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German Pages 173 [186] Year 2018
Bernd Mertens Gönner, Feuerbach, Savigny
Bernd Mertens
Gönner, Feuerbach, Savigny Über Deutungshoheit und Legendenbildung in der Rechtsgeschichte
Mohr Siebeck
Bernd Mertens, geboren 1967; Studium der Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte; 1995 Promotion; 2003 Habilitation; seit 2004 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg. orcid.org/0000-0002-1778-3983
ISBN 978-3-16-156575-5 / eISBN 978-3-16-156576-2 DOI 10.1628/978-3-16-156576-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio nalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Garamond Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.
Nikolaus Thaddäus Gönner, Kupferstich von Georg Friedrich Vogel nach einer Zeichnung von Matthäus Christoph Hartmann (1817), Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Gemälde
Vorwort Juristen kommen nur selten in den Himmel. Wer dieses Buch liest, versteht vielleicht etwas besser, warum einige wenige es dennoch dorthin schaffen und andere nicht. Eine durchaus nützliche Erkenntnis auch für die Gegenwart. Ich danke den Archivaren, Bibliothekaren und den Mitarbeitern meines Lehrstuhls, die mich bei der Entstehung dieser Studie unterstützt haben. Frau Jana Schaffer hat bei der Erstellung des Registers geholfen. Die Studie stützt sich bei den ungedruckten Quellen insbesondere auf die Bestände aus dem bayerischen Innenministerium, dem Staatsrat (vor 1817: Geheimer Rat) und dem Universitätsarchiv, da die einschlägigen Akten aus dem bayerischen Justizministerium im Zweiten Weltkrieg verbrannt sind. Bei den gedruckten Quellen hat die voranschreitende Digitalisierung von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen des frühen 19. Jahrhunderts manches erleichtert. Herrn Dr. Michael von Gönner danke ich für die bereitwillige Überlassung von Unterlagen seiner Vorfahren. Ein zusammenhängender Gönner-Nachlass existiert leider nicht. Der Verlag Mohr Siebeck hat aus dem Manuskript wieder in guter Zusammenarbeit ein schönes Buch gemacht. Dem Münchner Stadtmuseum sei für die Erlaubnis zum Druck des Gönner-Portraits gedankt, das ihn kurz nach seiner Ernennung zum Staatsrat in entsprechender Uniform zeigt. Übrigens befindet sich im Münchner Stadtmuseum noch ein weiteres Portrait von ihm, das nach dem kundigen Urteil eines Zeitgenossen Gönners gänzlich misslungen ist, bei der Google-Bildersuche aber ganz vorne steht und auch den einschlägigen Wikipedia-Artikel schmückt. Auch so werden falsche Geschichtsbilder tradiert. Erlangen, im Sommer 2018
Bernd Mertens
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Gönners Vorgeschichte: von Bamberg über Ingolstadt nach Landshut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Hofrat und Professor in Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Der Ruf nach Ingolstadt und die Verlegung der Universität nach Landshut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Kollegen an der Universität Landshut . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Gönner und Feuerbach 1804 bis 1805 . . . . . . . . . . . . . 16 2. Gönner und Savigny 1808 bis 1810 . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen im frühen 19. Jahrhundert . . . . . 45 1. Die Arbeiten an einem bayerischen Zivilgesetzbuch . . . . . 45 2. Die Arbeiten an einem bayerischen Strafgesetzbuch und seinen amtlichen Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Die Novellen zum Strafgesetzbuch und die Entwürfe zu seiner Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4. Die Arbeiten an einer bayerischen Zivilprozessordnung . . 92 5. Das bayerische Hypothekengesetz . . . . . . . . . . . . . . 106 IV. Die Kontroverse um die Kodifikationsfrage . . . . . . . . . . . 119 V. Gönner, Savigny und die Neuausrichtung der Universität in München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Anhang: Zeittafel zu Leben und Werk Gönners . . . . . . . . . . . 151 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Personen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Abkürzungsverzeichnis ABGB
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie von 1811 AcP Archiv für die civilistische Praxis ADB Allgemeine Deutsche Biographie, hg. durch die Historische Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, 56 Bde, Leipzig 1875–1912 (ND Berlin 1967–1971) ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Art. Artikel BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv München BayStGB Strafgesezbuch [sic] für das Königreich Baiern von 1813 BGB Bürgerliches Gesetzbuch [für das Deutsche Reich] von 1896 CJBJ Codex Juris Bavarici Judiciarii von 1753 Diss. Dissertation fol. folium HRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Aufl., hg. v. Albrecht Cordes u. a., bislang 3 Bde, 2008–2016 Ius Commune Ius Commune. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte Frankfurt a. M., 1967 ff. ND Neudruck/Nachdruck NDB Neue Deutsche Biographie, hrsg. v. der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, bislang 26 Bde, Berlin 1953–2016 o. D. ohne Datum o. J. ohne Jahr o. O. ohne Ort Prot. Protokoll r recto (folio) UAM Universitätsarchiv München UB Universitätsbibliothek v verso (folio) ZNR Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte ZRG (GA) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung ZRG (RA) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
Einleitung Der Titel dieses Buches vereint drei sehr ungleiche Juristenpersönlichkei ten, deren Lebenswege sich mehrfach und in eigentümlicher Weise kreuz ten. Während aber über Feuerbach wie auch Savigny ganze Bibliotheken geschrieben wurden und beide bis heute eine Bekanntheit weit über den Kreis der Fachleute hinaus genießen, wie sie nur wenigen Juristen zuteil wurde, ist Gönner heute meist nur noch Spezialisten bekannt und das Ur teil über ihn in der modernen rechtshistorischen Literatur erschöpft sich meist in negativen Stereotypen und pauschaler Geringschätzung seines Charakters und Lebenswerks. Wer war dieser Nikolaus Thaddäus Gönner, den der leicht erregbare Feuerbach schon kurz nach ihrer ersten Bekanntschaft als „höchst schlech te[n] Mensch[en]“1 beschrieb und der auch im weniger impulsiven Urteil Savignys ein „talentvoller, aber höchst eitler und dabey ruchloser Mensch“ war, „der das gründliche Studium schmäht und verspottet, in Schriften und auf dem Katheder, weil er selbst unwissend ist“2? Offenbar wirkte er auf seine Zeitgenossen höchst polarisierend, denn der Bamberger Biblio thekar und Lokalhistoriker Jäck, der erste Biograph Gönners, beschrieb ihn 1813, nur drei Jahre nach dem zitierten Urteil Savignys, gänzlich an ders: „Ein durch Talente, Kenntnisse und Thaten so ausgezeichneter Schriftsteller, wie er, existirt meines Wissens unter den lebenden Rechts gelehrten Deutschlands nicht.“3 Und über den Universitätslehrer Gönner schrieb er: „Fern von Selbstsucht bewies er sich höchst eifrig für das Her beyrufen berühmter Lehrer … Er bemühte sich aus allen Kräften, mit je dem Lehrer in der besten kollegialischen Freundschaft zu stehen, und war nicht selten bereit, nöthigen Falls mit edler Resignation der Eitelkeit Ande 1 Feuerbach in einem Brief an seinen Vater vom 6. Juli 1804, in: Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 97. 2 Savigny in einem Brief an Bang vom 13. April 1810, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 416. Johann Heinrich Christian Bang war Pfarrer in Goßfelden bei Marburg und mit Savig ny, den Brentanos und den Brüdern Grimm befreundet. Savigny war während seiner Marburger Zeit häufig zu Gast in Bangs Haus und unterhielt eine lebenslange Korres pondenz mit ihm. 3 Jäck, 1813, S. III.
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rer sogar nachzugeben.“4 Ähnlich positiv charakterisierte ihn ein ausführ licher Nachruf aus Gönners Todesjahr 1827, der vermutlich ebenfalls aus Jäcks Feder stammt5 , und auch noch der umfangreiche ihm gewidmete Artikel in der monumentalen Enzyklopädie von Ersch/Gruber aus dem Jahre 18616 . Während die zuletzt genannten Charakterisierungen heute gänzlich vergessen sind, wurde das Gönner-Bild des 20. Jahrhunderts maßgeblich durch die ausführliche Würdigung in Landsbergs Fortsetzung der von Stintzing begründeten und bis heute breit rezipierten „Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft“ geprägt7, die sich zwar um ein abwägendes Urteil bemüht, letztlich aber mit der ganzen Herablassung der späten Pandektenwissenschaft und des preußisch-wilhelminischen Kaiserreiches nicht mehr als „einiges Mitleid“ für den „reich beanlagten, irregegange nen“ Gönner aufbringt8 , „der kleinpartikularistische, in der Stickluft des Episkopalstaats großgewordene, josephinisch aufklärerische Anhänger des Vernunftrechts“9. Der Savigny-Biograph Stoll und der Feuerbach- Biograph Radbruch haben dann in den 1920er und 1930er Jahren das Ihre dafür getan, das negative Gönner-Bild zu zementieren. In den Augen Stolls war Gönner gewissenlos, eitel und herrisch und durch Savigny „für alle national und anständig Empfindenden … gerichtet“10 und Radbruch ur teilte unter Berufung auf Zeugnisse Feuerbachs und Savignys, hinter Gön ners unbestreitbaren Leistungen stünde „ein maßloser Ehrgeiz, eine un gehemmte Machtgier, eine in ihren Mitteln nicht wählerische Sucht nach billigem Lehrerfolg, eine kleinliche Eifersucht gegen Erfolge und Ver dienste anderer, ein böser Hang zu Intrigen und übler Nachrede, ein un ordentlicher Lebenswandel“11. So erscheint es aus heutiger Sicht fast wie ein Sakrileg, den allenfalls noch als streitsüchtigen und mediokeren Ehr geizling, einem Thersites der Juristenzunft12 , wahrgenommenen Gönner 4
Jäck, 1813, S. 40. Nekrolog der Deutschen, Bd. 5.1 (1827), S. 403 ff. Die Verfasser der einzel nen Beiträge werden zwar nicht namentlich aufgeführt, doch gibt es eine Liste der Mit arbeiter des Bandes, in der sich auch der „Bibliothekar Jäck in Bamberg“ befindet (S. XV). Auch inhaltlich weist der Nachruf für die Zeit bis 1812 zahlreiche zum Teil wörtliche Übernahmen aus der Biographie Jäcks auf. 6 Döring, 1861, S. 102 ff. 7 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 147–160 und Bd. 3.2.2, S. 73–78. 8 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 159. 9 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 158. 10 Stoll, Bd. 1 (1927), S. 339, Anm. 4; Bd. 2 (1929), S. 39. 11 Radbruch, 1934, S. 66. 12 Der Vergleich mit Thersites bei Holzhauer, 2012, Sp. 463, der sich von diesem Ur teil aber ausdrücklich distanziert. 5 Neuer
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in einem Atemzug zu nennen mit den in der Rechtsgeschichtsschreibung in den Olymp aufgestiegenen Feuerbach und Savigny. Seit langem gilt es als ausgemacht, dass Feuerbach und Savigny in den damaligen wissenschaft lichen und persönlichen Fehden auf der „richtigen“ Seite standen und Gönner „wissenschaftlich und moralisch vernichtet“ wurde, wie es Stoll in Anlehnung an Landsberg ausdrückte, und in den Worten Radbruchs nur noch fortlebt „als der kleine Gegner zweier Großen in der Geschichte der Rechtswissenschaft“.13 Die Rechtsgeschichtsschreibung scheint also ihr Urteil längst gefällt zu haben, indem sie Feuerbach und Savigny in den juristischen Olymp erhob und Gönner der wissenschaftlichen und mora lischen Vernichtung preisgab. Ein erstes Unbehagen und Zweifel an der Richtigkeit dieser klaren Rol lenverteilung stellen sich ein, wenn man sich deutlich macht, dass unser heutiges Bild der damaligen Auseinandersetzungen und ihrer Akteure maßgeblich geprägt wurde auf Quellenebene durch Selbstzeugnisse Feuer bachs und Savignys, auf Ebene der Sekundärliteratur durch die Darstellun gen von Landsberg, der bei der Beurteilung Gönners den Blickwinkel der Historischen Schule übernahm, und des bekennenden Feuerbach-Vereh rers Radbruch, deren Einschätzungen in der Folgezeit durch viele andere meist ungeprüft übernommen und bis heute stereotyp fortgeschrieben wurden.14 So setzt sich die Deutungshoheit der Historischen Rechtsschule und der ausgedehnten Feuerbach-Literatur über die damaligen Vorgänge bis in die Gegenwart ungebrochen fort. Die vorliegende Studie möchte zei gen, dass die Sichtweise vieler damaliger Zeitgenossen eine durchaus andere und differenziertere war, als es die ausgetretenen Pfade der Feuerbach-Apo logeten und Gewährsmänner der Historischen Rechtsschule glauben ma chen. Sie möchte also eine andere Perspektive auf die damaligen Vorgänge eröffnen und andere Quellen sprechen lassen, als es bisher geschehen ist. Dabei geht es nicht darum, Feuerbach und Savigny – um im Bild zu blei ben – ihren Platz im juristischen Olymp streitig zu machen, oder um eine persönliche Rehabilitierung Gönners. Wenn es bei den damaligen Ausein 13 Stoll, Bd. 2 (1929), S. 39; Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 159 zu Savignys Replik auf Gönner: „Eine Hinrichtung“; Radbruch, 1934, S. 66. 14 Vgl. etwa Schmidt, 1947, S. 206 (§ 2 23): Feuerbach wurde in schwere persönliche Konflikte mit dem „ebenso klugen wie intriganten, so ehrgeizigen wie mißgünstigen Juristen Gönner verwickelt“ (so auch die späteren Aufl.); Fischbach, 1960, S. 70 f.: „Vor allem arbeitete gegen Feuerbachs Gedankengänge der zwar begabte, aber charakterlose Gönner … Gönner wird auch nachgesagt, daß er – von Haus aus ein mißgünstiger Kol lege – stets gegen Feuerbach intrigiert habe“; ganz ähnlich unlängst wieder Walter, 2014, S. 22: „Gönner, ein eitler, krankhaft ehrgeiziger, missgünstiger und intriganter Zeitge nosse“.
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Einleitung
andersetzungen zwischen den drei Genannten allein um persönliche Ani mositäten und Eitelkeiten gegangen wäre, könnten diese ohne großen Schaden für die Wissenschaft auf sich beruhen bleiben und dem Vergessen anheim gegeben werden. Tatsächlich ging es aber um wesentlich mehr, wenngleich persönliche Animositäten und Eitelkeiten natürlich auch eine nicht geringe Rolle gespielt haben. Blickt man nämlich auf die Hintergrün de und Inhalte der damaligen Auseinandersetzungen zwischen den drei genannten Juristen, so fällt auf, dass hier wie durch ein Brennglas viele große Themen konzentriert aufscheinen, die die Gesetzgebung und Rechts wissenschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt haben: die Strafgesetzgebung unter den Vorzeichen des nulla-poena-sine-lege-Grund satzes und die Reform des Strafprozesses, die Kodifikationsfrage und Rechtsvereinheitlichung im Zivilrecht, der Einfluss des französischen Rechts auf die Rechtsentwicklung in Deutschland, die Aufgabenverteilung zwischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, die Reform der Juristen ausbildung, der Einfluss des römischen Rechtes auf das geltende Recht und ganz allgemein der Widerstreit von Aufklärung und Romantik, Vernunft recht und Historischer Rechtsschule. Hier mischen sich also Persönliches und Biographisches mit den großen Themen der damaligen Zeit und der Funkenschlag der Reibungen, die das Aufeinandertreffen Gönners mit Feuerbach und Savigny erzeugt hat, gewährt tiefe Einblicke in diese The men. So erscheint es an der Zeit, diese Auseinandersetzungen aus einer anderen Perspektive als allein derjenigen Feuerbachs und Savignys in den Blick zu nehmen. Es handelt sich also um keine Gönner-Biographie im herkömmlichen Sinne, vielmehr liegt das Augenmerk auf dem komplexen Beziehungsgeflecht der drei Genannten und den Verbindungslinien zur Gesetzgebung und Wissenschaft ihrer Zeit. Zugleich mag dies ein Lehr stück über juristische Deutungshoheit und Legendenbildung und deren zähes Fortleben bis in die Gegenwart sein. Da zunächst Feuerbach und dann vor allem Gönner die bayerische Ge setzgebung in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts maßgeblich sowohl im Zivil-, Straf- als auch Prozessrecht geprägt haben, beinhaltet diese Studie zugleich eine Art Gesetzgebungsgeschichte Bayerns in dieser Zeit, in der in Bayern die Grundlagen für den modernen partikularen Ge setzgebungsstaat gelegt wurden. Auch wenn längst nicht alle Gesetzge bungsprojekte mit einer Inkraftsetzung endeten, erweisen sich gerade auch die letztlich nicht erfolgreichen Projekte, denen sonst in der Gesetzge bungsgeschichte nur wenig Aufmerksamkeit zuteilwird, und die Gründe für ihr Scheitern als aufschlussreich.
I. Gönners Vorgeschichte: von Bamberg über Ingolstadt nach Landshut Werfen wir zunächst einen Blick auf die Lebensstationen Gönners vor sei nem ersten Zusammentreffen mit Feuerbach und Savigny an der Universi tät Landshut.
1. Hofrat und Professor in Bamberg Gönner wurde am 18. Dezember 1764 in Bamberg geboren und war damit elf Jahre älter als Feuerbach und fünfzehn Jahre älter als Savigny.15 Sein Vater stand als Amtmann und Rechnungsrevisor in Diensten der Fürst bischöfe von Bamberg und des fränkischen Geschlechts der Freiherren von 15 Die ausführlichste Darstellung der Lebensstationen Gönners bis zu seiner Lands huter Zeit findet sich in der frühen zeitgenössischen Biographie von Jäck, 1813, die viele Details nennt, jedoch nicht immer zuverlässig und stark panegyrisch geprägt ist. Auch die späteren Lebensjahre Gönners behandeln aus zeitgenössischer Sicht ausführlich der ihm gewidmete Artikel in der Reihe „Zeitgenossen. Biographien und Charakteristi ken“, Neue Reihe, Bd. 3 (1823), Nr. 10, S. 161 ff. und der Nachruf im Neuen Nekrolog der Deutschen, Bd. 5.1 (1827), S. 403 ff, die beide anonym erschienen sind, aber höchst wahrscheinlich ebenfalls von Jäck verfasst wurden und im gleichen Duktus geschrieben sind (vgl. oben Fn. 5). An diesen Darstellungen orientiert sich auch der ausführliche Artikel des routinierten Biographen Döring in der Enzyklopädie von Ersch/Gruber, 1861, S. 102 ff. Aus der modernen Literatur ist für Gönners Bamberger Zeit vor allem die zahlreiche Archivquellen selbständig auswertende Kurzbiographie des Universitätshis torikers Spörlein, 2004, Bd. 2, S. 1174–1182 (dort auch zu den späteren Lebensjahren) heranzuziehen, für Gönners Landshuter Zeit Beckenbauer, 1970, S. 36 ff. (allerdings in den Details nicht immer zutreffend). Vgl. daneben insbesondere die Kurzbiographien von Boehm, 1998, S. 149–151, Schaffner, NDB 6 (1964), S. 518 f. und Holzbauer, 1931, S. 1054–1060. Der ADB-Artikel des österreichischen Strafrechtlers Ullmann, ADB 9 (1879), S. 367 f., ist sehr knapp und wohl Ausdruck der Geringschätzung Gönners durch die späte Historische Schule. Die Darstellung von Landsberg (vgl. oben Fn. 7) ist natür lich stärker dem Werk als der Biographie Gönners gewidmet, ebenso die kurzen Artikel von Holzhauer, 2012, Kleinheyer/Schröder, 2017, S. 516 und Stolleis, 1995, S. 242 f. Wei tere biographische Angaben finden sich in der ungedruckten Dissertation von Schaffner, 1955. Jäck, 1813, S. 87 ff. gibt ein Schriftenverzeichnis Gönners bis zum Jahre 1812; ein auch die späteren Jahre umfassendes Schriftenverzeichnis bei Schaffner, 1955, S. 104 ff.
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I. Gönners Vorgeschichte
Pöllnitz. Gönner besuchte das Gymnasium und die Universität seiner Heimatstadt, wo er zunächst humanistische und philosophische Studien betrieb, die er 1781, mit nicht einmal 17 Jahren, mit dem philosophischen Magistertitel abschloss.16 Entscheidend für das geistige Klima seiner Aus bildungsjahre dürfte gewesen sein, dass 1773, kurz bevor Gönner auf das Bamberger Gymnasium kam, der Jesuitenorden auch im Fürstbistum Bamberg aufgelöst wurde, wodurch sich nicht nur die Lehrinhalte am Bamberger Gymnasium änderten. Auch an der ehemals jesuitischen Aka demie seiner Heimatstadt, die 1735 um eine juristische Fakultät und 1769 um eine medizinische Fakultät zur Volluniversität erweitert worden war, hielt ein neuer, aufklärerischer Geist Einzug.17 So trug man in der Juristi schen Fakultät der katholischen Universität Bamberg auch keine Beden ken, die Lehre (mit Ausnahme des kanonischen Rechts) in erster Linie nach Lehrbüchern protestantischer Autoren zu betreiben, die an den pro testantischen Reformuniversitäten in Halle (Johann Gottlieb Heineccius, Justus Henning Böhmer) und Göttingen (Johann Stephan Pütter, Gott fried Achenwall, Johann Heinrich von Selchow) lehrten.18 Nicht minder wichtig für seinen weiteren Lebensweg war Gönners Ent schluss, nach der humanistisch-philosophischen Ausbildung sich nunmehr ganz dem juristischen Studium zu widmen, das er zunächst in seiner Hei matstadt aufnahm, wo ihn die Professoren jedoch wenig fesseln konnten.19 So wechselte er 1787 an die Universität Göttingen mit der damals angese hensten juristischen Fakultät im Reiche. In Göttingen gehörten zu seinen Lehrern unter anderem Georg Ludwig Böhmer, Justus Friedrich Runde und vor allem der damals renommierteste deutsche Staatsrechtler Johann Stephan Pütter, der wohl auch die Neigung zum Staatsrecht in Gönner weckte. Sein Studium in Göttingen wollte Gönner mit einer juristischen 16 Spörlein, 2004, Bd. 2 , S. 1177. Jäck, 1813, S. 11 schrieb fälschlich von einer philoso phischen „Doktorwürde“ Gönners, was viele spätere Autoren übernahmen. Tatsächlich erfolgte die philosophische Promotion 1781 zum Magister, den Doktortitel erwarb Gönner erst 1792 (also nach seiner Anstellung als Professor) an der juristischen Fakultät in Bamberg. Der damalige Sprachgebrauch verwendete den Begriff „Promotion“ gene rell bei der Verleihung eines akademischen Grades, nicht nur bei der Doktorpromotion. 17 Zur Neuordnung der Universität ab 1773 siehe Spörlein, 2004, Bd. 1, S. 362 ff., Bd. 2, S. 855 ff. 18 Vgl. zu den im Einzelnen benutzten Kompendien Spörlein, 2004, Bd. 1, S. 594 ff. 19 Nach den eigenhändigen Anmerkungen Gönners in einem Exemplar von Jäcks Gönner-Biographie (nach S. 12) hatte Prof. Püls „einen unerträglichen Vortrag“ und Prof. Ritter trug „alles aus ein paar Büchern“ vor. Zufrieden war er nur mit den Profes soren Ullheimer (Staatsrecht) und Schott (Kirchenrecht). So betrieb er bereits seit dem ersten juristischen Studienjahr ausgedehnte Privatstudien und kaufte sich Werke von Höpfner, Pufendorf, Grotius, Quistorp und Böhmer.
1. Hofrat und Professor in Bamberg
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Promotion bei Pütter abschließen, was ihm aber sein Landesherr, der Bam berger Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal versagte, der Gönner bereits vor seinem Wechsel nach Göttingen zum Lehrer an der Bamberger Univer sität bestimmt hatte und seine baldige Rückkehr wünschte.20 Vor seiner Rückkehr nach Bamberg vervollständigte Gönner seine juristische Aus bildung aber noch um ein praktisches Element, indem er 1788, wie viele andere aufstrebende Juristen seiner Zeit, für einige Monate Station beim Reichskammergericht in Wetzlar machte. Nach Bamberg zurückgekehrt, wurde er an der dortigen Universität 1789 zum ordentlichen Professor der Institutionen und Beisitzer im Spruchkollegium ernannt, stieg bereits 1791 zum Professor der Pandekten auf und las ab 1795 Staatsrecht.21 In dieser Zeit (1791) vermählte sich Gönner mit der Bamberger Kaufmannstochter Eva Barbara van Winnenthal; aus der Ehe gingen drei Töchter und zwei Söhne hervor.22 Parallel zu seiner akademischen Karriere war Gönner ab 1791 als wirk licher Hof- und Regierungsrat Mitglied des fürstbischöflichen Regierungs kollegiums und des Bambergischen Hofgerichts, der höchsten Gerichts instanz im Fürstbistum.23 Aus dieser Tätigkeit erwuchs eine mehrbändige Publikation von Rechtsfällen, mit denen Gönner am Hofgericht befasst war.24 Auch eröffnete ihm diese Tätigkeit erste Einblicke in die praktische Gesetzgebungsarbeit, denn im Fürstbistum befand sich, als Gönner 1791 in das Regierungskollegium eintrat, der Entwurf eines im aufklärerischabsolutistischen Geist abgefassten Strafgesetzbuchs in Vorbereitung.25 Al lerdings waren die maßgeblich von dem geheimen Referendär Matthäus Pflaum betriebenen Entwurfsarbeiten, die bereits seit 1788 im Regierungs kollegium beraten wurden, damals schon so weit gediehen, dass Gönners inhaltlicher Einfluss auf den 1792 veröffentlichten und 1795 in unveränder
20 Jäck, 1813, S. 13; Spörlein, 2004, Bd. 1, S. 661. Nach den eigenhändigen Anmerkun gen Gönners in einem Exemplar von Jäcks Gönner-Biographie (nach S. 14) musste er alle halbe Jahre den Plan seiner Studien in Göttingen an den Fürstbischof in Bamberg sen den und dessen Entschließung abwarten. Gönner promovierte nach seiner Rückkehr nach Bamberg dort 1792 zum doctor iuris utriusque, vgl. Spörlein, 2004, Bd. 2, S. 1177. 21 Jäck, 1813, S. 17, 24; Spörlein, 2004, Bd. 2 , S. 1177 f.; eigenhändige Anmerkungen Gönners in einem Exemplar von Jäcks Gönner-Biographie (vor S. 17) zu seinen Bam berger Vorlesungen. 22 Spörlein, 2004, Bd. 2 , S. 1175 f.; Schaffner, 1955, S. 4. 23 Jäck, 1813, S. 17 ff.: Spörlein, 2004, Bd. 2 , S. 1177. 24 Gönner, Auserlesene Rechtsfälle und Ausarbeitungen, 4 Bde, Landshut 1801–1805. 25 Gönner berichtet in seinem Archiv für die Gesetzgebung und Reforme [sic] des juristischen Studiums, Bd. 3 (1810), S. 340, dass er 1791 an den Beratungen über das Bamberger Strafgesetzbuch teilgenommen habe.
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I. Gönners Vorgeschichte
ter Form in Kraft gesetzten Entwurf gering gewesen sein dürfte.26 Das ambitionierte Strafgesetzbuchprojekt ist aber, neben anderen damaligen aufklärerischen Reformprojekten in Bamberg, ein gutes Beispiel dafür, wie ungerecht Landsbergs oben zitierte27, für die Sichtweise des Wilhelmini schen Kaiserreiches auf die säkularisierten geistlichen Fürstentümer des Alten Reiches durchaus typische, Charakterisierung der damaligen Bam berger Verhältnisse als „Stickluft des Episkopalstaats“ ist.28 Als aufkläreri sche legislative Reformleistung konnte es das Bamberger Strafgesetzbuch durchaus mit dem fast gleichzeitig in Kraft getretenen strafrechtlichen Teil des preußischen Allgemeinen Landrechts aufnehmen.29 Mit dem Tod des bisherigen Bamberger Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal im Februar 1795 endete die Personalunion mit dem Fürstbistum Würzburg und der neue Bamberger Fürstbischof Christoph Franz von Buseck beauftragte Gönner 1796 mit der Verhandlungsführung in den Territorialstreitigkeiten mit den ehemaligen Markgrafschaften Branden burg-Bayreuth und Brandenburg-Ansbach, die 1791 auf Preußen überge gangen waren. Darin lag ein erheblicher Vertrauensbeweis, handelte es sich bei diesen Auseinandersetzungen doch um den langwierigsten und schwie rigsten äußeren Konflikt, den das Hochstift auszutragen hatte, an den in der Vergangenheit schon viele Juristen und auch die beiden höchsten Reichs gerichte beteiligt waren.30 Gönner vertrat dabei eine pragmatische Heran gehensweise, die zu Zugeständnissen gegenüber Preußen bereit war, da unter den damaligen Umständen kaum mehr mit einer wirkungsvollen Un terstützung des Hochstifts durch die Reichsgerichte oder den Reichstag zu rechnen war.31 Es gelang ihm tatsächlich, einen Vertrag zur Beilegung der Streitigkeiten mit Preußen auszuhandeln, dessen Ratifizierung jedoch von Mitgliedern des Bamberger Domkapitels hintertrieben wurde.32 Preußen 26 Zu den Entwurfsarbeiten am Bambergischen Strafgesetzbuch und dessen Inkraft setzung siehe Mertens, 2013, S. 112 ff. 27 Vgl. oben bei Fn. 9. 28 Zur Korrekturbedürftigkeit des noch von der Geschichtsschreibung des 19. Jahr hunderts tradierten Bildes von der Reformunfähigkeit der geistlichen Territorien des Alten Reiches s. Schmid, 2000, S. 180 m. w. N. 29 Zur inhaltlichen Bewertung des Bamberger Strafgesetzbuchs s. Mertens, 2013, S. 110 ff., 121. 30 Einen Überblick über den langwierigen Konflikt, der neben einigen kleineren Streitigkeiten insbesondere auch die Landeshoheit über Fürth betraf, geben Rumpel, 1953, S. 357 ff.; Misch, 1971, S. 24 ff. 31 Vgl. Rumpel, 1953, S. 370 f. mit der dort in Fn. 84 erwähnten Stellungnahme Gönners. 32 Entwurf eines Landesvergleichs zwischen den königlich preußischen Fürstenthü mern in Franken und dem Hochstifte Bamberg, o. O. und J. (1797), in gedruckter Form
2. Der Ruf nach Ingolstadt
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antwortete auf das Scheitern der Ratifizierung mit militärischer Gewalt, indem es die streitigen Herrschaftsgebiete 1797 besetzte, so etwa in Fürth.33 Literarisch trat Gönner in seinen Bamberger Jahren neben einigen Ab handlungen zu Fragen des Territorialstaatsrechts und Lehensrechts bereits mit ersten Arbeiten zum gemeinen Prozess hervor34, die nach der Ein schätzung Landsbergs „in der wissenschaftlichen Behandlung des gemei nen deutschen Zivilprozesses eine Art von Epoche“ machten 35 und von Gönner in seiner Landshuter Zeit durch sein prozessuales Hauptwerk, das vierbändige Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses, fortgesetzt wurden, worauf noch zurückzukommen sein wird.36
2. Der Ruf nach Ingolstadt und die Verlegung der Universität nach Landshut Im Jahre 1799 erhielt Gönner einen Ruf auf eine Professur für Staatsrecht an der bayerischen Landesuniversität, die sich damals noch in Ingolstadt befand. Die Rufannahme begründete er seinem bisherigen Dienstherrn gegenüber karrierebewusst mit dem größeren Wirkungskreis, den ihm Bayern im Vergleich zum Hochstift Bamberg bieten könne.37 Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte aber auch die Gehaltsfrage gespielt haben. Von bayerischer Seite wurde ihm ein Jahresgehalt von 1800 Gulden zugesagt, was erheblich über seinem Verdienst in Bamberg lag, das zuletzt nur 550 Gulden einschließlich der Bücherzulage betragen hatte.38 Die Berufung vorhanden in der Bayerischen Staatsbibliothek München; vgl. Jäck, 1813, S. 25 f. und die eigenhändigen Anmerkungen Gönners hierzu in einem Exemplar von Jäcks Gönner- Biographie (vor S. 25). Der Entwurf sah das Ziel „geschlossener Territorien“ vor, in de nen die jeweils andere Partei keine Hoheitsrechte mehr ausüben konnte, wofür beide Parteien in bestimmten Herrschaftsgebieten auf Hoheitsrechte verzichten mussten, das Bamberger Domkapitel u. a. in Fürth. 33 Vgl. Hartung, 1906, S. 43. 34 Schon seine Bamberger Dissertation von 1792 (De effectu querelae nullitatis ad versus sententias devolutivo) war einem prozessrechtlichem Thema gewidmet; zahl reiche weitere prozessuale Erörterungen dann in seinen Juristischen Abhandlungen, 2 Bde, Bamberg 1795/99. 35 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 147. 36 Gönner, Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses in einer ausführlichen Er örterung seiner wichtigsten Gegenstände, 4 Bde, 1. Aufl. Erlangen 1801–1803. 37 Schreiben Gönners an die Regierung vom 25. November 1799, zitiert in Spörlein, 2004, Bd. 1, S. 715. 38 Personalakte Gönner, Vermerk Zentners vom 3. November 1799, in: BayHStA MInn 23254. Jäck, 1813, S. 29 beziffert das Gehalt auf 2000 Gulden, das war aber nur Gönners Forderung, die in München aber nicht in voller Höhe akzeptiert, sondern auf
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I. Gönners Vorgeschichte
Gönners war Teil einer weiter ausgreifenden Strategie des im gleichen Jahr an die Macht gekommenen neuen bayerischen Kurfürsten Max Joseph und seiner von Montgelas geführten Regierung, die frische, „aufgeklärte“ Geister mit möglichst hoher wissenschaftlicher Reputation an die über alterte und noch stark vom jesuitischen Erbe geprägte bayerische Landes universität berufen wollte.39 Dieser Strategie sollten einige Jahre später auch Feuerbach und Savigny ihre Berufung nach Landshut verdanken. Bei der Entscheidung Gönners mag auch die sich im Zuge der Annexion des linksrheinischen Reichsgebiets durch Frankreich bereits am Horizont ab zeichnende Säkularisation der geistlichen Fürstentümer eine Rolle gespielt haben. Tatsächlich wurde seine Heimatstadt nur drei Jahre nach seinem Wechsel nach Ingolstadt von Bayern 1802 annektiert und die Bamberger Universität im Folgejahr geschlossen.40 Kaum in Ingolstadt angekommen, machte sich Gönner für eine Verle gung der Universität nach Landshut stark. Auf Initiative Gönners traf sich in seiner Wohnung in Ingolstadt, wie später auch in Landshut, ein „Kränz chen“ von „freisinnigen“ Professoren, die den „jesuitischen Geist“ in In golstadt beklagten, der alle von der Aufklärung inspirierten Reformen behindere.41 In Ingolstadt herrsche, so Gönner, „ein misantropisches Kar theuserleben“ und ein „totaler Mangel an allen Mitteln, wahre Geistesbil dung zu erhalten“.42 Schon einige Monate vor Gönners Eintreffen in Ingol stadt hatte Professor Franz von Schrank, ein unabhängiger Geist von ho her wissenschaftlicher Reputation, der als einer der Begründer der modernen wissenschaftlichen Botanik gelten kann, eine ausführliche Ein 1800 Gulden reduziert wurde. Zu Gönners Bamberger Gehalt s. Spörlein, 2004, Bd. 2, S. 1178. 39 Vgl. Strasser, 2001, S. 37 f.; Boehm, 2003, S. 284 ff. 40 Die militärische Besetzung Bambergs durch bayerische Truppen erfolgte bereits im September 1802, also einige Monate vor der Sanktionierung durch den Reichsdepu tationshauptschluss, s. Mertens, 2008, S. 325 f.; zur Schließung der Bamberger Universi tät durch die neuen Machthaber s. Spörlein, 2004, Bd. 2, S. 1002. 41 Dass diese Zusammenkünfte in Gönners Wohnung schon in Ingolstadt und nicht erst in Landshut stattfanden, ergibt sich aus der anonymen Streitschrift „Gedanken ei nes Landshuters über das Projekt der Zurückversetzung der Universität Baierns nach Ingolstadt“, 1801, S. 10, in der auch schon die Bezeichnung „Kränzchen“ für diese Zu sammenkünfte verwendet wird. Danach bestand das Kränzchen in Ingolstadt aus etwa 10 Professoren und verdankte seine Entstehung Gönner. Die Bezeichnung „Kränz chen“ für gesellige Zusammenkünfte von Professoren war damals durchaus üblich, auch Feuerbach schreibt von einem solchen „Kränzchen“, dem er in Kiel angehört habe (Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 9 0). 42 Baierns Universität kann nicht nach Ingolstadt versetzt werden, 1801, S. 18. Die Schrift ist anonym erschienen, zur Urheberschaft Gönners s. Prantl, 1872, Bd. 1, S. 651, Fn. 109.
2. Der Ruf nach Ingolstadt
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gabe an die Regierung in München gesandt, in der er detaillierte Vorschlä ge für eine Verlegung der Universität nach Landshut unterbreitete.43 In München stießen diese Vorschläge auf ein unterschiedliches Echo. Damals, vor der Einrichtung eines Innenministeriums durch Montgelas 1806, war die Universitätspolitik im Ministerialdepartement der geistlichen Gegen stände angesiedelt und wurde dort maßgeblich von Friedrich Zentner ge prägt, der sich gegenüber dem neuen Kurfürsten ebenfalls vehement für eine Verlegung der Universität aussprach, allerdings am besten nicht nach Landshut, sondern an den Residenzort München.44 Max Joseph war jedoch (anders als sein Nachfolger) zeitlebens gegen eine Ansiedlung der Univer sität in München, ließ sich hingegen von den für eine Verlegung nach Landshut vorgebrachten Argumenten überzeugen.45 Als im Mai 1800 die Gefahr einer Besetzung Ingolstadts durch französische Truppen immer näher rückte, entsandte die Universität eine Deputation bestehend aus den Professoren Gönner und Schrank nach München mit dem Ziel, eine schleu nigste Verlegung nach Landshut zu erwirken, die tatsächlich vom Kurfürs ten genehmigt wurde, wenngleich vorerst nur provisorisch. Bereits im Juni 1800 wurden die Vorlesungen in Landshut aufgenommen, wo die Univer sität zunächst im ehemaligen Jesuitenkloster, nach der Säkularisation zwei Jahre später im weitläufigen Dominikanerkloster untergebracht wurde. Die Verlegung der Universität nach Landshut war aber vorerst nur als Provisorium beschlossen worden und als nach dem Frieden von Lunéville 1801 die unmittelbare militärische Gefahr gebannt schien, wurden schnell wieder Stimmen für eine Rückkehr der Universität nach Ingolstadt laut.46 An dieser Frage wurde die tiefe Spaltung der Professorenschaft deutlich in einen eher klerikal gesinnten Kreis von Professoren, der für eine Rückkehr nach Ingolstadt plädierte, und einem aufklärerisch-säkular gesinnten Kreis, der sich für den dauerhaften Verbleib in Landshut einsetzte. Gönner stand auch in Landshut an vorderster Front der „Aufklärer“ und errang einen Doppelsieg, indem er sich bei der heftig umkämpften Rektoratswahl 1801 gegen einen klerikal gesinnten Mitbewerber durchsetzen konnte47 43
Promemoria vom 27. August 1799, Prantl, 1872, Bd. 1, S. 6 48. Zentners vom 21. November 1799, Prantl, 1872, Bd. 1, S. 6 49. Näher zur Person Zentners s. u. bei Fn. 56. 45 Bereits am 25. November 1799 beschloss die geheime Staatskonferenz die Verle gung der Universität nach Landshut „wenn die Umstände es zulaßen“, in: Die Proto kolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 1, S. 192 f. 46 Vgl. das in Fn. 41 genannte anonyme Pamphlet und zum Hintergrund Prantl, 1872, Bd. 1, S. 651 f.; Boehm, 2003, S. 304. 47 Gönner veröffentlichte hierüber anonym ein satirisches Pamphlet unter dem Titel „Archiv für die Universitäten Griechenlands im 19. Jahrhundert“. Neben Gönner kan 44 Bericht
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I. Gönners Vorgeschichte
und als neuer Rektor 1802 die Entscheidung des bayerischen Kurfürsten für einen dauerhaften Verbleib der Universität in Landshut erreichte48 . Bei den Feierlichkeiten anlässlich des dauerhaften Verbleibs der Universität in Landshut schritt Gönner als Rektor dem Festzug voran und die Univer sitätsaula wurde symbolträchtig in einen „Tempel der Aufklärung“ um funktioniert, in dem drei Genien ihre Kränze der Wahrheit, der Aufklä rung und dem Vaterlande opferten.49 Die Grabenkämpfe zwischen aufklärerisch und klerikal gesinnten Pro fessoren setzten sich in Landshut fort, wobei die Wohnung Gönners, schenkt man seinen Gegnern Glauben, wiederum zum Hauptquartier der Aufklärer und Gönner selbst zum Haupt dieses „Kränzchens“ wurde.50 Wir wollen diesen von beiden Seiten durch zahlreiche meist recht polemi sche Flugschriften mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt genährten Graben kämpfen hier nicht in ihren Einzelheiten nachgehen, doch bleibt festzu halten, dass Gönner schon vor dem Erscheinen Feuerbachs und Savignys in Landshut im Rahmen inneruniversitärer Auseinandersetzungen Ziel scheibe heftiger Kritik war.51 Dass die „anti-aufklärerischen“ Kollegen in Landshut besonders Gönner zur Zielscheibe ihrer Kritik machten (in ei nem der kursierenden Pamphlete wurde er ironisierend als „Jupiter“ der Aufklärer bezeichnet52), war sicher nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass Gönner nicht nur maßgeblich an der Verlegung der Universität von Ingolstadt nach Landshut beteiligt war, sondern gerade auch in den An didierte der für einen stärkeren Einfluss der Kirche in der Universität eintretende Medi ziner Peter Theodor von Leveling (nicht mit dessen Bruder Heinrich Maria von Leveling zu verwechseln, der ebenfalls Medizinprofessor in Landshut war und dem Gönner- Kreis nahestand, s. u. Fn. 50), der in einer für ungültig erklärten Wahl sich zunächst knapp gegen Gönner durchsetzen konnte. Bei der erneuten Wahl siegte dann Gönner, vgl. Permaneder, 1859, S. 216; Beckenbauer, 1992, S. 32. 48 Prantl, 1872, Bd. 1, S. 699; Boehm, 2003, S. 260. 49 Einen farbigen Bericht über die Feierlichkeiten gibt Reithofer, 1811, S. 28 ff. 50 Ein gegen den aufklärerischen Zirkel gerichtetes anonymes Pamphlet („Wichtige Abend-Sitzung zur Ehrenrettung des Hochweisen Kränzchens in Landshut“) spricht, wie schon ein früheres Pamphlet aus Ingolstadt (s. o. Fn. 41), vom „Kränzchen“ und be nennt neben Gönner die Professoren Bertele, Dietl, Feßmaier, (Heinrich Maria) L eveling, Reiner, Röschlaub und Socher als Mitglieder. Gegenüber dem Wahrheitsgehalt dieser offensichtlich als derbe Satire verfassten Streitschrift ist jedoch einige Vorsicht ange bracht. Die genannten Professoren lagen weltanschaulich keineswegs alle auf einer Linie, was Funk, 1925, S. 109 in seinem Bestreben, einen „Gönner-Kreis“ und einen „Sailer- Kreis“ fein säuberlich voneinander zu scheiden, zu wenig beachtet; vgl. hierzu auch Beckenbauer, 1992, S. 38 f. 51 Zahlreiche dieser meist anonym veröffentlichten Pamphlete sind aufgelistet bei Prantl, 1872, Bd. 1, S. 698 f. 52 Anonym, Wichtige Abend-Sitzung zur Ehrenrettung des Hochweisen Kränzchens in Landshut, S. 3.
2. Der Ruf nach Ingolstadt
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fangsjahren nach dieser Verlegung herausgehobene Positionen in der Uni versität bekleidete, 1801/2 als Rektor und 1803/4 als Prokanzler der Uni versität. Dabei genoss er aber offensichtlich das Vertrauen im Münchener Ministerium, dessen Zustimmung Rektor und Prokanzler bedurften, wie auch der Mehrheit im akademischen Senat. Denunziationen gegen Gönner und einige andere Professoren während seiner Zeit als Rektor wegen an geblicher Missachtung der Religion und anstößigem Betragen führten zwar zu einer ministeriellen Untersuchung, die aber zu dem Ergebnis ge langte, dass die Vorwürfe „gänzlich unbegründet“ seien.53 Gönner selbst setzten diese Denunziationen aber offenbar so stark zu, dass er 1803 in ei nem Schreiben an den bayerischen Kurfürsten sich bitter über den in Landshut herrschenden Parteigeist beklagte und um seine Versetzung an die nunmehr ebenfalls bayerische Universität Würzburg bat.54 Zentner als zuständiger Referent im Ministerium wollte Gönner aber in Landshut hal ten, bezeichnete ihn gegenüber dem Kurfürsten als einen der besten Pro fessoren der Universität und schlug vor, ihn durch eine beachtliche Ge haltserhöhung und die Übertragung des Prokanzleramtes zu versöhnen, was dann auch geschah.55 Was die Qualitäten Gönners als Professor betrifft, gab es wohl niemand in München, der diese besser als Zentner beurteilen konnte, war dieser doch selbst 1777 mit gerade einmal 25 Jahren beim Regierungsantritt des Kurfürsten Karl Theodor zum Professor für Staatsrecht an der Universität Heidelberg berufen worden. Das Professorenamt hatte Zentner über zwei Jahrzehnte erfolgreich ausgeübt, bevor er 1799 mit dem Regierungsantritt des Kurfürsten Max Joseph als Wirklicher Geheimer Rat und Referendär ins Ministerialdepartement der geistlichen Gegenstände nach München wechselte, dem damals die Aufsicht über Schulen und Universitäten ob lag.56 Gönner besaß damals ungeachtet aller Denunziationen offensichtlich weiterhin das Vertrauen nicht nur Zentners, sondern auch des bayerischen 53 Schreiben des Kurfürsten Max Joseph vom 18. März 1802, abgedruckt bei Permaneder, 1859, S. 221. 54 Schreiben vom 21. August 1803, BayHStA MInn 23254 (Personalakt Gönner). Das ehemalige Fürstbistum Würzburg war mit der Säkularisation 1802/3 bayerisch gewor den, zunächst allerdings nur kurzzeitig, da es 1805 an die Habsburger abgegeben wurde und erst 1814 wieder bayerisch wurde. 55 Vermerk Zentners vom 24. September 1803, BayHStA MInn 23254. Zu Zentners Urteil über Gönner 1808 s. u. bei Fn. 187. 56 Nach der Einrichtung eines Innenministeriums 1806 wurde Zentner dort Leiter der Sektion für Erziehung und Unterricht, dann Generaldirektor im Innenministerium (seit 1810), Staatsrat (seit 1817) und Staatsminister (seit 1820). Näher zu Zentners glän zender Karriere im bayerischen Staatsdienst Eisenhart, 1900, S. 67 ff.; Trötsch, 1931, S. 166 f.; Dobmann, 1962, S. 73 ff.; Ernst, 2002, S. 683 f.
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I. Gönners Vorgeschichte
Herrscherhauses, was auch daran deutlich wird, dass er 1803 dem Kron prinzen und späteren König Ludwig Unterricht über Staatsrecht erteilen durfte.57
57 Jäck, 1813, S. 53; Beckenbauer, 1992, S. 51; nach Gönner, Archiv für die Gesetzge bung, Bd. 1 (1808), S. V, fand dieser Unterricht 1804 statt, was aber nicht sein kann, da der Kronprinz Landshut im Herbst 1803 schon wieder verließ, um seine Studien in Göttin gen fortzusetzen. Ludwig wurde außer von Gönner auch von anderen Landshuter Pro fessoren unterrichtet, darunter dem Theologen und Pädagogen Johann Michael Sailer.
II. Kollegen an der Universität Landshut Auch am neuen Universitätsstandort in Landshut setzte die kurfürstliche Regierung unter dem leitenden Minister Montgelas und seinem umtriebi gen Ministerialbeamten Zentner ihre ambitionierte Berufungspolitik fort, womit sie fähige junge Köpfe auch aus Gebieten außerhalb Bayerns und unabhängig von der Konfession für die Universität gewinnen wollte.58 So wurden nunmehr auch „Nordlichter“ protestantischen Glaubens nach Landshut berufen, etwa der Historiker Carl Wilhelm Breyer (1804), der Altphilologe Friedrich Ast (1805), der Anatom Friedrich Tiedemann (1805) und, noch vor diesen, der Jurist Paul Johann Anselm Feuerbach, der bei seiner Berufung nach Landshut erst 28 Jahre alt war, dessen wissenschaft licher Ruhm sich aber bereits in einem kometenhaften Aufstieg befand.59 Radbruchs Bemerkung, wonach Feuerbach der erste „Auswärtige“ und der erste Protestant gewesen sei, der an eine bayerische Universität berufen wurde, ist dennoch nicht zutreffend. 60 Gönner war zwar kein „Nordlicht“ und katholisch, aber bei seiner Berufung nach Ingolstadt 1799 „Auslän der“ aus dem damals noch selbständigen Fürstbistum Bamberg (was ihm einige seiner altbayerischen Gegner in ihren Pamphleten auch bewusst vor hielten) und mit dem Philosophen Schelling war 1803 noch vor Feuerbachs Ruf nach Landshut auch ein berühmter Protestant an die damals bayeri sche Universität Würzburg berufen worden.
58
Vgl. hierzu Boehm, 2003, S. 284 ff.; Beckenbauer, 1992, S. 57 ff. Der Begriff „Nordlichter“, der von den katholisch-altbayerischen Kritikern dieser Berufungspolitik geprägt wurde, war missverständlich, da er sich nicht nur auf Nord deutsche bezog, sondern auf alle von außerhalb nach Bayern berufene protestantischen Gelehrte wie etwa auch Feuerbach; zum „Nordlichterstreit“ s. u. Fn. 535. 60 Radbruch, 1934, S. 61. 59
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II. Kollegen an der Universität Landshut
1. Gönner und Feuerbach 1804 bis 1805 Feuerbach war 1802 von Jena nach Kiel übergesiedelt, an dessen Universi tät er als Nachfolger Thibauts seine erste besoldete Professur bekam. 61 Dort mochte er aber nicht lange bleiben. Seinem Vater schrieb er schon 1803, dass er sich in Kiel fremd und seinem Vaterlande weit entfernt fühle und auf einer so kleinen Akademie und in einem so rauen Klima nicht län ger bleiben wolle, zumal „alle hier mit unsrer Regierung unzufrieden sei en“. 62 Schon bald taten sich ihm Alternativen auf. Dank seiner literarischen Erfolge, namentlich mit seiner grundlegenden „Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts“ (1799/1800) und sei nem Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltendes peinlichen Rechts (1801, 1803 erschien bereits die zweite Auflage), hatte er schnell deutsch landweite Berühmtheit erlangt und erhielt im September 1803 kurz hinter einander Rufe an die Universitäten Greifswald, Halle und Landshut. Die Entscheidung für Landshut fiel ihm offenbar nicht schwer, denn die Jura professoren in Halle seien durch ihre „Niederträchtigkeit, Bosheit und Kabalensucht in ganz Deutschland berüchtigt“ und seine persönlichen Feinde und auch in das „rauchigte Pommern, zu den berühmten Schinken und Gänsen“ wollte Feuerbach nicht.63 Landshut schien ihm hingegen sehr verheißungsvoll wegen des lieblichen Klimas, der schönen Gegend, der großen Frequenz der Universität und vor allem „der hohen Liberalität der Regierung“. 64 Ähnlich enthusiastisch hatte er sich aber anfangs auch über Kiel geäußert („Kiel ist ein sehr freundlicher, munterer“ und außerdem „gesunder Ort“ mit einer „sehr liberalen Regierung“65). Wie anders fiel doch sein oben zitiertes Urteil über Kiel bei seinem Weggang knapp zwei Jahre später aus. Entsprechend äußerte er sich auch über Landshut und die dortige Universität, wo er es ebenfalls keine zwei Jahre aushielt, bei seinem Weggang, der eher einer überstürzten Flucht glich, gänzlich anders, was uns noch ausführlich beschäftigen wird. Die Berufungsverhandlungen mit Feuerbach führte von München aus wiederum Zentner, der in einer Sitzung des geistlichen Ministerialdeparte ments am 12. September 1803 die Berufung Feuerbachs nach Landshut vor 61 Die Professur für Lehenrecht, die Feuerbach seit 1801 in Jena innehatte, war unbe soldet, s. Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 60. 62 Briefe Feuerbachs an seinen Vater vom 19. Juni und 2. Oktober 1803, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 80, 86. 63 Brief an seinen Vater vom 2. Oktober 1803, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 85, 87. 64 Brief an seinen Vater vom 2. Oktober 1803, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 87. 65 Brief an seinen Vater vom 18. Januar 1802, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 66 f., 68.
1. Gönner und Feuerbach 1804 bis 1805
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schlug und zwei Wochen später persönlich an Feuerbach schrieb, um ihn für die Universität Landshut zu gewinnen. 66 In den Berufungsverhandlun gen verhielt sich Feuerbach offenbar sehr geschickt, denn während er zu nächst nur mit einem Jahresgehalt zwischen 1200 und 1500 Gulden gerech net hatte, bot Zentner ihm 1800 Gulden an, was Feuerbach sogar noch auf 2000 Gulden steigern konnte. 67 Von seinen Landshuter Kollegen verdiente nur Gönner mehr, dessen Gehalt 1803 von 1800 auf 2200 Gulden erhöht worden war. 68 Die meisten anderen Kollegen verdienten deutlich weniger; das übliche Professorengehalt lag damals an der Universität Landshut bei nicht mehr als 1000 bis 1200 Gulden zuzüglich der Kolleggelder und ande rer Nebeneinkünfte (zum Vergleich: ein Justizrat am Appellationsgericht verdiente damals zwischen 1600 und 2000 Gulden, ein Dorfschullehrer hingegen nur 300 Gulden, Lehrer an städtischen Schulen 400 Gulden). 69 Hatte Gönner die Berufung Feuerbachs nach Landshut betrieben, wie Landsberg und Radbruch schreiben?70 Belege hierfür geben beide nicht.71 Einen Anhaltspunkt liefert allenfalls Jäck, der ganz allgemein davon schreibt, Gönner habe „sich höchst eifrig für das Herbeyrufen berühmter Lehrer der Philosophie, Medizin, Theologie und sogar der Rechtswissen schaft“ eingesetzt.72 Die Ministerial- und Universitätsakten enthalten je doch keine konkreten Anhaltspunkte für einen Einfluss Gönners auf die Berufung Feuerbachs. Sieht man auf den Zusammenhang dieser Berufung, so ist ein maßgeblicher Einfluss Gönners auch unwahrscheinlich. Im Mün chener Ministerium trug man sich, Feuerbach zufolge, bereits im Herbst 1801, als dieser den Ruf nach Kiel erhielt, mit dem Gedanken, ihm einen Ruf 66 Protokoll der Sitzung des geistlichen geheimen Ministerial-Departement vom 12. September 1803, BayHStA MInn 23675/I. 67 Das Angebot Zentners ergibt sich aus dem in Fn. 66 genannten Protokoll, die ur sprüngliche finanziellen Erwartungen Feuerbachs und die von ihm erreichte Erhöhung des Angebots ergeben sich aus seinen Briefen an seinen Vater vom 2. Oktober 1803 und 20. Februar 1804, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 87, 89. Als Feuerbach schon wenige Monate später einen weiteren Ruf an die damals preußische Universität Erlangen erhielt, konnte er bei den Rückverhandlungen mit München sein Gehalt um weitere 400 Gulden auf 2400 Gulden steigern (Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 98). 68 Vgl. oben bei Fn. 55. 69 Strasser, 2001, S. 37; Dobmann, 1962, S. 8 0; Doeberl, 1912, S. 419. 70 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 150; Radbruch, 1934, S. 66; ebenso Boehm, 1998, S. 150. 71 Ebenso unbelegt ist die Behauptung von Weis, 2005, S. 569, wonach die Berufung Feuerbachs auf Initiative von Montgelas erfolgte. Eine direkte Einflussnahme Montgelas’ auf die von Zentner geführten Verhandlungen ist weder ersichtlich noch wahrschein lich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Zentner die Verhandlungen mit Feuerbach mit Kenntnis und Billigung Montgelas’ führte. 72 Jäck, 1813, S. 40.
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II. Kollegen an der Universität Landshut
nach Landshut zu erteilen.73 Sehr wahrscheinlich stand dies im Zusammen hang mit dem damals bereits in München vorangetriebenen Projekt eines neuen bayerischen Strafgesetzbuchs. Hierzu hatte zunächst der Würzbur ger Professor Kleinschrod Anfang des Jahres 1800 einen amtlichen Auftrag zur Anfertigung eines Entwurfs erhalten. Auch Kleinschrod hatte im Zu sammenhang mit der Beauftragung zu den Entwurfsarbeiten das Angebot einer Professur an der damals noch in Ingolstadt befindlichen Universität erhalten, was er jedoch ablehnte.74 Vielleicht wäre Feuerbach nie nach Bay ern gekommen, wenn Kleinschrod damals dieses Angebot angenommen hätte. Als Kleinschrods Entwurf im Herbst 1801 vorlag, beschloss die ge heime Staatskonferenz (ein seit 1799 bestehender Ministerrat unter Vorsitz des Kurfürsten) den Entwurf jedoch als bloße Privatarbeit zu veröffentli chen und das in- und ausländische Publikum durch Aussetzung von Preisen zu Stellungnahmen zu ermuntern.75 Eine solche Aufforderung zur Stel lungnahme erging auch gezielt an Feuerbach, der damals noch unbesoldeter Professor in Jena war. Feuerbach machte sich offenbar auch sogleich ans Werk sowohl eine ausführliche (und im Ergebnis vernichtende) Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs zu verfassen wie auch einen eigenen Entwurf für ein bayerisches Strafgesetzbuch. Die Feuerbachsche Kritik ist zwar erst 1804 im Druck erschienen, er hatte sie aber bereits 1803 von Kiel aus fertig gestellt und an den damaligen bayerischen Justizminister von Hertling ge sandt.76 Im unmittelbaren Zusammenhang hiermit erging dann Ende Sep tember 1803 von München aus der Ruf an ihn auf eine Professur in Landshut und im August 1804 dann auch der offizielle Auftrag zur Anfertigung eines neuen Strafgesetzbuchentwurfs.77 All dies scheint direkt von München aus durch Zentner eingefädelt worden zu sein, ohne dass die Landshuter Juris tenfakultät (die ohnehin nur über den Senat Berufungsvorschläge einrei chen konnte, über die dann im Münchener Ministerium entschieden wurde) oder Gönner persönlich hierauf Einfluss genommen haben.78 73 Brief Feuerbachs an seinen Vater vom 18. Januar 1802, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 65. 74
Geisel, 1929, S. 4. der geheimen Staatskonferenz vom 23. September 1801, vgl. Mertens, 2004, S. 159. Der Entwurf Kleinschrods wurde 1802 unter dem Namen seines Verfassers veröffentlicht als „Entwurf eines peinlichen Gesetzbuches für die kurpfalzbaierischen Staaten“. 76 Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 93 berichtet über die Fertigstellung der Kritik 1803 in Kiel. Sie ist 1804 unter dem Titel „Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs zu einem peinlichen Gesetzbuche für die Chur-Pfalz-Bayrischen Staaten“ veröffentlicht worden. Vgl. Geisel, 1929, S. 12, Anm. 3. 77 Anmerkungen zum bay. StGB, 1813, S. 12. 78 Mit der neuen Organisationsstruktur und der Umwandlung der Fakultäten zu un selbständigen Sektionen ohne korporative Rechte durch das Organisationsreskript vom 75 Beschluss
1. Gönner und Feuerbach 1804 bis 1805
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Als Feuerbach 1804 in Landshut eintraf, bot ihm Gönner Quartier in seinem Hause an, bis er eine geeignete Wohnung gefunden habe.79 Feuer bach ging auf Anraten seiner Frau hierauf aber nicht ein, sondern wohnte zunächst in einem Gasthaus, bis er eine Wohnung in jenem dem Grafen Joner gehörigen Hause anmietete, in dem später, als Feuerbach Landshut schon wieder verlassen hatte, auch Savigny Quartier bezog.80 Bereits vor Feuerbachs Eintreffen in Landshut hatte ihn ein dortiger Freund, der Medizinprofessor Johann Anton Schmidtmüller, brieflich vor Gönner ge warnt, der durch „auffallenden Stolz, Ehrgeiz und Herrschsucht“ viel zu dem vergifteten geistigen Klima in Landshut beigetragen habe.81 Feuer bach, der befürchtete, Gönner wolle ihn für seine Pläne instrumentalisie ren, ließ „ihn nicht lange in Ungewißheit über die Individualität, die er in mir [Feuerbach] finde werde“. 82 So scheint das Verhältnis zwischen beiden von vornherein angespannt gewesen zu sein. Schon wenige Monate nach seiner Ankunft in Landshut bezeichnete Feuerbach in einem Brief an sei nen Vater Gönner als „höchst schlechte[n] Mensch“83, wobei man jedoch auch wissen muss, dass Feuerbach in seinen privaten Briefen generell dazu neigte, bei der Charakterisierung seiner Mitmenschen sehr stark aufzutra gen und nur Freund oder Feind, ja buchstäblich nur Teufel oder Engel zu kennen. So schreibt er gleich zu Beginn seines Landshuter Aufenthaltes zwischen den hiesigen Professoren herrschen „die Verhältnisse von Teu feln“, wohingegen er sich in Landshut „einen wahren Himmel“ schaffen wolle, indem er sich für die Berufung auswärtiger Freunde einsetze. 84 Auch war Gönner beileibe nicht der einzige Kollege, den Feuerbach in sei nen Privatbriefen mit wenig schmeichelhaften Attributen kennzeichnete,
26. Januar 1804 entfiel dann jede förmliche Mitwirkung der Fakultäten oder des akade mischen Senats an den Berufungsverfahren; vgl. Strasser, 2001, S. 18, 44. Mitunter er fuhren die Sektionen von einer vom Ministerium vorgenommenen Berufung auch erst, wenn diese bereits erfolgt war (so etwa bei der Berufung Hufelands an die juristische Sektion 1806). 79 So Feuerbach in einem undatierten Brief an seinen Vater, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 95. 80 Es handelt sich um das heute noch erhaltene stattliche Eckhaus Neustadt Nr. 467 in Landshut, das in der damaligen Korrespondenz als „Jonersches Haus“ bezeichnet wird, da es Graf Franz Xaver von Joner gehörte. An dem Haus befinden sich seit 1908 zwei Feuerbach und Savigny gewidmete Gedenktafeln, die für Feuerbach aber fälsch lich einen Aufenthalt bis 1814 angeben (tatsächlich nur bis 1805). 81 Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 95. 82 Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 95. 83 Brief an seinen Vater vom 6. Juli 1804, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 97. 84 Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 95, 97.
