüder es waren, derentwegen der ewig treue Gott bis auf die letzten Entscheidungen unserer sieggeschmückten Waffen nicht von uns gewichen ist. Mit ihm haben wir das große Werk begonnen; mit ihm haben wir große Thaten gethan. So war er unser Gott; denn wir waren sein Volk. Und hierin lasset uns also zum würdigsten Schlüsse unserer heutigen Betrachtung die wichtige Bedingung erblicken, unter der auch in Zukunft er unser Gott und wir sein Volk bleiben werden; wenn wir nämlich ihn fürchten und auf seine Güte'hoffen. Fürchten aber werden wir Gott in der edelsten Bedeutung des Worts, sobald wir hinfort abgestorben dem elenden Sinn verweichlichter und ausgearteter Nationen, nicht die bloße Weltklugheit und die betäubende Lust der Sinne als das höchste Gut betrachten, sondern überzeugt sind, daß nur wahre Frömmigkeit, d.h. Reinheit der Sitten, Gewissenhaftigkeit im Beruf und gottergebener Sinn in allen Verhältnissen des Lebens den Grundpfeiler alles öffentlichen und häuslichen Glücks bilden."" So stellte im Grunde genommen die Predigt zur Einnahme von Paris (in der Mark am 24. April 1814) die letzte Nahtstelle innerhalb der Kriegspredigt von 1813/14 dar®"*. Einerseits wurde der Beitrag gewürdigt, den die preußische Nation während des schwierigen Krieges geleistet habe. Man habe sich erwiesen als Gottes Volk. Andererseits ergab sich nun aber auch
Fehlt bei Jungklaus, Ereignisse; dagegen DStA Brandenburg. BED 139/250 S. 171 f; vgl. Tb. 17. " Vaterlandspredigten 2 S. 14-16. Auch das Kriegsgebet wurde am 25. Mai 1814 abgesetzt, DStA Brandenburg, BED 139/250 S. 167.
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die Frage nach dem Verhalten in der Zukunft, damit die erworbene Bundesgenossenschaft fortan nicht wieder verloren gehe. Im erweiterten historischen Kontext wurde diese Frage dann nochmals anläßlich des Friedensfestes im August angesprochen. Der Predigttext und mehr noch das spezielle Dankgebet malten nicht nur die geschuldete Unvergeßlichkeit gegenüber Gottes gnädigem Handeln vor Augen, sie verknüpften damit auch das abschreckende Beispiel der Verhältnisse, die zur Katastrophe von 1806 geführt hatten. Gott - so die Anwendung habe zur Züchtigung greifen müssen. Jetzt stehe Preußen am Scheidewege. Wolle es sich weiterhin zu Gott bekennen, dann sei auch die Zukunft nicht ungewiß. Grundlage seien Buße, Demut, auch Dank und Lob sowie das Achten auf Gottes "Willen - alles Tugenden, die man bis in die unselige Zeit von 1806/07 hinein nur vergessen hätte. Derzeit jedoch habe Gott die vollzogene Abwendung von dieser Epoche gelohnt. Schon während des November 1813, im Sinne einer erfüllten Verheißung, hatte es darum, angelehnt an die Präambel der Landwehrordnung, im Kriegsbericht des Amtsblattes (Kurmark) gelautet: „An uns selbst sind wir nun gewahr worden, daß Gott die Völker in seinen besondern Schutz nimmt, die ihr Vaterland in unbedingtem Vertrauen zu ihrem Beherrscher mit Standhaftigkeit und Kraft gegen fremde Unterdrückung vertheidigen."®® Und ebenfalls Feldprediger Köhler schrieb bald nach der Leipziger Schlacht: „Mit unsrer Macht war nichts getan", ... aber „Gott war mit uns, ist mit uns, und wird mit uns sein."®^ Zunehmend wurden solche Formulierungen nun stereotyp. Auch ein Gliederungspunkt von Nicolais Predigt zur Einnahme von Paris spricht vom Vertrauen zu einem „ewig treuen Gott, der uns nie verläßt, sobald wir sind und bleiben sein wahres Volk."*^ Und gleichfalls die aus dem Kriege Heimgekehrten wurden mit dieser Erklärung nebst dem daraus folgenden persönlichen moralischen Verhalten begrüßt: Wolf (Zossen) sagte bei der Austeilung der Kriegsdenkmünze (Inschrift: „Gott war mit uns. Ihm sey die Ehre.")®® an die Landwehr des Teltowschen Kreises unter Bezug auf 1. Sam. 12,24 abschließend: „Theure Streiter, es sei euer schönster Lohn von Gott, daß ihr das Vaterland für welches ihr theils geblutet habt, theils zu bluten bereit gewesen seid, so lange ihr lebet, glücklich sehen möget. Theure Versammlete aller Stände, das Vaterland wird und kann nicht anders glücklich sein, als wenn der Sinn des Textes: Gott zu fürchten und ihm treulich zu dienen von ganzem Herzen, welches ja auch der Sinn des Christenthums ist, unser aller Vorsatz, unser aller unermüdliches Bestreben wird. Wir haben alle " >' " »»
Amts-Blatt 1813, nach S.494. Jäkel, Köhler S.132. Vaterlandspredigten 2 S.2. Die Medaille 1813/14 bei Ortenburg, Mit Gott für König und Vaterland S.53.
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ein Ziel und am Ziele eine Auszeichnung. zu erstreben; es ist schön Lob zu empfahen; lasset uns so leben, daß einst , einem jechlichen von Gott Lob widerfahre'."»' Verglichen mit der Rede von Gott im Frühjahr 1813 oder noch im Waffenstillstand begegnete hier ein stark veränderter Denkhorizont. Zwar alle Selbstgerechtigkeit sollte auch jetzt abgewehrt werden, denn den Sieg verdanke man ja Gott („Ihm sey die Ehre."). Aber die Definition der göttlichen Bundesgenossenschaft erhielt einen neuen Sinn. Seit den Tagen der Auszugspredigt hatte man mit einer verordneten Dauermoral gelebt. Wie die Zeit der Siege offenbarte, hatte das Mühen unter ihr greifbaren Erfolg gebracht. Wenn sie jedoch, was nur natürlich war, darum auch jetzt in Geltung blieb als Verheißung für die Zukunft, war dann nicht doch der Weg zu einem vereinfachenden „Do, ut des" - Denken geebnet? Es mag sein, daß der damaligen Predigergeneration eine solche Interpretation als nicht sensibel genug erschienen wäre. An der Betonung der Majestät Gottes hatte man jedenfalls nie einen Zweifel gelassen. Aber und damit rückt eine weitere Anschauung von der erlangten neuen Qualität in den Blick - neben der Rede von der Kanzel ist unter dem Vorzeichen des Sieges auch neu auf die Reaktionen des Hörers zu achten. Die Möglichkeiten einer Kluft waren gegeben. Sie resultierten nicht aus der Beurteilung, was Gott getan habe. Darin bestand kein Dissens: Je schlichter oder handfester das Zeugnis vom handelnden Gott, desto willkommener waren damals solche kursierenden Aussagen in Wort oder Bild'°. Was bewußt oder unbewußt beschäftigte, war vielmehr, welche Position man nun selbst innehatte: Man war gegen die Gottlosigkeit zu Felde gezogen, hatte Buße und Demut bewiesen, kein persönliches Opfer gescheut, sich für die Durchsetzung von Gottes Recht engagiert. Wer war man jetzt, nachdem dieser Einsatz seinen sichtbaren Erfolg erhalten hatte? Indem man die Gottlosigkeit besiegt hatte, gehörte man auf die Seite Gottes. Doch was hieß das ? Da nun klare Verhältnisse geschaffen worden waren, war das nicht ausreichend für den Status in der Zukunft? Predigtpassagen, wie die von Hanstein in der Schulpredigt November 1813, konnten solcher Anschauung - unfreiwillig - sogar Vorschub leisten: „Ein Geist der Gottesfurcht ist ausgegangen über die Länder, und namentlich über unser Vaterland, wie ihn die Zeiten der glänzendsten Siege »' Dapp, Magazin 7 , 3 S. 60-65 bzw. 65. " Vgl. etwa den wiederholt abgedruckten Artikel „Gott ist mit uns", u.a. in Preußens Freiheitskampf 1813/14. Eine zeitgenössische Darstellung. Originalwiedergabe der ersten Feldzeitung der Preußischen Armee. Hg. von Kurt Hesse. Potsdam und Berlin 1940 Nr. 52, 3..2.1814, der nach Czygan, Tagesliteratur 1 S.360, von Max von Schenkendorf stammt ( = Tb. 18); auch der „Triumph des Jahres 1813", den es in Variationen gab, ist typisch für die Zeit, Schulze, Napoleon-Karikatur S.V ( = Abb. 5).
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vor einem halben Jahrhundert nicht kannten, nicht ahneten. Mit Flehen und Gebet ziehen die Streiter für die heilige Sache in den Kampf. Mit frommem Gesang feiern sie ihre Thaten und ihre Siege. In die Tempel eilt der Bürger, wenn frohe Botschaft anlangt, und mit dem Könige, dem frommen, dankt kniend das Vaterland dem Könige aller Könige, wenn Siegestage gefeiert werden. Kaum, meine Zuhörer, daß wir nur nöthig haben, unsere Kinder darauf hinzuweisen. Es geschieht ja vor ihren Augen und Ohren. Sie hören ja in dieser - wir möchten sagen, heiligen Zeit, wieder Gott nennen, von Dem fast ein halbes Jahrhundert hindurch kaum anderswo geredet werden durfte, als in den verlassenen Tempeln. Sie wachsen ja auf unter dem Einfluß jenes besseren Geistes, der jetzt überall sich regt und zeigt, in Kirchen und Schulen nicht nur, sondern auch in Familienkreisen; der jetzt überall sich ausspricht, in Predigten nicht nur und heiligen Liedern, nein, selbst in öffentlichen Ansprachen der Fürsten an ihre Völker, in öffentlichen Berichten von den mit Gott, mit Gott erkämpften Siegen."'' Deutlicher herausgestellt ist das Problem, um das es hier geht, dann bei dem späteren Erzbischof Borowski (Königsberg). Am Ende eines Briefes Januar 1814: „Aufwallungen genug, die andächtig scheinen; ein Aufgeschrey ,der Herr hat Großes an uns getan!' hat der Krieg und unsere Siege wohl hervorgebracht; aber ist dies denn ächter religiöser Sinn, der den ganzen Menschen bei seiner Amts- und Berufsarbeit - bei seinem öffentlichen und häuslichen Leben erfüllt; der den Menschen so mächtig erfasset, daß er immer aufs Unsichtbare allein hinsieht und seinen Wandel im Himmel hat?"92 Eben das war es wohl, was Borowski hier kritisch anmahnt: Es gab das Verlangen, endlich einen Schlußstrich zu ziehen. Seit Dezember 1812 dauerte nun schon die innere Anspannung, seit März 1813 währte bereits der moralische Dauerdruck, und auch die erbrachten allgemeinen sowie persönlichen Opfer waren längst ungeheuer geworden. Das Verlangen nach Ruhe war verständlich, aber man konnte darüber nur bedingt expressis verbis sprechen. Deshalb sind zum Nachweis dieser Stimmung wohl auch nur eher indirekte Schlüsse möglich. Einen Anhaltspunkt mag man in der Freude besonders an solchen Liedern sehen, die nochmals die Etappen des Krieges wiedererzählten und gerade so eine Aufarbeitung des Vergangenen erreichten. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Ende 1813 entstandene, rasch in der ganzen Monarchie populär gewordene „Liedlein nach der Leipziger Schlacht", das übrigens die Berliner Zensur schließlich als unan-
« Einste Zeit, S.215f. " (Theodor von Schön), Aus den Papieren des Ministers und Burggrafen von Marienburg Theodor von Schön 5. Berlin 1882 S.49.
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Ständig verbot'^. Jedenfalls war zunehmend jetzt das Bestreben da, selbst die Moral aus der Geschichte zu ziehen. In diese Richtung weist auch die seit Spätherbst 1813 anschwellende Verteufelungswelle (vgl. nächstes Kapitel). Die Zuweisung des Gegners an Teufel oder Hölle gestaltete sich zu einem Akt der Selbstbefreiung, aber auch der vollzogenen Selbstrechtfertigung. Wie allgemein dieser „Ausstieg" aus der verordneten Dauermoral war, läßt sich nicht sagen. Der üblichen Staatsideologie schadete er jedenfalls, und regierungsamtlich konnte man sich deshalb nur kritisch und, wie man hoffte, klärend dazu äußern. Das zeigt das derti Friedensfest beigegebene Dankgebet, das kommentierend das Erlebte mit einem moralisierenden Ausblick in die Zukunft verband. Zeugnisse aus der anschließenden Friedenszeit setzten diese Tendenz fort. Hanstein antwortete in einer Predigt aus dem September 1814 auf die Frage „Wer ist würdig, eine Zeit großer Offenbarungen Gottes zu erleben?" in einem Gliederungspunkt: es ist der, „der endlich an all dem Großen und Ernsten, was vor seinen Augen geschiehet, seinen eigenen moralischen und frommen Sinn, sein eigenes moralisches und frommes Thun und Leben heiliget, stärket und übt."'"^ Ähnliches ist bei der schon zitierten „Rede bei Austheilung der Denkmünzen" von Wolf (Zossen) Januar 1815 zu beobachten; in diesem Fall ist besonders auf die zukünftigen soziopolitischen Verhaltensweisen der Heimgekehrten abgehoben'^. „Gott war mit uns. Ihm sey die Ehre." - das bejahte am Ende des Krieges wohl jeder; aber die Konsequenz für das eigene Leben dürfte unterschiedlich gewesen sein.
" Tb. 19; zur Geschichte dieses Liedes Czygan, Tagesliteratur 2,1 S. 277-296. In Tangermünde; Ernste Zeit S.319. « Vgl. Anm.89.
4. Die Zeichen der Zeit In den voranstehenden Kapiteln wurde herausgearbeitet, wie sich während des Krieges 1813/14, verzahnt mit dem politischen Geschehen, das allgemeine Gottesbild, aber auch das Selbstverständnis der Bevölkerung wandelten. Diese Entwicklung wurde bisher auf dem Wege eines einfachen historischen Längsschnittes dargestellt. Nunmehr soll die Fragestellung so komplettiert werden, daß, vergleichbar der Methode eines Archäologen, zusätzliche Suchschnitte erfolgen, die den vorerst ermittelten Befund durch weitere Aufschlüsse verdeutlichen und damit die Kenntnis des Ganzen auf eine breitere Grundlage stellen. Gefragt sind typische Merkmale des Krieges, die den Zeitgenossen zur Bestimmung der eigenen Position wichtig waren. Besonders hervorzuheben sind dabei, als Themen bereits mehrfach angesprochen, das Problem eines „deutschen" Gottes, die Wirksamkeit des Teufels, das Kreuz als aktuelles Sinnzeichen und der Kniefall als angemessener Akt der Demut vor Gott. Wenn hier diese Themen nur sachlich nacheinander behandelt werden können, so ist das lediglich als eine notwendig praktische Maßnahme anzusehen. Tatsächlich hat man eine inhaltliche Korrespondenz zu den jeweilig anderen Bereichen stets mitzudenken. Außerdem soll nun auch, den zeitlichen Überblick abrundend, die Entwicklung bis zum Ende des zweiten Krieges gegen Napoleon im Jahre 1815 einbezogen sein.
4.1. Der „deutsche" Gott Die Anschauung vom „deutschen" Gott besaß während der Befreiungskriege noch nicht jene Breitenwirkung, wie sie uns ein Jahrhundert später am Beginn des ersten Weltkrieges entgegentritt. Nicht allein bei Arndt, dem wohl nachdrücklichsten Vertreter, stellt sich die Frage nach einer anhaltend publizistischen Ausstrahlungskraft. Sondern es läßt sich überhaupt die Beobachtung machen, daß die Verwendung des Begriffs auch eher nur den Sinn haben konnte, daß sich Gott, nach einer Zeit des Schweigens, jetzt den Deutschen wieder gnädig zuwende. Vor allem aber der nicht unproblematische Gedanke einer besonderen Erwählung der Deutschen hat damals und später gerade in Preußen nie einen allgemeinen Platz gefunden. Er paßte nicht zur - voranstehend geschilderten - offiziellen Ideologie des sich neu entfaltenden preußischen Staates. Ebenso war jedoch auch die
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politische Entwicklung der Befreiungskriege dem Begriff auf Dauer nicht günstig. Je undeutlicher sich die Verwirklichung eines neuen Deutschland oder Deutschen Reiches gestaltete, desto mehr ging auch von der Realität eines „deutschen" Gottes verloren. 4.1.1. Arndts
Beitrag
Vermutlich ergab sich die Anschauung vom „deutschen" Gott für Arndt im Zusammenhang der Teilnahme am Charlottenburger patriotischen Kreis im Jahre 1810.* Die Formulierung resultierte aus der religiösen Auseinandersetzung mit der nationalen Bedrückung durch die Franzosen. In einem damals von ihm verfaßten Gedicht „Gebet" heißt es: „Denn du, alter treuer Gott, Alter lieber deutscher Gott, Hast mit Männern und mit Rossen über mich dich ausgegossen. Mich in Staub getreten sehr. Und ich bin kein Freier mehr."^ Bis in die Jahre der Befreiungskriege hinein entwickelte Arndt zum Verständnis dieses Gottes, als dessen Prophet er sich zeitweilig begriff, ein Lehrgebäude, das die Züge einer auf nationalen Emotionen beruhenden Geschichtstheologie trug.^ Extreme, sich ergänzende Aussagen darin waren, daß sich in einer dritten großen Epoche des Christentums ein neues Zeitalter abzeichne und daß dabei dem deutschen Volk, von Gott erwählt, eine besondere Rolle zufalle. „Menschen machen diese Zeit nicht, Gott macht sie und wird sie machen; Gott ist unter uns der gnädige, der deutsche Gott, und er wird uns Weisheit und Kraft geben, das Rechte zu tun und das Würdige zu beschließen, oder Europa versinkt auf Jahrhunderte unter Vergessenheit und Staub.""* Allerdings sorgten schon äußere Gründe dafür, daß der Verbreitung gerade dieser Erläuterungen die Massenwirksamkeit versagt blieb. Das lag daran, daß jene Schriften, die diese Vorstellungen ausführlich propagierten, in der Öffentlichkeit kaum oder verspätet zur Kenntnis gelangten. Die 1812 verfaßten „Ansichten und Aussichten der Teutschen Geschichte" erschienen erst 1814, zu den ebenfalls 1812 begonnenen „Fantasien für ein künftiges Teutschland" bekannte sich Arndt 1814 nur mittelbar^, und der dritte Band Vgl. Ott, Arndt S. 171-175. Werke 1 S.74. Ott, Arndt S. 200-239. Geist der Zeit 3, Werke 8 S.180 (im Beschluß des Buches). Ott, Arndt S.208.
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von „Geist der Zeit" (1813) war seinem Charakter nach, ebenso wie die beiden anderen Publikationen, alles andere als eine der typischen knappen Flugschriften. Zwar findet sich in „Das preußische Volk und Heer 1813" (November 1813) die schemenhafte Wendung: „Denn tausend Zeichen sind da und sind schon seit Jahren da gewesen, daß Gott Großes will mit der Menschheit und mit dem teutschen Volke. Selig, die darauf merken und in diesem Vertrauen unwankend auf der Bahn bleiben, worauf sie durch Gott gesetzt sind!"^ Aber das heilsträchtige oder heilsgeschichtliche Konzept, mit dem Arndt damals innerlich umging, offenbarte sich dem Leser auch mit solchen Worten kaum oder gar nicht. Ein politisch relevanter Gott blieb freilich auch dann übrig. Gott wirkte nicht allein als Anwalt der Gerechtigkeit im Zusammenleben der Völker, sondern er war, indem er den Krieg nach Deutschland verlagerte, gezielt Protégé der deutschen Freiheit („Gott will, wollet auch."). In den Dienst dieses Gottes hatte Arndt seine Feder gestellt, und er selbst wäre Gottes gar nicht wert, wenn er jetzt dem Feinde „etwas zum Nutzen und nicht alles ^um Schaden tut".^ Deshalb die Herausstellung deutscher Tugend, die Aufforderung zum ungehemmten Franzosenhaß, dieimaßlose Verteufelung des Gegners, die Betonung der eigenen deutschen Frömmigkeit. Angefangen mit dem Aufruf „An die Preußen"®, fehlen diese Erscheinungen in keiner der bekannten Flugschriften und zahlreichen Liedersammlungen, wobei gerade bei dem Schrifttum, das von Arndt bis in die Monate des Spätherbstes hinein verfaßt wurde, an Auflagenhöhen zu denken ist, wie sie erst wieder üblich wurden in Zeiten modemer Publizistik. Am Anfang des Befreiungsjahres mögen solche Äußerungen, was Gott für Deutschland gegenwärtig wolle, mitunter zwar als starke Worte, aber doch wiederum auch nicht als unpassend empfunden worden sein. Eigene Emotionen gegen die Franzosen erhielten hier beredte Artikulation. Und sofern im Zusammenhang des „deutschen" Gottes wohl von Vaterland und Freiheit gesprochen wurde, die Fürsten dagegen nur mahnend Erwähnung fanden, so deckte sich das mit Kutusows Erklärung von Kaiisch, die sich an ganz Deutschland richtete. Allerdings stellte sich auch sachliche Kritik ein; Kotzebue wendete sich gegen den propagierten, angeblich von Gott gewollten Franzosenhaß', und Arndts Erwiderungen, Ende 1813 sogar noch mit einer eigenen Schrift („Über Volkshaß und über den Gebrauch einer fremden Sprache"), konnten diese Bedenken nicht aus der Welt schaffen.
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Werke 9 S.30. In: Was bedeutet Landsturm und Landwehr?, Werke 10, S. 178. Vgl. Tb. 1. Russ.-Dt-Volks-Bl. S.84.
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Eine zweite Phase erlebte Arndts Verkündigung des „deutschen" Gottes seit dem Spätherbst. Seine Schriften, ergänzt unter anderem durch »Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht Teutschlands Gränze", erreichten nunmehr alle deutschen Länder, gerieten aber allmählich in Kollision mit der Aporie in der deutschen Frage. Wer jetzt „deutscher" Gott sagte, sprach neben dem persönlichen auch ein politisches Bekenntnis aus, das sich unterdessen mit den partikularistischen Interessen der einzelnen Kabinette reiben konnte. Auch selber zuweilen von Zweifeln geplagt'®, hat Arndt gegen diese Zeiterscheinung angekämpft: das belegt seine umfangreiche Bibliographie bis in das Jahr 1815 und zeigt speziell sein „Wort über die Feier der Leipziger Schlacht" (1814) mit Anweisungen für alle Gaue betreffs Festordnung, altdeutsche Tracht, Freudenfeuer und den Bau eines gemeinsamen Denkmals bei Leipzig.'' - Gottes Taten war man bereit anzuerkennen, aber mußte es deshalb ein „deutscher" Gott sein?
4.1.2. Zur weiteren Verbreitung Neben Arndt waren es noch zwei weitere Exponenten, die als Verfechter der deutschen Sache einen Namen besaßen: Fichte und Jahn. Fichte war einer der Lehrer Arndts in Jena gewesen. Neue persönliche Kontakte ergaben sich durch Begegnungen in Berlin und Charlottenburg. Daß Fichte prägend auf Arndt gewirkt haben könnte, ist nicht auszuschließen. Sprach Fichte von den Deutschen als einem „Urvolk"'^, so stellen sich Bezüge her zu der Vorstellung Arndts, daß Gott die Deutschen in besonderer Weise zu seinem Volk erwählt habe. Und auch die Fichtische Überzeugung, daß ein Gott, der nicht die Freiheit gewähre, nicht denkbar sei'^, könnte Arndt von seinem zeitlebens verehrten Lehrer'^ übernommen haben. Eine weitere Aufhellung der hier angedeuteten Beziehungen wäre nötig, steht aber jetzt nicht zur Debatte. Vielmehr: War Fichte ein Vertreter des „deutschen" Gottes? Brief an Johanna Motherby, 16.11.1813, Albrecht Dühr (Hg.), Ernst Moritz Arndt Briefe 1 (Texte zur Forschung 8). Darmstadt 1972, S.329f; Ott, Arndt S.212f. » Werke 11 S. 131-141. " Johann Gotdieb Fichte, Reden an die deutsche Nation. Hg. von Fritz Medicus, Leipzig '1919 bes. S.121 (7. Rede). " Johann Gottlieb Fichte, Über den Begriff des wahrhaften Krieges in Bezug auf den Krieg im Jahre 1813. Mit einer Einführung hg. von Rudolf Oelschlägel. Rammenau 1987 S.27 (3. Vorlesung; es handelt sich bei dieser zuerst 1815 edierten Schrift um Vorlesungen aus dem Frühjahr 1813). " Noch am Ende des Lebens, vgl. Meine Wanderungen und Wandlungen mit dem Reichsfreiherm vom Stein, Werke 5 S.15, 109.
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Im Sinne der Anschauungen, wie sie Arndt propagierte, sollte man diese Frage nicht bejahen. Sicher hat Fichte gerade durch seine „Reden an die deutsche Nation" maßgeblich zur Stärkung des deutschen Nationalempfindens beigetragen. Und auch im Frühjahr 1813 erneuerte er die Bedeutung des deutschen Volkes für die Weltgeschichte: In den Deutschen „soll das Reich ausgehen von der ausgebildeten, persönlichen, individuellen Freiheit; nicht umgekehrt: von der Persönlichkeit gebildet fürs erste, vor allem Staate vorher, gebildet sodann in den einzelnen Staaten, in die sie dermalen zerfallen sind, und welche als bloßes Mittel zum höheren Zwecke wegfallen müssen. Und so wird von ihnen aus erst dargestellt werden ein wahrhaftes Reich des Rechts, wie es noch nie in der Welt erschienen ist: alle die Begeisterung für Freiheit des Bürgers, die wir in der alten Welt erblicken, ohne Aufopferung der Mehrzahl der Menschen als Sklaven, ohne welche die alten Staaten nicht bestehen konnten, Freiheit, gegründet auf Gleichheit alles dessen, was Menschengesicht trägt. Nur von den Deutschen, die seit Jahrtausenden für diesen Zweck da sind, und langsam demselben entgegenreifen. Nur - ein anderes Element ist für diese Entwicklung in der Menschheit nicht da."'^ Wenn Fichte hier gleich Arndt einen Sendungsauftrag postuliert, so ist das aber eben doch nicht dasselbe. Vielleicht mag der, gemessen an Arndts breitem Forum, kleine, ja elitäre Kreis Fichtes'^ den gegenwärtig handelnden Gott als den gesehen haben, der die deutsche Sache vorantreibe. Aber der „deutsche" Gott war das nach Fichte offenbar nicht, sondern ein Gott, der in seinem Weltplan die Freiheit verwirklichen wolle. Dazu benutzt Gott das deutsche Volk, nicht als sein „liebstes Volk" (Amdt^^), sondern weil ihm dieses Volk geeigneter erscheint als das französische, das diese Chance zuletzt in den beiden vergangenen Jahrzehnten moralisch vertan habe.'® Fichte denkt auf einer ethischen Ebene, die sich von dem leidenschaftlichen und auch wohl schon gewalttätigen Nationalismus eines Arndt merklich unterscheidet. Wie bei Arndt, dürfte es demnach auch bei der Beurteilung von Fichte wichtig sein, daß man sich nicht ungeprüft von späterer Rezeption leiten läßt. Schwerer zu deuten ist die Position von Friedrich Ludwig Jahn, dem Turnvater. Verbindungen zu Arndt, auch im Befreiungsjahr, sind nachweisbar. Zusammen edierten sie „Fluchtlieder komischen Inhalts" (1813)." Vergleicht man Jahns „Deutsches Volkstum" (Lübeck 1810) oder Bemerkungen aus seinen allerdings wenigen und kurzen Briefen^® mit Arndts
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Über den Begriff des wahrhaften Krieges S. 32. Münchow-Pohl, Zwischen Reform und Krieg S.338. In: Fantasien für ein künftiges Teutschland, vgl. Ott, Arndt S. 209. Über den Begriff des wahrhaften Krieges S.36f (3. Vorlesung). Arndt, Werke 1 S.XCIII. Wolfgang Meyer (Hg.), Die Briefe Friedrich Ludwig Jahns. Leipzig 1913 S. 29-72.
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Publizistik, dann fällt die Übereinstimmung in politischen und religiösen Grundauffassungen auf. Daß deshalb Jahn ein Vertreter des „deutschen" Gottes war, wie ihn Arndt verstand, ist damit jedoch schlüssig nicht zu beweisen.^' Vielleicht ist eine Tendenzaussage möglich, wenn man sich Jahns hauptsächliche politische Anhänger ansieht: Das waren die Tumer, viele Lützower, bald auch Burschenschafter, mit anderen Worten, es waren jene Gruppierungen, die über der Enttäuschung der ungelösten deutschen Frage zu Tradenten nationalen Schrifttums wurden und als Ausdruck politischer Sehnsucht die Erinnerung an den „deutschen" Gott wachhielten. Noch zu erwähnen sind die als betont deutsche „Sänger" des Befreiungskrieges geläufig gebliebenen Theodor Körner und Max von Schenkendorf. Doch eine gewisse Vorsicht ist auch in diesem Falle geboten. Das trifft besonders auf Kömer zu. Andeutungen sind in „Leier und Schwert" anzutreffen. Im J^ägerlied" heißt es: „Uns knüpft ein Gott, ein Vaterland,/£i» treues deutsches Blut."^^ Und eine Strophe in „Unsere Zuversicht" (Melodie: Wer nur den lieben Gott läßt walten) lautet: „Wir wollen nicht an Dir verzagen. Und treu und festen Muthes sein. Du wirst den Wüthrich doch erschlagen. Und wirst Dein deutsches Land befrei'n. Liegt auch der Tag noch Jahreweit: Wer weiß, als Du, die rechte Zeit?"" Aber war das schon der „deutsche" Gott, der hier angeredet wird? Mehr läßt sich dagegen zu Schenkendorf sagen. Auch er ruft nicht ausdrücklich den „deutschen" Gott an, doch sind substantielle Aussagen vorhanden, die in diese Richtung weisen. Dies zeigen, damit zugleich andere, undeutlichere Äußerungen erhellend, Verse aus „Antwort auf den Vorwurf der Schwärmerei" (1814): „... Wie viel auch sind der Stufen Am Thron der Ewigkeit, Ein Volk ist hoch berufen Vor allen weit und breit. Das ist das Volk im Herzen Der heil'gen Christenwelt, Das fester alle Schmerzen Keinen klaren Anhaltspunkt geben auch die Sammlung „Deutsche Wehrlieder" bzw. zwei Aufrufe, ebenfalls Frühjahr 1813, vgl. Friedrich Ludwig Jahn, Werke 1. Hg. von Carl Euler. Hof 1884 S.387-404 bzw. 381-384, 385f. " Theodor Kömer, Sämmtliche Werke 1. Hg. von Karl Streckfuß. Berlin 1867 S.76. " Ebd. S.94.
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Und alle Freuden hält. Das ist ein Volk der Treue, Der Demut und der Kraft. Das ist die Gottesweihe, Die Deutschlands Würde schafft.-^^ Daß beide Dichter auf diese Weise der Vorstellung eines „deutschen" Gottes sekundieren konnten, sollte man annehmen. Ein anderes Problem ist die Breitenwirkung dieser Lyrik. Anklang gefunden hat sie vornehmlich unter Freiwilligen und im Bildungsbürgertum, soweit es deutsch dachte. Wie eingangs hervorgehoben, hat man sich jedoch nicht nur auf einzelne mutmaßliche Vertreter und deren möglichen publizistischen Erfolg zu konzentrieren. Vielmehr gehört zur Ermittlung auch, daß man sich einen Eindruck über die Stimmung im Lande zu verschaffen sucht. Für Preußen ist dabei durchaus ein Entwicklungsprozeß festzustellen: Daß es in dem ausbrechenden Krieg nicht allein um die Freiheit Preußens, sondern auch um die Deutschlands gehe, hatte der Aufruf „An Mein Volk" der preußischen Öffendichkeit ausdrücklich bewußt gemacht.^^ Daraus folgte, da mit Ausnahme der beiden Mecklenburg die deutschen Länder auf der Seite Napoleons blieben, daß Preußen bis in den Herbstfeldzug hinein als wichtigster Vorkämpfer der deutschen Angelegenheiten fungierte. Ebenso war es daher natürlich, wenn es besonders im Preußen des Frühjahrs 1813 zu einer Woge deutschen Gefühls kam. Die Zeitschrift „Das neue Deutschland", herausgegeben von den Gebrüdern Gädicke in Berlin, schrieb programmatisch in ihrer ersten Nummer: „Das alte Deutschland wird und muß wieder neu erstehen. Das mächtige Rußland, Preußen, und jeder redliche Deutsche will dies, und das große Werk wird gelingen, denn Gott ist mit uns. Er, der Höchste, hat sein Schwert selbst erhoben. Er hat das Gericht eröffnet. Deshalb nennen wir unser Werk das neue Deutschland"^^ Und Kotzebue formulierte in seinem „Russisch-Deutschen Volksblatt", älteres Denken bekämpfend, daß ein wahrer preußischer Patriot jetzt auch ein guter Deutscher sei.^^ (Überhaupt lieferte damals das Volksblatt durch seine zahlreichen Leserzuschriften ein weitgefächertes Florilegium von Beispielen deutscher Gesinnung.) Eine Änderung der Stimmung brachten offensichtlich die Wochen des Waffenstillstandes. Im voranstehenden Kapitel geschildert, entwickelte sich mit der steigenden, auch sichtbaren Mobilisierung ein neues Selbstwertgefühl, das unterdessen weniger deutsch orientiert, zuerst den um seine " Max von Schenkendorf, Gedichte. Mit einem Lebensabriß und Erläuterungen hg. von August Hagen. Stuttgart 'l878 S.84. » Tb. 4. » S.16. " S.75.
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Existenz ringenden preußischen Staat vor Augen hatte. Die Siege des Herbstes taten ein Übriges. Noch eben an den Rand des Abgrundes gedrängt, konnte man auf dem Wege der allgemeinen Bewaffnung den alten preußischen Waffenruhm zurückerobern, zum Teil erfochten im Kampf gegen deutsche Truppen in Napoleons Kontingenten. Deutsches Gefühl mußte deshalb nicht erloschen sein, aber dieses Gefühl, wenn man das Ergebnis der jüngsten Siege zog, rangierte hinter dem Dank, daß der eigene Herd gerettet war. Zweifellos wurde durch den Sieg in der Leipziger Schlacht nochmals etwas von der Aufbruchsstimmung aus dem Frühjahr wach: Deutschland war nun frei. Doch bald hatte man andere Themen in Preußen. Da waren einmal die hohen Verluste, die es zu verkraften galt. (Mit 37 800 Mann im August ausgezogen, zählte das Yorcksche Korps am Ende des Herbstfeldzuges noch 9993 Kombattanten.^®) Und zum anderen nahm der Krieg kein Ende. Zwischen Leipzig und dem Fall der französischen Hauptstadt lagen immerhin lange sechs Monate. Es nimmt darum nicht wunder, wenn man den Satz aus dem verordneten Predigttext zum Einzug der Verbündeten in Paris „Du hast erlöset dein Volk gewaltiglich." auf Preußen bezog, ohne daß die theologische Weite des Satzes, die auch gegenwärtig angestanden hätte, gebührend zur Sprache kam.^' Die Engführung auf einen „preußischen" Gott war damit nicht eingeleitet. Die Tendenz der Predigt - als Hüterin und Vermittlerin der Staatsideologie - war ja gerade gewesen, daß man die erfolgte Zuwendung Gottes nicht als selbstverständlichen Besitz ansehen könne, sie vielmehr auf der Ebene moralischen Handelns ständig neu anzustreben sei. Und zudem, spätestens das Friedensdankgebet 1814 und gleichermaßen das neue Kriegsgebet 1815'° sorgten dafür, daß sich Preußen nicht anders als ein Glied der von Gott wiederum geordneten Völkerfamilie zu verstehen habe. Auf diese Weise war jeder Vorstellung von einem nationalen, das heißt sowohl einem „preußischen" wie auch einem „deutschen" Gott eine Absage erteilt. Als ein Beleg für die Entwicklung ist auch das schon zitierte Beispiel von Wolf (Zossen) anzusehen, der Mitte September 1813 in einer Predigt von dem besonderen Verhältnis Gottes zum deutschen Volke sprach (vgl. in 3.2.3.). Aber nicht nur wiederholt Wolf diese Meinung in späteren, zu nationalen Anlässen gehaltenen Predigten nicht'^ sie ist auch eine Ausnahme in der zahlreichen Predigtliteratur, die von der vorliegenden Studie
" Droysen, York 2 S. 94,195. » Als Beispiel vgl. Text zu Anm. 3/83. Vgl. Tb. 17 bzw. 20. " Dapp, Magazin 7,2 S. 61-73 (Fall von Stettin, Torgau und 'Wittenberg); 7,2 S. 73-81 (Fall von Paris); 7,3 S. 60-66 (Austheilung der Denkmünze 1813/14); 8,1 S. 87-96 (Gedächtnisfest gefallener Krieger 1816).
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benutzt wurde. Ja, das verwendete Material erweckt sogar den Anschein, als werde seit dem Spätherbst 1813 auch die Vokabel „deutsch" in den Predigten seltener. Vorrangig behandelt wurde seit dieser Zeit das Thema der geretteten Monarchie, der sich Gott nun wieder gnädig zugewendet habe wie einst zur Zeit der Väter. Das war keine preußische Eigentümlichkeit. Vielmehr finden sich hier Anzeichen der einsetzenden Restauration. Auch Ammon, Oberhofprediger in Dresden, dankt dem Gott der Väter, daß er Sachsen, nach Zeiten schwerer Prüfung, nunmehr habe fortbestehen lassen.'^ Natürlich konnte man weiter als Deutscher empfinden. Anschaulich belegen das die, auch Anregungen Arndts und Jahns aufnehmenden, Jahresfeiern zur "^ederkehr der Leipziger Schlacht 1815 in Preußen.^' Aber zuerst war man inzwischen wieder Preuße, Sachse oder Württemberger, und die reale politische Wirklichkeit sorgte dafür, daß die Aktualität des „deutschen" Gottes allenfalls noch für „Schwärmer" (Schenkendorf) plausibel war. Ausdruck dessen ist auch die Tatsache, daß Arndt sich schon Anfang 1814 nur noch mittelbar zur Verfasserschaft der „Fantasien für ein künftiges Teutschland" bekannte.^"*
4.2. Die Verteufelung Wesentlich anders als die rückläufige Publizität des „deutschen" Gottes gestaltete sich während der Befreiungskriege die Bereitschaft zur Verteufelung Napoleons und seines politischen Systems. Sie entwickelte sich zu einer Erscheinung, die als zeitgeschichtliche Analyse schließlich in allen Bildungsgeschichten feststehender Gebrauch war. Gedicht oder Lied, Flugblatt oder Posse, Karikatur oder Zeitung, nicht zuletzt aber auch Predigten - überall finden sich Aussagen der Verteufelung des Gegners. Einheitlich waren solche Äußerungen nicht. Sie reichen vom innerlichen Betroffensein bis hin zum bloßen Ergötzen. Eben diese Spannung ist in unserem Fall aber wichtig, denn wenn man die damalige dualistische Beurteilung der Zeitereignisse in Rechnung stellt, so kann sich die Verteufelung als ein Gradmesser erweisen, mit welcher Intensität zugleich die eigene Gottesbeziehung verstanden wurde. Die Antwort darauf ist am Schluß dieses Abschnittes zu geben. Zunächst einmal muß dieses weite Feld in seinen gröbsten Konturen vorgeführt werden. Christoph Friedrich Ammon, Predigt bei der Eröfnung der von Sr. königlichen Majetät zu Sachsen ausgeschriebenen allgemeinen Landesversammlung, gehalten am 19. October 1817. Dresden 1817 S. 12. » Vgl. Tb. 21. " Ott, Arndt S.208.
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4.2.1. Zum Ausgangsort Das Zeitalter der Aufklärung schrieb es sich als Verdienst zu, den Teufel als Figur des Bösen aus dem öffentlichen Bewußtsein verbannt zu haben: „Gott sei ewig Lob und Ehr', es gibt keinen Teufel mehr! Ja, wo ist er denn geblieben? Die Vernunft hat ihn vertrieben ¡"^^ Tatsächlich sind auch Beispiele überliefert, daß man einfach lachte, wenn die Existenz des Teufels genannt wurde. So störten - vor 1806 - preußische Gardeoffiziere die Gottesdienste Jänickes in Berlin durch spöttische Zwischenrufe, wenn er auf die Realität des Teufels zu sprechen kam.^^ Doch daß die Aufklärung keine allgemeine Eliminierung des Teufels im Bewußtsein der Bevölkerung erreicht hatte, zeigte nicht erst die Verteufelungswelle in den Befreiungskriegen. Auch schon die Jahre zuvor deuteten das an: Pietisten sahen in Napoleon den Apollyon der Bibel offenbart.'^ Und im Kreis um die Reformer schrieb man 1808: „... es ist der Streit Gottes, und dem Teufel gehört der, wer nicht für Gott zu fechten bereit ist."^® Besonders aber Vertreter aus der Literatur, die patriotisch dachten, argumentierten längst vor dem Befreiungskampf mit dem Teuflischen, das sich in Napoleon und der Besatzungsmacht ausspreche. Bei Arndt war das spätestens seit 1806 der Fall.^^ Und Schenkendorf dichtete 1810 nach der Gefangennahme des Papstes: „Wappne dich mit deinem Blitze!/Ihn, der an deç Frevler Spitze,/Triff in seinem Höllensitze.""·® Auch Kleist ist zu erwähnen. In seiner Ode „Germania an ihre Kinder", allgemein bekannt geworden dann 1813'^', fehlt die politische Verteufelung ebensowenig, wie im „Katechismus der Deutschen, abgefaßt nach dem Spanischen, zum Gebrauch für Kinder und Alte" (7. Kapitel: Von der Bewunderung Napoleons)."*^ Wie auch Kleists Rekurs auf Spanien erinnerlich macht, besaß demnach die deutsche Verteufelungswelle 1813 bis 1815 nicht nur eine Vorgeschichte, sondern sie war eine Erscheinung in Europa, soweit Druck oder Drohung " Bernd Moeller, Geschichte des Christentums in Grundzügen. Göttingen ^1979 S.307. » Ledderhose, Jänicke S.62. " Vgl. Anm. 1/10. '' Maximilian Schultze (Hg.), Standhaft und treu. Karl von Roeder und seine Brüder in Preußens Kämpfen von 1806-1815. Auf Grund hinterlassener Aufzeichnungen. Berlin 1912 S.45. " Geist der Zeit 1, Werke 6 S.198. "o In: Gebet bei der Gefangennahme des Papstes Pius VII., Gedichte S . U . " Heinrich von Kleist, Werke und Briefe 3. Hg. von Siegfried Streller ... Berlin (Ost) 1978 S.315 bzw. 683-687 (Verbreitung). " Werke 3 S.393f.
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Napoleons reichten. Zeitgenössisches Empfinden wurde mit diesem Mann innerlich nicht fertig. Die Konsequenz waren Bewunderung, oder im anderen Fall, daß man ihn als eine Inkarnation des Bösen betrachtete. Aber nicht nur das. Er war einfach das Widernatürliche in Gottes Ordnung. Nichts war ihm heilig: Religion, angestammte Herrscherhäuser, ganze Staaten, das Schicksal von Millionen Menschen - alles opferte er dem Kalkül seiner despotischen Pläne. Er handelte nicht nur ohne Gott Was er tat, geschah unter den Vorzeichen einer aggressiven Gottlosigkeit. Erschien in ihm Apollyon, der Antichrist, ein falscher Messias politischer Prägung, oder, so im naiven Lied, „glaubte er voll Wahnwitz, Gott selber zu sein"?^^ Die Kette seiner Erfolge war zum Verzweifeln („Und der kecke Zweifler sprach, es ist kein Gott."^"*) Sogar die furchtbare Katastrophe in Rußland konnte ihn noch nicht wirklich erschüttern. Die hier summarisch gegebene Paraphrase ließe sich um weitere Schattierungen bereichern, doch am Eindruck des Typischen würde sich deshalb nichts ändern: Mit normalem Maß war Napoleon nicht zu messen, und indem seine Taten auf gigantische Weise Gott widersprachen, mußte er selbst widergöttlich sein. Hinzu kam, daß diese bedrohliche Gottlosigkeit sich ja nicht auf Napoleon beschränkte, sondern durch die Ausdehnung seiner Macht zum Angriff auf das christliche Europa, ja auf die Christenheit, wurde. Und wenn nun erst in Spanien, dann in Rußland Gott ein Zeichen gesetzt hatte, so war die Christenheit als ganze aufgerufen, sich an der Seite Gottes gegen die andrängende Gottesfeindschaft zu wenden. Kein Krieg, „von dem die Kronen wissen", ein „Kreuzzug" war es, den man zu beginnen hatte.*® Und folglich war es später den Zeitgenossen aus dem Herzen gesprochen, wenn ein Gedicht nach der Leipziger Schlacht, in der alle Völker Europas als Aufgebot versammelt waren, angesichts der endlich gedemütigten Verlierer resümierte: „O merkt's euch: So schrecklich sind Gottes Gerichte. Lang hält er zurück sein strafendes Schwert. Doch endlich vernichtet er frevelnde Wichte, Die sein Gesetz und die Menschheit entehrt."·*^ Mit anderen Worten, so besaß danach die Verteufelung, auch wenn das nachstehend in zahlreichen, eher vordergründig wirkenden Zeugnissen nicht immer in Erscheinung treten wird, durchaus einen religiös reflektierten Ausgangsort. Man muß sich dazu entsinnen, mit welcher Schärfe zeitlich gleichlaufend die Predigten seit Kriegsbeginn dem Hörer den " " 'S «
Vgl. in Tb. 19. Spieker, Predigten S.294. Kömer in: Aufruf, Werke 1 S.72. Preußens Freiheitskampf (Feldzeitung), Nr. 7, 31.10.1813.
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dualistischen Charakter der anstehenden Auseinandersetzung vor Augen malten (vgl. in 2.3): Es handele sich eben nicht lediglich um einen Streit innerhalb der christlichen Völkerfamilie, sondern schlechthin um einen Kampf „für das Reich Gottes - gegen das Reich der Finsternis".''^ Doch letztlich sanktionierten solche Worte nur, was zeitgenössisches Urteil ohnehin dachte und als ein Hauptargument in allen Gattungen der Flugschriftenliteratur begegnete (vgl. auch 1.2.2.). Fast gab es kein dankbareres Thema als die seit Jahren erweisbare Gottlosigkeit Napoleons und der Franzosen. Zeitungen, wie „Das neue Deutschland" oder vor allem das „Russisch-Deutsche Volksblatt" wurden, in letzterem Falle auch angehalten durch die Leseφost, nicht müde, dieses Thema in schon lustvoll anzusprechender Form zu traktieren. Die Gewöhnung an den fortgesetzten Vorwurf der Gottlosigkeit und des notwendigen nationalen Exorzismus wurde im Volksbewußtsein so groß, daß es am Schluß des Kampfes nicht leicht war, sich klar zu machen, daß jetzt nicht mehr Paris und Frankreich einfach Synonym für Hölle und Teufel waren, sondern allein der, der beides „besessen" und nun in die ohnmächtige Einsamkeit von Sankt Helena verbannt worden war.
4.2.2. Die Verteufelung in ihrer Vielfalt In dem Maße, wie seit Anfang 1813 sich in Deutschland freie Meinungsäußerung wieder entfalten konnte, entwickelte sich auch die politische Verteufelung zur öffentlichen Erscheinung. Ihre Verbreitung im einzelnen ist hier nicht zu verfolgen, das müßte - längst ein Desiderat der Forschung - in einer eigenen großen Untersuchung geschehen. Vorliegend ist nur eine Skizze möglich, die auf die qualitative Vielfalt der Aussagen hinweist. Was dabei die Rolle der Predigt in Preußen, zumal in ihrer ideologischen Funktion betrifft, so ist vermutlich doch eher ein zurückhaltendes Urteil angebracht. Zwar finden sich deutliche Beispiele: So sprach Feldprobst Offelsmeyer im Blick auf Napoleon vom „Ungethüm der Hölle""*', Superintendent Schulze (Fürstenwalde) formulierte „dessen Werke böse sind und der so vom Teufel ist" und verwies bei anderer Gelegenheit auf die „teuflische Freude des furchtbaren Ungeheuers""*', Superintendent Wolf (Zossen) redete von der „teuflischen Ungerechtigkeit" der Franzosen®", und Hanstein (Berlin) sagte auf dem Wege eines unpersönlichen Vergleichs: „Und richtet er gar seine Kraft und seinen Sinn auf Schadenthun und " " ·" "
Vgl. Text zu Anm. 2/53. Heger, Verkündigung S. 109. Dapp, Magazin 8,1 S.43 bzw. 53. Dapp, Magazin 7,1 S. 47.
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Vernichten, auf Elendsstiften und Jammeranrichten, so ist er in Gottes Reich, was unter den Thieren des "Waldes und unter den Vögeln des Himmels das - ein Raubthier ist, - ein Teufel unter den Engeln."^' Man könnte die Beispiele vermehren. Doch auch dann gestatteten sie in der Summe nicht den Schluß, daß die Verteufelung des Gegners zu den wichtigen Themen der Kriegspredigt gehört hätte. Eher war sie - sofern überhaupt benutzt - als kennzeichnende Untermalung des dualistischen Kampfes, in dem man stand, eingesetzt, und damit, im Kontext der gesamten Predigt gesehen, als wirkungsvoller Appell gedacht, auf wessen Seite man sich demzufolge mit aller Kraft zu schlagen habe. Ob diese Paränese in jedem Falle auch so verstanden wurde, ist allerdings eine andere Frage. Vielleicht entnahm der Hörer auch nur befriedigt die Bestätigung, wohin der Gegner gehöre. In der Art ähnlich einzuordnen ist die durch Körner und Schenkendorf erfolgte Verteufelung, auch wenn die Äußerungen beider unterschiedliche Akzente setzen können. Wie sich aus Beispielen innerhalb der Sammlung „Leier und Schwert" erweist, Schloß sich Körner erst im Befreiungsjahr 1813 der allgemeinen Verteufelungswelle an. Die Betroffenheit eines christlichen Bewußtseins gegenüber dem Bösen („Hölle", „Triumph des Bösen", „Teufel", „teuflisch", „Höllenkünste") begegnet häufig, aber nie, ohne das Vertrauen in Gott zu betonen. Das den Liedern anhaftende - uns heute befremdende - Pathos störte die Zeitgenossen nicht. Im Gegenteil: der idealisierende Schwung, zum Teil an Schiller erinnernd, korrespondierte gerade mit dem Lebensgefühl, wie es unter den Lützowem oder anderen Freiwilligen herrschte. Für sie waren diese Verse „Erlebnisdichtung", zudem real besiegelt durch den Tod des Dichters. Schenkendorfs einschlägige Aussagen sind in der Diktion von denen Körners mitunter fast nicht abzuheben, so wenn es heißt: „wo man Teufelskünste dämpft,/wird um Gottes Reich gekämpft"." Aber die Grundlage der Frömmigkeit war eine andere. Nicht nur, daß er dem Pietismus nahestand, sondern, erfüllt von den Idealen der Romantik, zieht Schenkendorf in den Krieg gleichsam als Spätgeborener, der seine Wurzeln in der ritterlichen Welt eines christlichen Mittelalters hat. Zu den Tugenden, die dieses Weltbild einschließt, zählt auch die Achtung des Gegners. Daß derzeit ein Ringen zwischen Gott und Teufel stattfindet, bestätigt und propagiert auch Schenkendorf, doch er kann die Fronten dieses Kampfes nicht unbesorgt allein auf das feindliche politische Lager übertragen. Die Bedrohung durch den Teufel macht vor niemandem halt. Deshalb dichtet er, entgegen dem Zug der Zeit, an 1. Petr. 5, 8 angelehnt, auf die Melodie „Befiehl du deine Wege" im „Soldaten-Abendlied": » Emste Zeit S.217f. '' In: Bei den Ruinen der Hohenstaufen-Burg, Gedichte S.75.