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II. Kollegen an der Universität Landshut
was er in einem Anflug von Selbstkritik auf seine „hypochondrische Lau ne“ zurückführte.85 Die Hintergründe dieses Konfliktes werden deutlicher, wenn man sich die Verhältnisse vergegenwärtigt, in denen unsere beiden Antagonisten in Landshut 1804 erstmals aufeinandertrafen. Gönner war damals 39 Jahre alt, elf Jahre älter als Feuerbach, bereits seit 15 Jahren Professor, bekleidete als ehemaliger Rektor und gegenwärtiger Prokanzler wichtige Ämter in der Universität, war Wortführer eines einflussreichen Kreises von Aufklä rern, Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen, von denen ihm insbesondere sein unlängst erschienenes monumentales Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses und sein kurz darauf publiziertes „Teut sches Staatsrecht“ viel Anerkennung eingebracht hatten, kurz: Er war der bis dahin unbestrittene Star an der Juristischen Fakultät und der mit Ab stand Bestverdienende dazu. Und nun kam der erst 28jährige Feuerbach, umworben von zahlreichen Universitäten in ganz Deutschland, für den man in München bereit war tief in die Tasche zu greifen, um ihn nach Landshut zu locken und dort zu halten, dessen Geltungssucht derjenigen Gönners in nichts nachstand, aufbrausend und leicht erregbar im Charak ter und keineswegs gewillt, sich Gönner unterzuordnen. Jetzt war es nicht mehr Gönner, sondern Feuerbach, der die Aufmerksamkeit auf sich zog, der mit einer Festveranstaltung mit beinahe 3000 Gästen und einer von den Studenten zu seinen Ehren aufgeführten Kantate willkommen geheißen wurde, der eine vielbeachtete Antrittsvorlesung hielt und schon bald aus München den ebenso ehrenvollen wie bedeutenden Auftrag zu einem neuen Entwurf für ein bayerisches Strafgesetzbuch erhielt.86 Die gegenseitige Missgunst und die Rangstreitigkeit zwischen beiden werden im Gerangel um Gehaltserhöhungen, bei denen beide hinter dem jeweils anderen nicht zurückstehen wollten, besonders deutlich. Zu An fang hatte hier Gönner noch die Nase vorn, der seit 1803 das für Lands huter Verhältnisse sehr hohe Gehalt von 2200 Gulden bezog, während Feuerbach wie berichtet bei seiner Berufung ein Gehalt von 2000 Gulden aushandeln konnte. 87 Der abgelehnte Ruf an die Universität Erlangen ließ Feuerbachs Gehalt dann schon bald auf 2400 Gulden steigen, während Gönner, wie Feuerbach hämisch an seinen Vater berichtete, eine weitere 85
Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 97. Feuerbachs Antrittsvorlesung „Über Philosophie und Empirie in ihrem Verhält nisse zur positiven Rechtswissenschaft“ erschien noch im gleichen Jahr im Druck. Über die rahmende Festveranstaltung berichtet Feuerbach in seinem Brief an seinen Vater vom 6. Juli 1804, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 99. 87 S. für Gönner oben bei Fn. 55 und 68, für Feuerbach oben bei Fn. 67. 86
1. Gönner und Feuerbach 1804 bis 1805
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Gehaltserhöhung vom Ministerium zunächst ausgeschlagen wurde.88 Im Februar 1805 erhielten sowohl Gönner als auch Feuerbach Rufe an die ehemals kurpfälzische Universität Heidelberg, die 1803 an die infolge des Reichsdeputationshauptschlusses erheblich vergrößerte Markgrafschaft Baden (nunmehr Kurfürstentum, ab 1806 dann Großherzogtum) gefallen war. Ähnlich wie nach dem Regierungsantritt Max Josephs in Bayern 1799 sich dieser mit einer ambitionierten Berufungspolitik für eine Erneuerung der Landesuniversität einsetzte, bemühte sich auch der badische Herrscher Karl Friedrich ab 1803 durch die Gewinnung zahlreicher neuer und fähiger Professoren der zuvor stark vernachlässigten Heidelberger Universität neuen Glanz zu verleihen. So traten besonders in den ersten Jahren nach 1803 Heidelberg und Landshut in direkte Konkurrenz um die besten Köpfe unter den jungen Professoren. Die Berufung Savignys nach Heidelberg war 1804 gescheitert und auch die Bemühungen, Gönner und Feuerbach für Heidelberg zu ge winnen, scheiterten letztlich.89 Beide entschieden sich nach Rückverhand lungen mit München dafür, den Ruf auszuschlagen, wohl nicht zuletzt deshalb, weil man in Heidelberg nicht bereit war, das außerordentlich hohe Gehalt von 3000 Gulden zu zahlen, das beide forderten (zum Vergleich: Anstelle Savignys hatte man 1804 den später sehr erfolgreichen Zivilrecht ler Arnold Heise für ein Gehalt von „nur“ 1300 Gulden nach Heidelberg berufen).90 In München ging man hingegen, um sie in Landshut zu halten, auf die neuen Gehaltsforderungen beider ein, so dass Gönner nunmehr wieder mit Feuerbach gleichzog und beide seit 1805 3000 Gulden verdien 88
Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 98. lehnte den Heidelberger Ruf 1804 wegen seiner geplanten ausgedehnten Studien- und Archivreisen ab. Seine späteren (1807) Bemühungen, doch eine Professur in Heidelberg zu erhalten, scheiterten, was dann den Weg für seine Berufung nach Landshut frei machte, wovon noch die Rede sein wird. Statt Feuerbach berief man in Heidelberg 1805 Thibaut, deren beider Wege sich auch schon mehrfach gekreuzt hatten, da Feuerbach Nachfolger Thibauts in Kiel gewesen war und Thibaut wiederum seit 1802 in Jena die ordentliche Professur bekleidete, die auch Feuerbach gerne gehabt hätte. 90 Über den Ruf Gönners nach Heidelberg und dessen Ablehnung berichtete der Heidelberger Altphilologe Friedrich Creuzer in einem Brief an Savigny bereits am 21. Februar 1805 (Dahlmann, 1972, S. 151). Gönner schrieb jedoch noch am 20. Juni 1805 an das Münchener Ministerium und berichtete über seinen Ruf nach Heidelberg und seine Gehaltsforderung von 3000 Gulden (BayHStA MInn 23254 Personalakt Gönner). Feuerbach berichtete in einem Brief an seinen Vater vom April 1805 über seinen Ruf nach Heidelberg, den er abgelehnt habe, weil ihm sonst die Mitwirkung an der bayeri schen Gesetzgebung verloren ginge (Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 103 f.). Dass man in Hei delberg nicht bereit war, auf die sehr hohen Gehaltsforderungen von beiden einzugehen, berichtet Keller, 1913, S. 120; dort S. 182 zum Gehalt Heises. 89 Savigny
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II. Kollegen an der Universität Landshut
ten, also mehr als doppelt so viel wie die meisten ihrer Kollegen.91 Dabei ist auffällig, dass Feuerbach, wie sich aus seinen Briefen und Vermerken er gibt, offenbar bestens darüber informiert war, wie viel sein Rivale jeweils verdiente und forderte. In einem Brief an Jacobi vom Oktober 1805 schrieb Feuerbach voller Neid: „Es ist wahr, die Regierung hat auch mich mit Wohlthaten überhäuft; was sie aber that, war durch die Gefahr meines Weggehens erpreßt; dem Gönner hat sie eben Das und noch weit mehr aus freier Gunst gethan.“92 Feuerbach verschweigt hier, dass – wie er sehr wohl wusste – auch Gönner einen Ruf nach Heidelberg erhalten hatte und beide gleichermaßen daher bei den Rückverhandlungen mit München Gehalts aufbesserungen erhalten hatten. Die Höhe von Gönners Zulage beziffert Feuerbach im gleichen Brief korrekt mit 800 Gulden.93 Wie neidisch Feuer bach auf die Erfolge anderer blickte und sich selbst zurückgesetzt fühlte, geht auch aus einem späteren Vermerk von seiner Hand hervor, in dem er akribisch Belohnungen anderer durch den bayerischen Staat auflistet und mit seinen eigenen nach seinen Empfinden gänzlich ungenügenden mate riellen Gratifikationen für seine Verdienste um den bayerischen Staat ver gleicht.94 Ungeachtet aller Missgunst scheint die kollegiale Zusammenarbeit bei der zunächst durchaus funktioniert zu haben. Im Frühjahr 1804 wurden Gönner und Feuerbach zusammen mit zwei weiteren Kollegen als Depu tierte der Universität nach München entsandt, um eine Lösung für die hef tigen Auseinandersetzungen zwischen Studenten und in Landshut statio nierten Soldaten zu finden.95 Auch bei der Ausarbeitung eines neuen juris tischen Studienplanes scheinen beide zunächst auf einer Linie gelegen zu haben. Ausgangspunkt hierfür war eine bereits 1803 ergangene Anfrage des Ministeriums und ein zwölfseitiger Brief Feuerbachs an das Ministeri um im November 1804, in dem er zahlreiche Defizite der gegenwärtigen juristischen Studienorganisation in Landshut beklagte.96 Er erhielt darauf hin den Auftrag, gemeinsam mit Gönner Vorschläge zu einem neuen juris tischen Studienplan zu entwickeln. Tatsächlich reichte Gönner schon im 91 Vermerk vom 11. Juli 1805 über die Gehaltserhöhung Gönners von 2200 auf 3000 Gulden in BayHStA MInn 23254 (Personalakt Gönner); Vermerk vom 18. Mai 1805 über die Gehaltserhöhung Feuerbachs auf 3000 Gulden in UAM E I 9. 92 Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 114. 93 Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 116. 94 „Einige Thatsachen: wie man in Bayern Andere belohnt, und wie man mich be lohnt hat“, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 260 ff. 95 Permaneder, 1859, S. 250. Die Bemühungen der Deputierten waren erfolgreich, denn die Soldaten wurden in der Folgezeit aus Landshut abgezogen. 96 Brief Feuerbachs an Zentner vom 25. November 1804 in BayHStA MInn 81341.
1. Gönner und Feuerbach 1804 bis 1805
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Januar 1805 beim Ministerium einen ausführlichen „Vorschlag zu einem revidirten Studienplane für Juristen entworfen von Gönner und Feuer bach“ ein, der einem späteren Vermerk Gönners zufolge, anders als sein Titel vermuten lässt, von ihm allein entworfen, von Feuerbach und den anderen Mitgliedern der juristischen Sektion aber zunächst gutgeheißen worden war (die bisherigen Fakultäten waren 1804 aufgelöst und nach fran zösischem Vorbild durch unselbständige „Sektionen“ ersetzt worden).97 Der Studienplanentwurf beruhte auf dem Grundgedanken einer Tren nung der für alle Studenten notwendigen von den bloß nützlichen Vor lesungen und einer Verringerung der verpflichtenden Vorlesungen, damit den Studenten genügend Zeit zum Nachstudieren verbleibe. Das Überla den mit verpflichtenden Vorlesungen sei ein zentrales Übel des bisherigen Studienplanes gewesen. In diesem Grundgedanken stimmten Gönner und Feuerbach zweifellos überein.98 Feuerbach distanzierte sich wenig später dennoch von dem Projekt und bekam im März 1805 vom Ministerium die Erlaubnis, wegen seiner Beschäftigung mit den Entwurfsarbeiten zu einem Strafgesetzbuch vorläufig an keinen Sitzungen der juristischen Sektion und des akademischen Senats mehr teilnehmen zu müssen.99 In einem Brief an Jacobi stellte Feuerbach es später so da, als habe er allein sich beim Minis terium um eine Reform des Studienplans bemüht, sei damit aber nicht durchgedrungen.100 Tatsächlich kam man im Ministerium erst zwei Jahre später auf das Projekt zurück, als durch den neu an die juristische Sektion berufenen Professor Hufeland erneut ein Studienplanentwurf beim Mini sterium eingereicht wurde, der in vielen Punkten mit dem Entwurf Gön ners einschließlich der neuen Aufteilung in „notwendige“ und „bloß nütz liche“ Lehrfächer übereinstimmte und mit einigen weiteren von Gönner angeregten Modifikationen vom Ministerium 1807 schließlich genehmigt wurde.101 Die Institutionen- und Pandektenvorlesungen blieben neben dem deutschen Privatrecht ein zentraler Bestandteil des Lehrplans, doch 97 Der Vorschlag vom Januar 1805 und der Vermerk Gönners vom 19. Juli 1805 in BayHStA MInn 81341. Demnach haben die anderen Professoren der juristischen Sek tion erst nachträglich die Aufnahme staatswissenschaftlicher Lehrfächer in den Studien plan nach dem Entwurf Gönners kritisiert. 98 Feuerbach machte in seinem Brief an Zentner (oben Fn. 96) und in einem Brief an Jacobi vom Oktober 1805 ebenfalls geltend, dass die ungeheure Menge zwingend vorge schriebener und größtenteils unnötiger Vorlesungen das Grundübel des jetzigen Stu dienplans sei (Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 112). 99 Verfügung vom 2. März 1805, UAM E I 9. Ausgenommen von der Befreiung war die Tätigkeit Feuerbachs im Spruchkollegium. 100 Brief an Jacobi vom Oktober 1805, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 113. 101 Der ab 1807 gültige Studienplan ist wiedergegeben bei Prantl, 1872, Bd. 1, S. 710 f. und (mit späteren Korrekturen seitens des Ministeriums) bei Strasser, 2001, S. 69.
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II. Kollegen an der Universität Landshut
wurden die Vorlesungen zum bayerischen Partikularrecht ausgeweitet und insgesamt die Zahl der verpflichtenden Vorlesungen reduziert. Durch ein merkwürdiges Ineinandergreifen des persönlichen Schicksals unserer beiden Gegenspieler und des allgemeinen Schicksals ihres Gastlan des, dem es bestimmt war für beide zur dauerhaften Heimat zu werden, drängten die schwelenden Konflikte zwischen Feuerbach und Gönner ge rade zu der Zeit zu einer öffentlichen Entladung und einem vorläufigem Höhepunkt, als das Schicksal ganz Bayerns an einem dramatischen Wen depunkt angelangt war. Wir befinden uns nunmehr im September 1805. Bayern war einen bislang geheim gehaltenen und noch nicht ratifizierten Bündnisvertrag mit Frankreich eingegangen, verhandelte aber gleichzeitig mit Österreich über eine Allianz. Max Joseph floh mit seinem Hof vor der einrückenden österreichischen Armee von München nach Würzburg. Gleichzeitig näherte sich eine französische Armee unter dem General Bernadotte Bayern. Auch Landshut blieb hiervon nicht unberührt. „Viele Tausend Mann [der österreichischen Armee] sind schon durch unsre Stadt passirt; morgen werden wir wieder Einquartirung bekommen“, schrieb Feuerbach aus Landshut Mitte September an seinen Vater.102 Eine Woche später floh auch er nach Würzburg an den Hof Max Josephs, aber nicht vor den österreichischen Truppen, sondern vor seinem Widersacher Gönner. Was war geschehen? Hören wir zuerst die ausführliche Schilderung Feuerbachs in einem Brief an seinen Freund Friedrich Heinrich Jacobi vom Oktober 1805: „Bei einer feierlichen Disputation, wo wieder unter Gönner’s Präsidium einer mei ner Schüler mit vielen beschmuzten, zertretnen Brosamen von Schelling’s Tafel nach mir als Criminalisten warf, war ich, um den Triumph zu vollenden, zur Op position eingeladen. In einer Rede, womit Gönner den Act eröffnete, wurde gleich anfangs, mir ins Angesicht, meinen Schülern laut verkündet, daß über den Un werth meiner criminalrechtlichen Schriften (sie waren bis zum Händegreifen be schrieben) durch allgemeines Urtheil entschieden sei: diese Bosheit war zu dumm, als daß sie mich erschüttert hätte. Ich fing kalt mit Drummer (so hieß der Schüler) meine Opposition an, der aber die Rolle, die ihm aufgegeben war, wohl studirt hatte und mir bald Grobheit, bald Unverschämtheit, bald höhnenden Spott entge gensetzte. Ich wurde zwar bestürzt, fuhr aber mit verbissener Leidenschaft, we nigstens mit dem äußern Schein der Ruhe fort. Auch ertrug ich es noch mit stillem Ingrimm, als Gönner, der sich als Präses ins Mittel schlug, mir unter anderm vor der versammelten Menge spottend zurief, daß, wer das (von mir so eben) Gesagte behaupte, nicht bloß in Ansehung dieses Satzes, sondern in Ansehung der ganzen Rechtswissenschaft in seinem „Kopfe müsse verschoben sein“. Dieses trug ich, ohne ein Wort zu erwidern. Als aber endlich der Knabe, der noch vor einem halben 102 Brief
Feuerbachs vom 15. September 1805, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 106.
1. Gönner und Feuerbach 1804 bis 1805
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Jahre lernend zu meinen Füßen saß, wieder das Wort nahm und, die Hände in die Seiten gestemmt, mit zurückgelehntem Körper und hohnlächelndem Munde ein förmliches Examen über die Elemente meiner Wissenschaft mit mir begann, da erlag meine Kraft der Empörung gerechter Indignation; in die Mitte des Saals her vortretend und auf den unwürdigen Jüngling deutend, rief ich aus: „hier steht ein Frecher, ein unedles Werkzeug in einer noch schlechtern Hand!“ und mit diesen Worten verließ ich den Saal, indem mein empörtes Herz zu mir sagte: das seien die letzten Worte, die du öffentlich in L. gesprochen hast! – Den folgenden Morgen früh verließ ich mein krankes Weib am achten Tag ihres Wochenbettes und meine weinenden Kinder, um ihnen und mir ein besseres Loos zu suchen.“103
Diese ausgesprochen farbige und dramatische Erzählung, in der die Rollen von Gut und Böse – wie immer bei Feuerbach – klar verteilt sind, wurde seitdem vielfach in der Feuerbach-Literatur nacherzählt, oft in der gekürz ten Version aus Radbruchs Feuerbach-Biographie.104 Dabei wurde prak tisch immer fraglos davon ausgegangen, dass sich alles genau so zugetragen habe, wie es Feuerbach beziehungsweise sein Biograph Radbruch schil dern. Will man nun den Wahrheitsgehalt von Feuerbachs Schilderung er gründen, sollte man sich zunächst den Kontext seiner Erzählung vor Au gen führen. Sein Freund Jacobi hatte kurz zuvor in einem Brief Feuerbach heftige Vorwürfe gemacht, dass er Landshut Hals über Kopf verlassen habe und vor seinen Gegnern davongelaufen sei.105 Feuerbach versucht nun mit seinem Brief an Jacobi, aus dem diese Erzählung stammt, sein impul sives Handeln zu rechtfertigen. Der Vorfall wird daher möglichst drama tisch und für ihn beleidigend geschildert. Hat es sich wirklich so zugetra gen? Aktenmäßig belegt ist, dass am 23. September 1805 tatsächlich eine Disputation stattfand, bei der Gönner als Präses „über die Notwendigkeit der Publicität peinlicher Untersuchungen“ vortrug und Leonhard Drum mer als Defendent die Frage „Ruhte nicht in dem Geiste der alten Lehre der capitis deminution das einzig wahre Princip der peinlichen Gesetzge bung?“ beantwortete.106 Dieser Leonhard Drummer war aber keineswegs ein völlig unbedarfter „Knabe“ oder „unwürdiger Jüngling“, als den ihn Feuerbach darstellt. Drummer war zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alt, also nur vier Jahre jünger als Feuerbach, führte bereits einen philosophischen 103
Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 117 f. Radbruch, 1934, S. 69 f.; ders., 1952, S. 14; Wolf, 1963, S. 563; Kipper, 1969, S. 56; Beckenbauer, 1970, S. 42 f.; ders., 1992, S. 77 f.; Hermann, 2003, S. 154; Koch, 2010, S. 747; Walter, 2014, S. 22. 105 Brief Jacobis an Feuerbach vom 26. September 1805, in: Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 108. 106 Oberdeutsche Allgemeine Literatturzeitung, Jg 1805, S. 653, Ausgabe vom 3.10. 1805. 104
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II. Kollegen an der Universität Landshut
Magistertitel und hatte einen Monat vor dem von Feuerbach geschilderten Vorfall mit seiner Abhandlung „Theorie des Würderungseydes (iuramen tum in litem)“ eine von der juristischen Sektion der Universität gestellte Preisfrage gewonnen.107 Aller Voraussicht nach hätte sich ihm eine akade mische Karriere eröffnet, wäre er nicht im Jahr darauf plötzlich und uner wartet verstorben. Von Unregelmäßigkeiten während der Disputation ist in den Fakultätsakten nichts vermerkt. Was sich tatsächlich bei der Disputation zugetragen hat, lässt sich heute nicht mehr im Einzelnen rekonstruieren, da uns ein neutraler Bericht dar über fehlt. Doch zeigt schon die Verwandlung des Defendenten in einen unbedarften Knaben in Feuerbachs Schilderung, dass man nicht alles für bare Münze nehmen sollte, was Feuerbach an Jacobi zu seiner Rechtferti gung schreibt. Wir sahen bereits, dass Feuerbach es im gleichen Brief auch mit den Gründen für die Gehaltserhöhung seines Widersachers und bei der Schilderung der Studienplanreform mit der Wahrheit nicht allzu genau ge nommen hat. In der Literatur wurde der Bericht Feuerbachs und seines Biographen Radbruch über die Gründe für das abrupte Ende seiner Profes sorenkarriere aber quasi kanonisiert, woraus im stereotypen Urteil der Nachwelt Feuerbach als tief gekränkter Vertreter der gerechten Sache und Gönner als charakterloser und boshafter Intrigant hervorgegangen sind. Wie wenig Feuerbachs brieflichen Schilderungen zu trauen ist, wenn von seinen persönlichen Niederlagen die Rede ist, die er tunlichst zu verbrä men suchte, zeigt etwa seine spätere Strafversetzung nach Bamberg 1814, die Feuerbach in einem Brief an seinen Vater als vorausberechnet und be absichtigt darstellte.108 Auch dauerte es nach dem Vorfall bei der Disputa tion in Landshut und Feuerbachs anschließender glücklicher Versetzung ins Justizministerium nach München nicht lange, bis er in seinem dortigen Chef, den Justizminister Reigersberg, auch einen „böswilligen und ränke vollen Widersacher“ erblickte, was praktisch die gleiche Charakterisierung ist, mit der er zuvor seinen Kollegen Gönner bedachte.109 Und als Feuer bach sich im Ministerium unmöglich gemacht hatte und 1814 an das Ap pellationsgericht nach Bamberg versetzt wurde, hat er sich dort wiederum in kürzester Zeit mit dem Gerichtspräsidenten unheilbar zerstritten.110 107
UAM L I 11; Meusel, 1808, S. 295 f.; Reithofer, 1811, S. 145 f. Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 284 f. 109 Radbruch, 1934, S. 74. 110 Es ging dabei um Rangstreitigkeiten. Feuerbach war „nur“ zum zweiten Präsi denten des Appellationsgerichts ernannt worden und fühlte sich gegenüber dem ersten Präsidenten von Seckendorf zurückgesetzt; vgl. Radbruch, 1934, S. 113 f.; Hilgendorf, 2009, S. 21. 108
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Schließlich geriet Feuerbach nach der erneuten Versetzung als Präsident an das Appellationsgericht in Ansbach auch dort 1821 mit seinem ganzen Kollegium in einen heftigen Konflikt.111 Was immer sich also im Septem ber 1805 in Landshut bei dieser schicksalhaften Disputation zugetragen haben mag, die vielfach verbürgte Cholerik Feuerbachs wird daran einen nicht unmaßgeblichen Anteil gehabt haben.112 Feuerbach verließ also am Tage nach der Disputation im September 1805 seine noch krank im Wochenbett liegende Frau und seine Kinder und be gab sich nach Würzburg, wo der kurfürstliche Hof und die Regierung auf der Flucht vor den Österreichern Quartier genommen hatten. Man sollte glauben, dass die bayerische Regierung in diesen Tagen, als sie noch paral lel mit den österreichischen und französischen Gesandten verhandelte und Max Joseph noch immer zögerte, die Ratifikationsurkunde für das baye risch-französische Bündnis zu unterzeichnen, Wichtigeres zu tun gehabt habe, als sich um einen in seiner Ehre gekränkten Landshuter Professor zu kümmern, der kopflos Reißaus genommen hatte.113 Es spricht für die hohe Wertschätzung, die Feuerbach damals bei der bayerischen Regierung ge noss, dass es ihm dennoch in diesen bewegten Tagen gelang, mit Zentner und auch Montgelas über seinen Wunsch nach einer beruflichen Zukunft außerhalb der Universität zu verhandeln. Feuerbach schreibt selbst von den „schmerzlichen Äußerungen des Unwillens“, mit denen Zentner seine „Schritte und Äußerungen verurtheilt“ habe.114 Dennoch wollten offenbar Zentner und Montgelas die wichtigen Dienste Feuerbachs bei der Abfas sung des Strafgesetzbuchentwurfs nicht entbehren und daher verhindern, dass er in ausländische Dienste abwanderte. Zuerst bot man ihm eine Stel le als Landesdirektionsrat bei einer der neuen Mittelbehörden an, für deren Verwaltungstätigkeit Feuerbach jedoch weder Neigung noch Qualifika tion verspürte.115 Montgelas willigte daraufhin ein, Feuerbach mit der spe ziellen Aufgabe der Verfertigung von Gesetzentwürfen als Geheimen Rat 111
Radbruch, 1934, S. 153 f. Über Feuerbachs cholerisches Temperament geben auch die Briefe seiner Kinder zahlreiche Zeugnisse, vgl. Radbruch, 1934, S. 174. 113 Erst am 28. September 1805, also vier Tage nach Feuerbachs Abreise aus Lands hut, unterzeichnete Max Joseph in Würzburg die Urkunde, die Bayerns Bündnis mit Frankreich und gegen die Österreicher besiegelte. Dem waren hektische Verhandlungen Montgelas’ vorausgegangen, vgl. Weis, 2005, S. 293 ff. 114 Brief Feuerbachs an Zentner vom November 1805, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 119. 115 Brief Feuerbachs an Jacobi vom Oktober 1805, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 118 (auch zum Folgenden). Die Landesdirektionen waren 1799 als Mittelbehörden in den alt bayerischen Gebieten eingerichtet worden; nach den Gebietserweiterungen wurden 1803 neue Landesdirektionen in Franken und Schwaben geschaffen, vgl. Schimke, 1996, S. 318 f. 112
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beim Justizministerium anzustellen. Noch bevor der Kurfürst hierzu seine Genehmigung gegeben hatte, zog es Feuerbach schon wieder weg von Würzburg in das väterliche Haus nach Frankfurt und von dort zurück nach Landshut, wo er jedoch nur noch im kleinen Kreise von acht auser wählten Studenten in seinem Hause Vorlesung hielt, da er, wie er schrieb, den von Gönner entehrten Katheder nicht wieder betreten wollte.116 Das Professorenamt, das er vor nicht langer Zeit noch als höchsten Gipfel der beruflichen Erfüllung gepriesen hatte, war ihm nunmehr nur noch ein Weg durch „dürre Sandwüsten“ und er selbst nahe daran gewesen, „an Leib und Seele als dürrer, juristischer Pedant zu verderben“.117 Doch so weit musste es nicht kommen, denn Montgelas hielt Wort und am 16. Dezember 1805 wurde Feuerbach offiziell zum geheimen Referendär im Justizministerium in München unter Beibehaltung seines bisherigen Gehalts bestellt.118 In dieser Funktion sollte er sich zuvörderst der Bearbeitung legislativer Gegenstände widmen, war darüber hinaus aber auch Berichterstatter in Begnadigungssachen und bei der Bestätigung von Todesurteilen durch den Herrscher.119
2. Gönner und Savigny 1808 bis 1810 Wir verlassen nun vorübergehend Feuerbach an seiner neuen Münchener Wirkungsstätte, wo er einige Jahre später – wohl ganz entgegen seinen Er wartungen – erneut Gönner zum Kollegen bekommen sollte, und wenden unseren Blick zwischenzeitlich wieder Gönners Wirken an der Universität Landshut zu, wo sich drei Jahre nach dem Weggang Feuerbachs auch der zweite große Antagonist Gönners einfand: Friedrich Carl von Savigny. Es ist keineswegs so, dass nach dem Weggang Feuerbachs das Leben Gönners in Landshut in ruhigen und sorgenfreien Bahnen verlaufen wäre. Das betrifft zunächst die äußeren Rahmenbedingungen seiner Tätigkeit als Professor für Staatsrecht und als Verfasser einer der letzten großen Ge samtdarstellungen des Staatsrechts des Alten Reiches120 , die durch die 116 Brief
Feuerbachs an Jacobi vom 7. November 1805, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 123. Feuerbachs an Jacobi vom 7. November 1805, Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 123 f. 118 UAM E II 65; dem war bereits eine ähnliche Verfügung vom 14. November 1805 vorausgegangen, die aber noch nicht die Ernennung zum geheimen Referendär enthielt (ebda). 119 Verfügung vom 18. November 1805, UAM E I 9, zu den legislativen Aufgaben. Die zusätzliche Berichterstatterfunktion ergibt sich aus Feuerbachs Brief an seinen Vater vom 20. Februar 1806, Feuerbach, 1853, S. 127. 120 Gönner, Teutsches Staatsrecht, 1804. 117 Brief
2. Gönner und Savigny 1808 bis 1810
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Gründung des Rheinbundes unter napoleonischem „Protektorat“ und die erzwungene Auflösung des Alten Reiches im Sommer 1806 buchstäblich in ihren Grundfesten erschüttert wurden.121 Gönner gehörte dennoch nicht zu denen, die dem Untergang der alten Reichsverfassung hinterhertrauer ten. Es ist charakteristisch für seine Wandlungs- und Anpassungsfähig keit, aber auch seinen Opportunismus, dass er auf diesen Umsturz der äu ßeren Verhältnisse nicht mit stiller Resignation und einem Rückzug in das Privatleben reagierte, sondern die neuen Rahmenbedingungen sogleich produktiv aufgriff und bereits im Januar 1807 mit einer Untersuchung zur Fortgeltung des gemeinen Rechts nach dem Ende des Alten Reiches her vortrat.122 Seine schnelle und affirmative Hinwendung zu den neuen Rah menbedingungen (in seiner Schrift von 1807 spricht er von der „Nothwen digkeit und Wohlthätigkeit des neuen Zustandes“, der „zum Glücke der deutschen Nation vieles beitragen werde“123) hat ihm später bei seinen Gegnern, allen voran Savigny, wie wir noch sehen werden viel Kritik ein gebracht. Außerdem verarbeitete er die neugewonnene Souveränität Bay erns in einer umfassenden Darstellung der Rechtsstellung der bayerischen Staatsdiener, die er entgegen traditioneller privatrechtlich dienstvertrag licher Konzeptionen konsequent öffentlich-rechtlich als Staatsorgan deu tete, womit er richtungsweisend wurde für das Beamtenrecht Bayerns, aber auch über die Landesgrenzen hinaus.124 Sorgen bereiteten Gönner in dieser Zeit auch seine persönliche finan zielle Situation und die schwere Krankheit seiner Frau. Obwohl er zu den 121 Gönners Staatsverständnis vor und nach Untergang des Alten Reiches braucht hier nicht detailliert nachgezeichnet zu werden, weil es nicht zu unserem Thema gehört und hierüber weiterführende Spezialliteratur vorliegt, vgl. Koch, 1902, passim; Piloty, 1908, S. 219 ff.; Stolleis, 1992, S. 55 f., 65 f. 122 Über den Umsturz der deutschen Staatsverfassung und seinen Einfluss auf die Quellen des Privatrechts in den neu souverainen Staaten der rheinischen Conföderation, 1807. Die Schrift erschien zunächst anonym, bereits 1808 wies Gönner aber in seinem Archiv für die Gesetzgebung, Bd. 1 (1808), S. 1 auf seine Autorschaft hin. Gönner schil dert den Untergang des Alten Reiches als notwendige Folge einer langen Agonie des Reiches und die neugewonnene Souveränität der Länder als Chance für kluge Regenten, den Wohlstand ihrer Länder zu mehren. Das gemeine Privatrecht habe mit dem Unter gang des Reiches seinen länderüberspannenden Geltungsgrund verloren und gelte nur noch als „einheimisches“ und damit jederzeit disponibles Recht der einzelnen deut schen Länder fort (S. 51 ff.). 123 Anonym (von Gönner, s. Fn. 122), 1807, Vorerinnerung (unpaginiert) und S. 11. 124 Gönner, Der Staatsdienst aus dem Gesichtspunkt des Rechts und der National ökonomie betrachtet …, 1808. Auch zu diesem grundlegenden Beitrag Gönners zum modernen Beamtenrecht liegen mehrere Spezialuntersuchungen vor, auf die hier ver wiesen werden kann: Geyer, 1911, S. 16 ff.; Eismann, 1933, S. 21 ff.; Hattenhauer, 1993, S. 199 ff., 204 ff.
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bestverdienenden Professoren in Landshut gehörte, drückten ihn beson ders in den Jahren von 1805 bis 1810 beträchtliche Schulden. Mehrfach und meist erfolglos richtete Gönner in diesen Jahren Gesuche um Gehaltsvor schüsse nach München.125 Er wohnte zur Miete in einem der Universitäts stiftung gehörenden Haus, blieb aber über eine längere Zeit gegenüber der Stiftungsadministration mit den Mietzahlungen im Rückstand.126 Auch sonst machte er beträchtliche Schulden und sah sich mehrerer Klagen sei ner Gläubiger ausgesetzt, was schließlich dazu führte, dass zwischen 1808 und 1810 zeitweise ein Drittel seines Professorengehaltes zur Begleichung seiner Schulden einbehalten wurde.127 Gönner selbst begründete seine pre käre finanzielle Lage mit den hohen Behandlungskosten infolge der langen und schweren Krankheit seiner Ehefrau.128 Diese starb schließlich trotz einer Operation und eines längeren Kuraufenthaltes 1809 nach vierjähriger schwerer Krankheit im Alter von nur 37 Jahren und hinterließ ihm vier minderjährige Kinder.129 Nach dem Tod seiner Frau mietete Gönner ein kleineres Haus in Landshut, wobei er Savigny zuvorkam, der sich offenbar auch für das Haus interessiert und im Gegenzug Gönner seine bisherige Landshuter Wohnung angeboten hatte. In einem Brief lehnte Gönner diesen Tausch ab, da die Wohnung Savignys im Hause des Grafen Joner (in dem früher auch Feuerbach gewohnt hatte130) für seine Familienverhältnis se nach dem Tode seiner Frau zu groß und teuer sei („Wäre ich Cavalier und so reich wie Herr v. Savigny, so würde mir der Tausch beider Wohnungen sogar willkommen seyn, da es unverkennbar ist, dass seine Wohnung in aller Rücksicht glänzender ist als meine“).131 125 Das erste derartige Gesuch Gönners um einen Gehaltsvorschuss von 1000 Gul den datiert vom 22. September 1805, also einen Tag vor der geschilderten Auseinander setzung mit Feuerbach bei einer Disputation, BayHStA MInn 23254. Das Gesuch wur de abgelehnt. Entsprochen wurde Gönners spätere Bitte um einen Gehaltsvorschuss von 1200 Gulden, die er am 22. Juni 1809, eine Woche nach dem Tod seiner Frau, vortrug, BayHStA MInn 23254. Weitere Gesuche Gönners um Vorschusszahlungen in UAM E II 98. 126 In Gönners Personalakte in UAM E II 98 findet sich eine umfangreiche Korres pondenz der Stiftungsadministration mit ihm über diese Mietrückstände. 127 Die erste derartige Verfügung erging auf Anordnung des Hofgerichts am 18. Juli 1808, UAM E II 98. Am 28. Juli 1809 und 30. Mai 1810 ergingen weitere Verfügungen, Teile von Gönners Gehalt zur Schuldentilgung einzubehalten, UAM E II 98. 128 UAM E II 98. 129 BayHStA MInn 23254. Die damals noch lebenden zwei Söhne und zwei Töchter Gönners (eine Tochter war bereits jung verstorben) waren zum Zeitpunkt des Todes ihrer Mutter zwischen zehn und siebzehn Jahre alt. 130 S.o. Fn 80. 131 Brief Gönners vom 29. September 1809 an seinen künftigen Vermieter, UB Mar burg Ms 725:336 (Nachlass Savigny).
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Doch wie kam überhaupt Savigny nach Landshut? Immerhin hatte er noch 1806 in einem Brief an den mit ihm befreundeten und eine berufliche Veränderung anstrebenden Heidelberger Altphilologen Creuzer Landshut als „die widerlichste Universität, nichts als Haß und Partey“ bezeichnet und in Bezug auf die Bayern generelle Zweifel angemeldet, „ob unter die sem Volke die Wissenschaften je gedeihen werden. Mein bisheriger Aufent halt [Savigny befand sich zu Studienzwecken in München] hat mir wenig Achtung und Liebe zu ihm eingeflößt.“132 Zweifellos wäre Savigny nach Beendigung seiner ausgedehnten Studienreisen lieber nach Heidelberg ge gangen, wohin er gute Kontakte hatte und wo sich neben Creuzer und den beiden Zivilrechtlern Thibaut und Heise auch der umtriebige Universitäts reformer Reitzenstein 1807 für einen neuerlichen Ruf an Savigny einsetz te.133 Savigny ging mit selbstbewussten Vorstellungen in die Verhandlun gen um eine Heidelberger Professur, was sein Lehrprogramm („Ich müßte also wünschen, den civilistischen Hauptcursus vortragen zu können“) und sein Gehalt („…muß ich wünschen, ihnen [gemeint sind Thibaut und Mar tin] nicht zu weit nachzustehen“) betraf, konnte sich damit bei der badi schen Regierung jedoch nicht durchsetzen.134 So kam wohl das Angebot an ihn aus München für eine Professur an der Universität Landshut im Früh jahr 1808 zur rechten Zeit. Hier suchte man einen Nachfolger für Gottlieb Hufeland und das Angebot, das man Savigny machte, war sowohl finan ziell als auch im Hinblick auf die sonstigen Konditionen sehr attraktiv. Man bot ihm ein Jahresgehalt von 3000 Gulden, also ein Spitzenverdienst, 132 Brief
Savignys an Creuzer vom 22. November 1806, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 292. Keller, 1913, S. 118. Thibaut schrieb rückblickend am 26. November 1808 an Sa vigny (in: Polley, 1982, Bd. 2, S. 248): „Als Ihr Wunsch, in Heidelberg angestellt zu wer den, hier angebracht war, ließ Reizenstein unsern Heise und mich, jeden abgesondert, und ohne daß eine Beredung unter uns möglich war, zu sich kommen … Jeder von uns erklärte ihm: … Ihre Acquisition sey wichtiger, als irgend etwas. Eine Concurrenz möge vielleicht entstehen, aber eine Academie könne nur durch Concurrenz blühen. Wir bäten ihn also inständigst, alles aufzubieten, um Sie der Academie zu gewinnen.“ Zum früheren Heidelberger Ruf an Savigny s. o. Fn. 89. 134 Savigny instruierte Creuzer in einem Brief vom 13. März 1807 über seine Vorstel lungen über eine Heidelberger Professur, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 296 ff. (Zitate auf S. 297 und 298). Einem Brief Görres’ zufolge war Savigny der badischen Regierung schlicht zu teuer: „Die Juristen [an der Heidelberger Fakultät] hatten dieß [Savignys Anstellung] unterstützt und Reizenstein war deswegen nach Karlsruhe gereist. Jedoch wird jetzt wahrscheinlich daraus auch nichts werden, denn von hohen Gehalten ist man eben auch kein sonderlicher Liebhaber mehr.“ (Brief vom 11. Mai 1807, in: Görres, 1858, Bd. 1, S. 493). Unzutreffend Rosenberg, 2000, S. 31, wonach die Berufung Savignys nach Heidelberg deshalb nicht zustande gekommen sei, weil man ihm Thibaut vorgezogen habe. Thibaut war bereits 1805 nach Heidelberg berufen worden und setzte sich jetzt für Savigny ein (s. Fn. 133). 133
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II. Kollegen an der Universität Landshut
das vor ihm nur Feuerbach und Gönner gewährt wurde, außerdem eine großzügige Umzugsvergütung und eine Dispensation von „Nebenge schäften“ an der juristischen Sektion, so dass er sich ganz auf seine Studien und die Lehre konzentrieren konnte.135 Wie schon bei Feuerbachs Berufung vermuten Landsberg und im An schluss hieran zahlreiche neuere Autoren, dass auch Savignys Ruf nach Landshut maßgeblich von Gönner betrieben worden sei, wofür es aber wiederum keine Belege gibt.136 Hingegen gibt es einen Beleg, wonach Feuerbach in die Anbahnung der Berufungsverhandlungen involviert war. Max Jacobi, der Sohn des mit Feuerbach eng befreundeten und von Savig ny hoch geschätzten137 damaligen Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München Friedrich Heinrich Jacobi, schilderte im Mai 1808, kurz nachdem Savigny den Ruf nach Landshut angenommen hatte, in einem Brief an Savigny ausführlich die Münchener Bemühungen, einen Nachfolger für Hufeland in Landshut zu finden: „Hufeland sollte weggehen.138 Man rief Heise139 und erhielt eine abschlägige Ant wort. Darüber ob man Roth140 in Nürnberg brauchen könnte waren die Stimmen getheilt. Zentner war in der größten Verlegenheit und wußte nicht an wen er sich wenden sollte, da er so wie Feuerbach sich überzeugt hielten, daß Sie den Ruf nicht annehmen würden, wenn man Ihnen die Stelle anbieten wollte und eigentlich gar nicht an Sie dachten. Da mir Feuerbach immer von diesen Angelegenheiten sprach, 135 Angebot an Savigny vom 8. April 1808, BayHStA MInn 23510, und Einstellungs dekret vom 13. Mai 1808, UAM E II 287 und E I 10. 136 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 150; Radbruch, 1934, S. 66, Boehm, 1998, S. 150; Hermann, 2003, S. 146. 137 Savigny hatte schon 1799 über Jacobi geschrieben: „…ich ehre darum Ihn wie keinen unserer litterärischen Großen. Wie hoch erscheint er über Fichte! wie hoch über J. Paul! wie hoch auch über F. Schlegel!“, Brief Savignys an Creuzer vom 1. November 1799, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 141. 138 Gottlieb Hufeland war erst seit zwei Jahren Professor in Landshut, als er sich entschloss als Bürgermeister in seine Heimatstadt Danzig zurückzukehren, die infolge des Tilsiter Friedens 1807 von Preußen unabhängig geworden war. Von 1812 bis 1815 war Hufeland nochmals in Landshut tätig. 139 Heise war seit 1804 Professor in Heidelberg, s. o. bei Fn. 9 0. 140 Gemeint ist Friedrich Roth, der bis zum Übergang Nürnbergs an Bayern 1806 dort das Amt des städtischen Ratskonsulenten bekleidet hatte und nun als Finanzrat des Pegnitzkreises in bayerischen Diensten stand. Roth, dem wissenschaftlichen Arbeiten zugeneigt, hatte mit einer viel beachteten römischrechtlichen Arbeit zum Dr. iur. pro moviert, war mit Jacobi befreundet, dessen Werke er später herausgab, und wurde 1811 auch Mitglied der bayerischen Akademie der Wissenschaften. Sein späteres Berufsleben führte ihn aber von der Wissenschaft weg. Er wurde Ministerialrat im Finanzministeri um und später Präsident des protestantischen Oberkonsistoriums in München. Er war Vater des berühmten Zivilrechtlers und Rechtshistorikers Paul Roth, einem Mitglied der ersten BGB-Kommission.
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fiel mir Ihr Auftrag wegen Erlangen ein und ich sagte zu Feuerbach: Ruft Savigny; kaufen könnt Ihr ihn freylich nicht und nach Landshut geht er auch wohl nicht ohne weiteres. Erweist ihm aber die Artigkeit ihm 3000 fl. anzubieten und ver sprecht ihm, daß er wenn es ihm gefällt, nach Jahresfrist nach Erlangen oder derje nigen andern Universität die noch gegründet werden wird, versetzt werden soll.141 Bey seiner Vorliebe für das akademische Leben und bey der jetzigen Lage Deutsch lands, halte ich es gar nicht für unmöglich, daß er sich entschließen wird zu kom men. Feuerbach war durch diesen Gedanken so electrisirt, daß er sich auf der Stelle anzog und Zentner meinen Anschlag mittheilte. Dieser stimmte gleich ein, sagte aber daß er die Einwilligung des Ministers vorher einholen müßte, worauf er mich oder Feuerbach bitten wollte an Sie zu schreiben, wozu sich Feuerbach auch schon von selbst erboten hatte, indem er Ihnen manches sagen zu können glaubte, was Sie vielleicht mehr für die Annahme des Rufs bestimmen würde. Sie kennen aber Zent ner, der gerne immer aller Welt Rath einholen aber keinem welchen schuldig seyn will. Von dem Tage an behandelte er sie Sache wie ein großes Geheimniß, so daß weder ich noch Feuerbach durch ihn erfuhren ob er mit dem Minister geredet habe. Nur meinem Vater, dem ich nachher den Hergang des Handels erzählte, theilte er vorsichtig mit daß er auf Savigny verfallen sey und daß der König seinen Antrag genehmigt hätte. Er bat meinen Vater Ihnen zu schreiben, der es aber damals seiner Augen wegen nicht thun konnte und ihn an mich und Feuerbach verwieß. Am Ende hielt er es für das Weiseste selbst an Sie zu schreiben …“142
Diese Schilderung des Berufungshergangs ist durchaus glaubwürdig, da die von Jacobi genannten Details der von ihm in Vorschlag gebrachten Be rufungskonditionen (Höhe des Gehalts und Option zum Wechsel nach Erlangen oder eine neue bayerische Universität) sich tatsächlich in Zent ners Angebot an Savigny wiederfinden.143 Zentner, der selbst lange als Pro fessor in Heidelberg gelehrt hatte und gute Kontakte dorthin unterhielt, war zweifellos über Savignys gescheiterte Heidelberger Berufungsver handlungen unterrichtet. Als damaliger Leiter des bayerischen Unter 141 Savigny schrieb am 28. April 1808 an Zentner, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 322: „Aus demselben Grunde ist mir dann überhaupt die große Entfernung der hiesigen Gegend [gemeint ist sein Landgut Trages in der Nähe von Hanau] von Landshut nicht wenig lästig und nachtheilig, und es ist mir schon deshalb äußerst erwünscht, was mir das Schreiben von Euer Hochwohlgeboren zu erwarten berechtigt, wenn ich gleich bei mei ner Anstellung die Versicherung erhalte, sobald in Erlangen (oder auch an einem ande ren Orte) eine neue bayrische Universität organisiert werden wird, meine gegenwärtige Anstellung dahin transferiren zu dürfen.“ Die bislang preußische Universität Erlangen stand damals unter französischer Verwaltung und kam erst 1810 an Bayern. Da auch Würzburg erst 1814 (wieder) an Bayern fiel und die Universitäten Altdorf, Bamberg und Dillingen nach dem Übergang an Bayern geschlossen worden waren, war Landshut da mals die einzige bayerische Universität. 142 Brief Max Jacobis an Savigny vom 21. Mai 1808, in: Kadel, 1990, S. XI f. 143 Zu dem in den Personalakten überlieferten Angebot an Savigny s. oben bei Fn. 135, wo sich auch die von Jacobi erwähnte Option eines Wechsels an eine andere Universität findet.
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richts- und Erziehungswesens wird er auch häufigen Kontakt mit Feuer bach gehabt haben, der ja auf Betreiben Zentners und Montgelas’ zum ge heimen Referendär im Justizministerium bestellt worden war.144 Belegt ist auch, dass es Zentner war, der schließlich im Münchener Ministerial-De partement den Vorschlag für eine Berufung Savignys einbrachte.145 Savigny, der unter den geschilderten Umständen der bayerischen Lan desuniversität wesentlich mehr abgewinnen konnte als noch zwei Jahre zuvor („Aber Landshut, so weit es noch von unsrem Ideale einer Universi tät entfernt ist, hat doch viel für sich“), nahm an und traf im September 1808 in Landshut ein.146 Er war nun 29 Jahre alt, also fast im gleichen Alter wie Feuerbach, als dieser vor vier Jahren nach Landshut gekommen war. Der Anatom Tiedemann, den Savigny noch aus seiner Marburger Zeit kannte, hatte ihm eine Wohnung im Jonerschen Haus angemietet, also just jenem Haus, das Feuerbach drei Jahre zuvor fluchtartig verlassen hatte.147 Savigny scheint von Anfang an nur wenig Kontakt zu seinen juristischen Kollegen in Landshut und insbesondere zu Gönner gesucht zu haben, und das erwähnte Privileg in seinen Anstellungsbedingungen, wonach er von den Nebengeschäften an der juristischen Sektion dispensiert war, gab ihm Gelegenheit, den kollegialen Austausch auf ein Minimum zu beschränken. Zwei Monate nach seiner Ankunft in Landshut schrieb Savigny an Creu zer: „Gönner mag mir sehr abgeneigt seyn, aber ich denke außer meinem heutigen Antrittsbesuch in keine Berührung mit ihm zu kommen. Mich stört er gar nicht, um so weniger, da man mir in München geneigt zu seyn scheint, ihn aber durch und durch kennt.“148 Und einige Monate später schrieb er an den Heidelberger Theologen Schwarz: „Gönner sehe ich fast gar nicht, und wir stehen deshalb auf dem besten und höflichsten Fuße von der Welt.“149 Dass Savigny nicht nur gegenüber Gönner, sondern gegen über allen seinen Landshuter juristischen Kollegen auf Distanz ging, geht aus einem Brief an seinen Vorgänger Hufeland hervor: „In officieller Be rührung stehe ich mit meinen Collegen gar nicht, da ich mir die Theilnah
144
S. oben bei Fn. 114. BayHStA MInn 23675/I, Vorschlag Zentners vom 1. April 1808. 146 Das Zitat stammt aus einem Brief Savignys an Bang vom 16. Juli 1808, also nach dem seine Berufung nach Heidelberg gescheitert war und Savigny den Ruf nach Lands hut angenommen hatte (in: Beckenbauer, 1985, S. 29). Im gleichen Brief räumt er ein, dass er lieber nach Heidelberg gegangen wäre. 147 Brief Tiedemanns an Savigny vom 18. Juli 1808, in: Beckenbauer, 1985, S. 2 2. 148 Brief Savignys an Creuzer vom 16. November 1808, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 363. 149 Brief Savignys an Friedrich Heinrich Christian Schwarz vom 5. April 1809, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 363, Anm. 1. 145
2. Gönner und Savigny 1808 bis 1810
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me an der Section verbeten habe.“150 An Bang schrieb er: „Die Juristen sind im Ganzen [von den Landshuter Professoren] die schlechtesten und ich habe große Ursache mich zu freuen, daß mich meine Anstellung (sowie ich es verlangte) nur mit den Studenten und nicht mit den Professoren in Be rührung bringt.“151 Regelmäßigen gesellschaftlichen Umgang pflegte Sa vigny in Landshut, wie er in Briefen an Hufeland und die Brüder Grimm übereinstimmend äußerte, praktisch nur mit dem bereits erwähnten Ana tom Tiedemann, einem Freund aus Marburger Zeiten, und mit dem charis matischen und einflussreichen Theologen Sailer.152 Über Sailer äußerte sich Savigny für seine Verhältnisse geradezu überschwänglich: „einer der reinsten, trefflichsten, kräftigsten Menschen, die mir je vorgekommen sind“153 und bei seinem Weggang aus Landshut: „Der Abschied von Sailer wird mir sehr wehe thun.“154 Der ehemalige Jesuit Johann Michael Sailer, fast dreißig Jahre älter als Savigny, war bereits seit 1780 mit Unterbrechungen als Theologieprofessor in Ingolstadt, Dillingen, wieder Ingolstadt und seit dem Umzug der Uni versität in Landshut tätig und lehrte hier Moral- und Pastoraltheologie.155 Wie Gönner durfte er 1803 während des einsemestrigen Aufenthaltes des Kronprinzen Ludwig an der Universität Landshut diesem Privatvorlesun gen geben, woraus sich eine lebenslange Verbindung zum späteren bayeri schen König entwickelte. In einer breit und meist unkritisch rezipierten Studie von Philipp Funk aus den 1920er Jahren zur „Landshuter Roman tik“ und deren „geistigem Kampf“ mit den Aufklärern wird Sailer als „Mittelpunkt des Landshuter geistigen Lebens“ während der ersten beiden Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts gesehen.156 Diese Lichtgestalt von „Größe und Reinheit“ wird kontrastiert mit einer Gruppe von intriganten Aufklä rern, als deren „Stabschef“ Gönner gesehen wird, für dessen Charakterisie 150 Brief
Savignys an Hufeland vom 26. Januar 1809, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 371. Savignys an Bang vom 22. Dezember 1808, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 366. Landsberg (Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 197 und Bd. 3.2.2, S. 98 Anm. 31) be zieht diese Äußerung Savignys unverständlicherweise auch auf Feuerbach, der Lands hut aber bereits drei Jahre zuvor verlassen hatte. 152 Brief Savignys an Hufeland vom 26. Januar 1809, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 372; Brief Savignys an Jacob und Wilhelm Grimm vom 28. Februar 1809, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 376. 153 Brief Savignys an Jacob und Wilhelm Grimm vom 28. Februar 1809, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 376. 154 Brief Savignys an Clemens Brentano vom 27. Februar 1810, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 402. 155 Zu der umfangreichen Sailer-Literatur s. den Überblick von Michael Schaich, Art. Sailer, Johann Michael, in: Boehm, 1998, S. 358–361. 156 Funk, 1925, S. 63 und passim. 151 Brief
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rung wieder einmal die polemischen Äußerungen Feuerbachs herhalten müssen.157 Ähnlich tendenziös charakterisierte wenig später der Savigny- Biograph Adolf Stoll Sailer als „Fels, durch den Landshut vor der Ausliefe rung an die rationalistischen Aufklärer um Montgelas bewahrt blieb“.158 Mit dieser Polarisierung und Lagerbildung wurde das Bild von den geisti gen Auseinandersetzungen im Landshut dieser Zeit schematisch über zeichnet. So war bereits davon die Rede, dass das sogenannte „Gönner kränzchen“ in seinen Anschauungen keineswegs homogen war,159 und auch Sailer zog Männer von ganz unterschiedlichen Anschauungen in seinen Bann, wie nicht zuletzt das Beispiel des Protestanten Savigny zeigt. Offen sichtlich nicht in dieses schematisierende Bild passt auch die Tatsache, dass Sailer seine Professur in Dillingen 1794 infolge von Verdächtigungen, er sei ein aufklärerischer „Illuminat“, verlor. Auch als er 1799 unter Kurfürst Max Joseph wieder nach Ingolstadt berufen wurde, verdankte er das gerade seinem Ruf als katholischer „Aufklärer“. Schon aus chronologischen Grün den evident falsch wird das Bild, wenn Funk – wie auch so mancher moder ner Autor – neben Gönner auch Feuerbach zu den „unangenehmen“ Kolle gen Savignys in Landshut rechnet.160 Feuerbach hatte Landshut, wie wir sahen, schon drei Jahre vor Savignys Eintreffen verlassen. Das Verhältnis zwischen Gönner und Savigny muss – jedenfalls aus Sicht Savignys – schon vor seinem Eintreffen in Landshut belastet gewesen sein, wenn er schon anlässlich seines Antrittsbesuchs bei Gönner davon schreibt, dass dieser ihm sehr abgeneigt sein mag.161 Persönlich waren sich beide zuvor aber nie begegnet, so dass der Grund in literarischen Ausein andersetzungen gesucht werden muss. Eine direkte publizistische Kon frontation hatte es bislang aber auch nicht gegeben, zumal die Arbeitsge biete beider recht unterschiedlich waren. Nur am Rande hatte sich Gönner zu Savignys „Recht des Besitzes“ von 1803 geäußert, das er als „schönes Werk“ bezeichnete, dem aber die Verbindung zum gegenwärtigen deut schen Privatrecht fehle.162 Dass Savigny dennoch schon vor seiner Lands 157
Funk, 1925, S. 11, 63, 106 f. Stoll, Bd. 1 (1927), S. 350. 159 S. oben Fn. 50. 160 Funk, 1925, S. 106 rechnet „in erster Linie Gönner und Feuerbach“ zu den „unan genehmen Juristen, deren Kollegenschaft Savigny [bei seinem Weggang nach Berlin] nicht ungern aufgab“. Der Irrtum geht wahrscheinlich auf Landsberg zurück, s. o. Fn. 151. Auch Rückert, 1984, S. 77 sieht Savigny in Landshut „in der Konfrontation mit Köpfen wie Feuerbach und Gönner“ besonders gefordert. 161 S. oben bei Fn. 148. 162 Gönner, 1806, S. 173 Anm. a) und S. 181. Hierzu auch Rückert, 1984, S. 73, dessen Einschätzung, wonach Gönner hier „Savigny bereits als Repräsentant einer bloß gelehr 158
2. Gönner und Savigny 1808 bis 1810
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huter Zeit Gönner als Gegner auffasste, geht auch aus einem kurz vor sei nem Umzug nach Landshut geschriebenen Brief hervor, in der er sich sehr abfällig über eine anonyme Rezension der zweiten Auflage seines „Recht des Besitzes“ äußerte und hinzusetzte: „Daß sie von Gönner sey, kann ich kaum glauben, denn sie ist ja in der Hauptsache gar nicht gegen mich ge richtet.“163 Entscheidender für die von Savigny angenommene Gegnerschaft dürfte sein, dass sich Gönner 1806 zunächst an eher entlegener Stelle und dann ab 1808 in dem von ihm neu gegründeten und vornehmlich durch eigene Bei träge bestückten „Archiv für die Gesetzgebung und Reforme [sic] des ju ristischen Studiums“ generell über die Aufgaben der Rechtswissenschaft und der Gesetzgebung in Bezug auf das Privatrecht der Gegenwart publi zistisch geäußert hatte, und zwar in einer Weise, die Savigny missfallen musste.164 So sprach er sich 1806 dafür aus, bei der wissenschaftlichen Be arbeitung des in Deutschland geltenden Privatrechts den gesamten Rechts zustand der Gegenwart als zusammenhängendes Ganzes im Blick zu ha ben, ohne eine Trennung zwischen römischrechtlichen und deutschrecht lichen Quellen vorzunehmen.165 Eine solche Trennung sei zwar historisch nachvollziehbar, für die wissenschaftliche Bearbeitung und Lehre des Rechts der Gegenwart wegen der vielfachen inhaltlichen Durchmischun gen und Beeinflussungen beider Rechtsbereiche aber untauglich. 1808, also nach Errichtung des Rheinbundes unter napoleonischer Hegemonie und ten Richtung kritisch beleuchtet“ wohl zu weit geht, da Gönner Savignys Schrift nur am Rande erwähnt um deutlich zu machen, zu welchen Problemen eine getrennte Behand lung der romanistischen und germanistischen Rechtsquellen führe. Deutlich kritischer äußerte sich Gönner drei Jahre später zu der Vermengung von historischer und gegen wartsbezogener Erkenntnis am Beispiel der Besitzlehre, ohne aber Savigny beim Na men zu nennen, s. u. bei Fn. 168. 163 Brief Savignys an Creuzer vom 12. September 1808, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 339. Savigny bezog sich auf eine Rezension, die in der Oberdeutschen Allgemeinen Litteratur zeitung, einem wichtigen Medium der katholischen Aufklärung zu Beginn des 19. Jahr hunderts, Jg 1808, Sp. 151–160, 170–176, 184–191 erschienen war. Obwohl der Rezen sent sehr ausführlich, sachlich und mit wohlwollender Grundtendenz (Verfasser be weist „gründliches Quellenstudium, mit Scharfsinn und Geschmack gepaart“) das Werk bespricht, bezeichnete Savigny die Besprechung herablassend als „blos leer und dumm“. 164 Gönners „Archiv“ erschien in den Jahren 1808 bis 1814. Die relativ kurze Er scheinungsdauer war für die damalige Zeit nicht ungewöhnlich, s. Klippel, 1999, S. 20, wonach im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts nicht weniger als 27 neue juristische Zeitschriften auf den Markt kamen, deren durchschnittliche Erscheinungsdauer aber nur bei knapp vier Jahren lag. 165 Gönner, 1806, S. 174 ff., 196. Näher zu dieser Ansicht und weiteren Befürwortern Schäfer, 2008, S. 577.
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dem Ende des alten Reiches, sprach er sich für die Übernahme des Code Napoléon durch die Rheinbundstaaten ohne größere Umarbeitungen aus, da dies unter den bestehenden politischen Rahmenbedingungen die einzi ge realistische Möglichkeit zu einer Rechtsvereinheitlichung zwischen den souverän gewordenen Einzelstaaten sei.166 Eine vorweggenommene Kritik an der Methode der späteren Historischen Rechtsschule lag in der von Gönner beanstandeten Vermengung von historischer Erkenntnis über das antike römische Recht mit Aussagen über das derzeit geltende Recht, so weit dieses sich bewusst anders entwickelt habe.167 Hierbei kam er als Bei spiel auch auf die Besitzlehre zu sprechen, ohne Savigny beim Namen zu nennen. „Was man auf historischem Wege aus dem römischen Recht ent deckt“, soll demnach, so kritisierte Gönner, „nicht historischen, sondern gesetzlichen Werth haben“ und eine seit langem gefestigte Usualinterpre tation automatisch verdrängen.168 „Welche unnatürliche Herrschaft der Doctrin über das Gesetz! Welche Ungewißheit des Rechts in ihrem Gefol ge!“, ruft Gönner aus. Und in Bezug auf die Rollenverteilung zwischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft betonte er, dass beide ihre eigenen, voneinander getrennten Aufgaben haben. Die Rechtswissenschaft solle zwar auf Mängel, Inkonsequenzen und Unbilligkeiten in den Gesetzen hinweisen, es sei aber nicht ihre Aufgabe, die Gesetze selbst zu verbessern, was vielmehr allein dem Gesetzgeber zukomme.169 Entsprechend sprach er sich dafür aus, dass der Gesetzgeber den Rechtsgelehrten, „welche mit ih rer Gelehrsamkeit über das Gesetz herrschen wollen“, „alle Gelegenheit, die Quelle [ein neu geschaffenes Gesetzbuch] zu trüben, sorgfältig ab schneiden“ müsse.170 Die Differenzen zwischen diesen Ansichten Gönners und denen Savig nys, die dieser später in seiner berühmten Streitschrift von 1814 äußern sollte, sind nicht zu übersehen. Wir wollen den inhaltlichen Differenzen an dieser Stelle noch nicht näher nachgehen, da sie von beiden Kontrahenten 1814/15 in größerer Ausführlichkeit behandelt wurden. Für das Aufein andertreffen beider in Landshut ist vielmehr Folgendes entscheidend: Gönner hatte sich zu diesem Zeitpunkt publizistisch bereits klar positio niert, während Savigny seine in der späteren Streitschrift von 1814 zum Ausdruck kommenden Ansichten noch nicht öffentlich geäußert hatte. 166 Gönner, Archiv für die Gesetzgebung, Bd. 1 (1808), S. 188 f., 516; ders., Der Rhei nische Bund, Bd. 12 (1809), S. 48 ff. 167 Gönner, Archiv für die Gesetzgebung, Bd. 2 (1809), S. 248. 168 Gönner, Archiv für die Gesetzgebung, Bd. 2 (1809), S. 248. 169 Gönner, Archiv für die Gesetzgebung, Bd. 2 (1809), S. 250, 252. 170 Gönner, Archiv für die Gesetzgebung, Bd. 1 (1808), S. 133.