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„Auch du im Lager drüben Magst ruhig schlafen, Feind, Wir ha'n mit Schuß und Hieben Es ehrlich stets gemeint. Mit einem aber ringen Wir morgens wie zur Nacht, Er möcht' uns gem verschlingen. Der Löwe brüllt und wacht."" Auch Schenkendorfs Denken unterstreicht, daß es sich demgegenüber bei Arndt, was die Verteufelung angeht, um eine Erscheinung sui generis handelt. Die Massivität, die sein Gottesbild auszeichnet, hat ihr entsprechendes Pendant in der vorgenommenen Verteufelung. Ja, Arndt kann diese, wie das Kapitel „Von dem großen Tyrannen" im umgearbeiteten „Katechismus" aus dem Sommer 1813 zeigt^·*, sogar losgelöst als eigenen Topos, also in der Art einer Teufelslehre der gegenwärtigen Zeit abhandeln. Hier wie anderswo ist dabei die Eingängigkeit seiner Argumentation evident. Sie konnte sich über lange, zwingende Passagen erstrecken, so im genannten Kapitel seines „Katechismus", unterstützt durch Luthers Bibeldeutsch und kompilierte Zitate und Bilder aus der Heiligen Schrift.^^ Verfügbar waren ihm aber auch eingestreute, überraschende Metaphern. Körners Vergleiche wirkten beinahe schon wie Wortgeklingel, wenn man bei Arndt las: „Denn der Satan ist gekommen,/Er hat sich Fleisch und Bein genommen,/Und will der Herr der Erde sein."^^ Oder wenn der Landwehrmann auf die Melodie „Allein Gott in der Höh' sei Ehr'" zu singen hatte; „Es spricht der freche Bösewicht:/Ich bin durch mich geworden."^^ Plausibler ging es nicht, zumal, von Arndt seit 1806 als Dauerthema betrieben, der unterstellte falsche Sendungsanspruch Napoleons und der Großen Nation die Erklärung anbot, als sei nationale Aggressivität gegenüber den Franzosen ein frommes Werk. Auf weitere Ausführungen ist hier zu verzichten. Abschließend festzuhalten bleibt, daß Arndt auch 1815 noch in gleichen Bahnen dachte, wie seine damals beigefügte Vorrede zur Neuausgabe seines „Katechismus" belegt.^® Daß Arndt mit seinem Beitrag zur Verteufelung erfolgreicher war als mit seiner Lehre vom „deutschen" Gott, bedarf keiner Erörterung. Das voranstehend vorgeführte inhaltliche Spektrum politischer Verteufelung findet sich noch in anderen zahlreichen Beispielen, so etwa in » » " " " "
Gedichte S.93. Werke 10 S. 142 f. Vgl. Graf, Nachahmung bes. S.122f. In: Lied der Rache (1811), Werke 1 S.83. Liedanhang zum „Katechismus", Nr.3, Werke 1 S.114. Werke 12 S.304f.
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Zeitungsartikeln, Aufrufen, Gelegenheitsdichtungen und auch Briefen. Im gegenwärtigen Rahmen kann darauf nur als Tatsache verwiesen werden. Wichtiger als weitere Details ist die Ergänzung um Aussagen, die die Thematik wesentlich naiver oder auch verflachend zur Sprache bringen. Vor allem zu erwähnen sind dabei Travestie, Posse und Karikatur." Ihre gemeinsame Basis hatten sie in dem entmachteten oder lächerlichen Teufel alias Napoleon. • ^ e die Verteufelung im ganzen, so waren auch die Travestien religiöser Texte ein europäisches Phänomen. Vielleicht sollte man dazu auch Heists „Katechismus" rechnen, in Leipzig jedenfalls ging offenbar schon während der Okkupationszeit ein „Spanisches Vaterunser" von Hand zu Hand^°, und daß mit dem Übertritt der Propaganda des russischen Lagers auf deutschem Boden Travestien auftauchten, wurde an anderer Stelle bereits erwähnt (vgl. in 1.2.1.). Theologisch problematisch, wenn man an die pervertierende Verfremdung der Texte denkt, haben sie ihren Ausgangspunkt anscheinend oft in nationalen Triumphen, die nicht nur militärisch verstanden wurden, sondern als Ausweis, wie sich Gott gegenüber Machenschaften des Teufels durchsetzt. Travestien wären dann Demonstrationen, die das Sendungsbewußtsein Napoleons und der Franzosen als lächerlich widergöttliche Karikatur auf dem Hintergrunde sich unerschütterlich beweisender biblischer oder religiöser Texte zeigen wollen. Ob diese Erklärung in jedem Falle ausreicht, stellt sich als Frage bei folgendem „Vaterunser": „Entheiligt werde dein Name, wegkomme dein Reich, dein Wille geschehe in der Hölle, aber nicht auf der Erde. Gieb uns unser Brod, Geld, Blut und Alles wieder, was wir dir geben mußten. Bezahle uns unsre Kriegsschulden, dann vergeben wir auch unsem Schuldigem; führe uns nicht mehr in französische Versuchung, sondern erlöse uns von allen französischen Uebeln."^' Jedermanns Sache dürften die Travestien nicht gewesen sein. Die Zahl der Nachweise innerhalb der Flugschriftenliteratur ist verhältnismäßig gering; travestiert wurden neben Evangelientexten^^ und dem Vaterunser auch das Credo^^ und das katholische Beichtformular.^"*
" Eine gleiche Tendenz läßt sich auch in den - einfachen - Soldatenliedern erkennen, vgl. Franz Wilhelm von Ditfurth, Die historischen Volkslieder der Freiheitskriege, von Napoleons Rückzug aus Rußland, 1812, bis zu dessen Verbannung nach St. Helena, 1815. Aus fliegenden Blättern, handschriftlichen Quellen und dem Volksmunde gesammelt und herausgegeben. Berlin 1871 passim. Füßler, Leipzig 1813 S. 48 f. " Wilhelm Baur, Geschichts- und Lebensbilder aus der Erneuerung des religiösen Lebens in den deutschen Befreiungskriegen 1. Hamburg 1864 S.414. " Vgl. Czygan, Tagesliteratur 1 S.177f. " Baur, Lebensbilder 1 S.415. " Schulze, Urkunden, Nr. 36, „Beicht Kaiser Napoleon", nach der Völkerschlacht (bayrisch?).
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"Wie bei der Gattung „Posse" nicht anders zu erwarten, begegnet auch hier ein leichtfertiger Umgang mit dem Teufel. So unterhalten sich in der Schlußszene des Einakters „Napoleons Ankunft in der Hölle" lachend die Teufel über das Zappeln der in die Hölle gestürzten Franzosen, die sich dort nun für die Kälte in Rußland schadlos halten könnten.'^ Wesentlichen Einfluß auf das ganze Sujet nahm Kotzebue. Damals in Deubchland wohl der beliebteste Lustspieldichter, hatte er noch 1812 in Reval „Der Flußgott Niemen und Noch Jemand" auf die Bühne gebracht.^^ Dieses Stück, auch auf deutschem Boden publik gemacht^^, regte zu Nachahmungen an, darunter „Die Schutzgöttin Deutschlands und Noch Jemand, ein allegorisches Singspiel".^® Die Berliner Zensur meinte dazu: „Eine erbärmliche Nachahmung der bekannten Kotzbueschen Stücke gleicher Art. Hier tritt wieder Napoleon persönlich auf und kämpft mit Strick, Galgen, Teufel und Hölle. Unter aller Würde, unter aller Kritik."^' Trotzdem ließ die Lust an der Posse nicht nach. Die politisch anzügliche, oft beziehungsreich verhüllende Rede, besonders wenn sie Napoleon zum „armen Teufel" machte, gewann immer wieder neuen Reiz. Man brauchte dazu nicht einmal eine Bühne, schon die Lektüre verschaffte Ergötzen genug. Auch Kotzebue lieferte deshalb, die Massenwirksamkeit kalkulierend, noch eine Fortsetzung, diesmal betitelt „Noch Jemand's Reise Abentheuer. Eine heroische Tragi-Comödie von A. von Kotzebue. Seitenstück zum Flußgott Niemen und Noch Jemand."70 Nochmals eine zusätzliche Dimension vermittelte demgegenüber die bildliche Darstellung, vor allem die Karikatur. In der Verteufelung Napoleons und seines Systems war auch sie eine internationale Erscheinung, wie beispielhaft Blätter sowohl in England wie aus Rußland zeigen.^' In Deutschland dürfte während des Befreiungsjahres die Verbreitung allgemein geworden sein. Es fanden sich auch Sammler, so in Breslau^^, und in Leipzig bildete sich nach der Völkerschlacht ein Zentrum der Produktion heraus, das unter dem Schutz der Zentralverwaltung keine Zensursorgen hatte und das Publikum mit immer neuen Stücken erfreute.^^ Der Aussagekraft dieser zumeist schreiend bunt gestalteten Blätter kann man sich auch heute noch nicht entziehen, zugleich eröffnet genaueres Hinsehen
" O.V., O.U.J., Czygan, Tagesliteratur 1 S.90f (Anfang 1813). " Vgl. Antn. 1/40. " Ebd. " Von J. K. G. Brandt, bei Litfass in Berlin, vgl. Czygan, Tagesliteratur 2,1 S.320; zwei weitere Beispiele bei Goedeke, Grundriß 5, § 258, 8, Nr. 197a und b. " Czygan ebd. " Nach Goedeke, Grundriß 5, § 258, 8, Nr.207, Königsberg 1814. " Vgl. Füßler, Leipzig 1813 S. 205 (mit Literatur). " Weinhändler Schilling, vgl. Kunze, Volksstimmung S.31. " Schulze, Napoleon-Karikatur nach S.VI.
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aber durchaus Unterschiede im Programm. Da begegnet ein monströs böser Teufel mit Napoleon als Wickelkind im Arm, betitelt „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe."^"* Oder beziehungsreich wurde das Thema angesprochen, indem ein Drache Napoleon entführte/^ E.T.A. Hoffmann hingegen ließ durch die Verbündeten als Exorzisten der Dame Gallia den Teufel austreiben/' Neben den Beiträgen bekannter Künstler mit durchreflektierten Aussagen ist allerdings nicht jene, vermutlich mehrheitliche Zahl von Zeugnissen zu vergessen, in denen die Anschauung von der Dualität der eigenen Zeit mehr oder weniger untergeht in einer vordringlichen Lust am Verteufeln. Ätzender Hohn, beißende Ironie oder provozierte Lächerlichkeit fungieren als befreiende Maßnahme, mit der man sich des bisherigen teuflischen Alpdrucks, sprich Napoleon, endlich entledigte. Aber nicht nur Erleichterung äußerte sich hier, und auch nicht nur Triumph, nein, angebahnt war so auch ein Stück Selbstrechtfertigung, denn je schwärzer der Teufel, desto heller leuchtete das eigene Verhalten. Welche Gewichtigkeit ist dieser allgemeinen Verbreitung der Verteufelung beizumessen? Vielleicht kommt man dem Sachverhalt am nächsten, wenn man die Antwort möglichst offen hält. Noch das oberflächlichste Zeugnis konnte auch frommen Schauer auslösen, sofern es einen entsprechenden Adressaten fand. Indessen - umgekehrt war dieser Vorgang ebenso denkbar. Eines jedenfalls scheint klar: Dem Eindruck des gegenwärtig anstehenden Dualismus konnte man sich nur schwer entziehen. Auch führende Männer der Zeit lebten mit diesem Gefühl. Fichte rechnete mit dem andrängenden Prinzip des Bösen, dabei auf den Begriff „Reich des Teufels" zurückgreifend^^, und Schleiermacher sprach von Paris als der gemahnenden „Hölle auf Erden".^® Und es unterstreicht die Allgemeingültigkeit dfeses Urteils nur, wenn ein junger preußischer Offizier in einem resoluten Brief Joseph Görres, dem Herausgeber des „Rheinischen Merkur", vorwarf, er wolle, indem er Haß und Lüge durch seine Art der Kriegsberichterstattung vermittele, wohl den Teufel mit Beelzebub austreiben.^' Aber solche Äußerungen waren damals nicht das Übliche. Und so bleibt als Standortbestimmung der Zeitgenossen doch eher das Leben in der Polarität von Gut und Böse, von Gott und Teufel, wobei das Verhältnis zu dem einen die Beurteilung des anderen beschreiben kann. » Abb. 6. " Unter dem Titel „Es geht zu Ende", von Gottfried Schadow, vgl. Füßler, Leipzig 1813 Abb. 42 u. S.205. " Schulze, Napoleon-Karikatur Tafel 32. " In: Über den Begriff des wahrhaften Krieges S.28 (3. Vorlesung). " Bauer, Schleiermacher S. 104. " Ludwig von Gerlach, abgedruckt im Rheinischen Merkur, Nr.308, 4.10.1815, vgl. Schoeps, Aus den Jahren S. 134 f.
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4.3. Das Kreuz als Sinnzeichen des gegenwärtigen Krieges Wie man einerseits gegen den Teufel zu Felde zog, so diente andererseits das Kreuz als das bezeichnende Symbol in diesem Kampf: „Napoleon hat auf den Teufel gebaut, Alexander der Kaiser hat Gott vertraut, Die Franzosen verehrten Wollust und Geiz, Die Russen verehrten das heilige Kreuz."®° Diese bündige Ausdeutung hatte bei der Verfügung des Eisemen Kreuzes und des Landwehrkreuzes am Anfang des Krieges gewiß noch nicht den Ausschlag gegeben. Doch der Gang des Kampfes und die Anzahl weiterer Kreuzessymbole im militärischen Bereich, an deren Vermehrung sich seit dem Herbst 1813 auch die befreiten deutschen Staaten beteiligten, sorgten dafür, daß das sichtbare Kreuz allein schon durch seine unaufhaltsame und siegverheißende Präsenz zu sinndeutenden Interpretationen anregte. Daß sich dabei in Preußen eine besondere Beziehung zur - inzwischen ebenfalls bewährten - Devise „Mit Gott für König und Vaterland" herstellte, ist verständlich, da dieses Wort ja seinen ursprünglichen Ort im Landwehrkreuz, dem Zeichen der nationalen Bewaffnung, hatte. 4.3.1. Das militärische
Symbol
Es wurde schon erwähnt, daß die Geschichte des Eisemen Kreuzes, und zwar auch schon in seiner typischen Form, bis in die Zeit vor dem Befreiungskrieg zurückreichte." Die Stiftung des Ordens dann am 10. März 1813 nahm ausdrücklich Bezug auf den religiösen Charakter der Zeit und leitete in der Ordensgeschichte des preußischen Königreiches insofem ein neues Kapitel ein, als jetzt erstmals eine Dekoration verliehen wurde, die jedermann im militärischen und zivilen Sektor, darunter auch Frauen, auszeichnen konnte. Die Parallele zum französischen Orden der Ehrenlegion ist nicht zu übersehen, sie ging aber noch darüber hinaus, weil die nach dem Kriege in den Kirchen einzurichtenden Gedächtnistafeln jene namentlich nennen sollten, die durch ihren Tod „für König und Vaterland" dieser Auszeichnung nicht hatten teilhaftig werden können.®^ Russischer Sitte folgend entsprach es dagegen, wenn verdienstvolle Regimenter das Eiseme Kreuz an der Fahnenspitze führten*', wobei daran zu erinnem ist, daß seit 1808 - auch nach russischem Vorbild - durch die Umgestaltung des Fahnentuches ebenfalls ein griechisches Kreuz gezeigt wurde; ein Arndt in: Gottes Gericht, Werke 1 S.157. " Vgl. Anm. 1/62. " So kommentiert im Russ.-Dt.Volks-Bl., 5.6.1813, S.281. Geschichte der Königlich preußischen Fahnen 1 S.23f.
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gleiches gilt für die seit Ende des ersten Krieges ausgegebenen Landwehrfahnen.®^ Betonte so das Eiserne Kreuz die preußische Eigenart, so stellte andererseits die Übernahme des russischen Landwehrkreuzes in den Zusammenhang der Christenheit, die auszog, um für Gottes Ordnung zu kämpfen. Damit war von vornherein dieses Kreuz nicht nur ein bloßes militärisches Formationszeichen, sondern Programm, das den Bewohner des Landes auf das eigene Christentum ansprach und zur freiwilligen Nachfolge unter dem Kreuz ermuntern wollte. Die gleiche Funktion drückte das bereits vorhandene, nun reaktivierte Hanseatenkreuz (Lübeck, Hamburg, Bremen) aus.®^ Auch in den beiden Mecklenburg fand ein Kreuz Eingang bei der Aufstellung neuer Kontingente.*^ Während des Herbstes schloß sich anscheinend nur Bayern aus.®^ Sachsen - der König saß nach der Völkerschlacht gefangen bei Berlin erhielt das Landwehrkreuz der russischen Besatzungsmacht, der „Banner der freiwilligen Sachsen" bekam ein römisches Balkenkreuz, politisch aktive Einwohner schmückte ein Grünes Kreuz in lateinischer Form.®® In den übrigen Ländern bis zum Rhein wurde zumeist nach preußischem Muster verfahren, nur daß hier auch Freiwillige das (Landwehr-)Kreuz der Nationalbewaffnung tragen konnten, zum Teil ipit der Inschrift „Mit Gott für Fürst und Vaterland". ·· Eine vorerst letzte Manifestation des Kreuzes als Zeichen der Zeit brachten die Denkmedaillen auf den Krieg 1813/14. Preußen orientierte sich dabei an dem russischen Beispiel von 1812. Hieß es damals „Nicht uns, nicht uns, sondern deinem Namen" (gib Ehre; Ps. 115,1), so jetzt „Gott war mit uns. Ihm sey die Ehre.", und war dort stilisiert ein Auge Gottes zu sehen, so trat dafür das nun unterdessen typische Kreuz ein. 1815 erfolgte nur der Austausch der Jahreszahl.®' Unter anderem zeigten auch die Kriegsdenkmünzen Österreichs und Frankfurts das griechische Kreuz.'® In Preußen wurden die Namen der Inhaber als Verzeichnis geführt, das „an passender Stelle" in der Kirche sichtbar aufzubewahren sei.'' » Ebd. 1 S.17, 133f U.Ö.; 2 Tafeln 2,3 u.ö. " Zahlreiche Belege für das „aktuelle" Kreuz bei Richard Knötel, Uniformkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwicklung der militärischen Tracht 1-18 und Gesamtregister. Rathenow 1890-1919 und 1932; das Hanseatenkreuz ebd. 11, Beilage S.9 und 12, auch Russ.-Dt.Volks-BI., 15.4.1813, S.56 (Fahne). «» Knötel, Uniformkunde 2 Nr. 11; 18 Nr. 41. " Ebd. 1 Nr. 50. " Für Sachsen und weitere deutsche Territorien vgl. Knötel, Uniformkunde 1-18 passim; zum Grünen Kreuz das General-Gouvemements-Blatt für Sachsen. Leipzig und Dresden 1813-1815 S.45, 97, 257, 261 f. «' Vgl. Schulze, Franzosenzeit 2 S.331; ders., Befreiungskriege Tafel 61 vor S.293; Ortenberg, Mit Gott für König und Vaterland S. 53. « Schulze ebd. " Amts-Blatt 1815 S. 69.
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4.3.2. Das Zeichen der Zeit Bereits die Propaganda des russischen Lagers hatte in "Wort und Bild das Kreuz als Symbol der Rettung und des nationalen Heils vorgestellt.'^ Allgemein wurde die Thematik spätestens seit der Vereidigung der Landwehr, wobei die persönliche christliche Pflicht und die staatliche Wohlfahrt gemeinsam als Begründung zur Kreuzesnachfolge angemahnt wurden. Daß in diesem Zusammenhang nicht nur der Landwehrmann als Adressat galt, sondern die Bevölkerung als ganze, wurde bei den Ausführungen zur Kriegspredigt gezeigt (vgl. 2.3.). Appellativ verfuhr freilich nicht allein die Predigt, sondern gleichfalls die Tagesliteratur. Stellvertretend für anderes sei an Schenkendorfs Verse gedacht, die vermutlich während des Waffenstillstandes verfaßt wurden: „Das Kreuz, das ist sein [Gottes] Zeichen! Wer will es niederreißen? Das tragen alle Preußen; Die Hölle muß ihm weichen."" Allerdings, wenn man die gesamte Dauer der beiden Kriege gegen Napoleon vor Augen hat, dann erhielt die Interpretation des Kreuzes als das aktuelle Zeichen der Zeit ihren Höhepunkt erst am Ende der Auseinandersetzungen. Stellte das Kreuz, bedingt durch die schwierige politische Entwicklung, zunächst stärker noch das Sinnbild christlicher Tugend dar, die alles abfordere, so ist demgegenüber schon seit Herbst 1813 ein erweitertes und verändertes Verständnis zu verzeichnen. Hatte man eben noch als Deutung des Eisemen Kreuzes die Verse in Umlauf gebracht „Das Kreuz und das Eisen soll Hilfe erweisen, daß Gott uns verschone mit eiserner Krone"'"*, so fand Arndt bald nach der Leipziger Schlacht bereits auffällig andere Worte: J a , brave Männer, ihr redet und glaubet recht. Gott war in euch und ist in euch und wird in euch und mit euch sein. Gott hat sich gegen den Lug und den Trug erhoben, Gott will die Schande und den Frevel verderben und die Ehre und Freiheit der Welt wiederherstellen. Vor jenem heiligen Kreuze, womit ihr gezeichnet auszöget, sind die zahllosen Scharen des gewaltigen Unterdrückers der Fürsten und Völker in Spanien und Rußland in den Staub gesunken und haben die Wölfe und Raben gefüttert; vor diesem göttlichen Zeichen sanken die trotzigen Legionen, die sich die Weltbezwinger nannten, auch auf Teutschlands entweihten Gefilden in das Nichts. Gott gab euch das Glück und den Sieg; von Gott kommt es her und von niemand anders, daß ihr so fromm, so « Z.B. Text zu Anm.1/50; Abb.2. " In: Schlachtgesang, Gedichte 5.94. « Jäckel, Köhler S.158.
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geduldig, so züchtig und so menschlich seid."'^ Und noch einfacher hieß es 1814 in einem Berliner Gelegenheitsgedicht: „Vom Norden flammt das Kreuzeszeichen, lenkt alle Augen himmelwärts. Die frechsten Kriegesknechte weichen vor dem, der's trägt vor Stirn und Herz. Das Kreuz auf allen Siegesfahnen. Das Kreuz, der Trost im letzten Schmerz. Dies Zeichen soll zugleich uns mahnen an Lieb und Treu in Haus und Herz."'^ Offenbar feststehender Gebrauch bildete sich auch bei der Wendung von dem Kreuz „vor der Stirn" (und „auf dem Herzen") heraus.'^ Gewiß, das war übertragene Redeweise und die Benutzung eingebettet in optativische Form. Aber was sollte damit angesprochen werden? War es, wie im vorangegangenen Kapitel (vgl. 3.3.2.) namhaft gemacht, die „neue Qualität"? Oder war der Hinweis auf das Kreuz nur der Schritt auf diese hin? Natürlich war die Antwort dem Individuum selbst überlassen. Aber die offiziell erwartete Reaktion war doch, wie gleichfalls schon das voranstehende Kapitel ergab, daß man persönlich alles zu versuchen hatte, daß sich diese neue Qualität erhielt. Schultze, der geschätzte Feldprediger des Yorck'schen Korps, erläuterte diese Spannung in seiner Rede zur Verleihung der Landwehrfahne am 21. September 1815 in Angers folgendermaßen: „Seht, da steht sie nun in heiterm Sonnenglanze! da schwebt der alte königliche Adler in neu verjüngter Kraft, da stehts geschrieben: pro gloria et patria: für Ehr' und Vaterland, und rings umher ein junger Lorbeer, und an den Enden überall der Name Friedrich Wilhelm, - ' ist wahrlich schön; aber das Beste kommt noch. Liebe Freunde, seht euch das Kreuz an, wie's da so groß gemalt steht, es umfaßt alles Andere, es umfaßt den Adler und den Lorbeer und das Gloria und den Friedrich Wilhelm. Das ist das Kreuz, zu welchem wir berufen sind, das große Kreuz, womit Gott die Weff regiert, womit er richtet, womit er die Seinigen erlöst. Das ist das Zeichen, womit ihr ausgegangen seid, ihr tragt es noch heute auf eurer Stirn, da heißts: mit Gott für Vaterland und König! - Was nicht mit Gott entstanden ist, das falle ! Mit Gott soll Preußens Adler in eurer Mitte stehen « Das preußische Volk und Heer, Werke 11 S.29f. " Aus: Lieder des Vaterlandes und der Geselligkeit Mit Gott für König und Vaterland. Berlin: Nicolai 1814, bei Kunze, Volksstimmung S.34. " Spieker, Predigten S.lOl (Text zu А п т . 2 / П ) ; Reinhard Oberschelp (Hg.), Politische Predigten 1727-1866. Niedersächsische Beispiele aus Krieg und Frieden (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover). Hildesheim 1985 S. 113 (1814); Kügelgen, Lebensbild S.200 (Thüringen); Dapp, Magazin 8,1 S.55 (1814, Kurmark, angelehnt); Ehrenberg, Volk S. 32, 228; auch der Text zur nachstehenden Anmerkung.
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und fliegen; der Gott, von dem wir heute sangen: der dich auf Adelers Fittigen sicher geführet, - der soll uns weiter führen. Und das Schwert, das jener Adler hält, es war einmal ein Richtschwert Gottes; es werde nie entweiht von euch zu schnöden Dingen; und das Gloria sei keine eitle Ehre, und der Lorbeer sei kein eitler Ruhm. Bei Groß-Beeren, bei Dennewitz, bei Hagelsberg und jüngst bei Wavre gab euch Gott den Kranz, weil ihr treu wäret bis in den Tod; haltet ihn frisch und grün, er will genährt sein, jetzt nicht mit Bluth und nie mit Hochmuth, sondern mit den Tugenden des Kreuzes, mit Glauben, Demuth, Eintracht, Lieb und Treue. Das sind die schönsten Blumen zu einem Siegeskranz, das sind die besten Festungen für unser Volk und Vaterland."'®
4.3.3. Die Beziehung zur Devise „Mit Gott ßir König und Vaterland" Wenigstens kurz ist hier noch das Verhältnis zur klassisch gewordenen Devise des preußischen Befreiungskampfes zu bestimmen. Die ursprünglich dem Landwehrkreuz beigefügte Inschrift „Mit Gott für König und Vaterland" hatte sich in den Tagen des Aufbruchs rasch zum geflügelten Wort entwickelt (vgl. 2.1.1.). Diese Konjunktur hielt an und verstärkte sich noch, als der Sieg in den Bereich des Möglichen zu rücken begann. Auch den politischen Nachbarn wurde nunmehr dieses Wort als Leitmotiv des Handelns empfohlen'', oder sie griffen es von selbst auf.'°° So erlangte spätestens jetzt die werbende Formel aus dem Frühjahr 1813 den Charakter eines erfüllten nationalpolitischen Bekenntnisses. Und es war eigentlich schon wie die Probe auf das Exempel, wenn das Zeitungsblatt von Litfass (Berlin) den angebrochenen zweiten Krieg gegen Napoleon mit den Worten bekanntmachte: „Abermals mit Gott für König und Vaterland".'°' Mit anderen Worten, es war also nicht nur das Kreuz zum typischen Symbol der Zeit avanciert, sondern eine gleiche Entwicklung hatte die Devise genommen, indem sie als Kurzformel patriotischer Existenz fungierte. Beide, Wort wie Symbol, konnten dabei je eigene Wege gehen. Aber auch wenn das geschah, blieb eine gleichgerichtete Interpretation gewahrt. '» Baur, Lebensbilder 2 S.175. " Vermächtnis eines edlen Preußen an Teutschlands Landwehr. Mit Gott, für Landesvater und Vaterland. Berlin, Wien, München und Leipzig 1813, bei Goedeke, Grundriß 5, § 311, 35, Nr. 58. Nicht nur bei der Uniformierung, sondern auch im Lied, vgl. Mildheimisches LiederBuch von achthundert lustigen und emsthaften Gesängen über alle Dinge in der Welt und alle Umstände des menschlichen Lebens, die man besingen kann. Gesammelt für Freunde erlaubter Fröhlichkeit und ächter Tugend, die den Kopf nicht hängt Neue vermehrte und verbesserte Ausgabe, hg. von Rudolf Zacharias Becker. Gotha 1815 Nr. 773. 8.3.1815, vgl. Czygan Tagesliteratur 1 S.303.
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Die gemeinsame Grundlage bildete eine religiöspolitisch motivierte theologia crucis. Vielleicht das eindrücklichste Beispiel, wie dies zu verstehen sei, findet sich in den - oben zitierten - Ausführungen, die Feldprediger Schultze bei der Verleihung der Landwehrfahne gab. Danach war es klar: Die Nachfolge unter dem Symbol des Kreuzes war durchzuhalten, denn sonst wäre sie ihres eigentlichen Wesens beraubt, und dasselbe galt für die Devise, denn auch sie war ein Appell über den Tag hinaus. Nur wenn beides korrespondierte, nur wenn eines das andere erläuterte, waren weiterhin Verheißung und Erfüllung zu erwarten. Vorausgesetzt war natürlich, daß es jetzt wie später an angemessener Demut nicht fehlte.
4.4. Der Kniefall Gelegentlich war schon die Rede von dem Kniefall als dem Akt der Demut vor der Majestät Gottes, die den Sieg verleiht.'®^ Dabei handelte es sich nicht um eher zufällige Beispiele, sondern diese stehen für eine allgemeine, über das Wort hinaus erkennbare Verhaltensweise, die man glaubte, Gott schuldig zu sein. Die Zahl der Belege gestattete auch hier eine monographische Behandlung. Nachfolgend soll zumindest die Dimension dieses Phänomens angedeutet werden. Natürlich war das russische Beispiel des Kniefalls als Ausdruck des demütigen Dankes bei militärischen Siegesfeiern keine Nationaleigentümlichkeit der Befreier aus dem Osten. Aber für Preußen am Beginn des Krieges waren solche Bilder eine ungewöhnliche Erscheinung, wie die Kommentierung in der Presse ausweist: Die ärgerlich eitle Selbstbespiegelung der Franzosen bei ähnliche Anlässen vor Augen, war es schon staunenswert, daß inmitten seiner Truppen der russische Kaiser über lange Zeit kniend in Militsch am Feldgottesdienst teilnahm. Und dieses Ereignis sprach noch mehr für sich, wenn man sich entsann, daß Napoleon sogar vor dem Hochaltar sich erlaubt hatte, desinteressiert Tabak zu schnupfen.'®^ Noch einfacher argumentierte „Das neue Deutschland": Schon die jeweilige Art der Gottesverehrung mache es begreiflich, warum die Franzosen in Rußland untergegangen und die Russen jetzt an der Elbe stünden.'°^ Jedenfalls, wie ja der im Lande verbreitete Bericht von den Auszugsfeierlichkeiten der verbündeten Heere in Breslau wenigstens offiziös empfahl'"^, wurde es seither allgemein üblich, daß bei Feldgottesdiensten, ' " V g l . 2.B. Text zu Anm. 1/56; 3 / 5 3 , 57, 79, 91. "» Russ.-DL-Volks-Bl. S.107. Anm. 1/56. Beitzke, Geschichte 1 S. 115 (nach Bericht der Vossischen Zeitung).
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zumal anläßlich eines Siegesdanks, unter Gebet und Segen vom Monarchen bis zum schlichten Trainknecht alles kniete. Die Berichte zeigen untereinander Abweichungen in der Praxis. Das kann auch für Spontaneität sprechen. So wie man in den Zeitbegebenheiten überall den „Finger Gottes" sah, unter dem Wort „Mit Gott für König und Vaterland" sich den Anforderungen des Krieges stellte, das „Kreuz" als das aktuelle Sinnzeichen auf sich selbst bezog, so war es nur erklärlich, daß man sich auch einer Form bediente, die den Dank für Gottes gnädige Führung sichtbar zum Ausdruck bringen sollte. Unmittelbar nach Ende der Schlacht bei Möckern in der Anhäufung von Toten, Sterbenden, Verwundeten und Gefangenen; „... General von Horn ließ das Leibregiment einen großen Kreis schließen und einige Hautboisten ,Nun danket alle Gott!' blasen. Da die Brigaden ganz nahe beieinander standen und die Gewehre zusammengesetzt hatten, während es bei den Vortruppen immer noch knallte, so drängte sich alles zusammen, und ich werde den ungeheuren Eindruck nie vergessen, den es auf die Herzen aller Anwesenden hervorbrachte, als der General, nachdem das Lied verklungen war, sich mit uns allen auf die Knie warf und entblößten Hauptes ein lautloses Gebet verrichtete." Abschließend heißt es: „Das war ein freiwilliger Gottesdienst!"'®^ Zugleich ist hier ein Hinweis enthalten, wie sich durch das „Nun danket alle Gott" die alte preußische Heerestradition des „Chorais von Leuthen" (1757) neu belebte. Gigantische Ausmaße besaß das „Dankgebeth" der Hauptarmee in Böhmen, das am 12. September in der Nähe von Teplitz von 180000 Mann gehalten wurde in Zusammenfassung des Sieges von Kulm sowie der Befreiung Schlesiens und der Mark. Auf die Teilnehmer machte es einen unauslöschlichen E i n d r u c k . A u c h im Bild wurde das Ereignis publiziert'"^, und in einem Soldatenlied sang man: „Der König von Preußen kniet nieder. Dazu sein ganzes Heer: Nun singet Dankeslieder - ju ja Lieder Gott sei allein die Ehr."'°' Eine neue Dimension erlangte der Gestus des Kniefalls als Zeichen des demütigen Dankes seit dem Sieg in der Völkerschlacht. "Wie das „Kreuz" "" Fontane, Wanderungen 1 (Grafschaft Ruppin) S. 252 (Kapitel Regiment MecklenburgSchwerin Nr. 24). ""Vgl. Anm. 3/53; auch Förster, Geschichte 1 S.625 (Bericht der Spenerschen Zeitung,
N r . n o , 1813). "«Julius von Pflugk-Harttung, 1813-1815. Illustrierte Geschichte der Befreiungskriege. Stuttgart usw. o.J. [1913] S.225. ">» Ditfurth, Volkslieder Nr. 22.
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Die Zeichen der Zeit
als Symbol, so steht nun auch dieses Zeichen als selbstverständliches Synonym für die - unüberwindliche - Frömmigkeit der Verbündeten. Historisch war der Vorgang nicht, daß Oberbefehlshaber Schwarzenberg den drei Monarchen die Siegesbotschaft überbrachte und diese daraufhin zum Dankgebet auf die Knie sanken."® Doch das naive Bild „Der heilige Augenblick nach der Schlacht von Leipzig, den IS.Octob. 1813" wußte es anders."^ Wieso hätte auch gerade nach dieser Schlacht der sonst geübte Kniefall fehlen sollen? War es nicht viel eher die Wirklichkeit, wenn es im begleitenden Text hieß: „... Zum Dome wird die blutge Erde. Das Schlachtfeld wird zum Hochalter. Zu Priestern werden die Monarchen; Das Wort, in dem einst Gott der Herr, Herabsank auf die Patriarchen, Zum Betspruch: Mit dem ist der Herr! Zum Opfer die zerbrochnen Ketten, Dem Gotte, der allein retten kann. Das Heer vom Augenblick entglommen. Dem größten aus dem Zeitenmeer, Vom Wort erfaßt, so es vernommen. Ruft knieend: Mit dem ist der Herr! Und alle Feuerläufe neigen Sich abwärts; keine Fahnen weh'n; Und die metallnen Schlünde schweigen; Die zügellosen Pferde stehn, Europa kniet! nichts darf sich regen Als nur das Herz mit seinen Schlägen.""^ Auch der betont katholische Hintergrund störte in diesem Falle nicht. Das Wesentliche war der Kem der Aussage, aus protestantischem Blickwinkel in einem Beispiel so präsentiert: „Als die grosse merkwürdige Schlacht, die das Schicksal von Europa entschied, beendigt und der glorreichste Sieg erkämpft war, sanken sie, Kaiser und Könige, mit dem Ausrufe: Der Herr mit uns, unter freiem Himmel auf die Knie und dankten dem Gott der Heerschaaren für den ihnen verliehenen Sieg, mit ihnen vereinigten die tapferen Befehlshaber und Feldherrn knieend ihre Dankgebete; in Kurzem theilte sich diese fromme Rührung dem ganzen Heere mit, und das allgemeine Losungswort an
So schon Beitzke, Geschichte 2 S. 547. Börner, Vor Leipzig 1813, nach S.256 ( = Abb.7). Ebd.
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diesem Tage war: der Herr ist mit uns. So haben über die Begebenheiten unserer Tage selbst Monarchen gedacht und geurtheilt, die so viele Versuchung haben, Gott zu vergessen und die durch sie ausgeführten Thaten blos sich zuzuschreiben.""' So knieten sie allmählich alle, die Monarchen, ihre Heere, „ganz Europa". Dazu gehörte auch die „Heimat". Zur ersten Jubelfeier der Völkerschlacht war es schon keine Überraschung mehr, wenn die nach Tausenden zählende Festversammlung auf die Knie sank.''"* In Preußen hatte der Berliner Opemplatz am 26. Oktober 1813 eine kniende Gemeinde gesehen, Militär und Zivilbevölkerung gemischt."' Ob der Ritus an sich von Anfang an in allen Gemeinden der Monarchie üblich war, ist nicht zu sagen. Einen gewissen Rückschluß erlaubt die Anfrage an den König hinsichtlich der Wendung „Wir beugen unsere Knie" am Anfang des Kriegsgebetes für den Feldzug 1815. Die Antwort lautete, daß das „Niederfallen" nicht „figürlich" verstanden werden müsse. Vielmehr: „indem Se. Majestät dies nur bei seltenen religiösen Feierlichkeiten, bei einem Te Deum nach einem Hauptereigniß im Kriege, nach dem Friedensschlüsse oder nach der Rückkehr des Monarchen aus dem beendigten Kriege ganz an seinem Orte fänden; so eröffnen wir Ihnen hiemit, daß das Niederknieen bei dem zu sprechenden Kriegsgebet der eigenen religiösen Stimmung und Empfindung der Gemeinden zu überlassen und die ausdrückliche Aufforderung dazu für die vorhin angeführten und ähnliche außerordentliche Fälle und Feierlichkeiten vorzubehalten sey.""' Vielleicht bleibt aufgrund des Geschilderten ein ambivalentes Gefühl, zumal wenn man an die kollektiven Demonstrationen denkt. Was war dabei „Mode", was war daran echt? Denn letztlich kann auch ein Ausdruck der Demut in sein Gegenteil umschlagen, wenn man ihn über Gebühr strapaziert. Aber was den Kniefall im ganzen von anderen typischen Erscheinungen der Zeit abhob, war doch wohl weniger der Ausgangsort eines Selbstwertgefühls, als die schlichte Geste, die sich davon abgrenzen wollte.
Patriotische Predigten zur Zeit der Wiederbefreiung Deutschlands gehalten. Darmstadt 1814 S. 101 (Mitte Januar 1814). Baur, Lebensbilder 2 S.162. '"Preußens Freiheitskampf (Feldzeitung), Nr.7, 30.10.1813. "'Zirkular, Potsdam 8.6.1815, Geistliche und Schul-Deputation der Kurmärkischen Regierung, DStA Brandenburg, BED 139/250 S. 179.
5. Die Zusammenfassung: Das nationalpolitische Credo Letztlich illustrierten und bekräftigten auch die Ermittlungen zu typischen Merkmalen der Zeit nochmals, was im Verlauf der Studie sich schon angedeutet hatte: Je länger der Kampf gegen das napoleonische System andauerte, desto allgemeiner und massiver entwickelte sich die Tendenz, politisches Ereignis und religiöse Erfahrung ineinszusetzen. Am Ende der Kriegsjahre war diese Interpretation in einer Weise selbstverständlich geworden, daß man von ihr als einem nationalpolitischen Credo sprechen kann. Nun in der anstehenden Zusammenfassung ist dieses Phänomen, bekanntlich die Grundlage für eine Rezeption von weiteren hundert Jahren in der preußischen, später auch deutschen Geschichte^, abschließend unter dem Gesichtspunkt zu erörtern, auf welchem Wege dieses Credo den Schritt vom Krieg zum Frieden vollzog. Gefragt wird dazu einmal nach dem neuen Gottesverständnis, zum anderen aber auch nach der daraus abgeleiteten politischen Verheißung. Daß die Klammer für beides in der Erfahrung eines „politischen" Gottes liegt, muß inzwischen nicht mehr ausdrücklich betont werden.
5.1. Das neue Gottesverhältnis Das neu gefaßte Vertrauen der Zeitgenossen in den Gott, der alles glücklich gewendet habe, war aus vielfältigen Erfahrungen gespeist: Anknüpfungspunkt in Preußen bot neben den deprimierenden Jahren seit 1806 zunächst das Negativerlebnis des schrecklichen Aufmarsches gegen Rußland 1812. Dann aber hatte sich Gott zu erkennen gegeben. Er setzte der Ohnmacht der preußischen Monarchie ein Ende. Doch der Aufbruch in seinem Namen brachte vorerst keinen Sieg. Hatte man sich den Weg des Zusammenwirkens zu einfach vorgestellt? Schließlich jedoch, nach Wochen der Selbstprüfung und einem weiterhin entgegengebrachten unerschütterlichen Vertrauen, folgte die Zeit der Siege, ja der totale Triumph, der sich nochmals wiederholte, als man im letzten Krieg gegen Napoleon das eigene Verhalten von 1813 erneuerte. Im ganzen stand so hinter dem Vertrauen in Gott als Vgl. die beiden Aufsätze von Graf, Devise, und „Gott will, wollet auch!"
Das neue Gottesverhältnis
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dem großen Alliierten eine Bindung, die unter Prüfungen gewachsen und vertieft war und alles andere beinhalten mußte, als eine gedankenlos nachgeredete Ideologie. Ein anderes Problem allerdings war, welches Bild von der Bundesgenossenschaft Gottes man mit in die Zukunft nahm. An sich, so das eigene Resümee, bestand an der möglichen Fortdauer kein Zweifel. Nach der Talfahrt der vergangenen bösen Jahre hatte man ein bis dahin nicht gekanntes neues Plateau erreicht. Doch wie war diese gewonnene Position dauernd zu behaupten? Die dazu vertretenen Ansichten wichen voneinander ab. Einmal zu nennen ist hierbei die „Do, ut des''-Vorstellung. Sie kam schon seit den Siegen des Herbstes 1813 in Geltung. Lapidar zusammengefaßt sprach sie in einem Beispiel „von dem ewig treuen Gott, der uns nie verläßt, sobald wir sind und bleiben sein wahres Volk".^ Damit war nicht einfach eine Vereinnahmung Gottes erklärt, denn vorausgegangen war der unablässige Appell an die zu erbringende moralische Leistung, die Voraussetzung sei, daß der Bund in Kraft trete. So lag dem „Do, ut des''-Denken eigentlich mehr die dankbar gemachte Erfahrung zugrunde, daß man jetzt meinte, die Entsprechung gefunden zu haben, durch die auch ferner auf den Beistand Gottes zu rechnen sei. An bereitwilliger Gegenleistung sollte es nicht fehlen. Jedenfalls demonstrierten die Gestaltung der mehrfachen Siegesfeiern, speziell auch die spontanen Festlichkeiten zur \)f1ederkehr der Leipziger Schlacht 1815^, das Bemühen, sich die neue Bundesgenossenschaft zu erhalten. Dabei blieb es nicht aus, daß sich Religiöses und Säkulares mischten: Als „Unziemlichkeit" wurde seitens der Behörden getadelt, daß man Volkslieder in der Kirche habe singen lassen, daß „die Bildnisse vaterländischer Helden auf dem Altare aufgestellt und auf sonstige Art Kirche und Altar ihrer Bestimmung und Würde zuwider benutzt und geschmückt" worden seien.^ Indem hier auch die Geistlichkeit Anteil hatte, war demnach das „Do, ut des" keineswegs nur das Produkt einer theologisch vereinfachenden Volksfrömmigkeit, sondern ein fester Bestandteil damaligen Denkens. Erhärtet wird dieser Eindruck durch eine andere, strengere Theologie, die sich aus den regierungsamtlichen Formularen überhaupt, insbesondere aber auch aus den verordneten Gebeten ergibt. Aus dem Rückblick wirken diese Texte geradezu wie eine Korrektur, die sich gegen die wachsende Selbstverständlichkeit richtete, die man in der Monarchie mit Gott als Bundesgenossen verband. Sicher, man trat als ein „christliches Volk" vor ' Nicolai, Vaterlandspredigten 2 S.2. ' Amts-Blatt 1816 S.122f ( = Tb.21). * Zirkular, Potsdam 22.12.1815, Geistliche und Schul-Deputation der Kurmärkischen Regierung, DStA Brandenburg, BED 139/250 S. 187.
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Die Zusammenfassung: Das nationalpolitische Credo
Gott (Kriegsgebet 1815)^, aber nicht verloren gehen sollte das Gefühl des Abstandes gegenüber der göttlichen Majestät. Die schuldhafte Verfehlung der letzten Jahre glaubte man gestraft und vergeben. Indessen bedeutete das keinen Blankoscheck für die weitere Zukunft. Nicht ohne Absicht lautete die Inschrift der Kriegsdenkmünze von 1814, erneuert 1815, ausdrücklich „Gott war [sie] mit uns. Ihm sey die Ehre". Man hoffte auf eine Zukunft „mit Gott", aber sie ließ sich nicht ohne Bedenken von vornherein programmieren. Neu war solche Argumentation nicht. Im Gegenteil: Wie besonders die Gebete aus früheren Kriegen zeigen^, gab es hier eine lange Tradition, die ihrerseits wiederum eingelagert war in die althergebrachte Vorstellung der Christenheit, daß Gott sich des Krieges bediene als zeitliche Strafe für begangene Sünde. Diese Züchtigung war auszuhalten, und noch die an den Tag gelegte sittliche Besserung garantierte nicht, daß Gott die Züchtigung aussetzen werde. Es war allein das freie Handeln seiner Majestät, wenn der Sieg geschenkt wurde, der in Demut anzunehmen war und bekundete, daß das gestörte Verhältnis ein Ende hätte. Jedenfalls waren die Voraussetzungen eines Neubeginns gegeben, und eigenes Handeln hatte sich darauf einzurichten. In welchem Ausmaß solche diffizileren theologisch-anthropologischen Aussagen auf ein breiteres Verständnis stießen, ist ungewiß. Die Zeit der nationalen Verfehlung hatte man ja gerade hinter sich gebracht. Und hatte der Ausgang des zweiten Krieges 1815 nicht gezeigt, daß das eigene Handeln aufs neue Gott gemäß war? Man wollte gar nicht mit eigener Leistung prunken. Man wollte, was neu begonnen hatte, fortsetzen. Eine Orientierungshilfe dabei ist während der ganzen Kriegszeit die Welt des Alten Testaments gewesen. Bisher kannte man das Alte Testament als Bericht, wie sich Gott in der Vergangenheit eines um seine Existenz ringenden Volkes angenommen hatte. Nun belehrten die jüngsten Vorgänge, daß das nicht abgetane Geschichte aus seiner Weltregierung war, sondern daß Gott nach wie vor in gleicher Weise eingriff, daß er wie ehedem „Mann und Roß und Wagen" vertilgte. So wurde das Alte Testament zu einer unerschöpflichen Analogie, die in der Dramatik der folgenden Kriegsjahre, zwischen Angst und Hoffnung, immer wieder tröstend und legitimierend benutzt wurde. Das ist beispielhaft bei Arndt, am deutlichsten wohl in seinem umgearbeiteten „Katechismus", zu verfolgen, offenbart sich ebenso aber auch bei der Auswahl der verordneten Predigttexte zu außerordentlichen Anlässen. War damit zugleich eine Übernahme alttestamentlicher Theologie verbunden? Die Lehre von der geschichtsimmanenten Durchsetzung des göttlichen Rechts, auch das „Do, ut des" als Verhalten der Nation vor Gott mögen daran erinnern. Uneingeschränkt 5 Tb. 20. • Vgl. Anm. 2/49.
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bejahen sollte man diese Überlegung jedoch nicht, denn jene als alttestamentlich angesprochenen Themen gehörten andererseits auch zur Argumentation spätaufklärerischer Theologie, wobei, gerade aufgrund erhaltener Predigten, zu überlegen ist, ob diese Richtung, vielfältig gewiß, nicht damals noch die herrschende gewesen ist/ Es mochte sein, daß sich diese theologische Schule revidieren mußte bezüglich des personalen Eingreifens Gottes in das gegenwärtige Geschehen. Aber andere theologische Loci, wie die ethischen Prämissen zur Herstellung des Gottesverhältnisses oder der Stellenwert der notwendigen sittlichen Leistung, waren längst und oft entfaltete Themen vor der „Wiederentdeckung" des Alten Testaments. Mitunter entsteht der Eindruck, als sei man eben deshalb so befähigt gewesen, alttestamentliche Texte zu aktualisieren, weil man für diese Argumentation sachinhaltlich vorbereitet war. Doch vielleicht ist es am Ende überhaupt nicht gut, mit Fleiß unterschiedliche theologische Ansätze herauszuarbeiten. Das entsprach auch kaum dem Geist der Kriegsepoche. Schon das Frühjahr 1813 hatte gezeigt, daß durch die inhaltlichen Aussagen der offiziellen Verlautbarungen, kommentiert durch die Predigt, eine unisone Ideologie propagiert wurde. An dieser Praxis war bis zum Gedächtnisfest für die Gefallenen am 4.Juli 1816, das durch detaillierte Angaben einen nahezu uniformen Gottesdienst in der ganzen Monarchie erhielt®, nichts verändert worden. Persönliche Akzente des Glaubens zu setzen, war dem Einzelnen möglich. Aber darüber hinaus: Wer wollte in Abrede stellen, daß Befreiung und Sieg Gott zu verdanken waren, und daß, um neues Unheil zu verhindern, das eigene Handeln nicht in die Zeit der Untugenden vor der großen Wende zurückfallen dürfe? Diese Erkenntnis war so einfach, daß sich darauf nicht allein die Vertreter verschiedener theologischer Richtung einigen konnten; auch der schlichte Bewohner der preußischen Monarchie verstand sie und konnte sie als Erbe aus dem großen Krieg mit in die Zukunft nehmen.
5.2: Die politische Verheißung Freilich war diese Gotteserfahrung nicht allein auf persönlicher Ebene zu verinnerlichen. Sie hatte gleichermaßen auch eine nationalpolitische Funktion. Anders als bei früheren militärischen Auseinandersetzungen war der gegenwärtige Freiheitskrieg durch die gesamte Nation geführt und gewon' Vgl. auch das Urteil von Baur, Lebensbilder 2 S. 156-160. » DStA Brandenburg, BED 139/250 S. 193-199.
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nen worden. Die uneingeschränkte Hingabe eines ganzen Volkes, das Vertrauen in das göttliche Recht, hatten den Sieg gebracht. Wenn Preußen an dieser Bereitschaft festhielt, so konnte die Monarchie, was ihre innenwie außenpolitischen Verhältnisse betraf, auch in Zukunft hoffnungsvoll sein. Kommentierungen dieser Art waren spätestens seit dem Frühjahr 1814 allgemein üblich geworden und hatten fortan bei politischen Analysen zur Zeit einen festen Platz. Nicht enthalten war in diesen Ausführungen die ausdrückliche Berücksichtigung konstitutioneller Elemente. Das monarchische Prinzip galt weiter, doch es wurde jetzt als regeneriertes Modell gleichsam in der Form eines „dritten Weges" vorgestellt. Begonnen habe dieser Weg 1807 mit den Reformen „von oben", die die alten verhängnisvollen Strukturen beseitigt hatten, damit aber auch revolutionäre Reaktionen erübrigten, da das, was der König Gesetz werden ließ, im Einverständnis und zum Besten der Nation erfolgte. Das patriarchalische Bild blieb so bestehen, das heißt nach wie vor stand der König an der Spitze, in Predigt und Kirchengebet betont „der Gesalbte" genannt. Doch das Verhältnis innerhalb dieser Pyramide war ein anderes geworden. Die einzelnen Schichten lebten nicht mehr ausschließlich für sich, sondern das neue Privileg war der gemeinsame Dienst am Vaterland. Man war zuerst preußischer Staatsbürger, und danach kam der soziale Stand. Wie wenig davon Wirklichkeit, wie viel davon Legende war, ist hier nicht zu untersuchen. Wenn darauf eingegangen wird, dann deshalb, weil regierungsamtliche Verlautbarungen, sekundiert von der Presse, Erfolge dieses neuen Modells in den Befreiungskriegen verwirklicht sahen und sie als Verheißung für den nationalen Fortbestand deklarierten. Eine Divergenz zur öffentlichen Meinung bildete sich damit nicht. Royalistischer Sinn, vor allem jedoch ein damals noch landesweit waltender naiver Monarchismus fühlten sich durch solche Äußerungen vielmehr eher bestätigt. Als Beispiele dieser neuen Situation anzusehen waren am Beginn des Krieges die Stiftung des Eisemen Kreuzes als eines nationalen Ordens, der Aufruf „An Mein Volk", demokratische Wahlen bei den unteren Offizierschargen der Landwehr oder auch die Ankündigung der Gedächtnistafeln für die Gefallenen eines jeden Kirchspiels. Während der Kriege folgten weitere Maßnahmen, die das Bewußtsein eines kollektiven Gefühls förderten, darunter die Unterstützung der Landwehrangehörigen. Es war für die Zeitgenossen tatsächlich eine andere Welt als die vor 1806. Hinzu kam, daß sich diese neuen Strukturen infolge des zweiten Krieges von 1815 fortsetzten und damit verfestigten. Man sollte aus dem Rückblick keine innenpolitische Idylle zeichnen wollen. Aber sozial war man als Nation zweifellos zusammengerückt. Dafür sorgten immer neue Gelegenheiten: Die Opferwilligkeit war weiter gefragt, man feierte gemeinsam Sieges- und Friedensfeste, Ortschroniken wurden
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angelegt', zweimal erfolgte die Verteilung der Denkmünzen, das Jubiläum der Leipziger Schlacht 1815 genoß man als örtlichen Freudentag, am beziehungsreichen 1 S.Januar (Gründung der preußischen Monarchie) beging man 1816 feierlich das F r i e d e n s d a n k f e s t ' u n d das »Todtengedächtnis" war auf den 4.Juli gleichen Jahres gelegt. Als bleibende Erinnerung erschienen in den Kirchen nacheinander die Listen der Inhaber des Eisemen Kreuzes, dann die Gedächtnistafeln, schließlich die Landwehrfahne, sofern sich das Regiment im Kriege besonders hervorgetan hatte. Auch die Landwehr selbst war inzwischen mit ihrem typischen Kreuz und der bewährten Inschrift zu einer feststehenden Einrichtung geworden. Man muß sich verdeutlichen: Das alles waren Begebenheiten auf jeweils lokaler Ebene im ganzen Land, die einerseits dankbar machten für den endlich erkämpften Frieden, andererseits aber nicht vergessen ließen, wie das Ereignis dieses unvergleichlichen Krieges als Erfolg der eigenen Mühen für die Zukunft gegenwärtig blieb. „In der Art und Weise, wie diese Tage begangen worden, erkennen wir mit Freude und zugleich mit einer frohen und vertrauensvollen Aussicht in die Zukunft das nemliche Volk, dessen Männer und Jünglinge so muthig und begeistert mit Gott ßir König und Vaterland in den Kampf zogen. Wir vernehmen darin den sprechendsten Ausdruck solcher Gesinnungen, durch welche ein Volk sich selbst und seinen König ehrt. Gott segne ferner den König und das Vaterland."" Die ideologische Umrahmung war dabei wie von jeher Sache der Geistlichkeit, letztere durch den April 1815 eingeführten Amtseid als „Diener der christlichen Kirche und des Staates" angesprochen.'^ Daß sich aus der geforderten permanenten „innerlichen" Aufrüstung sowie aus der bleibenden Militarisierung des Volkskörpers innerhalb der Nationalstaatlichkeit Europas im Laufe des weiteren Jahrhunderts Probleme ergeben könnten, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Das Gleiche traf zu für die verbindende Devise „Mit Gott für König und Vaterland", die aufgrund ihrer patriarchalischen Denkstruktur später von den Konservativen adaptiert werden sollte als Allheilmittel gegenüber demokratischen Tendenzen, Liberalismus und dem Sozialismus.'^ Aber alles dies lag noch im Schoß der Geschichte. Zunächst einmal baute man auf den Gott; der nicht verlassen werde, wenn man handle, wie zur Zeit des großen Krieges.