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Gönners damalige Ausführungen sind deshalb auch nicht als bewusster Angriff auf Savigny misszuverstehen. Savignys Überzeugungen zu den Aufgaben von Rechtswissenschaft und Gesetzgebung in der Gegenwart waren in seiner Landshuter Zeit aber innerlich wohl schon weit gereift, vermutlich nicht zuletzt auch in einer unausgesprochenen Auseinander setzung mit den Ansichten Gönners.171 Insbesondere dessen Eintreten für eine Rechtsvereinheitlichung durch Gesetzgebung und eine Übernahme des Code Napoléon erregte schon damals Savignys Missfallen, wie aus sei nen brieflichen Äußerungen aus dieser Zeit hervorgeht – später, 1814/15, sollte auch dieses Thema zwischen beiden publizistisch vertieft werden. Hieraus erklärt sich dann wohl, dass Savigny in seiner Landshuter Zeit Gönner zwar nicht im persönlichen Aufeinandertreffen, aber in der priva ten Korrespondenz von Anfang an mit deutlicher Ablehnung, ja sogar Feindschaft begegnete, was er sich im öffentlichen Umgang aber nicht an merken ließ. Symptomatisch hierfür ist die Anrede, die Achim von Arnim, ein enger Freund Savignys, in einem Brief an diesen 1809 wählte: „Lieber Bruder, Freund und Gönner (dabei Feind des Gönners)!“172 Savigny hat Gönner innerlich also schon damals nicht so gelassen ignoriert, wie er ger ne vorgab. 1811 schrieb er aus Berlin an Hufeland rückblickend auf seine Landshuter Zeit: „Gönner hat sich auch in diesen Zeiten [während Savignys Tätigkeit an der Univer sität Landshut 1808–10] benommen seiner Seele würdig, d. h. völlig charakterlos, ohne Wahrheit und Ehre, obgleich nicht ohne Verstand. Vor dem Krieg lobte er im Archiv nach der Reihe bis zur Unverschämtheit die Französische, Russische, Ös terreichische Gesetzgebung, ungewiß, von welcher Uniform wir Einquartierung bekommen würden. Noch während des Krieges sprach er sehr zweydeutig, und nur erst als die Schlachten verloren waren, nahm er entschieden Partey.“173
Was Savigny hier über Gönners Ansichten schrieb und in ähnlicher Form später von Landsberg wiederholt wurde (Gönners Beiträge im Archiv seien „liebedienerisch, fast servil und aller patriotischen Rückhaltung bar“174), hat einen wahren Kern, ist im Übrigen aber polemisch stark übertrieben. Der wahre Kern besteht darin, dass Gönners Eintreten für den Code Napoléon zur damaligen Zeit sicher nicht ganz ohne Opportunismus er folgte. Allerdings war seine Ansicht in dieser Frage niemals zweideutig 171 Den entscheidenden Anteil von Savignys Landshuter Zeit an der Ausbildung der Ansichten der Historischen Rechtsschule, auch wenn Savigny damit noch nicht publi zistisch hervortrat, betont Rückert, 1984, S. 88, 118. 172 Arnim an Savigny, 26. September 1809, in: Härtl, 1982, Nr. 25, S. 46. 173 Brief Savignys an Hufeland vom 9. April 1811, in: Stoll, Bd. 2 (1929), S. 71. 174 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 154.
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II. Kollegen an der Universität Landshut
und er konnte gute sachliche Gründe dafür ins Feld führen, warum eine Rechtsvereinheitlichung in Deutschland durch Gesetzgebung erfolgen sollte und eine solche in der damaligen politischen Situation und angesichts des Fehlens einer Zentralgewalt realistischerweise nur durch eine mehr oder minder stark modifizierte Rezeption der napoleonischen Gesetzbü cher durch die Rheinbundstaaten in Betracht kam. Dieser Meinung waren damals neben Gönner auch zahlreiche weitere Autoren wie Almendingen, Eggers, Seidensticker, Jaup und andere, und zwar auch noch dann, als Napoleons Interesse an einer Einflussnahme auf die inneren Verhältnisse in den Rheinbundstaaten seit 1809 geschwunden war.175 Auch Feuerbach sprach sich 1808 gegenüber Montgelas und 1809 im bayerischen Geheimen Rat vehement für die Übernahme des Code Napoléon in Bayern mit mög lichst wenigen Modifikationen aus.176 Entsprechend basierten auch Feuer bachs frühe Entwurfsarbeiten zu einem bayerischen Zivilgesetzbuch, die uns noch an späterer Stelle beschäftigen werden, ganz auf dem Code Napoléon.177 Unter den geänderten politischen Rahmenbedingungen und dem schwindenden französischen Einfluss auf die bayerische Innenpolitik distanzierte sich Feuerbach dann aber 1810 von seinem eigenen Entwurf und propagierte ab 1811 den Meinungsumschwung im Geheimen Rat zu gunsten eines auf dem Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis basieren den Zivilgesetzbuch.178 Als Gönner 1811 an den Entwurfsarbeiten für ein bayerisches Zivilgesetzbuch beteiligt wurde, war die politische Vorent scheidung im Geheimen Rat gegen den Code Napoléon und für den Codex Maximilianeus als Vorlage bereits gefallen. In der öffentlichen Auseinan dersetzung mit Savigny 1815 blieb Gönner seiner Meinung insoweit treu, als er den Code Napoléon angesichts der veränderten politischen Rahmen bedingungen zwar nicht mehr als Vorlage für eine Rechtsvereinheitlichung in Deutschland empfahl, ihn aber weiterhin als ein für Frankreich gutes Gesetzbuch lobte.179 Frühe öffentliche Kritik an Gönners Eintreten für eine Übernahme des Code Napoléon kam zwar nicht von Savigny, aber ironischerweise gerade 175 Zahlreiche Nachweise zu den genannten und weiteren Autoren bei Schöler, 2004, S. 51, 54. 176 S.u. bei Fn. 215 und 220. Feuerbach war seit 1808 Mitglied des damals neu ge schaffenen Geheimen Rats; zu diesem Gremium und seinen Mitgliedern s. u. bei Fn. 219. 177 Näher unten bei Fn. 215 ff. 178 S.u. bei Fn. 2 27 sowie den Vermerk Feuerbachs von 1813 (Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 258), wo er den Code Napoléon als ein für Bayern nicht passendes, fremdes Gesetz buch bezeichnete und den Umschwung zu einer Revision des Codex Maximilianeus als „gewiß sehr zweckmäßig“ lobte. 179 Gönner, 1815, S. 165. Hierzu unten bei Fn. 610.
2. Gönner und Savigny 1808 bis 1810
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von dessen primärem Gegner im späteren Kodifikationsstreit, Thibaut, der sich in den – wie Gönners Archiv seit 1808 erscheinenden – Heidelbergi schen Jahrbüchern der Literatur teilweise kritisch zu den genannten Thesen Gönners im „Archiv“ äußerte und die rhetorische Frage stellte: „Wir fragen Herrn G., ob die Jurisprudenz noch viel zu wünschen übrig behalten hätte, wenn classische Juristen, wie Savigny, das ganze römische Recht historisch bearbeitet, und dadurch dem philosophischen Juristen Gelegenheit gege ben hätten, sich durch ein geläutertes historisches Material zu vollständi gen gediegenen raisonnirenden Ansichten zu erheben?“180 Thibaut teilte zwar grundsätzlich Gönners Anliegen einer Rechtsvereinheitlichung durch Gesetzgebung, lehnte aber die Übernahme des Code Napoléon ohne genaue Detailprüfung als übereilt ab, da dies „die Summe unsers Unglücks sehr vermehren könnte“.181 Später (1815/16) sollten sich die Ansichten bei der in dieser Frage sehr stark annähern, indem Thibaut 1816 in den Heidel bergischen Jahrbüchern (abweichend von seinem berühmten Gesetzge bungsaufruf von 1814) die realistische Einschätzung Gönners teilte, wo nach es wahrscheinlich nicht zu einem allgemeinen Gesetzbuch für ganz Deutschland kommen werde, so dass es wünschenswert sei, dass zumin dest die mittelgroßen Länder, die noch kein eigenes Zivilgesetzbuch haben, sich auf ein gleichförmiges bürgerliches Recht verständigen.182 Die damals schon latente Auseinandersetzung zwischen Savigny und Gönner in der Rechtsquellenfrage spiegelt sich auch im Landshuter Lehr angebot beider wider. Savigny las in Landshut ausschließlich römisches Recht (Institutionen und Pandekten) und Rechtsgeschichte, ohne Bezug zum französischen Recht oder zum bayerischen Partikularrecht.183 Sein Vorgänger Hufeland hatte hingegen 1808 seine Pandektenvorlesung „mit durchgängiger Beziehung auf den Code Napoléon und die königlich baie rischen Provinzialrechte“ angekündigt.184 So sprang Gönner in die Bresche und bot, obwohl Professor für Staatsrecht, von 1808 bis zu seinem Weg 180 Vgl. die Rezensionen von Gönners Archiv in den Heidelbergischen Jahrbüchern der Literatur, 2. Abt.: Jurisprudenz und Staatswissenschaften, 1808, S. 267 ff., 1810, S. 65 ff. (Zitat auf S. 71). Die Rezensionen erfolgten ohne Nennung des Autors; Thibaut bekannte jedoch in einem Brief an Savigny, dass er der Autor sei (Brief vom 8. Januar 1809, in: Polley, 1982, Bd. 2, S. 251: „Der Recensent des Gönnerschen Archivs führt mei nen Namen, und ist sehr über Ihr gütiges Urtheil erfreut.“). 181 Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, 2. Abt.: Jurisprudenz und Staatswissen schaften, 1808, S. 274. 182 Thibaut, 1816, S. 200. 183 Strasser, 2001, S. 48; Rückert, 1984, S. 72. 184 Verzeichniss der an der königlichen Ludwig-Maximilians-Universität zu Lands hut im Sommersemester 1808 zu haltenden Vorlesungen, S. 11.
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II. Kollegen an der Universität Landshut
gang aus Landshut 1811 auch Vorlesungen über den Code Napoléon und das französische Handelsgesetzbuch an.185 Landshut war darin kein Ein zelfall, fast alle Universitäten in Deutschland boten damals Vorlesungen zum Code Napoléon an, woran sich unter anderen auch Hugo in Göttin gen und Thibaut in Heidelberg beteiligten.186 Über die Lehrtätigkeit Gön ners und Savignys in Landshut schrieb Zentner in einem internen Bericht an das Ministerium: „In der Section für Rechtskunde zeichnet sich Gönner durch seine vielseitige juridische Kenntnisse, durch seine Geistesgewandt heit, leichte Fassungs- und Darstellungs-Gabe als Lehrer und Schriftstel ler aus … Savigny gehört unter die ausgezeichneten römischen Juristen, er lehrt fleißig und mit Beyfall, nur für seine Zuhörer etwas zu weitläufig.“187 Ganz ähnlich schrieb später der Justizminister Reigersberg über Gönner als Mitglied der Gesetzgebungskommission: Gönner „besizet einen hellen Blick, ausgebreitete Kenntnisse, und verbindet mit vieler Geschäfts-Übung eine grosse Gewandheit in Geschäften, und eine seltene Klarheit in seinen Darstellungen.“188 Savigny blieb nur drei Semester in Landshut. Im Januar 1810 erreichte ihn ein Brief Wilhelm von Humboldts mit dem Angebot einer Professur für römisches Recht an der neu zu gründenden Berliner Universität.189 Savigny sagte freudig zu und verhandelte mit seinem bayerischen Dienst herrn um eine Abkürzung seiner sechsmonatigen Kündigungsfrist, um bereits zum Sommersemester 1810 nach Berlin gehen zu können.190 Mit den beiden neuen Privatdozenten Unterholzner und Mittermaier sei das römische Recht auch ohne ihn in Landshut hinreichend abgedeckt.191 Auch 185 Verzeichnisse der an der königlichen Ludwig-Maximilians-Universität zu Lands hut zu haltenden Vorlesungen 1808–1811; im Wintersemester 1809/10 kündigte Gönner seine Vorlesung zum Code Napoléon „mit Rücksicht auf die Modificationen seiner Reception in den vorzüglichsten Staaten der rheinischen Conföderation“ an. 186 Einen Überblick über das damalige Vorlesungsangebot zum Code Napoléon an den deutschen Universitäten gibt Schäfer, 2008, S. 454; für die Jahre nach 1814 Haferkamp, 2005, S. 51 ff. 187 Jahresbericht von der Section für die öffentlichen Unterrichts- und Erziehungs anstalten des inneren Ministeriums 1808/9, Beilage: Karacteristik des Lehrpersonals an der Universität Landshut in intellectueller und politischer Beziehung, BayHStA MInn 44703. 188 Antrag Reigersbergs an den König das Gesuch Gönners um Ernennung zum Staatsrat betreffend, o. D. (Juni 1817), in: BayHStA Staatsrat 1741. 189 Stoll, Bd. 1 (1927), S. 355 zum Brief Humboldts an Savigny vom 11. Januar 1810. Über einen zweiten Brief Humboldts und seine positive Antwort auf dessen Angebot schreibt Savigny an Clemens Brentano am 27. Februar 1810, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 402. 190 Savigny bat mit Schreiben vom 18. März 1810 um vorzeitige Entlassung, in Stoll, Bd. 1 (1927), S. 407. 191 Unterholzner ging allerdings bereits 1811 nach Breslau. Mittermaier, der in
2. Gönner und Savigny 1808 bis 1810
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Feuerbach setzte sich in München für Savignys vorzeitige Entlassung ein.192 Im April erhielt er die begehrte Entpflichtung und reiste am 2. Mai 1810 aus Landshut ab.193 Gönner sollte er persönlich nie wieder sehen. Literarisch kreuzten sich ihre Wege jedoch fünf Jahre später erneut und in grundlegender Weise.194 Bettina Brentano, die damals noch unverheiratete Schwester von Savignys Ehefrau Kunigunde, hat in einem Brief an Goethe die Abreise aus Landshut farbig geschildert195 , bei der einige „der geliebtes ten Schüler von Savigny“ die Reisegesellschaft auf der ersten Etappe beglei teten, darunter Johann Nepomuk Ringseis („ein treuer Hausfreund …in seiner Brust hämmerts wie in einer Schmiede, er will oft vor Begeistrung zerspringen“) und Eduard von Schenk („hat weit mehr äuserliche Bildung wie alle andre Baiern …sehr kindisch und äußerst ausgezeignet im Studie ren“), die beide bei der letzten Intrige gegen Gönner, kurz vor seinem Tode 1827, noch eine entscheidende Rolle spielen sollten.196 Unterdessen hatte sich Gönner mit einigen seiner Beiträge im „Archiv“ auch den Unwillen seines bayerischen Dienstherrn zugezogen. Anstoß nahm man hier nicht an seinem Lob für ausländische (insbesondere die französische) Gesetzgebung, sondern an seiner Kritik der Rechtsprechung bayerischer Gerichte. Gönner verband hierbei fachliche mit persönlichen Ambitionen, kritisierte in seinem Archiv Gerichtsentscheidungen, an de nen er selbst als Partei beteiligt war und schreckte offenbar auch nicht da vor zurück, in einem Prozess mit der „Geißel der Publicität“, das heißt mit einer kritischen Berichterstattung über das Verfahren in seinem Archiv zu drohen. 1810 erhielt er deswegen einen königlichen Verweis (der allerdings nicht mit disziplinarischen Konsequenzen verbunden war), in dem es hieß, „daß Hofrath und Professor Gönner in Landshut seit mehreren Jahren ge gen die Gerichtsstellen und Tribunale, welche mit den zudringlichen Kla Landshut studiert hatte und kurzzeitig Privatsekretär Feuerbachs in München gewesen war, blieb bis 1819 in Landshut und lehrte hier neben Strafrecht auch deutsches Privat recht und Rechtsgeschichte, jedoch nicht römisches Recht. 192 Dies ergibt sich aus einem Vermerk Zentners in der Personalakte Savignys, BayHStA MInn 23510. 193 Das Entlassungsdekret vom 17. April 1810 in UAM E II 287. 194 S. unten Kapitel IV. 195 Brief Bettina Brentanos an Goethe vom 13. Juli 1810, hier zitiert nach der origina len Brieffassung in: Steig, 1922, S. 169–172, Zitate auf S. 170; besser bekannt ist Bettinas spätere Umdichtung der Briefe in „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“, in der sie manches charakteristische Detail geglättet hat (aus der Charakterisierung Schenks als „sehr kindisch“ wurde etwa „angenehm kindlich“). Ringseis, der damals in Landshut Medizin studierte, war kein Schüler Savignys im fachlichen Sinne, aber über die Ver mittlung Sailers gelegentlicher Gast im Hause Savignys. 196 S. unten Kapitel V.
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II. Kollegen an der Universität Landshut
gen seiner Gläubiger sich zu beschäftigen haben, sich nicht nur eine gegen die Regeln der Gerichtszunft und der Unterordnung laufende Sprache er laube und die Gerichte … mit der Geißel der Publicität zu bedrohen sich unterfang, sondern daß er auch wirklich in seinem Archiv über die Gesetz gebung und Reform des juristischen Studiums eine Critik über das in sei nem Schuldenwesen erfolgte Erkenntniß des Oberappellationsgerichts eingerückt habe, worin er dasselbe als voreilig und unsinnig angab“.197 Tat sächlich hatte Gönner in seinem Archiv unter der Rubrik „Beiträge zur Umarbeitung der königlich baierischen Gerichtsordnung“ das prozessuale Vorgehen eines Gerichtes in einem konkreten Fall scharf kritisiert („Un sinniger habe ich in meinem Leben nichts gelesen als dieses Urteil“), ohne allerdings das betroffene Gericht und seine persönliche Beteiligung an dem Verfahren offenzulegen.198 Von Gönners beträchtlichen Schulden zu dieser Zeit und den diversen Klagen seiner Gläubiger war ja bereits die Rede.199 Eine nicht geringe Genugtuung wird es für ihn gewesen sein, dass er den Prozess schließlich vor dem Oberappellationsgericht gewann, was er dem König unter Hinweis auf das „tief kränkende Rescript“, das er in dieser Sache vom König erhalten habe, umgehend schriftlich mitteilte.200 1812 wurde ihm nach einem Vermerk in seiner Personalakte jedoch erneut eine „ungebührliche Schreibart“ gegenüber den Justizbehörden vorgeworfen.201
197 Verfügung des Königs Maximilian Joseph vom 7. April 1810, UAM E II 98. Zu den finanziellen Schwierigkeiten Gönners in den Jahren 1808 bis 1810 und den von sei nen Gläubigern angestrengten Prozessen s. o. bei Fn. 127. 198 Gönner, Archiv für die Gesetzgebung, Bd. 3 (1810), S. 146 ff. (Zitat auf S. 148). 199 S. o. bei Fn. 127. 200 Schreiben Gönners an König Max Joseph vom 30. Juli 1811, BayHStA MInn 23254. 201 Eigenhändiger Vermerk des Justizministers von Reigersberg vom 12. April 1812 in BayHStA MInn 23254.
III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen im frühen 19. Jahrhundert 1. Die Arbeiten an einem bayerischen Zivilgesetzbuch Die Wertschätzung, die Gönner bei seinem bayerischen Dienstherrn ge noss, konnten die zuletzt geschilderten Vorkommnisse offensichtlich nicht nachhaltig erschüttern. 1808 war er, ebenso wie Feuerbach, durch Verlei hung des neu eingerichteten Zivilverdienstordens der bayerischen Krone in den Adelsstand erhoben worden 202 , 1809 wurde ihm das Prädikat „Ge heimer Rat“ verliehen 203 und im Februar 1811 schließlich wurde er vom neuen Justizminister Graf Reigersberg204 zum Mitglied der kurz zuvor beim Justizministerium in München für die Zivilgesetzbucharbeiten gebil deten Gesetzgebungskommission ernannt. Da keine adäquate Stelle für ihn im Justizministerium frei war, man ihn aber dauerhaft für Gesetz gebungsarbeiten in München benötigte, wurde ihm 1812 anstelle seines bisherigen Professorenamtes in Landshut und ungeachtet seiner von höchster Stelle gerügten „ungebührlichen Schreibart“ gegenüber den Ge richten das Amt eines zweiten Direktors am Appellationsgericht des Isar kreises übertragen.205 Zugleich sollte er sich aber als Mitglied der Gesetz gebungskommission in erster Linie um Gesetzgebungsarbeiten kümmern. 202 Die Verleihung erfolgte für beide am 19. Mai 1808. Beiden wurde später auch der kaiserlich russische St. Annen-Orden verliehen (Feuerbach 1811, Gönner 1820). Gönner wurde zudem Träger des großherzoglich hessischen Hausordens (seit 1820) und des kö niglich württembergischen Ordens der Krone (seit 1822). 203 BayHStA MInn 23254. 204 Heinrich Aloys Graf von Reigersberg hatte als Kammerrichter seit 1803 die höchste Stelle am Reichskammergericht bekleidet und war nach dessen Auflösung 1806 zunächst Präsident des Hofgerichts und nach der Gerichtsreform Präsident des Ober appellationsgerichts in München geworden. Zum dirigierenden Minister des Justiz- Departements wurde er im August 1810 im Alter von erst 40 Jahren ernannt. 205 Verfügung vom 8. Dezember 1812, UAM E II 98. Das etatmäßige Gehalt als Di rektor des Appellationsgerichts in Höhe von 2500 Gulden wurde um 500 Gulden aufge stockt, um sein bisheriges Professorengehalt zu erreichen. Gönner wäre eine direkte Anstellung im Justizministerium zweifellos lieber gewesen, worauf er bereits im Sep tember 1811 Graf Reigersberg gegenüber drang (BayHStA MInn 23254).
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Der Gesetzgebungskommission gehörte für die Arbeiten an einem Zivil gesetzbuchentwurf neben dem eher zurückhaltenden Adam von Aretin 206 und nunmehr Gönner nur noch eine Person an: Feuerbach. Dieser gab spä ter in einem larmoyanten Rückblick auf den Undank, der ihm vom bayeri schen Staat zuteil geworden sei, als Anlass für die von ihm zweifellos nicht gewünschte erneute Zusammenarbeit mit seinem noch immer als „Tod feind“ bezeichneten ehemaligen Kollegen an, dass Gönner auf Drängen Aretins hinter seinem Rücken durch Graf Reigersberg in die Kommission berufen worden sei.207 Im Interesse der Kommissionsarbeiten habe man sich aber ausgesöhnt und arbeite ohne jede Rivalität einträchtig zusammen, wie sowohl Feuerbach als auch Gönner unabhängig voneinander und wohl nicht frei von Zweckoptimismus versicherten.208 1810 hatte Feuerbach in einem Brief an seinen Vater noch damit gedroht, für den Fall, dass sich ein nicht näher spezifiziertes Gerücht über Gönner bewahrheiten sollte, „er [Gönner] von meinen zwei Pistolen, die immer geladen auf meinem Büreau liegen, die eine gewiß an den Kopf bekommen“ würde.209 Die Kunde von der Aussöhnung und engen Zusammenarbeit der ehemaligen Todfeinde verbreitete sich schnell in den interessierten Kreisen, denn schon im März 1811 berichtete Sailer aus Landshut brieflich an Savigny von dieser Aus söhnung210 und im Januar 1812 schrieb Savigny an Feuerbach:
206 Nicht zu verwechseln mit seinem weitaus bekannteren Bruder Christoph von Aretin, der als Oberbibliothekar der Hofbibliothek im Rahmen der Klostersäkularisa tion entscheidenden Anteil an der Verbringung wertvoller Buchbestände nach München hatte, als ehemaliger Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften Wortführer des fremdenfeindlichen Lagers im unrühmlichen „Nordlichterstreit“ war und der 1816, nach dem Scheitern des von der hier genannten Kommission erarbeiteten Entwurfs, mit neuen Entwurfsarbeiten beauftragt wurde (s. u. bei Fn. 260). Adam von Aretin scheint hingegen ein eher ausgleichender Charakter gewesen zu sein, der bereits seit 1788 im bayerischen Staatsdienst stand und seit 1808 Mitglied des Geheimen Rats und der Ge setzgebungskommission war; zu ihm Ernst, 2002, S. 577 ff.; Schärl, 1955, S. 121 (Nr. 79). Auf Grund einer Verwechselung der beiden Brüder hält Behme, 2014, S. 119, Christoph von Aretin irrtümlich für den Mitredaktor. 207 Feuerbach, Dank und Belohnung, welche ich für meine legislativen Arbeiten er halten habe (1. April 1813), in: ders., 1853, Bd. 1, S. 257–265, hier: S. 259. 208 Feuerbach, wie Fn. 207, S. 259: „Um durch persönliches Mißverhältniß nicht dem Geschäft hinderlich zu sein, söhnte ich förmlich und – anders kann mein Herz nicht – aufrichtig mich mit Gönner aus. Ohne jede Rivalität gab ich mich aus reiner Liebe zur Sache hin.“ Gönner in einem Schreiben vom 7. September 1811 an Graf Reigersberg (BayHStA MInn 23254): Die Aussöhnung mit Feuerbach sei „durch keine Verschieden heit der Ansichten mehr getrübt“. 209 Brief Feuerbachs an seinen Vater vom 11. März 1810, in: ders., 1853, Bd. 1, S. 190. 210 Brief Sailers an Savigny vom 23. März 1811, in: Schiel, 1952, Bd. 2 , S. 358.
1. Die Arbeiten an einem bayerischen Zivilgesetzbuch
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„Mit Erstaunen habe ich durch öffentliche und Privatnachrichten erfahren, daß von Ihnen, Gönner und Aretin ein Gesetzbuch, gegründet auf das alte Landrecht, be arbeitet werde. Die Erlaubniß zur Benutzung dieser Quelle mit Beyseitsetzung einer bekannten viel neueren ist dabey eben so auffallend, als die Zusammensetzung des Personals, und über beides wünsche ich sehr, einige Aufklärung zu erhalten.“211
Was war geschehen, das Savigny so in Erstaunen versetzte? In der Tat ging die Berufung Gönners in die Gesetzgebungskommission einher mit einem auffälligem Abrücken vom Code Napoléon (die „bekannte viel neuere“ Quelle im Brief Savignys) als Vorlage für das neue bayerische Zivilgesetz buch zugunsten einer Rückorientierung an dem Codex Maximilianeus Kreittmayrs (das „alte Landrecht“ im Brief Savignys). Die bayerischen Be mühungen um ein neues Zivilgesetzbuch gingen zurück auf das Jahr 1808 und wurden befördert durch den erheblichen Gebietserwerb Bayerns im Zuge von Säkularisation, Reichsdeputationshauptschluss und napoleoni schen Kriegen und der dadurch bedingten starken Rechtszersplitterung im neuen Königreich, was in den Motiven zum späteren Entwurf von 1811 an dem (nicht übertriebenen) Beispiel illustriert wird, dass es im Justizbezirk Erlangen Dörfer gebe, „wo in verschiedenen Hausnummern des nämlichen Dorfes verschiedene Geseze gelten“.212 Konkret ausgelöst wurden die Ge setzgebungsarbeiten aber erst durch unmissverständlichen Druck Napo leons. In der geheimen Staatskonferenz vom 20. Januar 1808 berichtete Montgelas über seine Unterredung mit Napoleon in Mailand im Dezember 1807: „Seine Majestaet der Kaiser Napoleon habe … wegen Einführung des Code Napoléon auf eine Art erwehnet, daß man sich habe überzeugen konnen, es müße hierin etwas geschehen.“213 Daraufhin ordnete König Max Joseph auf Vorschlag Montgelas an, „in dem Königreiche Baiern den Code Napoléon als Grundlaage einer allgemeinen Civilgesezgebung für 211 Brief
Savignys an Feuerbach vom 18. Januar 1812, in: Kadel, 1990, S. 74. Motifs zum ersten Theile des revidirten Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: Demel/Schubert, 1986, S. 96. Insbesondere in den neu erworbenen fränkischen Lan desteilen fanden in vielen Dörfern je nach Hausnummer verschiedene Rechte Anwen dung, in den Dörfern des Amtsgerichtsbezirk Erlangen etwa Bayreuther, Ansbacher, Bamberger oder Nürnberger Recht. Da diese Rechtszersplitterung im Zivilrecht bis 1900 andauerte, behalf sich die Praxis mit Zusammenstellungen, die für jedes Dorf unter An gabe der Hausnummern das jeweils geltende Recht auflisteten (vgl. Völderndorff, 1880, S. 226 f. mit genauer Auflistung der in den Dörfern des Amtsgerichtsbezirks Erlangen geltenden Rechte). Gönner griff das Beispiel später wieder auf, um die Notwendigkeit einer Rechtsvereinheitlichung innerhalb Bayerns zu illustrieren: Gönner, 1815, S. 124. 213 Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 56. Zuvor hatte Montgelas bereits in einer Denkschrift an den König über Napoleons dringlichen Wunsch auf Einführung des Code Napoleon in Bayern berichtet, vgl. Fehrenbach, 1974, S. 135; Weis, 2005, S. 365. 212
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
das gesamte Reich anzunehmen, daßelbe durch eine anzuordnende Com mißion die hiernach nöthige Vorarbeiten herstellen und prüfen laßen solle, auf welche Art derselbe mit den bisher bestandenen Grundsäzen und Lan desgebräuchen in Übereinstimmung gesezet und zur allgemeinen Norme und Richtschnur im ganzen König-Reiche, so bald immer thunlich, publi ciret werden könne“.214 Die Entwurfsarbeiten wurden zunächst allein Feuerbach übertragen, der noch im Januar 1808 mit den Arbeiten begann und sich in einem sämtlichen Ministerien zugeleiteten schriftlichen Vortrag nachdrücklich für eine Bei behaltung der Grundprinzipien des Code Napoléon im neuen b ayerischen Zivilgesetzbuch aussprach, wobei die von der französischen Revolution geprägte egalitäre, freiheitliche und säkulare Ausrichtung des Code durch eine Anpassung an die bayerischen Verhältnisse nicht angetastet werden dürfe.215 Bereits ab Ende April 1808 legte Feuerbach seine Teilentwürfe, die sich in Aufbau und Inhalt tatsächlich eng an den Code Napoléon anlehnten, einer unter dem Vorsitz des damaligen Justizministers Graf Morawitzky ad hoc gebildeten Kommission vor, die zunächst über den Zivilgesetzbuch entwurf und danach auch über Feuerbachs Strafgesetzbuchentwurf beriet. Die Kommission bestand aus neun Juristen, Ministerialbeamten und hohen Richtern, und arbeitete unter hohem Zeitdruck, da nach dem königlichen Auftrag die Beratungen sowohl des Zivil- als auch des Strafgesetzbuch entwurfs bis Oktober 1808 abgeschlossen sein sollten.216 214 Protokoll der geheimen Staatskonferenz vom 20. Januar 1808, in: Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 63. 215 Der Vortrag vom 28. Januar 1808 wurde später von Feuerbach unter dem Titel „Betrachtungen über den Geist des Code Napoléon …“ veröffentlicht in: Feuerbach, 1812, S. 3 –69. Der Vortrag war nicht allein an Montgelas gerichtet, wie Dölemeyer, 1975, S. 141 schreibt, sondern wurde „sämtlichen hohen Ministerien mitgeteilt“, wie Feuerbach in seinem späteren Vortrag vom 8. November 1809 gegenüber dem Geheimen Rat erwähnte (Feuerbach, 1993, S. 145). 216 In der Literatur (vgl. Schubert, 1977a, S. 167 f.; Behme, 2014, S. 26) ging man bisher davon aus, dass sich die genaue Zusammensetzung der den Zivilgesetzbuchentwurf beratenden Kommission nicht mehr feststellen lasse, da die maßgeblichen Akten des Justizm inisteriums im Zweiten Weltkrieg verbrannt sind. Dabei wurde übersehen, dass es sich um die gleiche Kommission handelte, die im Anschluss an den Zivilgesetzbuch entwurf auch den Strafgesetzbuchentwurf beriet und in diesem Zusammenhang die Bildung und genaue Zusammensetzung der Kommission bis heute überliefert ist (An merkungen zum bay. StGB, 1813, Bd. 1, S. 13 ff.; Geisel, 1929, S. 15; ungenau Schimke, 1996, S. 295). Die Kommission wurde durch königliches Reskript vom 25. April 1808 gebildet und bestand neben dem Justizminister Graf Morawitzky aus Graf Reigersberg (damals Präsident des bayerischen Hofgerichts, später Morawitzkys Nachfolger als Justizminister), Feuerbach, den geheimen Räten im Justizministerium Johann Nepomuk v. Effner und Nikolaus Frhr. v. Stengel, dem Direktor der obersten Justizstelle (dem späteren Oberappellationsgericht) Franz Arnold Frhr. von der Becke sowie aus den
1. Die Arbeiten an einem bayerischen Zivilgesetzbuch
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Im Anschluss an die Kommissionsberatungen wurde der Zivilgesetz buchentwurf ab August 1808 der geheimen Staatskonferenz und ab Febru ar 1809 zusätzlich auch dem Geheimen Rat vorgelegt.217 Der auf Grund lage der bayerischen Verfassung von Mai 1808 nach französischem Vorbild neu gebildete Geheime Rat, der erstmals im Januar 1809 zusammentrat, diente der „Berathschlagung über die wichtigsten inneren Angelegenhei ten des Reichs“.218 Ihm gehörten anders als der bisherigen Staatskonferenz nicht nur der König und die Minister an, sondern auch zwischen zwölf und sechzehn geheime Räte, darunter hohe Beamte bürgerlicher Herkunft wie Zentner und Feuerbach, aber auch einflussreiche Vertreter des altbayeri schen Adels wie die Grafen von Arco, Preysing und Törring.219 Im Dezem ber 1809 rechtfertigte Feuerbach vor diesem Gremium nochmals den Leit gedanken des Entwurfs, „den Code Napoléon in seinen ihm wesentlichen Bestimmungen überall aufrechtzuerhalten, nichts zu ändern als wo er schlechterdings unanwendbar oder evident nachteilig gewesen sein würde, mit anderen Worten, einen Code Napoléon zu liefern, so wie ihn die fran zösischen Gesetzgeber geschrieben haben würden, wenn sie ihn für Deut sche und für Bayern insbesondere hätten schreiben wollen“.220 In einem literarischen Beitrag pries Feuerbach wenig später die französische Gesetz gebung als „für uns ein Muster der Gesetzgebung“.221
euen Landesteilen Georg Michael Weber (damals Direktor des Hofgerichts in Bam n berg und Verfasser eines vierbändigen Werkes über das Bamberger Landrecht; zu ihm Mertens, 2013, S. 103 f.), dem Regierungsdirektor Georg Karl Friedrich Bandel aus Ans bach und dem Hofgerichtsrat Septimus Kienlen aus Memmingen. 217 Zu den Einzelheiten der Beratungen und den dort beschlossenen Abweichungen vom Code Napoléon insbesondere im Erb- und Hypothekenrecht und bei den Grund renten vgl. Fehrenbach, 1974, S. 135 ff.; Dölemeyer, 1975, S. 142 ff.; Schubert, 1977a, S. 167 ff.; ders., 1986, S. VII ff.; Behme, 2014, S. 21 ff. Der Entwurf wurde von Schubert, 1986, ediert unter Zugrundelegung der von der geheimen Staatskonferenz gebilligten Fassung und ergänzt um die dort nicht mehr behandelten Teile. 218 Titel III §§ 2 f. der bayerischen Verfassung vom 1. Mai 1808. 219 Organisches Edikt die Bildung des Geheimen Raths betreffend vom 4. Juni 1808, in: Schimke, 1996, S. 365–369; zu den Mitgliedern 1808/9 s. ebda, S. 366, Fn. 69; Die Pro tokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 24 ff.; Demel, 1983, S. 21 ff. 220 „Allerunterthänigster EinleitungsVortrag das bürgerliche Gesezbuch für das Königreich Baiern oder die Frage betreffend: Was ist Baierns Absicht bei seiner neuen Gesezgebung?“, vollständig ediert in: Feuerbach, 1993, S. 136–169 (Zitat S. 141 f.); teil weise abgedruckt in Schimke, 1996, S. 270 ff. und in Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 162 ff. Der schriftliche Vortrag datiert vom 8. November 1809 und wurde in der Sitzung des Gehei men Rates vom 7. Dezember 1809 vorgetragen; im Protokoll dieser Sitzung sind Feuer bachs Darlegungen gekürzt wiedergegeben: Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 558 ff. 221 Feuerbach, Blick auf die teutsche Rechtswissenschaft (1810), in: ders., 1993, S. 189.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Feuerbachs eloquentes Eintreten für eine möglichst treue Rezeption des Code Napoléon stieß im Geheimen Rat jedoch auf deutlichen Widerstand, und zwar von verschiedener Seite. Zum einen gab es grundsätzliche Kritik von Seiten der konservativen Feudalherren. So wandte sich Graf Arco, des sen Schwester mit Montgelas verheiratet war, in einer ausführlichen Stel lungnahme gegen die von Feuerbach propagierten, den Forderungen der französischen Revolution entlehnten Grundsätze und Graf Törring wider sprach auch Feuerbachs Prämisse, eine Rezeption des Code Napoléon sei aus außenpolitischen Gründen notwendig.222 Aber auch von Zentner, dem einflussreichsten Ministerialbeamten der Regierung Montgelas’, gab es ein gehende Kritik an der zu engen Anlehnung an den Code Napoléon.223 Wohl nicht zufällig wurde diese Kritik in einer Phase laut, als der außen politische Druck auf die Rheinbundstaaten, ihre innere Gesetzgebung dem französischen Modell anzupassen, seit dem Erfurter Kongress im Herbst 1808 deutlich abnahm.224 Zunächst wurden die Beratungen über das neue Gesetzbuch, die 1808 noch unter hohem zeitlichen Druck erfolgt waren (ursprünglich war ein Inkrafttreten des neuen Gesetzbuchs im Januar 1809 geplant), nunmehr im Geheimen Rat auffällig auf die lange Bank gescho ben. Zwischen Dezember 1809, als Feuerbach seinen Vortrag hielt, und September 1810 fanden keine Beratungen statt. In der Sitzung vom 6. Sep tember 1810 entschied dann der König nach kontroverser Debatte auf Vor schlag Zentners, den Entwurf einer neuerlichen Gesamtrevision durch den Geheimen Rat zu unterziehen, wobei neben dem Code Napoléon „auch der Codex Maximilianeus und andere bewährte Gesezbücher rüksichtlich der besondern Verhältniße des Königreichs“ herangezogen werden sollten.225 Dazu kam es aber nicht. Bezeichnenderweise setzte sich ausgerechnet Feuerbach, der bislang mit dem ihm eigenen Pathos die Vorteile einer Re zeption des Code Napoléon gepriesen und in seinem Vortrag vor dem Ge heimen Rat durch die neue bayerische Konstitution „das Fundament der alten Gesetzgebung nicht bloß erschüttert, sondern größtenteils unter 222 Auszugsweise Wiedergabe der Stellungnahmen der Grafen Arco und Törring in: Schimke, 1996, S. 276 ff., 285 f.; ausführliche Inhaltsangabe in: Die Protokolle des Baye rischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 651 ff. Die schriftlichen Stellungnahmen lagen bereits in der Sitzung vom 7. Dezember 1809 vor, waren aber noch nicht an alle Mitglie der des Geheimen Rates verteilt worden, weshalb sie in dieser Sitzung nicht behandelt wurden, sondern erst im September 1810 (Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 564). Eine ausführliche schriftliche Entgegnung Feuerbachs auf bei de Voten findet sich in Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 167 ff. 223 Zentners Kritik ist auszugsweise wiedergegeben bei Dölemeyer, 1975, S. 144 f. 224 Vgl. Weis, 2005, S. 565; Demel, 1983, S. 45 f. 225 Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 661.
1. Die Arbeiten an einem bayerischen Zivilgesetzbuch
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graben und zerstört“ bezeichnet hatte226 , nunmehr für eine unverzügliche provisorische Einführung des Codex Maximilianeus in ganz Bayern ein. Dem stand freilich entgegen, dass infolge der 1808 erlassenen Konstitution und der hierzu ergangenen „organischen Edikte“ zum Lehenrecht, den gutsherrlichen Rechten, den Familienfideikommissen und der Abschaf fung der Leibeigenschaft zahlreiche Bestimmungen des Codex Maximilia neus nicht mehr der gegenwärtigen Rechtslage entsprachen. In einer Sit zung des Geheimen Rates am 17. Januar 1811 wurde daher beschlossen, dass Feuerbach zusammen mit Adam von Aretin auf Grundlage des Codex Maximilianeus, aber unter Revision der infolge der Konstitution und der organischen Edikte nicht mehr passenden Bestimmungen und ergänzt um „ein Sistem über das so dringende Hypothekenwesen“, einen neuen Ent wurf erstellen sollten.227 Vom Code Napoléon als auch nur eine unter meh reren Vorlagen war nun gar nicht mehr die Rede. Dafür sollte es wieder sehr schnell gehen: „Auch wollen Seine Majestät der König, daß diese Ar beit so beschleuniget werde, daß mit dem 1ten Oktober dieses Jahrs [1811] dieses bürgerliche Gesetzbuch in Ausübung kommen kann“.228 Da in dem zitierten Beschluss nur von Feuerbach und Aretin als Redak toren des neuen Entwurfes die Rede war, ging die zusätzliche Hinzu ziehung Gönners wohl tatsächlich auf einen selbständigen Entschluss des neuen Justizministers Graf Reigersberg zurück, womöglich auf Drängen Aretins, wie Feuerbach rückblickend berichtete. Das von Feuerbach ur sprünglich verfolgte Konzept einer möglichst engen Orientierung am Code Napoléon entsprach bezeichnenderweise auch der von Gönner in mehreren Publikationen für die Rheinbundstaaten empfohlenen Vor gehensweise und auch über die bereits im Druck erschienenen am Code Napoléon ausgerichteten Teilentwürfe Feuerbachs hatte sich Gönner ent sprechend wohlwollend geäußert.229 Die Darstellung Radbruchs, wonach Gönner in seinem „eigens zu diesem Zweck errichteten“ Archiv „unab lässig …heftige Angriffe gegen Feuerbachs gesetzgeberische Tätigkeit“ in Bezug auf ein Zivilgesetzbuch gerichtet hätte, entbehrt jeder Grundlage.230 In seinem Archiv äußerte sich Gönner zwar gelegentlich über Feuerbachs strafrechtliche Arbeiten und streute auch einmal einen Seitenhieb auf Feuerbachs Landshuter Antrittsvorlesung (Über Philosophie und Empirie 226
Feuerbach, 1993, S. 167. Der Beschluss ist abgedruckt bei Schimke, 1996, S. 290 f. 228 Schimke, 1996, S. 291. 229 S.o. bei Fn. 166. Speziell zu den bayerischen Entwürfen: Gönner, Der Rheinische Bund, Bd. 12 (1809), S. 59 f. 230 Radbruch, 1934, S. 79. 227
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
in ihrem Verhältnis zur positiven Rechtswissenschaft) ein, die Arbeiten an einem bayerischen Zivilgesetzbuch wurden in Gönners Archiv hingegen gar nicht kommentiert, geschweige denn, dass diese Zeitschrift eigens zu diesem Zweck gegründet worden wäre. Gönners einzige publizistische Be fassung mit den bayerischen Zivilgesetzgebungsarbeiten vor seiner eigenen Beteiligung daran erfolgte in einer anderen Zeitschrift und ist keineswegs kritisch.231 Vermutlich beruhte Radbruchs ohne Belege erfolgende Dar stellung auf einer Äußerung Savignys in einem Brief an Hufeland, den Radbruch wenig später in anderem Zusammenhang zitiert.232 Savigny schreibt dort: „Noch eins von Gönner. Er hat es durch seine ewigen Aus fälle auf Feuerbach und die neue Geseze (im Archiv) dahin gebracht, daß nicht nur er einen derben Verweis erhalten, sondern daß alle Schriften über die neue Gesezgebung der speciellen Censur des auswärtigen Departe ments unterworfen sind.“ Was Savigny hier über Gönner schreibt, hat – wie wir schon bei anderen Gelegenheiten bemerken mussten 233 – einen wahren Kern, ist aber polemisch stark verzerrt. Gönner hatte in der Tat in seinem Archiv gelegentlich Feuerbachs Strafrechtsarbeiten kritisiert234 (was übrigens später auch Savigny öffentlich tat 235), das machte aber kei neswegs den Hauptgegenstand dieser Zeitschrift aus und bezog sich – an ders als Radbruch meinte – nicht auf Feuerbachs Arbeiten zur Zivilgesetz gebung. Einen derben Verweis hatte Gönner zwar für seine Äußerungen im Archiv erhalten, aber nicht wegen Kritik an Feuerbach und dessen Ge setzgebungsarbeiten, sondern wegen seiner ungebührlichen Kritik an den bayerischen Gerichten.236 Die Zensurvorschriften waren unter Max Joseph 1799 und 1803 zunächst liberalisiert worden, wurden dann aber für alle Periodica politischen Inhalts seit 1806 schrittweise wieder verschärft, wo runter auch Gönners Archiv fiel, ohne dass es hierfür den allgemeinen An stoß geliefert hätte.237 231
S.o. Fn. 229. Savignys an Hufeland vom 26. Januar 1809, in: Stoll, 1927, Bd. 1, S. 372. 233 S.o. bei Fn. 173. 234 Im Archiv für die Gesetzgebung Bd. 1 (1808), S. 408–448 findet sich eine durchaus sachlich gehaltene Kommentierung der von Feuerbach entworfenen bayerischen Ver ordnung über Wilddiebstahl von 1806, die Gönner primär wegen der unverhältnismäßi gen Härte der Sanktionen kritisiert. In zwei Beiträgen „Über das Princip des Criminal rechts“ kritisiert Gönner vornehmlich Feuerbachs psychologische Zwangstheorie: Ar chiv für die Gesetzgebung, Bd. 2 (1809), S. 58–72 u. 216–227. 235 S.u. bei Fn. 350 zu Savignys maliziösen Seitenhieben auf das bayerische Strafge setzbuch. 236 S.o. bei Fn. 197. 237 Zur anfänglichen Liberalisierung und dann schrittweisen Verschärfung der Zen 232 Brief
1. Die Arbeiten an einem bayerischen Zivilgesetzbuch
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Kurioserweise fanden sich nun also mit Feuerbach und Gönner die bei den Verfechter einer möglichst getreuen Rezeption des Code Napoléon in der Gesetzgebungskommission mit dem Auftrag wieder, dem neuen baye rischen Gesetzbuch gerade nicht mehr den Code Napoléon, sondern das alte Landrecht Kreittmayrs zugrunde zu legen. Hieran war Feuerbach wohl nicht ganz unschuldig, denn mit seiner politisch unsensiblen Eloge auf die freiheitlich-egalitären Grundsätze des Code Napoléon und dem naiven Beharren auf ihrer unangetasteten Übernahme als außenpolitischer Notwendigkeit spielte er den konservativen Gegnern im Geheimen Rat in die Hände und erreichte schließlich das genaue Gegenteil des ursprünglich Beabsichtigten. Von wenig Standhaftigkeit und politischer Klugheit zeugte dann auch seine überraschende Kehrtwende mit dem Vorschlag einer pro visorischen Einführung des (unveränderten!) Codex Maximilianeus in ganz Bayern. Gönner wurde bereits im Februar 1811, noch bevor die neuen Entwurfs arbeiten begonnen hatten, hinzugezogen und tatsächlich konnte die Kom mission schon im September 1811 den fertigen Entwurf eines aus vier Tei len bestehenden „Revidirten Codex Maximilianeus Bavaricus civilis“ vor legen.238 Der erste Teil umfasste das Personenrecht einschließlich Ehe- und Familienrecht, der zweite Teil das Sachenrecht einschließlich Zehntrechten und Frondiensten, der dritte Teil das Erbrecht und der vierte Teil das Schuldrecht, Konkursrecht und Lehenrecht.239 Über den Anteil der drei Referenten an den Entwurfsarbeiten liegen von Feuerbach und Gönner unterschiedliche Berichte vor. Feuerbach berichtete später (1813): „ich re digirte ganz allein den ersten, dritten und vierten Theil; auf die übrigen Mitarbeiter kommt das Eherecht, der zweite Theil, das Hypotheken system, die Lehre vom emphyteutischen Contract, von Zehnten und das Lehnrecht“; insgesamt seien „allerwenigst zwei Drittheile“ von ihm bear beitet worden.240 Hierauf fußen die Darstellungen in der heutigen Sekun därliteratur, wonach auch der neue Entwurf zum großen Teil das Werk Feuerbachs sei.241 Umgekehrt behauptete Gönner später (1817), dass er den survorschriften in Bayern s. Weis, 2005, S. 6 42 f. Über die Zensur seines „Archivs“ be richtete Gönner später selbst: Gönner, 1825, S. 9. 238 Schreiben Gönners an Staatsminister Graf Reigersberg vom 7. September 1811, BayHStA MInn 23254; Gutachten Gönners „Über den gegenwärtigen Zustand der Ge setzgebung im Königreich Baiern …“ vom 15. Februar 1817, BayHStA MInn 45796. 239 Der Entwurf ist damals nicht im Druck erschienen, sondern es wurden nur litho graphierte Exemplare an die Mitglieder der Geheimratssektionen der Justiz und des Inneren verteilt. 1986 erfolgte eine Edition durch Demel/Schubert. 240 Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 259, 263. 241 Radbruch, 1934, S. 81; Dölemeyer, 1975, S. 150; Demel/Schubert, 1986, S. L;
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
größten Teil des Entwurfs bearbeitet habe und die Revision des Entwurfs und die Anfertigung der Motive allein durch ihn erfolgt sei.242 Um den Wahrheitsgehalt dieser konträren Darstellungen beurteilen zu können, sollte man sich bewusst machen, dass beide Berichte im Nachhinein und nicht zweckfrei entstanden sind. Feuerbach berichtete hiervon im Rahmen eines Vermerks über die angeblich unzureichenden Belohnungen, die er für seine Verdienste um den bayerischen Staat erhalten habe, wobei er bestrebt war, seine eigenen Verdienste möglichst groß erscheinen zu lassen. Ähnli che Motive lagen Gönners Darstellung zugrunde, der mit der Aufzählung seiner Verdienste die erstrebte Ernennung zum Staatsrat rechtfertigen wollte. Tatsächlich hatte Feuerbach unmittelbar nach Beendigung der Ent wurfsarbeiten 1811 noch davon gesprochen, dass ihm die Anfertigung des ersten und dritten Teils oblag243 (also nicht des vierten Teils, wie er später behauptete) und auch den ersten Teil kann er nicht allein bearbeitet haben, da mehrere Kapitel darin das Eherecht regeln und dieses nach seiner eige nen späteren Aussage nicht von ihm entworfen wurde. Gönner wiederum schrieb 1811 unmittelbar nach Fertigstellung des Entwurfs an Graf Rei gersberg: „Wieviel ich an Ihm [gemeint ist der Entwurf] beytrug, um in das gothische Gebäude des Codicis Maxim. den Geist unserer Zeit zu bringen, kann Herr geh. Rath v. Aretin am besten bezeugen.“244 Man wird also von den vollmundigen Darstellungen unserer beiden Kontrahenten einige Abstriche machen müssen, so dass die Wahrheit wohl ungefähr in der Mitte liegt, also bei einem in etwa gleich großen Anteil beider an den Entwurfsarbeiten, denn in einer Hinsicht waren sich beide jedenfalls einig, nämlich dass der Anteil des dritten Kommissionsmitglieds Aretin unbedeutend war. Im Übrigen betonten alle drei Redaktoren in den Motiven zum Entwurf, dass alle Teile des Entwurfs so lange zwischen den drei Redaktoren diskutiert worden seien, „bis wir uns insgesammt von ei nem Saze überzeugt hatten, so daß der ganze Entwurf, wie wir ihn vorleg ten, unsere einhellige Meinung ist“.245 Wenngleich der Entwurf sich in sei ehme, 2014, S. 78; hingegen spricht Fehrenbach, 1974, S. 144 umgekehrt davon, dass die B Redaktion des Entwurfs nicht mehr von Feuerbach, sondern von Gönner ausgeführt worden sei. 242 Schreiben Gönners an den bayerischen König Max Joseph vom 4. Juni 1817, BayHStA Staatsrat 1741. 243 Schreiben Feuerbachs an Graf Reigersberg von 1811 in: Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 204. 244 Schreiben Gönners an Staatsminister Graf Reigersberg vom 7. September 1811, BayHStA MInn 23254. 245 Motifs zum ersten Theile des revidirten Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: Demel/Schubert, 1986, S. 101.
1. Die Arbeiten an einem bayerischen Zivilgesetzbuch
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ner Grundstruktur möglichst eng an den Codex Maximilianeus anlehnte, betonten die Redaktoren, dass sie in viererlei Hinsicht den Codex verbes sert hätten, nämlich durch Beisetzung von dort nicht enthaltenen Materi en, durch Weglassung überholter oder bloß doktrineller Passagen, durch Abänderung solcher Materien, bei denen durch die Konstitution von 1808 und den hierzu ergangenen organischen Edikten eine Rechtsänderung ein getreten war, und schließlich durch Verbesserung sprachlicher und inhalt licher Defizite und Inkonsequenzen des Codex Maximilianeus.246 Die meisten Änderungen und Ergänzungen gab es im Personenrecht, wo sich die Motive unverblümt dazu bekennen, in nicht unerheblichen Umfang auf den früheren Entwurf von 1808/9 und damit indirekt auf den Code Napoléon zurückgegriffen zu haben 247, und im Sachenrecht, dort insbe sondere durch das neue Hypothekenrecht, das anders als im Codex Maxi milianeus nicht länger auf dem gemeinen Recht fußte, sondern in Anleh nung an die Hypothekengesetzgebung Preußens und Österreichs die Prin zipien der Spezialität und Publizität konsequent durchführte248 . Die Beratungen des neuen Entwurfs im Geheimen Rat unter Vorsitz des Justizministers Graf Reigersberg begannen aber mit mehr als einem Jahr Verzögerung erst im Dezember 1812, da man zunächst die langwierigen Beratungen zum Strafgesetzbuchentwurf, die uns im nächsten Kapitel beschäftigen werden, zum Abschluss bringen wollte. Die Beratungen fanden nicht im Plenum des Geheimen Rates statt, sondern in einem aus den Geheimratssektionen des Inneren und der Justiz gebildeten Aus schuss.249 Den Einleitungsvortrag zu dem Entwurf hielt nicht Feuerbach, sondern Gönner; bei den Beratungen führten Feuerbach und Gönner ge 246 Motifs zum ersten Theile des revidirten Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: Demel/Schubert, 1986, S. 98 ff. 247 Motifs zum ersten Theile des revidirten Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: Demel/Schubert, 1986, S. 101. 248 Motifs zum ersten Theile des revidirten Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: Demel/Schubert, 1986, S. 258. Zum französischen Recht gingen die Motive hingegen auch im Hinblick auf das Hypothekenrecht auf deutliche, sicher auch politisch moti vierte Distanz, ebda, S. 258 f. Näher zum Hypothekenrecht im Entwurf von 1811 unten bei Fn. 520 ff. 249 Mitglieder waren neben dem Justizminister Graf Reigersberg die drei Redaktoren Feuerbach, Adam von Aretin und (seit Februar 1811) Gönner, außerdem Zentner, der damalige Präsident des Oberappellationsgerichts Graf Carl von Arco, der Direktor im Finanzministerium Franz von Krenner, der geheime Referendär im Justizministerium Johann Nepomuk von Effner sowie die Grafen von Törring, Preysing und Welsberg. Die meisten von ihnen hatten auch schon den Strafgesetzbuchentwurf beraten (s. unten bei Fn. 292), Arco, Törring und Preysing sich im Geheimen Rat auch schon kritisch zum ersten, am Code Napoléon ausgerichteten Zivilgesetzbuchentwurf geäußert (s. o. bei Fn. 222). Zum biographischen Hintergrund s. Demel/Schubert, 1986, S. L f.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
meinsam das Referat.250 Insgesamt beschäftigte sich der Geheime Rat sehr intensiv in 103 Sitzungen bis Juli 1814 mit dem neuen Zivilgesetzbuchent wurf, ohne aber die Beratungen zu einem Abschluss zu bringen.251 Der unmittelbare Anlass für die Unterbrechung der Beratungen, die bis zum dritten Buch (Erbrecht) fortgeschritten waren, erscheint angesichts der Bedeutung des Gesamtprojekts geradezu nichtig: Vordergründig ging es dabei um die Detailfrage, ob nach dem Vorbild des Codex Maximi lianeus bei „gemeinen einfältigen Bauersleuten“ ein Nachlassinventar in jedem Fall von Amts wegen zu erstellen sei, während dies anderen Bevöl kerungsgruppen freigestellt war.252 Der Entwurf hatte das abgelehnt („der Bauer kann vor den Augen des Gesezes im Vergleich mit dem Bürger nicht für einfältig gehalten werden“, erläuterten die Motive), was bei einigen Mit gliedern des Geheimen Rates auf Widerstand stieß.253 Es kam über diese Frage zu einer „lebhaften“ Diskussion, wie das Beratungsprotokoll nüch tern vermerkt.254 Die Befürworter des Entwurfs brachten vor, dass es nicht angehe „in den gegenwärtigen Zeiten in einem neu erscheinenden Gesez buche vor den Augen von ganz Europa ausdrücklich oder stillschweigend 3 Millionen Menschen für so einfältig zu erklären, daß sie nicht im Stande sein sollen, eine unbestrittene Erbschaft ohne Einmischung des Gerichts oder des Grundherrn … unter sich zu vertheilen.“255 Den Gegnern im Ge heimen Rat, die vom Protokoll zwar nicht namentlich genannt werden, aber unzweifelhaft in den Reihen der konservativen altbayerischen Groß grundbesitzer zu suchen sind (die Grafen von Arco, Törring und Preysing), ging es aber auch weniger um die Einsichtsfähigkeit der gemeinen Bauers leute, sondern, wie aus dem Protokoll deutlich hervorgeht, um die Einnah meverluste für die Grundherren, denn die Gebühren für die Inventar erstellung waren, wie auch andere Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbar keit, die den Patrimonialherren zugewiesen waren, für diese eine sehr einträgliche Nebenerwerbsquelle. In einer dramatisierenden Erzählung Völderndorffs, eines Enkels des damaligen Justizministers Graf Reigers berg, über das Ende der Beratungen liest sich das so: 250 Das geht aus Gönners Gutachten über den gegenwärtigen Zustand der Gesetz gebung im Königreich Baiern vom 15. Februar 1817 hervor, BayHStA MInn 45796. 251 Überblick über den Gang der Beratungen bei Demel/Schubert, 1986, S. L; zu ein zelnen Reformvorschlägen Demel, 1983, S. 506 ff. 252 Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, 3. Teil, 1. Kap., § 18, Nr. 9. 253 3. Teil, 1. Kap., § 31 des Entwurfs sowie die Motive zu dieser Bestimmung in Demel/Schubert, 1986, S. 392. 254 Protokoll Nr. 15 über die Sitzung vom 24. Juli 1814, in: BayHStA Staatsrat 2847. 255 Protokoll Nr. 15 über die Sitzung vom 24. Juli 1814, in: BayHStA Staatsrat 2847.
1. Die Arbeiten an einem bayerischen Zivilgesetzbuch
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„ …die Debatte wurde immer hitziger, vom juristischen Gebiete ging man auf das Gebiet der Persönlichkeiten über und es fehlte nicht viel, so wären die Herren in Uniform im Konferenzsaale sich buchstäblich in die Haare geraten. Es waren Wor te gefallen, die eine weitere gemeinsame Beratung unmöglich machten …“256
Zwar ist der Wahrheitsgehalt von Völderndorffs Anekdoten nicht allzu hoch einzuschätzen, doch berichtet auch das amtliche Protokoll immerhin von einer lebhaften Debatte und einer Aussetzung der Beratungen. Man einigte sich nämlich schließlich auf einen Kompromissvorschlag Zentners, wonach zunächst Gutachten der Kreisbehörden und Justizstellen aus den neuen Gebietsteilen Bayerns darüber eingeholt werden sollten, wie dort die Rechtslage in der streitigen Frage aussah.257 Fatalerweise setzte man die weiteren Beratungen bis zum Eintreffen dieser Gutachten aus, die aber erst nach mehr als zwei Jahren vorlagen.258 Ein für den Fortgang des Projekts vermutlich nicht minder schwerer Rückschlag war die Tatsache, dass zwei der drei Redaktoren und dezidierten Befürworter des Entwurfs, Feuer bach und Aretin, drei Wochen vor der hier dargestellten hitzigen Debatte aus dem Beratungsgremium ausgeschieden waren, was die Position der Verteidiger des Entwurfs geschwächt haben muss und den konservativ altadeligen Opponenten im Geheimen Rat, die bereits gegen den ersten Zivilgesetzbuchentwurf opponiert hatten, wohl die Überhand gab.259 Ein deutliches Zeichen für die abermalige reaktionäre Wende in dem Zivilgesetzbuchprojekt und das endgültige Aus für den bisherigen Ent wurf stellte 1816 die Beauftragung des stark polarisierenden Christoph von Aretin, einem Bruder des bisherigen Redaktors Adam von Aretin und berüchtigten Gegner aller protestantischen und norddeutschen Einflüsse auf das bayerische Geistesleben, mit der Anfertigung eines neuen Ent wurfs dar, der sich noch enger am bisherigen Codex Maximilianeus orien tieren sollte. Christoph von Aretin ließ Kreittmayrs Gesetzbuch tatsäch lich inhaltlich fast unangetastet und beschränkte sich darauf, veraltete 256 Völderndorff, 1892, S. 33. Zu den generellen Zweifeln am Wahrheitsgehalt von Völderndorffs „Plaudereien“ s. näher unten bei Fn. 321 f. 257 Protokoll Nr. 15 über die Sitzung vom 24. Juli 1814, in: BayHStA Staatsrat 2847. 258 Vgl. Demel/Schubert, 1986, S. LIV. 259 Feuerbach war im Juni 1814 an das Appellationsgericht Bamberg als zweiter Prä sident versetzt worden (zu den Hintergründen unten bei Fn. 385). Adam von Aretin war ebenfalls im Juni 1814 zum Hofkommissär zur Verwaltung des von Bayern neu erwor benen Fürstentums Aschaffenburg bestellt worden und wurde im September 1814 in die neu gegründete Kommission zur Revision der Verfassung berufen. Gönners Name stand ursprünglich auch auf der Liste der Kommissionsmitglieder für die Verfassungsrevision, sein Name wurde aber von Montgelas eigenhändig gestrichen und durch Anton von Cetto ersetzt, einem langjährigen engen Vertrauten Montgelas’ noch aus pfalz-zwei brücker Zeiten und früheren bayerischen Gesandten in Paris (Weis, 2005, S. 779).
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Ausdrücke und einige obsolete Bestimmungen zu revidieren und nur ganz wenige materielle Änderungen vorzunehmen.260 So glaubte man sich dies mal auch nähere Beratungen des Entwurfs im Geheimen Rat ersparen zu können und beabsichtigte dessen Inkraftsetzung zum 1. Oktober 1818.261 Dazu kam es aber wieder nicht, da am 26. Mai 1818 die neue bayerische Verfassung verkündet wurde, die eine Mitwirkung der beiden Kammern des Landtags an allen Gesetzgebungsprojekten vorsah. Zwischenzeitlich hatte Gönner nach dem Sturz Montgelas’ Anfang Feb ruar 1817 und der Neuformierung des Staatsrates ein ausführliches Gutach ten „Über den gegenwärtigen Zustand der Gesetzgebung im Königreich Baiern und über die Mittel, durch welche die angeordnete Revision der Ge setze vom königlichen Staatsrathe bald und mit glücklichem Erfolge voll endet werden könnte“ vorgelegt.262 Darin beschrieb er zunächst die große Zersplitterung des in den einzelnen Landesteilen Bayerns geltenden Zivil rechts und setzte sich nachdrücklich dafür ein, dass eine Vereinheitlichung für den Wohlstand des Landes und für eine gute Justizpflege dringend erfor derlich sei. Die Richter an den oberen Gerichtshöfen könnten die Vielzahl der unterschiedlichen Rechte gar nicht kennen und anwenden. Gönner wies sodann auf den fertigen Entwurf von 1811 hin, der zum größten Teil bereits in den vereinigten Sektionen des Geheimen Rates beraten worden sei. Nach drücklich setzte er sich dafür ein, dass die Beratungen über den Entwurf im neu formierten Staatsrat wieder aufgenommen werden, und zwar nicht ab ovo, sondern an der Stelle, wo man sie 1814 unterbrochen hatte. Gönners erneutes Eintreten für den Entwurf von 1811 blieb erfolglos. Die Rahmenbedingungen für die Rechtsvereinheitlichung im Zivilrecht waren mittlerweile deutlich schwieriger geworden, und zwar nicht erst mit der neuen Verfassung von 1818 und der dadurch erforderlichen Mitwir kung der Landstände. Zu berücksichtigen war nunmehr auch, dass in den durch den Münchener Vertrag von 1816 erworbenen linksrheinischen Ge bieten (Rheinpfalz) der Code civil galt und man den Rheinpfälzern die Zu sage gemacht hatte, dass bei Abfassung eines neuen Zivilgesetzbuches für ganz Bayern die dortige Rechtslage Berücksichtigung fände.263 Damit ver bot sich nunmehr eine ausschließlich am Codex Maximilianeus ausgerich tete Rechtsvereinheitlichung, wie sie dem Entwurf von 1811 (und stärker 260 Näher zu dem Entwurf und den Abweichungen vom Codex Maximilianeus Dölemeyer, 1975, S. 152 ff.; dies., 1991, S. 336 f. 261 Das auf den 20. Mai 1818 datierende Einführungspatent war bereits vorbereitet, vgl. Völderndorff, 1892, S. 34; Dölemeyer, 1975, S. 154; dies., 1982, S. 1474. 262 Gutachten vom 15. Februar 1817, BayHStA MInn 45796. 263 Dölemeyer, 1975, S. 155; Becker, 1991, S. 26.