' Vgl. in Tb.21; die Anregung dazu schon aus dem August 1813, Amts-Blatt 1813 S.392f. " Zirkular, Potsdam 2.1.1816, Geistliche und Schul-Deputation der Kurmärkischen Regierung, DStA Brandenburg, BED 139/250 S. 191 (freie Textwahl). " Amts-Blatt 1816 S.124 ( = Tb.21). " Abgedruckt in Amts-Blatt 1815 S. 151 f. " Vgl. Anm.5/1.
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In Roskow, einem Dorf nordöstlich von Brandenburg, wurde 1820 eine Akte angelegt, die in sich die vorläufige Landsturmordnung von 1813, die Namen der Beteiligten sowie einen Einsatzbericht vereinte. Am Schluß finden sich die folgenden Worte: „Diese Geschichts=Erzählung möge unsem Nachkommen dazu dienen, daß sie nicht im Unglück verzagen, sondern ihre Hofnung und Vertrauen (wie wir es thaten) auf denjenigen setzen, der über den Sternen thront und Welten und Völker aufs beste regieret, und der sich auch zur Zeit der allergrößten Noth, unserer väterlich annahm, uns gnädig beschützte und viel sehr viel harte Drangsale tragen half. Sein Name sei gepriesen von nun an bis in Ewigkeit. Amen."'"^ Zum Schluß sei an ein Wort Leopold von Rankes erinnert: J e d e Epoche ist unmittelbar zu Gott, und ihr Wert beruht gar nicht auf dem, was aus ihr hervorgeht, sondern in ihrer Existenz selbst, in ihrem eigenen Selbst."'^
" DStA Brandenburg, Pa 25/83 (Pfarrarchiv Päwesin) S. 1-12. " In: Über die Epochen der Neueren Geschichte. Vorträge dem König Maximilian II. von Bayern gehalten. Gedächtnisausgabe. Stuttgart 1954 S.7.
Textbeilage 1
An die
Preussen.
H i c est obstandum, cives, velut si ante ipsa moenia pugnemus; unusquisque se non corpus suum, sed conjugem ac liberos parvos armis protegere putet, nec domesticas solum agitet curas, sed identidem hoc animo reputet, nostras nunc intueri manus omnes Germaniae civitates; qualis nostra vis virtusque fuerit, talem deinde fortunam imperii Teutonici fore. Lig. XXI, 4 1 .
Wackere Preussen! Geliebte Landsleute! G o t t hat der Welt ein herrliches und fröhliches Neues Jahr gegeben; er hat ein fürchterliches Gericht gehalten; er hat gnädig und gewaltig bewiesen, daß er noch der alte Gott ist und daß er stehet und streitet mit denen, die fest auf ihn bauen; er hat die Bösen geblendet, gestraft, zerschmettert, damit die Guten sich erheben und ermannen können. Ihr habt das blutige und unerbittliche Ungeheuer gesehen und gefühlt, welches in seinem stolzen "Wahn und Uebermuth sich nichts Ideineres angemaßt hatte als alle Länder zu bezwingen, alle Thronen zu schänden, alle Völker zu erniedrigen und endlich in satanischer Einsamkeit über einen verworfenen Haufen von Sklaven zu herrschen. Er kam im Sommer des verflossenen Jahres, er zog euch nicht fern vorüber, er zog durch euch hin mit seinen Schaaren, ja er zog über euer Glück und eure Ehre dahin, wie der giftige Bauch der Boaschlange verwüstend und verpestend über ein fruchtbares Gefilde zieht. Der Westen war ihm fast dienstbar, Frankreich, Italien, Deutschland, das Niederland, die Schweiz, Polen schwellten die
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Textbeilage 1
zerstörende Masse der Völker: nie war in Europa ein Heer gesehen worden, so zahlreich und trotzig als das, welches er im Junius 1812 über die Weichsel und den Niemen trieb. Er gelobte binnen wenigen Wochen Rußland zu zertrümmern und die Schändung und Entehrung des unglücklichen Europa's zu vollenden. Seine Schmeichler und Knechte posaunten es über die Welt aus, der Unbezwingliche, der Unbesiegliche, der Weltbefreier, der Zeitverjunger, der Einzige, der Unvergleichliche komme sich und Europa an dem treulosen Beherrscher der Russen zu rächen und den Osten unsers Welttheils gleich dem Westen zu beglücken und zu befreien. Diese Stimmen der Nichtswürdigkeit krächzeten fem und nah alle Buben und Knechte nach; die Matten und Feigen glaubten und zitterten; selbst manche Gute und Wackere wollten fast verzweifeln; nur wenige ehrenfeste und herzenfeste. Seelen hofften und vertraueten, denn ihnen war in dem schmutzigen Strom der Zeit die Zuversicht auf Gott und das Licht der Geschichte nicht untergegangen. Auch sie sahen ein Heer zahllos wie der Sand am Meer seine gefürchteten Legionen fortwälzen; aber sie sahen auch Unordnung, Ungehorsam, Uebermuth, Wohllust, Weichlichkeit, Habsucht, Grausamkeit, Verruchtheit, Schande - sie sahen alle Laster und Verbrechen mit ihm ziehen; sie erkannten die nie vergessenden, die schlummerlosen Göttinnen, die als Botinnen und Richterinnen den Unthaten vorangehen und folgen, sie erkannten die Furien, die zugleich verwirren und strafen; sie erkannten die Sicherheit, den Uebermuth und die Verblendung, gewisse Zeichen des Umsturzes, in dem Tyrannen und in seinen verbrecherischen Großschergen, die sich Könige und Herzöge und Marschälle von Frankreich nennen; sie erkannten mit Freuden, daß das Laster und die Verruchtheit wie durstige Vampyre den Geist, den Muth, die Geschwindigkeit, die das bezauberte Europa sonst in ihnen anstaunte, ausgesogen hatten. Bonaparte drang in Rußlands Gränzen ein, die rußischen Heere wichen zurück, er verkündigte Polens Eroberung, Rußlands Zerstückelung, Flucht und Zerstreuung der russischen Heere, Zulauf und Jubel der Russen, welchen die französische Freiheit gefalle, bald Ruhe, Frieden, Glück der ganzen Welt. Die russischen Heere, kleiner an Zahl, mächtiger an Muth, stärker durch Gott und ihr Recht, fochten mit Löwenmuth: Kliasticzi, Polocz, Smolensk, Borodin und wie viele andere Orte des weiten Reichs sind unvergängliche Denkmäler russischer Tapferkeit geworden; so lange die Düna ihre Wasser ins Meer wälzt, wird Wittgenstein genannt werden, Barclay und Kutusow werden unsterbliche Namen bleiben. Doch kam Bonaparte nach Moskau durch die Ueberlegenheit seiner Heere, die er blutig aufopferte, durch die immer nachrückenden Massen, die er aus Polen und Deutschland ins Verderben sich nachriß, durch List des russischen Feldherrn, und durch Gott, welcher ihn verderben und die Welt erlösen wollte. Bonaparte hatte gehofft, wie es ihm zu oft gelungen war, mit Moskau den Frieden zu erobern Europa seine Lügen vorzugaukeln, Rußland durch
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Unterhandlungen, Waffenstillstände, Friedensschlüsse zu bethören, zu erniedrigen und zu zerstören. "Was fand er? Er fand in dem Kaiser von Rußland die Standhaftigkeit und Großherzigkeit welche Angesichts der Welt und des Volks erklärte, nimmer werde er sich und sie durch einen unrühmlichen Frieden beflecken, er werde aushalten im Kampfe, wenn auch beide Hauptstädte und die besten Landschaften in des Feindes Gewalt fallen und wenn er und seine Gemahlin auch bis an die äussersten Gränzen fliehen müßten; er fand bei den Kaiserinnen, den Fürsten, dem Adel, dem Bürger, dem Bauren denselben Stolz, denselben Muth, denselben Geist, alles hinzugeben, damit die Ehre, die Freiheit und das Vaterland unverloren blieben; er fand endlich in dem ganzen großen Volke durch seine und seines Heeres Schanden und Gräuel den Zorn und die heilige Wuth für ihr Land und ihr Recht, wodurch er untergehen sollte. Moskau loderte in Flammen auf, Städte und Dörfer, die Schätze langer Geschlechter, die Vorräthe glücklicher Jahre verzehrte das Feuer,'von Smolensk bis Moskau ward das Land zu beiden Seiten der Straße fünfzig deutsche Meilen lang in eine Wüste verwandelt. Aber aus diesen Flammen stieg die Rache und aus dieser Verwüstung der Grimm auf; jeder Bauer ward ein Held, jeder Bürger ein Krieger; Sieg oder Verderben, Freiheit oder Untergang - das wollten die stolzen Seelen. So strömten zu Tausenden bewaffnete Schaaren herbei zu Fuß und zu Roß und verstärkten das russische Heer und entflammten durch die Menge und durch die Gesinnung das Vertrauen und die Gewalt. Bonaparte hatte, auf dem Unglück und den Ruinen von Moskau lagernd, fünf Wochen vergeblich verloren; man hatte ihm keinen Frieden angeboten, man hatte den angebotenen und angeschmeichelten stolz verworfen; die russischen Heere, verjüngten sich wieder, die ergrimmte und wimmelnde Kraft des ganzen großen Volkes wälzte sich von Tage zu Tage reissender und angeschwollener gleich einem Bergstrom heran, Mangel, Herbst, Kälte, Oedenei, die Entfernung der Orte und die Entfernung der Hoffnung droheten gleich schrecklich - er erwachte aus seinem starken Traum und erstaunte und erschrack. Noch versuchte er zu täuschen durch verstellte Märsche und Angriffe der Russen. Er täuschte sie nicht, er ward geschlagen, er zog nicht mehr zurück mit seinem Heere - er floh; und Wuth und Rache und Hunger und Pest, das Schwerdt der Russen, und Gott und die Elemente folgten ihm in vernichtender Begleitung. Bei Malojaroslawetz, bei Mojaîsk, bei Krasnoi, bei Witepsk, an der Beresina geschlagen, zuletzt ohne Kanonen, Waffen, Pferde, Gepäck, von der grimmigen Kälte und dem grimmigeren Hunger verfolgt, flohen die traurigen Trümmer des gewaltigen Heeres: an 400000 Mann waren getödtet, gefangen, verhungert, erfroren, in Hospitälern für einen gewissen Tod aufgeschichtet. Gott hatte ein fürchterliches Gericht gehalten.
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Preussen! ich erzähle euch nichts Fremdes noch Neues, ihr habt dieses Weltgericht der gerechten Vorsehung verübergehen sehen; ihr habt gesehen, was jedem, der es nur hörte, unglaublich dünken wird, ein Unglück, eine Schande, eine Demüthigung des Stolzes, wie die europäische Geschichte keine erzählen konnte bis diesen Tag. Aber dieser Tag, der Tag des Verderbens der bonapartischen Rotten, gieng auf als das Licht eurer Befreiung. Bald flogen die russischen Heere den zertrümmerten Haufen nach; sie kamen in euer Land nicht als Feinde, sondern als Freunde; mit ihnen kam ihres großherzigen Kaisers Versicherung, er wolle eures Landes und eurer Güter nicht, die Erlösung eures Vaterlandes und eures Königs, die Wiederherstellung Deutschlands, die Beruhigung Europens - das sei der einzige Gedanke seiner Seele. Preussen! für die Welt und für euch ist ein neuer Stem der Glorie und des Heils aufgegangen, nach welchem ihr alle schauen müsset. Ihr habt das hohe Beispiel vor euch, was ein Volk vermag, das Gott fürchtet und sein Vaterland und seine Freiheit über alles liebt. Der Wahn, der euch und die Welt hielt, ist verwehet, eure Fesseln sind zerbrochen, ihr seid frei auf denn! waget euren Vätern zu gleichen, euren neuen Bundsgenossen zu gleichen! wohlan! ihr habt das Beispiel, so gebt auch das Beispiel! Ihr Glücklichen! euch fällt das schöne Loos, die ersten Deutschen zu seyn, welche in dem neuen Leben und der neuen Kraft des Volkes allen als ein glänzendes Muster der Ehre, der Vaterlandsliebe, der Aufopferung der Begeisterung voranschreiten. Es ist für die ganze deutsche Nation eine große eine herrliche Zeit erschienen, es wird mit der Schande und der Verruchtheit ein heiliger und schwerer Kampf beginnen, aber ihr werdet ihn durchführen, wenn ihr die Tugenden wieder erfasset, wodurch eure Väter so gepriesen waren. Ihr seid die ersten Deutschen, die aufstehen; ihr müsset mit der Hand, mit dem Herzen, mit den Waffen, ihr müsset mit Worten und Thaten, mit jeder großen Gesinnung und jedem edlen Stolz die ersten seyn, damit eure Brüder das Beispiel haben, den jeder hinten zu bleiben sich schäme. Preussen! viel Unglück muß in Glück, viele Schande in Ehre, viele Verwirrung in Ordnung, viele Unzucht in Zucht verwandelt werden ehe der deutsche Name wieder mit Glanz in der Reihe der Völker steht. Preussen! die Schatten eurer edlen Vorfahren, die Geister eurer großen Herrscher; der Geist eures unsterblichen Friederich, die Tugenden und Werke und Künste so vieler wackeren deutschen Männer, welche die Weltgeschichte verherrlichen, ermahnen euch wacker und frisch zu seyn; das schwere Unglück, die schwerere Schande der letzten Jahre, die Drangsale. die ihr erlitten, die Gräuel, die ihr erlebt habt, ermahnen euch zum Muth, zum Stolz, zur Rache, daß auch durch euren Heroismus die verruchten Fremdlinge in den deutschen Gränzen vertilgt und die deutschen Ehren wieder aufgerichtet werden.
Textbeilage 1
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Es ist eine große und gewaltige Zeit. Gott, der ewige und mächtige Walter aller Dinge, hat gerichtet, sein Finger hat sich sichtbar gewiesen, er hat das Seinige gethan - es ist an euch, das Eurige zu thun. Eine neue Zeit wird beginnen, eine große und herrliche deutsche Zeit, wenn jede lebendigste Kraft, jedes glühendste Herz, jede freudigste Tugend und jede reinste Gesinnung, wenn die ganze Liebe und Treue des deutschen Volkes in den großen Kampf gesetzt wird. Haß gegen die Fremden, Haß gegen die Franzosen, gegen ihren Tand, ihre Eitelkeit, ihre Liederlichkeit, ihre Sprache, ihre Sitten, ja brennender Haß gegen alles, was nur von ihnen kommt, das muß alles Deutsche fest und brüderlich vereinen und deutsche Tapferkeit, deutsche Freiheit, deutsche Zucht, deutsche Ehre und Gerechtigkeit oben schweben lassen und wieder in die alte Würde und Herrlichkeit stellen, wodurch unsere Väter vor den meisten Völkern der Erde leuchteten. Und wofür wird gestritten werden in dem großen Kampfe? Für das Heiligste und Ehrwürdigste; für die Ehre, die Freiheit, die Gerechtigkeit, für die Wissenschaft und für die Kunst, für jede schönste Tugend und jedes höchste Gut des menschlichen Geschlechts,die der abscheuliche Tyrann von der Erde vertilgen möchte; für das Liebste und Theuerste: für die Aeltem und für die Kinder, für die Weiber und für die Bräute, für das gegenwärtige Geschlecht und für die künftigen Geschlechter, die elende Sklaven seyn werden, wenn ihr nicht kühne Männer seyn wollet. Eures Unterdrückers und Schänders Macht liegt zerschmettert durch Gottes Arm, eure hinterlistigen Feinde, die Franzosen, sind durch seine Wuth erniedrigt, entkräftet und entgeistert; aber wäre der Krieg, den ihr als redliche Deutsche mit ihnen zu führen habt, auch der schwerste und längste - ihr müßtet davor nicht zittern. Was euch in Schande gebracht hat, muß euch wieder zu Ehren bringen. Nur ein blutiger Franzosenhaß kann die deutsche Kraft vereinigen, die deutsche Herrlichkeit wieder herstellen, alle edelsten Triebe des Volkes hervortreiben und alle niedrigsten versenken; dieser Haß als Palladium deutscher Freiheit den Kindern und Enkeln überliefert, muß künftig an der Scheide, an dem Vogesus und den Ardennen Germaniens sicherster Gränzhüter seyn. Preussen ! das Zeitalter, das Vaterland, die Welt sieht auf euch: die ersten müssen die glänzendsten seyn. Ihr werdet nicht kleiner seyn wollen als euer Beruf ist, ihr werdet nicht schlechter seyn wollen, als eure Väter waren. Auf denn! wackere Beginner der Freiheit und Ehre! auf mit euren Herzen zum deutschen Gott und zur deutschen Tugend! auf zu jedem kühnsten Muth und zu jeder reinsten Hingebung! und ihr werdet wieder in Ehren leben und eure Kinder und Enkel in Freiheit wohnen. Gott hat Gericht gehalten, Gott hat die Bahn geöffnet, Gott will, wollet auch!
Schulze, Urkunden Nr. 2
Textbeilage 2
Deutsche Jünglinge und Männer! D i e Ihr nicht zu den Unterthanen Sr. Majestät des Königs von Preußen Euch zählt, habt Ihr wohl gehört und gelesen, wie herrlich sich die wackem Preußen zusammen nehmen? wie sie herzuströmen von allen Seiten? Viel Tausend Freiwillige aus allen Ständen, weil in diesen bösen Zeiten es nur einen Ehrenstand geben kann, den der Freiheit! Wie wird Euch zu Muthe, wenn Ihr das hör't und lest, Ihr Männer aus allen Gegenden Deutschlands, die sich noch bücken müssen vor den übermüthigen Fremdlingen? Nicht wahr, die Herzen klopfen Euch? und Ihr mögtet auch Theil nehmen an der Befreiung des Vaterlandes und an der Rache für so vieljährige Leiden? Denn wo ist wohl ein Winkel in Deutschland, wo nicht geseufzt worden wäre? und wo lebt ein Deutscher, der nicht irgend einen bittem Verlust zu geklagen, zu beweinen und zu rächen hätte? Wohlan, die Zeit des Klagens und Weinens ist vorüber, die Zeit der Rache ist gekommen! Gott war mit den Russen! Gott wird mit Euch seyn! Ich biete Euch meine Hand! Im Namen meines großen Monarchen lade ich Euch brüderlich ein, und thue Euch zu wissen, daß, auf Seinen Befehl und auf Seine Kosten, hier in Berlin und in den Hansestädten mehrere deutsche Legionen errichtet werden sollen. Kommt! Kommt! Ihr mögt Euch nennen wie Ihr wollt, Westphälinger oder Sachsen, Bayern oder Hessen, alles gleichviel! wenn Ihr nur Deutsche seyd und deutsche Herzen mitbringt. Kommt Ihr mit den Waffen schon ausgerüstet, desto besser; kommt Ihr aber auch ohne Waffen, so wird mein Kaiser sie Euch liefern, und Brod und Geld, und alles, was Ihr bedürft, und obendrein Sein Kaiserliches Wort, daß Ihr zu nichts weiter gebraucht werden sollt, als zur Befreiung Eures Vaterlandes. Jeder von Euch, sobald er unter die russisch-deutschen Fahnen getreten, soll nur dahin geschickt werden, wo er geboren wurde, und wo seine Landsleute noch unter dem Joche seufzen. Denkt Euch, wie sie Euch empfangen werden, wenn ihre eigenen Brüder ihnen die Freiheit bringen! Ei so laßt Euch anfeuern durch diesen herrlichen Lohn, und durch das edle Beispiel der Preußen! Eilt! um mit in den heiligen Krieg zu ziehen; denn ich sage Euch, in Berlin sowohl als in den Hansestädten, bei den Commandanten der genannten Orte, die Euch als liebe Waffenbrüder
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empfangen und versammeln werden. Auf dem Felde der Ehre will ich Euch selbst willkommen heißen und mit Euch für Euch fechten, bis wir deutsche Freyheit mit Gottes Hülfe errungen haben! Gegeben in meinem Hauptquartier zu Berlin, den 11/23"®" März 1813. Graf V. "Wittgenstein. Schulze. Urkunden Nr. 10
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Aufruf zur allgemeinen Bewaffnung. H ö r t mich, liebe deutsche Bürger und Bauern! ich will Euch ein Wort ans Herz legen. Ihr habt gesehn, wie der allmächtige Gott den Uebermuth der Franzosen durch den Arm der Russen, durch Hunger und Frost gezüchtiget hat, und Ihr mögt dabey an den schönen Spruch des 11 Sten Psalms gedacht haben: das ist vom Herrn geschehen, ein Wunder vor unsem Augen. 300 Meilen weit haben wir sie vor uns her getrieben; Rußland hat seine Selbstständigkeit und seinen alten Ruhm behauptet. Das ist aber unserm edlen Kaiser noch nicht genug; er will auch seine lieben Nachbarn die Deutschen frey wissen und mit seiner ganzen Macht dazu behülflich sein. Darum sind wir gekommen; darum haben wir uns mit den wackem Preußen vereinigt, und Gott wird mit uns seyn wie bisher. Nun begreift Ihr aber wohl, daß wir nicht überall seyn können und daß, in einem so großen Lande wie Deutschland ist, auch die größten Armeen nicht im Stande sind jeden Schlupfwinkel zu besetzen, durch den die feindlichen Streif-Partheyen herein brechen könnten um Euch zu plündern; ja es wäre eine eitle Prahlerey (in der wir die Franzosen nicht nachahmen mögen) wenn wir behaupten wollten, es könne unsem Waffen nie etwas widriges begegnen. Wir sind auf Alles gefaßt und werden auch solche Zufälle wohl zu verbessern wissen. Aber Ihr? was werdet Ihr thun? Wollt Ihr die Hände ganz in den Schoos legen? wollt ihr Euch geduldig plündern lassen, wenn wir nicht eben in der Nähe sind um es zu hindern? - Behüte Euch Gott vor solcher Feigheit! - Wenn Ihr es recht anfangt, so haben die Franzosen weder Essen noch Trinken, weder Kleider noch Schuhe, und müssen zurück über den Rhein so wie sie über den Niemen zurück mußten. Fragt Ihr mich, wie Ihr es anfangen sollt? so antworte ich Euch: Thut wie die Russen gethan haben und wie die Preussen jetzt thun; vereint Euch flugs zu einem allgemeinen Landsturm! Glaubt unserer Erfahrung: wenn jeder Bauer, jeder Bürger im Nothfall Soldat ist, so kann der Feind ihnen nichts anhaben. Da ist noch kürzlich was vorgefallen, nicht weit von Magdeburg, wo alle Landsleute herzhaft sich erhoben und, während wir mit dem Feinde kämpften, alle Franzosen in ihrer Gegend angriffen, todt schlugen oder
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gefangen nahmen. Sie hatten sich mit Picken bewaffnet und ihr Prediger, ein Ehrenmann, mit Nahmen Schnee, führte sie an. Wie ihr es anstellen sollt, einen solchen Landsturm zu errichten? das will ich Euch lehren. Fürs Erste sehe sich Jeder nach einer Waffe um, wenn es auch keine Flinte, kein Säbel ist, eine Pike ist bald gemacht, eine Sense bald grade gebogen, ein Beil, eine Heugabel sind auch gut. Dann versammelt Euch in den Dörfern unter Euren Linden, etwa Sonntags nach dem Gottesdienst, da wählt Euch einen Anführer, den mögt Ihr Euren Haüptmann nennen. Es giebt ja wohl auch in dem kleinsten Dorfe einen alten gedienten Soldaten, oder sonst einen klugen, muthigen Mann, der Euch am besten zu rathen vermag. Dann müßt Ihr aber auch thun was Er Euch sagt. Solche Hauptleute können hemach aus mehreren benachbarten Dörfern zusammentreten und unter sich berathschlagen, wie, im Fall der Noth, die Eine Gemeinde der Andern schnell zu Hülfe kommen solle. Auch Eure Pfarrer zieht zu Rathe, denn, wenn sie gleich vom Kriege nichts verstehen, so kennen sie doch Euch am besten und wissen, wozu ein Jeder am tauglichsten ist; auch werden sie Euch anfeuern im Guten und einsegnen in der Kirche. Wenn nun der Kriegs-Schauplatz in Eurer Nähe ist, so seyd wachsam bey Tag und bey Nacht. Die jungen Bursche können untereinander abwechseln und besonders bey Nacht immer Einige derselben in der Gegend ihres Dorfes herum streifen und horchen. Pferdegetrappel kann man sehr weit hören wenn man das Ohr an die Erde legt. Große Vorräthe von Lebensmitteln oder Fourage müßt Ihr auf die Seite schaffen und nicht mehr davon im Hause behalten als auf kurze Zeit hinreicht; das übrige wird versteckt^'vergraben oder in ferne Gegenden versendet. Naht sich nun wirklich eine feindliche Streif-Parthey, so müssen die Wächter zurück und grade auf den Kirchthurm rennen und die Sturmglocke läuten. Wenn das die Einwohner hören, so müssen sogleich die Bewaffneten sich auf einem Platze versammeln, den ihr Hauptmann zuvor für diesen Fall bestimmt hat. Auch werden sie schon früher sich verabredet haben, nach welcher entlegenen Gegend sie ihre Weiber, Kinder, Greise und Vieh in Sicherheit bringen wollen. Diese Alle begeben sich nun sogleich auf die Flucht, damit der Feind, ausser den Bewaffneten, keine lebendige Seele im Dorfe finde. Sind unsere Truppen irgendwo in der Nähe, so schickt sogleich einen Boten dahin, der sie von dem was vorgeht benachrichtige. Was ihr an Lebensmitteln und Fourage nicht fortschaffen könnt, das verbrennt lieber, es ist doch besser als wenn der Feind es Euch raubt. Wäre nun die anrückende Partey stärker als Ihr, so laßt Euch in kein Gefecht mit ihr ein, sondern zieht Euch in einen nahen Wald, oder ins Gebürge, oder wo Ihr sonst verborgen lauem könnt. Wenn der Feind in Eurem Dorfe nichts findet, so wird er bald wieder abziehn. Dann folgt ihm von ferne und vereinigt Euch mit Euern Nachbarn im nächsten Dorfe,
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die es eben so gemacht haben als Ihr, und immer so fort, bis Ihr stark genug seyd, über ihn her zu fallen. Erfahrt Ihr, daß unsere Truppen ihn aufsuchen so versperrt ihm wo möglich den Rückzug, indem Ihr die Straßen durch tiefe Graben oder umgehauene Bäume unwegsam zu machen sucht. Wäre aber der anrückende Feind schwächer, oder nur eben so stark als Ihr, so laßt ihn heranziehn, überfallt ihn von hinten oder von der Seite und schlagt in Gottes Nahmen drauf los. Wählt Euch einen biblischen Spruch zur Losung, etwa aus dem 60sten Psalm: Mit Gott wollen wir Tbaten thun! oder die Worte des Apostels an die Philipper: Der Herr ist nahe, sorget nicht! Mit solchem Feldgeschrey stürzt auf den Feind, und wahrlich! Ihr werdet ihn besiegen! Denn Ihr ergreift ja nur die Waffen, um das liebste was der Mensch auf Erden hat zu vertheidigen: Euem eigenen Herd, Eure Weiber und Kinder, Eure Ehre, Eure Freyheit! mit solchen Waffen ist Gott! das hat er an den Russen bewiesen. Und wenn Einer unter Euch sich fürchten sollte, sein Leben zu wagen für eine so gerechte Sache, so denke er an den Spruch des Evangelisten: Eure Haare sind auf dem Haupte gezählt, darum ßirchtet Euch nicht! Bedenkt, daß, wenn es den Franzosen jetzt gelänge noch einmal Herren in Deutschland zu werden, sie noch weit ärger hausen würden als zuvor. Ihr müßt also schon darum alle Eure Kräfte anstrengen, weil jetzt gar kein Mittelweg mehr übrig ist zwischen Eurem künftigen Glück oder Eurem tiefsten Elend. Wohlan! so folgt mir! thut was ich Euch gerathen habe; Ihr werdet Euch wohl dabey befinden, und auch uns den großen Kampf erleichtem. Gott sey mit Euch! Gegeben in meinem Hauptquartier zu Herbst den 26ten März bis 7ten Aprili 813. Graf Wittgenstein. Russ.-Dt.