1. Die Arbeiten an einem bayerischen Zivilgesetzbuch
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noch dem Entwurf Aretins) zugrunde lag. Eine 1821 eingesetzte Kommis sion von vier Richtern, welche laut königlichem Auftrag den Entwurf von 1811 „mit Rücksicht auf die übrigen im Königreiche geltenden Zivilgesetz gebungen einer genauen Prüfung unterwerfen“ sollte, kam zu keinem Er gebnis, da den Kommissionsmitgliedern keinerlei Freistellung oder auch nur Verringerung ihrer gewöhnlichen Dienstgeschäfte zugestanden wur de, so dass sie sich dieser schwierigen Zusatzaufgabe nur in ihren privaten Mußestunden widmen konnten.264 Dennoch konnte Gönner es als großen Erfolg verbuchen, dass in den verbleibenden Jahren bis zu seinem Tod 1827 alle wichtigen zivilrecht lichen Gesetzgebungsprojekte in seine Hand gegeben wurden. Zunächst verfolgte die bayerische Regierung unter den beschriebenen neuen Rah menbedingungen die Strategie, statt einer sofortigen kompletten Rechts vereinheitlichung im Zivilrecht speziell das besonders reformbedürftige Hypothekenrecht auszusondern und hierin durch ein Spezialgesetz vorab eine Rechtsvereinheitlichung auf Höhe der Zeit herbeizuführen. Wir wer den in einem eigenständigen Kapitel noch ausführlich sehen, dass mit der Ausarbeitung dieses Gesetzes Gönner beauftragt wurde und zumindest in dieser Spezialmaterie die Inkraftsetzung des Gönnerschen Entwurfs schließlich auch tatsächlich gelang.265 In einem zweiten Schritt erhielt Gönner dann 1826 von Zentner, der mittlerweile zum Justizminister auf gestiegenen war, erneut den Auftrag zur Ausarbeitung eines kompletten Zivilgesetzbuchs, wobei Zentner diesmal bewusst ihn allein und keine Kommission mit dieser wichtigen Arbeit beauftragte, die „aus einem Guß“ erfolgen sollte.266 Auch wurde ihm anders als früher nicht aufgegeben, ein bestimmtes Gesetzbuch zur Vorlage zu nehmen.267 Gönners Kräfte waren damals aber bereits im Schwinden. Schon 1823 berichtete er von seinen „durch vieljährige angestrengte und schwere Arbeiten bei herannahendem Alter abnehmenden Kräften“.268 Er starb acht Monate nach der Beauftra gung durch Zentner im April 1827 und hinterließ bloß den ersten Teil des geplanten Entwurfs, der das Personenrecht behandelte.269 Der Teilent 264
Trötsch, 1931, S. 210. S.u. Kap. III.5. 266 So äußerte sich Zentner rückblickend in einem Vortrag vom 7. März 1831 über „die Entwürfe zu neuen Gesetzbüchern und ihre Vorlage an die damalige Ständever sammlung“, S. 5, in: BayHStA Staatsrat 2408. Die Beauftragung Gönners erfolgte durch königliche Entschließung vom 27. August 1826. 267 Mussinan, 1835, S. 389 vermutete jedoch, dass sich Gönner am österreichischen ABGB orientiert habe. 268 Gönner, 1823, S. VIII. 269 Zentner in dem in Fn. 266 genannten Vortrag, S. 5, in: BayHStA Staatsrat 2408. 265
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
wurf, der wegen des unerwarteten Todes seines Autors nicht vervielfältigt wurde, ging im Zweiten Weltkrieg verloren. Völderndorff, der dreißig Jah re nach Gönners Tod selbst an einem Zivilgesetzbuchentwurf für Bayern mitarbeitete, lobte dessen Entwurf als „eine wahre legislative Perle“, die „den Herren im Justizministerium zu Berlin zeigen könnte, wie man Ge setze formulieren soll“.270 Mit Gönners Tod entsann man sich in München erneut Feuerbachs als möglichen Redaktor eines neuen Zivilgesetzbuchentwurfs. Feuerbach leb te damals in Ansbach als Appellationsgerichtspräsident fernab der Gesetz gebungsarbeiten und hatte zuletzt 1825 im Zusammenhang mit den paral lelen Bemühungen um ein neues Strafgesetzbuch seine Mitwirkung im Zorne zurückgezogen, wovon noch die Rede sein wird.271 Nun also trat nach dem Tode Gönners Zentner erneut an Feuerbach mit dem Ansinnen heran, er möge einen neuen Zivilgesetzbuchentwurf erstellen.272 Feuer bach erwog die verschiedenen erfolglosen Anläufe zu einer Zivilrechts kodifikation, an denen er schon beteiligt war, die Widerstände, auf die die Entwürfe von 1808 und 1811 gestoßen waren, und die naheliegende Mög lichkeit, dass sich derartige Widerstände erneut einstellen würden. Dessen eingedenk und angesichts seiner ebenfalls bereits schwindenden Arbeits kraft lehnte er Zentners Angebot nach einigem Zögern ab.273 Mit seiner negativen Prognose sollte Feuerbach diesmal richtig liegen. Bayern machte in den folgenden Jahrzehnten noch mehrere Versuche zur Inkraftsetzung eines neuen Zivilgesetzbuchs, die aber alle aus unterschied lichen Gründen erfolglos blieben.274 Die lange erstrebte und auch von der Verfassung275 geforderte Rechtseinheit im Zivilrecht wurde schließlich erst im Rahmen der Reichsgesetzgebung durch Inkrafttreten des für das ganze Reich geltenden Bürgerlichen Gesetzbuchs 1900 hergestellt. Fragt man nach den Gründen für das hundertjährige Scheitern, so lässt sich ein Fak tor, dem bei modernen Kodifikationsvorhaben oft eine zentrale Bedeutung zukommt, hier ausschließen: parlamentarischer Widerstand. Von den nach Inkrafttreten der Verfassung von 1818 ausgearbeiteten Entwürfen gelangte 270 Völderndorff, 1892, S. 35. Zu Völderndorffs eigenen Entwurfsarbeiten s. Dölemeyer, 1975, S. 168 f. 271 S.u. bei Fn. 430. 272 Dies geht hervor aus dem Brief Feuerbachs an Ministerialrat Spies vom 27. Okto ber 1828, in: ders., 1853, Bd. 2, S. 281. 273 Brief Feuerbachs an Ministerialrat Spies vom 6. Dezember 1828, in: ders., 1853, Bd. 2, S. 293. 274 Einen Überblick über die weiteren Entwürfe gibt Dölemeyer, 1975, S. 161 ff., dies., 1982, S. 1475 ff., dies., 1991, S. 337 ff. 275 Titel VIII, § 7 der bayerischen Verfassung von 1818.
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keiner überhaupt in das Stadium der Beratung durch die Ständeversamm lung. Vielmehr war es eine bunte Mischung unterschiedlicher Gründe und Zufälligkeiten, die das jeweilige Scheitern herbeiführten: nachlassender Druck von außen (Entwurf von 1808/9), altadeliger Widerstand (Entwürfe von 1808/9 und 1811), Rücksichtnahme auf das in der Rheinpfalz geltende französische Recht (Entwürfe von 1811 und 1816), geänderte Rahmenbe dingungen durch Inkrafttreten der Verfassung (Entwurf von 1816), plötz licher Tod des Verfassers (Entwurf von 1826/27), um nur von den bis zum Tode Gönners entstandenen Entwürfen zu reden. Blickt man speziell auf den Entwurf von 1811, dem ausgereiftesten der zahlreichen Entwürfe, so fällt auf, dass die persönlichen Animositäten zwischen Feuerbach und Gönner beim Scheitern dieses Entwurfs keine Rolle spielten, sondern im Gegenteil die Zusammenarbeit erstaunlich produktiv und ohne den ra schen Fortgang der Arbeiten lähmende Auseinandersetzungen erfolgte, worüber die Fertigstellung des gemeinsamen Entwurfs in nur fünf Mona ten beredtes Zeugnis ablegte.276 Erst im Nachhinein, beim Herausstellen des eigenen Verdienstes bei der Schaffung des Entwurfs, traten die Diffe renzen zwischen unseren beiden Antagonisten wieder zu Tage.
2. Die Arbeiten an einem bayerischen Strafgesetzbuch und seinen amtlichen Anmerkungen Blicken wir nun auf die bayerischen Bemühungen um eine Reform und Rechtsvereinheitlichung im Strafrecht durch Ausarbeitung eines neuen Strafgesetzbuches, die unsere beiden Kontrahenten Gönner und Feuerbach wiederum zu gemeinsamen legislativen Arbeiten zusammenführten und, anders als im Zivilrecht, durch Inkraftsetzung des Strafgesetzbuches für das Königreich Bayern 1813 von Erfolg gekrönt waren. Kurfürst Max Joseph hatte bereits kurz nach seinem Regierungsantritt 1799 Reformen auf dem Gebiet der Gesetzgebung angekündigt und hierbei eine Verbesserung 276 Die anekdotische Darstellung bei Völderndorff, 1892, S. 32, wonach sein Groß vater Justizminister Graf Reigersberg „beinahe wöchentlich die Aufgabe [hatte], die Kommission, die am Auseinanderfallen war, wieder in die Reihe zu bringen“ und Feuerbach einmal sogar damit drohte, sich mit einer Papierschere zu erstechen, verdient schon deshalb keinen Glauben, weil sich Völderndorff hier zum Teil selbst widerspricht. Wir werden hierauf näher unten auf S. 68 ff. anlässlich der Zusammenarbeit von Gönner und Feuerbach in der Strafrechtskommission eingehen, weil Völderndorff die nämliche Anekdote in diesem Zusammenhang noch dramatischer auftischte und sie sich in dieser Form eines erstaunlichen Fortlebens bis in die Gegenwartsliteratur erfreut.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
des Strafrechts als besonders dringlich herausgestellt.277 Von der anfäng lichen Beauftragung des Würzburger Professors Kleinschrod mit den Ent wurfsarbeiten, der vielstimmigen Kritik an dessen Entwurf unter anderem auch von Feuerbach und der Beauftragung Feuerbachs mit der Erstellung eines neuen Entwurfs im August 1804, also wenige Monate nach dem An tritt seiner Professur in Landshut, war bereits die Rede.278 Feuerbach stell te den Entwurf des ersten Teiles des Strafgesetzbuchs, der das materielle Strafrecht beinhaltete (der zweite Teil sollte das Strafverfahrensrecht regeln), im Dezember 1807 fertig, um sich gleich im Anschluss hieran ab Januar 1808 dem Entwurf eines Zivilgesetzbuchs nach Vorbild des Code Napoléon zuzuwenden. Die gleiche Kommission, die seit Juni 1808 über Feuerbachs zivilrechtliche Teilentwürfe beriet, wurde beauftragt, anschlie ßend auch seinen Strafrechtsentwurf zu prüfen.279 In die Kommission be rief man bewusst auch Personen aus ehemals preußischen (Ansbach), bam bergischen und österreichischen (Oberschwaben) Landesteilen, die nun mehr in bayerischen Diensten standen, um den Sachverstand über die dort unlängst ergangenen Strafrechtskodifikationen einzubringen. In Preußen (einschließlich der 1791 an Preußen und 1806 an Bayern übergegangenen Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach 280) galt der strafrechtliche Teil des Allgemeinen Landrechts von 1794, im Fürstbistum Bamberg (das 1802 von Bayern annektiert worden war281) war 1795 ein neues aufklärerisches Straf gesetzbuch in Kraft gesetzt worden 282 und in Österreich (einschließlich der an Bayern gefallenen vorderösterreichischen Gebiete in Oberschwaben) galt seit 1804 ebenfalls ein neues, humaneres Strafgesetzbuch 283. Die Kom missionsberatungen erfolgten wie schon beim Zivilgesetzbuchentwurf un ter hohem Zeitdruck und dauerten nur etwas mehr als einen Monat.284 277 Reskript die Justiz und Gesetzverbesserung betreffend vom 24. Januar 1800, in: Schimke, 1996, S. 297–300, hier: S. 298. 278 S.o. S. 18. Der Wortlaut der kurfürstlichen Entschließung vom 19. August 1804 über die Beauftragung Feuerbachs mit den Entwurfsarbeiten und die Antwort Feuerbachs vom 24. August 1804 bei Geisel, 1929, S. 12 f. 279 Wortlaut der königlichen Entschließung vom 25. April 1808 über die Einsetzung der Kommission und deren Prüfungsauftrag für die Zivil- und Strafrechtsentwürfe bei Geisel, 1929, S. 15. Zu den Mitgliedern der Kommission s. o. Fn. 216. Neben den dort Genannten trat für die strafrechtlichen Beratungen ab September 1808 noch der neu zum geheimen Referendär im Justizministerium bestellte Christian von Mann hinzu. 280 Brandenburg-Bayreuth ging erst 1810 auf Bayern über. 281 S.o. Fn. 40. 282 Hierzu Mertens, 2013, S. 110 ff. 283 Strafgesetz über Verbrechen und schwere Polizei-Übertretungen vom 3. Septem ber 1803. 284 Die Kommission beriet den Strafrechtsentwurf in 24 Sitzungen vom 6. Oktober bis 10. November 1808, vgl. Geisel, 1929, S. 16.
2. Die Arbeiten an einem bayerischen Strafgesetzbuch
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Anschließend wurde der von der Kommission überarbeitete Entwurf unter Anwesenheit der Königs im November 1808 in der geheimen Staatskonfe renz diskutiert und mit einigen weiteren Änderungen gebilligt.285 Zu einer zügigen Inkraftsetzung des Entwurfs kam es aber nicht, viel mehr trat nun, ähnlich wie beim Zivilgesetzbuchentwurf, eine erhebliche Verzögerung durch eine zusätzliche Beratung des Entwurfs im neu gebil deten Geheimen Rat ein.286 Die Initiative hierzu ging von Montgelas aus, der bei der Beratung des Entwurfs in der geheimen Staatskonferenz nach drücklich darauf drängte, dass nach der neuen Konstitution auch eine Be fassung des Geheimen Rats mit dem Gesetzgebungsvorhaben zu erfolgen habe und angesichts der Wichtigkeit des Projekts der Geheime Rat den Entwurf nicht nur im Allgemeinen, sondern auch im Detail prüfen solle.287 Der Geheime Rat trat aber erst im Januar 1809 zu seiner ersten Sitzung zusammen und befasste sich zunächst mit dem Zivilgesetzbuchentwurf, so dass die Beratungen über den Strafgesetzbuchentwurf im Geheimen Rat erst im September 1810 begannen. Es war wohl keine plötzlich erwachte Verfassungstreue, die Montgelas zu dieser Intervention bewog – bekanntlich machte er in seiner Amtszeit keine Anstalten, die von der Verfassung von 1808 ebenfalls vorgesehene Beteiligung einer National-Repräsentation an der Gesetzgebung in die Wirklichkeit umzusetzen. Auch war es nicht etwa ein Einfluss des franzö sischen Rechts auf den Entwurf, der Montgelas missfiel, wie in der jünge ren Literatur vermutet wurde.288 Anders als beim Zivilgesetzbuchentwurf war der Einfluss des französischen Rechts auf Feuerbachs Strafgesetzbuch entwurf nämlich gering und wenn der königliche Auftrag an ihn von 1804 davon sprach, er solle den Entwurf „mit Rücksichtnahme auf die neuesten bekannt gewordenen vollkommeneren Gesezbücher über Verbrechen und Strafen“ erstellen 289, so dachte man hierbei wohl nicht an Frankreich (der Napoleonische Code pénal wurde als letztes der Napoleonischen Gesetz bücher erst 1810 fertiggestellt und das in der Revolutionszeit erlassene französische Strafgesetzbuch von 1791 kam als Vorlage nicht in Betracht), 285 Protokoll der Sitzung der geheimen Staatskonferenz vom 26. November 1808, in: Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 304 ff. 286 Zum Geheimen Rat als neuem „Verfassungsorgan“ s. o. bei Fn. 218. 287 Protokoll der Sitzung der geheimen Staatskonferenz vom 19. November 1808, in: Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 294. Tatsächlich sah die Konstitution vom 1. Mai 1808 in Tit. III § 2 vor: „Der Geheime Rath entwirft und dis kutirt alle Geseze und Haupt-Verordnungen nach den Grundzügen, welche ihm von dem König durch die einschlägigen Ministerien zugetheilt werden.“ 288 Weis, 2005, S. 562 f. 289 Geisel, 1929, S. 13.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
sondern vor allem an das eben erst zum Jahresbeginn 1804 in Kraft getre tene neue österreichische Strafgesetzbuch.290 Vielmehr missfiel Montgelas wohl, dass der Entwurf bislang nur in einer ausschließlich aus Juristen zu sammengesetzten Kommission beraten worden war, worauf sein Hinweis hindeutet, dass der Entwurf noch einer Prüfung durch andere „Staats männer“ unterworfen werden solle.291 Die Prüfung des Entwurfs im Geheimen Rat erfolgte in einem Ausschuss der Sektionen der Justiz und des Inneren und nahm mehr als zwei Jahre in Anspruch (September 1810 bis Dezember 1812). Neben dem Justizminister Graf Reigersberg als Vorsitzenden gehörtem dem Ausschuss Graf Carl von Arco (damals noch im Innenministerium tätig, ab 1812 als Präsident des Oberappellationsgerichts ranghöchster Richter Bayerns), die Ministerial beamten Zentner, Effner und Krenner, die drei Redaktoren des Zivilgesetz buchentwurfs Feuerbach, Adam von Aretin und (seit Mai 1811) Gönner sowie der bisherige Generalkommissär des Etschkreises Graf von Welsberg an.292 Die Beratungen konzentrierten sich zunächst auf den bislang vorlie genden ersten Teil des Strafgesetzbuchs zum materiellen Strafrecht und waren bereits im Dezember 1810 so weit fortgeschritten, dass Reigersberg beim König eine baldige abschließende Beratung im Plenum des Geheimen Rats anregte, so dass eine Inkraftsetzung spätestens in drei Monaten erfol gen könne. Hierzu kam es aber vorerst nicht, vielmehr wartete man die 290 Zu Recht differenzierend und insgesamt skeptisch gegenüber einem erheblichen französischen Einfluss auf das bayerische Strafgesetzbuch Löhnig, 2014, S. 9 0 ff. Radbruchs Darstellung, wonach Feuerbach seinen damaligen Sekretär Mittermaier bei der Vorbereitung des Strafgesetzbuchentwurfs zur Übersetzung französischer und italienischer Gesetzesarbeiten herangezogen habe (1934, S. 92), ist schon aus zeitlichen Gründen unschlüssig, da zu der Zeit, als Mittermaier für Feuerbach arbeitete, der Straf gesetzbuchentwurf bereits fast fertiggestellt war, so dass sich Mittermaiers Überset zungsdienste vielmehr auf Feuerbachs anschließende Arbeiten an einem Zivilgesetz buchentwurf bezogen, vgl. Mertens, 2004, S. 73 f., Fn. 269. 291 Protokoll der Sitzung der geheimen Staatskonferenz vom 19. November 1808, in: Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 294. 292 Anmerkungen zum bay. StGB, 1813, Bd. 1, S. 16 ff; zum biographischen Hinter grund: Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 24 ff. Bis auf den im Januar 1812 verstorbenen Johann Nepomuk Gottfried von Krenner gehörten alle Genannten anschließend auch dem den Zivilgesetzbuchentwurf beratenden Geheim ratsausschuss an, der zu diesem Zweck noch ergänzt wurde um die einflussreichen Gra fen Törring und Preysing sowie den aus der Finanzsektion abgeordneten Franz von Krenner, dem jüngeren Bruder Johann Nepomuk von Krenners (s. o. Fn. 249). Die amt lichen Anmerkungen zum bay. StGB datieren die Hinzuziehung Gönners bereits auf Februar 1811, hier liegt aber wohl eine Verwechselung mit Gönners tatsächlich bereits im Februar 1811 beginnenden Beteiligung an den Zivilgesetzbucharbeiten vor. Die kö nigliche Genehmigung seiner Beteiligung auch an den Strafgesetzbucharbeiten datiert erst vom 30. April 1811, vgl. Geisel, 1929, S. 18.
2. Die Arbeiten an einem bayerischen Strafgesetzbuch
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Vorlage des zweiten Teils des Entwurfs zum Strafverfahren durch Feuer bach ab, die im Mai 1811 erfolgte. Kurz zuvor hatte Feuerbach selbst in einem Schreiben an Reigersberg angeregt, Gönner, der seit Febr uar 1811 an den Beratungen zum Zivilgesetzbuchentwurf beteiligt war, auch zu den weiteren Beratungen des Strafgesetzbuchentwurfs hinzuzuziehen.293 Rad bruch spekulierte, dass Feuerbachs Anregung „nur die widerwillig gezo gene Folgerung aus einer vom Minister Graf Reigersberg geschaffenen Lage“ gewesen sei und verwies dazu auf die spätere (1813) Darstellung Feu erbachs, wonach die Hinzuziehung Gönners zur Gesetzgebungskommis sion hinter seinem Rücken von Reigersberg veranlasst worden sei.294 Dem liegt aber wohl eine Verwechselung Radbruchs zugrunde zwischen der anfänglichen Hinzuziehung Gönners zu den Zivilgesetzbucharbeiten, auf die sich Feuerbachs spätere Äußerung über das Vorgehen Reigersbergs be zieht, und der erst später erfolgten Hinzuziehung Gönners auch zu den Strafgesetzbucharbeiten, die wohl tatsächlich erst durch Feuerbach selbst angeregt wurde und nicht hinter seinem Rücken erfolgte. Von der im Februar 1811 erfolgten Aussöhnung zwischen Feuerbach und Gönner, die in der Fachwelt mit Erstaunen registriert wurde, war be reits im Zusammenhang mit den Zivilgesetzbucharbeiten die Rede und tatsächlich war diese Aussöhnung von beiden Seiten anfänglich offenbar ernst gemeint, wie beide versicherten, was auch durch die gute und zügige Zusammenarbeit am Zivilgesetzbuchentwurf unterstrichen wird.295 Vor diesem Hintergrund erscheint es gar nicht so unverständlich, dass Feuer bach im April 1811 in seinem Schreiben an Reigersberg aus freien Stücken die Heranziehung Gönners auch für die noch ausstehenden Beratungen zum Verfahrensteil des Strafgesetzbuchentwurfs anregte. Außerdem wur de Gönner von der bayerischen Regierung im selben Jahr auch mit einer Revision des Zivilprozessrechts beauftragt.296 Die Beratungen des Strafprozessrechts im Geheimratsausschuss, die sich von Mai 1811 bis Juni 1812 erstreckten, verliefen – nach den Protokollen zu urteilen – auch konstruktiv und ohne größere Zusammenstöße zwischen unseren beiden Kontrahenten.297 Bei einigen wesentlichen Punkten be schloss der Ausschuss auf Vorschlag Gönners Änderungen gegenüber dem 293 Schreiben Feuerbachs vom 22. April 1811 bei Geisel, 1929, S. 18. Das Schreiben, das auch Radbruch benutzte, ist im Zweiten Weltkrieg zusammen mit den anderen Ak ten des Justizministeriums aus dieser Zeit verbrannt. 294 Radbruch, 1934, S. 8 0 f. Zu Feuerbachs Darstellung von 1813 s. o. bei Fn. 207. 295 S.o. bei Fn. 208. 296 S.u. Kap. III.4. 297 Die Protokolle zu diesen Beratungen befinden sich im BayHStA Staatsrat 2361 und 2363. Zum Verlauf der Beratungen vgl. Blusch, 1997, S. 65 ff.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Feuerbachschen Entwurf, die durchweg auf eine Verbesserung der Rechts position des Angeklagten im Verfahren gerichtet waren. Dies betraf etwa das überkommene Rechtsinstitut der Instanzentbindung (absolutio ab instantia), bei dem im Falle einer für eine Verurteilung nicht ausreichenden belastenden Beweislage kein endgültiger Freispruch des Angeklagten er folgte, sondern nur eine vorläufige Einstellung des Verfahrens, die für den nur gegen Sicherheitsleistung aus der Haft entlassenen und weiter unter Polizeiaufsicht stehenden Angeklagten zu einer beschwerlichen Schwebe lage führte.298 Anders als Feuerbach setzte sich Gönner für eine gänzliche Abschaffung dieses missbrauchsanfälligen Rechtsinstituts ein, das ein „Schlupfwinkel für bequeme Richter“ geworden sei.299 Für eine gänzliche Abschaffung fand er zwar keine Mehrheit im Ausschuss, wohl aber für eine gegenüber dem Feuerbachschen Entwurf deutliche Einschränkung des Anwendungsbereichs.300 Außerdem konnte nach dem Feuerbachschen Entwurf gegen den Angeklagten unter bestimmten Voraussetzungen auch dann die Todesstrafe verhängt werden, wenn er bloß durch Indizien über führt war.301 Die Mehrheit im Ausschuss folgte hier der Argumentation Gönners, dass auf Grundlage bloßer Indizien niemals die nicht zu revi dierende Todesstrafe verhängt werden dürfe.302 Weiterhin setzte Gönner ausführliche Regelungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten eines Verurteilten durch 303 sowie eine mildere Sanktionierung für Ange schuldigte, die sich einer zweimaligen öffentlichen Vorladung zum Prozess nicht stellten 304. Und während nach dem Feuerbachschen Entwurf bei ei nem standgerichtlichen Verfahren die Angeklagten gar nicht gehört wer den mussten, wurde vom Ausschuss auf Vorschlag Gönners beschlossen, 298
BayStGB II Art. 356, 390 ff. BayHStA, Staatsrat 2361, Prot. 28, fol. 491r. 300 Während der Feuerbachsche Entwurf die Instanzentbindung für alle Fälle vor sah, in denen weder die Schuld noch die Unschuld des Angeklagten hinreichend bewie sen war, erreichte Gönner, dass die Instanzentbindung auf die Fälle beschränkt wurde, in denen eine Spezialinquisition zulässig wäre, wozu erhebliche Beweismittel gegen den Angeklagten vorliegen mussten (vgl. BayStGB II Art. 356 i. V. m. Art. 93 ff.). Reichte die Beweislage nicht für eine Spezialinquisition, musste eine „Lossprechung“ erfolgen, was in der Sache einem vollständigen Freispruch gleichkam (BayStGB II Art. 354, 377). 301 Entwurf Feuerbachs zu Teil II des BayStGB, Art. 344 ff., BayHStA, Staatsrat 2362. Anders als Teil I des Feuerbachschen Entwurfs ist sein Entwurf zu Teil II (Straf verfahren) nicht im Druck erschienen. 302 BayHStA, Staatsrat 2361, Prot. 22, fol. 399; BayStGB II Art. 330. 303 BayStGB II Art. 396 ff. 304 Während der Feuerbachsche Entwurf für diesen Fall den bürgerlichen Tod mit sofortigem Vermögensverlust vorsah, erreichte Gönner eine mildere, stufenweise Sank tionierung mit treuhänderischer Verwaltung des Vermögens und späterem Nießbrauch durch die gesetzlichen Erben (BayStGB II Art. 427). 299
2. Die Arbeiten an einem bayerischen Strafgesetzbuch
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dass auch bei einem Standgericht in jedem Fall eine Anhörung des Ange klagten erfolgen muss.305 Mit seinem weitreichendsten Vorschlag konnte sich Gönner hingegen im Ausschuss nicht durchsetzen, nämlich die vom Feuerbachschen Entwurf (wie auch von anderen Strafgesetzbüchern dieser Zeit) vorgesehenen Unge horsamsstrafen abzuschaffen. Zwar hatte man in Bayern 1806 die Folter zur Geständniserzwingung abgeschafft.306 Einem Angeklagten, der die Aussage ganz oder zum Teil verweigerte, drohten aber auch nach Feuer bachs Entwurf weiterhin Ungehorsamsstrafen, zunächst dreitägiges Ge fängnis bei Wasser und Brot, dann „fünf bis zwanzig Streiche“ und schließ lich Gefangenschaft so lange, bis er sich „zur ordentlichen Vernehmung“ bereit erklärte.307 Vergeblich wies Gönner auf die Nähe solcher Strafen zur Folter hin, denn von der Ungehorsamsstrafe sei es nur noch eine Nuance zur Erpressung des Geständnisses.308 Die Mehrheit im Ausschuss plädierte für die unveränderte Beibehaltung der Ungehorsamsstrafen, die sich dann auch entsprechend im Gesetzbuch wiederfanden.309 Die Erfüllung seiner zukunftsweisenden Vorschläge zur gänzlichen Abschaffung der Ungehor samsstrafe und der Instanzentbindung sollte Gönner nicht mehr erleben; sie wurden in Bayern erst im Revolutionsjahr 1848 umgesetzt.310 Als die Ausschussberatungen abgeschlossen waren und Feuerbach be reits die Einleitungsvorträge für die abschließende Beratung des Gesamt entwurfs im Plenum des Geheimen Rates ausarbeitete, legte Gönner im Oktober 1812 noch ausführliche (kritische) Bemerkungen über den ersten Teil des Entwurfs vor, der das materielle Strafrecht enthielt und bei dessen Beratung er nicht beteiligt gewesen war.311 Den Ausschussvorsitzenden 305
BayStGB II Art. 4 42 Nr. 2. Edikt „die Abschaffung der peinlichen Frage und das gegen leugnende Inquisiten zu beobachtende Verfahren betreffend“ vom 7. Juli 1806. Feuerbach (1993, S. 134) schrieb hierzu: „Diese Verordnung wurde aus weiser Vorsicht nicht öffentlich durch das Regierungsblatt bekanntgemacht, sondern nur den sämtlichen Ober- und Untergerich ten mitgeteilt.“ Sie findet sich daher auch nicht im bayerischen Regierungsblatt von 1806, wohl aber in dem 1809 von Karl Georg von Mayr herausgegebenen General-Index über die Landesverordnungen der Jahre 1806 bis 1809, S. 458 ff. 307 Entwurf Feuerbachs zu Teil II des BayStGB, Art. 193 u. 194, BayHStA, Staatsrat 2362. 308 BayHStA, Staatsrat 2361, Prot. 12, fol. 259v. 309 BayStGB II Art. 188. 310 Die Aufhebung der Ungehorsamsstrafen erfolgte durch Gesetz vom 12. Mai 1848, Art. 5 (Gesetzblatt für das Königreich Bayern 1848, Sp. 37); die Instanzentbindung wur de im Zuge der Einführung der Schwurgerichte abgeschafft, vgl. Art. 263, 324 des Ge setzes vom 10. November 1848 die Abänderung des zweiten Teils des Strafgesetzbuchs betreffend (Gesetzblatt für das Königreich Bayern 1848, Sp. 193 ff.). 311 Bemerkungen über den Ersten Theil des Strafgesetzbuches für das Königreich Baiern vom 6. Oktober 1812 (56 Seiten), in: BayHStA Staatsrat 8226. 306
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Graf Reigersberg überzeugten diese Anmerkungen offenbar jedenfalls in soweit, dass er den König veranlasste, die Wiederaufnahme der eigentlich schon abgeschlossenen Beratungen zum materiellen Strafrecht zur Prü fung der Gönnerschen Bemerkungen anzuordnen, was auch geschah.312 Feuerbach reagierte hierauf noch vor dem neuerlichen Zusammentreten des Ausschusses mit ausführlichen „Gegenbemerkungen“, in denen er Gönners Vorbringen zu widerlegen suchte.313 Der Ausschuss beriet dann in sechs weiteren Sitzungen im November und Dezember 1812 über Gön ners Anmerkungen und Feuerbachs Gegenbemerkungen. Es nähme nicht wunder, wenn dadurch die Spannungen zwischen Feu erbach und Gönner im Ausschuss wieder deutlich zunahmen. Über solche Spannungen berichtete der Enkel des Justizministers Reigersberg, Otto von Völderndorff, viele Jahre später in Form einer detailreichen Anekdote, die seitdem vielfach, zum Teil wörtlich, kolportiert wurde, zunächst in ei nem Sammelband über die bayerischen Justizminister im 19. Jahrhun dert314, dann breitenwirksam in der Feuerbach-Biographie Radbruchs315 , später erneut unter anderem in Kippers Feuerbach-Biographie316 und erst unlängst wieder von Walter317 und Maihold318 . Die Anekdote hat durch ihre ebenso farbige wie amüsante Ausgestaltung sicher ihren besonderen Reiz, zumal sie von Völderndorff in vorgeblich wörtlicher Rede seines Großvaters wiedergegeben wird und ein plastisches Charakterbild der bei den Kontrahenten zeichnet, was ihre breite Rezeption zweifellos ähnlich befördert hat, wie Feuerbachs Schilderung der Landshuter Disputation von 1805, die zu seiner Flucht von der Universität führte.319 Ich gebe auch diese Anekdote daher zunächst im Wortlaut wieder, bevor wir uns mit ih rem Wahrheitsgehalt und ihrem Einfluss auf das Bild Feuerbachs und Gönners in der Gegenwart beschäftigen: „Es war wenige Tage vor der Beratung in der Strafgesetz-Kommission, als mir Feu erbach den Abschnitt vom Diebstahl (ich hatte ihn wiederholt moniren müssen) vorlegte. Ich prüfte ihn und fand die Arbeit, wie alles, was dieser eminente Rechts gelehrte schuf, theoretisch vortrefflich durchgeführt, juristisch fein erdacht und 312 Das geht aus Feuerbachs Gegenbemerkungen, S. 3, hervor (s. Fn. 313). Die Verfü gung des Königs vom 6. Oktober 1812 zur Wiederaufnahme der Beratungen bei Geisel, 1929, S. 19 f. 313 BayHStA Staatsrat 8226 (65 Seiten). 314 Resch/Alzheimer, 1931, S. 59 f. 315 Radbruch, 1934, S. 82 f. 316 Kipper, 1969, S. 65 f. 317 Walter, 2014, S. 23. 318 Maihold, 2014, S. 502, Fn. 41. 319 Hierzu oben S. 24 f.
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entwickelt, aber nur für einen, vielleicht einmal später ins Leben tretenden Ideal staat passend, für die gegenwärtigen Zustände aber unpraktisch. Zurückgeben wollte ich den Entwurf nicht, da die Zeit drängte und der Genannte ohnehin schon etwas gereizt war, und so brachte ich ihn zur Beratung. Gönner, der die Schwächen rasch entdeckt hatte, fiel sofort darüber her; Graf Arco, Schwager des Ministers Montgelas und Führer der altbajuwarischen, allen Reformen abgeneigten Partei, sekundirte ihm in recht hämischer Weise und Feuerbach ward immer unruhiger und röter im Gesicht. Ich hielt es für nötig, einzuspringen und bemerkte: Der Herr Geheime Referendar v. Feuerbach zieht vielleicht vor, die Bemerkungen der beiden Votanten mit Ruhe noch einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und uns da nach in der morgigen Sitzung seine Gegenbemerkungen und vielleicht einige Mo difikationen seines Entwurfes vorzulegen …Dies geschah auch, und Feuerbach trug nun einen neuen, ganz auf der Grundlage der Arco-Gönner’schen, am vorher gehenden Tage aufgestellten Erinnerungen ausgearbeiteten Entwurf vor. Aber sie he da, nun erhob sich Graf Arco, bedauerte mit ironischem Lächeln, daß sich der Herr Geheime Referendar so viel Arbeit gemacht, er habe sich die Sache nochmals mit Herrn Kollegen von Gönner überlegt und nun befürwortete dieser einen drit ten Entwurf, der aber fast völlig, nur in etwas geänderter Fassung, die ursprüng lichen Artikel Feuerbachs enthielt. Dieser war sprachlos vor Zorn; seine eigene Arbeit, aber nunmehr als Gönner’scher Entwurf, wurde angenommen und ich konnte unter solchen Umständen nichts mehr thun. Gleich nach der Sitzung ließ sich Feuerbach bei mir melden, stürmte in mein Bureau, ergoß sich in den heftigs ten Klagen über die ihm widerfahrene Behandlung, ergriff die Papierschere, die auf meinem Pulte lag, fuchtelte wütend mit derselben herum, erklärte, seine Ehre sei angegriffen, unter solchen Umständen könne er nicht mehr leben, er werde sich erstechen. Ich nahm ihm ruhig die Papierschere aus der Hand, redete ihm tröstend zu, verwies ihn darauf, wie Graf Arco es mir selbst mache und versprach ihm, da für zu sorgen, daß seine Autorschaft nicht unterdrückt werden solle. Allmählich beruhigte er sich. Aber ähnliche Episoden kamen öfters vor, und ich atmete erleich tert auf, als endlich der Entwurf durchberaten war und das neue Gesetzbuch pub lizirt werden konnte.“320
Völderndorff verleiht seiner Schilderung dadurch, dass er sie in vorgeblich direkter Rede seines Großvaters wiedergibt, nicht nur besondere Plastizi tät, sondern auch eine vermeintlich größere Authentizität. Und tatsächlich passt das Charakterbild, das er in dieser an sich nebensächlichen Begeben heit schildert, bestens zu den Charakterisierungen, die besonders Rad bruch, aber auch schon Landsberg von unseren beiden Kontrahenten ge zeichnet haben und unser Bild von Feuerbach und Gönner bis heute prä gen: Da ist auf der einen Seite der gutmütige, aber aufbrausende Feuerbach, ein hoch begabter Theoretiker, dem aber der Blick für die praktischen Sei ten des Lebens fehlt, was in dem theatralischen Auftritt mit der Papiersche re nochmals farbig vor Augen geführt wird. Auf der anderen Seite sehen 320
Völderndorff, 1898, S. 29 ff.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
wir Gönner mit einem guten Gespür für die Bedürfnisse des Lebens, klug, aber verschlagen agierend und ohne innere Überzeugungen bloß zum Schaden seines Kontrahenten handelnd. Die Anekdote ist also nach dem gleichen Muster gestrickt wie Feuerbachs Schilderung der Landshuter Dis putation von 1805: Da ist der durch die Hinterlist seines Gegners vorder gründig geschlagene Feuerbach, dem aber alle Sympathien der Leser gehö ren. So erklärt sich wohl auch die ungebrochene Popularität dieser Anek dote, die an einer amüsanten Begebenheit ein verbreitetes Charakterbild veranschaulicht. Und da sie so gut zu passen scheint, wird die Anekdote immer wieder aufgetischt, ohne nach ihrem Wahrheitsgehalt zu fragen. Tatsächlich ist der Wahrheitsgehalt mehr als fragwürdig. Nicht nur, dass die Schilderung durch Völderndorff erst ein ganzes Menschenalter, nach dem sie sich angeblich zugetragen hat, erfolgte. Auch widerspricht sich Völderndorff selbst, indem er Feuerbachs Drohung, sich mit einer Papier schere zu erstechen, in seiner ersten Anekdotensammlung im Zusammen hang mit den Arbeiten an einem Zivilgesetzbuch schildert321 und erst im zweiten Anekdotenband die Episode zu den Arbeiten am Strafgesetzbuch verlegt. Schließlich lässt sich auch an Hand der erhaltenen Protokolle über die Sitzungen des Geheimratsausschusses eindeutig feststellen, dass es dort bei der erneuten Beratung des materiellen Strafrechts im November/De zember 1812 (nur dann könnte die Anekdote sich zugetragen haben, da Gönner bei der erstmaligen Befassung des Ausschusses mit dem materiel len Strafrecht noch gar nicht beteiligt war) nicht zu derartigen Neuentwür fen der Diebstahlsartikel kam.322 Es kam auch nicht zu der Vertagung einer Sitzung auf den nächsten Tag, wie in der Anekdote geschildert. Diese Mühe hat sich aber keiner der zahlreichen Autoren gemacht, die diese An ekdote bis heute immer wieder zur Veranschaulichung des tradierten Charakterbildes kolportieren, obwohl seit langem bekannt ist, dass Völ derndorff es in seinen „Harmlosen Plaudereien“ mit der Wahrheit nicht allzu genau genommen hat und viele seiner Anekdoten frei erfunden sind.323 Viele zitieren auch gar nicht mehr Völderndorff, sondern die Wie 321
Völderndorff, 1892, S. 32. Über einzelne Diebstahlartikel wurde nur in der letzten Sitzung des Ausschusses am 6. Dezember 1812 gesprochen, wobei es auf Anregung Gönners lediglich zu kleine ren Änderungen in Art. 216 des Entwurfs kam, die aber nicht auf einer Intrige von Gönner und Arco beruhten und mit Zustimmung aller Ausschussmitglieder einschließ lich Feuerbachs ohne Vertagung erfolgten; 54. Sessions-Protokoll vom 6. Dezember 1812, in: BayHStA Staatsrat 2363. 323 Vgl. Böhm, 1908, S. 763 im Hinblick auf Völderndorffs „Harmlose Plaudereien“: „eine etwas eigenwillige Phantasie drängte ihn zuweilen weitab von den Bahnen des Realen“. Auch Radbruch vermerkte in seinen handschriftlichen Zusätzen zu seiner 322
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dergabe durch Radbruch, die quasi unantastbare Glaubwürdigkeit genießt. So wird dieser Anekdote in der Literatur seit mehr als einem Jahrhundert immer wieder neues Leben eingehaucht, weil sie doch einfach zu schön ist und zu gut in unser überkommenes Feuerbach/Gönner-Bild passt, als dass man sie sich einfach von den schnöden Fakten zerstören lassen will. Als wahren Kern der Anekdote wird man nur annehmen dürfen, dass die durch Gönners kritische Anmerkungen veranlasste Wiederaufnahme der Beratungen zum materiellen Teil des Strafgesetzbuchentwurfs zu einer erneuten deutlichen Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Feuer bach und Gönner geführt hat. Wie nicht anders zu erwarten, war die Nei gung der anderen Ausschussmitglieder (nicht nur Feuerbachs), wegen der nachträglichen Anmerkungen Gönners ihre Meinung zu den bereits ab schließend beratenen und beschlossenen materiellen Bestimmungen zu revidieren, gering. Entsprechend konnte Gönner, anders als bei den Aus schussberatungen zum Strafverfahren, an denen er von Anfang beteiligt war und bei denen er – wie wir sahen – wichtige Änderungen herbeiführen konnte, im materiellen Teil des Entwurfs nur noch wenige Änderungen durchsetzen. Er selbst berichtete später, er habe nur noch zwei wesentliche Änderungen im materiellen Teil durchsetzen können, nämlich den Ver zicht auf den Begriff der „außerordentlichen Strafe“ und eine veränderte Definition der Miturheberschaft (Art. 50 BayStGB).324 Daneben kam es auf seine Anregung noch zu einigen eher redaktionellen Änderungen im materiellen Teil. Ähnlich wie im Strafverfahrensrecht waren auch Gönners Abänderungsvorschläge zum materiellen Strafrecht häufig liberaler und milder gegenüber dem Angeklagten als Feuerbachs Entwurf. So sprach er sich etwa gegen eine Zuchthausstrafe auf unbestimmte Zeit aus (BayStGB I Art. 12), konnte sich aber auch damit nicht durchsetzen.325 Nach Ende der Beratungen im Geheimratsausschuss wurde der Gesamt entwurf noch im Plenum des Geheimrats unter Anwesenheit des Königs beraten, wobei Feuerbach Einleitungsvorträge hielt.326 Am 16. Mai 1813 Feuerbach-Biographie, die in der Druckfassung von 1934 noch nicht enthalten waren, sondern erst in der von Erik Wolf besorgten zweiten Auflage von 1957 (Anm. 87), dass Völderndorff laut Frankfurter Zeitung vom 9.1.1937 gelegentlich gestanden habe, „dies oder jenes in seinen Erinnerungen einfach erfunden zu haben“ (hierzu Haney, in: Radbruch, 1997, S. 431). 324 Gönner, 1825, S. 5 f. 325 49. Sessions-Protokoll vom 10. November 1812, in: BayHStA Staatsrat 2363. 326 Der Einleitungsvortrag zum „Geist des Strafgesetzbuchs“ findet sich gekürzt in Feuerbach, 1853, Bd. 1, S. 212 ff. Die vollständigen Vorträge in BayHStA Staatsrat 8226, dort auch mit kritischer Stellungnahme des Grafen von Arco zu Feuerbachs Ausfüh rungen.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
erging dann das Publikationspatent zu beiden Teilen des Strafgesetzbuchs und am 1. Oktober 1813 trat das Gesetzbuch in ganz Bayern in Kraft. Im Zusammenhang mit der Verkündung des neuen Strafgesetzbuches wurde beschlossen, hierzu amtliche Anmerkungen zu erstellen und zu veröffentlichen, die auf den Protokollen der Geheimratsverhandlungen be ruhen und „eine Darstellung der Beweggründe“ der gesetzlichen Bestim mungen liefern sollten.327 Bezweckt war also nicht, einen wissenschaft lichen Kommentar zu dem Gesetzeswerk zu liefern, sondern aus der Ent stehungsgeschichte geschöpfte Motive, die „sowohl die Gerichte als die Lehrer Unserer Landesuniversitäten in den Stand [setzen], die Bestimmun gen des Gesetzbuches nach ihrem wahren Geiste und Sinne aufzufassen und anzuwenden“. Hierdurch glaubte man „alle weiteren Kommentarien entbehrlich“ zu machen und erteilte ausdrücklichen königlichen Befehl, „daß ausser dieser von Uns selbst angeordneten Darstellung durchaus von keinem andern Staatsdiener oder Privatgelehrten ein Kommentar über das Strafgesezbuch in Druck gegeben werde, und daß sich die Gerichte in Be handlung und Beurtheilung der Strafsachen, sodann die Lehrer Unserer Landesuniversitäten in ihren Lehrvorträgen, ausschliessend an den Text des Gesezbuches mit Benüzung der Anmerkungen halten, damit das Straf gesezbuch in allen Theilen Unsers Königreichs in gleichem Geiste und nach dem, was Wir zu verordnen und zu erläutern für gut gefunden haben, angewendet und gelehret werde“.328 Derartige Auslegungsbeschränkungen für die Rechtsprechung und Kommentierungsverbote für die Wissenschaft hatten gerade bei absolutis tischen Gesetzgebern eine lange Tradition, die damit ihr Rechtsetzungs monopol auch bei der Auslegung und Fortentwicklung der Gesetze in der Zukunft absichern wollten. So hatte bereits Justinian die Inkraftsetzung der Digesten im Jahre 533 mit einem Kommentierungsverbot flankiert329 und auch das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 enthielt eine enge Bindung der Gerichte an den Gesetzeswortlaut und verbot ihnen, „auf Meinungen der Rechtslehrer oder ältere Aussprüche der Richter“ bei künf tigen Entscheidungen Rücksicht zu nehmen.330 Solche Auslegungs- und Kommentierungsverbote waren zur Zeit des Erlasses des bayerischen Strafgesetzbuchs aber bereits ein Auslaufmodell, womit sich das bayeri
327 Königliche Verfügung vom 19. Oktober 1813, abgedruckt in den Anmerkungen zum bay. StGB, Bd. 1, S. I. 328 Ebda (Fn. 327), S. III. 329 Constitutio „Tanta“, § 21. 330 ALR Einl. §§ 6 , 46.
2. Die Arbeiten an einem bayerischen Strafgesetzbuch
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sche Strafgesetzbuch nicht an den Anfang, sondern an das Ende einer Tra ditionsreihe stellte.331 Die Erstellung der amtlichen Anmerkungen hatte man einer Kommis sion übertragen bestehend aus Gönner, Adam von Aretin und Johann Nepomuk von Effner332 , die alle drei auch im Geheimratsauschuss über den Strafgesetzbuchentwurf beraten hatten, sowie als Protokollführer Egid von Kobell, der schon im Geheimratsausschuss das Protokoll geführt hatte.333 Die eigentliche Ausarbeitung der Anmerkungen oblag dabei Gönner, der seinen Entwurf sodann den anderen Mitgliedern der Kom mission vortrug.334 Auffällig ist, dass Feuerbach an der Ausarbeitung der Anmerkungen nicht direkt beteiligt wurde. Radbruch vermutet als Ursa che eine Absicht des Justizministers Reigersberg zur „Nutzbarmachung der Gegensätze beider Gegner für die Sache der Gesetzgebung“.335 Doch muss man gar nicht den von Radbruch besonders gerne zugespitzten Ant agonismus zwischen Feuerbach und Gönner als Ursache für diese Ent scheidung bemühen. Angesichts der Tatsache, dass der königliche Auftrag zur Anfertigung der amtlichen Anmerkungen ausdrücklich betonte, dass allein die Geheimratsprotokolle Grundlage für die Anmerkungen sein sol len, liegt es nahe, dass man bei einer maßgeblichen Beteiligung Feuerbachs befürchtete, die Anmerkungen würden zu stark den Feuerbachschen Theorien anstelle der Geheimratsbeschlüsse folgen. Immerhin gab man Feuerbach dann Gelegenheit, sich gutachtlich über die von der genannten Kommission vorgelegten Anmerkungen zu äußern, was dieser auch tat.336 Feuerbach sah den eigentlichen Zweck der Veröffentlichung der Motive zu dem Strafgesetzbuch darin, den Richter „mit dem Geiste des Ganzen und aller einzelnen Bestimmungen bekannt zu machen, um Mißdeutun 331
Zum Hintergrund s. Mertens, 2004, S. 125 ff., 278 f. Effner war wie Aretin Mitglied des Geheimen Rats und Referendär im Justizmi nisterium, vgl. zu ihm Holzbauer, 1931, Bd. 2, S. 1085 f.; Schärl, 1955, S. 352, Nr. 692; Ernst, 2002, S. 591 333 Gutachten Gönners „Über den gegenwärtigen Zustand der Gesetzgebung im Königreich Baiern …“ vom 15. Februar 1817, BayHStA MInn 45796; Gönner, 1825, S. 9; Geisel, 1929, S. 22; Thierfelder, 1934, S. 407 (dort fälschlich „Kobelt“). Landsberg, in Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 155 und im Anschluss daran viele in der neueren Literatur (z. B. Schmidt, 1965, S. 267; Schreiber, 1976, S. 119, Fn. 10) sehen fälschlich in Gönner den alleinigen Verfasser der Anmerkungen. Tatsächlich war nach einem späteren Bericht Gönners (1825, S. 9) ursprünglich ihm allein die Anfertigung der Anmerkungen aufgetragen worden, wohingegen er auf die Einsetzung einer Kommission bestand. 334 Gönner/Schmidtlein, 1818, S. 5. 335 Radbruch, 1934, S. 84 f. 336 Feuerbach, „Gutachtliche Erinnerung über die von Titl.-Dir. v. Gönner und E. v. Kobell verfaßten Motive zum Allgemeinen Strafgesetzbuch“ vom 3. August 1813, in: ders., 1853, Bd. 1, S. 237–257. 332
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
gen des Buchstabens in der Anwendung der Gesetze zuvorzukommen“.337 Diesen Zweck hielt Feuerbach im Ansatz für legitim, lehnte es aber ab, wenn die amtliche Gesetzesbegründung nicht nur Motive als Auslegungs hilfe liefert, sondern die Form eines amtlichen Kommentars annimmt, also die gesetzlichen Bestimmungen verbindlich erklären will, wie es hier der Fall war. Einen derartigen amtlichen Kommentar bezeichnete er (jeden falls für „sein“ Gesetzbuch) als überflüssig und sogar gefährlich. Überflüs sig sei er deshalb, weil dieses Gesetzbuch sich durch „seine hohe Klarheit, seine Bestimmtheit und durchgreifende Präcision“ auszeichne, „die jedem wissenschaftlich gebildeten Manne, der das Werk nicht blos ansieht oder durchblättert, sondern studirt, jeden Commentar überflüssig macht“.338 Darüber hinaus sei ein derartiger amtlicher Kommentar auch gefährlich, weil der freien Entwicklung von Wissenschaft und Praxis hierdurch Fes seln angelegt würden.339 Feuerbachs überzogene Formulierung, dass das Gesetzbuch „jeden Commentar überflüssig macht“, dürfte auf die Kränkung zurückzuführen sein, dass nicht ihm selbst der Auftrag zur Erstellung des amtlichen Kom mentars zu dem Gesetzbuch erteilt worden war. Seine Argumentation soll te dazu dienen, die Veröffentlichung des maßgeblich von Gönner entwor fenen Kommentars zu verhindern. Zu weitgehend dürfte daher die in der Feuerbach-Forschung etablierte Ansicht sein, wonach Feuerbach gegen jede Form der Kommentierung war und das zum bayerischen Strafgesetz buch von 1813 erlassene Kommentierungsverbot billigte.340 Feuerbachs Argumentation war situationsbedingt und richtete sich nicht generell ge gen Gesetzeskommentierungen, sondern gegen die konkrete Form eines authentischen Kommentars, wie er zum bayerischen Strafgesetzbuch ge plant war. Dass er private Kommentare durchaus für legitim (wenn auch in seinem Fall für überflüssig) hielt, ergibt sich daraus, dass er als Argument gegen den geplanten amtlichen Kommentar wie erwähnt gerade auch die hierdurch Wissenschaft und Praxis angelegten Fesseln anführt und gegen die Kommentare Kreittmayrs341 und Zeillers342 zu „ihren“ Gesetzbüchern, 337
Ebda (Fn. 336), S. 239. Ebda (Fn. 336), S. 240 f. 339 Ebda (Fn. 336), S. 241. 340 Radbruch, 1934, S. 85; Schmidt, 1965, S. 267. 341 Wiguläus Xaver Alois von Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Juris Bavarici Criminalis … München 1752; ders., Anmerkungen über den Codicem Maximi lianeum Bavaricum Civilem, 5 Bde, München 1758–1768. 342 Franz von Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der österreichischen Monarchie, 4 Bde, Wien/ Triest 1811–1813. 338
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die er als bloße Privatarbeiten qualifizierte, nichts einzuwenden hatte. Im Übrigen zeigt die Tatsache, dass Feuerbach selbst an einer Kommentierung des Gesetzbuchs arbeitete, bevor der Auftrag zur amtlichen Kommentie rung dann doch nicht ihm, sondern der erwähnten Kommission erteilt wurde, dass er eine derartige Kommentierung offenbar doch nicht für so überflüssig hielt, wie er es später angesichts der erfahrenen Kränkung dar stellte. Erfolg hatte Feuerbach mit seinen Einwänden nicht. Die amtlichen Anmerkungen zu Teil I des Strafgesetzbuchs (materielles Strafrecht) wur den trotz seiner Kritik fast unverändert in drei Bänden 1813/14 publi ziert.343 Allerdings unterblieb die ursprünglich geplante zusätzliche amt liche Kommentierung des Teils II (Strafverfahren). Über den Wert der amtlichen Anmerkungen zum bayerischen Strafge setzbuch gibt es sehr unterschiedliche Urteile in der Literatur. Feuerbach selbst beurteilte die Anmerkungen aus den genannten Gründen naturge mäß sehr kritisch und warf den Redaktoren namentlich vor, dass mindes tens Zweidrittel der Anmerkungen entgegen dem königlichen Auftrage nicht auf den Geheimratsprotokollen beruhen würden, sondern auf den Ansichten der Redaktoren, gegen deren Richtigkeit er „sehr oft feierlichst protestiren müßte“.344 Berner bezeichnete die Anmerkungen hingegen als „glänzenden Kommentar“345 und Landsberg, der kurz zuvor noch polemi sierte, durch die Beauftragung Gönners mit den Anmerkungen habe man „den Bock zum Gärtner“ gemacht, ringt sich dann offensichtlich wider strebend zu folgendem Urteil über ihren Inhalt durch: „Immerhin wird man anerkennen müssen, daß sein Werk [die amtlichen Anmerkungen, die Landsberg allein als Werk Gönners ansieht] dann nicht übel gelungen ist, daß er dabei mit Geschick Gesetz und Motive in Widerspruch miteinander zu bringen vermieden, sogar dem Buchstaben und Geiste des neuen Ge setzes in etwa gerecht zu werden verstanden hat.“346 Tatsächlich gab es zwar einzelne Abweichungen zwischen Gesetzbuch und Anmerkungen, die angesichts des Gesamtumfangs der Regelungen aber kaum ins Gewicht fielen.347 Die bayerische Gerichtspraxis griff offenbar schon deshalb inten 343 Anmerkungen zum Strafgesezbuche für das Königreich Baiern. Nach den Proto kollen des königlichen Geheimen Raths, 3 Bde, München 1813/1814. Feuerbach bemerk te hierzu später, dass die Anmerkungen auf seine Kritik hin nur an zwei Stellen geändert und ansonsten unverändert publiziert worden seien, ebda (Fn. 336), S. 257. 344 Ebda (Fn. 336), S. 249. 345 Berner, 1867, S. 89. 346 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 155. 347 Die Einschätzung von Maihold, 2014, S. 498, wonach „sich nicht leugnen [lasse], dass sie [die amtlichen Anmerkungen] oft von anderen Grundsätzen getragen waren als das Gesetz“, beruht auf einem irrigen Verständnis einer Passage bei Berner (1867, § 249,
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
siv auf die Anmerkungen zurück, weil angesichts des Kommentierungs verbots die übrige Literatur zum Strafgesetzbuch spärlich blieb und diese sich auf Einzelaspekte und die Erläuterung der schon bald einsetzenden umfangreichen Novellierungen konzentrierte.348
3. Die Novellen zum Strafgesetzbuch und die Entwürfe zu seiner Revision Als Feuerbach sich im Kodifikationsstreit auf die Seite der Kodifikationsbe fürworter schlug349, rächte sich Savigny auf seine Weise. Er nahm sich in ei ner Rezension 1817 das bayerische Strafgesetzbuch vor, zu dem – so S avigny – innerhalb von nur drei Jahren seit seinem Inkrafttreten 111 abändernde Novellen erschienen seien, wobei die Lehre vom Diebstahl „ganz neu be stimmt“ worden sei.350 Hierfür könne es nur zwei Erklärungen geben: Ent weder gab es gute Gründe für diese schnellen und zahlreichen Ä nderungen, war also das Gesetzbuch in hohem Grade misslungen, oder man habe „ein gutes Gesetz gleich nach seiner Einführung preis gegeben ohne Rücksicht auf die Sicherheit und Festigkeit des Rechts“.351 Welche der beiden Alterna tiven hier vorläge, ließ Savigny offen, lagen die Konsequenzen für den kun digen Leser doch auch so auf der Hand: Im ersten Falle wäre Feuerbach der Schuldige, im zweiten Falle Gönner, der von Savigny nicht genannt wird, doch allgemein als spiritus rector der Novellen galt, und in beiden Fällen hätte der bayerische Gesetzgeber mit seiner Kodifikation versagt. Was in Savignys maliziösem Seitenhieb auf die bayerischen Kodifika tionsbemühungen noch bewusst offen blieb, wurde von Radbruch klar im Sinne der zweiten Alternative entschieden. Hierfür bediente er sich des anschaulichen Bildes von Gönner, der das Feuerbachsche Werk (das baye rische Strafgesetzbuch) „aushöhlte wie der Wurm im Holze“.352 Als Ursa S. 324), die er als Beleg anführt. Wenn bei Berner (ebda) davon die Rede ist, dass „alsbald dem Gesetzbuche Erläuterungen [folgten], die nicht aus denselben Principien flossen, aus denen das Gesetzbuch geschöpft worden war“, sind damit nicht die amtlichen An merkungen gemeint, sondern die Erläuterungsreskripte, die im Anschluss an den Erlass des Gesetzbuchs und der Anmerkungen sukzessive zu einzelnen Bestimmungen erlas sen wurden und von denen im nächsten Kapitel die Rede ist. 348 Überblick bei Berner, 1867, S. 9 0. 349 Feuerbach, Vorrede zu Borst, 1816, S. III ff.; veränderter Wiederabdruck in: ders., 1833, S. 133–151. Zu Feuerbachs Haltung im Kodifikationsstreit s. u. S. 129. 350 Savigny, 1817, S. 15. Als Quelle beruft sich Savigny auf den „Brief eines Bairi schen Advocaten vom 22. Mai 1816“. 351 Savigny, 1817, S. 16. 352 Radbruch, 1934, S. 163.