Volks-Bl.
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Textbeilage 4
An Mein Volk.
So wenig für Mein treues Volk, als für Deutsche, bedarf es einer Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt. Klar liegen sie dem unverblendeten Europa vor Augen. Wir erlagen unter der Uebermacht Frankreichs. Der Frieden, der die Hälfte Meiner Unterthanen Mir entriß, gab uns seine Segnungen nicht; denn er schlug uns tiefere "Wunden, als selbst der Krieg. Das Mark des Landes ward ausgesogen. Die Haupt-Festungen blieben vom Feinde besetzt, der Ackerbau ward gelähmt, so wie der sonst so hoch gebrachte Kunstfleiß unserer Städte. Die Freiheit des Handels ward gehemmt, und dadurch die Quelle des Erwerbes und des Wohlstandes verstopft. Das Land ward ein Raub der Verarmung. Durch die strengste Erfüllung eingegangener Verbindlichkeiten hoffte ich. Meinem Volke Erleichterungen zu bereiten und den französischen Kaiser endlich zu überzeugen, daß es sein eigener Vortheil sey, Preußen seine Unabhängigkeit zu lassen. Aber Meine reinsten Absichten wurden durch Uebermuth und Treulosigkeit vereitelt, und nur zu deutlich sahen wir, daß des Kaisers Verträge mehr noch wie seine Kriege uns langsam verderben mußten; jetzt ist der Augenblick gekommen, wo alle Täuschung über unsem Zustand aufhört. Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litthauer! Ihr wißt, was Ihr seit fast 7 Jahren erduldet habt, Ihr wißt, was euer trauriges Loos ist, wenn wir den beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden, erinnert Euch an die Vorzeit, an den großen Kurfürsten, den großen Friedrich. Bleibet eingedenk der Güter, die unter ihnen unsere Vorfahren blutig erkämpften; Gewissensfreiheit, Ehre, Unabhängigkeit, Handel, Kunstfleiß und Wissenschaft. Gedenkt des großen Beispiels unserer mächtigen Verbündeten, der Russen, gedenkt der Spanier, der Portugiesen. Selbst kleinere Völker sind für gleiche Güter gegen mächtigere Feinde in den Kampf gezogen und haben den Sieg errungen, erinnert Euch an die heldenmuthigen Schweizer und Niederländer.
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Textbeilage 4
Große Opfer werden von allen Ständen gefordert werden, denn unser Beginnen ist groß, und nicht gering die Zahl und die Mittel unserer Feinde. Ihr werdet jene lieber bringen für das Vaterland, für Euren angeborenen König, als für einen fremden Herrscher, der, wie so viele Beispiele lehren. Eure Söhne und Eure letzten Kräfte Zwecken widmen würde, die Euch ganz fremd sind. Vertrauen auf Gott, Ausdauer, Muth und der mächtige Beistand unserer Bundesgenossen, werden unseren redlichen Anstrengungen siegreich Lohn gewähren! Aber welche Opfer auch von einzelnen gefordert werden mögen, sie wiegen die heiligen Güter nicht auf, für die wir sie hingeben, für die wir streiten und siegen müssen, wenn wir nicht aufhören wollen Preußen und Deutsche zu seyn. Es ist der letzte entscheidende Kampf den wir bestehen, für unsere Existenz, unsere Unabhängigkeit, unsem Wohlstand. Keinen andern Ausweg giebt es, als einen ehrenvollen Frieden, oder einen ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet Ihr getrost entgegen gehen, um der Ehre willen, weil ehrlos der Preuße und der Deutsche nicht zu leben vermag. Allein wir dürfen mit Zuversicht vertrauen, Gott und unser fester Wille werden unserer gerechten Sache den Sieg verleihen, mit ihm einen sicheren glorreichen Frieden, und die Wiederkehr einer glücklichem Zeit. Breslau, den 17ten März 1813. Friedrich Wilhelm. DStA Brandenburg BED 139/250
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Textbeilage 5
(Aufruf zur Bildung der preußischen Landwehr)
E i n Vor Augen liegendes Beispiel hat gezeigt, daß Gott die Völker in seinen besonderen Schutz nimmt, die ihr Vaterland in unbedingtem Vertrauen zu ihrem Beherrscher mit Standhaftigkeit und Kraft gegen fremde Unterdrückung vertheidigen. Preußen! würdig des Namens, theilt Ihr dies Gefühl! Auch Ihr hegt den Wunsch, von fremdem Druck Euch zu befreien. Mit Rührung werde ich die Beweise davon gewahr, in dem Eifer, mit welchem die Jünglinge aus allen Ständen zu den Waffen greifen und unter die Fahnen Meines Heeres sich stellen; in der Bereitwilligkeit, mit welcher gereifte Männer, voll Verachtung der Gefahr, sich zum Kriegsdienst erbieten, und in den Opfern, mit welchen alle Stände, Alter und Geschlechter wetteifern, ihre Vaterlandsliebe an den Tag zu legen. Ein mit Muth erfülltes Heer steht mit siegreichen und mächtigen Bundesgenossen bereit, solche Anstrengungen zu unterstützen. Diese Krieger werden kämpfen für unsere Unabhängigkeit und für die Ehre des Volkes. Gesichert aber werden beide nur werden, wenn jeder Sohn des Vaterlandes diesen Kampf für Freiheit und Ehre theilt! Preußen! zu diesem Zweck ist es nothwendig, daß eine allgemeine Landwehr aufs Schleunigste errichtet und ein Landsturm eingeleitet werde. Ich befehle hiermit die Erstere und werde den Letztem anordnen lassen. Die Zeit erlaubt nicht, mit Meinen getreuen Ständen darüber in Berathung zu treten. Aber die Anweisung zur Errichtung der Landwehr ist nach den Kräften der Provinzen entworfen. Die Regierangen werden selbige den Ständen mittheilen. Eile ist nöthig. Der gute Wille jedes einzelnen kann sich hier zeigen. Mit Recht vertraue ich auf ihn. Mein getreues Volk wird in dem letzten entscheidenden Kampfe für Vaterland, Unabhängigkeit, Ehre und eigenen Heerd, Alles anwenden, den alten Nahmen treu zu bewahren, den unsere Vorfahren uns mit ihrem Blute erkämpften. Wer aber aus nichtigen Vorwänden und ohne Mangel körperlicher Kraft sich Meinen Anordnungen zu entziehen suchen sollte, den treffe nicht nur die Strafe des Gesetzes, sondern die Verachtung Aller, die für das was
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TextbeÎlage 5
dem Menschen ehrwürdig und heilig ist, das Leben freudig zum Opfer bringen. Meine Europa!
Sache, ist die Sache Meines
Volkes, und Aller
Gutgesinnten
in
Gegeben Breslau den 17ten März 1813. Friedrich Wilhelm. DStA Brandenburg BED 139/250 S. Ili
Textbeilage 6
Extra-Blatt zum 3Osten Stück des Amtsblatts der Königlichen Kurmärkischen
Siebentes
Regierung.
Verzeichniß
von den bei dem Königlichen Militärgouvemement für das Land zwischen der Elbe und Oder für die Vertheidigung des Vaterlandes eingegangenen freiwilligen Opfer. - Sub No. 155. des 4ten Verzeichnisses sind bei den vom Herrn Senator Sekt zu Prenzlow eingesandten freiwilligen Opfern noch ausgelassen: 16 Stück silberne Fische nebst kleinen Schilden, 25\ Loth wiegend, welches hier noch nachzuholen ist. Femer sind eingegangen: 207) von dem landräthlichen Secretair Herrn Steudener zu Wustrau bei Fehrbellin: a. ein goldenes Pettschaft mit rothem Agatstein, und b. von der Frau Prediger Steudener mit dem Motto: „Treue Liebe bedarf keines äußern Zeichens," ein goldener Trauring; 208) von dem H m . Lieutenant G.v. Bienau den monatlichen Beitrag pro Mai c. mit 2 Thlr. 12 gr. Kour.; 209) von C . E . v . W . 6 Dukaten; 210) vom Königl. Justizamte Plathow 5 Thlr. Cour.; 211) vom Wohledlen Magistrat zu Friesack 41 Thlr. 16 gr. Cour, und 56 Thlr. 5 gr. Münzkourant, desgleichen 13 Stück fremdes Geld, nämlich: 4 französische Laubthaler, 4 Spezies Reichsgeld, 2 Zwei-Frankstücke, und 3 Speziesthaler Reichsgeld, desgleichen 1 Paar silbeme Schnallen; 212) von dem Kreiseinnehmer des Anklamschen Kreises Herrn Blumcke folgendes Silberzeug: a. ein Zuckerkasten, b. eine Streudose, c. eine Mostrichkanne nebst Löffel, d. ein Potagenlöffel, e. ein Gemüselöffel, f. zwanzig Eßlöffel, g. zwölf Theelöffel, h. ein Paar goldene Ohrringe, und i zwei Stück Fingerringe; 213) von dem Kahnschiffer jahn aus Landsberg a. d. W. 50 Thlr. Kour. und von dem Kahnschiffer
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Textbeilage 6
Fliegener 3 Thlr. Kour.; 214) von dem Herrn Prediger Weitenkampf zu Daberkow bei Anklam eingesandt 25 Thlr. Gold, 31 Thlr. 14 gr. Kour. und 2 Thlr. 14 gr. Münzkour., desgleichen 16 Stück fremdes Geld, nämlich: 1 Huldigungsmedaille de 1786., 2 dänische Speziesthaler, 2 sächsische Speziesthaler, 2 Fünf-Frankenstücke, 4 holländische Speziesthaler, 1 Hamburger 32-Schillingstück, 1 Mecklenburger und 1 Westphälischer Gulden, 1 brabanter Speziesthaler, und 1 französischer Laubthaler; 215) von dem H m Isaac Levin Auerbach, Lehrer am Aronschen Erziehungsinstitut zu Berlin, 36 Thlr. 14 gr. Kour. und 6 Thlr. 10 gr. 10 pf. Münzkour., desgleichen 1 Zwanzig-Kreuzerstück; 216) von dem Postschreiber Herrn Hagemann aus Havelberg 36 Thlr. Kour. und 6 Thlr. 1 gr. Münzkour., desgleichen 1 Spezies Reichsgulden, 1 Mariengroschen-Stück, ferner ein Spanisches Rohr mit Silberbeschlag; 217) von dem Hrn., Doctor medicinae Bock den monatlichen Beitrag pro Mai c. mit 4 Thrl. 4 gr. Kour.; 218) von dem Hrn. Stadtrichter Gericke zu Wustenhausen a.d. Dosse die für den Monat Mai daselbst gesammelten Beiträge mit 17 Thlr. Kour. und 38 Thlr. 20 gr. 4 pf. Münzkour.; 219) von dem hm. Superintendent Neumann in Templin die bei der Gemeinde gesammelten 6 Thlr. Gold, 28 thlr. Kour. und 1 Thlr. 18 gr. Münzkour. Berlin, den 21 sten Junius 1813.
Achtes
Verzeichniß
von den bei dem Königlichen Militairgouvemement für das Land zwischen der Elbe und Oder für die Vertheidigung des Vaterlandes eingegangenen freiwilligen Opfer. 220) Durch den Kaiserl. Russischen Etatsrath und Ritter H e r m v. Kotzebue die von einem Ungenannten an ihn eingesandten zwölf sílbeme Eßlöffel und ein dergleichen Vorlegelöffel. 221) Von den Kammerherm H m . V. Troschke zu Birnbaum bei Driesen: a. 1 silberner Vorlegelöffel, b) 8 dergleichen Eßlöffel und c. 11 dergl. Theelöffel. 222) Durch den Superintendenten H m . Ewald zu Rathenow: a. von dem H m . Prediger der dortigen Superintendentur 8 Thlr. 8 gr.,. und b. von dem dortigen Schullehrer 4 Thlr. 19 gr., in Summa 13 Thlr. 3 gr. Kour., ind. 1 Thlr. 3 gr. Münzkour. 223) Von dem H m . Professor Weiß der monatliche Beitrag pro Juni c. mit 20 Thlr. Münzkour. und 5 Thlr. in Tresorscheinen. 221) Von dem Küster H m . Kersten der monatliche Beitrag pro Juni c. mit 1 Thlr. Kour. 225) Durch den Ober-Rechnungsinspektor H m . Carius eine
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von der hiesigen großen Freimaurerloge zu den drei Weltkugeln geopferte Kurmärk. Obligation Litt. H . N . sub No. 7027. über 650 Thlr. 226) Nach der von dem H m . Regierungspräsidenten v. Bassewitz zu Potsdam eingesandten Nachweisung die dort eingegangenen Beiträge, nämlich: A. durch den Hem. Prediger Schale zu Zossen gesammelt: 1 Dukaten, 5 Thlr. 8 gr. Kour. und 6 Thlr. 3 gr. Münzkourant; B. durch die Stadtverordneten Herren Sommer und Todt zu Rathenow 18 Stück silberne gehenkelte Medaillen, 2 Mark 1 Loth schwer; C. durch den Schulmeister Hrn. Hein zu Wriezen a.d.O. 13 Thlr. 10 gr. Münzkour.; D. durch denselben femer 1 Thlr. 16 gr. Kour. und 4 Thlr. 8 gr. Münzkour.; E. durch das Akziseamt zu Nauen 23 Thlr. 8 gr. 7 pf. Münzkour. und Zins- und Gehaltsscheine 20 Thlr.; F. durch den Kämmerer H m . Reinicke aus der Gesellenlade des Gamwebergewerks zu Prenzlau 17 Stück gehenkelte Münzen, I85 Loth schwer; G.durch den H m . Prediger Gründler zu Neu-Ruppin 24 Thlr. 10 gr. Kour. und 4 pf. Münzkour.; H. durch den Seidenwürker Hausdorf zu Potsdam aus der Gesellenlade des Seidenwürkergewerks 73 Stück silbeme gehenkelte Schaumünzen, worunter eine in schlechtem Golde; L durch den H m . Superintendenten Noack zu Müncheberg 61 Thlr. 12 gr. Kour., 58 thlr. 13 gr. Münzkour. und ein kleiner goldener Ring; K. von dem H m . Ggeneralmajor v. Eisner zu Brandenburg 83 Thlr. Münzkour. und 17 Thlr. Tresorscheine; L. durch den Superintendent H m . Schröner zu Neu-Ruppin eingesandt: 1) von T.S. „auch ein Scherflein für das Vaterland" 2 goldene Trauringe, und eine große und eine kleine silbeme Münze, 2) von der Frau Majorin V. Liptai in Münzscheinen 5 Thlr. und eine ächte goldene Tresse, 3) von der Frau v. Dreßler 3 goldene Ringe und der kleinen Ernesfine ganze Sparbüchse 20 gr., 4) von einer dienenden Bürgertochter Jungfer Breddin 8 gr., b) von einem Schüler 1 Thlr, 6) von einer lange kranken Mutter und ihren drei Töchtem 3 Thlr. 2 gr. Kourant und eine silbeme Medaille, 7) vom Schüler Engelhardt 2 Thlr., 8) vom Schüler Sieg 1 Thlr., 9) von einem Ungenannten fürs Vaterland 4 silbeme Eßlöffel (15 Loth), 10) Louise, aus ihrer Sparbüchse 1 thlr., 11) vom Kaufmann Hrn. N . N . 1 silbeme Taschenuhr, 12) vom Schneidergewerk 12 silberne Schilder, 13) vom Schlossergewerk 8'dergl. Medaillen, 14) von dem Hrn. v. Bredow sen. 10 Thlr. Gold, 15) von dessen Bedienten 1 Tblr., 16) von der Frau Predigerwittwe N. mit 4 Kindern ohne Vermögen 16 gr., 2 Thlr. Tresorscheine und 2 silbeme Medaillen, 17) von dem Zimmergesellengewerk 5 silbeme Schilder (4i Loth), 18) von dem Brauer H m . Sieg 5 silbeme Medaillen, 19) von Madame Sohn 1 Thlr., 20) von einem Kinde 1 silbeme Medaille, 21) von einem Dienstmädchen 9 gr. 2 pf., 22) von der Frau Wittwe B. eine fremde Goldmünze, eine fremde Silbermünze, zwei goldene Trauringe, 1 dergl. Schaustück und 1 silbernes dergl., 23) von der Frau Hauptmännin v. Penz 1 goldenes Herz und 1 goldene Brustnadel mit ächten Perlen, 24) von deren jungen Sohn 2 Thlr. 8 gr., 25) vom
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Raschmachergewerk 10 silberne Medaillen (16^ Loth), 26) von der Frau Heinel 8 gr., 27) von der Demoiselle Meyer 1 Thlr., 28) von dem Fischer Dödlitz 8 gr., 29) von einem ungenannten tiefgebeugten Vater: 1.1 silberne Uhr, b. 1 Paar plattirte Sporn ohne Werth, und c. 108 kleine Silbermünzen (taxirt à 1 Thlr. 4 gr.) 30) von einem Dienstmädchen Jungfer hengkt 12 gr., 31) von der Jungfer Schröder 12 gr., 32) von dem Dem. Schwarzkopf 1 Thlr., 33) von der Dem Kuphal 1 Thlr., 34) von dem Raschmachermeister H m Jakob Schulz 1 Dukaten, 1 fremde Goldmünze und 1 goldene Medaille, 35) von dem Akzise-Offizianten H m . Michaelis eine fremde Silbermünze, 1 gold. Trauring, 1 silb. Fingerhuth, 2 silb. Schnallen, 1 silb. Kreuz und dergl. kleine Münze, 36) von dem Schneidermeister H m Krausnick 2 silbeme Münzen, 39) von der Demoiselle Wüsse 5 Thlr., 38) von den Schülem des Gymnasiums 15 Thlr. 1 gr. 3 pf. und 1 Dukaten, 39) von einer ungenannten sehr edlen Frau: a. ein goldenes Pettschaft, b. 1 dergl. Ring, c. 1 dergl. Armbandschild mit braunem Stein, d. eine dergl. Brustnadel, und e. noch eine dergl., 40) von. einem Ungenannten eine französische Münze, 41) von der Frau W. ein gold. Ring, 42) vom Leinwebergewerk 5 Thlr., 43) vom Tuchmachermeister M. 1 Thlr. 44) vom Seilergewerk 4 silbeme Schilder (5f Loth), 45) vom Tuchfabrikant Salen 5 Thlr. Gold, 46) vom Tuchmacher Düring 7 silbeme Medaillen, 47) von Frau L.K. ein goldener Ring, 48) von J.G. S. 3 Stück silbeme Medaillen, 49) von Frau v. B. „dies Scherflein einer Witwe" 4 Thlr., 50) von der Frau M.K. 13 gr. 9 pf., 51) durch den H m . Prediger Seidentopf eingesandt: a. vom H m . P.S. 5 silbeme Medaillen, b. von 2 Demoiselles 4 dergl. Medaillen, c. von einer W t w e 21 gr. 8 pf., 2 silbeme Schnallen (3 Loth) und 2 silbeme Medaillen (1 Piaster, 1 Rubel); M. vom H m . Major v. Jeetze zu Potsdam 1 Dukaten, 1 goldene Uhr nebst einer langen goldenen Kette, 1 dergl. Ring mit dem Buchstaben H.; N. von einem armen Dienstmädchen daselbst 1 Thlr. Münzkour.; O. von dem Hrn. Captain ν. Lorch 20 Thlr. Kour. und 1 goldener Trauring; P. von dem Hrn. Oberamtmann Uebel zu Paretz an Silberzeug: a. 2 Zuckerkörbe, 1 Mark 14 Loth, b. 4 Salzgefäße, 6^ Loth, с. 1 Aufsatz zum Oel und Essig, 14 Loth, d. 1 Karpfenlöffel, 6 Loth, e. 1 Sahnenlöffel, l i Loth, f) 2 Deckel zur Oel- und Essigflasche, 3TÌ Loth, g. 12 Gabeln, 3 Mark l i Loth, h. 11 Eßlöffel,'2 Mark 7 Loth, i. 1 Vorlegelöffel, 7\ Loth, к. 7 Theelöffel, 5^ Loth, 1. 12 Messer, m. 1 paar Vorlegemesser und Gabeln, n. 1 Fingerhut, i Loth, о. 1 Salzlöffel, ^ Loth, p. 1 Etui, q. 1 gold. Schloß mit einem mit Perlen gamirten Kamiol, r. 1 goldener Ring, s. 1 Paar goldne Ohrringe mit ächten Steinen (Diamanten), t. 1 goldene Venetianische Kette; Q. von der Frau OberAnitsmännin Uebel zu Paretz: a. 1 goldene Brustnadel mit Brillanten, b. 2 dergl. Ohrringe mit Brillanten, ein Kreuz bildend, c. 1 dergl. Ring mit 3 Brillanten; R, von dem Hrn. Obristlieutenant v. Lorch zu Potsdam: a. 1 goldene Uhr, b. 1 silberne Dose (inwendig vergoldet) 3j
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Loth, С. 1 dergleichen Dose, 3^Loth, d. 1 dergl. Schälchen, jLoth; S. von dem Hm. Major v. Salisch zu Potsdam: a. 2 silberne Salzgefäße mit Gläsern (5 Loth), Ь. 1 dergl. Zuckersieb (2^ Loth), c.l gold. Uhrkette mit Emaille, d. 1 dergl. Trauring, e. 1 sil-Pfefferlöffel und f. 1 dergl. Salzlöffel 8 l i Loth), g. 2 goldne Ringe mit Kapseln, h. 1 Paar silberne Sporn (13| Loth netto.) Berlin, den 4ten Julius 1813. Amts-Blatt
1813, Extra-Blatt
nach S. 338
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An die Geistlichkeit des preußischen Staates D e r König, unser Herr, hat den Kampf für des Vaterlandes Ehre, Selbständigkeit und jedes gegen den Feind verlorene Gut, im Vertrauen zu Gott und zu Seinem Volk beschlossen. Muth, Ausdauer und Beitritt aller wird mit Gottes Hülfe den Sieg erringen. Ermattung und selbstsüchtiger Rücktritt bringt schmählichen Untergang. Damit das große Beginnen gelinge, der rechte Geist geweckt, gehoben und erhalten werde, fordern wir vertrauensvoll Diejenigen auf, denen die Sorge für die Seelen anvertraut ist. Bei der Geistlichkeit steht es, daß an allen Enden des Vaterlandes der Sinn lebendig ist, der kein Opfer für die allgemeine Sache zu groß achtet, und ihr mit allem Wollen und Vollbringen sich ganz dahin giebt. Eures Amtes, ihr Seelsorger, ist es überall, den Geist siegreich zu machen über das Fleisch. Strebt auch nun, daß Jeder nicht sich lebe, sondern dem Vaterlande. Ermuntert Alle, selbst beizutreten, und die Gaben darzubringen, die sie von Gott empfangen haben; den heiligen Bund für das Vaterland zu schließen und zu halten, damit Gott es wiederum herrlich mache. Segnet die Kräftigen, stärkt die Schwachen, die Zagenden tröstet und erhebet in der Stundes des Schmerzes und der Noth die Leidenden über die Erde. Wenn in Allen der Wille herrscht, Leib und Leben, Gut und Habe, Sohn und Bruder, unaufgefordert auch das Liebste und Letzte hinzugeben, damit das Höhere gewonnen werde; wenn überall im Vaterlande solch heiliges Feuer brennt, dann wird Gott Segen geben, und der hohe Preis wird, auch mit Eurer kräftigen Hülfe, errungen. Diese Zeit aber erfordert noch Größeres von Euch, und höher noch ist Euer Beruf. Wenn ein Volk zu schwerem, edlem Unternehmen aufsteht, dann nahet es sich zu Gott und Gott nahet sich zu ihm. Im Gedränge des vollen Herzens und der äußern Nöthe hebt es die Hände empor nach himmlischer Hülfe, und sie wird ihm zu Theil. Ein Zeitalter neuer Wunder bricht an, und die Erfahrung des höhern Menschen aller Zeiten wird Millionen kund. Nun kann es gelingen, die Grundfesten wahrer Ehre, Selbständigkeit und jedes höchsten Gutes der Menschheit wiederaufzurichten: die Zuversicht des frommen Herzens und den großen Sinn, der über
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die Erde zum Himmel sich richtet. Nun vermag das neubelebte Volk die große Vorzeit und ihre göttlichen Seher zu verstehen. Es will nicht länger durch Unglauben und Deutelei sie entweihen und dem Gemeinen gleichstellen. Nein, es erhebt sich zu ihnen, stiftet wieder ein besseres Geschlecht und ein neues helles Beispiel für künftige trübe Zeiten. Daß dies jetzt geschehe, das ist Euer Beruf, ihr Priester Gottes! Dies Eures Lebens Triumph! Eures Gottes und Eures Königs Ruf ergeht nun an Euch, nicht die Stunde zu versäumen, sondern das zu neuem Leben erwachende Volk mit allen Euch anvertrauten Mitteln zu erheben, zum Siege über jede Schmach des auswärtigen Druckes und des niedem innem Sinnes. Durch Euren Mund erschalle durch seine offenen Ohren Gottes Wort, werden Gottes große Thaten ihm kund, und durch Euch gehe in Tausenden das höhere Leben auf. So wird die lebendige Quelle des Heils wieder gesucht und geschöpft; das fromme Vermächtniß der Vorzeit in Stiftungen, kirchlicher Ordnung, Schriften und Gesängen wieder heilig gehalten; Haus und Schule herzlich zu Gott gewendet; und das wiedergeborne Volk spricht in Angesicht, Gang und jedem Thun: Gott mit uns! Damit aber dieses heilige Geschäft, dessen Stunde nun da ist, würdig unternommen und kräftig geführet werde, ermahnen wir die Geistlichen, vor Allem sich selbst zu erheben. Wer an trägem, kaltem Sinn kränkelt, wer den Glauben und die Liebe verlassen, wen die schwere Zeit in Mißmuth und Verzweiflung niedergedrückt, und wen die Welt zu irdischem Treiben verführt hat: alle diese mahnen wir, mit Schrecken zu sehen, welches Amt in ihre Hände gelegt ist, an ihre Brust zu schlagen und sich die Emeuung des Geistes zu erflehen, von dem sie den Namen tragen, damit sie selbst erfüllet seien mit der Gabe, die sie den Gemeinden mitzutheilen berufen sind. Euch aber, Ihr wahrhaft Geistlichen, die Ihr die Welt überwunden habt und nun Haushalter der Gnade und Geheimnisse Gottes seid, denen wir es danken, daß das Wort der größesten Wahrheiten unter uns nicht verhallt und der heiligste Glaube nicht untergegangen ist, zu Euch steht unsre Zuversicht, daß Ihr, erfreut nach schmerzhaftem Harren durch den anbrechenden Tag, den geöffneten Ohren und erweiterten Herzen nun gewaltig predigen und die reiche Fülle der Gaben Gottes im Menschen erwecken werdet. Machet Alle Euch auf und werdet Licht, auf daß überall im lieben Vater^ande die Nacht weiche und Gottes schöner Tag aufgehe! Groß ist Euer Werk, groß Euer Segen. In der frommen Gemeinde werdet Ihr wieder in Ehre, Ruhe und Wohlstand wohnen und Euer Herz wird himmlischen Friedens voll sein. Nicolovius,
Denkschrífi
S.