3. Die Novellen zum Strafgesetzbuch
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che sieht Radbruch nicht nur eine „unmäßige Reformiersucht“ des bayeri schen Gesetzgebers, sondern die Absicht Gönners „einer Bloßstellung des Gesetzbuchs und seines Schöpfers“.353 Radbruchs Verdächtigung war kei neswegs neu, sondern wurde schon 1823 von dem dänischen Juristen Oersted aufgestellt, einem erklärten (wenn auch nicht unkritischen) Ver ehrer Feuerbachs und scharfen Kritiker Gönners. Oersted, der sich schon zuvor mit einer ins Deutsche übersetzten Abhandlung über Strafgesetz gebung354, in der er sich zu Feuerbachs psychologischer Zwangstheorie bekannte, in deutschen Fachkreisen einen Namen gemacht hatte, veröf fentlichte 1823 ebenfalls in deutscher Sprache eine scharfe und stark pole misierende Kritik an dem maßgeblich von Gönner gestalteten Strafgesetz buchentwurf von 1822, die uns später noch beschäftigen wird.355 In diesem Zusammenhang stellte Oersted aber auch die Behauptung auf, Gönner habe zunächst durch die von ihm verfassten amtlichen Anmerkungen zum bayerischen Strafgesetzbuch, anschließend durch die ebenfalls von ihm veranlassten zahlreichen auslegenden und abändernden Reskripte das Ge setzbuch in seinem Sinne umgestaltet und dadurch Feuerbachs Werk ver dorben.356 Versuchen wir, dieser Oersted/Radbruchschen Verschwörungs theorie auf den Grund zu gehen. Tatsächlich lag Savigny mit der für jeden Leser exorbitant anmutenden Zahl von 111 abändernden Novellen innerhalb von nur drei Jahren vorder gründig gar nicht so falsch. So bezifferte Gönner in einem internen Gut achten von 1817 die Zahl der zum Strafgesetzbuch ergangenen Reskripte auf 150357 und in einem Aufsatz von 1818 gibt er deren Zahl bis zum 26. November 1816 mit 156 an.358 Was auf den ersten Blick exorbitant hoch erscheint – dieser Eindruck war von Savigny zweifellos auch beabsichtigt – relativiert sich schnell, wenn man auf Anlass und Inhalt dieser Reskripte blickt. Viele dieser Reskripte beinhalteten nämlich keine echten Änderun 353
Radbruch, 1934, S. 163. Anders Sandoe Oersted, Über die Grundregeln der Strafgesetzgebung, Kopen hagen 1818. Zu Oersteds in dieser Schrift unternommenen Versuch, Feuerbachs psycho logische Zwangstheorie mit der Annahme „natürlicher Verbrechen“ zu vereinen, s. Schreiber, 1976, S. 122 ff. Schon diese Schrift enthielt einen scharfen Seitenhieb auf Gönners „unglücklichen Versuch, auch im Criminalfach glänzen zu wollen“ (Oersted, 1818, S. XII). 355 S.u. bei Fn. 414. Oersted war damals im Anschluss an eine frühere Richtertätig keit in leitender Position in der dänischen Zentralverwaltung tätig und dort ab 1825 auch für die Vorbereitung der Gesetzgebung zuständig, vgl. Tamm, 1995, S. 466 f. 356 Oersted, 1823, S. 4 f. 357 Gönner, Gutachten „Über den gegenwärtigen Zustand der Gesetzgebung im Königreich Baiern …“ vom 15. Februar 1817, BayHStA MInn 45796. 358 Gönner/Schmidtlein, 1818, S. 7. 354
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
gen des Strafgesetzbuchs, sondern authentische Interpretationen seines Wortlauts. Hintergrund war, dass das bereits erwähnte Kommentierungs verbot für das Strafgesetzbuch von einer Aufforderung an die Gerichte flankiert wurde, in der Praxis sich stellende Zweifel an der Auslegung des Gesetzeswortlauts zu sammeln und diese einmal jährlich an die Regierung einzusenden.359 Dort bestand von 1815 bis 1817 eine ständige Gesetzes kommission, die die eingehenden Auslegungszweifel sichtete und könig liche Reskripte zur Klärung der Auslegungszweifel vorbereitete. Mitglieder dieser Kommission waren Gönner, Adam von Aretin und Johann Nepomuk von Effner, die alle drei auch schon die amtlichen Anmerkungen zum Straf gesetzbuch verfasst hatten, sowie der im Innenministerium tätige Ministe rialrat Johann Baptist Stürmer.360 Gönner war also nicht allein für den Entwurf der Reskripte zuständig und der Justizminister Reigersberg be stimmte, wer von den Kommissionsmitgliedern jeweils das Referat führen sollte, das im Strafrecht nach Aussagen Gönners genauso häufig bei Effner, einem guten Freund Feuerbachs, lag wie bei ihm.361 Die Kommission hatte im Übrigen nur beratende Funktion und richtete ihre Vorschläge, die mit einer Begründung zu versehen waren, an den Justizminister.362 Mit diesem Verfahren der authentischen Interpretationen des Gesetz buchs durch eine ständige Gesetzeskommission folgte der bayerische Ge setzgeber, ähnlich wie beim Kommentierungsverbot, einem in der Gesetz gebung und Gesetzgebungstheorie der Aufklärungszeit beliebten Modell, das zum Zeitpunkt des Erlasses des bayerischen Strafgesetzbuchs aber be reits ein Auslaufmodell war.363 So hatte etwa Preußen noch im Zusammen hang mit der Inkraftsetzung des Allgemeinen Landrechts 1794 ähnliche Berichtspflichten der Gerichte angeordnet, die ebenfalls von einer ständi gen Gesetzeskommission in Form von authentischen Interpretationen be arbeitet werden sollten, um so das Gesetzbuch sukzessive zu präzisieren und zu verbessern.364 In Preußen war man von diesem Verfahren allerdings – nicht zuletzt angesichts der unerwartet hohen Anzahl der von den Ge richten eingereichten Fälle – schon nach vier Jahren wieder partiell abge 359
Verordnung vom 19. Oktober 1813, in: Anmerkungen zum bay. StGB, Bd. 1, S. IV. vom 30. Juni 1815, in: Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1815, Sp. 585–588; Gönner, 1825, S. 11. Zu Aretin s. o. Fn. 206, zu Effner s. o. Fn. 332, zu Stür mer, der später den Auftrag für den Entwurf eines weiteren Teiles des Strafgesetzbuches über Polizeiübertretungen erhielt, s. Schärl, 1955, S. 114 (Nr. 65); Demel, 1983, S. 351. 361 Gönner, 1825, S. 11. 362 Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1815, Sp. 587 (§ 5). 363 Zum Hintergrund s. Mertens, 2004, S. 278 f. 364 ALR Einl. §§ 47 f. Anders als in Bayern musste in Preußen anfangs die Anfrage bei der Gesetzeskommission während des laufenden Prozesses erfolgen. 360 Verordnung
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rückt365 und auch in Bayern hatte dieses Verfahren nur bis 1817 Bestand, da mit dem Sturz Montgelas’ im Februar 1817 die ständige Gesetzeskommis sion aufgelöst wurde und mit der Inkraftsetzung der bayerischen Verfas sung 1818 durch die nunmehr erforderliche Beteiligung des Landtags an jeder neuen Gesetzgebung dieses Verfahren authentischer Interpretationen durch die Regierung für die Zukunft ausschied. Gönner veröffentlichte zusammen mit seinem neuen Kollegen im Justiz ministerium Philipp von Schmidtlein 366 1818 eine umfangreiche und nach der Artikelfolge des Gesetzbuchs geordnete Zusammenstellung derjenigen Reskripte zum Strafgesetzbuch, denen nach ihrer Einschätzung über den Einzelfall hinausgehender Wert zukam.367 Daneben erschienen mehrere weitere auf den Gebrauch durch Gerichte und Behörden zugeschnittene Sammlungen der Reskripte im Druck.368 Viele dieser Reskripte waren aber nur authentische Interpretationen im obigen Sinne und nur verhältnismäßig wenige waren echte Gesetzesnovellen, die den Inhalt des Strafgesetzbuchs abänderten. Die bedeutendste dieser gesetzesändernden Novellen war das auch von Savigny hervorgehobene Diebstahlsedikt von 1816.369 Der kon krete Entwurf zu dem Diebstahlsedikt stammte tatsächlich von Gönner, die Forderung nach einer derartigen Novelle kam aber von den bayerischen Strafgerichten.370 Zum Verständnis des Hintergrunds ist ein Blick auf das Bestimmtheitskonzept des bayerischen Strafgesetzbuchs nötig. 365 Durch Kabinettsorder vom 8. März 1798 wurde die obligatorische Anfrage der Gerichte bei der Gesetzeskommission aufgehoben und den Gerichten erlaubt, nach den allgemeinen Auslegungsregeln zu entscheiden, vgl. Mertens, 2004, S. 260, Fn. 1136 m. w. N. Allerdings blieb es vorerst dabei, dass Auslegungszweifel (und Gesetzeslücken) von den Gerichten dem Chef der Justiz angezeigt werden sollten (§ 2 des ersten Anhangs zum ALR), vgl. Mertens, 2004, S. 279, Fn. 1227. 366 Schmidtlein war seit 1817 Ministerialrat im Justizministerium, zuvor Professor an der Universität Würzburg, vgl. Holzbauer, 1931, Bd. 2, S. 1088. 367 Gönner/Schmidtlein, 1818, S. 8 –344. 368 Friedrich W. Doppelmayr, Sammlung der Erläuterungen und Rescripte über das Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, Nördlingen 1821, 1824 (2. Aufl.), 1836 (3. Aufl.); Ferdinand von Spies, Sammlung aller Ergänzungen und Erläuterungen zum Strafgesetz-Buche, Bamberg 1835; außerdem existierte schon in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des BayStGB eine lithographierte Sammlung der hierzu ergangenen Re skripte in chronologischer Reihenfolge zum Gebrauch für Behörden und „das Publi kum“. Es stimmt also nicht, dass erst 1835 eine Sammlung der Änderungen erschienen sei, die daher in den ersten Jahrzehnten schwer zugänglich gewesen seien (so Maihold, 2014, S. 501, der nur die Sammlung von Spies berücksichtigt). 369 Verordnung vom 25. März 1816, Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1816, Sp. 145 ff. 370 Gutachten Gönners „Über den gegenwärtigen Zustand der Gesetzgebung im Kö nigreich Baiern …“ vom 15. Februar 1817, BayHStA MInn 45796; Gönner, 1826, S. 19.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Das bayerische Strafgesetzbuch hatte Feuerbachs Bestimmtheitskon zept für die Strafgesetzgebung folgend den Gerichten bei der Strafzu messung sehr wenig Ermessensspielraum eingeräumt.371 Auch innerhalb der eng gefassten Strafrahmen blieb die Strafzumessung nicht dem freien Ermessen der Gerichte überlassen. Der Allgemeine Teil gab vielmehr äu ßerst detaillierte Vorgaben, welche Umstände bei der Strafzumessung in nerhalb des vorgegebenen Strafrahmens strafschärfend oder strafmildernd berücksichtigt werden sollen und unter welchen Umständen eine Verschie bung des Strafrahmens möglich ist.372 Lagen keine der vorgegebenen Gründe für eine Strafrahmenverschiebung vor, durfte der Richter nicht von sich aus wegen besonderer Umstände vom vorgegebenen Strafrahmen abweichen.373 Das war vielmehr nur dem Souverän im Rahmen seines Be gnadigungsrechts möglich, worauf die Gerichte antragen konnten, wenn sie die vorgesehene Strafe im vorliegenden Fall als zu hart erachteten.374 Gerade bei den in der Praxis sehr häufigen Diebstahlsdelikten führte die ses Konzept dazu, dass den Gerichten kaum Spielraum blieb, besondere Umstände des Einzelfalls bei der Strafzumessung zu würdigen; so bemaß sich etwa beim einfachen Diebstahl ab einem Wert von 25 Gulden die Strafe allein nach einer am Wert des Diebesguts anknüpfenden Rechen operation.375 Dieses rigide Bestimmtheitskonzept führte in Kombination mit den auch nach den Maßstäben der Zeit hohen Strafandrohungen in der Praxis dazu, dass nach Inkrafttreten des Gesetzbuchs eine hohe Zahl der Strafur teile von den Gerichten zugleich mit einem Begnadigungsantrag an den Souverän zwecks Strafmilderung verbunden wurde, was nach überein stimmenden Urteil der bayerischen Gerichtshöfe auf Dauer unhaltbar war.376 1816 erging daher der Auftrag an die Gesetzeskommission zu einer Revision speziell der Diebstahlsbestimmungen, wobei Gönner den Ent wurf liefern sollte, was auch geschah.377 Die Novelle erhält partiell erwei terte Ermessensspielräume für die Gerichte und Strafmilderungen, wobei nach Ansicht Gönners dem richterlichen Ermessen noch mehr Raum hätte gegeben werden sollen, was aber ohne eine systematische Revision auch 371 Zu Feuerbachs Bestimmtheitskonzept und den Folgen für die Strafzumessung s. Mertens, 2004, S. 364 ff. 372 BayStGB I Art. 91 ff. 373 BayStGB I Art. 95. 374 BayStGB I Art. 96. 375 BayStGB I Art. 215. 376 Gönner, 1826, S. 18. 377 Gönner, 1826, S. 19.
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anderer Teile des Strafgesetzbuchs nicht möglich war.378 Infolge der Dieb stahlsnovelle ging die Zahl der Begnadigungsanträge erheblich zurück.379 Im Zuge der Novellierung wurde auch angeordnet, dass für alle seit In krafttreten des Gesetzbuchs 1813 wegen Diebstahls und Unterschlagung Verurteilten, die ihre Strafe noch nicht vollständig verbüßt hatten, eine Überprüfung erfolgen sollte, ob sich aus den neuen Bestimmungen eine mildere Strafe ergebe, die dann auch den bereits Verurteilten zugutekom men sollte. 929 Urteile wurden auf diese Weise durch die Referendäre im Justizministerium überprüft, wobei Gönner das Referat zukam.380 In 697 Fällen (75 %) kam es tatsächlich zu einer Strafmilderung, die bei 387 Ver urteilten zu einer sofortigen Haftentlassung führte. Hier zeigten sich die Schattenseiten von Feuerbachs Bestimmtheitskon zept, das man auch nicht anachronistisch als Ausdruck modernen rechts staatlichen Denkens interpretieren sollte, was aber in der Feuerbach-Lite ratur gerne geschieht.381 Feuerbachs Bestimmtheitskonzept beruhte viel mehr auf seiner psychologischen Zwangstheorie und auf dem typisch aufklärerischen Bemühen um Einschränkung richterlicher „Willkür“.382 Hierdurch sollte zwar der Justiz Fesseln angelegt werden, nicht aber dem Monarchen, der sich durch authentische Interpretationen oder auch Be gnadigungen jederzeit darüber hinwegsetzen konnte. Feuerbach selbst konnte an den zahlreichen auslegenden und abändern den Reskripten, die zum Strafgesetzbuch ergingen, nicht mehr direkt mit wirken, da er im Juni 1814 auf die Stelle eines zweiten Präsidenten am Ap pellationsgericht Bamberg versetzt worden war. Eine Intrige Gönners, um selber dessen Platz im Ministerium einnehmen und das Strafgesetzbuch im eigenen Sinne umgestalten zu können? Liest man die Polemik Oersteds, kann man in der Tat auf diesen Gedanken kommen.383 Gönner verwahrte sich in seiner Replik auf Oersted ausdrücklich gegen derartige Verdächti gungen: „An seiner [Feuerbachs] Versetzung hatte ich so wenig Antheil als Hr. Oersted in Kopenhagen, denn ich hasse alle Intrigue … Ich habe seinen Abgang aufrichtig bedauert, wie ich ihn noch bedaure, und offen erkläre, daß mir nichts angenehmers 378 Gönner, 1826, S. 20. Auch eine Strafaufhebung im Falle tätiger Reue wurde erst mals aufgenommen. 379 Gönner, 1826, S. 19. 380 Gönner, 1826, S. 26. Die Einzelergebnisse der Revision wurden in Tabellenform festgehalten und befinden sich im BayHStA MInn 45796. 381 Vgl. etwa Naucke, 1975, S. 881; Schreiber, 1976, S. 110 ff. 382 Näher hierzu Mertens, 2004, S. 367 f. 383 Oersted, 1823, S. 4.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
hätte begegnen können, als wenn er an den Berathungen über die Revision des Strafgesetzbuchs Theil gehabt hätte.“384
Tatsächlich hatte Gönner wohl keinerlei Anteil an der maßgeblich von Montgelas betriebenen Versetzung Feuerbachs, der selbst hierfür genügend Anlässe lieferte durch seine politischen Flugschriften, die in der damaligen Situation vor Eröffnung des Wiener Kongresses für die bayerische Regie rung äußerst ungelegen kamen, und durch seine kaum verhohlenen Sondie rungsgespräche mit dem preußischen Gesandten über einen möglichen Wechsel ins Berliner Justizministerium.385 Selbst Radbruch kommt nicht umhin zu bemerken, dass Feuerbachs Verhalten vor seiner Versetzung „eher einem Amoklauf geglichen [habe], als einem wohlbedachten Plan“, wenngleich Feuerbach im Nachhinein bemüht war, in Briefen an seinen Vater die Versetzung nach Bamberg als „voraus berechnet“, „absichtlich herbeigeführt“ und Erfüllung seiner „höchsten Wünsche“ hinzustellen.386 Indirekt konnte Feuerbach übrigens auch noch in seiner Bamberger Zeit auf die strafrechtliche Novellengesetzgebung Einfluss nehmen, da er von der Gesetzeskommission in wichtigen Angelegenheiten um gutachtliche Stellungnahme gebeten wurde.387 Über Gönners Rolle bei der Novellenge setzgebung schrieb sein Vorgesetzter, der Justizminister Reigersberg 1817 in einer internen Stellungnahme: „Er leistete als Referent bei der Ge sez-Kommission die wesentlichsten Dienste, und die unter seinem Vortra ge den exzentrischen Bestimmungen des Strafgesez-Buches gewordene Abhilfe erhielt der Gerichtshöfe lauten Beifall.“388 Das lässt sich an Hand der Diebstahlsnovelle und der wie erwähnt in der Folgezeit stark gesunke nen Zahl von Begnadigungsanträgen seitens der Gerichte gut nachvollzie hen. Auch Mittermaier, der nicht im Verdacht stand, leichthin Lob über Gönner auszuschütten, urteilte über die Diebstahlsnovelle, dass die hier durch den Gerichten eingeräumten größeren Strafzumessungsspielräume „höchst weise“ seien.389 Von der Oersted/Radbruchschen Verschwörungs 384
Gönner, 1825, S. 11. zu den Gründen für Feuerbachs Versetzung Radbruch, 1934, S. 102 ff.; zu Feuerbachs Differenzen mit Montgelas s. Weis, 2005, S. 569 ff. 386 Radbruch, 1934, S. 109; Feuerbach, Briefe an seinen Vater vom 22. Juni und 15. September 1814, in: ders., 1853, Bd. 1, S. 280, 284. Elf Jahre später bezeichnete Feuerbach hingegen in einem Brief an den neuen König Ludwig I. Bamberg als seinen „Verban nungsort“ (Brief vom 16. November 1825, ebda, Bd. 2, S. 247). 387 Gönner, 1825, S. 11. 388 Das Zitat stammt aus einer an den König gerichteten Beurteilung Gönners durch Reigersberg anlässlich Gönners Gesuch um Ernennung zum Staatsrat, o. D. (Juni 1817), in: BayHStA Staatsrat 1741. 389 Mittermaier, 1821, S. 162. 385 Ausführlich
3. Die Novellen zum Strafgesetzbuch
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theorie bleibt nach alledem wenig übrig. Weder hat Gönner auf die Verset zung Feuerbachs Einfluss genommen noch liegt in der Novellengesetz gebung eine „unmäßige Reformiersucht“ oder eine verderbliche Aushöh lung eines genialen Werkes. Es ist an der Zeit, die Wirkungsgeschichte des bayerischen Strafgesetzbuchs weniger durch pauschale Zuordnungen zu schreiben (hier der geniale Schöpfer – dort der perfide Verderber) als durch einen nüchternen Blick auf die Einschätzung der Zeitgenossen und die Auswirkungen auf die gerichtliche Praxis. Mit dem Sturz Montgelas’ im Februar 1817 endete auch die Tätigkeit der ständigen Gesetzeskommission und der bisherige Geheime Rat als obers tes staatliches Beratungsgremium wurde als Staatsrat reorganisiert und mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet.390 Gönners Gesuch um Aufnah me in die Justizsektion des neuen Staatsrats, das vom Justizminister Graf Reigersberg unterstützt wurde, stieß auf Widerstände insbesondere beim einflussreichen Feldmarschall Fürst Wrede.391 Ungeachtet seiner unbe streitbaren Verdienste im Bereich der Wissenschaft und Gesetzgebung sei Gönner „in moralischer Hinsicht“ unzuverlässig und daher als Staatsrat ungeeignet, solange die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Raum stün den.392 Bei den ihm vorgeworfenen Verfehlungen ging es um die bayerische Lotterieaffäre von 1816, die für den Sturz Montgelas’ mitursächlich war. Der chronisch unterfinanzierte bayerische Staat hatte Lotterieanleihen ausgegeben. Mit einer Verordnung vom 17. Juli 1816 wurde einem Teil die ser Papiere entgegen allen Geboten des Vertrauensschutzes nachträglich die hypothekarische Absicherung entzogen, wodurch die Kurse dieser Papiere massiv an Wert verloren und zahlreiche Anleger, darunter auch mehrere Banken, bankrottgingen.393 Gönner wurde vorgeworfen, ohne Genehmigung seines Dienstherrn im Rahmen dieser Affäre Bittschriften für geprellte Anleger verfasst zu haben.394 Auf einen Kompromissvor 390 Verordnung „die Bildung und Einrichtung der obersten Stellen des Staats betref fend“ vom 2. Februar 1817, in: Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1817, Sp. 49–56; zur Neuorganisation des Staatsrats s. Dobmann, 1962, S. 95 ff. 391 Vorschlag Reigersbergs um Aufnahme Gönners in den Staatsrat vom 4. Juni 1817 und Gesuch Gönners vom gleichen Tag, in dem er seine bisherigen Verdienste um den bayerischen Staat hervorhebt, BayHStA Staatsrat 1741. 392 Stellungnahme Wredes zum Gesuch Gönners auf Ernennung zum Staatsrat vom 5. Juni 1817, BayHStA Staatsrat 1741. 393 Zu den Einzelheiten dieser Affäre und den Verwicklungen Montgelas’ darin s. Weis, 2005, S. 771 ff. 394 Das geht aus einem Vermerk Gönners vom 4. Juni 1817 hervor, in dem er sich hierfür rechtfertigt, BayHStA Staatsrat 1741. Auch Reigersberg kam deswegen offenbar in Erklärungsnot und rechtfertigte sich, dass Gönner seine Nebentätigkeit ihm nicht angezeigt habe und er sie auch unter allen Umständen untersagt hätte.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
schlag Reigersbergs hin wurde Gönner im Juli 1817 zum Staatsrat ernannt, aber nur im außerordentlichen Dienst, wodurch seine Mitgliedschaft auf legislative Arbeiten und deren Beratungen beschränkt war.395 Erst 1820 er folgte die Beförderung Gönners zum ordentlichen Mitglied im Staatsrat, nachdem sich Reigersberg beim König nochmals nachdrücklich dafür ein gesetzt hatte, wobei er Gönners große Verdienste in der Gesetzgebung hervorhob und bestätigte, daß Gönner „nun mit Würde und Eifer seinem Geschäfte obliege und fremder Sachwaltung sich nicht mehr hingebe“.396 Gönners „Geschäft“ bestand zu diesem Zeitpunkt namentlich in der Revi sion des Strafgesetzbuchs, worauf wir nun den Blick richten. Die so hoch gepriesene Rechtseinheit für ganz Bayern im Strafrecht währte nur drei Jahre, denn im Zusammenhang mit dem Erwerb der Rheinpfalz 1816 wurde den linksrheinischen Gebieten die Zusage gemacht, dass das dort geltende französische Recht einschließlich des französischen Straf- und Strafverfahrensrechts in Kraft bleibe bis zu einer einheitlichen Neukodifikation für ganz Bayern. So galten linksrheinisch bereits die Grundsätze der Öffentlichkeit und Mündlichkeit im Strafprozess, es gab Schwurgerichte und Staatsanwaltschaften, während rechtsrheinisch der nicht-öffentliche Inquisitionsprozess aus dem zweiten Teil des Strafge setzbuchs von 1813 weiterhin Geltung beanspruchte.397 Die neue bayeri sche Verfassung von 1818 wiederholte den Auftrag: „Es soll für das ganze Königreich ein und dasselbe bürgerliche und Straf-Gesetzbuch beste hen.“398 Wir sahen bereits, dass dieser Auftrag im Zivilrecht nie eingelöst wurde und auch im Strafrecht sollte es weitere 44 Jahre dauern, bis ein neues b ayerisches Strafgesetzbuch 1862 in Kraft trat. Dabei begannen die neuen Kodifikationsbemühungen sehr hoffnungs voll. Bereits am 31. März 1818, noch vor Inkrafttreten der neuen Verfas sung, erhielt Gönner den Auftrag zu einer umfassenden Revision des ma teriellen Teils399 des Strafgesetzbuchs, wobei ihm auf seinen Wunsch hin 395 Vorschlag Reigersbergs vom Juni 1817 und Ernennungsurkunde vom 16. Juli 1817 in BayHStA Staatsrat 1741. 396 Antrag Reigersbergs an den König auf Beförderung Gönners zum Staatsrat im ordentlichen Dienst vom 8. Februar 1820 und Ernennungsurkunde vom 12. Februar 1820, BayHStA Staatsrat 1741. 397 Der Vorschlag Feuerbachs einer öffentlichen Schlussverhandlung zumindest bei Kapitalverbrechen wurde 1813 bei den Beratungen im Plenum des Geheimen Rates ver worfen. 398 Bay. Verfassung vom 26. Mai 1818, Titel VIII, § 7. 399 Erst im Anschluss daran erfolgte auch eine Revision der strafprozessualen Teils, die Gönner 1824 vorlegte und die (anders als der Neuentwurf zum materiellen Teil) nicht im Druck erschien, s. u. Fn. 426.
3. Die Novellen zum Strafgesetzbuch
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der neue Kollege im Justizministerium Philipp von Schmidtlein, mit dem zusammen er auch die Jahrbücher der Gesetzgebung und Rechtspflege he rausgab, als Korreferent zur Seite gestellt wurde.400 Im Januar 1820 konnte Gönner den Entwurf des Allgemeinen Teils des revidierten Strafgesetz buchs nebst Motiven vorlegen (was er mit dem nunmehr erfolgreichen Ge such um Beförderung zum Staatsrat im ordentlichen Dienst verknüpfte).401 Während er nun an der Revision des Besonderen Teils arbeitete, begannen bereits die Beratungen des Entwurfs zum Allgemeinen Teil in einer beson deren Kommission, die unter dem Vorsitz des Justizministers Graf Rei gersberg aus vier Staatsräten und vier Ministerialräten bestand.402 Im Juni 1820 wurde der Kommissionsvorsitz Zentner übertragen, der kurz zuvor als Bevollmächtigter Bayerns von den Verhandlungen in Wien zurückge kehrt war und mit der Übertragung des Ministerrangs (vorerst ohne eige nen Geschäftsbereich) belohnt wurde.403 Gönner hatte sich nach eigener Aussage zunächst auf eine die Grund strukturen des Gesetzbuchs bewahrende Revision beschränkt, doch wur de im Laufe der Kommissionsberatungen der Auftrag ausgeweitet auf eine gänzliche Umarbeitung des Gesetzbuchs, was auch geschah.404 Zugleich arbeitete der Ministerialrat Stürmer, der bereits als Mitglied der ständigen Gesetzeskommission an den Novellen zum Strafgesetzbuch beteiligt ge wesen war, an einem weiteren Teil des Entwurfs, der die von der Polizei zu ahndenden Übertretungen regelte.405 Dieser Teil war im Zusammenhang mit der Entstehung des Strafgesetzbuchs von 1813 zwar auch bereits pro jektiert worden, damals aber nicht mehr zur Beratung gelangt.406 Der von der Kommission abschließend beratene Entwurf des materiellen Straf rechts und der polizeilichen Übertretungen wurde 1822 im Druck veröf fentlicht407 und der Ständeversammlung mitgeteilt, dort aber noch nicht 400 Gönner, 1825, S. 16; Trötsch, 1931, S. 209; der Revisionsauftrag wurde am 30. No vember 1819 erweitert: BayHStA Staatsrat 1741. Zu Schmidtlein s. o. Fn. 366. 401 Schreiben Gönners vom 29. Januar 1820 an den König, BayHStA Staatsrat 1741. 402 Gönner, 1825, S. 16 f. 403 Trötsch, 1931, S. 171 f., 209. 1823 übernahm Zentner von Reigersberg die Leitung des Justizministeriums, während Reigersberg wieder der Vorsitz der Gesetzeskommis sion übertragen wurde. 404 Gönner, 1825, S. 17. 405 Mittermaier, 1824, S. 177; Demel, 1983, S. 351; zu Stürmer s. o. Fn. 360. Zu den Bemühungen um eine separate Kodifikation des „Polizeistrafrechts“ im 19. Jahrhundert s. Kesper-Biermann, 2009, S. 433 ff. 406 Der damalige Entwurf, der nicht mehr zur Beratung kam, stammte nicht von Feuerbach, sondern von Joseph v. Stichaner, vgl. Demel 1983, S. 351, Fn. 75. 407 Entwurf des Strafgesetzbuchs, München 1822. Der Nachdruck Goldbach 2000 nennt missverständlich allein Gönner als Verfasser, wohingegen dieser nachdrücklich
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
beraten, da die Revision des Strafprozessrechts noch ausstand und man die Veröffentlichung mit der Aufforderung an die Gerichte und die drei Lan desuniversitäten verknüpfte, hierzu Stellungnahmen einzureichen.408 Bei dem Entwurf handelt es sich also um mehr als eine bloße Einarbei tung der seit 1813 zu dem Gesetzbuch ergangenen Novellen. Die Grund tendenz der im ersten Teil des Entwurfs vorgenommenen Revision bestand darin, die sehr detaillierten Bestimmungen mit ihren vielfachen Abstufun gen sowohl im Allgemeinen als auch im Besonderen Teil, die sich in der Praxis als zu starr erwiesen hatten, durch einfachere Regelungen zu erset zen, die den Gerichten größere Ermessensspielräume einräumten. Hierbei konnte man auf die Erfahrungen aus der sehr ausgedehnten Begnadigungs praxis, die sich auf Grundlage des Strafgesetzbuchs von 1813 entwickelt hatte, und den unter der Leitung von Gönner vorgenommenen fast 1000 Urteilsrevisionen zurückgreifen, von denen bereits die Rede war. Auch verzichtete der Entwurf bei den Strafarten auf die im Gesetzbuch von 1813 noch enthaltenen geschärften Todesstrafen, auf Zuchthausstrafen auf un bestimmte Zeit und auf körperliche Züchtigungen, alles Forderungen, die Gönner schon im Rahmen der Beratungen von 1813 erhoben hatte. Der Entwurf stieß in der Fachöffentlichkeit auf große Resonanz, allein in den Jahren 1822 bis 1825 erschienen mehr als zehn selbständige Schrif ten, die hauptsächlich eine Auseinandersetzung mit dem Entwurf beinhal teten.409 Er wurde schon damals vielfach allein als Werk Gönners angese hen, obwohl sein Name in der veröffentlichten Fassung gar nicht genannt wird, die den Entwurf vielmehr zutreffend als Kommissionsprodukt be schreibt, und obwohl Gönner auch nur für den ersten Teil den Vorentwurf erstellt hatte und nicht für den zweiten Teil über die polizeilichen Übertre tungen.410 Gerade der von Stürmer bearbeitete zweite Teil zog aber – zu Recht – besonders viel Kritik auf sich, da er klarer Strukturen ermangelte und stark kasuistisch aufgebaut war. Diese Kritik am zweiten Teil richtete betont hatte, dass die gedruckte Fassung des Entwurfs infolge der Kommissionsbera tungen gegenüber seinem ursprünglichen Entwurf wesentliche Veränderungen erfah ren hatte (Gönner, 1825, S. 17) und der Entwurf des zweiten Teils (von der Polizei zu ahndende Übertretungen) gar nicht von ihm, sondern von Stürmer stammte. Einen Überblick zum Inhalt des Entwurfs im Vergleich zum Strafgesetzbuch von 1813 gibt Maihold, 2014, S. 504 ff. 408 Gönner, 1825, S. 1, 17; Trötsch, 1931, S. 210. 409 Überblick über neun dieser Schriften in der Sammelrezension von Mittermaier, 1825a, S. 715 ff. Weitere Nachweise bei Schweisthal, 1992, S. 43. 410 Zu der Unterscheidung zwischen Verbrechen (von den Kriminalgerichten zu ahn den), Vergehen (von den Zivilstrafgerichten zu ahnden) und Übertretungen (von den Polizeibehörden zu ahnden) s. BayStGB I Art. 2 f. Der neue Entwurf behielt diese Grundeinteilung, die an der Art der zu verhängenden Strafe anknüpfte, bei.
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sich nun fälschlicherweise auch gegen Gönner, der diesen Teil gar nicht zu verantworten hatte.411 Aber auch im Hinblick auf die Kritik am ersten Teil des Entwurfs wies Mittermaier (damals schon einer der angesehensten Strafrechtler Deutschlands, der später auch Feuerbachs Lehrbuch fortfüh ren sollte) darauf hin, dass viele Kritiker mit den bayerischen Verhältnissen gar nicht vertraut waren und „in absolut bestimmten die richterliche Will kür einschränkenden Strafgesetzen das Heil der Gesetzgebung“ sahen.412 Mittermaier selbst nahm sehr ausführlich und ausgewogen zu den Vorund Nachteilen des neuen Entwurfs Stellung und lobte insbesondere die Vereinfachungen gegenüber dem sehr starren System des Gesetzbuchs und den Verzicht auf nicht mehr zeitgemäße Strafarten.413 Die umfangreichste und schärfste Kritik stammte von dem bereits er wähnten dänischen Juristen Oersted, der fälschlich Gönner für den alleini gen Verfasser beider Teile des Entwurfs hielt und den Entwurf besonders wegen seiner zu großen Milde und der Erweiterung des richterlichen Er messens tadelte.414 Mittermaiers zusammenfassendes und treffendes Urteil über Oersteds Kritik lautete: „Oersted war nicht gerecht gegenüber dem Entwurf, er verkannte alles Gute, was darin ist, und tadelte häufig ohne Grund. Oersted hat häufig nicht treu seinen Lesern aus dem Entwurfe referirt oder selbst nicht ruhig genug beobachtet.“415 Es erschienen aber auch zwei selbständige Schriften zur Verteidigung des Entwurfs. Die eine stammte von dem bayerischen Justizministerialrat Spies, der es sich vor allem zur Aufgabe machte, die Polemik Oersteds zu widerlegen.416 Die an dere stammte von Gönner selbst417, die – wiederum nach dem unpartei ischen Urteil Mittermaiers – „reichhaltig an großen legislativen Ansichten ist, die der Aufmerksamkeit eines jeden Criminalisten würdig sind, auch wenn man nicht immer ihnen beistimmt“.418 Mit seiner Schrift lieferte Gönner nicht nur eine Replik auf die Kritik Oersteds, der die Verärgerung gegenüber den zum Teil persönlichen Angriffen Oersteds in einigen sei 411
Darauf wies bereits Mittermaier, 1825a, S. 717 hin. Mittermaier, 1825a, S. 718. 413 Mittermaier, 1824, S. 173 ff., 352. Hinsichtlich der den Gerichten vom Entwurf eingeräumten größeren Ermessensspielräumen bei der Strafzumessung fiel das Urteil Mittermaiers zwiespältig aus, vgl. ebda, S. 365 f. 414 Anders Sandoe Oersted, Ausführliche Prüfung des neuen Entwurfs zu einem Straf gesetzbuch für das Königreich Bayern, Kopenhagen 1823. Zu Oersted s. o. S. 77. 415 Mittermaier, 1825a, S. 724 mit zahlreichen Beispielen. 416 Ferdinand von Spies, Kritik der Schrift des dänischen Staats-Raths Dr. Oerstedt über den Entwurf zu einem Strafgesetzbuche für das Königreich Baiern, Landshut 1825. 417 Nikolaus Thaddäus Gönner, Einige Motive zum Baierischen Entwurf des Straf gesetzbuchs …, München 1825 418 Mittermaier, 1825a, S. 730. 412
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
nerseits polemischen Passagen deutlich anzumerken ist, sondern auch Be gründungen zu den Bestimmungen des Entwurfs, denn dieser war ohne Motive veröffentlicht worden. Während also der Entwurf in der Fachöffentlichkeit auf große Resonanz stieß und zahlreiche Stellungnahmen provozierte, schwieg Feuerbach in der Öffentlichkeit beharrlich zu dem Entwurf.419 Zu den Gründen für sein Schweigen äußerte er sich später in einem Privatbrief an eben jenen Minis terialrat Spies, der den Entwurf von 1822 gegen die Kritik Oersteds in Schutz genommen hatte.420 Demnach käme „das verkannte Wahre und Rechte“ (Feuerbachs eigene Ansichten, wie sie im Gesetzbuch von 1813 zum Ausdruck kamen) „erst dann zu seinen rechten Ehren, wenn der Un verstand einmal in recht klaren Exempeln sich selbst dargestellt“ habe, was durch den Entwurf von 1822 geschehen sei, den Feuerbach geringschätzig als Gönners „Machwerk“ und „Unfug“ bezeichnete.421 Die Annahme des Entwurfs sei „mit der Schande und dem Unglück des Staates ganz gleich bedeutend“, aber durchaus nicht abzuwenden.422 Das hinderte Feuerbach übrigens nicht, zahlreiche Änderungen, die dieses „Machwerk“ gegenüber dem Strafgesetzbuch von 1813 vorgenommen hatte, in seinen eigenen Ent wurf von 1824 zu übernehmen, von dem gleich noch die Rede ist.423 Der Entwurf von 1822 erlangte – wie viele nachfolgende Entwürfe auch – entgegen Feuerbachs Prognose keine Gesetzeskraft. Der Grund hierfür dürfte wohl weniger die inhaltliche Kritik sein, die am Entwurf geäußert wurde, und auch nicht die Tatsache, dass Graf Reigersberg 1823 durch Zentner als Justizminister abgelöst wurde.424 Zentner führte nämlich 419 Das von Ludwig Feuerbach herausgegebene Manuskript „Über die Polizei-Straf gesetzgebung überhaupt und den zweiten Theil eines Entwurfs des Strafgesetzbuchs“, in: Feuerbach, 1853, Bd. 2, S. 346–378, war zu Lebzeiten seines Vaters wohl nicht veröf fentlicht worden (vgl. ebda, Bd. 2, S. 257 die Anmerkung Ludwig Feuerbachs) und be handelte auch nur den zweiten Teil des Entwurfs von 1822, also die von Stürmer ent worfenen Regelungen zu den Polizeiübertretungen. 420 S.o. Fn. 416. Spies war vor seinem Wechsel ins Justizministerium u. a. Richter am Appellationsgericht Ansbach gewesen und damit ein Kollege Feuerbachs. 421 Brief Feuerbachs an Spies vom 25. November 1825, in: ders., 1853, Bd. 2 , S. 255. 422 Brief Feuerbachs an Spies vom 25. November 1825, in: ders., 1853, Bd. 2 , S. 257. 423 Das gilt etwa für die Anerkennung geminderter Zurechnungsfähigkeit als Straf milderungsgrund (so schon Art. 86 Entwurf 1822), der eigentlich Feuerbachs psycholo gische Zwangstheorie entgegenstand, vgl. hierzu Schubert, 1978, S. 121 ff.; weitere Bei spiele bei Maihold, 2014, S. 510. 424 Inhaltliche Mängel vermutet Schweisthal (1992, S. 46) als Grund für die ausgeblie bene Inkraftsetzung. Maihold (2014, S. 509) sieht den Grund für das Scheitern auch da rin, dass Gönner durch den Wechsel im Justizministerium „seinen Fürsprecher“ verlo ren habe. Wie aufgezeigt, tauschten aber Reigersberg und Zentner nur die Rollen als Justizminister und Kommissionsvorsitzender. Im Übrigen war Zentner Gönner sicher
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schon zuvor den Vorsitz in der für die Beratung des Entwurfs zuständigen Gesetzeskommission und als er 1823 von Reigersberg die Leitung des Jus tizministeriums übernahm, wurde dieser im Gegenzug der Vorsitz in der Gesetzeskommission übertragen.425 Zu beachten ist, dass sich durch die Verfassung von 1818 und der hiermit notwendig gewordenen Beschlussfas sung der Ständeversammlung über Gesetzentwürfe die Rahmenbedingun gen im Vergleich zu der Inkraftsetzung des Gesetzbuchs von 1813 wesent lich geändert hatten. Tatsächlich war von Anfang an geplant, den Entwurf nur zusammen mit der ebenfalls projektierten Revision des Strafverfah rensrechts (zweiter Teil des Strafgesetzbuchs von 1813) in der Ständever sammlung beraten und beschließen zu lassen. Mit dieser Revision war ebenfalls Gönner beauftragt worden, der den Entwurf hierzu aber erst 1824 vorlegen konnte.426 Auch dann erfolgte aber noch keine Beratung in der Ständeversammlung, da die Stellungnahmen der Gerichte und Univer sitäten zum Teil noch ausstanden und man außerdem das Ende der parallel angegangenen Revision der Zivilprozessordnung abwarten wollte, bevor man dann alle Entwürfe gemeinsam in der Ständeversammlung zur Bera tung und Beschlussfassung einbrachte.427 Letztlich scheiterte der Entwurf also eher daran, dass man sich – typisch für die bayerische Gesetzgebungs arbeit unter Max Joseph – zu viele Projekte gleichzeitig vorgenommen hat te, wobei dann Verzögerungen in einem Projekt auch die anderen Projekte verzögerten. So war beim Tode des bayerischen Königs Max Joseph im Oktober 1825 noch keines dieser Gesetzgebungsprojekte in der Ständever sammlung beraten worden und mit der Thronbesteigung Ludwigs I. trat dann eine deutliche Zäsur bei allen Gesetzgebungsprojekten ein, was durch die von Ludwig angeordnete Auflösung der bisherigen Gesetzgebungs kommission deutlich wurde.428 Zwischenzeitlich hatte Zentner im August 1824 offenbar auch Feuer bach mit einer Revision des Strafgesetzbuchs von 1813 beauftragt, wie die nicht weniger gewogen als Reigersberg, wie etwa die spätere erneute Beauftragung Gönners mit dem Entwurf eines Zivilgesetzbuchs durch Zentner zeigt, s. hierzu oben S. 59. 425 S.o. Fn. 403. 426 Der Entwurf Gönners datiert vom 14. September 1824 und befindet sich im BayHStA Staatsrat 2371. 427 Resch/Alzheimer, 1931, S. 67 f.; Trötsch, 1931, S. 212. Zur Revision der Zivilprozess ordnung s. u. Kap. III.4. 428 Immerhin hielt es Feuerbach im November 1825, also kurz nach der Thronbestei gung Ludwigs I., noch für sehr wahrscheinlich, dass der Entwurf von 1822 begutachtet und angenommen würde: Brief Feuerbachs an Spies vom 25. November 1825, in: ders., 1853, Bd. 2, S. 255.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
ser später in einem Brief berichtete.429 In diesem Brief beklagte sich Feuer bach, dass bei einem Besuch in München Anfang 1825 Zentner ihm dann aber bedeutet habe, die Revisionsarbeiten als bloße Privatarbeit auszuge ben, die nicht auf Grundlage eines offiziellen Auftrags erfolgt seien. Feuer bach war hierüber nach eigenem Bekunden in seinem Ehrgefühl so tief gekränkt, dass er seinen revidierten Entwurf, von dem er den größten Teil bereits fertiggestellt hatte, vernichtet habe.430 Ob es sich tatsächlich um einen offiziellen Auftrag gehandelt hat oder doch eher um eine Anregung Zentners, dass sich auch Feuerbach zu dem Entwurf von 1822 erklären solle, sei dahingestellt, denn offensichtlich nahm Feuerbach es auch in die sem Brief mit der Wahrheit nicht so genau, ist doch sein Entwurf keines wegs von ihm vernichtet worden und eine Abschrift davon nach seinem Tod von seinem Sohn dem Ministerium übergeben worden, das aber wenig Interesse daran zeigte.431 Jedenfalls war Feuerbach augenscheinlich auch darüber verärgert, dass er nach der Thronbesteigung Ludwigs I. nicht in die neu eingesetzte Gesetzeskommission berufen wurde, über deren Mit glieder er sich wenig schmeichelhaft äußerte: Er könne seine Arbeit nicht der Prüfung und Entscheidung von Menschen unterwerfen, „die an Talent und Vorbildung viel zu tief stehen, als daß ich sie nur für würdig halten könnte, meine Schüler zu werden“.432 Dazu muss man wissen, dass die neue Kommission aus Zentner als Vorsitzendem, dem Staatsrat Stürmer, den Ministerialräten von Schmidtlein und von Mieg und dem Münchener Stadtgerichtsdirektor Häcker bestand433, alles gestandene Juristen und mit Zentner und Schmidtlein zwei ehemalige Juraprofessoren. Bis zum Inkrafttreten eines neuen bayerischen Strafgesetzbuches im Juli 1862 war es noch ein langer Weg, den wir hier nicht mehr im Einzelnen weiterverfolgen wollen, da unsere Protagonisten nicht mehr direkt daran beteiligt waren.434 Interessant ist aber, dass etliche wichtige Änderungen, die Gönner im ersten Teil des Entwurfs von 1822 gegenüber dem Strafge setzbuch von 1813 vorgenommen hatte, sich schließlich auch in dem 1862 429 Brief Feuerbachs an Spies vom 23. November 1825, in: ders., 1853, Bd. 2 , S. 250; vgl. Radbruch, 1934, S. 164. Im BayHStA sind dazu keine Unterlagen mehr vorhanden. 430 Brief Feuerbachs an Spies vom 23. November 1825, in: ders., 1853, Bd. 2 , S. 251. 431 Anmerkung Ludwig Feuerbachs in: Feuerbach, 1853, Bd. 2 , S. 251; der Entwurf wurde von Radbruch im Feuerbach-Nachlass aufgefunden und 1978 von Gernot Schubert ediert: Schubert, 1978, S. 233 ff. 432 Brief Feuerbachs an Spies vom 25. November 1825, in: ders., 1853, Bd. 2 , S. 253. 433 Trötsch, 1931, S. 212. Schmidtlein und Häcker hatten zuvor auch der 1823 einge setzten Kommission zur Reform des Zivilprozessrechts angehört, s. u. bei Fn. 485. 434 Überblicke über die weitere Entwicklung geben Berner, 1867, S. 326 ff.; Schweisthal, 1992, S. 48 ff.; Maihold, 2014, S. 511 ff.
3. Die Novellen zum Strafgesetzbuch
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in Kraft gesetzten Gesetzbuch wiederfinden. Das gilt für die Anerkennung der verminderten Zurechnungsfähigkeit als möglicher Strafmilderungs grund, die Herausnahme von Vorbereitungshandlungen aus der Versuchs strafbarkeit, die flexiblere Strafzumessung gerade auch bei Rückfalltätern und den Verzicht auf Prügelstrafen. Zu Unrecht ist daher im Zusammen hang mit der bayerischen Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts der Name Gönners fast gänzlich in Vergessenheit geraten und alle Lorbeeren ein seitig an Feuerbach verteilt worden, zumal Gönner, wie wir sahen, auch erheblichen Einfluss auf das bayerische Strafverfahrensrecht nehmen konnte. Symptomatisch hierfür ist, wenn noch 2014 ein aus einer Tagung hervorgegangener Sammelband schon in der Überschrift allein von „Feuer bachs Bayerischem Strafgesetzbuch“ spricht.435 Das Bild, das man sich in der Rechtswissenschaft vom bayerischen Straf gesetzbuch von 1813 gemacht hat, insbesondere auch im Hinblick auf eine Vorbildfunktion für die weitere Strafgesetzgebung im 19. Jahrhundert, un terlag einem mehrfachen charakteristischen Wandel. In den ersten Jahr zehnten nach seiner Inkraftsetzung wurde einerseits immer wieder auf seine Vorbildfunktion für die Strafgesetzgebungsprojekte in anderen Län dern hingewiesen, andererseits aber auch mannigfache Kritik sowohl an seinen „Grundfehlern“ als auch an zahlreichen Einzelbestimmungen ge übt.436 Die schon bald einsetzende Novellengesetzgebung in Bayern wie auch die schon seit den frühen 1820er Jahren unternommenen Bemühun gen um eine komplette Neukodifikation führten der damaligen Fach öffentlichkeit die Defizite dieses Gesetzbuchs deutlich vor Augen. Die ei gentliche Verklärung dieses Gesetzbuchs und seines Schöpfers Feuerbach erfolgte im Grunde erst nach dem Außerkrafttreten 1862. Während bei Berner437 1867 noch eine ausgewogene Gegenüberstellung der Vorzüge und Mängel des Gesetzbuchs anzutreffen ist, setzte bei Landsberg (1910)438 435 Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch. Die Geburt liberalen, modernen und rationalen Strafrechts, hg. v. Arnd Koch u. a., Tübingen 2014. 436 Charakteristisch Mittermaier, 1824, 173 ff., der einerseits von Feuerbach als „ge nialen Verfasser“ des Gesetzbuchs spricht und die Vorbildfunktion für die Gesetzge bungsprojekte anderer Länder hervorhebt, andererseits aber auch detailliert Kritik an zahlreichen Bestimmungen übt. Zu den „Grundfehlern“ gegenwärtiger Strafgesetz gebung mit ihrem „Hang zum Generalisiren“ hatte sich Mittermaier bereits 1819 mono graphisch geäußert, wobei er das bayerische Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich er wähnte, aber zweifellos im Blick hatte (Mittermaier, 1819, S. 11 ff.). 437 Berner, 1867, S. 91 f. 438 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 128: „eine der hervorragendsten gesetz geberischen Leistungen aller Zeiten und Völker. Mit ihm gewann Bayerns Strafgesetz gebung vor dem gesamten übrigen Deutschland … den Vorsprung um mindestens ein Menschenalter.“
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
und Grünhut (1922)439 bereits deutlich die Verklärung ein, die mit den Darstellungen Radbruchs (1934)440 und Schmidts (1965)441 ihren Höhe punkt fand. In neuerer Zeit bemüht sich die Literatur wieder um ein dif ferenzierteres Bild, wobei deutlich wird, dass das Gesetzbuch nur für eine relativ kurze Phase nach seinem Inkrafttreten als Vorbild für andere Gesetzgeber gedient hat.442 Außerdem wird zu Recht die Verwurzelung Feuerbachs und des Gesetzbuchs von 1813 in der zu Ende gehenden Auf klärungsepoche betont und die hiervon verschiedenen Einflüsse, die über das preußische Strafgesetzbuch von 1851 das Reichsstrafgesetzbuch und unser modernes Strafrecht prägten.443
4. Die Arbeiten an einer bayerischen Zivilprozessordnung Parallel zu den Arbeiten an einem neuen Zivil- und Strafgesetzbuch be mühte sich Bayern in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auch intensiv um eine Reform des Zivilprozesses. Die Ausgangslage stellte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts ähnlich dar wie im Hinblick auf das mate rielle Zivilrecht. In Altbayern galt der von Kreittmayr verfasste Codex Ju ris Bavarici Judiciarii (CJBJ) von 1753. Mit den umfangreichen Gebietszu wächsen im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts und der dadurch be dingten Rechtszersplitterung stellte sich auch für das Zivilprozessrecht die Frage nach einer vereinheitlichenden Neukodifikation oder einer Übertra gung der altbayerischen Rechtslage auf die neu erworbenen Territorien. Anders als im materiellen Zivilrecht entschied man sich im Zivilprozess recht zunächst für die zweite Variante. So war in einem ersten Schritt be reits mit Wirkung ab 1. Januar 1804 der CJBJ in den bis dahin erworbenen neuen Gebietsteilen in Franken und Schwaben eingeführt worden.444 Die weiteren Gebietszuwächse in den folgenden Jahren führten aber erneut zu 439
Grünhut, 1922, S. 174 ff. Radbruch, 1934, S. 85 über das Gesetzbuch: „groß, bahnbrechend und vorbild lich“; S. 161: „außerhalb Bayerns fand es begeisterte Aufnahme“ und über Feuerbach S. 168: „genialster Gesetzgeber unter den deutschen Juristen“. 441 Schmidt, 1965, § 248, S. 263: „Das erste wirklich moderne Strafgesetzbuch, hat es die gesamte Strafgesetzgebungsarbeit des 19. Jahrhunderts maßgebend bestimmt. Von ihm nimmt die rechtsstaatlich-liberale Epoche der Strafrechtsentwicklung ihren Aus gang. Feuerbachs Geist herrscht für ein volles Jahrhundert.“ 442 Roth, 2014, S. 526 ff.; Kesper-Biermann, 2014, S. 470 ff. 443 Koch, 2010, S. 747, 754 ff. 444 Regierungsblatt für die Churpfalzbaierischen Fürstentümer in Franken 1804, Sp. 268; Regierungsblatt für die Churpfalzbaierische Provinz in Schwaben 1804, Sp. 8. 440
4. Die Arbeiten an einer bayerischen Zivilprozessordnung
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einer Rechtszersplitterung und zur Geltung von preußischem und öster reichischem Prozessrecht in einigen Landesteilen. In der entscheidenden Sitzung des Geheimen Rates im Oktober 1810 hob Feuerbach daher zu nächst die Probleme hervor, die durch die Verschiedenheit der im Lande geltenden Prozessordnungen gerade im Hinblick auf das seit 1808 beste hende gemeinsame Oberappellationsgericht entstanden.445 Er schlug des halb vor, vorläufig die Geltung des CJBJ, den er als das vorteilhafteste der Gesetzbücher Kreittmayrs bezeichnete, wiederum auf das ganze Land auszudehnen, zugleich aber auch eine Neukodifikation des Prozessrechts auf Grundlage des CJBJ in Angriff zu nehmen. Der Vorschlag Feuerbachs fand Billigung im Geheimen Rat, so dass der CJBJ mit Wirkung ab 1. Janu ar 1811 in allen bayerischen Landesteilen in Kraft gesetzt wurde.446 Mit der Ausarbeitung einer neuen Zivilprozessordnung auf Grundlage des CJBJ wurde im gleichen Jahr Gönner beauftragt, der durch sein 1804/5 bereits in zweiter, erweiterter Auflage erschienenes, allerdings wenig sys tematisches vierbändiges Handbuch zum gemeinen Zivilprozess einer der besten Kenner der Materie war. Auch hatte er sich bereits 1809/10 in sei nem „Archiv“ für eine Revision und Vereinheitlichung des in Bayern gel tenden Zivilprozessrechts auf Grundlage des CJBJ ausgesprochen und hierfür zahlreiche konkrete Anregungen gegeben.447 Anders als bei den parallel laufenden Arbeiten an einem Zivil- und einem Strafgesetzbuch, an denen Gönner jeweils im Rahmen einer Kommission beteiligt war, oblag ihm der Entwurf der neuen Zivilprozessordnung allein. Trotz der zusätz lichen Beanspruchung im Rahmen der Zivil- und Strafgesetzbuchkommis sionen konnte Gönner bereits 1812 seinen vollständigen Entwurf nebst Motiven vorlegen.448 Sein Entwurf orientierte sich auftragsgemäß am CJBJ und behielt daher grundsätzlich dessen dem gemeinen Prozess entstammende Verfahrens prinzipien bei (schriftliches, nicht öffentliches Verfahren, Dispositions 445 Sitzung des Geheimen Rates vom 4. Oktober 1810, in: Die Protokolle des Bayeri schen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 684 ff. (auch zum Folgenden). 446 Verordnung vom 4. Oktober 1810, in: Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1810, Sp. 873; auch in Schimke, 1996, S. 289. Zugleich erschien ein Neudruck des CJBJ unter dem Titel: Codex Juris Bavarici Judiciarii de Anno MDCCLIII oder baierische Gerichtsordnung, auf Befehl Seiner Majestät des Königs von Baiern neu aufgelegt, München 1810. 447 Gönner, Beiträge zur Umarbeitung der königlich baierischen Gerichtsordnung, in: Archiv für die Gesetzgebung und Reforme des juristischen Studiums, Bd. 2 (1809), S. 486–515 und Bd. 3 (1810), S. 130–152. 448 Der Entwurf Gönners, bestehend aus vier „Büchern“, ist vorhanden im BayHStA Staatsrat 2151 (Entwurf) und Staatsrat 2152 (Motive).
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
maxime). Allerdings kannte schon der CJBJ, wie auch das gemeine Zivil prozessrecht449, für erstinstanzliche Verfahren mit geringem Streitwert ein mündliches, summarisches Verfahren, das sich auch in Gönners Entwurf wiederfindet.450 Außerdem schlug Gönner abweichend von den gemein rechtlichen Prinzipien das aus dem französischen Recht entlehnte Institut eines „Staats-Procurators“ (Staatsanwalts) sowohl im Zivil- als auch im Strafprozess vor. Dieser Vorschlag findet sich zwar nicht in seinem Ent wurf der Zivilprozessordnung selbst; vermutlich weil das nicht seinem Auftrag einer engen Orientierung am CJBJ entsprochen hätte, dessen Par allelstellen im Entwurf auch vielerorts zitiert werden. Stattdessen nahm Gönner diesen Vorschlag in den begleitenden Motivband auf, wobei er be tonte, dass er sich von der Staats-Procuratur „ungern trennen [würde], da ich sie für ein Institut ansehe, ohne welches Legislation und Justizverwal tung im Staate ewig unvollkommen bleiben und welches in Baiern mit der neuen Gesezgebung verbunden zu werden verdiente.“451 Im Zivilprozess sollten dem Staatsprokurator insbesondere bei Personenstandsangelegen heiten, Scheidungen, Vormundschafts- und Entmündigungsverfahren selbständige Mitwirkungsrechte zukommen.452 Gönner begründete das mit dem in diesen Angelegenheiten involvierten staatlichen Interesse, das nicht allein der Willkür der Parteien überlassen werden dürfte. Beim Oberappellationsgericht sollte ein Generalprokurator sogar in allen Ver fahren als Intervenient auftreten dürfen, um die Einheitlichkeit der Recht sprechung und eine effektive Kontrolle der Gerichte zu gewährleisten.453 Das französische Prinzip der Öffentlichkeit des Verfahrens für jedermann lehnte Gönner hingegen ab, da es der Natur bürgerlicher Rechtssachen als 449 Entgegen einer gängigen Darstellung war der gemeine Zivilprozess eben nicht durchgängig schriftlich, sondern kannte gerade für die praktisch häufigen erstinstanz lichen Verfahren mit geringem Streitwert mündliche Prozessformen, vgl. Ahrens, 2007, S. 18, 35 m. w. N. 450 CJBJ Kap. III § 3 (processus summarissimus); Entwurf Gönners von 1812 Buch I, Kap. V, § 1 und Buch III, Kap. I (summarische Processe). Daneben kannte das bayerische Recht terminologisch irreführend einen processus summarius, der aber im Wesentlichen dem gemeinrechtlichen ordentlichen und damit schriftlichen Verfahren entsprach, vgl. Ahrens, 2007, S. 490 f. 451 BayHStA Staatsrat 2152, S. 8 . 452 Hierzu Schubert, 1977a, S. 555. Schuberts Resümee an anderer Stelle (S. 584), wo nach Gönners Entwurf so gut wie keine Zugeständnisse an den französischen Zivilpro zess enthielte, trifft daher zwar auf den Entwurf selbst zu, nicht aber auf die begleiten den Vorschläge im Motivband, wo er seine Vorschläge zur Staatsprokuratur ausführlich und mit konkreten Formulierungsvorschlägen entwickelte: BayHStA Staatsrat 2152, S. 8 –31. 453 BayHStA Staatsrat 2152, S. 20 f.
4. Die Arbeiten an einer bayerischen Zivilprozessordnung
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bloßer Parteiauseinandersetzung nicht angemessen sei.454 Allerdings sprach er sich nachdrücklich für die Veröffentlichung gerichtlicher Urteile mit Entscheidungsgründen aus. Die Gründe, die aus seiner Sicht gegen die Öffentlichkeit der Zivilverfahren sprachen, hatte er schon früher ausführ lich erörtert.455 Dabei machte er auch den Unterschied zwischen der Mündlichkeit und der Öffentlichkeit des Verfahrens deutlich, die keines wegs immer zusammengehen müssten. Das Justizministerium forderte nach Eingang von Gönners Entwurf eine Stellungnahme hierzu vom Oberappellationsgericht an, das aber – wie Gönner später verbittert schrieb – innerhalb von vier Jahren in seiner Be gutachtung nicht weiter als zu den zwei ersten Kapiteln vorrückte.456 Gön ner entschloss sich daher 1815 seinen Entwurf als Privatarbeit gedruckt der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wofür er die königliche Genehmi gung erhielt.457 Nach eigenem Bekunden hat er in der Druckfassung nur die speziell auf bayerische Verhältnisse abzielenden Besonderheiten wegge lassen.458 Tatsächlich liegt der Hauptunterschied jedoch ganz woanders und hat wohl weniger mit den speziellen bayerischen Verhältnissen zu tun als vielmehr mit der zwischenzeitlich zusammengebrochenen Hegemonie Napoleons und der nunmehr eingetretenen politischen Inopportunität ei ner Rezeption französischer Rechtsinstitute: In dem gedruckten Entwurf und seinen Motiven findet sich keine Spur mehr von dem Vorschlag der Einführung eines Staatsprokurators nach französischem Vorbild, für den sich Gönner 1812 noch so stark gemacht hatte.459 Stattdessen wandte sich Gönner nunmehr schon in der Vorrede gegen die Übernahme fremder Rechtsinstitute und Organisationen, von denen er „aus voller Überzeu gung“ den Entwurf freigehalten habe.460 Im Entwurf von 1815 ist daher das gemeinrechtliche Prinzip der Parteienherrschaft im Zivilprozess kon sequent durchgeführt, „weil es der Natur der Civilsachen als veräusser 454
Gönner, 1815–17, Bd. 1, S. XIX. Gönner, Archiv für die Gesetzgebung, Bd. 2 (1809), S. 319 ff. 456 Gutachten Gönners „Über den gegenwärtigen Zustand der Gesetzgebung im Königreich Baiern …“ vom 15. Februar 1817, BayHStA MInn 45796. 457 Gönner, Entwurf eines Gesetzbuchs über das gerichtliche Verfahren in bürgerli chen Rechtssachen, 2 Bde (Bd. 2 in 3 Abt.), Erlangen 1815–17. 458 Gutachten Gönners „Über den gegenwärtigen Zustand der Gesetzgebung im Königreich Baiern …“ vom 15. Februar 1817, BayHStA MInn 45796; ähnlich ders., 1820, S. XXXIV. 459 Zu relativieren ist daher die Einschätzung Hartigs, 1968, S. 18 (und im Anschluss daran Ahrens, 2007, S. 497), wonach die Druckfassung „bis auf das Fehlen typischer bayerischer Institute“ genau dem Entwurf von 1812 entspräche. Von einer kompletten Identität der Entwürfe von 1812 und 1815 geht fälschlich Dahlmanns, 1982, S. 2637 aus. 460 Gönner, 1815–17, Bd. 1, S. XV. 455
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
licher Rechte ganz angemessen“ sei.461 In seinem Prozesshandbuch hatte er hierfür den Begriff der „Verhandlungsmaxime“ geprägt und diese mit dem preußischen Modell einer richterlichen Untersuchungspflicht („Untersu chungsmaxime“) kontrastiert, wobei er die Unterschiede erstmals aus führlich herausarbeitete.462 Während er in seinem Handbuch noch keinem der beiden Modelle den klaren Vorzug gegeben hatte („beide ruhen auf Vernunftgründen“463), entschied er sich nunmehr in seinem gedruckten Entwurf von 1815 also für eine konsequente Durchführung der Ver handlungsmaxime, wobei er punktuelle Erweiterungen der richterlichen Prozessleitungsbefugnisse jedoch durchaus für sinnvoll hielt.464 Gesetz gebungstechnisch ist Gönners Entwürfen von 1812 und 1815 ein stark be lehrender und systematisierender Duktus eigen, der sprachlich durch lange und komplizierte Satzperioden zum Ausdruck kommt, womit sie eher dem Gesetzgebungsstil des 18. Jahrhunderts ähnelten als dem auf knappe und rein befehlende Anordnungen setzenden Gesetzgebungsstil, der sich im 19. Jahrhundert zunehmend durchsetzte. Mit der Publikation seines Entwurfs mit ausführlichen (ebenfalls über arbeiteten) Motiven, die allein fast 1000 Seiten umfassen, hatte Gönner aus drücklich den Zweck verfolgt, dass Regierungen anderer deutscher Staaten den Entwurf als Vorlage nehmen für eigene legislative Arbeiten im Bereich des Zivilprozesses.465 Belegt ist eine solche Rezeption für das Zivilprozess gesetzbuch des Kantons Bern von 1821, das sich eng an Gönners Entwurf orientierte.466 In Bayern selbst ging es jedoch mit der Prozessreform nicht voran. Hier hatten sich die Rahmenbedingungen für eine Reform des Zi vilprozesses durch den Erwerb der linksrheinischen Pfalz 1816 erneut ge ändert, denn dort galt französisches Prozessrecht (Code de procédure civi le von 1806) mit seinen Prinzipien der Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Verfahrens. Wie im materiellen Recht, so hatte die bayerische Regierung auch in Bezug auf das Prozessrecht im Zusammenhang mit dem Erwerb der Rheinpfalz die freilich nicht näher spezifizierte Zusage gemacht, dass das dort geltende Recht im Rahmen einer künftigen Reform Berücksichtigung 461
Gönner, 1815–17, Bd. 1, S. XXI. Gönner, 1804/5, Bd. 1, S. 175 ff.; hierzu Ahrens, 2007, S. 20. Das preußische „Inst ruktionsverfahren“ war in der Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staa ten von 1793 geregelt. 463 Gönner, 1804/5, Bd. 1, S, 176, 184 f. 464 Gönner, 1815–17, Bd. 1, S. XXII, Bd. 2 , S. 35. Diese differenzierte Vorgehensweise Gönners, die keine der beiden Maximen verabsolutiert, verkennt Bomsdorf, 1971, S. 146 f. 465 Gönner, 1815–17, Bd. 1, S. XIV. 466 Hierzu Nörr, 1977, S. 207 ff. 462
4. Die Arbeiten an einer bayerischen Zivilprozessordnung
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fände.467 Eine einseitig am CJBJ orientierte Gesamtreform, wie sie Gönners Entwurf zugrunde lag, verbot sich daher nunmehr. Durch die 1818 in Kraft getretene neue Konstitution trat zudem mit der Ständeversammlung ein neuer Akteur im Gesetzgebungsverfahren auf. Unter diesen geänderten Rahmenbedingungen entschloss sich die Regie rung, im Hinblick auf die Zivilprozessreform die gleiche Strategie zu ver folgen, die man nunmehr auch bei der Reform des materiellen Zivilrechts an den Tag legte: vorläufige Zurückstellung der Gesamtreform zugunsten einer am dringendsten Reformbedarf orientierten Einzelgesetzgebung.468 Aus dieser Strategie ging im materiellen Zivilrecht das Hypothekengesetz hervor, von dem im nächsten Kapitel die Rede ist, im Prozessrecht die am 1. Oktober 1819 in Kraft getretene Novelle „einige Verbesserungen der Gerichtsordnung betreffend“.469 Auch diese Novelle wurde von Gönner ausgearbeitet, der sie im Frühjahr 1819 auch als Kommissär der Regierung vor den beiden Kammern der Ständeversammlung rechtfertigte. Das Hauptanliegen war eine weitere Ausdehnung des mündlichen Verfahrens auf alle untergerichtlichen Zivilprozesse, sofern nicht beide Parteien ein schriftliches Verfahren ausdrücklich verlangten oder das Gericht es im Einzelfall wegen der Wichtigkeit der Sache anordnete. Außerdem wurde das Beweisverfahren vereinfacht und einige weitere besonders reformbe dürftige Einzelpunkte geregelt. Die Ständeversammlung stimmte dem Ge setzentwurf mit einigen kleineren Änderungen zu.470 Es handelte sich hierbei übrigens um das erste bayerische Gesetz, das unter Beteiligung der Ständeversammlung zustande gekommen war, wobei in beiden Kammern die Beratungen ebenso sorgfältig wie konstruktiv betrieben wurden, aber auch unter dem ständigen Damoklesschwert einer baldigen Schließung der Session durch den König standen, wodurch die eingebrachten und noch nicht durchberatenen Gesetzentwürfe der sachlichen Diskontinuität ver fallen wären. Die Rechtseinheit im Zivilprozess wurde mit diesem Gesetz freilich nicht hergestellt, da es auf die Rheinpfalz, in der weiterhin franzö sisches Recht galt, keine Anwendung fand.471 Schon kurze Zeit nach In krafttreten der Zivilprozessnovelle veröffentliche Gönner 1820 einen mehr 467 Vgl.