204-207
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(Zirkular betreffend die Feier der Sieger bei Lüneburg und Möckern) Der Kampf für die Freiheit des Vaterlandes hat glücklich begonnen. Bei Lüneburg und bei Möckern sind glänzende Siege erfochten worden. Indem wir Ihnen anliegend das officielle Schreiben des russisch-kaiserlichen kommandirenden Generals Herrn Grafen von Wittgenstein und ein Schreiben des allerhöchst verordneten Königlichen Militairgouvemements zur nähern Benachrichtigung mittheilen, fordern wir Sie auf, am nächsten Sonntage nach dem Empfange zum Preise des Allerhöchsten ein Te-Deum in den Kirchen zu veranstalten, und in Ihren Vorträgen die patriotische Feyer dieser wichtigen Ereignisse mit der religiösen Feyer des Tages auf eine angemessene und würdevolle Art zu verbinden. Potsdam, den Sten April 1813. Geistliche und Schul-Deputation der Kurmärkschen Regierung.
An sämtliche Superintendenten und Geistlichen in der Kurmark. C. 20«. April. E w . Excellenz eile ich mit den so eben erhaltenen Nachrichten des General Dörenberg bekannt zu machen mit der gehorsamsten Bitte, selbige zur allgemeinen Kenntniß zu bringen. Der General Dörenberg wurde lebhaft vom Feinde verfolgt, welcher in bedeutender Anzahl von Werben und Stendal anrückte. Durch einige Eilmärsche suchte dieser General den Verfolgern zu entgehen und eilte auf Lüneburg, wo die feindliche Division des General Morand mit 3000 Mann Infanterie und 300 Mann Cavalerie nebst 12 Canonen sich postirt hatte, um selbigen zu schlagen. Zu dieser Absicht vereinigte sich derselbe mit dem General Czemischef und griff den Feind den 30sten März (2ten April) bei Lüneburg an. Die Stadt wurde im Verlaufe des Gefechts zweimal genommen.
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und endlich nicht nur behauptet, sondern auch das ganze Morandsche Соф8 vernichtet Der Divisions General Morand ist blessirt und gefangen, eben so ist auch der Obrist Loud, Chef des Generalstabes in unsem Händen, und außerdem sind diu-ch diesen gloreichen Tag auch 12 Canonen, 3 Adler, 80 Officiere und 2500 Gefangene uns zu Theil geworden. Der General Dörenberg kann nicht genug die Russisch-Kaiserlichen und KöniglichPreußischen Truppen rühmen, die für die gerechte Sache entflammt, und nur an Gott, Fürst und Vaterland gedenkend, keinen andern Grundsatz gefaßt zu haben scheinen, als Sieg oder Tod. Der Verlust von unserer Seite ist nicht bedeutend und beläuft sich auf 3 bis 400 Mann todt und blessirt. Ich glaube, daß Ew. Exzellenz mit mir einverstanden sein werden, solchen herrlichen Sieg öffentlich durch das Lob Gottes in allen Kirchen feiern zu müssen, und ersuche dahero gefällig die Befügung zu treffen, daß dieses geschehe etc. Hauptquartier Zerbst, den 24sten März (4ten April) 1813. Graf V. Wittgenstein. An des Königl. Generallieutenants Herrn v. L'Estocq Excellenz. N a c h so eben eingegangenen höchst erfreulichen Nachrichten hat der Herr Generallieutenant von Yorck vorgestern die Franzosen bei Möckern, Vehelitz und Danningkow geschlagen, und ihnen 1000 Gefangene, 1 Canone und 3 Pulverwagen und viele Gewehre abgenommen. Der Verlust des Feindes an Todten und Blessirten ist noch weit beträchtlicher. - "Wir haben nur ohngefähr 100 Mann an Todten und Blessirten verloren. Ew. Hochwohlgebohren ersuchen wir mit Bezug auf unser gestriges Schreiben hierdurch, auch dieses Sieges wegen das Tedeum am nächsten Sonntage absingen und die Dankpredigt darauf mit richten zu lassen. Berlin, den 7ten April 1813. Allerhöchst verordnetes Militairgouvemement für das Land zwischen der Oder und Elbe. V. L'Extocq. Sack. An des Königl. Geheimenstaatsrath x. Herrn v. Schuckmann DStA Brandenburg BED 139/250
S.
m f
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(Zirkular betreffend die Feier des Sieges bei Großgörschen) In gefolge Verfügung des Königlichen Departements für den Cultus und öffentlichen Unterricht vom Sten dieses tragen wir Ihnen auf, wegen des am 2ten dieses Monats von den verbündeten Königlich-Preußischen und Kaiserlich-Russischen Truppen mit der bewundernswürdigsten Tapferkeit bei Groß-Görschen erfochtenen Sieges am nächsten Sonntage nach Eingang dieses Circulars in den Kirchen Ihrer Inspectionen und Parochien ein feierliches Dank-Fest zu veranstalten; wobei die Predigt über Jeremias Cap. 29. V. 11-14. „Ich weiß wohl · . spricht der Herr" zu halten das Te Deum zu singen ist. Auch ohne unsere ausdrückliche Aufforderung werden Sie in Ihren Bemühungen fortfahren, überall in Ihrem Würkungs-Kreise die sich so laut und stark äußernde hohe patriotische Denkungsart auf alle Weise zu beleben. Sie werden auch dieses, die National-Kraft bewährende und den Muth zum ferneren Kampf anfeuernde Ereigniß dazu zu benutzen wissen. In den Kirchen ist bei dieser Feier eine Kollekte zur Pflege der verwundeten Krieger zu veranstalten, und der Ertrag derselben an die Haupt-Kollekten-Kasse allhier in der gewöhnlichen Art, unter der Rubrik - für die verwundeten Krieger -einzusenden. Potsdam, den lOten Mai 1813.
Ό " Geistliche und Schul-Deputation der Kurmärkschen Regierung. Circulare an sämmtliche Herrn Superintendenten und Prediger in der Kurmark. DStA Brandenburg BED 139/250 S. 133
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(Zirkular betreffend die Feier des Sieges bei Moorlautern) Von Gottes Gnaden Friedrich Wilhelm, König von Preußen, etc. U n s e m gnädigen Gruß zuvor! Würdiger, und Hochgelahrter, Lieber Getreuer! Da Wir Höchstselbst verordnet haben, daß wegen des in den letzten Tagen vorigen Monaths, unter Anführung des regierenden Herzog von Braunschweig Liebd. bey Moorlautern über die Franzosen erfochtenen Sieges, am nächsten Sonntage nach Empfang dieses, in allen Kirchen Gott dem Allmächtigen für den Unsem Waffen verliehenen Beystand gedanket, die Predigt über Psalm 91. v. 8.9. Ja du wirst - der Höchste ist deine Zuflucht, gehalten, und das Te Deum abgesungen werden solle; als machen Wir Euch solches zur Achtung und weitern Verfügung gnädigst bekannt, und sind Euch mit Gnaden gewogen. Berlin, den 9. December 1793. T.P.v.d.
Hagen.
von Irtwing. DStA Brandenburg BED 139/150 S. 53
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(Kriegsgebet 1813, erste Fassung) Z u dir, allmächtiger Herr des Himmels und der Erde! erhebet sich voll kindlicher Zuversicht unser Geist. Erhöre unser Gebet, das aus reinem Herzen kommt, und laß dir wohlgefällig sein das demüthige Opfer unserer Lippen. Ein Volk, das deinen Namen fürchtet und Gerechtigkeit und Treue liebt, flehet zu dir um Seegen und Beistand in dem Kampfe, in den es für Freiheit und Unabhängigkeit, für Gott, Vaterland und König zu gehen bereit ist. Laß, о Herr, gelingen, was wir zu deines Namens Ehre und zu unserer Rettung vor Schmach und Schande mit Muth und Freudigkeit beginnen. Wir kämpfen nicht aus Uebermuth und schnöder Ruhmbegierde; wir streben nicht nach Herrschaft über andere Völker; wir dursten nicht nach ungerechtem Gold und Silber. Wir wollen retten, was wir verlohren, die Selbständigkeit des theuren Vaterlandes; wir wollen wieder herstellen den alten Ruhm unserer Waffen; wir wollen abwehren von unseren Grenzen die Herrschaft der Fremden, die Schmach der Unterjochung. Wir wollen lieber sterben, als die Knechte derer seyn, die einst vor unsem Fahnen schimpflich geflohen; wir wollen lieber in den Tod gehen, als den guten Namen verlieren, den unsere Vorfahren mit Gut und Blut erworben. Herr der Heerscharen! Du warst einst mit uns, als wir, ein kleiner Haufe, mit mächtigen Fürsten und Völkern stritten und ruhmvoll siegten. Wir denken mit Dankbarkeit und Freude an die glorreichen Tage der Vergangenheit, wo du für unsem Friedrich strittest und ihn aus vielen Gefahren und harten Kämpfen als Sieger hervorgehen ließest. О laß auch jetzt uns, seine Nachkommen und Enkel, über unsere Feinde siegen. Ja, seegne unsem geliebten König - Ihn, der nur für das Beste seines Volkes sorgend und jede Gefahr muthvoll verachtend, in eigener Person mit Seinen treuen Unterthanen fürs Vaterland kämpfet. Beschütze sein theures Leben, und laß Ihn siegreich, als Retter deutscher Freiheit und Beschützer echter Frömmigkeit, in unsere Mitte zurückkehren. Behüte väterlich den verehrten Kronprinzen und die erhabenen Prinzen des Königlichen Hauses, welche, nach dem Beispiel unsers verehrten Königes und der tapferen Vorfahren, der gerechten Sache des Vaterlandes muthvoll ihr Leben weihen. Rüste aus die wackeren Männer, deren Leitung unsere Heere
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anvertrauet sind, mit dem Geiste der Tapferkeit und Einsicht. Laß sie, wie die Helden der Vorzeit, voll Vertrauen zu dir den Kampf beginnen und mit Muth darin beharren, damit sie den Sieg gewinnen und behalten. Sei, о Herr der Gnade, mit allen, die in diesen schweren, harten Streit ziehen; verleihe ihnen Muth und Stärke, auf daß sie den heiligen Eid erfüllen, den sie vor deinem Angesichte geschworen: für Religion und Vaterland zu siegen oder zu sterben. In deinem Namen, о Herr, sey das große Werk begonnen. In deine Hände, Gerechter, befehlen wir die gerechte Sache. Erhöre uns, Gott der Güte, und sey uns gnädig um Jesu Christi willen. Amen. £>5·^ Brandenburg BED 139/2Ì0
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(Kriegsgebet 1813/14, zweite Fassung)
H e r r und Gebieter der Welt, der du mit Gerechtigkeit über den Erdkreis herrschest, und willst, daß alle Völker dich erkennen und dir gehorchen, wir fallen in Demuth vor dir nieder, kindlich die Weisheit deiner heiligen Rathschlüsse anzubeten. Du hast unsem allertheuersten König berufen, Freiheit, Sicherheit und Recht mit gewaffneter Hand zu schützen, und uns seinem Volke und unserm Vaterlande die Gerechtigkeit und Unabhängigkeit zu erkämpfen, die du als deine segensreichen Güter gern allen deinen Kindern verleihst. Heiliger Gott, du willst nicht Verwirrung, sondern, Ordnung, nicht Knechtschaft, sondern Freiheit, nicht Blutvergiessen, sondern Frieden. Darum flehen wir inbrünstig zu dir, laß auch jetzt Sieg und Segen mit denen seyn, die den Frieden und das Heil der Völker suchten und nicht fanden. In deine allmächtige Hand geben wir das theure Leben deines Gesalbten und des treuen Bundesgenossen, den du ihm zugeführt hast. Decke sie mit dem Schilde deiner Allmacht in jeglicher Gefahr, und laß den Rath deiner Weisheit mit allen ihren Unternehmungen seyn, damit sie ihren Völkern das Glück des Friedens zurück bringen, das sie heldenmüthig und dir zum Preise erkämpfen wollen. Deiner väterlichen Beschirmung vertrauen wir den Kronprinzen, die königlichen Prinzen und alle Fürsten und Befehlshaber, die für die geheiligte Sache aller Zeiten kämpfen. Rüste sie und alle Krieger, über welche du sie zu Führern gesetzt hast, mit dem Heldenmuth, dessen sie bedürfen, und mit dem Vertrauen auf dich, durch den allein das Gute gelingen kann. Gieb ihnen Kraft, die Beschwerden zu ertragen, die ihr großer Beruf nothwendig macht, und vereinige ihre Herzen zur Treue gegen dich, zur Liebe gegen das Vaterland, und zur freudigen Erfüllung ihrer Pflicht. Stärke ihren Arm am Tage der Schlacht, sey mit ihnen, wie du so oft mit unsem Vätern gewesen bist, und verleihe allen ihren Unternehmungen Glück und Gedeihen, daß Trug und Knechtschaft nicht länger die Welt verderben, sondern Gerechtigkeit, Wahrheit und Frieden wohnen und herrschen mögen auf Erden.
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Verkürze die Dauer dieser neuen Drangsale, mindere das Elend des Krieges, hilf den Unterdrückten, und erbarme dich der Elenden. Vor allem aber gieb uns ein Herz, das dich erkennt und freudig deinen Willen thut, damit wir deiner Gnade und Hülfe werth erfunden werden, und einst mit allen Geretteten dich preisen können. Erhöre uns Gott, wir lassen dich nicht, du segnest uns denn. Erhöre uns durch Jesum Christum unsern Herrn, Amen ! DStA Brandenburg BED П91250
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(Zirkular betreffend die Einschaltung in das iCirchengebet anläßlich des Zweiten Schlesischen Krieges)
Von Gottes Gnaden, Friderich/
König in Preussen, Marggraff zu Brandenburg, des Heiligen Römischen Reichs Ertz-Cämmerer und Churfürst, Souverainer und Oberster Hertzog von Schlesien, Souverainer Printz von Oranien, Neufchatel und Vallangin, wie auch der Grafschaft Glatz, in Geldern zu Magdeburg, Cleve, Jülich, Berge, Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, zu Mecklenburg und Crossen Hertzog etc. U n s e m Gruß zuvor. Andächtiger, Wohlgelahrter, lieber Getreuer. Weilen Wir allergnädigst wollen, daß bey jetzigen Krieges-Läuften zu Wiederherstellung der Ruhe und des Friedens in Teutschland die Fürbittte nach hierbey gehendem Formular in dem öffentlichen Kirchen-Gebet in Unseren gesamten Landen und Provintzien geschehen soll; So befehlen Wir euch hierdurch allergändigst, desfalls in eurer Inspection das nöthige zu veranlassen. Seynd euch mit Gnaden gewogen. Gegeben Berlin, den 31. Augusti 1744.
U n d nachdem Seine Königl. Majestät aus gerechten Ursachen refolviren müssen, zu Wiederherstellung der Ruhe und des Friedens in Teutschland, und um das unterdruckte Vaterland von seinem gäntzlichen Verderben und Untergang mit befreyen zu helffen, eine Anzahl Dero Trouppen agiterà zu lassen; Als. bitten wir dich, о HErr unser Gott, du GOtt der Herrschaaren, demüthig und insbrünstig, du wollest diesen zu Erhaltung der Wohlfahrt
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des Teutschen Reichs unternommenen Feldzug mit deinem allmächtigen Seegen begleiten, und den abgezielten heilsamen Zweck nach Wunsch erreichen lassen, auch Seine Königliche Majestät auf allen Dero Wegen vor aller Gefahr gnädiglich behüten, Dero gerechte Unternehmungen mit baldiger Herstellung des edelen Friedens Crönen, und Selbige in erwünschter Gesundheit, Wohlseyn und Friede, wieder zurück bringen, und uns allen Ursach geben, deinen heiligen Nahmen deßwegen zu loben und zu preisen. DStA Brandenburg BED тПЮ,
S. 26 f
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Aus einer Predigt zum Kriegsbeginn 1813 (Superintendent Schulze, Fürstenwalde)
Ich bin nicht gekommen, Frieden zu predigen, sondern Krieg. Jetzt den Frieden wollen, was heißt dies? Es soll bleiben die Herrschaft jenes Fremden, unter welcher wir leider schon länger als 6 Jahre seufzen, das drückende Joch, welches er uns und unseren deutschen Brüdern auferlegt hat. Wir sollen forttragen die Sclavenketten, in welche er uns geschmiedet hat. Nicht für uns, die Unsern, unser Land und Volk sollen wir arbeiten im Schweiße unseres Angesichts, sondern er mit seiner Schaar will femer schwelgen von unserer Habe und unserem Gute, auch den Rest unsers Marks noch aussaugen, und nur von dem, was sein Uebermuth nicht mag, sollen wir elend unser Leben fristen. Wir sollen uns und unser Volk gemißhandelt, unsern König, und in ihm den Edelsten der Fürsten, unser erhabenes fürstliches Haus verlacht, verspottet, jedes Recht, Unschuld und Tugend mit Füßen getreten, unsere Kirchen entweiht sehen und schweigen, ja, nicht schweigen, sondern selbst noch sein Lobredner, sein Fürbitter bei Gott werden und uns zu seinen Helfershelfern erniedrigen. Wir sollen nur noch dem Namen nach ein eigenes Volk sein, nur noch dem Scheine nach unserm König angehören, aber wenn es ihm, unserm Unterjocher, gut dünkt, aufhören, ein eigenes Volk zu sein und jedem, auch dem verworfensten Menschen, wenn er ihn zu unserem Fürsten bestimmt, wie unserm Fürsten sclavisch huldigen. Wir sollen alle unsre streitbaren Söhne, Männer und Väter mit Gewalt wegführen lassen und es ruhig ertragen, daß sie nicht für das Beste unsers Landes und unsers Volkes, sondern für die ungerechte Sache des übermüthigen Fremden und wohl selbst wider unser Land und Volk streiten und als Schlachtopfer seines Ehrgeitzes und seiner Habsucht fallen. Wir sollen, je länger, je mehr, unsern Sitten, Gesetzen, ja unserer Sprache selbst entsagen, und sogar unser heiliger Glaube würde ihm nicht heilig bleiben. Es soll, so will er, durch ihn ein Hirte und eine Heerde werden. Alle Völker sollen, von ihm unterjocht, seine Heerde, und er will ihr Hirte sein. Also anstatt dessen, der vom Himmel kam, ihn bekennen, dessen Werke böse sind, und der so vom Teufel ist. Wer mag unter solchen Bedingungen den Frieden? Wer sieht nicht ein und fühlt
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nicht, daß so den Frieden wollen heißt: das Ungerechte und Böse wollen? ... Wir wollen wieder dahin kommen, daß wir unter unserm Könige und unsrer Obrigkeit ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Gottseeligkeit und Ehrbarkeit. Dapp, Magazin
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S.42f.
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Bekanntmachung.
D a n k t es, treue Bewohner der Hauptstadt und unseres Gouvernements, dankt es der weisen Führung des erhabenen Fürsten, daß es der Tapferkeit der vereinigten Armee von Nord-Deutschland gelungen ist, unter dem Beistand des Allmächtigen, das 70,000 Mann starke feindliche ArmeeCorps unter dem Befehl des Fürsten von der Moskwa, Marschalls Ney, vorgestern in der Ebene von Jüterbock gänzlich aufs Haupt zu schlagen. Der Feind wollte die Corps der Generale von Bülow und Graf Tauenzien aufreiben, dann ein Corps hieher schicken und die Hauptstadt züchtigen. Er ist gestraft. Mit einem Verluste von 8000 Gefangenen, 50 Kanonen und 400 Munitionswagen, ist er zurückgeschlagen, und flieht, von unserer und der russischen Kavallerie verfolgt, nach Torgau. Der Fürst von Eckmühl hat Schwerin verlassen, und zieht sich gleichfalls eilends zurück. Die näheren Details wird das Bülletin Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen, welches mit jeder Stunde erwartet wird, enthalten. Die vaterländischen Truppen haben den ausgezeichnetesten Antheil an dem vorgestrigen Siege, welcher in seinen Resultaten von den größten Folgen seyn muß. Der Feind hat die Gegend zwischen Jüterbock und der Elbe beispiellos verheert, und unsere braven Truppen leiden an Vielem, was ihnen durch die äußersten Anstrengungen, wodurch für die gewöhnliche Truppen-Verpflegung gesorgt wird, nicht beschafft werden kann, Noth, namentlich an Branntwein, Taback, Reis, Graupen u. s. w. Wir fordern daher die Einwohner der Hauptstadt und der übrigen von dem Kriegs-Schauplatz entfernter liegenden Städte und Gemeinden unseres Gouvernements mit noch niemals getäuschtem Vertrauen hierdurch auf, außer den gewöhnlichen Lebensmitteln, schleunigst zur Erquickung und Stärkung der braven Truppen, Wein, Rum, geräuchert Fleisch zusammen zu bringen, und an den hiesigen Polizei-Präsidenten Staats-Rath Le Coq, welcher das Absendungsgegschäft der Viktualien von hier bisher mit vorzüglichem Eifer betrieben hat, abzuliefern. Die Absendung wird von hier nach den Punkten, wo es am Meisten fehlt, unter gehöriger Bedeckung erfolgen, und wir zweifeln nicht.
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daß patriotische Einwohner ihr Gespann zu diesen Transporten gestellen werden, indem alle Veranstaltungen getroffen sind, daß dieses Gespann durchaus nicht zurück- und aufgehalten werden wird. In den nächsten Tagen treffen 2000 Blessirte und Kranke hier ein. Wir haben alles angeordnet, daß sie gut untergebracht und verpflegt werden, obwohl es an Decken und Lazareth-Utensilien in der ersten Zeit fehlen wird. Wir fordern daher die sämmtlichen Orts-Obrigkeiten und die Prediger der Gemeinden hierdurch auf, dergleichen von den Eingesessenen zu sammeln, und an den Regierungsrath und Provinzial-Intendanten Carow hieselbst schleunigst einzuschicken. Da in dieser Zeit alle Kräfte aufs Höchste angespannt werden müssen, so hoffen wir mit Zuversicht, daß die treuen Brandenburger und Vorpommerer auch diesem Aufrufe bereitwillig entgegen kommen, und dadurch Ihre Theilnahme an den Fortgang der gerechten Sache bethätigen werden. Berlin den 8«=" September 1813. Allerhöchst verordnetes Militair-Gouvemement für das Land zwischen der Elbe und Oder. L'Estocq. Sack. DStA Brandenburg BED 139/2Ю S. 143
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(Zirkular betreffend die Feier des Sieges bei Leipzig) Z u r Feier des glorreichen, und ewig denkwürdigen Sieges, welchen die Vorsehung den verbündeten Herren in den Schlachten bei Leipzig vom 16. bis 19. d.M. verliehen hat, soll am nächsten Sonntage nach Eingang des gegenwärtigen Circulare ein erhabenes Dankfest in den Kirchen aller Konfessionen begangen werden, um die Dankgefühle gegen Gott für die Rettung des Vaterlandes, und der gerechten Sache, würdig darzubringen, und fernem Segen zu erflehen. Die Predigt ist über den Text Psalm 34. Vers 4. und 5. „Preiset mit mir den Herrn, und lasset uns mit einander »seinen Namen erhöhen. Da ich den Herrn suchte, ant„wortete er mir, und rettete mich aus aller Furcht" zu halten, und ein feierliches Te Deum zu singen. Zum Besten der in jenen Schlachten verwundeten Vaterlandsvertheidiger, wird bei dieser Gelegenheit eine Collecte wie gewöhnlich veranstaltet, und der Ertrag an die hiesige Haupt-Collecten-Casse, unter der Rubrik - für die Verwundeten - eingesandt. Potsdam, den 23. October 1813.
Geistliche und Schul-Deputation der Kurmärkschen Regierung. Circulare an sämmtliche Herrn Superintendenten und Prediger in der Kurmark. C. 491. October.