Schubert, 1977b, S. 172 f.; Becker, 1991, S. 26. Strategie erläuterte der Justizminister Reigersberg in seiner Rede vor der Zweiten Kammer der Ständeversammlung am 6. April 1819, in: Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1819, Bd. 4, S. 48. 469 Gesetzblatt für das Königreich Baiern 1819, Sp. 59 ff. 470 Übersicht über den Gang der Beratungen in der Ständeversammlung bei Gönner, 1820, S. XXXVII ff.; zu den Änderungen infolge der Ständeberatungen s. Mussinan, 1835, S. 123 ff. 471 Gönner, 1820, S. XLVI. 468 Diese
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
als 500-seitigen Kommentar hierzu, der sich nicht nur zur Entstehungs geschichte und dem Inhalt der Novelle äußerte, sondern auch zu dem wei teren Reformbedarf im Zivilprozessrecht.472 Mit der Novelle von 1819 waren zwar einige Mängel des Zivilprozesses auf Grundlage des CJBJ behoben worden, die Gesamtreform und die Rechtsver einheitlichung mit der linksrheinischen Pfalz standen aber noch aus. Zahl reiche Redner hatten im Rahmen der Beratungen über die Novelle von 1819 in der Ständeversammlung gefordert, dass die Gesamtreform auf Grundlage der Prinzipien der generellen Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Verfah rens nach Vorbild des französischen und rheinischen Rechts erfolgen sollte. Die Zustimmung der Ständeversammlung zu der Teilnovelle erfolgte nur, weil die Regierung im Gegenzug versprach, eine Gesamtreform der Zivilprozessordnung unverzüglich zu bearbeiten und hierbei auf die Öf fentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens „Bedacht zu nehmen“, wobei jedoch die in der Verfassung garantierte Patrimonialgerichtsbarkeit des Adels und dessen besondere Gerichtsstände unberührt bleiben sollten.473 Grundlagen der weiteren Bemühungen um eine Gesamtreform des Zivilprozesses sollten weiterhin Gönners Entwurf von 1812/15 und die Novelle von 1819 sein, wobei aber nunmehr die in der Rheinpfalz gelten den Verfahrensprinzipien mit einfließen sollten, gemeinrechtlich/bayeri sches und französisches Zivilprozessrecht also miteinander verschmelzen sollten. Über das genaue Ausmaß der Berücksichtigung französischer Ver fahrensgrundsätze herrschte aber gerade im Hinblick auf die Öffentlich keit der Verfahren keine Einigkeit. Überraschenderweise war es der Justiz minister Graf Reigersberg selbst, der im Staatsrat 1819 die Einführung des öffentlichen Verfahrens sowohl für den Zivil- als auch den Strafprozess propagierte, nachdem er 1813 noch selbst Feuerbachs abgespeckten Vor schlag einer öffentlichen Schlussverhandlung für Strafverfahren hart näckig abgelehnt hatte. Nach eigenem Bekunden hatte seinen Sinneswan del eine Dienstreise in die Rheinpfalz ausgelöst, wo er sich von dem wohl tätigen Einfluss öffentlicher Verfahren auf das Gericht und das Publikum und von der Anhänglichkeit der dortigen Bevölkerung an dieses Verfahren überzeugt habe.474 Im Staatsrat fand Reigersberg für seinen Vorschlag bei den Beratungen im März 1819 aber keine Mehrheit.475 472 Gönner, Commentar über das königl. baierische Gesetz vom 22. Julius 1819 eini ge Verbesserungen der Gerichtsordnung betreffend, Erlangen 1820. 473 Landtagsabschied 1819, II.C, in: Gesetzblatt für das Königreich Baiern 1819, Sp. 40. 474 Resch/Alzheimer, 1931, S. 82 f. 475 Resch/Alzheimer, 1931, S. 83; Hartig, 1968, S. 57.
4. Die Arbeiten an einer bayerischen Zivilprozessordnung
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Damit wollte sich Reigersberg aber nicht zufriedengeben und da Gön ner, wie wir sahen, öffentlichen Verhandlungen im Zivilverfahren ableh nend gegenüberstand, wandte sich Reigersberg nunmehr wieder an Gön ners ehemaligen Kollegen Feuerbach, seit 1817 Präsident des Appellations gerichts in Ansbach, und beauftragte ihn 1820 mit einem Gutachten zur Frage der Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege, zu welchem Zweck er Feuerbach 1821 auch auf eine dreimonatige Studienreise zu den Gerichten in Frankreich und der Rheinpfalz entsandte.476 Feuerbach ließ sein sehr umfangreiches Gutachten, das die Frage nach der Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege in Deutschland rechtsgeschichtlich und rechtspraktisch weit ausgreifend behandelte, 1821 auch im Druck er scheinen und ergänzte es 1825 um einen weiteren Band zur Gerichtsverfas sung und dem gerichtlichen Verfahren in Frankreich.477 Er sprach sich hierin für Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerichtsverfahren aus, aber gegen die speziellen Ausprägungen, die diese Prinzipien im französi schen Prozessrecht gefunden hatten. Die rechtsgeschichtlichen Betrach tungen sollten augenscheinlich dem Nachweis dienen, dass auch Deutsch land eine mittelalterliche Tradition des öffentlichen und mündlichen Pro zesses kannte, die in der Neuzeit zunehmend verschüttet worden sei. So konnte er sich für seine Forderung nach Verwirklichung dieser Prinzipien auf heimische Traditionen berufen und musste sich nicht auf eine (politisch inopportune) Rezeption französischen Rechts stützen. Diese Prinzipien entsprächen dem wiedererwachten Interesse des Volkes an Teilnahme am staatlichen Leben und ließen sich auch ohne Übernahme französischen Verfahrensrechts angemessen verwirklichen.478 Nachdem er den ersten Teil seines Gutachtens in München vorgelegt hatte, erarbeitete Feuerbach auf Bitte Zentners 1822 auch den „Grundriss eines Planes zur Verbesserung der Gerichtsverfassung und des gerichtli chen Verfahrens nach dem Princip der Öffentlichkeit und Mündlichkeit“, in dem er die wesentlichen Grundelemente der Gerichtsverfassung und des
476 Anschauliche Berichte über seine Reise nach Paris gibt Feuerbach in einem Ge such um „Gratification wegen außerordentlicher Dienstleistung“ in ders., 1853, Bd. 2, S. 193 ff. und in einem (nicht abgesandten) Brief an Zentner vom 11./12. Mai 1821, ebda, Bd. 2, S. 154 ff. Anlass zu seiner Reise waren wohl auch Feuerbachs Auseinandersetzun gen mit seinen Gerichtskollegen in Ansbach, die dazu führten, dass man es in München für ratsam hielt, zur Beruhigung der Gemüter Feuerbach für einige Zeit von seinen Aufgaben im Gericht zu entbinden, vgl. hierzu Radbruch, 1934, S. 153 f. 477 Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerech tigkeitspflege, Gießen 1821/25; Originalgutachten in BayHStA Staatsrat 2217. 478 Feuerbach, 1821/25, Bd. 1, S. 8 ff.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Straf- und Zivilprozesses aus seiner Sicht skizzierte.479 Seine Vorschläge wollten „auf der einen Seite Öffentlichkeit und Mündlichkeit“, „auf der anderen Seite nichts von avoués, notaires, huissiers, juges de paix, procur eurs du Roi, Cour de Cassation u.s.w., ja sogar nichts von der Jury und anderen Herrlichkeiten wissen“480 , propagierten also wie schon sein Gut achten von 1821 einen eigenständigen Weg zur Verwirklichung von Öf fentlichkeit und Mündlichkeit im Prozess ohne Orientierung am französi schen Modell. Im März 1823 verständigte sich Justizminister Reigersberg mit Zentner als damaligen Vorstand der ständigen Gesetzgebungskommission auf die Einsetzung einer neuen vorberatenden Kommission zur Gesamtreform des Zivilprozessrechts.481 Der Kommission gehörten weder Gönner (der zu dieser Zeit auf Weisung Reigersbergs intensiv an der Reform des Strafpro zessrechts arbeitete482) noch Feuerbach an. Zum Kommissionsvorsitzen den wurde Schmidtlein ernannt, der zusammen mit Gönner bereits an der Reform des Strafgesetzbuchs von 1813 gearbeitet hatte, außerdem Richter verschiedener Ebenen (Oberappellationsgerichtsrat Stürzer483, Stadtge richtsdirektor Völderndorff484 und die Landrichter Häcker485 , Puchta486 479 BayHStA Staatsrat 2217. Die Übersendung des Planes an Zentner erfolgte mit Schreiben vom 21. Dezember 1822, ebda; auch in: Feuerbach, 1853, Bd. 2, S. 189 ff. 480 BayHStA Staatsrat 2217 (Begleitschreiben vom 21. Dezember 1822); Feuerbach, 1853, Bd. 2, S. 190. 481 Trötsch, 1931, S. 211. 482 S.o. S. 89. 483 Joseph Stürzer war bereits zuvor an der beim Oberappellationsgericht in Auftrag gegebenen und niemals abgeschlossenen Begutachtung des Gönnerschen Entwurfs von 1812 beteiligt gewesen. 484 Franz Alexander Freiherr v. Völderndorff war der Vater des bereits mehrfach er wähnten Otto von Völderndorff und verheiratet mit einer Tochter des Justizministers Reigersberg. Er wurde 1824 in der Kommission durch den Appellationsgerichtsrat Joseph Allweyer ersetzt. 485 Franz Joseph Häcker war damals noch Landrichter in Rothenburg und Mitglied der Abgeordnetenkammer des bayerischen Landtags, später Stadtgerichtsdirektor in München. 486 Es handelt sich um Wolfgang Heinrich Puchta, damals Landrichter in Erlangen und Vater des berühmten Vertreters der Historischen Rechtsschule und späteren Nach folgers Savignys an der Berliner Universität Georg Friedrich Puchta. Wolfgang Heinrich Puchta verdankte seine Berufung in die Kommission wohl der Tatsache, dass er bereits früher, für einen Landrichter ungewöhnlich, mit verschiedenen Schriften zum gelten den Prozessrecht und zur Novelle von 1819 hervorgetreten war, u. a. die „Beiträge zur Gesetzgebung und Praxis des bürgerlichen Rechtsverfahrens“, Bd. 1, Erlangen 1822. 1817 hatte ihm die Juristische Fakultät der Universität Erlangen die Doktorwürde ver liehen. Auch die 1822 abgeschlossenen Gesetzgebungsarbeiten zum bayerischen Hypo thekengesetz hatte er publizistisch begleitet (s. u. Fn. 539).
4. Die Arbeiten an einer bayerischen Zivilprozessordnung
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und Menz487) sowie mit Joseph von Miller auch erstmals ein Münchener Advokat.488 Die Kommission sollte nach dem königlichen Reskript vom 25. März 1823 Gönners gedruckten Entwurf von 1815 und die Novelle von 1819 zur Grundlage ihrer Arbeit nehmen, aber auch die ausländische Ge setzgebung (gemeint war wohl insbesondere das preußische Prozessrecht) berücksichtigen.489 Von Feuerbachs Gutachten und „Grundriss eines Pla nes“ war im Reskript nicht die Rede. Diese waren der Kommission zwar ohne Zweifel bekannt.490 Es kann aber nicht davon die Rede sein, dass die Kommission Feuerbachs Gutachten und Plan zur Grundlage ihrer Arbei ten machen sollte, wie Feuerbach später behauptete.491 Im Hinblick auf die Hauptstreitpunkte drückte sich das königliche Reskript sehr zurückhal tend aus: Eine „allenfallsige Einführung der Öffentlichkeit und Mündlich keit der Civilrechtspflege“ sollte die Kommission unter Beachtung der im Landtagsabschied gemachten Einschränkungen (Patrimonialgerichtsbar keit und besondere Gerichtsstände des Adels) prüfen. Die Kommission hielt 279 Sitzungen ab492 und erstellte einen Entwurf, der mit 1179 Para graphen den Gönnerschen Entwurf umfangmäßig noch übertraf und 1825 im Druck erschien.493 Nach eigenem Bekunden der Kommissionsmitglieder ist man bei der Er stellung des Entwurfs dem Gönnerschen Entwurf von 1815 „großen Theils“ gefolgt.494 Soweit man davon abgewichen sei, beruhe das darauf, dass Gönners Entwurf für ganz Deutschland und nicht speziell für die bayerischen Verhältnisse konzipiert sei (wobei unklar blieb, warum die Kommission nicht ergänzend auch auf Gönners speziell für Bayern konzi pierten Entwurf von 1812 zurückgriff) und einige Bestimmungen des Gönnerschen Entwurfs mit der von der Kommission zugrunde gelegten 487
Carl von Menz war damals Landrichter in Wasserburg. Miller, 1825, S. 18; Mittermaier, 1825b, S. 413; Trötsch, 1931, S. 211. 489 Entwurf der Prozeß-Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 1825, Vor rede, S. V. 490 Während Gutachten (schon 1821 gedruckt) und Plan Feuerbachs den Kommis sionsmitgliedern wohl schon bei Aufnahme ihrer Beratungen bekannt waren, erhielten sie von Feuerbachs Aufzeichnungen über seine Studienreise nach Frankreich erst im Verlauf der Kommissionsberatungen Kenntnis, vgl. Miller, 1825, S. 6. 491 Diese Behauptung stellte Feuerbach im Zusammenhang mit seinem Verlangen nach besonderer Gratifikation wegen seiner außerordentlichen Dienste für den bayeri schen Staat auf, in: ders., 1853, Bd. 2, S. 196. 492 Entwurf der Prozeß-Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 1825, Vorrede, S. VII. 493 Entwurf der Prozeß-Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, München 1825. Ausführlich zum Inhalt Ahrens, 2007, S. 505 ff. 494 Entwurf der Prozeß-Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 1825, Vorrede, S. XII. 488
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Gerichtsorganisation nicht vereinbar gewesen seien.495 Von einer Heran ziehung der Arbeiten Feuerbachs ist wiederum nicht die Rede. Das bestätigt sich auch beim Blick in den Entwurf selbst. Er sah gerade nicht, wie von Feuerbach gefordert, eine Öffentlichkeit der Verfahren auch für nicht am Prozess Beteiligte vor, sondern ausdrücklich nur eine Partei öffentlichkeit (§§ 185, 187). Feuerbach wollte in seinem Gutachten von 1821 die Öffentlichkeit zwar nicht buchstäblich für jedermann herstellen (Frau en, Minderjährige, Bettler etc. sollten ausgenommen sein), aber zumindest für volljährige männliche Staatsbürger mit eigenem Einkommen.496 In sei nem „Grundriss eines Planes“ von 1822 wollte Feuerbach das hingegen nur noch für den Strafprozess unbeschränkt gelten lassen und im Zivilprozess die Gerichtstüren nur auf Antrag beider Parteien dem Publikum öffnen.497 In seinem Gutachten von 1821 hatte er eine solche Abhängigkeit der Öf fentlichkeit von Zivilprozessen vom Parteiantrag noch dezidiert abgelehnt: „Was aber aus allgemeinen Staatsgründen nothwendig ist, kann nicht ab hängig seyn von der Willkühr der Einzelnen.“498 Die Kommission griff in ihrem Entwurf von 1825 auf keinen der beiden Vorschläge Feuerbachs zu rück, sondern schloss die Öffentlichkeit für nicht am Prozess Beteiligte nach Vorbild des Gönnerschen Entwurfs von 1815 gänzlich aus. Auch die Mündlichkeit des Verfahrens wurde nicht umfassend durch geführt, sondern zwischen Einzelrichter und Kollegialgerichten differen ziert. Das Verfahren vor dem Einzelrichter (Landrichter) war grundsätz lich mündlich zu Protokoll (§ 190) und ohne Austausch von Schriftsätzen, was bereits durch die Novelle von 1819 vorgezeichnet war und nun noch weiter ausgedehnt wurde.499 Vor den Kollegialgerichten (Kreis- und Stadt gerichte, Appellationsgerichte und Oberappellationsgericht) sollte es hin gegen grundsätzlich ein zweistufiges Verfahren geben: zunächst ein schrift liches Verfahren mit Austausch von Schriftsätzen, wie es im gemeinen Recht üblich war, und anschließend als Novum für Bayern eine mündliche Schlussverhandlung („Audienz“, §§ 689 ff.).500 Mit diesem zweistufigen Verfahren entwickelte die Kommission das gemeinrechtliche ordentliche Verfahren eigenständig weiter in Richtung einer begrenzten Mündlichkeit. 495 Entwurf der Prozeß-Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 1825, Vorre de, S. XIII. 496 Feuerbach 1821/25, Bd. 1, S. 178 f. 497 BayHStA Staatsrat 2217, II § 2. 498 Feuerbach 1821/25, Bd. 1, S. 187. 499 Allerdings durfte auch vor dem Einzelrichter eine schriftliche Klage eingereicht werden (§ 715). 500 Allerdings konnte auch vor den Kollegialgerichten ein mündliches summarisches Verfahren erfolgen, wenn beide Parteien dem zustimmten (§§ 727 f.).
4. Die Arbeiten an einer bayerischen Zivilprozessordnung
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Ähnliches findet sich zwar auch in Feuerbachs Gutachten, konkretes Vor bild für die Kommission war nach eigenem Bekunden aber der preußische Zivilprozess, ohne aber den dort geltenden Untersuchungsgrundsatz mit zu übernehmen.501 Die Verhandlungsmaxime wurde vielmehr wie in Gönners Entwurf streng durchgeführt, selbständige Untersuchungen dem Richter nicht erlaubt (§ 192). Allerdings war nach Abschluss des schrift lichen Verfahrens und vor der Audienz durch einen Gerichtskommissär ein status causae zu erstellen, das heißt eine Darstellung, welche streitgegen ständlichen Tatsachen eingeräumt oder noch streitig sind und worüber Be weis zu erheben ist (§§ 364 ff.). Hierbei griff die Kommission nach eigenem Bekunden ebenfalls auf das preußische Zivilverfahren als Vorbild zurück und nicht auf Feuerbach, der Ähnliches angeregt hatte.502 Feuerbach äußer te sich Übrigens abfällig über den Entwurf von 1825, was wohl nicht zuletzt mit der Enttäuschung zusammenhing, dass seine Arbeiten bei der Erstel lung des Entwurfs nicht gebührend berücksichtigt wurden.503 Es ist daher nicht richtig, wenn in der modernen Sekundärliteratur immer wieder davon die Rede ist, dass Feuerbachs Gutachten und Plan Grundlage der Gesetzgebungsarbeiten geworden seien.504 Hier wird Feuer bachs Schriften retrospektiv eine Bedeutung zugeschrieben, die ihnen im damaligen Reformdiskurs und insbesondere bei den Gesetzgebungsarbei ten selbst nicht zukam. Ausgangspunkt für diese Fehleinschätzung war vielleicht das Urteil Landsbergs, wonach Feuerbachs Schriften zur Öffent lichkeit und Mündlichkeit im Prozess „Merk- und Wendepunkt der pro
501 Auf das preußische Vorbild weisen die „inoffiziellen Motive“ des Kommissions mitglieds Puchta ausdrücklich hin: Puchta, 1826, S. 28 f. Auch das französische Verfah ren weist Ähnlichkeiten auf, auf die sich die Kommission – wohl aus politischen Grün den – aber lieber nicht berufen wollte: ebda, S. 24 f. Von Feuerbachs Anregungen ist nicht die Rede. Puchta kannte als früherer Justizamtmann und Landrichter in Cadolz burg bei Nürnberg und später in Erlangen die preußischen Verfahrensregeln, die in den ehemaligen Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth bis 1811 (s. o. Fn. 4 46) galten, aus eigener Erfahrung und hatte sich auch publizistisch darüber geäußert: Puchta, 1822, Abh. I: Über die Maxime, mittelst einzelner glänzender Theile fremder Prozeßgesetz gebungen die einheimische zu verbessern und Abh. II: Über die Vernunftmäßigkeit des s.g. Untersuchungs-Prinzips, worauf der preußische Civil-Prozeß sich gründet. 502 Puchta, 1826, S. 36. Von Feuerbach ist auch hier nicht die Rede. 503 Brief Feuerbachs an Spies vom 25. November 1825, in: ders., 1853, Bd. 2 , S. 258: „dann bedarf es 3) einer Civil-Proceß-Ordnung. Diese haben wir auch schon vor uns in dem Schmidtlein’schen Entwurf von 1825, welcher seinen Kameraden von 1822 [ge meint ist Gönners Strafgesetzbuchentwurf von 1822] eben so wenig beschämt, als er von diesem beschämt wird.“ 504 Hartig, 1968, S. 20; Dölemeyer, 1991, S. 347; Schubert, 1993, S. XVII; Dahlmanns, 1982, S. 2638 (für die mündliche Audienz); Ahrens, 2007, S. 509 (für den status causae).
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
zessualen Entwicklung“ gewesen seien.505 Davon kann jedenfalls für die Entwicklung des Prozessrechts in Bayern, wofür sie ja geschrieben waren, keine Rede sein. Zwar weisen einige Neuerungen im Entwurf von 1825 Ähnlichkeiten mit Feuerbachs Vorstellungen auf. Konkretes Vorbild dafür war aber wie dargelegt das preußische Verfahrensrecht. Als Belege für sei ne vollmundige Einschätzung führt Landsberg auch nur zwei völlig mar ginale Festvorträge aus dem Jahre 1908 auf, die also ein ganzes Menschen leben nach den damaligen Vorgängen entstanden sind, als die Feuerbach- Verehrung bereits die Bodenhaftung verloren hatte.506 Gesetzgebungstechnisch vermied der Kommissionsentwurf von 1825 ungeachtet seines großen Umfangs die langen und oft belehrenden Auf zählungen aus Gönners Entwurf zugunsten kurzer Bestimmungen, die zunächst die allgemeinen Grundsätze aufstellen und anschließend in zahl reichen Detailbestimmungen diese Grundsätze näher aufschlüsseln. Letz teres war es wohl, was dem Entwurf von Mittermaier die milde Kritik ei ner „leicht doctrinell erscheinenden Behandlungsweise und Form“ einge bracht hat.507 Für das weitere Schicksal des Entwurfs erwies es sich – wie auch bei den Reformarbeiten zum Strafrecht – als fatal, dass man nicht zeitnah nach Fertigstellung des Entwurfs den von der Verfassung vorgesehenen Weg ei ner Beratung in der Ständeversammlung verfolgte, sondern erneut Stel lungnahmen der Gerichte einholen wollte und den Entwurf nur als eine Art unverbindliche Diskussionsgrundlage im Druck erscheinen ließ. Hin tergrund dieser Verzögerungstaktik war wohl nicht zuletzt die innere Zer rissenheit von Regierung und Staatsrat gerade bei den als politisch brisant eingestuften Fragen nach Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Prozesses. Liberalen Ministern wie Reigersberg (1823 durch Zentner als Justizminis ter abgelöst) und Finanzminister Lerchenfeld standen mehrheitlich kon servative Kräfte gegenüber, die diese Prinzipien als Ausdruck einer „Volks justiz“ und eines Angriffs auf die Vorrechte des Adels (insbesondere bei der Patrimonialgerichtsbarkeit) ablehnten. Damit einher ging der Konflikt zwischen Vertretern „altbayrischer“ Prinzipien (wie sie im CJBJ verwirk 505
Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 134. Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.2, S. 65 f., Anm. 47. 507 Mittermaier, 1825b, S. 414, der im Gesamturteil den Entwurf aber als ein „würdi ges Gesetzgebungswerk und achtungswerthes Zeugniß deutscher Gründlichkeit und der Fortschritte der Gesetzgebungskunst“ bezeichnet, wobei auch die „herrlichen Vor arbeiten“ Gönners „dankbar erkannt werden“ müssen (ebda). Zu hart ist demgegenüber wohl das moderne Urteil von Ahrens, 2007, S. 507: „Insgesamt vermitteln die umständ lich gefassten, detailversessenen Vorschriften einen für die praktische Rechtsanwen dung wenig tauglichen Eindruck.“ 506
4. Die Arbeiten an einer bayerischen Zivilprozessordnung
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licht waren) und den Befürwortern einer Rechtsvereinheitlichung auf Grundlage des in der Rheinpfalz bereits geltenden französischen Modells. Sehr deutlich wurde diese Zerrissenheit in dem erwähnten königlichen Reskript vom 25. März 1823, das sich in der Frage der Umsetzung dieser Prinzipien sehr vage ausdrückte. Auch das von der Regierung ausgegebene Junktim, die Gesetzgebungsarbeiten zum materiellen Recht und zum Pro zessrecht nur gemeinsam der Ständeversammlung zur Beschlussfassung vorlegen zu wollen, erwies sich als Hindernis für einen erfolgreichen Ab schluss dieser Großprojekte. Hinzu trat die wohl singuläre Erscheinung, dass ein Kommissions mitglied (der Advokat Miller) noch vor Veröffentlichung des Entwurfs im Druck eine eigene Kritik des Entwurfs veröffentlichte, da er sich mit sei nen konservativen, in allen wesentlichen Punkten am bisherigen altbayeri schen Prozess festhaltenden Ansichten in der Kommission nicht immer hat durchsetzen können.508 Dies veranlasste wiederum ein anderes Kommis sionsmitglied (den Landrichter Puchta) ebenfalls mit einer selbständigen Schrift an die Öffentlichkeit zu treten und auf mehr als 400 Seiten die „wahren Absichten“ der Kommissionsmehrheit zu rechtfertigen und damit eine Art nicht autorisierte Gesetzesbegründung zu liefern.509 Hier wurden also die internen Kommissionsstreitigkeiten mit publizistischen Mitteln vor den Augen der Öffentlichkeit weitergeführt. Der weitere Verlauf der bayerischen Gesetzgebungsbemühungen im Zi vilprozessrecht gestaltete sich ähnlich langwierig wie im Strafrecht und soll hier nicht weiter verfolgt werden, da unsere Protagonisten nicht mehr dar an beteiligt waren.510 König Max Joseph starb noch im gleichen Jahr, in dem der Entwurf veröffentlicht wurde, und unter seinen Nachfolgern reihten sich zahlreiche weitere Gesamtentwürfe und eine weitere Teilnovelle (1837) aneinander, bis endlich 1870, am Vorabend der Reichsgründung, eine am französisch/rheinischen Modell orientierte Gesamtreform des bayerischen Zivilprozesses in Kraft treten konnte.511 Nur sieben Jahre später wurde sie durch die Zivilprozessordnung des Deutschen Reiches abgelöst. 508 Miller, 1825; die Schrift ist vordergründig eine Besprechung von Feuerbachs 1825 erschienenen Band zur Gerichtsverfassung und dem gerichtlichen Verfahren in Frank reich (s. o. bei Fn. 477), tatsächlich aber eine Kritik des Kommissionsentwurfs und eine Streitschrift gegen jedes Zugeständnis an Öffentlichkeit und Mündlichkeit im Prozess. 509 Puchta, 1826. 510 Übersichten über den weiteren Verlauf geben Ahrens, 2007, S. 516 ff.; Schubert, 1993, S. XVIII ff.; Hartig, 1968, S. 21 ff. 511 Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern, 1869 verabschiedet und am 1. Juli 1870 in Kraft getreten.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
5. Das bayerische Hypothekengesetz Als in Bayern zu Beginn des 19. Jahrhunderts die konkreten Kodifikations arbeiten für ein neues Zivilgesetzbuch begannen, erkannte man schon bald die besondere Reformbedürftigkeit des Hypothekenrechts. Denn neben dem allgemeinen Problem der großen Rechtszersplitterung infolge der un terschiedlichen Rechtsordnungen in den neu erworbenen Territorien kam im Hypothekenrecht als besonderes Problem hinzu, dass die in Altbayern geltende Rechtslage auf Grundlage der Kreittmayrschen Codices den An forderungen der Zeit und insbesondere potentieller Kapitalgeber und Grundstückserwerber nicht mehr gerecht wurde. Die Motive zum bayeri schen Zivilgesetzbuchentwurf von 1811 resümierten: „Das Hypotheken wesen, ohne welches Credit und Industrie im Ganzen so wenig bestehet, als ohne Wechsel ein blühender Handel, befindet sich in vielen Theilen der Baierischen Monarchie in einer Lage, bei welcher es die Weisheit Seiner Majestät des Königs nicht belaßen kann.“512 So standen der Codex Maxi milianeus und die Gerichtsordnung von 1753 in der Hypothekenfrage noch ganz auf dem Boden des rezipierten römischen und gemeinen Rechts, ließen Generalhypotheken auf das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen des Schuldners ebenso zu wie stillschweigende, in keinem Grund- oder Hypothekenbuch eingetragene gesetzliche Hypotheken, ins besondere zur Absicherung von Ansprüchen des Fiskus und von familien rechtlichen Ansprüchen der Ehefrauen und Mündel.513 Diese gesetzlichen Hypotheken waren häufig auch privilegiert, gingen im Konkurs des Schuldners also rechtsgeschäftlichen Hypotheken ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung vor. Dem Adel und anderen „siegelmäßigen“ Personen standen im Übrigen das Recht zu, Hypotheken ganz ohne die Mitwirkung eines Gerichts zu bestellen, wodurch der tatsächliche Bestand hypothekarischer Belastungen für kreditierende Gläubiger kaum über prüfbar war, was nicht unerheblich zur weit verbreiteten Überschuldung des bayerischen Landadels und dessen Problemen, neuen Kredit zu erhal ten, beigetragen hat.514 So sprachen schon die Motive zum bayerischen Zi 512 Motifs zum zweiten Theil des revidirten Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: Demel/Schubert, 1986, S. 257. 513 In seinem späteren Kommentar zum neuen Hypothekengesetz von 1822 kritisierte Gönner Kreittmayr dafür, dass er diese Mängel des rezipierten römischen Hypotheken rechts übernommen habe, obwohl ihm die Mängel bewusst gewesen seien; Gönner, 1823, Bd. 1, S. 45 f. Zur Ausgestaltung des Hypothekenrechts durch Kreittmayr s. Stolleis, 1976, S. 242 f. 514 Erst durch das Edikt über die Siegelmäßigkeit (Beilage VIII zur Verfassung von 1818, § 6) wurde es auch für „siegelmäßige Personen“ zur Pflicht, sich für die Bestellung
5. Das bayerische Hypothekengesetz
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vilgesetzbuchentwurf von 1811 davon, dass insbesondere siegelmäßige Per sonen gegenwärtig kaum noch Kredit bekämen, da die hypothekarische Belastung ihrer Grundstücke für Gläubiger nicht nachprüfbar war.515 Die neueren Gesetzgebungen in Preußen, Österreich und Frankreich waren hingegen von dieser gemeinrechtlichen Rechtslage bereits abgewi chen und hatten die Grundsätze der Spezialität, Publizität und Priorität im Hypothekenrecht mehr oder minder konsequent durchgeführt.516 Infolge des Spezialitätsgrundsatzes wurde das Hypothekenrecht vom Mobiliar pfandrecht kategorisch getrennt. Die hypothekarische Belastung musste sich auf genau bestimmte Grundstücke beziehen und auch die gesicherte Forderung musste summenmäßig bestimmt sein, womit die zahlreichen summenmäßig unbestimmten und am Gesamtvermögen des Schuldners begründeten Generalhypotheken nach altbayerischem Recht nicht im Ein klang standen. Nach dem Publizitätsgrundsatz war die Eintragung der Hypothek in öffentliche Grund- oder Hypothekenbücher ein konstituti ves Erfordernis für ihre Entstehung, dem wiederum die zahlreichen still schweigend begründeten gesetzlichen Hypotheken des altbayerischen Rechts entgegenstanden. Öffentliche Hypothekenbücher, die alle Belas tungen eines Grundstücks mit Hypotheken verzeichneten, fehlten in wei ten Teilen Bayerns ebenso wie umfassendere Grundbücher, die sämtliche Grundstücke mit ihren Eigentümern und dinglichen Belastungen ver zeichneten. Schließlich war auch das Prioritätsprinzip, wonach sich der Rang einer Hypothek im Konkursfall nach dem Zeitpunkt ihrer Eintra gung richtete, in Altbayern infolge der erwähnten gesetzlich privilegierten Hypotheken etwa zugunsten des Fiskus und bestimmter familienrecht licher Ansprüche nicht konsequent durchgeführt. Zunächst versuchte man in Bayern dem Reformbedarf im Hypotheken recht im Rahmen des Gesamtprojekts einer Neukodifikation des Zivil gesetzbuchs beizukommen. Der eng an den Code Napoléon angelehnte einer Hypothek der Mitwirkung eines Gerichts zu bedienen. Eine entsprechende Be stimmung sah zwar auch schon das Edikt über die Aufhebung der Siegelmäßigkeit vom 20. April 1808 vor, die Wirksamkeit dieser Bestimmung war aber bis zum Erlass eines neuen Zivilgesetzbuchs und einer neuen Gerichtsordnung ausgesetzt worden. 515 Motifs zum zweiten Theil des revidirten Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: Demel/Schubert, 1986, S. 258. 516 Für Preußen: I 20 §§ 390 ff., 411 ff. ALR und zuvor schon die Allgemeine Hypo theken-Ordnung für die gesammten königlichen Staaten von 1783; für Österreich: § 451 i. V. m. § 431 ABGB; für Frankreich: Art. 2114 ff. Code civil, allerdings gab es Ausnah men vom Publizitäts- und Spezialitätsprinzip durch Generalhypotheken, u. a. zugun sten von Ansprüchen der Ehefrauen und Mündel, die keiner Eintragung bedurften (Art. 2121, 2135 Code civil).
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Zivilgesetzbuchentwurf Feuerbachs von 1808 orientierte sich auch im Hypothekenrecht grundsätzlich am französischen Vorbild, das die zuvor genannten Grundsätze aber nicht immer konsequent durchgeführt hatte. So hielt auch Feuerbachs Entwurf abweichend vom Spezialitätsprinzip zu nächst nach französischem und gemeinrechtlichem Vorbild für bestimmte Fälle an unbestimmten und generellen Hypotheken fest.517 Den Publizi tätsgrundsatz dehnte Feuerbach hingegen im Vergleich zum französischen Vorbild weiter aus, indem das Eintragungserfordernis auch für gesetzlich begründete Hypotheken gelten sollte, was der Rechtslage in Preußen und Österreich, nicht aber in Frankreich entsprach.518 Als der Geheime Rat dann im Januar 1811 beschloss, für das neue Zivil gesetzbuch nicht länger den Code civil, sondern Kreittmayrs Codex Maxi milianeus zum Vorbild zu nehmen, war man sich von Anfang an darüber im Klaren, dass diese Vorbildfunktion des Codex Maximilianeus sich nicht auf das Hypothekenrecht beziehen könne, es vielmehr eines neuen „Sis tem[s] über das so dringende Hypothekenwesen“ bedürfe.519 In der Tat lös te sich der neue Zivilgesetzbuchentwurf von 1811 im Hypothekenrecht vollständig vom Vorbild des Codex Maximilianeus und führte die genann ten Prinzipien der Spezialität, Publizität und Priorität noch konsequenter durch als der Feuerbachsche Entwurf von 1808.520 Für alle, auch die ge setzlichen Hypotheken war die Eintragung im Hypothekenbuch konstitu tiv, Generalhypotheken waren nicht länger zulässig und alle Hypotheken erhielten ihren Rang nach der Priorität der Eintragung.521 Gerichtsurteile gaben, anders als noch im Feuerbachschen Entwurf522 , keinen selbständi gen Entstehungsgrund mehr für Hypotheken. Verfasst hat das Hypothe kenrecht im Entwurf von 1811 Gönner, beraten und konsentiert wurde es 517 Erst auf Intervention der Mehrheit der Mitglieder des Geheimen Rates änderte Feuerbach widerstrebend seinen Entwurf in dieser Frage, s. die Protokolle der Sitzun gen des Geheimen Rates vom 29.3.1809 und 20.4.1809, in: Die Protokolle des Bayeri schen Staatsrats 1799–1817, Bd. 3, S. 399 ff., 406 ff. 518 Art. 2 222 des Entwurfs. 519 S.o. S. 51. 520 Zweiter Teil, 7. Kapitel, §§ 1–22, in: Demel/Schubert, 1986, S. 183 ff. Nicht zutref fend daher die Einschätzung von Schubert, 1977a, S. 180, Fn. 512 u. ders., 1986, S. X, wonach das Hypothekenrecht des Entwurfs von 1811 „ganz“ bzw. „mit nur geringen Abänderungen“ aus dem Feuerbachschen Entwurf übernommen sei. Für gesetzliche Hypotheken ließ Feuerbach in enger Anlehnung an das französische Recht und anders als der spätere Entwurf von 1811 diverse Ausnahmen vom Spezialitätsgrundsatz zu, s. o. bei Fn. 517. 521 Motifs zum zweiten Theil des revidirten Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: Demel/Schubert, 1986, S. 260. 522 Art. 2 248 ff. des Entwurfs.
5. Das bayerische Hypothekengesetz
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aber in der Gesamtkommission unter Einschluss von Feuerbach und Adam von Aretin.523 Als die Beratungen des Zivilgesetzbuchentwurfs im Gehei men Rat dann 1814 unterbrochen und nicht wieder aufgenommen wurden, war das auch das vorläufige Ende der Reformbemühungen im Hypothe kenrecht, denn Christoph von Aretins Zivilgesetzbuchentwurf von 1816 orientierte sich auch in der Hypothekenfrage wieder ganz am Codex Ma ximilianeus.524 Die neue bayerische Verfassung von 1818 begründete dann nicht nur die Mitwirkung des Landtags an der künftigen Gesetzgebung, sondern ent hielt wie erwähnt auch explizit den Auftrag zur Rechtsvereinheitlichung im bürgerlichen Recht.525 Da sich die Regierung für den erstmals Anfang 1819 einberufenen Landtag nicht in der Lage sah, einen beratungs- und beschlussfähigen Gesamtentwurf eines Zivilgesetzbuchs zu präsentieren, man gegenüber den Ständen aber auch nicht mit leeren Händen dastehen wollte, entschied man sich im Vorfeld der Landtagssession dafür, das Hy pothekenrecht aus dem Gesamtprojekt eines Zivilgesetzbuches heraus zulösen und vorab im Wege der Spezialgesetzgebung zu reformieren.526 Neu war damals also nicht die Idee, überhaupt das Hypothekenrecht zu reformieren, sondern der Entschluss, dies außerhalb des großen Zivil gesetzbuchprojekts zu verwirklichen.527 Den Auftrag hierzu erhielt wiede rum Gönner, wobei sich die Reform sowohl auf das materielle Hypothe kenrecht als auch auf das Verfahren in Hypothekensachen und auf die lan desweite Einführung von Hypothekenbüchern erstrecken sollte. Gönners Entwurf einer Hypothekenordnung lag pünktlich für die erste Konstituierung des bayerischen Landtags im Februar 1819 vor.528 Sein Ent wurf des materiellen Hypothekenrechts fußte weitgehend auf den (eben falls von ihm verfassten) Regelungen zum Hypothekenrecht im Zivil gesetzbuchentwurf von 1811, wobei jedoch viele Formulierungen präziser gefasst und zahlreiche Ergänzungen vorgenommen wurden. So wuchs 523
S.o. bei Fn. 240 und Fn. 245. S.o. bei Fn. 260. 525 Titel VIII, § 7 der bayerischen Verfassung von 1818. 526 Zu dieser Strategie s. o. S. 97. 527 Das ist zu betonen vor dem Hintergrund der auch in diesem Punkt nicht zuver lässigen Darstellung bei Völderndorff, 1898, S. 28, wonach die Idee zur Reform des Hy pothekenrechts erst auf das Bekanntwerden des Justizministers Reigersbergs mit dem Kemptener Landtafelwesen zurückgehe und von vornherein als Spezialgesetz geplant gewesen sei. 528 Abgedruckt als Beilage zu den Verhandlungen der zweyten Kammer der Stände versammlung des Königreichs Baiern, 1819, Bd. 1, S. 114–161. Bevor der Entwurf dem Landtag zugeleitet wurde, war er bereits im Staatsrat vorberaten und konsentiert wor den, s. hierzu die Ausführungen Gönners ebda, Bd. 13, S. 323. 524
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
etwa die Liste der Fälle, in denen ein Recht auf Eintragung einer gesetz lichen Hypothek bestand, von zwölf auf 18 an, wobei jedoch auch sämt liche gesetzliche Hypotheken den Grundsätzen der Spezialität, Publizität und Priorität unterworfen waren.529 Neu hinzugekommen waren ausführ liche Regelungen zum Verfahren in Hypothekensachen und über die Anle gung der Hypothekenbücher nach dem Realfolienprinzip, also geordnet nach den Grundstücken und nicht nach den Eigentümern, wofür Gönner auf das Vorbild Preußens (anders hingegen in Frankreich) zurückgreifen konnte.530 Gönner verfasste zudem 160seitige Motive zu seinem Entwurf, die ebenfalls dem Landtag vorgelegt und als Separatdruck auch der allge meinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.531 Die große Bedeutung, die die Regierung diesem Gesetzgebungsprojekt beimaß, wurde durch eine lange Grundsatzrede des Justizministers Graf Reigersberg an die Ständeversammlung deutlich.532 Der Entwurf wurde zunächst an den Gesetzgebungsausschuss der Abgeordnetenkammer ver wiesen. Referent des Gesetzgebungsausschusses war jedoch ausgerechnet der streitbare Christoph von Aretin, Verfasser des ganz am Codex Maxi milianeus orientierten Zivilgesetzbuchentwurfs von 1816 und erklärter Gegner durchgreifender Neuerungen im Hypothekenrecht.533 Seine unge zügelte Polemik hatten früher bereits Feuerbach und andere über sich erge hen lassen müssen (Feuerbach bezeichnete ihn als „Falsarius, Pasquillant und falscher Denuntiant“534) und nun ergoss sich seine beißende Ironie
529 § 12 des Entwurfs von 1819. In der endgültigen Fassung des Hypothekengesetzes von 1822 schmolz diese Liste wieder auf zwölf „Rechtstitel“ zusammen. 530 §§ 101 ff. des Entwurfs von 1819. Zu den Unterschieden gegenüber der preußi schen Hypothekenordnung s. Gönner, 1819, S. 106 f. 531 Gönner, 1819. 532 Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1819, Bd. 1, S. 101–113. Einzelne Passagen seiner Rede stimmen fast wörtlich überein mit den von Gönner im gleichen Jahr veröffentlichten Motiven zu dem Gesetz entwurf. 533 Zur Person s. o. Fn. 206; zu seinem Zivilgesetzbuchentwurf s. o. S. 57. 534 Das Zitat in einem Brief Feuerbachs an seinen Vater vom 11. März 1810, in: ders., 1853, Bd. 1, S. 189. Feuerbach war damals nach eigenem Bekunden infolge der Angriffe von Aretin und anderer schon entschlossen gewesen, sich von München in die Provinz versetzen zu lassen, wurde aber vom König selbst umgestimmt (Brief an Röschlaub vom 16. April 1810, ebda, Bd. 1, S. 198 ff.). Als Aretin sich 1824 in einer Schrift erneut als Verteidiger des bayerischen Vaterlandes gegen „innere (aber Gottlob nicht eingeborene) Feinde“ rühmte, nahm Feuerbach dies zum Anlass, sich beim Justizminister Zentner über Aretin, damals wie Feuerbach Präsident eines Appellationsgerichts, zu beschweren (Feuerbach, 1853, Bd. 2, S. 218). Erst der frühe Tod Aretins noch im gleichen Jahre berei tete der Auseinandersetzung ein Ende.
5. Das bayerische Hypothekengesetz
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über Gönner.535 Aretin ging geschickt vor, indem er die im Entwurf durch geführten Grundsätze ausführlich als impraktikabel kritisierte, die not wendigen Verbindungslinien des Hypothekenrechts mit dem übrigen (bis lang nicht neu kodifizierten) Zivilrecht herausstrich und schließlich darauf drang, anstelle einer Neuregelung des materiellen Hypothekenrechts sich vorerst (bis zur Neukodifikation des gesamten Zivilrechts) mit der landes weiten Einführung öffentlicher Hypothekenbücher zu begnügen.536 Der Gesetzgebungsausschuss folgte mehrheitlich den Vorschlägen Aretins, der daraufhin im Ausschuss einen eigenen, nur die Anlegung und Führung von Hypothekenbüchern regelnden Entwurf vorlegte.537 Infolgedessen wurde der Regierungsentwurf im Plenum der Abgeordnetenkammer gar nicht mehr förmlich beraten und Gönner konnte als königlicher Kommis sär seine ausführliche Erwiderung auf Aretins Angriffe, die er eigentlich im Plenum vortragen wollte, bei der Schließung der Landtagssession im Juli 1819 nur noch zu den Akten geben.538 Der nächste Landtag trat erst wieder 1822 zusammen. Bis dahin erschie nen einige Schriften über eine Reform des Hypothekenrechts und über Gönners Entwurf, manche ablehnend im Sinne Aretins, andere zustim mend und für eine baldige Umsetzung plädierend.539 Gönner nutzte die 535 Christoph von Aretin war seit 1809 Wortführer in publizistischen Angriffen auf die nach Bayern berufenen protestantischen Gelehrten, worunter neben Feuerbach u. a. auch dessen Freunde Jacobi und Thiersch zu leiden hatten, vgl. zu diesem „Nordlichter streit“ Boehm, 2003, S. 306; Weis, 2005, S. 625 ff.; speziell zur Konfrontation Aretin/ Feuerbach dessen eigene Schilderung in Feuerbach, 1853, Bd. 2, S. 220 ff. sowie Radbruch, 1934, S. 93 ff. Savigny bezeichnete Aretin als „nichtswürdig“ (Brief an Bang vom 4. März 1810, in: Stoll, Bd. 1 (1927), S. 405), hatte nach eigenen Angaben während seiner Landshuter Zeit aber nicht unter dessen Anfeindungen zu leiden (Brief an Creuzer vom 10. April 1810, ebda, S. 410). 536 Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1819, Bd. 5, S. 339–427 (Vortrag Aretins vom 5. Mai 1819). 537 Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1819, Bd. 5, S. 428–430 (Abstimmung im Ausschuss) und S. 431–464 (Entwurf Aretins). 538 Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1819, Bd. 13, S. 317–429. 539 Zu den Befürwortern der Reform zählten Wolfgang Heinrich Puchta (Worte der Erfahrung für das Prinzip der Spezialität bey einer neuen Hypothekenordnung in und ausser Baiern, Erlangen 1819; zu ihm s. o. Fn. 486), der später auch eine laienverständ liche Darstellung des neuen bayerischen Hypothekenrechts veröffentlichte (Unterricht über die neue Hypothekenverfassung in Bayern, Erlangen 1823), und Georg Michael Weber (Über das Baierische Credit- und Schuldenwesen …, Sulzbach 1819), der schon den ersten (am Code Napoléon orientierten) Zivilgesetzbuchentwurf Feuerbachs mit beraten hatte (zu ihm s. o. Fn. 216). Weitere Stimmen führen auf Mittermaier, AcP 3 (1820), S. 252 f.; Stolleis, 1976, S. 251 ff.; Barth, 2006, S. 118.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Zeit, um die Durchführbarkeit der Anlegung von Hypothekenbüchern nach den Vorgaben seines Entwurfs unter Beweis zu stellen und hierdurch eines der Hauptargumente seiner Gegner zu entkräften. Hierzu wurde dem Landrichter des fränkischen Landgerichtsbezirks Eltmann im Febru ar 1820 durch das Justizministerium aufgegeben, für seinen Bezirk probe weise Hypothekenbücher nach Maßgabe des Gönnerschen Entwurfs anzulegen. Tatsächlich lagen die fertiggestellten Hypothekenbücher aus Eltmann bereits im Mai 1821 und damit rechtzeitig vor der nächsten Land tagssession vor, worüber Gönner der Ständeversammlung mit großer Ge nugtuung berichtete.540 Die Regierung brachte Gönners Entwurf mit eini gen kleineren Änderungen, die die Grundstruktur unangetastet ließen, und ergänzt um eine allgemeine Prioritätsordnung für den Konkursfall erneut auf dem Landtag ein.541 Berichterstatter über den Entwurf im Gesetzgebungsausschuss der Kam mer der Abgeordneten war wie schon 1819 Christoph von Aretin. Sein Re ferat fiel aber wesentlich positiver aus als noch drei Jahre zuvor. Nach seiner Darstellung war der neu eingebrachte Entwurf gegenüber der Fassung von 1819 „wesentlich abgeändert“ worden und habe die von ihm damals gerüg ten „Fehler und Gebrechen größtentheils glücklich vermieden“.542 Das ent sprach zwar nicht den Tatsachen, denn tatsächlich waren gegenüber der Fassung von 1819 nur unwesentliche Änderungen vorgenommen worden, wobei insbesondere entgegen den damaligen Forderungen Aretins weiter hin das komplette materielle Hypothekenrecht neu geregelt, Generalhypo theken und stillschweigende Hypotheken gänzlich abgeschafft und der Spe zialitätsgrundsatz streng durchgeführt wurden. Mit diesem Täuschungs manöver konnte sich Aretin aber nunmehr gesichtswahrend für eine Annahme des Entwurfs mit nur noch wenigen, die Grundstruktur nicht berührenden Änderungen aussprechen und hierfür die Zustimmung der Ausschussmehrheit erlangen.543 Hintergrund für die nun wesentlich konzi 540 Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1822, Beilagen-Bd. 1, S. 10 f. In Gönner, 1823, S. 51 ist fälschlich von Mai 1822 (statt 1821) als Fertigstellungstermin die Rede, was ein Druckfehler sein muss, da Gönner bereits im Januar 1822 vor der Ständeversammlung über die Fertigstellung im Mai 1821 berichtete. 541 Der Entwurf ist nebst Prioritätsordnung und Einführungsgesetz abgedruckt in: Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1822, Beilagen-Bd. 1, S. 31 ff. Zu den Änderungen in der Vorlage gegenüber 1819 gibt Gönner detailliert Auskunft ebda, S. 13 ff. sowie Gönner, 1823, Bd. 1, S. 53; moderner Überblick über die Änderungen bei Jilek, 2015, S. 50 ff. 542 Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1822, Beilagen-Bd. 2, S. 103–189 (Referat Aretins), Zitat auf S. 104. 543 Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs
5. Das bayerische Hypothekengesetz
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liantere Haltung Aretins und der Ausschussmehrheit gegenüber der Reform waren wohl die Vorwürfe einer bewussten Verzögerungstaktik, die bei der Landtagssession 1819 von der Regierung und im Landtagsabschied auch vom König selbst gegen den Ausschuss erhoben worden waren und gegen die sich Aretin und der Ausschuss nunmehr zu verteidigen suchten. Am Ende der Ausschusssitzungen zum Hypothekengesetz fand dann auch eine inszenierte öffentliche Versöhnung von Aretin und Gönner statt.544 Im Plenum der Kammer der Abgeordneten wurde der Entwurf mit den Änderungsvorschlägen des Ausschusses intensiv an fünf Sitzungstagen be raten.545 Totalopposition gegen das neue Hypothekenrecht wurde nicht mehr geäußert, die Diskussionen drehten sich vornehmlich um Detailrege lungen. Als letzter Redner trat Gönner als königlicher Kommissär für die Regierungsvorlage auf. In einer langen Rede, die sich im Landtagsprotokoll über 51 Seiten erstreckt, kommentierte er nicht nur die eingebrachten Än derungsvorschläge, sondern bot nochmal alle Argumente für die Reform auf, sprach von den Unsicherheiten, die für Kreditgeber und andere Gläu biger, aber auch für Grundstückskäufer durch nicht eingetragene Hypothe ken und Generalhypotheken auf das gesamte Vermögen entstehen, von der Sicherung und Belebung des Kredits und des Grundstücksverkehrs durch die Reform, von der gerade in dieser Materie dringlichen Rechtsvereinheit lichung, von dem Nutzen und der Durchführbarkeit öffentlicher Hypothe kenbücher.546 Die Abgeordnetenkammer und die Kammer der Reichsräte gaben schließlich ihre Zustimmung zu der Vorlage mit einigen Detailände rungen, auf die sie sich untereinander und mit der Regierung verständigten, so dass das Hypothekengesetz nebst Prioritätsordnung und Einführungs gesetz im Juni 1822 im Gesetzblatt verkündet werden konnte.547 Baiern, 1822, Beilagen-Bd. 2, S. 104 (Vorschlag Aretins), 190 ff. (ursprüngliche Beschlüs se des Ausschusses), 206 ff. (Beschlüsse nach Konsultation des Regierungskommissärs Gönner). 544 Ausschusssitzung vom 7. März 1822, in: Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1822, Beilagen-Bd. 2, S. 205. Die Ver söhnung hielt jedoch nicht lange, da bei der Debatte im Plenum beide sich wieder einen heftigen Wortwechsel lieferten über die Frage, wer die Verantwortung dafür trage, dass die Reform nicht bereits in der letzten Landtagssession abschließend beraten wurde (ebda, Bd. 4, S. 223 ff.). 545 Die Kammer debattierte über das Hypothekengesetz vom 11. bis 23. März 1822, Sitzungsprotokolle in: Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1822, Bd. 3, S. 119 ff., Bd. 4, S. 1 ff., Bd. 10, S. 354 ff.; Verständi gung zwischen den Kammern in Bd. 11, S. 65 ff. 546 Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern, 1822, Bd. 4, S. 172–223. 547 Gesetzblatt für das Königreich Baiern, 1822, Sp. 5 ff. Die Inkraftsetzung erfolgte für die meisten Landesteile zum 1. Juni 1825, im Bamberger und Kemptener Raum zum
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
Gönner schrieb sogleich einen zweibändigen Kommentar über das neue Hypothekengesetz, für den er auf die umfangreichreichen Materialien aus den Beratungen im Staatsrat und den Landtagen zurückgreifen konnte.548 Dieser umfangreiche Kommentar, der die modernen Leitprinzipien des Hypothekenrechts in einer bislang nicht gekannten Detailtiefe durch drang, und dem zu dieser Zeit in und außerhalb Bayerns nichts Vergleich bares zur Seite stand, nahm in der Auslegung und Anwendung des Geset zes durch die bayerischen Gerichte in der Folgezeit eine ähnlich maßgebli che und quasi „halbamtliche“ Bedeutung ein, wie es die Kommentare Kreittmayrs zum Codex Maximilianeus und Zeillers zum österreichischen ABGB getan haben.549 Der Kommentar erlebte mehrere Auflagen und wurde 1868, also mehr als 40 Jahre nach Gönners Tod, noch um einen drit ten Band mit Nachträgen und einem Register ergänzt.550 Auch in den aka demischen Unterricht Bayerns fand das Hypothekengesetz sogleich durch eine eigenständige Vorlesung hierzu Eingang.551 Die erhoffte Belebung des Grundstücksverkehrs und Immobilienk redits durch das neue Hypothekengesetz trat offenbar tatsächlich ein. Verlässli che Zahlen über die Höhe des hypothekarisch gesicherten Kreditvolumens aus der Zeit vor der Reform liegen zwar nicht vor und sind schon deshalb schwer zu generieren, weil vor der Reform gerade nicht alle Hypotheken in öffentlichen Büchern eintragungsbedürftig waren und der Adel und ande re „Siegelmäßige“ für die Bestellung von Hypotheken bis 1818 auch nicht der Mitwirkung eines Gerichts bedurften.552 Ein geeigneter Indikator für die Zeit nach der Reform ist jedoch das Volumen der seit 1835 von der neu gegründeten Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank ausgegebenen Immobilienkredite, das sich bis Mitte der 1850er Jahre (mit Ausnahme der Revolutionsjahre 1848/49) auf hohem Niveau bewegte.553 Das bayerische Hypothekenrecht von 1822 diente als Vorlage für das württembergische Hypothekengesetz von 1825 und stieß im Wege des 1. Januar 1827. In der Rheinpfalz ist das Hypothekengesetz nicht in Kraft gesetzt wor den, dort galt weiterhin französisches Hypothekenrecht. 548 Gönner, Commentar über das Hypothekengesetz für das Königreich Baiern, Bd. 1 (materielles Hypothekenrecht) 1823, Bd. 2 (Verfahrensrecht) 1824. 549 Zur bayerischen Rechtsprechung zum Hypothekengesetz im 19. Jahrhundert Stolleis, 1976, S. 264 f. 550 Eduard Graf, Nachträge und Register zu N. Th. v. Gönner’s Commentar über das Hypothekengesetz …, München 1868. 551 In Landshut las Prof. Krüll über das Hypothekengesetz, nach dem Umzug der Universität nach München Prof. Wenning-Ingenheim. 552 S.o. Fn 514. 553 Vgl. die Auswertung der Geschäftsberichte durch Stolleis, 1976, S. 270 ff., dort auch zur späteren Entwicklung.
5. Das bayerische Hypothekengesetz
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Rechtsvergleichs auch in Frankreich und England auf reges Interesse.554 In einem Ausschuss des britischen House of Commons zur Reform des eng lischen Grundstückrechts wurde 1830 ausführlich über das bayerische Hypothekengesetz berichtet und große Teile davon ins Englische über setzt. Der Berichterstatter bezeichnete es als das derzeit vielleicht vollkom menste Muster für diesen Bereich der Gesetzgebung, da es die Mängel der preußischen, österreichischen und französischen Hypothekengesetzge bung bereits berücksichtige.555 Ein Vorbild gab das bayerische Hypothe kengesetz besonders in der mutigen Loslösung von der gemeinrechtlichen Tradition und der konsequenten Hinwendung zu den modernen Prinzi pien der Publizität, Spezialität und Priorität ab, die Gönner klarer und fol gerichtiger umsetzte als es in Preußen, Österreich und Frankreich bis da hin geschehen war. Rückblickend betrachtet war jedoch das bayerische Hypothekengesetz selbst auch mit zwei schweren „Hypotheken“ belastet. Als nachteilig er wies sich zum einen, dass die geplante Neukodifikation des gesamten Zi vilrechts (und damit auch des Sachenrechts jenseits des speziellen Hypo thekenrechts) in Bayern in der Folgezeit nicht zustande kam, so dass dem materiellen Hypothekenrecht die stringente Anbindung an ein einheitli ches Sachenrecht dauerhaft fehlte. Außerdem gelang es Bayern im ganzen 19. Jahrhundert nicht, ein flächendeckendes Grundbuchsystem einzufüh ren, in dem sämtliche Grundstücke und Grundstücksübertragungen kata stermäßig verzeichnet und dessen Eintragungen mit öffentlichem Glauben ausgestattet sind.556 Ein verlässliches Katastersystem entwickelte sich in Bayern im 19. Jahrhundert erst allmählich für Grundsteuerzwecke. Zur Zeit der Entstehung des Hypothekengesetzes fehlten die vermessungs technischen Voraussetzungen für ein umfassendes Grundbuchsystem, so dass man sich bewusst auf die „kleine“ Lösung eines reinen Hypotheken buches beschränkte.557 Selbst für diese kleine Lösung sah man sich anfangs 554 Vgl. Mittermaier, AcP 18 (1835), S. 184; Buchholz, 1978, S. 295; Coing, 1989, S. 230.
555 Royal Commission to inquire into Law of England respecting Real Property, Se cond Report, Appendix, in: Parliamentary Papers, House of Commons Papers, 1830 (575), vol. 11, p. 4 40. 556 Erst infolge der deutschlandweiten Rechtsvereinheitlichung durch das deutsche BGB und die Grundbuchordnung erfolgte in Bayern der Übergang zum Grund buchsystem, der 1910 abgeschlossen wurde. 557 Vgl. Gönner, 1819, S. 56: „Man würde sich sonst vom Zwecke der Hypotheken bücher entfernt, dieselben ungeheuer vergrößert und die Einführung des Hypotheken- Instituts unendlich erschwert haben.“ Auch außerhalb Bayerns, nicht zuletzt in Frank reich, dominierte die Sorge um die technischen Schwierigkeiten und Kosten eines voll ständigen Grundbuchsystems noch über weite Strecken des 19. Jahrhunderts, vgl. Hedemann, 1935, S. 41 ff.
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III. Gönner, Feuerbach und die bayerischen Kodifikationsbemühungen
mit Skepsis von verschiedener Seite konfrontiert, ob die formelle Umset zung durch flächendeckende Hypothekenbücher innerhalb weniger Jahre gelingen könne. Christoph von Aretin präsentierte dem Landtagsausschuss 1819 eine Hochrechnung, wonach das vorhandene Gerichtspersonal 166 Jahre benötigen würde, um die Hypothekenbücher in der geplanten Form anzulegen.558 Die von Gönner initiierte Probeeinführung des Hypotheken buches im Bezirk Eltmann sollte auch der Zerstreuung dieser Skepsis die nen und tatsächlich verlief die Einführung auch in anderen Bezirken offen bar relativ problemlos und zügig.559 In den Anfangsjahren nach Inkraft setzung des Hypothekengesetzes war jedoch eine präzise Benennung der Grundstücke in den Hypothekenbüchern mangels genauer Kataster oft mals erschwert.560 So blieben die auf Grundlage des Hypothekengesetzes von 1822 angelegten Hypothekenbücher, die nur die hypothekarisch belas teten Grundstücke verzeichneten und für den Grundstückserwerb nicht maßgeblich waren, eigentlich immer eine Notlösung und die Erweiterung zu einem einheitlichen materiellen und formellen Grundstücksrecht ge lang nicht.561 Während auf dem dritten Deutschen Juristentag (1862) das bayerische Hypothekengesetz noch als Basis für eine gesamtdeutsche Rechtsverein heitlichung in dieser Materie empfohlen wurde562 , vermochte es Bayern nach der Reichsgründung nicht, sein Hypothekengesetz tatsächlich als Vorbild für die Kodifikation des Grundpfandrechts im deutschen BGB durchzusetzen, dessen Konzeption sich vielmehr an neuere Entwicklun gen insbesondere in Mecklenburg und Preußen orientierte. Mit seinem Wi derstand gegen die umlauffähige Briefhypothek nach preußischem Vorbild und die nicht akzessorische Grundschuld – beides Rechtsinstitute, die im bayerischen Hypothekengesetz bewusst nicht vorgesehen waren – konnte 558 Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern 1819, Bd. 5, S. 390. 559 Beispielhaft kann hier auf die Anlegung der Hypothekenbücher im Landge richtsbezirk Erlangen verwiesen werden. Der dortige Landrichter Puchta beklagte sich zwar über die Eile, mit der die Anlegung nach den gesetzlichen Vorgaben zu erfolgen hatte, stellte aber auch nicht ohne Stolz fest, dass ihm die Fertigstellung bis zum vorge sehenen Einführungstermin gelungen war, „ohne daß in meinem Amtsbezirk bis jetzt eine nachtheilige Folge aus dieser Eilfertigkeit entstanden wäre“; Puchta, 1845, S. 211. 560 Vgl. Roth, 1872, Bd. 2 , S. 394. 561 Zur beschränkten Aussagekraft der Hypothekenbücher s. Roth, 1872, Bd. 2, S. 405 f. Zum Eigentumserwerb an Grundstücken war nach gemeinem Recht, wie es in vielen Teilen Bayerns bis 1900 fort galt, keine Eintragung erforderlich (ebda, S. 150 ff.). 562 Vgl. Buchholz, 1978, S. 291. Der (aus Bayern stammende) Gutachter wollte sogar die Beschränkung auf bloße Hypothekenbücher im Rahmen der Rechtsvereinheitli chung übernehmen.
5. Das bayerische Hypothekengesetz
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sich Bayern bei den Beratungen zum BGB nicht durchsetzen.563 So gerie ten im 20. Jahrhundert die mit dem bayerischen Hypothekengesetz ver bundene Kodifikationsleistung und deren Bedeutung für die Entwicklung des bayerischen Immobilienkreditwesens schnell in den Hintergrund. An ders als noch im 19. Jahrhundert wurde das Hypothekengesetz und Gön ners eingehende Kommentierung auch nicht mehr als wesentlicher Beitrag zur Fortentwicklung der Rechtswissenschaft in dieser Materie wahrge nommen. Symptomatisch hierfür ist das geringschätzende Urteil Lands bergs, wonach „man doch in diesem Erfolge Gönners eine für die Ent wicklung der Rechtswissenschaft wesentliche Tat kaum finden“ könne, weil es sich nur um eine Adaption „in Preußen längst bewährter Prinzipi en“ handele.564 Tatsächlich liefert die geschilderte Entstehungsgeschichte des Hypothekengesetzes Zeugnis über eine wesentlich komplexere und eigenständigere Rezeption und Neukonzeption als es in dem herablassen den Urteil Landsbergs zum Ausdruck kommt.565 Gegenüber der Rechts entwicklung in den drei großen Rechtsgebieten Preußen, Österreich und Frankreich mag die Rechtsentwicklung in Bayern gerade im Hypotheken recht zeitlich gesehen zwar als Nachzügler erscheinen.566 Sachgerechter erscheint jedoch ein Vergleich mit der Entwicklung des Hypothekenrechts in anderen mittelgroßen deutschen Staaten im 19. Jahrhundert und in die ser Perspektive wird deutlich, dass Bayern der erste mittelgroße deutsche Staat war, der sich im 19. Jahrhundert in bewusster Abkehr vom gemeinen Recht ein umfassendes, konsequent an den Prinzipien der Spezialität, Pub lizität und Priorität ausgerichtetes Hypothekenrecht gab, an dem sich dann wiederum andere mittelgroße Länder wie Württemberg orientierten.567
563 Näher
Schubert, 1980, S. 30 ff. Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.2, S. 76, Anm. 24. Ambivalent fiel das Urteil bei Hedemann, 1935, S. 235 aus: „Überhaupt trug das bayrische System neben seinem fortschrittlichen Gehalt manches Unausgereifte in sich.“ 565 Positiver als bei Landsberg fallen die neueren Urteile über das bayerische Hypo thekengesetz bei Stolleis, 1976, S. 259 („hat sich während des ganzen 19. Jahrhunderts als brauchbar erwiesen“) und Buchholz, 1978, S. 290 („nimmt … eine Schlüsselstellung in nerhalb der Bodenrechtsentwicklung des 19. Jahrhunderts ein“) aus. 566 Das betont Stolleis, 1976, S. 254. 567 Einen zeitgenössischen Überblick über die Entwicklung der Hypothekengesetz gebung in den einzelnen deutschen Ländern gibt Mittermaier, AcP 18 (1835), S. 149 ff., 431 ff.; moderne Überblicke für das ganze 19. Jahrhundert bei Buchholz, 1978, S. 250 ff.; ders., 1982, S. 1709 ff. 564
IV. Die Kontroverse um die Kodifikationsfrage Die auf alle wesentlichen Rechtsgebiete ausgreifenden und hoch ambitio nierten Gesetzgebungsprojekte, an denen man in Bayern in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts arbeitete, und an denen Gönner zwi schen 1811 und seinem Todesjahr 1827 maßgeblich beteiligt war568 , standen ganz im Einklang mit dessen bereits früher geäußerten Ansichten über die Rollenverteilung zwischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft und mit seinem dezidierten Eintreten für eine umfassende Rechtsvereinheitli chung durch Gesetzgebung innerhalb und außerhalb Bayerns. Der Gesetz gebung kam demnach die aktive, gestalterische Aufgabe bei der Rechts fortbildung und Rechtsvereinheitlichung zu und die Rechtswissenschaft war auf eine eher dienende, die Gesetzgebung begleitende und auf Fehler und Inkonsequenzen hinweisende Rolle beschränkt.569 Dass der französi sche Gesetzgeber dieser Aufgabe mit Erlass des Code civil nachgekommen war, hatte Gönner (ungeachtet so mancher Kritik von ihm im Detail an dem Gesetzbuch) im Grundsatz ebenso begrüßt wie die spätere Inkraft setzung des österreichischen ABGB.570 Wie aufgezeigt, hatte Gönner mit diesen Ansichten bereits während Savignys Landshuter Zeit dessen Miss fallen erregt, das sich vorerst aber nur in Privatkorrespondenz und nicht in einer publizistischen Kontroverse äußerte.571 Dies sollte sich im Zuge des schon bei den Zeitgenossen auf große Aufmerksamkeit stoßenden „Kodi fikationsstreites“ ab 1814 grundlegend ändern. 568 Lediglich an den seit 1814 laufenden Kommissionsberatungen für die neue baye rische Verfassung von 1818 wirkte Gönner (wie übrigens auch Feuerbach) nicht mit; seine ursprünglich vorgesehene Beteiligung scheiterte am Widerstand Montgelas’, s. o. Fn. 259. 569 S.o. S. 38. 570 Gönner äußerte sich in seinem „Archiv für die Gesetzgebung“ ausführlich so wohl zum Code civil (Bd. 1, S. 95 ff. allgenmein sowie passim in den Bänden 1–3 zu Einzelfragen) als auch zum ABGB (Bd. 4, S. 221 ff.). Das ABGB und sein Redaktor Zeil ler wurden von Gönner grundsätzlich mit großem Lob bedacht und nur einige Detail bestimmungen kritisch kommentiert. Zeiller schrieb eine Entgegnung darauf, die den hohen Grad der Übereinstimmung zwischen beiden deutlich machte (Zeiller, 1815, S. 172 ff.). 571 S.o. S. 39.
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IV. Die Kontroverse um die Kodifikationsfrage
Der sogenannte „Kodifikationsstreit“ nimmt in der rechtsgeschichtli chen Erinnerungskultur Deutschlands bis heute einen prominenten Platz ein, seine Erwähnung fehlt in keiner Darstellung der deutschen Rechtsge schichte des 19. Jahrhunderts und auch in Zeiten generell abnehmender rechtshistorischer Kenntnisse im Juristenstand verbinden die meisten Ju risten mit diesem Stichwort noch die eine oder andere Erinnerung. Diese breite Popularität des Gegenstandes führte aber zugleich zu einer Verfla chung, man kann auch sagen der Sache nicht angemessene Vereinfachung der Wahrnehmung. Dies beginnt bereits bei der Terminologie, denn das von Jeremy Bentham ersonnene Kunstwort „Kodifikation“ war zu dieser Zeit in Deutschland noch gar nicht gebräuchlich und keiner der an der Kontroverse beteiligten führte es im Munde.572 Schwerer wiegt die zeitli che und vor allem personelle Engführung der damaligen Auseinanderset zung in der heutigen Wahrnehmung, die nur zu gerne auf das Jahr 1814 und das publizistische Aufeinandertreffen der Koryphäen Thibaut und Savig ny reduziert wird. Die Jahre 1814/15 bildeten vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der napoleonischen Hegemonie und der Neuformie rung der Staatenwelt in Europa aber nur den Höhepunkt der Kontroverse, an der sich zahlreiche bekannte und weniger bekannte Juristen beteiligten und die mit einer Verengung auf die Beiträge Thibauts und Savignys auch inhaltlich und aus der Sicht der Zeitgenossen nur unzureichend erfasst wird.573 Schließlich steht am Ende der Kontroverse auch keineswegs so deutlich ein „Sieg“ Savignys und seiner Position, wie es die noch immer von der Historischen Rechtsschule geprägte Erinnerungskultur lange Zeit glauben machte. Es waren zentrale rechtspolitische und rechtstheoretische Themen, die in dieser Kontroverse verhandelt wurden. Im Vordergrund stand natürlich die Frage nach der Schaffung einer einheitlichen Gesetzgebung für ganz Deutschland, wobei Thibauts Vorschlag, was heute oft übersehen wird, nicht nur auf das Zivilrecht, sondern auch das Straf- und Prozessrecht ge richtet war.574 Neben dieser tagespolitischen Ausgangsfrage ging es aber auch um ganz grundsätzliche Fragen nach dem Vorrang der verschiedenen Rechtsquellen bei der Rechtsvereinheitlichung und Rechtsfortbildung, dem Verhältnis von Gesetzgebung und Rechtswissenschaft zueinander, der Zukunft des gemeinen Rechts nach Untergang des alten Reiches und 572 Näher
Mertens, 2004, S. 489. Eine umfassende Auswertung der damaligen und späteren Diskussion unter Ein schluss weniger bekannter Autoren und auch anonymer Rezensenten nimmt Schöler, 2004, S. 113 ff., 134 ff. vor. 574 Thibaut, 1814, S. 12, 63. 573
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dem künftigen Inhalt des juristischen Studiums. Gönners Beteiligung an dieser Auseinandersetzung war aus damaliger zeitgenössischer Sicht we sentlich bedeutender und in der Sache auch zukunftsweisender als es der gängigen heutigen Wahrnehmung entspricht. Seiner monographischen Stellungnahme zu diesem Thema575 wird heute, wenn überhaupt, dann nur noch als Anlass für Savignys die Leitlinien der Historischen Rechtsschule weiter ausbreitende Replik 576 Beachtung geschenkt. Insofern kann man in der Tat von einem „Sieg“ Savignys und seiner Schule sprechen, wenn auch nicht in der Sache, so doch in der kollektiven Erinnerung. Interessanterweise lagen Thibaut und Gönner in dieser Auseinanderset zung mit ihren Stellungnahmen in den zentralen Sachfragen sehr nah bei einander. Beide traten für eine Ablösung des gemeinen Rechts als geltende Rechtsquelle durch umfassende Gesetzbücher ein.577 Beide hoben die Mängel des rezipierten römischen Rechts für den praktischen Rechtsver kehr hervor, die auch durch vermehrte Anstrengungen der Wissenschaft nicht vollständig beseitigt werden könnten.578 Beide betonten, dass das Recht für die Bürger und nicht für die Juristen geschaffen sei und der Bür ger sich nicht große Gelehrsamkeit der Juristen wünsche, sondern einfache Gesetze, die die Juristen auch ohne große Gelehrsamkeit sicher anwenden können.579 Beide strichen schließlich auch den großen Gewinn heraus, den die Ablösung des gemeinen Rechts durch einheitliche Gesetzgebung für den akademischen Unterricht böte, indem es endlich zur Übereinstim mung von gelehrtem und praktisch angewandtem Recht komme, während bislang fast ausschließlich römisches Recht gelehrt werde und die vielge staltigen Partikularrechte zwar in der Praxis angewandt, aber an den Uni versitäten kaum gelehrt würden.580 Das römische Recht sollte nach Gönners Vorstellung zwar auch nach Schaffung einer einheitlichen Gesetzgebung weiterhin gelehrt werden, aber nicht mehr als Hauptlehrgegenstand des geltenden Rechts, sondern als römische Rechtsgeschichte für höhere Semester, nachdem die Studen ten ihre Grundausbildung in dem im neuen Gesetzbuch niedergelegten einheimischen Recht erhalten haben.581 Gönner hatte schon in seiner Zeit an der Universität Landshut eine Reform des Studienplans verfolgt, die 575
Gönner, Über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in unsrer Zeit, 1815. Savigny, Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 1 (1815), S. 373–423. 577 Thibaut, 1814, S. 12 ff.; Gönner, 1815, S. 15 ff. 578 Thibaut, 1814, S. 15 ff.; Gönner, 1815, S. 115 ff. 579 Thibaut, 1814, S. 23, 33; Gönner, 1815, S. 50 ff. 580 Thibaut, 1814, S. 27 ff.; Gönner, 1815, S. 73 ff. 581 Gönner, 1815, S. 79 f.; ähnlich schon Gönner, 1810, S. 76. 576
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anfänglich auch von Feuerbach unterstützt wurde und die dem bayeri schen Partikularrecht gegenüber dem römischen Recht mehr Gewicht ver lieh.582 Savigny hielt hingegen in Preußen akademischen Unterricht über das Landrecht gar nicht für nötig, eine spätere Einübung in der Praxis reiche völlig aus, auch könnte auf die vorhandenen Gesetzbücher (Code civil, ALR, ABGB) eine „wirklich lebendige Rechtswissenschaft“ ohnehin nicht gegründet werden.583 Unterschiede bestanden zwischen Thibaut und Gönner anfänglich in der Frage, ob es ein gemeinsames Gesetzbuch für alle deutschen Staaten geben solle. Thibaut forderte zunächst ein aus dem Zusammenwirken der besten Kräfte aus allen deutschen Ländern gemeinsam erarbeitetes Gesetzbuch für ganz Deutschland.584 Savigny nahm zwar an, dass Thibauts Vorschlag nicht für die deutschen Länder gelten sollte, in denen unlängst umfassende Ge setzbücher in Kraft getreten waren, also Preußen und Österreich.585 Das war aber nur eine Unterstellung Savignys, um ihm dann die auch nach Schaffung des Gesetzbuches fortbestehende und sogar noch vertiefte Rechtsverschiedenheit in Deutschland vorwerfen zu können.586 Tatsäch lich hatte Thibaut unmissverständlich ein Gesetzbuch für ganz Deutsch land gefordert und Preußen und Österreich nicht ausgenommen. Gönner beurteilte hingegen die Realisierungschancen eines tatsächlich für ganz Deutschland geltenden einheitlichen Gesetzbuchs angesichts der neu ge wonnenen Souveränität der Länder skeptisch. Er plädierte stattdessen da für, dass einige der größeren deutschen Länder, deren Recht noch nicht wie in Preußen und Österreich vereinheitlicht war, „mit dem guten Beispiel“ neuer Gesetzbücher vorangehen sollen, wobei in den Grundlagen Gleich förmigkeit herrschen solle, woran sich dann auch die kleineren Staaten ori entieren würden.587 Abweichungen im Detail zwischen den Ländern seien dann so unschädlich wie verschiedene Dialekte in der Sprache. Thibaut nä herte sich auch in dieser Frage 1816 der mehr vom politischen Realitätssinn als vom Wunschdenken geprägten Einschätzung Gönners an und hielt es nunmehr für wahrscheinlich, dass es nicht zu einem einheitlichen Gesetz buch für ganz Deutschland kommen werde, weshalb es wünschenswert sei, 582
S.o. S 23. Dort auch zur späteren Distanzierung Feuerbachs von dem Projekt. Savigny, 1814, S. 146 f. Später (1821 bis 1832) hielt Savigny dann dennoch Landrechtsvorlesungen in Berlin, die aber weniger dazu dienten, die Studenten mit dem geltenden Recht vertraut zu machen, sondern die Überlegenheit des römischen Rechts aufzuzeigen, vgl. Haferkamp, 2018, S. 276 f. 584 Thibaut, 1814, S. 12, 35, 63. 585 Savigny, 1814, S. 152, Anm. 1. 586 Savigny, 1814, S. 152, 161. 587 Gönner, 1815, S. 275 f., 283. 583
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dass zumindest die mittelgroßen Länder, die noch kein neues Zivilgesetz buch haben, ein gleichförmiges bürgerliches Recht einführen.588 Thibaut hat Gönners Schrift von 1815 auch noch im gleichen Jahre rezensiert, wobei er sich von dem polemisch gegen Savigny gerichteten Tonfall der Schrift distanzierte, in der Sache aber konstatierte: „fast alles, was Hr v. G. [Gönner] gegen meinen, mir sonst so theuren Gegner [Savigny] gesagt hat, stimmt im Wesentlichen mit meinen innigsten Überzeugungen überein“.589 Anders als der Aufruf Thibauts von 1814 enthält Gönners Schrift aus führliche Erörterungen zur Rechtsquellenfrage, die in Entgegnung auf die Thesen Savignys entstanden sind und damit die wohl früheste eingehende Kritik der im Entstehen begriffenen Historischen Rechtsschule und deren Rechtsquellentheorie darstellen. Gönner argumentiert ganz auf der Grundlage der traditionellen Ansicht, wonach alles positive Recht im Staat einschließlich des Gewohnheitsrechts auf dem Willen des Souveräns (sei er Volk oder Monarch) beruhe, entweder durch ausdrückliche Setzung (Ge setz) oder stillschweigende Sanktionierung (Gewohnheitsrecht).590 Savig ny hatte hingegen das durch den Gesetzgeber gesetzte Recht als „willkür lich“ gebrandmarkt und dem seine eigene Rechtsquellentheorie entgegen gesetzt, wonach sich das Recht „auf organische Weise … durch innere, stillwirkende Kräfte, nicht durch die Willkühr eines Gesetzgebers“ entwi ckele.591 Dabei sah Savigny aber nur in primitiven Kulturen das ganze Volk als Träger dieser Rechtsentwicklung, wohingegen das Recht bei höherer Kultur „dem Bewußtseyn der Juristen anheim[fällt], von welchen das Volk nunmehr in dieser Function repräsentirt wird“.592 So sollte also die Rechts entwicklung durch die Rechtswissenschaft und nicht durch Eingriffe des Gesetzgebers bestimmt und gesteuert werden. Dem Gesetzgeber gestand Savigny allenfalls eine begleitende Hilfsfunktion bei der Aufzeichnung des Gewohnheitsrechts und der Entscheidung von Kontroversen zu.593 588 Thibaut, 1816, S. 200 (s. o. bei Fn. 182). Zuvor hatte Thibaut in seiner Rezension der Gönnerschen Schrift deutlich gemacht, dass er sich von ihm ein Bekenntnis dazu gewünscht hätte, dass ein einheitliches Gesetzbuch für ganz Deutschland wünschens wert sei, auch wenn dessen Realisierungschancen angesichts des „immer mehr aufblü henden …Territorial-Egoismus“ gering seien (Thibaut, 1815, S. 629 f.). 589 Thibaut, 1815, S. 625. Ähnlich äußerte sich Thibaut auch in einem Brief an Savig ny vom 3. Juli 1815, in: Polley, 1982, Bd. 2, S. 293: „[Gönners Schrift] ist mir höchst preßhaft. Denn in materialibus denke ich über vieles mit Gönner gleich, aber Ton und Form der Schrift sind mir unleidlich …“ 590 Gönner. 1815, S. 21 f., 48. Zur Entwicklung dieser Ansicht in der Rechtsquellen theorie der frühen Neuzeit s. J. Schröder, 2012, S. 107 f. 591 Savigny, 1814, S. 12, 14. 592 Savigny, 1814, S. 12. 593 Savigny, 1814, S. 131.
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Scharf kritisiert Gönner diese Rechtsquellentheorie als Despotismus der das Volk angeblich repräsentierenden Juristen, die auch nur den Juristen, aber nicht dem Volke nütze.594 So opfern die Juristen „billig ihrer Technik und Konsequenz alles auf“ und wissen nichts „von allen Rücksichten des Gesetzgebers“.595 Dem Volke nütze es sicher nicht, wenn etwa das Zehent recht mit aller juristischen Konsequenz durchgeführt werde und damit die Landwirtschaft zerstört und dem Bauer „das Blut aus den Adern“ gepresst werde.596 Die Gesetzgebung habe sich nicht nach dem Zunftgeist der Juris ten, sondern nach den Bedürfnissen der Nation zu richten.597 Eingehend schildert Gönner die Vorteile eines auf einem einheitlichen Gesetzbuch gegründeten Rechtszustandes für die Übersichtlichkeit, Einfachheit und Sicherheit des Rechts und der Rechtspflege.598 Eine rein historisch gegrün dete Methode der Rechtsfortbildung werde den Anforderungen der Gegen wart und der Zukunft nicht gerecht.599 Schließlich kritisiert Gönner auch Savignys Vorgehen bei der Beurteilung der drei großen Gesetzbücher sei ner Zeit (Code civil, ALR und ABGB), womit Savigny den fehlenden Beruf seiner Zeit für Gesetzgebung unter Beweis stellen wollte. 600 Savigny habe nicht etwa eine gründliche Analyse der Vor- und Nachteile der wesent lichen Bestimmungen dieser Gesetzbücher im Vergleich zum römischen Recht geliefert, sondern nur oberflächlich nach kleinen Fehlern gehascht und alles Gute in den drei Gesetzbüchern stillschweigend übergangen. 601 Savigny reagierte auf die Schrift Gönners nicht mit der souveränen Ge lassenheit, die ihm seine Biographen gerne unterstellen. Er verlor seine bis lang nach außen gewahrte Contenance und ging zu sehr persönlichen An griffen über. Zunächst veröffentlichte er noch im gleichen Jahr (1815) in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissen schaft eine fünfzigseitige Rezension über Gönners Schrift. Dort gibt er zwar zunächst vor, gar nicht zu Gönner selbst reden und auch keinen „ge lehrten Streit“ führen zu wollen, da Gönners Schrift dessen gar nicht wür dig sei. 602 Doch wolle er sie auch nicht mit Stillschweigen übergehen, da die Schrift „die ganze Ansicht des Rechts und der Rechtswissenschaft“ ver leumde und verfälsche, wodurch zumindest das nicht gelehrte Publikum 594
Gönner, 1815, S. 48 ff. Gönner, 1815, S. 46. 596 Gönner, 1815, S. 46 f. 597 Gönner, 1815, S. 187, 205. 598 Gönner, 1815, S. 5 4 ff. 599 Gönner, 1815, S. 147, 224. 600 Savigny, 1814, S. 5 4 ff. 601 Gönner, 1815, S. 185 ff. 602 Savigny, 1815, S. 374. 595
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getäuscht werden könne, weshalb er die „Berührung eines unreinen Stof fes“ (Gönners Schrift) nicht scheuen dürfe. 603 Schon diese Einleitung zeigt das charakteristische Bemühen Savignys, seine eigene rechtsquellentheore tische Meinung schlechthin mit der „ganzen“, allein richtigen Ansicht von Recht und Rechtswissenschaft gleichzusetzen und andere Ansichten von vornherein als unwissenschaftlich und eigentlich einer Diskussion gar nicht würdig zu disqualifizieren. Auch scheut er, ganz entgegen seiner An kündigung, vor sehr persönlichen Angriffen gegen Gönner nicht zurück, dem er unter anderem völlige Unkenntnis des römischen Rechts vorwirft, was aus vielen seiner Schriften hervorgehe. 604 Gönners Vorwurf, dass Sa vignys Rechtsquellentheorie nicht dem Volk, sondern der Willkür und dem Despotismus der Juristen nütze, kontert Savigny, indem er seinerseits der (nicht von der historischen Wissenschaft geleiteten) Gesetzgebung Willkür und Despotismus unterstellt und in einer unzeitigen Abfassung von Gesetzbüchern eine Förderung des Despotismus sieht. 605 Savignys zentraler Vorwurf, dem er weite Passagen seiner Rezension widmet, ist auch weniger ein rechtsquellentheoretischer, sondern vielmehr ein politischer und persönlicher, indem er Gönner vorwirft, früher Napo leon für einen großen Gesetzgeber gehalten und sich für eine Übernahme des Code civil in allen Rheinbundstaaten ausgesprochen zu haben, nun aber davon nichts mehr wissen zu wollen und mit seiner Forderung nach Gesetzbüchern in den einzelnen deutschen Staaten den Partikularismus statt die deutsche Rechtseinheit zu fördern. 606 Gönner sei also in doppelter Weise ein Vaterlandsverräter: Erst habe er den Deutschen den Code civil des Tyrannen Napoleon aufzwingen wollen und nun opfere er die (im rö misch-gemeinen Recht verkörperte) Rechtseinheit zugunsten partikularer Einzelgesetzgebung („einheimische Gesetzbücher also waren unmöglich, so lange es galt durch ihre Entfernung der fremden Tyranney in die Hände zu arbeiten, und sie sind jezt möglich, wo in ihnen ein Mittel gefunden scheint, der innigeren Vereinigung der Deutschen entgegen zu wirken“). 607 Wir haben schon gesehen, dass Gönner wegen seiner Sympathien für den Code civil bereits in Landshut Savignys Unwillen erregt hatte, der sich 603
Savigny, 1815, S. 374 f. Savigny, 1815, S. 388, 420. Als Savigny 1828 seine Schrift von 1814 mit Beilagen neu herausgab, nahm er seine Rezension von Gönners Schrift bewusst nicht in die Bei lagen auf, da sie, wie er nun selber einräumte, „großentheils den Charakter einer persön lichen Polemik“ habe und er den Streit „nach dem Tode des Gegners“ (Gönner war 1827 gestorben) nicht auffrischen wolle (Savigny, 1828, S. VIII). 605 Savigny, 1815, S. 386 ff. 606 Savigny, 1815, S. 405 ff., 412 ff. 607 Savigny, 1815, S. 414. 604
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damals aber nur in Privatbriefen manifestierte. 608 Jetzt ging Savigny zum offenen Angriff über, wobei er geflissentlich überging, dass sich in der Rheinbundzeit sehr viele namhafte Juristen für eine mehr oder minder modifizierte Übernahme des Code civil durch alle Rheinbundstaaten ein gesetzt hatten, da eine andere Art der länderübergreifenden Rechtsverein heitlichung in der damaligen politischen Konstellation kaum realisierbar war. 609 Auch verschwieg er, dass Gönner auch jetzt (1815) noch den Code civil als ein für Frankreich gutes Gesetzbuch charakterisierte, für die deut schen Länder hingegen wegen der geänderten politischen Rahmenbedin gungen einen anderen Weg favorisierte. 610 Dieser andere Weg war auch nicht eine Aufopferung einer (für Savigny im gemeinen Recht verkörper ten) Rechtseinheit zugunsten unkoordinierter Partikulargesetzgebung, wie ihm Savigny unterstellte. Wie wir sahen, propagierte Gönner vielmehr eine in den Grundlagen aufeinander abgestimmte Gesetzgebung durch die größeren deutschen Länder, an der sich dann nach seiner Prognose auch die kleineren Länder orientieren würden. 611 Savigny beließ es nicht bei seiner eigenen Erwiderung auf Gönners Schrift, sondern aktivierte umgehend sein „Netzwerk“, um die öffentliche Meinung gegen Gönner einzunehmen. 612 So schrieb er an Wilhelm Grimm: „Gönner in München hat ein Buch über Gesetzgebung gegen mich heraus gegeben (Erlangen b. Palm), welches auf die schamloseste Weise alle Ver ruchtheiten der Napoleonischen Zeit zur Schau trägt. Ich werde darauf dienen, wünschte aber, daß recht viele und an vielen Orten ihm sagten, was er werth ist.“613 Er forderte daraufhin Grimm explizit auf, eine kritische Rezension zu Gönners Schrift im Rheinischen Merkur zu schreiben und gab ihm gleich die Stichworte mit, was an Gönners Schrift politisch zu kritisieren sei. Grimm kam dem auch unverzüglich nach mit einer die Schriften Gönners und Savignys an Schärfe noch übertreffenden Bespre chung, die weniger eine Rezension des Inhalts von Gönners Schrift dar stellte, sondern eine ungezügelte Polemik gegen dessen „Gesinnung“ („Die Gesinnung dieser Schrift aber liefert dem entschiedensten Despotismus die Rechte des Volkes gebunden in die Hände.“). 614 Da Wilhelm Grimm 608
S.o. S. 39. S.o. S. 40. 610 Gönner, 1815, S. 165. 611 S.o. S. 122. 612 Allgemein zu Savignys reger Briefpolitik, um die öffentliche Meinung im Kodifi kationsstreit in seine Richtung zu beeinflussen, s. Rückert, 1984, S. 165. 613 Brief Savignys an Wilhelm Grimm vom 15. April 1815, in: Stoll, Bd. 2 (1929), S. 135. 614 Rheinischer Merkur vom 15. Mai 1815, Nr. 245; wieder in Hinrichs, 1881, Bd. 1, S. 549–555, Zitat S. 552. 609
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seine Rezension nur mit „G.“ unterzeichnete, vermuteten einige, darunter auch Thibaut615 , Görres, den Herausgeber des Rheinischen Merkurs, als Urheber dieser Rezension.616 Savigny jubelte über die Rezension („Mit un beschreiblicher Freude habe ich Ihre heute eingelaufene Rec. v. Gönner gelesen“617) und forderte auch Wilhelms Bruder Jacob unmissverständlich auf: „können Sie auch noch Steine auf ihn [Gönner] werfen, so thun Sie es, es ist Vaterlandssache.“618 Auch Gustav Hugo, von Gönner als „Meister dieser neuen Schule“619 bezeichnet, rezensierte Gönners Schrift mit der ihm eigentümlichen Ironie („Die Meinung des Rec. hierüber werden sie wohl nicht erst zu wissen ver langen“), wobei ein Großteil seiner Rezension dem Versuch gewidmet ist, Gönner damit zu widerlegen beziehungsweise lächerlich zu machen, dass man dann ja auch ein Sprachgesetz fordern müsste, das die Sprache in ganz Deutschland vereinheitliche. 620 Ansonsten waren die Meinungen der Re zensenten von Gönners Schrift durchaus geteilt: Einige gaben ihm in der Sache Recht, rügten aber den polemischen Tonfall beider Kontrahenten, andere schlugen sich auf die Seite Savignys. 621 Von diesem differenzierten Meinungsbild ist in der späteren, stark von der Historischen Rechtsschule beeinflussten Rechtsgeschichtsschreibung nichts mehr zu spüren. Auch in dieser Frage wirkte die Einschätzung von Landsberg prägend, der Gönner im „Verzweiflungskampf des Alten gegen das Neue“ sah und Savignys Replik als „eine Hinrichtung“. 622 Hier findet sich auch erstmals die unzutreffende Einschätzung, dass die Schrift Gön ners bei den Zeitgenossen „einhellig ablehnend“ aufgenommen worden 615 Thibaut schrieb am 3. Juli 1815 an Savigny, in: Polley, 1982, Bd. 2 , S. 293: „Möchte dieß doch das letzte bittre Wort in dieser großen Sache seyn! Aber ich werde es verge bens wünschen, wie schon die unüberlegte Recension von Görres zeigt.“ 616 Die Autorschaft von Wilhelm Grimm ergibt sich aus einem Brief Wilhelms an seinen Bruder Jacob Grimm vom 2. Juni 1815, in dem Wilhelm schreibt: „Ich habe nur in dieser Zeit eine Recension von Gönners Schrift gegen Savigny für den Merkur ge schrieben, wozu er mich aufforderte.“ (Grimm/Hinrichs, 1881, S. 459). 617 Brief Savignys an Jacob Grimm vom 19. Mai 1815, in: Stoll, Bd. 2 (1929), S. 140. 618 Brief Savignys an Jacob Grimm vom 16. Mai 1815, in: Stoll, Bd. 2 (1929), S. 139. 619 Gönner, 1815, S. 4 4. 620 Hugo, 1815, S. 1065 ff., Zitat S. 1066. 621 In der Sache zustimmend, aber den Tonfall tadelnd, hatte schon Thibaut Gönners Schrift rezensiert (s. o. bei Fn. 589); ähnlich ein anonymer Rezensent in der Leipziger Literatur-Zeitung 1815, Sp. 1874–1879, der noch hinzusetzt: „Doch in der That ist diese Rüge etwas Geringes und was leicht entschuldigt werden kann, gegen das, was sich von Savigny wider von Gönner erlaubt“ (S. 1877). Für Savigny sprach sich ein anonymer Rezensent von Gönners Schrift in der Halleschen Allgemeinen Literatur-Zeitung 1815, Sp. 281–286, 290–294, 297–304, 305–310 aus. 622 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 158, 159.
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sei. 623 Der Savigny-Biograph Stoll verschärfte diese Sichtweise noch mit deutlich nationalistischer Einfärbung, indem er fälschlich behauptete, Gönners Schrift sei „von der deutschen Juristenwelt entschieden abgelehnt worden“ und Gönner sei durch Savignys Replik „wissenschaftlich und moralisch vernichtet“ und „für alle national und anständig Empfindenden nunmehr gerichtet“ worden. 624 Dabei ist es nicht weiter verwunderlich, dass Savignys Rechtsquellentheorie, die auf eine Stärkung der Rolle der Rechtswissenschaft und damit auch der Rechtswissenschaftler im Verhält nis zur Politik und Gesetzgebung gerichtet war, im Kreise vieler Professo ren auf mehr Sympathie stieß als Gönners Entgegnung, dass diese Rechts quellentheorie nur den Juristen selber diene und nicht im Interesse des Volkes liege. Die Folge war eine einseitig selektive Tradierung der damali gen Auseinandersetzung in der späteren, von Anhängern der Historischen Rechtsschule geprägten Rechtsgeschichtsschreibung. So stieg Savigny in den juristischen Olymp auf, während Gönner von späteren Generationen stereotyp als politischer Denunziant diffamiert wurde. Enneccerus schrieb, dass Gönner „es gewagt“ habe „diese Lehre Savignys und der his torischen Schule den Regierungen als ihrem Gesetzgebungsrecht gefähr lich zu denunciren“, woraufhin Savigny in seiner Replik „das Falsche und das Niedrige dieser Meinung“ „mit schlagender Schärfe und Klarheit“ auf gezeigt habe. 625 Landsberg griff dies auf und sprach von der „lärmenden Denunziation“ Gönners. 626 Nach Erik Wolf hatte Gönner mit seiner Schrift die Volksgeistlehre Savignys sogar als „revolutionär“ diffamieren wollen627 und auch Wieacker, der Gönner in seiner Privatrechtsgeschichte ansonsten fast vollständig übergeht, sah in Gönners Schrift „eine wohl überlegte politische Denunziation“628 . Bei derartigen Bewertungen der beiden Schriften wurde erkennbar mit zweierlei Maß gemessen. Die angebliche politische Denunziation Gönners bestand darin, die einseitigen Vorteile der Savignyschen Rechtsquellen theorie für den Juristenstand aufgezeigt zu haben und die mangelnde Plau sibilität der Behauptung, dass der Juristenstand bei einer Rechtsfortbil 623 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 158. Gegen diese Einschätzung wandte sich bereits Spiegel, 1913, S. 82, in einem allerdings kaum rezipierten Aufsatz. 624 Stoll, Bd. 2 (1929), S. 39. 625 Enneccerus, 1879, S. 35. 626 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 137. 627 Wolf, 1963, S. 505. Ähnlich schon Wieacker, 1959, S. 110: „es bedurfte schon Gön ners Tücke, um, zur Empörung Savignys, die Regierenden gerade vor den revolutionä ren Gefahren der Volksgeistlehre zu warnen“. 628 Wieacker, 1967, S. 384, Anm. 21; ebda, S. 389, Anm. 43 bezeichnet er Gönners Schrift abfällig als „Pamphlet“ und geht auf ihren Inhalt gar nicht ein.
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dung im Sinne der historischen Methode unter Verzicht auf eine systema tische Gesetzgebung das ganze Volk repräsentiere und adäquate Lösungen für die Gegenwarts- und Zukunftsprobleme des Volkes liefern könne. Sa vignys Replik hierauf, die nun ihrerseits der nicht von der historischen Me thode geleiteten Gesetzgebung Willkür und Despotismus unterstellt, der mit „schönen Worten, wie Aufklärung, Humanität, Menschenrechte u.s.w., übertüncht“ werde629, wird hingegen in der späteren Literatur eine argumentative Schärfe und Klarheit zugesprochen, die ihr keineswegs zu kam. Eher apodiktisch reklamiert Savigny für seine Methode ein „System der Freyheit“ und verdammt die Gegenmeinung als „System des Despotis mus“. Dass Savigny hierbei „unserm Verfasser“ (er bringt es nicht über sich, Gönner beim Namen zu nennen) persönlich vorwirft, einen derarti gen „übertünchten Despotismus“ durch sein Plädoyer für die Abfassung von Gesetzbüchern fördern zu wollen630 , und damit im Sinne einer „politi schen Denunziation“ noch weiter geht, als Gönner es getan hat, wird hin gegen in der späteren Sekundärliteratur stillschweigend übergangen. Eine gezielte politische Diffamierung seines Kontrahenten lag schließlich auch darin, dass Savigny Gönner, wie wir sahen, als jemanden darstellte, der früher der fremden Tyrannei (Napoleons) in die Hände gearbeitet habe, nun aber davon nichts mehr wissen wolle und mit seiner Forderung nach Gesetzbüchern in den einzelnen deutschen Staaten bewusst den Partikula rismus auf Kosten der deutschen Rechtseinheit fördere. Wenige Monate nach dem Erscheinen von Gönners Schrift und Savignys Replik meldete sich auch Feuerbach in dieser Frage öffentlich zu Wort, um „die Parthey bestimmt zu bezeichnen, auf deren Seite ich zu finden bin“. 631 Das war die Seite der Gesetzgebungsbefürworter. Feuerbachs Stellung nahme ist knapp, im Tonfall auch ironisch, aber nicht von persönlich ver letzender Ironie. Rhetorisch fragt er, ob das Recht, das die geschichtliche Rechtswissenschaft lehrt, „wirklich das volksthümliche, lebende“ sei. 632 Im Mittelpunkt seiner Argumentation steht die Diskrepanz zwischen ge lehrter Rechtswissenschaft und den gegenwärtigen Bedürfnissen des Vol kes. „Was, wenn auch alle Geister der alten Römerwelt aus ihren Gräbern heraufbeschworen würden, um über alles klärliche Antwort zu geben und von der Mutter Carmenta bis zu Justinian herab die ganze Rechtsgeschich 629
Savigny, 1815, S. 386. Savigny, 1815, S. 388. 631 Feuerbach, in: Borst, 1816, S. XI. Dieser Passus wurde beim Wiederabdruck der Vorrede in Feuerbach, 1833, S. 138 wie auch im modernen Wiederabdruck in Feuerbach, 1993, S. 215 nicht mit abgedruckt. 632 Feuerbach, in: Borst, 1816, S. XVII; ders., 1833, S. 144. 630
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te aufs wahrhafteste im bündigsten Zusammenhange zu erzählen, – was hierdurch so Großes für die Verbesserung unseres gegenwärtigen Rechts zustandes gewonnen sey?“633 Der Rechtsgelehrte entferne sich immer wei ter von der Rechtspraxis, „je höher er sein Ziel gestellt“, wobei sich Feuer bach den Seitenhieb nicht verkneifen konnte, dass gerade die „vorzüglichs ten Rechtsgelehrten, zumal der rein geschichtlichen Schule“ sich der Fakultätsgeschäfte und der Tätigkeit in den akademischen Spruchkollegien entschlagen. 634 Die Römer selbst seien bei der Schaffung und Fortbildung ihres Rechts aus gutem Grunde nicht so vorgegangen, wie es Savigny nun den Deutschen verordnen wolle. Auch nimmt er die Befürworter neuer Gesetzgebung gegen den Vorwurf in Schutz „ein Werk despotischer Will kühr“ schaffen zu wollen635; ein Vorwurf, den, wie wir sahen, Savigny in den Mittelpunkt seiner Replik gegen Gönner gestellt hatte. Es ist sicherlich übertrieben, wenn in der modernen Feuerbach-Panegy rik davon die Rede ist, Feuerbachs Stimme im Kodifikationsstreit habe „da mals und bis heute das meiste Gewicht“ gehabt. 636 Bei Feuerbachs Stellung nahme, an entlegener Stelle als Vorrede zu einem prozessrechtlichen Werk des damaligen Richters am Bamberger Stadtgericht Nepomuk Borst er schienen, handelte es sich eher um einen kurzen Zwischenruf des damals in äußerst prekären Verhältnissen lebenden einstigen Stern am bayerischen Gesetzgebungshimmel. An seinem „Verbannungsort“, dem Appellationsge richt Bamberg, hatte er sich mit seinem Kollegen als Gerichtspräsident un heilbar zerstritten und übte seine Richtertätigkeit nicht mehr aus, mit seiner verheirateten Geliebten und dem Kind aus dieser Beziehung war er unter Zurücklassung seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern wieder nach München gezogen, um dort insgeheim Verhandlungen mit dem preußischen Gesandten über eine Übernahme in den preußischen Staatsdienst zu führen (die aber scheiterten), und auch sein bayerischer Dienstherr war eifrig be müht, ihn durch eine Versetzung in den Salzachkreis (der an Österreich zu rückzugeben war) dauerhaft loszuwerden, was aber auch scheiterte.637 In 633
Feuerbach, in: Borst, 1816, S. XVII; ders., 1833, S. 143. Feuerbach, in: Borst, 1816, S. IX; ders., 1833, S. 137. Savigny war bei seiner Beru fung nach Landshut von allen Fakultätsgeschäften dispensiert worden, s. o. bei Fn. 135. Einen ähnlichen Dispens hatte zwar auch Feuerbach während seiner Landshuter Zeit wegen seiner gleichzeitigen Gesetzgebungsarbeit erhalten, dieser bezog sich aber aus drücklich nicht auf die Spruchtätigkeit der Fakultät, s. o. Fn. 99. 635 Feuerbach, in: Borst, 1816, S. XXI f.; beim Wiederabdruck in ders., 1833, S. 147 wurde der Zusatz „despotisch“ weggelassen. 636 Jakobs, 1991, S. 351 u. 364; abgeschwächt bei Behme, 2014, S. 121: „eine der ge wichtigsten“ Stimmen. 637 Zu Feuerbachs „Verbannung“ nach Bamberg s. o. bei Fn. 386; zu seinem dortigen 634
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dieser Lage entstand Feuerbachs Zwischenruf, der nur eine Stimme von vie len in der damaligen Auseinandersetzung war, aber dennoch von seinen Gegnern aufmerksam registriert wurde. Savigny reagierte nämlich auch auf Feuerbachs Parteinahme prompt, unversöhnlich und in einem Ton ironischer Überlegenheit, der – wie schon Radbruch feststellte – „zu dem Gewicht seiner sachlichen Ausführungen in keinem Verhältnis steht“638 . In der Zeitschrift für geschichtliche Rechts wissenschaft, in der auch Savignys Rezension der Gönnerschen Schrift er schienen war, veröffentlichte er eine Sammelrezension von „Stimmen für und wider neue Gesetzbücher“, die in ihrer Einleitung vorgab, eine von Parteilichkeit möglichst ungetrübte Übersicht über die verschiedenen Äu ßerungen zum Thema zu geben. 639 Tatsächlich rezensierte Savigny die „Stimmen für neue Gesetzbücher“640 alles andere als unparteiisch. Seine Besprechung von Feuerbachs Stellungnahme geht auf dessen Argumente kaum ein, versucht ihn vielmehr mit dem Hinweis darauf zu widerlegen, dass zu dem maßgeblich von ihm verfassten bayerischen Strafgesetzbuch von 1813 innerhalb von drei Jahren schon 111 abändernde Novellen er schienen seien, darunter die tief in das Gefüge des Gesetzbuchs eingreifen de Diebstahlsnovelle von 1816, was den schlagenden Beweis erbringe, dass diese Zeit „keinen Beruf zur Abfassung eines Gesetzbuchs“ habe.641 Was von diesem Argument zu halten ist, haben wir bereits erörtert. 642 War damit der „Kodifikationsstreit“ im Sinne Savignys entschieden? So liest man es in der Tat bis heute in vielen Darstellungen zu dieser Auseinan dersetzung. Schon Landsberg schrieb, damals habe „zunächst Savigny ob siegt“, allerdings nicht „kraft der seiner Theorie innewohnenden objektiven Wahrheit, sondern infolge der traurigen politischen Verhältnisse“.643 Nach Radbruch schenkte die Geschichte „der vom Zeitgeist emporgetragenen Auffassung Savignys den Sieg“, wohingegen es für die Rechtsentwicklung zuträglicher gewesen wäre, „wenn sie Feuerbach gefolgt wäre“.644 Und noch Streit mit dem ersten Gerichtspräsidenten von Seckendorf s. o. bei Fn. 110; zu seiner Beziehung zu Nannette Brunner, den gescheiterten Plänen zu einem Wechsel in preußi sche Dienste und der ebenfalls gescheiterten Versetzung nach Salzburg s. Radbruch, 1934, S. 119 ff., 126 ff.; Weis, 2005, S. 571 f. 638 Radbruch, 1934, S. 131. 639 Savigny, 1817, S. 2. 640 Außer auf Thibaut und Feuerbach geht Savigny auf die Beiträge von Pfeiffer und Almendingen ein; im Hinblick auf Gönners Schrift verweist er auf seine frühere Rezen sion. 641 Savigny, 1817, S. 15 f. Näher hierzu bereits oben bei Fn. 350. 642 S.o. S. 7 7 f. 643 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 83. 644 Radbruch, 1934, 131.
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für Hans Hattenhauer, der die damaligen Programmschriften neu herausge geben hat, stand außer Zweifel, dass Savigny die Auseinandersetzung ge wonnen habe.645 Entsprechend wird Savignys Thesen auch für das Scheitern damaliger Kodifikationsprojekte, wie den Bemühungen um ein bayerisches Zivilgesetzbuch, zumindest eine Mitursächlichkeit zugeschrieben.646 Auf die Korrekturbedürftigkeit dieser Anschauungen wurde in jüngster Zeit bereits hingewiesen. 647 Das gilt nicht nur für die personelle und zeitli che Verengung der Auseinandersetzung auf einen „Gelehrtenstreit“ zwi schen Thibaut und Savigny um das Jahr 1814, wobei von den vielen anderen zeitgenössischen Stimmen des Vormärz, die übrigens keineswegs nur aus dem Kreis der Gelehrten kamen und oft in praktischer Gesetzgebungs arbeit involviert waren, allenfalls noch Feuerbach wegen seines Bekannt heitsgrades Erwähnung findet. Auch der vielzitierte „Sieg“ Savignys in dieser Auseinandersetzung ist eher einer in der von der Historischen Rechtsschule geprägten Erinnerungskultur als tatsächlich in den damals verhandelten Sachfragen. Das steht in einem engen Zusammenhang mit der lange Zeit herrschenden Sichtweise von dem angeblich „schweren Rück schlag“, den der „Kodifikationsgedanke“ am Ende des napoleonischen Zeitalters erlitten habe, von dem er sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die dann einsetzenden nationalstaatlichen Kodifi kationsbemühungen habe erholen können. 648 Wieacker prägte in diesem Zusammenhang die Vorstellung von einem „tiefen Wellental“, in dem sich die Kodifikationsidee im Vormärz befunden habe. 649 Diese Sichtweise beruht auf einer stark nationalstaatlichen Fixierung der Kodifikationsidee unter Ausblendung der reichhaltigen partikularstaat lichen Kodifikationsbemühungen des Vormärz. Zwar nahm der Kodifika tionsstreit seinen Ausgangspunkt tatsächlich in Forderungen nach einer Rechtsvereinheitlichung auf nationalstaatlicher Ebene durch eine für ganz Deutschland geltende Kodifikation, wozu es bekanntlich im Deutschen Bund nur im Wechsel- und Handelsrecht und auch das erst ab 1848 auf indi rektem Wege gekommen ist. Wie wir sahen, hatte aber bereits Gönners Ent gegnung auf Savigny von 1815 den Blick erweitert auf die Möglichkeit parti kularstaatlicher Kodifikationen, bei denen die deutschen Staaten formal 645
Hattenhauer, 2002, S. 33; ders., 2004, S. 6 46. Demel, in: Demel/Schubert, 1986, S. LV; Behme, 2014, S. 77. 647 Mertens, 2004, S. 491; Schöler, 2004, S. 130 f.; Mertens, 2012, Sp. 311 f.; Rückert, 2012, Sp. 1931. 648 Vgl. etwa Wieacker, 1954, S. 43, der diese Vorstellung als „jedermann geläufig“ bezeichnet. 649 Wieacker, 1954, S. 43. 646
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getrennte Wege gehen, inhaltlich sich aber durchaus auf gemeinsame Grund lagen verständigen. Erweitert man den Blick auf diese partikularstaatliche Ebene, wird deutlich, dass die Epoche des Vormärz alles andere als kodifi kationsarm war, es vielmehr in den meisten deutschen Einzelstaaten intensi ve Kodifikationsbemühungen im Strafrecht, Prozessrecht, aber oft auch im Zivilrecht gegeben hat.650 Dabei blieben zwar besonders im Zivilrecht viele Bemühungen im Entwurfsstadium stecken, was auf mannigfache Gründe im Einzelfall zurückzuführen ist, aber in keinem Fall auf einer Orientierung der Gesetzgebungspolitik an den Forderungen Savignys und seiner Schule. Am Beispiel Bayerns und seinen gescheiterten Bemühungen um neue Kodi fikationen im Zivil- und Prozessrecht haben wir das gesehen. Und auch die fehlende Bereitschaft zu gesamtdeutschen Kodifikationen im Vormärz war nicht Folge der kodifikationsfeindlichen Einstellung der Historischen Rechtsschule, sondern des restaurativen und auf partikulare Sonderinteres sen ausgerichteten politischen Willens der größeren Einzelstaaten des Deut schen Bundes. Den zur vollen Souveränität gelangten Einzelstaaten konnte an einer Aufgabe der eigenen Gesetzgebungshoheit und einer Stärkung des Nationalgefühls durch deutschlandweite Kodifikationen nicht gelegen sein. Es war sehr viel mehr der „Geist Metternichs“ als der „Geist Savignys“, der das Handeln der Regierungen in Gesetzgebungsfragen bestimmte. Zudem erfasst man auch die damalige rechtsquellentheoretische Ausein andersetzung nur sehr unzureichend, wenn man sie auf ein einfaches Für und Wider von Nationalgesetzbüchern verengt, da es tatsächlich um viel mehr ging und eben insbesondere auch um die Grundsatzfragen nach dem Verhältnis von Gesetzgebung und Gewohnheitsrecht, historisch tradier tem und neu gesetztem Recht und der dienenden oder gestaltenden Rolle der Rechtswissenschaft. Diese Fragen stellten sich auf partikularstaatlicher Ebene in ähnlicher Weise wie für Gesamtdeutschland und Savignys The sen wandten sich nicht nur gegen Gesetzbücher auf nationaler Ebene, son dern generell gegen einen beherrschenden Einfluss der Gesetzgebung auf die Rechtsentwicklung. Dass Savigny später selbst zum Gesetzgebungsmi nister in Preußen avancierte, ist weniger ein Beweis für die politische Durchschlagskraft seiner Thesen, als vielmehr dafür, dass er jedenfalls im Strafrecht bereit war, sich mit den nach neuen Kodifikationen drängenden partikularstaatlichen Gegebenheiten zu arrangieren. 651 650 Überblicke geben R. Schröder, 1991, S. 403 ff. für die Strafgesetzgebung, Dölemeyer, 1982, S. 1472 ff. für die Zivilgesetzgebung, Schöler, 2004, S. 226 ff. auch für das Prozessrecht. 651 Mertens, 2004, S. 41 zu Savignys Befürwortung umfassender Kodifikationen im Strafrecht.
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Auch in der persönlichen Auseinandersetzung zwischen Savigny und Gönner sind die Rollen des Siegers und Verlierers aus damaliger zeitgenös sischer Sicht keineswegs so eindeutig verteilt, wie die spätere Rechtsge schichtsschreibung glauben lässt. Davon, dass Gönners Schrift mitnichten auf „einhellige Ablehnung“ bei den Zeitgenossen stieß, war bereits die Rede. Darüber hinaus ist es auch nicht richtig, dass Gönner sich in der damaligen Auseinandersetzung durch die Replik Savignys als der Unterle gene oder gar als „wissenschaftlich hingerichtet“ gesehen habe und weiter nicht an der Diskussion beteiligt hätte, wie uns schon Landsberg glauben machen wollte. 652 Tatsächlich kam Gönner 1820 im Rahmen eines ausführ lichen Exkurses nochmals sehr dezidiert auf die frühere Auseinanderset zung zurück, zitierte erneut passagenweise aus Savignys „Beruf“ als, wie er schrieb, dem „Glaubensbekenntnis der neuen historischen Schule“653, kritisierte, dass sich Savigny und Hugo in ihren Rezensionen seiner Schrift zu „Richtern in eigener Sache“ aufgeschwungen haben654, und setzte dem wiederum sein eigenes Verständnis zur Rolle der Rechtswissenschaft im Verhältnis zur Gesetzgebung entgegen, das er nochmals wie folgt zusam menfasste: „Zwar kann und soll in einem Gesetzbuche niemals die wissenschaftliche Bearbei tung des Rechts untergehen. Ewig, solange das Recht einen Theil des wissenschaft lichen Gebietes ausmacht, bedarf es einer fortschreitenden wissenschaftlichen Cul tur, durch welche die Juristen auf die Bildung des Rechts einen großen Einfluß behaupten. Allein dieses erhebt sie nicht zu Bildnern des Rechts selbst, noch weni ger zu Repräsentanten des Volkes, sondern sie sind nur Diener des Gesetzes, das sie wissenschaftlich bearbeiten, oder Gehülfen der Regierung, indem sie der gesetzge benden Gewalt im Staate vorarbeiten, die allein, Gesetze im Staat zu geben und durch diese des geltenden Rechts Bildnerin zu seyn, ermächtigt und berufen ist.“655
Er berief sich auf Thibaut, Pfeiffer und Feuerbach als Verbündete und re sümierte nunmehr seinerseits überzogen, dass mittlerweile „unter Gelehr ten und Geschäftsmännern über die Sache nur eine Stimme“ herrsche, nämlich die der Befürworter neuer Gesetzbücher, der sich auch viele Re gierungen tatkräftig anschlössen. 656
652
Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 159. Gönner, 1820, S. L. 654 Gönner, 1820, S. LIII. 655 Gönner, 1820, S. LV. 656 Gönner, 1820, S. LIII. 653
V. Gönner, Savigny und die Neuausrichtung der Universität in München Der Kontakt zwischen Gönner und Savigny riss auch nach der Ausein andersetzung um die Kodifikationsfrage nicht gänzlich ab, da sie einen gemeinsamen Freund in dem Ministerialrat im Münchener Justizministe rium Philipp von Schmidtlein hatten, mit dem Gönner die „Jahrbücher der Gesetzgebung und Rechtspflege im Königreiche Baiern“ herausgab und der zusammen mit Gönner an dem neuen Entwurf eines bayerischen Straf gesetzbuchs arbeitete, der 1822 im Druck erschien und von dem Gönner auch Savigny ein Exemplar zusandte.657 Als Schmidtleins Tochter Agnes 1822 starb, deren Bruder Eduard zu dieser Zeit als Schüler Savignys in Berlin studierte, schrieb Gönner an Savigny und kam dabei auch auf die frühere Auseinandersetzung in einem versöhnlichen Ton zurück, indem er Savigny versicherte, „daß ungeachtet einer Verschiedenheit einiger An sichten über Punkte, worin meist nur Übertreibung oder Mißverständniß den Anlaß zu verschiedenen Meinungen gab, ich nie aufgehört habe, Ihre ausgezeichneten Verdienste um die Rechtswissenschaft hoch zu ehren“. 658 Ungeachtet dieser versöhnlichen Worte war der inhaltliche Dissens zwi schen beiden keineswegs ausgeräumt und spitzte sich erneut zu, als nach dem Tode des Königs Max Joseph und dem Regierungsantritt Ludwigs I. im Oktober 1825 die Pläne zu einer Verlegung der Landshuter Universität nach München neue Konjunktur erhielten. Während Max Joseph sich Zeit seines Lebens gegen eine Verlegung der Universität in die Residenzstadt sträubte, hatte sich sein Nachfolger schon als Kronprinz dafür ausgespro chen, nicht zuletzt wegen der räumlichen Nähe zur bayerischen Akademie der Wissenschaften, die bereits seit ihrer Gründung in München angesie delt war, und der größeren Anziehungskraft der Residenzstadt für auswär 657 Zu Schmidtlein oben Fn. 366; zu den gemeinsamen Arbeiten an einem neuen Strafgesetzbuch oben S. 85. 658 Brief Gönners an Savigny vom 7. April 1822, in: UB Marburg Ms 725:337 (Nach lass Savigny). Eduard Schmidtlein wurde später Professor in Landshut, München und Erlangen.
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tige Gelehrte und Studenten. 659 Nach dem Regierungswechsel wurde die Verlegung dann zügig umgesetzt und bereits im November 1826 nahm die Universität den Lehrbetrieb in München auf. 660 Mit der räumlichen Verlegung ging auch eine programmatische Neuaus richtung und Neubelebung der Universität einher. Bei der Berufungspoli tik für den neuen Standort vertraute Ludwig I. auf den Rat des Theologen Sailer, mit dem er schon als Kronprinz in engem Kontakt gestanden hatte und den er einmal als „Apostel Bayerns“ im Kampf gegen die „ungläubigen Illuminaten“ bezeichnet hatte. 661 Sailer regte auch die Einrichtung eines „Obersten Kirchen- und Schulrats“ als Sektion im Innenministerium mit Zuständigkeit auch für die Universitäten an und dessen Leitung durch Eduard von Schenk („ausgezeichnet durch wissenschaftliche und religiöse Bildung, wie durch Geschicklichkeit in öffentlicher Geschäftsführung“), der daraufhin zum Vorstand der Sektion und Ministerialrat im Innenmi nisterium ernannt wurde. 662 Wir waren Schenk bereits bei Savignys Ab schied aus Landshut 1810 begegnet663, denn Schenk gehörte dort zu den anhänglichsten Schülern Savignys und erwies sich auch später als „echter und rechter Jünger der historischen Schule“. 664 Mit der Verlegung der Uni versität nach München sah Schenk auch die Chance gekommen, mögli cherweise Savigny zu einem erneuten Wechsel nach Bayern zu bewegen und fand in Johann Nepomuk Ringseis, Leibarzt, Reisegefährte und enger Vertrauter des ehemaligen Kronprinzen und jetzigen Königs, einen lebhaf 659 Bereits 1799 hatte man eine Verlegung der Universität von Ingolstadt nach Mün chen statt Landshut erwogen, wofür sich damals auch Zentner ausgesprochen hatte, s. o. bei Fn. 4 4. Nunmehr hob Zentner hingegen auch die Nachteile einer Verlegung nach München wegen der dadurch drohenden Verödung des Gewerbes in Landshut und der unabsehbaren Kosten hervor, vgl. sein Schreiben an den damaligen Kronprinzen vom 12. Dezember 1822, in: Doeberl, 1926, S. 52 f. Zu den Argumenten für eine Verlegung siehe den sehr ausführlich begründeten Antrag auf Versetzung der Universität nach München durch den Innenminister Graf Armansperg und seinen Ministerialrat Schenk vom 13. April 1826, in: Doeberl, 1926, S. 55–65. 660 Vgl. Doeberl, 1926, S. 15; Huber, 1938, S. 26. 661 Moisy, 1984, S. 143. Zu Sailer und dessen Kontakten zum damaligen Kronprinzen, dem er bereits 1803 in Landshut Privatvorlesungen gegeben hatte, s. Schiel, 1932, S. 15 ff. u. oben S. 35. 662 An Ludwig gerichtetes Konzept Sailers vom 4. April 1823 (also noch vor der Thronbesteigung Ludwigs I.) in Schiel, 1932, S. 107; Schärl, 1955, S. 110 f. (Nr. 58); Moisy, 1984, S. 167. Schenk war schon während seiner Studienzeit in Landshut nicht nur häufi ger Gast im Hause Savignys, sondern auch im Hause Sailers. Nach dem Studium kon vertierte er zum Katholizismus. Er wurde bereits 1828 zum Staatsminister des Innern befördert. Auch als Lyriker und Dramatiker machte er sich einen Namen. Mit Ludwig I. verband ihn ein lebenslanger enger Kontakt. 663 S.o. S. 43. 664 Spindler, 1930, S. XIV.