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Gebet am Tage des allgemeinen Dankfestes (1814) Heiliger Gott! Allmächtiger Gebieter der Welt! Vater der Menschen! der du herrschest und wohlthust von Ewigkeit zu Ewigkeit! wir werfen uns vor deinem Throne nieder mit tief gerührten Herzen. Nimm gnädiglich an unser vereinigtes Lob- und Dankopfer! Vor dir sind oft unsere Thränen geflossen, als eine züchtigende Hand auf uns lag; vor dir ertöne auch das Lob unserer Lippen, in welches die Dankgefühle unserer Herzen ausbrechen. Denn du hast uns erhöret, da wir zu dir riefen, und uns errettet aus aller unserer Furcht; du hast nach so vielen Tagen der Angst folgen lassen diese Tage der Ruhe, des Wiedersehens und der Hoffnung; du hast ihn uns wieder gegeben den gerechten liebevollen Beherrscher, mit dem vereinigt zu bleiben, unser Trost war unter den Drangsalen, durch die wir geprüft worden sind. О Gott! barmherziger Vater! mit welcher Verschonung hast du uns gerichtet! Gedemüthiget hast du uns, aber nicht verstoßen; eine zeitlang hast du dein Angesicht von uns gewandt, aber seegnend lassest du es wieder über uns leuchten. Nie erlöschen soll das Dankgefühl unserer Herzen; nie wollen wir aufhören, zu verkündigen deine Gnade, und zu preisen deinen herrlichen Namen. Erhalte uns nur den redlichen Willen, uns dir auch in unserm ganzen künftigen Leben dankbar zu beweisen. Hilf uns treu erfüllen, was wir dir gebbt haben in den Tagen der Trübsal! Wir bekennen dir unsere mannigfaltigen Uebertretungen deines heiligen Gebots; wir waren nicht, was wir hätten seyn sollen; und wir thaten nicht recht vor dir! Schaffe in uns allen, о Gott! ein reines Herz, und gieb uns einen neuen, gewissen Geist, daß wir verlassen die vorigen Wege, und bedenken, was zu unserm Frieden dienet. Lehre uns Alle, einen Jeden an seinem Theile, redlich wirken zum gemeinen Wohl! Dann werden heilen die Wunden des Vaterlandes, und Fleiß und Ordnung, Sicherheit und Wohlstand werden in unsere Städte und Dörfer zurückkehren. Wir huldigen von Neuem dir unserm Gott und Vater; wir schwören treuen Gehorsam deiner Stimme in unserm Gewissen, und in deinem heiligen Worte. Erhöre nun auch unsere vertrauungsvolle Bitte für unsem theuersten Monarchen, und für Sie, die Allverehrte, durch deren Liebe du sein Leben beglückt hast. Vergilt Ihr die fromme Ergebung, mit der sie
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dich geehrt hat, durch viel ruhige glückliche Tage, und durch Freude an ihren königlichen Kindern! Laß stets dem Könige leuchten das Licht der Wahrheit, daß er erkenne und wähle das Rechte und dir Gefällige; verleihe ihm weise Räthe, verständige, getreue Diener, und gehorsame Unterthanen; so wird er sein Volk in Frieden regieren, und seines Herzens Wunsch erfüllt sehen. Gerechtigkeit und Treue wird in seinen Ländern herrschen, und die dankbare Liebe eines beglückten Volkes wird die schönste Zierde seiner Krone, und die festeste Stütze seines Thrones seyn. Herr und Vater aller Nationen! siehe mit erbarmender Liebe herab auf die leidende Menschheit; setze überall ein Ziel dem Blutvergießen und den Verwüstungen des Krieges; gieb Ruhe allen Völkern, wie du sie uns gegeben hast. Sende den Geist der Versöhnung zu allen Mächten der Erde, damit verstumme das Geschrey der Zwietracht, und des Schmerzes, und laut werde in allen Ländern der Gesang der Freude und des frommen Dankes. Erhöre uns und sey uns gnädig durch Jesum Christum unsern Herrn. Amen. DStA Brandenburg BED 139/250 S. 171f
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Gott ist mit uns!
D a ß bei allen Vorfällen des heiligen Krieges von 1813 das Walten einer höhem Hand sichtbar gewesen, ist für jedes bessere Gemüth eben so klar und erhebend. Der Aufmerksame findet Spuren davon in manchen unbeachteten Dingen. Sehr auffallend und merkwürdig ist in dieser Hinsicht das Loosungsbuch der Hermhuter auf das Jahr 1813. Dieses Buch nämlich enthält für jeden Tag im Jahre irgend einen Vers aus der Bibel, und diese Verse werden immer am 2. Jenner jedes Jahres durch das Loos bestimmt. Nun trifft es sich, daß fast kein für die allgemeine Sache merkwürdiger Tag im Jahre 1813 ist, auf den nicht der Loosungsvers ganz genau paßte. Wir theilen etwas davon zur Probe mit. Nur muß man dabei nicht vergessen, daß das Buch im Jenner 1812 gemacht, im Verlauf desselben Jahres gedruckt und mit dem 1. Jenner 1813 in den Händen von mehrem tausend Menschen gewesen ist. 8. Febr. (Ankunft der ersten Freiwilligen aus Berlin in Breslau): Der Herr erweckte den Geist des ganzen Volks, daß sie kamen und arbeiteten am Hause des Herrn Zebaoth, ihres Gottes. Hagg. 1,14. 2. April. (Gefecht bei Lüneburg): Ihr sollt sehen, was für ein Unterschied sei zwischen dem, der Gott dienet, und dem, der Ihm nicht dienet. Mal. 3,18. 2. May. (Schlacht bei Groß-Görschen): Ich will ihnen ein Herz geben, daß sie mich kennen sollen, daß Ich der Herr sey. Jerem. 24,7. 17. Juny. (Verrätherischer Ueberfall bei Kitzen): Fürchte dich nicht, denn du sollst nicht zu Schanden werden; werde nicht blöde, denn du sollst nicht zu Spott werden. Jes. 54,4. 3. Aug. (Geburtstag des Königs von Preußen): Du machst mich mit deinem Gebot weiser, als meine Feinde sind: denn es ist ewiglich mein Schatz. Ps.119,98. 17. Aug. (Wiederanfang der Feindseligkeiten): Ich habe meine Gerechtigkeit nahe gebracht und mein Heil säumet sich nicht. Jes. 46,13. 23. Aug. (Schlacht bei Groß-Beeren): Ich denke der alten Zeit, der vorigen Jahre. Ps.77,6.
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29. Aug. (Ostermann bei Nollendorf): Du bist der Trost Israels und ihr Nothelfer. Jerem. 14, 8. 30. Aug. (Schlacht bei Kulm): Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen. Ps. 121,3. 6. Sept. (Schlacht bei Bennewitz): Ich will Friede geben in eurem Lande, daß ihr schlafet und euch niemand schrecke. 3.Mose 26,6. 14. Oktober (Tauenziens Marsch, um Berlin zu decken): So spricht der Herr Zebaoth: Es soll meinen Städten wieder wohl gehen, und der Herr wird Zion wieder trösten und wird Jerusalem wieder erwählen. Zach. 1,17. 15. Oktober. (Vorbereitungen zur Schlacht bei Leipzig): Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir thun und gehorchen. 2. Mos. 24,7. 16. Oktober (Erster Tag der Schlacht); Der Herr wird Seinem Volke Kraft geben, der Herr wird sein Volk segnen mit Frieden.Ps. 29,11. 17. Oktober. (Stillstand, Erwartung): Dein Licht wird in Finsternis aufgehn, dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Jes. 58,10. 18. Oktober. (Benningsen und der Kronprinz von Schweden sind angekommen; allgemeine Schlacht): Sie werden kommen von ferne, die am Tempel des Herrn bauen werden. Zach. 6,15. 19. Oktober. (Eroberung von Leipzig): An welchem Orte ich meines Namens Gedächtniß stiften werde, da will ich zu dir kommen und dich segnen. 2. Mos. 20,24. 23. Oktober. (Der König von Preußen kommt vom Schlachtfelde nach seiner Residenz, um Gott für den Sieg zu danken): Suchet den Herrn, so werdet ihr leben. Amos 5,6. 24. Oktober. (Der König betet knieend mit der ganzen Gemeinde im Dom zu Berlin): Der Gerechte lebt seines Glaubens. Habac. 2,4. 29. Oktober. (Wrede bei Hanau): Er sende dir Hülfe vom Heilightum und stärke dich aus Zion. Ps.20,3. 6. Nov. (Kapitulation von Dresden): Ich bin eine von den friedsamen und treuen Städten in Israel. Sam. 20,19. 24. Dez. (Geburtstag des Kaisers Alexander): Es soll meine Lust sein, daß ich ihnen Gutes thun soll. Jerem. 32,41. Preußens Freiheitskampf von Schenkendorf
(Feldzeitung),
Nr. 52 (Langres 3. 2.1814);
Verfasser ist Max
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Liedlein nach der Leipziger Schlacht
(Melodie:
Es ritten drei Reiter zum Tore hinaus)
E s ritt ein Reuter wohl aus Paris. Trarah! Aus vollen Backen ins Horn er blies. Trarah! Er eignete fremde Thaten sich an Und pries nun sich selber den Thatenmann. Trarah! Trarah! Trarah! Er meinte, nur ihm gehör' die Welt. Wie so? Man sollte tanzen, wie's ihm gefällt. Wie so? Auf Erden gebieten wollt' er allein, Und glaubte voll Wahnwitz, Gott selber zu sein. Wie so? Wie so? Wie so? Des Krieges Sichel er ruchlos wetzt, Ei! Ei! Des Niemens Welle den Fuß ihm netzt. Ei! Ei! Hoch trug er die Nas', als hin er ging. Doch bald erfroren die Nas' er hing. Ei! Ei! Ei! Ei! Ei! Ei! Den Seinen sagt er manch' Lügenwort Hoho'! Und rief sie noch einmal zum Weltenmord. Hoho! Macht Städte, so rief er, der Erde gleich. Ich geb einem jeden ein Königreich. Hoho! Hoho! Hoho!
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Und Preußens Blüte die Knospe sprengt. Hurrah! Ein jeder zur Lanze, zum Schwert sich drängt. Hurrah! Es dröhnte das Hurrah durch Mark und Bein, Die Schar Alexanders stimmt mächtig mit ein: Hurrah! Hurrah! Hurrah! Und Schwedens Erbe flog über das Meer, Juchhei! Mit Gustav Adolphs rüstigem Heer, Juchhei ! Auf Bergen, in Thälem ein Geist erwacht, Der Frost durch die Pulse des Korsen jagt. Juchhei! Juchhei! Juchhei! Zwar Franz sein Töchterlein nicht vergaß, О weh! Doch das Elend von Millionen er maß, О weh! Da zog er das Schwert für Freiheit und Recht, Das gefiel dem großen Napoleon schlecht. О weh! О weh! О weh! Der Korse nun lügenden Frieden bot. Umsonst! Mit Flammen und Mord und Raub er droht! Umsonst! Wohl dreimalhundert Tausend und mehr War sein gewaltiges Kriegesheer. Umsonst! Umsonst! Umsonst! Ob weit die Menge des Feindes sich dehnt, Hinein! Ob wild der Rachen der Hölle gähnt. Hinein! Wir fassen die Schwerter mit heiliger Hand Mit Gott für König und Vaterland. Hinein! Hinein! Hinein! Der Strom des Feindes zum Durchbruch schwillt. Zurück! Aus tausend Schlünden der Donner brüllt. Zurück!
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Die Kugeln werden wie Hagel gesät, Nach Ost und nach West sich Napoleon dreht. Zurück! Zurück! Zurück! Zum Bollwerk schafft er sich Wüstenei'n. Hailoh! Die Nymphe der Elbe soll Schutz ihm leih'n! Hailoh! Doch siehe, schon lange vergebens gewarnt. Wird enger und enger das Untier umgarnt. Hailoh! Hailoh! Hailoh! Und Alexander und Wilhelm winkt, Mit Gott! Und Schwedens Erbe den Degen schwingt. Mit Gott! Und York und Blücher mit Sturmes Macht Beginnen die blutigste Weltenschlacht Mit Gott! Mit Gott! Mit Gott! Und als nun der dritte Tag sich geneigt. Gottlob! Des Feindes trotziger Donner schweigt! Gottlob! Mit Zinsen zahlte der rächende Blitz Die Schulden von Jena und Austerlitz. Gottlob! Gottlob! Gottlob! Nun ziehen die Herrscher in Leipzig ein, Vivat! Sie ziehen durch jauchzender Völker Reih'n. Vivat! Und wem noch ein Herzen im Busen ichlägt. Der rufet, so laut es die Stimme verträgt. Vivat! Vivat! Vivat! Czygan,
Tagesliteratur 2,1 S. 275-277
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Kriegesgebet 1815 ^J^ir beugen unsere Knie, vor dem Gott, der unsere Hülfe und unsere Zuflucht ist, für und für. Allmächtiger Herr und Gebieter der Welt! Du hast nach Deinem heiligen Rathschluß unsem König und sein Volk aufs Neue zum Kampf für des Vaterlandes Heil und Sicherheit berufen, von Neuem droht des Feindes Verrath und Raubsucht uns Verderben. Darum nehmen wir unsere Zuflucht zu Dir, der Du uns wunderbar bis hierher geholfen hast. Wir erflehen uns in kindlicher Zuversicht Deinen Beistand. Sei ferner mit uns in dieser verhängnißvollen Zeit; beweise uns femer Deine rettende, schützende, seegnende Güte, verleihe Sieg der gerechten Sache, und zerstöre die Anschläge unserer Wiedersacher. Laß nie wanken die Einigkeit der zur Wiederherstellung der Ordnung und Ruhe verbündeten Fürsten und Völker, erhalte den edlen Muth, der alle unsere wehrhaften Männer und Jünglinge belebt. Verherrliche Dich femer an unsem theuersten Beherrscher, und stehe ihm bei in seinem schweren Beruf. Bedecke ihn mit dem Schilde Deiner Allmacht, und stärke sein Herz im festen Vertrauen auf Dich. Beschütze gnädiglich die Prinzen des Königl. Hauses, die den Streitem für das Vaterland glorreich vorangehen; erfülle mit dem Geiste der Weisheit die getreuen Räthe des Königs, und die tapfern Heerführer, durch die Du gedemüthigt hat den Stolz unserer Feinde! О Gott! mache bald ein Ende den Drangsalen und den Leiden auf Erden; beglücke alle Völker mit den Seegnungen des Friedens. Wir hoffen auf Dich barmherziger Vater! Du kannst, und Du wirst uns nicht verlassen; Du wirst Alles, Alles herrlich hinaus führen. Wir geloben Dir von Neuem, Deinen Namen zu fürchten, und als ein dankbares christliches Volk Recht zu thun vor Dir; verleihe uns dazu den Beistand Deines heiligen Geistes, damit wir Deiner Wohlthaten mit reinem Herzen und unbeflecktem Gewissen froh werden können. Erhöre uns himmlischer Vater! um Jesu Christi, unsers Heilandes willen, Amen!
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Vermischte Nachrichten. D e m Befehl des Herrn Finanzministers gemäß, darf die unterzeichnete Behörde keine Antheilloose zur kleinen Geldlotterie ausgeben, und kann sonach nur für die von ihr, mit dem Stempel der General-Lotteriedirektion ausgefertigten, und mit der eigenhändigen Unterschrift der bestallten Lotterieeinnehmer versehenen ganzen Loose den Inhabern einstehen, von Antheilloosen aller Art aber durchaus keine Kenntniß nehmen. Das Publikum wird daher vor dem Ankauf aller und jeder Antheilloose zur kleinen Geldlotterie hiermit gewarnet. Berlin, den 29sten Februar 1816. Königl. Preuß. General-Lotteriedirektion.
Der 18te Oktober 1815. und der 18te Jannar 1816. Nach den jetzt eingegangenen Berichten über die Feier des 18ten Oktobers 1815. und des 18ten Januars 1816. sind diese Tage in allen Kreisen der Provinz und von allen Bewohnern derselben auf eine sehr festliche Weise begangen worden. Es waren Tage von hoher Bedeutung. Sie weisen hin auf die merkwürdige Zeit, da unser König mit seinem Volke und nach ihrem Vorgang die übrigen Völker des deutschen Vaterlandes aufstanden wie Ein Mann, um die Ketten, welche eine fremde Gewalt in frevelndem Uebermuthe über sie geworfen hatte, zu zerbrechen und sich ihre Selbständigkeit und ihren alten Ruhm wieder zu erkämpfen. Sie vergegenwärtigten uns den Hochsinn und den freudigen Glauben, mit welchem unsere Männer und Jünglinge in den Kampf zogen, um den unsäglichen Bedrängnissen, in welche das Vaterland durch des Feindes List und Gewalt gerathen war, ein Ende zu machen. Sie stellten uns in großen Ereignissen ein nie zu vergessendes Beispiel vor Augen, wie viel ein Volk vermag, welches Gott fürchtet und sein Vaterland und seine Freiheit von Herzen liebt. Sie erinnerten an die hohe Begeisterung, an den Heldenmuth, an die Tapferkeit und an die Eintracht, durch welche nach langen verhängnißvollen Jahren viel Unglück in Glück, viel Verwirrung in Ordnung, viel Schmach in Ehre vewandelt worden. Sie
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erneuerten das Andenken an so viele unverkennbare und redende Beweise der Liebe zum Vaterlande, der Anhänglichkeit an den rechtmäßigen Landesherm,des Gehorsams gegen die Gesetze und der Einigkeit in den gemeinsamen Bestrebungen, wodurch in diesen Zeiten der Gefahr die glückliche Entscheidung herbeigeführt wurde. Sie riefen einem Jeden tröstend und warnend die große Lehre zu, daß die gerechte Sache Gottes Sache sei; daß Völker und ihre Fürsten, wenn sie nur ihr dienen und nur für sie kämpfen, endlich doch mit Sieg und Ehre bestehen in der Stunde des Gerichts; und daß hingegen den Frevel und den Uebermuth endlich doch die strafende Hand des Allmächtigen treffe. Nach dieser hohen Bedeutung haben auch alle Gemeinen der Provinz diese denkwürdigen Tage angesehen und gefeiert. Ueberall hat man es hören und sehen können, daß man diese Tage als Feste zur Feier des Sieges der Gerechtigkeit über das Unrecht und der Freiheit über die Gewalt begieng. In allen Gemeinen zeigte sich derselbe Gedanke und dieselbe Gesinnung; überall herzliche Freude über die Rettung des Vaterlandes und dankbare Anerkennung der Verdienste der tapferen Krieger, welche demselben ein neues Leben erstritten; überall innnige Verehrung des gerechten und sein Volk liebenden Königs; überall demüthige Anbetung des Allerhöchsten, welcher unsem Kampf für die gerechte Sache durch einen glorreichen Fortgang und Frieden gesegnet; überall innige Rührung über die vielen Beweise der Selbstverläugnung, des Muths, der Menschenliebe und aller patriotischen Tugenden, welche sich während des Krieges bei Männern und Jünglingen, bei Greisen und Kindern, bei Frauen und Jungfrauen in unserm Volke geoffenbaret; und überall der emstliche und kräftige Vorsatz, sich die so theuer wiedererkämpften heiligen Güter und Rechte auf keine Weise je wieder entreißen zu laßen. Die Feier des 18ten Oktobers war durch kein Gebot vorgeschrieben. Unaufgefordert und ganz aus eigener Bewegung veranstalteten sie die Gemeinen selbst. Die landräthlichen Behörden, die Superintendenten und Schulinspektoren, die Ortsobrigkeiten, die Pfarrer und Schullehrer, die Befehlshaber des Landsturms, die Gutsbesitzer, die Kirchenpatronen, die Staats- und die Kommunalbeamten traten, wie von Einem Gefühl belebt, zu gleicher Zeit mit den Gemeinen zusammen, um das Andenken an den Tag der großen Völkerschlacht zu erneuern, durch welche zuerst die Macht des Feindes auf eine entscheidende Art gebrochen wurde. Der allgemeine einstimmige Wille hat hier wie in andern Gegenden des deutschen Vaterlandes diesen Tag zu einem alljährlich zu feiernden Nationalfeste der Deutschen erhoben. Es wurde an dem Vorabend feierlichst eingeläutet. Der Morgen wurde mit frommen Dankgesängen und andächtigen Betrachtungen begrüßt. Der Nachmittag und der Abend wurden mit feierlichen Aufzügen der Gemeinen, militärischen Uebungen und öffentlichen Lustbarkeiten zugebracht. Beim Anbruch der Nacht loderten fast in allen Kreisen von
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allen Anhöhen und auf allen Ebenen große Freudenfeuer empor, um welche Alte und Junge sich versammelten, patriotische Lieder sangen und frohe Tänze aufführten. An einem Orte hatte man das Vergnügen, in einem solchen Freudenfeuer auch erbeutete Pechkränze brennen zu sehen, durch welche der Feind ihn hatte in Brand stecken wollen. Zur Feier des Friedensfestes am 18ten Januar ist in allen Parochieen öffentlicher Gottesdienst in den Kirchen gehalten worden. Die Wahl des biblischen Textes zu der dabei zu haltenden Predigt war nach der bestimmung Sr. Majestät den Pfarrern selbst überlassen geblieben. An sehr vielen Orten hat man einer alten Sitte getreu, wie bei der Feier des Hubertsburger Friedens, so auch an diesem Tage eine Friedenskrone unter dem Geläute der Glocken zur Kirche getragen und in derselben feierlichst aufgehängt. An noch mehreren Orten haben die Gemeinen ihre Kirchen durch neue Kronleuchter, durch neue Kanzel- und Altarbekleidungen und andere Zierrathen geschmückt. Ueberall hat man irgend etwas gethan, um diesen Tag als einen wichtigen Tag in der Geschichte des Vaterlandes auszuzeichnen. Wie diese beiden Festtage an jedem einzelnen Orte begangen worden, und wie die veranstalteten Feierlichkeiten im Einzelnen angeordnet gewesen, würde hier anzugeben der Raum nicht verstatten. Jeder Gemeine bleibt es überlassen, dieses in ihrer Gemeinechronik selbst zu erzählen und ausführlich zu beschreiben. Wir müssen uns darauf beschränken, zu dem bereits Gesagten nur noch folgendes im Allgemeinen hinzuzusetzen. In allen Gemeinen hat man an diesen Tagen mit gerührtem Herzen besonders auch der tapfern Brüder und Landsleute gedacht, welche mit ihrem Arm, ja mit ihrem Blut und Leben den Sieg und den Frieden errungen haben.· Ueberall sind Sammlungen zur Erquickung der Verwundeten und zur Unterstützung der Familien derer, die nicht heimgekehrt sind, veranstaltet worden. An vielen Orten hat man die Wittwen und Waisen der im Kriege Gebliebenen beschenkt, bewirthet, bekleidet, oder ihnen auf andre Weise Hülfe bereitet. An mehreren Orten haben patriotische Pfarrer, Schullehrer oder andere Männer der versammelten Jugend die Geschichte des Freiheitskrieges und die Thaten unsrer Landsleute im Felde erzählt, um ihnen die Bedeutung des Festtags zu erklären und bei Zeiten die Keime der Vaterlandsliebe in ihren Herzen zu entwickeln. An andern Orten haben die Pfarrer die Namen aller derer, welche aus der Gemeine mit in den großen Kampf gezogen, wie auch derer, welche darin als Opfer gefallen, öffentlich verlesen und den Anfang gemacht, die über die Thaten und Schicksale derselben eingezogenen Nachrichten in der Gemeinechronik niederzulegen. Um auch für die späten Nachkommen diese Tage durch irgend ein größeres oder kleineres Denkmal als bedeutungsvolle Tage bemerklich zu machen, hat man an sehr vielen Orten auf den Marktplätzen oder auf freien Anhöhen junge Eichen gepflanzt, oder Fahnen aufgehängt, oder ein eisernes Kreutz aufgestellt und unter angemessenen Feierlichkeiten
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diese Denkmale eingeweiht. Ueberall sind bei den veranstalteten öffentlichen Lustbarkeiten patriotische Lieder gesungen worden. Da, wo die Schuljugend in der Singekunst gehörige Fortschritte gemacht hat, oder aus den Schulen bereits Sängerchöre hervorgegangen sind, hat man durch religiöse Chor- und Wechselgesänge die gottesdienstliche Feier in der Kirche verherrlicht, und durch mehrstimmige patriotische Volkslieder das öffentliche Vergnügen erhöht. Auch sind an mehreren Orten, wo man mit der Einführung gymnastischer Uebungen den Anfang gemacht hat, gymnastische Spiele veranstaltet worden. Allen denen, welche zur Veranstaltung und Anordnung der würdigen Feier dieser festlichen Tage mitgewirkt haben, bezeugen wir hiermit unsem Wohlgefallen und unsem Dank. In der Art und Weise, wie diese Tage begangen worden, erkennen wir mit Freude und zugleich mit einer frohen und vertrauensvollen Aussicht in die Zukunft das nemliche Volk, dessen Männer und Jünglinge so muthig und begeistert mit Gott für König und Vaterland in den Kampf zogen. Wir vernehmen darin den sprechendsten Ausdruck solcher Gesinnungen, durch welche ein Volk sich selbst und seinen König ehrt. Gott segne ferner den König und das Vaterland! Königliche Regierung zu Potsdam. Berichtigungen. Im 3ten Stück des Amtsblatts pag. 17. Zeile 8 von unten ist unterm 14. December 1813 statt unterm 16. November 1813, und ebendaselbst Zeile 7. von unten und 29sten December 1812 statt und 24sten November 1812 zu lesen. Im 12ten Stück des Amtsblatts pag. 16 Zeile 7. von unten muß Evler statt Evber gelesen werden. (Hierbei ein Extrablatt.) Amts-Blatt 1816 S. 122-124
Abbildung 1
Schulze, Franzosenzeit 2 S. 31
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Abbildungen
Abbildung 2 Schulze, Franzosenzeit
2 S. 53
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Abbildungen
Abbildung 3 Schulze, Befreiungskriege
Tafel 14 nach S. 64
Я а Ц е г î l l c ï a n b e t m i r b a m i'I. 3 a i u i a r 18l:i in fii)tf Dom S u p e r i n t c n b e i i t e n ® i ( c u i i i s c m p f n n g c n 3tit9enaiit№ft stitf) ber »tübet §ciil(f)«I mit ber Untcríd)tift: „JA lommt ols bet treueíte gteunb 3I)tC5 Äönigs uiib a(« ber Sreunb Sbtes SoterlOMbci" (Sttlinei aupfctilidjtabiiieft)
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Abbildungen
156 Abbildung 4 Schulze, Befreiungskriege
Tafel 18 nach S. 72
ЭТоф b e r SRaiuï дезе1фпе1 в о » б ф а Ь о ю , ÎIQUQTINTAÎTIC^ DOTI 5 8 И Ф ^ о г п ÍSÍus e i n e r S e r i e : 9?ui(i((i)e
Rriegsoöller
(Sirlinec Rupferi