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ten Befürworter dieses Plans. Ringseis hatte sich während seines Medizin studiums in Landshut dem Sailer-Kreis angeschlossen und war damals – wie Schenk – auch häufiger Gast im Hause Savignys. 665 Auch nach dem Wechsel Savignys nach Berlin stand Ringseis mit ihm weiter in jahrzehnte währendem intensivem brieflichem Kontakt. 666 Auf Veranlassung Schenks sollte daher Ringseis in Berlin bei Savigny im Hinblick auf dessen Wechselbereitschaft vorfühlen. 667 Savigny zeigte sich grundsätzlich offen für einen Wechsel nach München und schrieb im Juli 1826 an Ringseis: „Es ist Ihnen vielleicht nicht unbekannt, daß ein vorherrschender Gedanke meines wissenschaftlichen und Geschäftslebens dahin geht, das Recht sei nicht sowohl durch Gesetze in einen trefflichen Zustand zu bringen, als vielmehr durch innige Wechselwirkung zwischen der Wissenschaft und der Ausübung und durch eine hierauf zu richtende planmäßige Ausbildung des Juristenstandes. In Ihrem Vater land, wo bis jetzt ein Gesetzbuch noch nicht erschienen ist und wo die Hauptlehr anstalt neu belebt werden soll, wäre für diesen Zweck viel zu tun und wenn ich mir irgend einen Beruf zutrauen darf, so ist es gerade für die Förderung dieses Zwe ckes.“668
Die Attraktivität eines solchen Angebots lag für Savigny also gerade in dem vorgeblich „kodifikationslosen“ Zustand Bayerns, wobei er sich au genscheinlich nur auf das Zivilrecht bezog und den in Altbayern geltenden Kodex Kreittmayrs, der die Geltung des gemeinen Rechts ja nicht aufhob, offenbar nicht als Hindernis ansah. Wegen seiner angeschlagenen Gesund heit, die Savigny 1826/27 zu einem längeren Italienaufenthalt veranlasste, antwortete er aber vorerst hinhaltend auf das Angebot aus München. Im Berliner Ministerium stellte man sich aber offenbar schon auf einen Weg gang Savignys ein, denn der in Berufungsfragen für die Münchener Uni versität gewöhnlich gut unterrichtete Sailer schrieb im August 1826 an Schenk, Altenstein (der Leiter des preußischen Kultusministeriums) habe verlauten lassen, dass Savigny gewiss nach Bayern gehe.669 Auf dem Weg nach Italien besuchte Savigny dann im September 1826 Sailer in Regens 665
S.o. S. 43 u. Moisy, 1984, S. 156 f. Zum Sailer-Kreis in Landshut s. o. S. 35 f. dieser Briefe (z. T. nur Auszüge) bei Pfülf, 1904 und Stoll, 1929. Auf den Internet-Seiten der UB Marburg (Nachlass Savigny) sind mittlerweile 52 Briefe von Savigny an Ringseis und umgekehrt online zugänglich. 667 Huber, 1938, S. 27. 668 Brief Savignys an Ringseis vom 14. Juli 1826, in: Pfülf, 1904, S. 191–193, hier: S. 192; auszugsweise bei Stoll, 1929, Bd. 2, S. 352 u. Huber, 1938, S. 28. 669 Sailer an Schenk, 2. August 1826, in: Appl/Lübbers, 2014, Nr. 47, S. 49: „Mit un aussprechlicher Freude vernahm ich gestern aus Kissingen, wo Minister Altenstein im Bade ist, dass Savigny gewis nach Baiern kommt.“ 666 Einige
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burg, wobei auch Schenk zugegen war. 670 Wenn auch die Gesprächsinhalte nicht überliefert sind, wird man davon ausgehen können, dass ein mögli cher Wechsel Savignys nach München ein zentraler Gesprächspunkt war und Savigny angesichts seiner angeschlagenen Gesundheit, die seine ganze wissenschaftliche Arbeit vorerst zum Erliegen gebracht hatte, weiter hin haltend reagierte. Aber nicht nur um Savigny bemühte man sich für den neuen Standort der Universität, auch Gönner erhielt gleich zu Beginn des Lehrbetriebs in München im Wintersemester 1826/27 einen Lehrauftrag für Prozess recht. 671 Gönner arbeitete zu dieser Zeit intensiv im Auftrag des Justizmi nisters Zentner an einem neuen Entwurf eines Zivilgesetzbuchs, um eben jenen „kodifikationslosen“ Zustand in Bayern möglichst bald zu beenden, der Savigny gerade so attraktiv erschien. 672 Der Lehrauftrag für Gönner war offenbar direkt vom damaligen „freisinnigen“ Innenminister Graf von Armansperg initiiert worden und nicht von Schenk, der Gönner schon während seiner früheren Studienzeit in Landshut verübelt hatte, dass er „die Savignyaner oder die Anhänger der historischen Schule mit Arbeiten aus dem französischen Recht [überhäuft], um, wie er sagt, die Unanwend barkeit der römischen Gesezgebung an solchen Beyspielen zu zeigen“. 673 Armansperg hielt Gönner hingegen für den größten Gelehrten im Prozess recht und erhoffte sich durch dessen Vorlesungen eine große Außenwir kung für die Universität. 674 Schenk zufolge las Gönner nun an der neuen Münchener Universität aber nicht Prozessrecht, worauf sich sein Lehrauftrag eigentlich bezog, sondern „Philosophie des positiven Rechts“ und griff in dieser Vorlesung „vorzüglich die von Hugo gestiftete und von Savigny ausgebildete histori sche Schule“ an. 675 Tatsächlich weist das Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1826/27 eine Vorlesung Gönners zur „Philosophie des po 670 Stoll, 1929, Bd. 2 , S. 192; Huber, 1938, S. 48. Sailer war seit 1822 auf Betreiben des Kronprinzen Coadjutor des greisen Regensburger Bischofs, dem er 1829 auf den Bischofsstuhl folgte. Die Zusammenkunft fand auf Schloss Barbing bei Regensburg statt, das Ludwig I. Sailer kurz zuvor als Wohnsitz überlassen hatte. Schenk war dort häufiger Gast. 671 Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern 1826, Sp. 658. 672 S.o. S. 59. 673 Eduard von Schenk in einem Brief an seinen Vater vom 27. Juni 1809, in: Moisy, 1984, S. 150 f. 674 Huber, 1938, S. 29. Armansperg, der selbst in Landshut u. a. bei Gönner Jura stu diert hatte, stand zu dieser Zeit sowohl dem Innen- als auch dem Finanzministerium vor; 1828 wurde Schenk sein Nachfolger als Innenminister. 675 An den König gerichteter Vermerk Schenks vom 28. März 1827, in: Spindler, 1930, S. 355 f.
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sitiven Rechts“ aus, gelesen „nach Hugo“, während Zivilprozessrecht von Prof. Hieronymus Bayer, einem Schüler Gönners, und dem Oberappella tionsgerichtsrat Stürzer gelesen wurde. 676 Mit seiner Vorlesung knüpfte Gönner vordergründig an Hugos „Lehrbuch des Naturrechts als einer Philosophie des positiven Rechts“ an, in dem Hugo die Unmöglichkeit einer vernunftmäßigen Herleitung des positiven Rechts, wie es das vorkan tianische Naturrecht versucht hatte, aufzeigte.677 Auch wenn keine Vorle sungsmitschriften vorliegen, kann man sich denken, dass Hugos Lehre bei dem Zeit seines Lebens einem vorkritischen Naturrecht verbundenen Gönner auf ebenso wenig Zustimmung stieß wie die kodifikationsfeindli che Haltung Hugos (und Savignys). 678 Bei den Studenten in München hatte er damit offenbar großen Erfolg; selbst Ringseis, ein entschiedener Gegner Gönners, räumte ein: „Gönner hat nun, bey wirklichen Talenten, großen Zulauf; schon brachten ihm seine Zuhörer ein Vivat, schon hat sich mit ihm verbunden Prof. Wenning … diese beyden haben vier Fünftel der Juristen zu Zuhörern“. 679 Schenk sah hierdurch die von ihm sehnlichst angestrebte Berufung Savignys nach München gefährdet, zumal die Studenten durch die Polemik Gönners „für die Vorlesungen Savignys minder empfänglich“ wären und trug daher beim König an, Gönner den Lehrauftrag für das Sommersemester 1827 zu entziehen, was man, „um jedes Aufsehen und jede Reibung zu vermeiden“, damit begründen könne, dass Gönner sich ganz auf seine Gesetzgebungsarbeiten konzentrieren solle. 680 Unterstützung fand Schenk in diesem Plan wiederum bei Ringseis, der neben Sailer zu einem maßgeblichen Berater des neuen Königs bei der Neuausrichtung der Universitätspolitik avancierte. So wie die (unter ande rem von Gönner betriebene) Verlegung der Universität von Ingolstadt nach Landshut ein deutliches Zeichen für eine aufklärerische und antiklerikale 676 Verzeichnis der an der Königlichen Ludwig-Maximilians-Universität zu Mün chen im Winter-Semester 1826/27 zu haltenden Vorlesungen; zu Stürzer s. o. Fn. 483. 677 Gustav Hugo, Lehrbuch des Naturrechts als einer Philosophie des positiven Rechts, 1. Aufl. 1798, 4. Aufl. 1819. 678 Gönner gab 1827 kurz vor seinem Tod die von dem österreichischen ABGB-Re daktor Franz von Zeiller verfasste „Abhandlung über die Principien des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches“, die 1816–1820 in Fortsetzungen erschienen war, unter dem Titel „Zur Philosophie des positiven Privatrechts“ neu heraus und zwar „als Leitfaden und Manuscript zum Gebrauche akademischer Vorlesungen“. Vermutlich hatte er vor, Zeillers Abhandlung künftig seiner Vorlesung zugrunde zu legen, wozu es dann aber infolge seines Dispenses vom Lehramt und seines unerwarteten Todes nicht mehr kam. 679 Schreiben Ringseis’ an König Ludwig I. vom 13. Dezember 1826, in: Doeberl, 1926, S. 68. Mit „Wenning“ ist Prof. Wenning-Ingenheim gemeint, der bereits seit 1816 als Nachfolger Hufelands Professor in Landshut und nunmehr München war. 680 Vermerk Schenks vom 28. März 1827, in: Spindler, 1930, S. 355 f.
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Neuausrichtung gewesen war, so sollte die neuerliche Verlegung nach München in den Vorstellungen Ringseis’, der damit beim König offene Ohren fand, ein Zeichen für eine konservativ-katholische Rückbesinnung sein. In allen Fächern, nicht nur der Theologie, müsse eine „entschiedene Richtung für die Religion und die religiöse Grundlage der positiven Wis senschaften erreicht werden“. 681 Dieser Anschauung, von Sailer und Schenk nachdrücklich geteilt, verdankten unter anderem der Publizist Joseph von Görres und der Philosoph Franz von Baader ihre Berufung nach Mün chen. 682 Die Lehrtätigkeit Gönners war Ringseis hingegen ein besonderer Dorn im Auge, wegen dessen „antiklerikaler“ Gesinnung, aber auch wegen dessen Gegnerschaft zu Savigny. Bereits im Dezember 1826 schrieb Ringseis deshalb an den König und schreckte hierbei auch vor wüsten Be schimpfungen und Verleumdungen Gönners nicht zurück: „Gönner ist bekanntlich nicht bloß ohne Religion, sondern gegen dieselbe; er ist in ganz Deutschland verrufen und verachtet wegen seinen verderblichen Grundsät zen, als bestechlich, als Rechtsverdreher, als Kinderverführer; wenn er als letzterer auch nicht gerichtlich überwiesen ist, so zweifelt doch Niemand daran, weil Gön ner, indem er ein Jahr lang nicht ausging, selber ein stillschweigendes Eingeständ niß zu machen schien; und weil es bekannt ist, daß schon in Landshut die Mütter ihre kleinen Mädchen einsperrten, wenn sich Gönner in der Nähe sehen ließ.“683
Ringseis kam in diesem Zusammenhang auch auf die Auseinandersetzung zwischen Savigny und Gönner 1815 zurück, übersandte dem König Savig nys Rezension von Gönners Schrift als Ausweis der „moralischen und li terärischen Schlechtigkeit“ Gönners und legte noch zwei andere „sehr wichtige“ Schriften Savignys bei, in denen er die „wichtigsten Stellen“ gleich mit Rotstift markiert hatte. 684 681 Schreiben Ringseis’ an König Ludwig I. vom 13. Dezember 1826, in: Doeberl, 1926, S. 67. Dieser Überzeugung war auch Ringseis’ Antrittsvorlesung vom 20. Novem ber 1826 gewidmet, s. Huber, 1938, S. 46. 682 Auch Sailer setzte sich gegenüber Schenk nachdrücklich dafür ein, dass bei der Berufung von Baader diesem „als Hauptgegenstand seiner Lehre die Aussöhnung und Übereinstimmung der Wissenschaft mit dem Glauben und des Glaubens mit der Wis senschaft“ angewiesen werde (Sailer an Schenk, 14. Mai 1826, in: Appl/Lübbers, 2014, Nr. 41, S. 42). Über eine Berufung von Görres schrieb Sailer an Schenk: „Wäre nicht Görres ein Ausländer und (obwohl mit Unrecht) so verschrieen, der wäre ein Mann für solches Amt. Aber ein Ausländer und ein Verbannter … das geht nicht an.“ (Sailer an Schenk, 11. Mai 1826, in: Appl/Lübbers, 2014, Nr. 40, S. 41). Als Görres dennoch nach München berufen wurde, dankte Sailer Ludwig ausdrücklich dafür (Sailer an Ludwig I., 22. November 1827, in: Schiel, 1932, Nr. 37, S. 122). 683 Schreiben Ringseis’ an König Ludwig I. vom 13. Dezember 1826, in: Doeberl, 1926, S. 68. 684 Schreiben Ringseis’ an König Ludwig I. vom 13. Dezember 1826, in: Doeberl, 1926, S. 68.
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Diese Vorwürfe, die gezielt nicht die fachliche Eignung Gönners in Fra ge stellten, sondern seine sittliche und religiöse Integrität zu untergraben suchten, blieben ungeachtet ihrer zweifelhaften Tatsachenbasis offensicht lich nicht ohne Wirkung auf den König und wurden auch von der späteren Literatur gerne aufgegriffen. 685 Ludwig, der mehr als zwei Jahrzehnte zu vor in Landshut selbst Vorlesungen bei Gönner gehört hatte686 , der noch im August 1826 auf Veranlassung Zentners Gönner allein mit dem wichti gen Projekt des Entwurfs für ein neues Zivilgesetzbuch beauftragt hatte und der sich noch im Zusammenhang mit der Erteilung des Lehrauftrags an Gönner für das Wintersemester 1826/27 positiv über dessen Talente ge äußert hatte („äußerst geschickt und sein Vortrag vortrefflich“687), erklärte nun (im Dezember 1826): „Mit seinen Grundsätzen stiftet sein Talent Üb les, sein Sinn ist nicht der, welcher die Ludwig-Maximilians-Universität durchleben soll.“688 Der König willigte daher in die von Schenk vorge schlagene Vorgehensweise ein, Gönner den Lehrauftrag unter dem Vor wande zu entziehen, dass sich dieser dann besser auf seine Gesetzgebungs arbeiten konzentrieren könne. 689 Als Gönner kurz darauf unerwartet im Alter von 62 Jahren einem „Ner venfieber mit Lungenlähmung“ erlag690 (18. April 1827), wurde öffentlich spekuliert, der Dispens vom Lehrauftrag sei als Maßregelung wegen des Inhalts seiner Vorlesungen erfolgt und sein Tod sei durch die ihm wider fahrene Kränkung befördert worden, was ebenso umgehend unter Verweis
685 Völderndorff, 1892, S. 35, der sich nicht zu schade war, jeden Münchener Klatsch literarisch zu verewigen, schrieb: „Der vortreffliche Jurist [gemeint ist Gönner] soll sich (was er aber stets in Abrede stellte) auf einem Spaziergange gegen gewisse zum Schutze der Unmündigen gegebene Bestimmungen des Strafgesetzes verfehlt haben. Die An schuldigungen führten zu seiner Pensionierung und Beendigung seiner amtlichen Thä tigkeit.“ Letzteres ist evident falsch. Gönner wurde bis zu seinem überraschenden Tode weder pensioniert noch von seiner amtlichen Tätigkeit als Staatsrat und Gesetzgebungs redaktor entbunden. Auch Radbruch, 1934, S. 164, griff das Gerücht auf, Gönner habe „durch seine Verstrickung in einen Sittlichkeitsprozeß auch persönlich einen Schiff bruch [erlitten], von dem er sich nicht mehr erholt“ habe, wofür er in einem späteren handschriftlichen Nachtrag auf Huber (1938, S. 48) verwies, der aber auch nur die An schuldigungen Ringseis’ wiedergibt. Bei Fischbach (1960, S. 73) wird daraus, dass Gönner „in einen Sittenskandal verwickelt“ das Ministerium hätte verlassen müssen. 686 S.o. S. 14. 687 Huber, 1938, S. 29. 688 Huber, 1938, S. 48. 689 Huber, 1938, S. 49. Das publizierte Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemes ter 1827 wies schon keine Vorlesung Gönners mehr aus. Gönner starb fünf Tage vor Vorlesungsbeginn. 690 Bayerischer Landbote 1827, S. 253.
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auf die offizielle Begründung zurückgewiesen wurde.691 Der im gleichen Jahr erschienene ausführliche Nachruf übernahm ebenso wie spätere Au toren692 die offizielle Begründung für die Beendigung seiner Lehrtätigkeit und wies nachdrücklich das „Gerücht“ zurück, Gönners Vorlesungen hät ten Missfallen erregt, „weil er sich darin als Gegner eines anderen berühm ten Juristen zu stark ausgesprochen hätte“.693 So hatte also die letzte gegen Gönner gesponnene Intrige über seinen Tod hinaus Erfolg. Savigny wechselte dennoch nicht nach München. Während seines bis in den Herbst 1827 andauernden Italienaufenthaltes zögerte er eine Entschei dung unter Verweis auf seinen schlechten Gesundheitszustand weiter hin aus. Auch gab er wieder zu erkennen, dass ihm ein Wechsel nach Bayern insbesondere deshalb attraktiv erscheine, um dort seine „Überzeugungen von dem wahren Verhältnis der Wissenschaft zur Gesetzgebung und Rechtspflege Eingang ins Leben zu verschaffen“. 694 Tatsächlich gab es in München aber keine Anzeichen dafür, dass Bayern nach dem Tode Gön ners von seinen Kodifikationsanstrengungen abrücke. Als Schenk bei Sa vigny im Dezember 1827 nach dessen Rückkehr nach Berlin erneut anfrag te, ließ sich Savigny ein halbes Jahr Zeit mit einer Antwort, die dann ab schlägig ausfiel. 695 Statt seiner schlug er eine Berufung von Hasse oder Unterholzner vor, wies auch auf den Wert des jungen Puchta hin, ließ sich aber in einem zwei Wochen später verfassten Postskriptum nochmals eine Hintertür für einen eigenen Wechsel nach München offen, was er vorder gründig mit der Ungewissheit begründete, wie sich sein Gesundheitszu stand entwickeln werde. Tatsächlich war sein Vorbehalt wohl eher auf seine damals auf einen Hö hepunkt zusteuernde langjährige Auseinandersetzung mit Eduard Gans zurückzuführen, die ihm den weiteren Aufenthalt an der Berliner Univer sität vergällte. Gans war gegen den Willen Savignys 1826 zum außeror 691 Vgl. die Mitteilungen in Hesperus (encyclopädische Zeitschrift für gebildete eser) 1827, S. 460, 475. In dieser Zeitschrift war bereits am 12. April (sechs Tage vor L Gönners Tod) beklagt worden, dass man im Vorlesungsverzeichnis für das Sommer semester Gönners Vorlesungen zur Philosophie des positiven Rechts vermisse, die im vergangenen Semester „viel Beyfall und ein zahlreiches, gemischtes Publikum“ gefun den haben, woran sich die Frage anschloss: „Ob diese gerade deswegen einer gewissen Parthey mißfielen?“ (Hesperus 1827, S. 399). 692 Döring, 1861, S. 106; Schaffner, 1955, S. 41 693 Neuer Nekrolog der Deutschen, Bd. 5.1 (1827), S. 408 f. (vermutlich von Jäck ver fasst, s. o. Fn. 5). 694 Huber, 1938, S. 49. 695 Brief Savignys an Schenk vom 16./30. Juli 1828, in: Stoll, 1929, Bd. 2 , S. 397–400. Savigny schrieb parallel auch an Ringseis und unterrichtete ihn über seine Entschei dung: Brief vom 30. Juli 1828, in: Pfülf, 1904, S. 194–196.
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dentlichen Professor in Berlin ernannt worden und erhielt im Dezember 1828 vom preußischen Ministerium ein Ordinariat übertragen, was Savig ny veranlasste, sich aus den Fakultätsgeschäften gänzlich zurückzuziehen und sich auf seine Lehrtätigkeit zu beschränken, ähnlich wie er es in Landshut getan hatte. 696 Savignys Verhalten in der Auseinandersetzung mit Gans ähnelte dabei in manchem Grundmuster seinem Verhalten ge genüber Gönner in der Auseinandersetzung des Jahres 1815. Wie in seiner Gönner-Rezension sprach Savigny auch Gans pauschal jede „Wissen schaftlichkeit“ ab und versuchte die Auseinandersetzung auf eine von sei nem Gegner an den Tag gelegte feindliche „Gesinnung“ zu reduzieren.697 Außerdem schickte er auch jetzt seine Schüler an die Front, um in Rezen sionen der gegnerischen Schriften Gans zu diskreditieren. Diese Schüler schar war im Vergleich zur damaligen Auseinandersetzung mit Gönner mittlerweile erheblich angewachsen und besonders Puchta erwies sich in der Auseinandersetzung mit Gans als scharfzüngiger und kompromisslo ser Verteidiger der Savignyschen Position. 698 Im Münchener Ministerium hatte man zwischenzeitlich erfolglos bei Göschen, ebenfalls einem Schüler Savignys, und Thibaut wegen eines Wechsels an die Münchener Universität angefragt. 699 Schließlich berief man tatsächlich den von Savigny in Vor schlag gebrachten Puchta, damals außerordentlicher Professor in Erlangen, der später, nach mehreren Zwischenstationen, ebenfalls auf Vorschlag Sa vignys diesem auf seinen Berliner Lehrstuhl nachfolgen sollte.700 Anders als Savigny blieb Puchta das persönliche Aufeinandertreffen mit den Geg nern als Kollegen an der gleichen Universität erspart: Als er 1828 nach München berufen wurde, war Gönner seit einem Jahr tot und als er 1842 Savigny in Berlin nachfolgte, war Gans seit drei Jahren verstorben.
696 Vgl. Braun, 1997, S. 71, 81 ff. Zu Savignys Dispens von den Fakultätsgeschäften in Landshut s. o. S. 32. 697 S. den Brief Savignys an Gans vom 29. Dezember 1828 (in: Braun, 2011, S. 258; ders., 1997, S. 83; Stoll, 1929, Bd. 2, S. 403), in dem er dessen Versöhnungsangebot ab lehnt, es von sich weist, einen „wissenschaftlichen Streit“ mit ihm zu führen und sein Verhalten ganz auf die von Gans an den Tag gelegten „Gesinnungen“ zurückführt, die „nicht wissenschaftlicher, sondern persönlicher Art“ seien. Ähnlich hatte er in seiner Rezension der Gönnerschen Schrift von 1815 diese pauschal als unwissenschaftlich dis qualifiziert (s. o. S. 124) und Wilhelm Grimm aufgefordert, Gönner in einer Rezension besonders wegen der an den Tag gelegten „Gesinnung“ zu kritisieren (s. o. S. 126). 698 Vgl. Braun, 1997, S. 88 m. w. N. zu den Rezensionen Puchtas und S. 97 ff. zu weite ren Schriften Puchtas und Rudorffs gegen Gans. 699 Huber, 1938, S. 49. 700 Zur aktiven Mitarbeit seines von Gönner sehr geschätzten Vaters an der Reform des bayerischen Zivilprozessrechts s. o. bei Fn. 486.
Epilog Wer es einmal im Urteil der Nachwelt in den juristischen Olymp geschafft hat, hat damit auch die zeitgenössische Kritik hinter sich gelassen. Das dif ferenzierte Meinungsbild der Zeitgenossen wird ersetzt durch ein selekti ves Narrativ, das aus der Perspektive der „Leitjuristen“ geschrieben wird und so im Nachhinein Geschichtsbilder schafft und tradiert. An unseren drei Protagonisten kann man diese Mechanismen sehr gut nachverfolgen. Aspekte, die nicht in das so gewonnene Bild passen, werden dabei bewusst oder unbewusst aussortiert. Das beginnt bereits bei dem herangezogenen Quellenmaterial. So wird etwa der „Kodifikationsstreit“ auf eine Ausein andersetzung zwischen Savigny und Thibaut reduziert, die zahlreichen anderen zeitgenössischen Stellungnahmen entweder komplett ausgeblen det oder allein in ihrem Verhältnis zum Standpunkt der „Leitjuristen“ beleuchtet, von denen dann einer als „Sieger“ gekürt und die Wirkungs geschichte entsprechend angepasst wird.701 So überlebte Gönners realitäts nahe und von vielen Zeitgenossen inhaltlich geteilte Kritik am Rechts quellenverständnis der Historischen Rechtsschule nur als Auslöser für Savignys Replik, dessen Schule angeblich auch in der Gesetzgebungs wirklichkeit ihren Siegeszug antrat und Deutschland in ein kodifikations loses Zeitalter führte, während Gönner als angeblicher „Vaterlandsverrä ter“ und Partikularist erst diffamiert und dann dem Vergessen anheim ge geben wurde.702 Nicht zufällig entfaltete sich dieses Geschichtsbild im wilhelminischen Kaiserreich und wurde von Enneccerus und Landsberg befeuert, von Wieacker und Wolf tradiert und bis heute fortgeschrieben.703 Doch wie gelangt man überhaupt in den juristischen Olymp oder anders gefragt: Wie gelingt es, die genannten Mechanismen für sich wirken zu lassen? Wer zu Lebzeiten eine umfangreiche und treu ergebene Schüler schar um sich versammelt und deren Fortkommen durch geschickte Ein flussnahme auf Berufungsentscheidungen zu fördern versteht, wer nicht nur durch die eigenen Publikationen und diejenigen seiner Schüler, son 701
S.o. Kap. I V. S.o. S. 39, 125 f. 703 S.o. S. 128. 702
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Epilog
dern auch durch eine umfangreiche briefliche Korrespondenz gezielt Ein fluss nimmt und seine Einschätzungen der Nachwelt überliefert, wer nur Freund oder Feind kennt, eine offene Auseinandersetzung mit den Argu menten seiner Kritiker tunlichst vermeidet und stattdessen diese tot schweigt oder, wenn dies nicht mehr geht, deren „Gesinnungen“ bekämpft, der hat dabei beste Chancen. Savigny hat alle diese Mechanismen virtuos beherrscht und angewandt, ganz im Gegensatz zu Gönner. In der Auseinandersetzung mit Feuerbach erging es Gönner im Ergeb nis nicht besser, was sich schon daran zeigt, dass die Konflikte zwischen beiden regelmäßig allein aus der Perspektive Feuerbachs geschildert wer den, wie sie insbesondere in seinem „biographischen Nachlass“ niederge legt ist. Wem selbst der Rückgriff auf Feuerbachs Selbstzeugnisse zu viel Aufwand ist, hält sich an die Feuerbach-Biographen, vor allem an Rad bruch, dessen Einschätzungen über die Auseinandersetzungen zwischen Gönner und Feuerbach quasi kanonisiert wurden. So werden Anekdoten wie die um die angebliche Intrige Gönners gegen Feuerbach in der Straf gesetzbuchkommission bei der Beratung des Diebstahlsartikels bis heute immer wieder kolportiert, auch wenn sie sich an Hand der Kommissions protokolle eindeutig widerlegen lässt, weil sie so gut in das tradierte Rol lenbild vom genialen, aber lebensfremden Feuerbach und dem verschlagen intrigierenden Gönner passt und die Überprüfung an neutralen Quellen erst gar nicht erfolgt.704 Das hat denn auch jenseits solcher Anekdoten unser Bild über die Ge setzgebungsgeschichte Bayerns im frühen 19. Jahrhundert nachhaltig ge prägt. So wird das bayerische Strafgesetzbuch als geniale Schöpfung Feuerbachs tradiert und dem das Bild Gönners als „Wurm im Holze“ ge genübergestellt, der mit Hilfe des amtlichen Kommentars und vor allem der ausgedehnten Novellengesetzgebung Feuerbachs geniale Schöpfung ausgehöhlt und untergraben hätte.705 Dabei wird zum einen der erhebliche Anteil Gönners insbesondere am strafprozessualen Teil dieses Gesetz buchs unterschlagen, der an vielen Stellen zu zukunftsweisenden rechts staatlichen Verbesserungen für den Angeklagten führte, wobei seine wei testgehenden Vorschläge zur gänzlichen Abschaffung der Ungehorsams strafe und der Instanzentbindung allerdings erst im Revolutionsjahr 1848 umgesetzt wurden. Es wird zudem die breite zeitgenössische Kritik beson ders der Gerichte an dem von Feuerbach konzipierten rigiden Sanktionen system im materiellen Teil des Gesetzbuchs ausgeblendet, das erst zu mas 704 705
S.o. S. 70 f. S.o. S. 76 f.
Epilog
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siven Korrekturen im Wege einer ausgedehnten Begnadigungspraxis und dann zu der maßgeblich von Gönner konzipierten Novellengesetzgebung führte, die nach Meinung der bayerischen Gerichte und auch des damali gen Justizministers das Gesetzbuch nicht etwa ausgehöhlt, sondern erheb lich verbessert hat.706 Im Übrigen haben Feuerbach und Gönner sowohl in der Straf- als auch in der Zivilgesetzgebung besser und zielführender zusammengearbeitet als es das Klischee glauben macht. Das wird allerdings erst dann deutlich, wenn man den Weg einer allein an leicht greifbaren Erfolgen im Sinne von in Kraft getretenen Gesetzbüchern ausgerichteten Gesetzgebungsge schichte verlässt, und den Blick auch auf die letztlich nicht in Kraft getre tenen Projekte und die Gründe für ihr Scheitern richtet. Dabei überrascht zunächst bereits die Intensität und das Wechselspiel, in dem Gönner und Feuerbach sowohl im materiellen Zivilrecht und Strafrecht als auch im je weiligen Prozessrecht über zwei Jahrzehnte hinweg im Wechsel teils allein und teils zusammen immer wieder an neuen Entwürfen arbeiteten: Im materiellen Zivilrecht gab es Entwürfe von Feuerbach 1808/9, Feuer bach/Gönner/Aretin 1811, Gönners Teilnovelle 1819/22 (Hypotheken recht), Gönners unvollendeter Entwurf von 1826/27 und schließlich das nach Gönners Tod wieder an Feuerbach ergangene, von diesem aber abge lehnte Ersuchen von 1828. Im Zivilprozessrecht begannen die Kodifika tionsarbeiten mit Gönners Entwurf von 1812/15, dem Gönners in Kraft getretene Teilnovelle von 1819 folgte, dann Feuerbachs Gutachten und Plan von 1821/22 zur Mündlichkeit und Öffentlichkeit und schließlich der Kommissionsentwurf von 1825, der entgegen bisheriger Darstellungen viel stärker auf Gönners Entwurf von 1815 und dem preußischem Vorbild be ruhte als auf Feuerbachs Gutachten.707 Auch sonst wird Gönners Anteil an Gesetzesentwürfen gerne kleingeredet und Feuerbach ohne nähere Sach prüfung als spiritus rector angenommen, so beim gemeinsamen Zivil gesetzbuchentwurf von 1811708 und selbst beim Hypothekengesetz von 1822709. Im Strafrecht gesellten sich zu dem 1813 in Kraft getretenen Ge setzbuch, an dem zunächst nur Feuerbach, ab 1811 auch Gönner beteiligt waren, der auf Gönner zurückgehende Kommissionsentwurf von 1822 und Feuerbachs neuer Entwurf von 1824 zum materiellen Teil sowie im Strafprozessrecht Feuerbachs Teilentwurf von 1821/22 (Mündlichkeit und Öffentlichkeit) und Gönners Gesamtentwurf von 1824. 706
S.o. S. 82. S.o. S. 101 ff. 708 S.o. S. 53. 709 S.o. Fn. 520. 707
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Epilog
Warum ist mit Ausnahme des Strafgesetzbuchs von 1813 und den maß geblich auf Gönner zurückgehenden Teilnovellen zum Zivilprozessrecht (1819) und Hypothekenrecht (1822) keiner dieser zahlreichen Entwürfe in Kraft getreten? Waren das Konkurrenzstreben und die gegenseitige Miss gunst unserer beiden Kontrahenten Schuld daran, so dass sie gemeinsam nichts zustande brachten und das Werk des jeweils anderen mit Kritik überhäuften? Nein, das war in keinem Fall der Grund für das Scheitern. So verlief insbesondere bei dem gemeinsamen Zivilgesetzbuchprojekt die Zu sammenarbeit zwischen beiden überraschend reibungslos, zügig und kon struktiv.710 Und die gemeinsamen Arbeiten am Strafgesetzbuch sind im Gegenteil ein Beispiel dafür, wie die detaillierte Kritik des später hinzuge zogenen Gönner am Entwurf Feuerbachs das Verfahren nur unwesentlich verlängerte, der Sache selbst zu Gute kam und den Gesamterfolg des Pro jekts nicht gefährdete.711 Auch war nach 1818 nicht etwa eine ablehnende Haltung des Landtags schuld am Scheitern der Projekte, denn die meisten der genannten Entwür fe wurden ihm gar nicht erst zur Beratung vorgelegt.712 Ein wesentlicher Grund ist vielmehr in der inneren Zerrissenheit der bayerischen Regierung und des Geheimen Rates beziehungsweise später des Staatsrates in konser vative und reformaufgeschlossene Kräfte zu suchen, was für die Ausset zung der Beratungen zum Zivilgesetzbuchentwurf 1814 ebenso gilt wie für das Scheitern der Zivilprozessreform.713 Dabei spielte seit 1816 auch das Zugeständnis an die Rheinpfalz zur Berücksichtigung französischen Rechts bei den Reformvorhaben im Zivil- und Strafrecht eine Rolle, gegen dessen Umsetzung es in der Regierung und im Staatsrat erhebliche Wider stände gab.714 Als sehr nachteilig erwies sich zudem die Strategie der baye rischen Regierung, mehrere größere Gesetzgebungsprojekte parallel anzu gehen (die Zivilprozessreform zusammen mit der Reform des materiellen Zivilrechts, die Reform des Strafprozessrechts zusammen mit der Reform des materiellen Strafrechts und den geplanten Regelungen über polizeili che Übertretungen) und diese auch nur im „Gesamtpaket“ dem Landtag 710
S.o. S. 54, 61. S. 65 ff. Zu Feuerbachs Kritik am Kommissionsentwurf von 1822, die sich nicht auf den von Gönner entworfenen Teil, sondern auf Stürmers Entwurf der von der Polizei zu ahndenden Übertretungen bezog, s. o. Fn. 419. 712 Eine Ausnahme stellt der Entwurf zum Hypothekengesetz dar, der 1819 im Landtagsausschuss tatsächlich auf Ablehnung stieß und im Plenum nicht mehr beraten wurde (s. o. Kap. III.5). Das änderte sich dann aber bei der geringfügig modifizierten Wiedervorlage des Entwurfs beim nächsten Landtag 1822. 713 S.o. S. 57, 104 f. 714 S.o. S. 58, 84, 96, 98. 711 S.o.
Epilog
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zur Beratung vorzulegen. Oft verzögerten auch über Jahre ausbleibende Stellungnahmen der Gerichte und Justizbehörden zu den Entwürfen die Gesetzgebung erheblich, so beim Zivilgesetzbuchentwurf von 1811, bei Gönners Zivilprozessrechtsentwurf von 1812, bei dem auf ihn zurück gehenden Strafgesetzbuchentwurf von 1822 und beim Zivilprozessrechts entwurf von 1825.715 Blickt man abschließend nochmals auf Gönners Lebenslauf aus einer Gesamtperspektive, so fallen auffällige Gemeinsamkeiten auf mit dem Le benslauf eines anderen großen Gesetzgebungsredaktors seiner Zeit: Franz von Zeiller 716 . Beide waren vor ihrer Gesetzgebungstätigkeit als Universi tätsprofessoren und Richter an Appellationsgerichten tätig, beide erteilten dem bayerischen beziehungsweise österreichischen Kronprinzen Rechts unterricht, beide standen fast zur gleichen Zeit ihren Universitäten als Rektor vor (Gönner in Landshut 1801/2, Zeiller in Wien ab 1803), beide engagierten sich für eine Reform der juristischen Studienordnung, die un ter Zurückdrängung des gemeinen Rechts die Lehre des Partikularrechts stärken sollte, beide gaben fast im gleichen Zeitraum eine Fachzeitschrift zur neuen Gesetzeskunde heraus (Gönner 1808 bis 1814 sein „Archiv für die Gesetzgebung …“, Zeiller 1806 bis 1809 den „Jährlichen Beytrag zur Gesetzkunde und Rechtswissenschaft …“), beide arbeiteten an Gesetzge bungsentwürfen sowohl im Zivilrecht als auch im Strafrecht, beide schrie ben Kommentare zu ihren Gesetzgebungswerken, beide setzten sich für umfassende Kodifikationen ein, die prinzipiengeleitet und unter Vermei dung unnötiger Kasuistik vorgingen, beide hielten am Naturrecht und des sen Ausstrahlung auf das positive Recht fest und beide arbeiteten noch bis ins hohe Alter an Revisionen der bestehenden Strafgesetzbücher und legten hierfür fast gleichzeitig umfassende Entwürfe vor (Gönner 1822, Zeiller 1823/25). Das Urteil der Nachwelt über beide könnte aber unterschiedlicher kaum ausfallen. Während Zeiller in Österreich bis heute höchste Anerkennung und Verehrung genießt, lebt Gönner, wie in der Einleitung geschildert, al lenfalls noch als „der kleine Gegner zweier Großen“ in der kollektiven Wahrnehmung fort.717 Waren es also die Konfrontationen mit Savigny und Feuerbach, die Gönner um seinen Nachruhm gebracht haben? Tatsächlich war es wohl eher die einseitige Bewertung dieser Auseinandersetzungen 715
S.o. S. 57, 86, 89, 104. Zu Gönners positiver Besprechung des österreichischen ABGB und der Entgeg nung Zeillers s. o. Fn. 570; zu Gönners Herausgabe von Zeillers „Philosophie des positi ven Privatrechts“ als Vorlesungsleitfaden s. o. Fn. 678. 717 S.o. S. 3. 716
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Epilog
durch die Nachwelt, die ihnen in der Erinnerungskultur solch unterschied liche Plätze zuwies. Besonders Landsberg und Radbruch haben mit einer langen Reihe von sachlichen Falschdarstellungen und Verzerrungen, die dann von vielen anderen ungeprüft übernommen wurden, erheblich zu diesem Bild beigetragen.718 Immerhin an einem Ort stehen Gönner und Feuerbach seit nunmehr hundert Jahren einträchtig Seite an Seite beisam men: als überlebensgroße Nischenfiguren an der Fassade des Justizpalastes in Nürnberg.719 Als sie dort 1912 neben anderen großen „Gesetzgebern“ wie Kaiser Justinian, Johann Freiherr von Schwarzenberg, Kreittmayr und Svarez Aufstellung fanden, hatte Landsberg gerade sein wirkungsmächti ges Verdikt über Gönner als „reich beanlagten“, aber „irregegangenen“ Mann gesprochen, der seine besten Kräfte an verlorene Sachen verschwen det habe.720 Es ist Zeit für eine Neubewertung.
718 S.o. bei Fn. 9, 11, 28, 70, 104, 136, 151, 174, 230, 294, 315, 333, 340, 352, 505, 564, 623, 626, 643, 644, 652, 685. 719 Grimm, 2016, S. 50 f. Dort auch zu den weiteren Nischenfiguren. 720 Stintzing/Landsberg, 1910, Bd. 3.2.1, S. 159 f.
Anhang Zeittafel zu Leben und Werk Gönners Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Darstellung der genannten Er eignisse im vorliegenden Buch. Von den Publikationen Gönners sind nur die wich tigsten aufgenommen (Titel im Kursivdruck). 1764, 18.12. Geburt Nikolaus Thaddäus Gönners in Bamberg als Sohn eines fürstbischöflichen Rechnungsrevisors, S. 5 1781
Magister phil. an der Universität Bamberg, danach Aufnahme des juristischen Studiums in Bamberg, S. 6
1787
Fortsetzung des juristischen Studiums an der Universität Göttingen, S. 6 f.
1788
Aufenthalt am Reichskammergericht in Wetzlar, S. 7
1789
ordentlicher Professor der Institutionen (seit 1792 der Pandekten) an der Universität Bamberg und Mitglied des Spruchkollegiums der Juristischen Fakultät, seit 1795 auch Vorlesungen im Staatsrecht, S. 7
1791
Eheschließung mit Eva Barbara van Winnenthal, S. 7
1791
wirklicher Hof- und Regierungsrat im Fürstbistum Bamberg und Mitglied des Hofgerichts, Beteiligung an den Beratungen zum Bam bergischen Strafgesetzbuch, S. 7 f.
1792
Dr. iur. an der Universität Bamberg, S. 6
1795/99
Juristische Abhandlungen (2 Bände), S. 9
1796
Verhandlungsführung für das Fürstbistum Bamberg in den Territo rialstreitigkeiten mit Brandenburg-Preußen, S. 8
1797
fürstbischöflicher Hofkammerkonsulent
1799
Wechsel auf eine Professur für Staatsrecht an der Universität Ingol stadt, S. 9
1800
Verlegung der bayerischen Landesuniversität nach Landshut unter maßgeblicher Beteiligung Gönners, S. 10
1801/2
Rektor der Universität Landshut, S. 11 f.
152
Anhang
1801–3
Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses in einer ausführlichen Erörterung seiner wichtigsten Gegenstände (4 Bände, zweite erweiterte Auflage 1804/5), S. 9, 93, 96
1801–5
Auserlesene Rechtsfälle und Ausarbeitungen (4 Bände), S. 7
1803/4
Prokanzler der Universität Landshut, S. 13
1804
Teutsches Staatsrecht, S. 28 f.
1805
Entwurf eines neuen juristischen Studienplans, S. 22 f., 121 f.
1805
Ruf an die Universität Heidelberg (abgelehnt), S. 21
1806
Über die Nothwendigkeit einer gründlichen Reform des in Teutschland geltenden Privatrechts, S. 36 f.
1807
Über den Umsturz der deutschen Staatsverfassung und seinen Einfluss auf die Quellen des Privatrechts in den neu souverainen Staaten der rheinischen Conföderation, S. 29
1808
Der Staatsdienst aus dem Gesichtspunkt des Rechts und der Nationalökonomie betrachtet – nebst der Hauptlandespragmatik über die Dienstverhältnisse der Staatsdiener im Königreiche Baiern, S. 29
1808
Verleihung des Zivilverdienstordens der bayerischen Krone verbun den mit der Erhebung in den Adelsstand (Ritterklasse), S. 45
1808–14
Archiv für die Gesetzgebung und Reforme des juristischen Studiums, S. 37–44, 51 f., 93, 119, 149
1809
Verleihung des Prädikats „Geheimer Rat“, S. 45
1809
Tod seiner ersten Ehefrau im Alter von 37 Jahren, die vier überleben den Kinder (zwei Söhne und zwei Töchter) damals zwischen 10 und 17 Jahre alt, S. 30
1811
Beauftragung Gönners mit dem Entwurf einer neuen bayerischen Zivilprozessordnung (Entwurf nebst Motiven 1812 vorgelegt und 1815 in abgeänderter Fassung publiziert), S. 93 ff.
1811, Feb.
Ernennung zum Mitglied der Gesetzgebungskommission zum Ent wurf eines bayerischen Zivilgesetzbuchs (mit Feuerbach und Are tin), S. 45
1811, Mai
Ernennung zum Mitglied des Geheimratsausschusses zur Prüfung des bayerischen Strafgesetzbuchentwurfs (Beratungen bis Dez. 1812), S. 64
1811, Sept.
Vorlage des Kommissionsentwurfs eines Zivilgesetzbuchs nebst Mo tiven durch Gönner, Feuerbach und Aretin, S. 53
1812
Ernennung zum zweiten Direktor des Appellationsgerichts des Isar kreises in München, S. 45
Zeittafel zu Leben und Werk Gönners
153
1812, Dez.
Beginn der Beratungen des Zivilgesetzbuchentwurfs im Geheimen Rat, S. 55
1813, Okt.
Inkrafttreten des bayerischen Strafgesetzbuchs, S. 72
1813, Okt.
Beauftragung einer Kommission unter der Federführung Gönners mit der Erstellung eines amtlichen Kommentars zum Strafgesetz buch (3 Bände, erschienen 1813/14), S. 72 f.
1814, Juli
Abbruch der Beratungen über den Zivilgesetzbuchentwurf im Ge heimen Rat, S. 56
1815
Über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in unsrer Zeit, S. 121–129, 134
1815
Ernennung zum geheimen Referendär im Justizministerium
1815
zweite Eheschließung mit der 28 Jahre jüngeren Anna Schrödl
1815–17
Mitglied der ständigen Gesetzeskommission zur authentischen In terpretation und Novellierung des Strafgesetzbuchs (zusammen mit Aretin und Effner), S. 78
1816
Revision der zwischen 1813 und 1816 ergangenen Verurteilungen wegen Diebstahls und Unterschlagung unter Federführung Gön ners, S. 81
1816
Diebstahlsnovelle unter Federführung Gönners, S. 79
1817
Ernennung zum Staatsrat im außerordentlichen Dienst, S. 83 f.
1818
Auftrag zur Revision des materiellen Teils des Strafgesetzbuchs an Gönner und Schmidtlein (Entwurf 1822 im Druck erschienen), S. 84 ff.
1818–20
Jahrbücher der Gesetzgebung und Rechtspflege im Königreiche Baiern (zusammen mit Schmidtlein), S. 79, 135
1819
Zivilprozessnovelle unter Federführung Gönners, S. 97
1819
Entwurf eines Hypothekengesetzes nebst Motiven durch Gönner, S. 109
1819
Kommissär der Regierung für die Zivilprozessnovelle und den Ent wurf des Hypothekengesetzes auf dem ersten bayerischen Landtag, S. 97, 111
1820
Commentar über das königl. baierische Gesetz vom 22. Julius 1819 einige Verbesserungen der Gerichtsordnung betreffend, S. 97 f., 134
1820
Ernennung zum Staatsrat im ordentlichen Dienst, S. 84
1820
Verleihung des russischen St. Annen-Ordens und des großherzog lich hessischen Hausordens, S. 45
154
Anhang
1822
Verleihung des württembergischen Ordens der Krone, S. 45
1822
Verabschiedung des Hypothekengesetzes nebst Prioritätsordnung durch den Landtag, S. 113
1823/24
Commentar über das Hypothekengesetz für das Königreich Baiern (2 Bände), S. 114
1824
Vorlage des Entwurfs einer Revision des prozessualen Teils des Strafgesetzbuchs durch Gönner (nicht publiziert), S. 89
1825
Einige Motive zum Baierischen Entwurf des Strafgesetzbuchs, S. 87 f.
1825
neuer Kommissionsentwurf einer Zivilprozessordnung auf Grund lage des Gönnerschen Entwurfs von 1812/15, S. 101
1826, Aug.
Beauftragung Gönners mit einem neuen Entwurf eines Zivilgesetz buchs durch Justizminister Zentner (unvollendet), S. 59
1826
Verlegung der Universität von Landshut nach München, Gönner hält Vorlesung zur „Philosophie des positiven Rechts“ mit Angriffen auf die historische Schule, S. 138 f.
1827, April
Entzug seines Lehrauftrag an der Universität München, S. 141
1827, 18.4.
Tod Gönners an einem „Nervenfieber mit Lungenlähmung“, S. 141
Quellen- und Literaturverzeichnis I. Ungedruckte Quellen 1. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München (BayHStA) MInn 23254 (Personalakt Gönner 1799–1815) MInn 23510 (Personalakt Savigny) MInn 23675/I (Hohe Schule zu Landshut 1799–1807) MInn 44703 (Jahresberichte der Ministerial-Sectionen 1809–1812) MInn 45796 (Miscellen) MInn 81341 (Universität Landshut, Studienwesen) Staatsrat 1741 (Personalakt Gönner 1817–1825) Staatsrat 2151 (Civilprocess für das Königreich Baiern 1812) Staatsrat 2152 (Motifs zu dem Civilprocess 1812) Staatsrat 2217 (Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege 1821–1825) Staatsrat 2361 (Original-Protocolle der vereinigten Sectionen der Justiz und des Inneren betreffend die Revision des Entwurfes des II. Theiles des Strafgesetz buches vom Process in Strafsachen) Staatsrat 2362 (Strafgesezbuch für das Königreich Baiern, Zweiter Theil: Von dem Process in Strafsachen – Entwurf Feuerbachs) Staatsrat 2363 (Original-Protocolle der vereinigten Geheimrats-Sectionen die Beratungen des II. Teils des Strafgesetzbuches betreffend) Staatsrat 2371 (Entwurf des Strafgesezbuchs: Dritter Theil: Von dem Verfahren in Strafsachen – auf allerhöchsten Befehl verfasst von dem königlichen Staatsrat von Gönner, 1824) Staatsrat 2408 (Die Behandlung neuer oder revidierter Gesetzbücher betreffend) Staatsrat 2847 (Protokolle der Beratungen des Zivilgesetzbuchentwurfs im Ge heimen Rat 1813/14) Staatsrat 8226 (Konvolut zu den Beratungen des Strafgesetzbuchentwurfs 1811–13)
156
Quellen- und Literaturverzeichnis
2. Universitätsarchiv München (UAM) E I 9 (Personalia 1800–1806) E II 65 (Personalakt Feuerbach) E II 98 (Personalakt Gönner) E II 287 (Personalakt Savigny) L I 11 (Jur. Fakultät 1804–1809)
3. Universitätsbibliothek Marburg, Handschriftenarchiv Friedrich Carl von Savigny (UB Marburg) Ms 725:336 (Brief Gönners vom 29.9.1809) Ms 725:337 (Brief Gönners vom 7.4.1822)
4. Privatbesitz der Familie von Gönner durchschossenes Exemplar von Jäcks Gönner-Biographie mit handschriftlichen Anmerkungen von N.T. von Gönner
II. Gedruckte Quellen und Literatur Mehrere Werke desselben Autors sind in chronologischer Reihenfolge aufgenom men, beim gleichen Erscheinungsjahr in alphabetischer Reihenfolge. Ahrens, Martin, Prozessreform und einheitlicher Zivilprozess. Einhundert Jahre legislative Reform des deutschen Zivilverfahrensrechts vom Ausgang des 18. Jahr hunderts bis zur Verabschiedung der Reichszivilprozessordnung, Tübingen 2007 Anmerkungen zum Strafgesezbuche für das Königreich Baiern. Nach den Proto kollen des königlichen Geheimen Raths, 3 Bde, München 1813/1814, zit. Anmer kungen zum bay. StGB Anonym [Nikolaus Thaddäus Gönner], Archiv für die Universitäten Griechenlands im 19. Jahrhundert, Heft 1: Authentischer Bericht über die neueste Rectorswahl zu Athen, „Altenstedt“ 1801 Anonym [Nikolaus Thaddäus Gönner], Baierns Universität kann nicht nach Ingol stadt versetzt werden, Frankfurt/Leipzig 1801 Anonym, Gedanken eines Landshuters über das Projekt der Zurückversetzung der Universität Baierns nach Ingolstadt, o. O. 1801 Anonym, Wichtige Abend-Sitzung zur Ehrenrettung des Hochweisen Kränzchens in Landshut, o. O. und J. [ca. 1802]
II. Gedruckte Quellen und Literatur
157
Anonym [Nikolaus Thaddäus Gönner], Über den Umsturz der deutschen Staats verfassung und seinen Einfluss auf die Quellen des Privatrechts in den neu sou verainen Staaten der rheinischen Conföderation, o. O. 1807 Anonym, Art. „Nikolaus Thaddäus von Gönner“, in: Zeitgenossen. Biographien und Charakteristiken, Neue Reihe, Bd. 3, Nr. 10, S. 161–172, hg. von Friedrich Christian August Hasse, Leipzig 1823 Anonym, Art. „Nikolaus Thaddäus von Gönner“, in: Neuer Nekrolog der Deut schen, Bd. 5.1 (1827), S. 403–410 Appl, Tobias/Lübbers, Bernhard (Hg.), Die Briefe Johann Michael von Sailers an Eduard von Schenk, Regensburg 2014 Barth, Jörg Valentin, Theorie und Praxis von Gesetzgebung am Beispiel von Niko laus Thaddäus von Gönners Entwurf des Bayerischen Hypothekengesetzes vom 1. Juni 1822, Diss. Regensburg 2006 Beckenbauer, Alfons, Landshuter Universitätsprofessoren, Landshut 1970 ders. (Hg.), Briefe zweier Landshuter Universitätsprofessoren, Landshut 1985 ders., Die Ludwig-Maximilians-Universität in ihrer Landshuter Epoche 1800–1826, München 1992 Becker, Hans-Jürgen, Die bayerische Rheinpfalz und das rheinische Recht, in: Elmar Wadle (Hg.), Philipp Jakob Siebenpfeiffer und seine Zeit im Blickfeld der Rechtsgeschichte, Sigmaringen 1991, S. 19–31 Behme, Fabian, Feuerbach als Zivilist, Diss. Regensburg 2014 (Online-Publikation) Berner, Albert Friedrich, Die Strafgesetzgebung in Deutschland vom Jahre 1751 bis zur Gegenwart, Leipzig 1867 Blusch, Clemens, Das Bayerische Strafverfahrensrecht von 1813, Frankfurt a. M. 1997 Boehm, Laetitia u. a. (Hg.), Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians- Universität München. Teil 1: Ingolstadt – Landshut 1472–1826, Berlin 1998 Boehm, Laetitia, Ein Generalstudium des Alten Reiches auf dem Weg in den neu bayerischen Staat. Zeitgenössische und forscherliche Wahrnehmung der Ludwig- Maximilians-Universität in Landshut, in: Boehm, Laetitia/Tausche, Gerhard (Hg.), Von der Donau an die Isar. Vorlesungen zur Geschichte der Ludwig- Maximilians-Universität 1800–1826 in Landshut, Berlin 2003, S. 251–390 Böhm, Gottfried, Art. „Völderndorff, Otto“, in: ADB 54 (1908), S. 758–764 Bomsdorf, Falk, Prozeßmaximen und Rechtswirklichkeit. Verhandlungs- und Un tersuchungsmaxime im deutschen Zivilprozeß, Berlin 1971 Borst, Nepomuk, Über die Beweislast im Civilprozeß, Bamberg/Leipzig 1816 Braun, Johann, Judentum, Jurisprudenz und Philosophie. Bilder aus dem Leben des Juristen Eduard Gans, Baden-Baden 1997 ders. (Hg.), Eduard Gans. Briefe und Dokumente, Tübingen 2011 Buchholz, Stephan, Die Quellen des deutschen Immobiliarrechts im 19. Jahrhun dert, in: Ius Commune VII (1978), S. 250–325 ders., Einzelgesetzgebung Deutschland. Immobiliarsachenrecht, in: Helmut Coing (Hg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat rechtsgeschichte, Bd. 3, Teilbd 2, München 1982, S. 1702–1721 Coing, Helmut, Europäisches Privatrecht, Bd. 2, München 1989
158
Quellen- und Literaturverzeichnis
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II. Gedruckte Quellen und Literatur
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160
Quellen- und Literaturverzeichnis
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II. Gedruckte Quellen und Literatur
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II. Gedruckte Quellen und Literatur
163
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164
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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II. Gedruckte Quellen und Literatur
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Personen- und Sachregister Die Verweise beziehen sich auch auf die Fußnoten. Feuerbach, Gönner und Sa vigny sind nicht aufgenommen, da sie durchgängig vorkommen. ABGB (Österreich) 59, 107, 114, 119, 122, 124, 139, 149 Achenwall, Gottfried 6 Ahrens, Martin 94–96, 101, 103–105, 156 Allgemeines Landrecht (Preußen, ALR) 8, 62, 72, 78, 79, 107, 122, 124 Allweyer, Joseph 100 Almendingen, Ludwig Harscher von 40, 131 Altenstein, Karl von Stein zum 137 Alzheimer, Alois 68, 89, 98, 164 Anmerkungen (zum Strafgesetzbuch) 18, 48, 64, 72–78, 156 Appellationsgericht (Ansbach) 27, 60, 88, 99 Appellationsgericht (Bamberg) 26, 57, 81, 82, 130 Appellationsgericht (München/ Isarkreis) 45, 152 Appl, Tobias 137, 140, 157 Arco, Carl Rupert von 49, 50, 55, 56, 64, 69, 70, 71 Aretin, Adam von 46, 47, 51, 54, 55, 57, 64, 73, 78, 109, 147, 152, 153 Aretin, Christoph von 46, 57, 59, 109–113, 116 Armansperg, Joseph Ludwig von 136, 138 Arnim, Achim von 39 Ast, Friedrich 15 Aufklärung 2, 4, 6–12, 20, 35–37, 62, 78, 81, 92, 129, 139
Baader, Franz von 140 Bamberg (Fürstbistum) 5–10, 15, 49, 62, 113, 151 Bamberg (Universität) 6–10, 33, 151 Bandel, Georg Karl Friedrich 49 Bang, Johann Heinrich Christian 1, 34, 35, 111 Barth, Jörg Valentin 111, 157 Bayer, Hieronymus 139 Becke, Franz Arnold von der 48 Beckenbauer, Alfons 5, 12, 14, 15, 25, 34, 157 Becker, Hans-Jürgen 58, 97, 157 Begnadigungen 28, 80–82, 86, 147 Behme, Fabian 46, 48, 49, 54, 130, 132, 157 Bentham, Jeremy 120 Berlin (Universität) 36, 42, 100, 122, 135, 137, 142, 143 Bernadotte, Jean Baptiste 24 Berner, Albert Friedrich 75, 76, 90, 91, 157 Bertele, Georg August 12 Blusch, Clemens 65, 157 Boehm, Laetitia 5, 10–12, 15, 17, 32, 35, 111, 157 Böhm, Gottfried 70, 157 Böhmer, Georg Ludwig 6 Böhmer, Justus Henning 6 Bomsdorf, Falk 96, 157 Borst, Nepomuk 76, 129, 130, 157 Braun, Johann 143, 157 Brentano, Bettina 1, 43
170
Personen- und Sachregister
Brentano, Clemens 1, 35, 42 Breyer, Carl Wilhelm 15 Brunner, Nannette 131 Buchholz, Stephan 115–117, 157 Buseck, Christoph Franz von 8 Cetto, Anton von 57 Code civil/Code Napoléon 38–42, 47–51, 53, 55, 58, 62, 97, 107, 108, 111, 114, 115, 119, 122, 124–126 Codex Juris Bavarici Judiciarii (CJBJ) 92–94, 97, 98, 104, 106 Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis 40, 47, 50–58, 74, 106–110, 114, 137 Coing, Helmut 115, 157 Creuzer, Friedrich 21, 31, 32, 34, 37, 111, 157 Dahlmann, Hellfried 21, 158 Dahlmanns, Gerhard 95, 103, 158 Demel, Walter 47, 49, 50, 53–57, 78, 85, 106–108, 132, 158 Diebstahlsnovelle 79–82, 131, 153 Dietl, Alois Georg 12 Dobmann, Franz 13, 17, 83, 158 Doeberl, Michael 17, 136, 139, 140, 158 Dölemeyer, Barbara 48–50, 53, 58, 60, 103, 133, 158 Doppelmayr, Friedrich W. 79 Döring, Heinrich 2, 5, 142, 158 Drummer, Leonhard 24–26 Effner, Johann Nepomuk von 48, 55, 64, 73, 78, 153 Eggers, Christian Ulrich von 40 Eisenhart, August 13, 158 Eismann, Friedrich W. 29, 158 Enneccerus, Ludwig 128, 145, 158 Erlangen (Universität) 17, 20, 33, 100, 135, 143 Erlangen (Gericht) 47, 100, 103, 116 Ernst, Marcus D. 13, 46, 73, 158 Ersch, Johann Samuel 2, 5, 158 Erthal, Franz Ludwig von 7, 8
Fehrenbach, Elisabeth 47, 49, 54, 158 Feßmaier, Johann Georg von 12 Feuerbach, Ludwig 88, 90, 158 Fichte, Johann Gottlieb 32 Fischbach, O. G. 3, 141, 159 Funk, Philipp 35, 36, 159 Gans, Eduard 142, 143, 157 Geisel, Karl 18, 48, 62–65, 68, 73, 159 Geyer, Ernst 29, 159 Goethe, Johann Wolfgang von 43 Görres, Joseph 31, 127, 140, 160 Göschen, Johann Friedrich Ludwig 143 Göttingen (Universität) 6, 7, 14, 42, 151 Graf, Eduard 114 Grimm, Hermann 127, 160 Grimm, Jacob 1, 35, 127 Grimm, Ulrich 150, 160 Grimm, Wilhelm 1, 35, 126, 127, 143 Grotius, Hugo 6 Gruber, Johann Gottfried 2, 5, 158 Grünhut, Max 92, 160 Häcker, Franz Joseph 90, 100 Haferkamp, Hans-Peter 42, 122, 160 Haney, Gerhard 71, 158, 164 Hartig, Werner 95, 98, 103, 105, 160 Härtl, Heinz 39, 161 Hartung, Fritz 9, 161 Hattenhauer, Hans 29, 132, 161 Hedemann, Justus Wilhelm 115, 117, 161 Heidelberg (Universität) 13, 21, 22, 31–34, 42, 152 Heineccius, Johann Gottlieb 6 Heise, Arnold 21, 31, 32 Hermann, Hans-Georg 25, 32, 161 Hertling, Friedrich von 18 Hilgendorf, Eric 26, 161 Hinrichs, Gustav 126, 127, 160, 161 Holzbauer, Andreas 5, 73, 79, 161 Holzhauer, Heinz 2, 5, 161 Höpfner, Ludwig 6 Huber, Max 136–138, 140–143, 161
Personen- und Sachregister
Hufeland, Gottlieb 19, 23, 31, 32, 34, 35, 39, 41, 52, 139 Hugo, Gustav 42, 127, 134, 138, 139, 161 Humboldt, Wilhelm von 42 Hypothekenrecht 49, 51, 53, 55, 59, 97, 100, 106–117, 147, 148, 153, 154 Ingolstadt (Universität) 1, 9–12, 15, 18, 35, 36, 136, 139, 151 Instanzentbindung 66, 67, 146 Jäck, Joachim Heinrich 1, 2, 5–7, 9, 14, 17, 32, 142, 156, 161 Jacobi, Friedrich Heinrich 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 32, 111 Jacobi, Max 32, 33 Jakobs, Horst Heinrich 130, 161 Jaup, Heinrich Karl 40 Jean Paul 32 Jilek, Catherine 112, 161 Joner, Franz Xaver von 19, 30, 34 Justinian 72, 129, 150 Kadel, Herbert 33, 47, 161 Karl Theodor (von Baden) 13 Keller, Richard August 21, 31, 161 Kesper-Biermann, Sylvia 85, 92, 161 Kiel (Universität) 10, 16–18, 21 Kienlen, Septimus 49 Kipper, Eberhard 25, 68, 162 Kleinheyer, Gerd 5, 162 Kleinschrod, Gallus Alois 18, 62, 162 Klippel, Diethelm 37, 162 Kobell, Egid von 73 Koch, Arnd 25, 91, 92, 162 Koch, Johann Baptist 29, 162 Kodifikationsstreit 4, 41, 76, 119–134, 145 Kommentierungsverbot 72–76, 78 Kreittmayr, Wiguläus Xaver Alois von 47, 53, 57, 74, 92, 93, 106, 108, 114, 137, 150 Krenner, Franz von 55, 64 Krenner, Johann Nepomuk Gottfried von 64
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Krüll, Franz Xaver von 114 Landsberg, Ernst 2, 3, 5, 8, 9, 17, 32, 35, 36, 39, 69, 73, 75, 91, 103, 104, 117, 127, 128, 131, 134, 145, 150, 165 Landshut (Universität) 1, 5, 9–43, 45, 51, 68, 70, 111, 114, 119, 121, 130, 135–139, 141, 143, 149, 151, 152, 154 Landtag/Ständeversammlung (Bayern) 58, 59, 61, 79, 85, 89, 97–101, 104, 105, 109–114, 116, 148, 153 Lerchenfeld, Maximilian Emanuel 104 Leveling, Heinrich Maria von 12 Leveling, Peter Theodor von 12 Löhnig, Martin 64, 162 Lotterieaffäre 83 Lübbers, Bernhard 137, 140, 157 Ludwig I. (von Bayern) 14, 35, 82, 89, 90, 135, 136, 138–141 Maihold, Harald 68, 75, 79, 86, 88, 90, 162 Mann, Christian von 62 Max(imilian) IV. Joseph (von Bayern) 10, 11, 13, 21, 24, 27, 33, 36, 43, 44, 47, 50–52, 54, 61, 63, 64, 68, 71–73, 84, 85, 89, 95, 101, 105, 110, 113, 135 Mayr, Karl Georg von 67, 159 Menz, Carl von 101 Mertens, Bernd 8, 10, 18, 49, 62, 64, 73, 78–81, 120, 132, 133, 162 Metternich, Klemens Wenzel 133 Meusel, Johann Georg 26, 162 Mieg, Arnold von 90 Miller, Joseph 101, 105, 162 Misch, Dieter 8, 162 Mittermaier, Carl Joseph Anton 42, 64, 82, 85–87, 91, 101, 104, 111, 115, 117, 162, 163 Moisy, Sigrid von 136–138, 163 Montgelas, Maximilian Joseph von 10, 11, 15, 17, 27, 28, 34, 36, 40, 47, 48, 50, 57, 58, 63, 64, 69, 79, 82, 83, 119 Morawitzky, Theodor Heinrich von 48 München (Universität) 11, 114, 135–143, 154
172
Personen- und Sachregister
Mussinan, Joseph 59, 97, 163 Napoleon I. 29, 37, 40, 47, 63, 95, 120, 125, 126, 129 Naucke, Wolfgang 81, 163 Nörr, Knut Wolfgang 96, 163 Oberappellationsgericht (München) 44, 45, 48, 55, 64, 93–95, 100, 102 Oersted, Anders Sandoe 77, 81, 82, 87, 88, 163 Permaneder, Michael 12, 13, 22, 163 Pfeiffer, Burchard Wilhelm 131, 134 Pflaum, Matthäus 7 Pfülf, Otto 137, 142, 163 Piloty, Robert 29, 163 Polley, Rainer 31, 41, 123, 127, 163 Prantl, Carl von 10–12, 23, 163 Preysing, Johann Maximilian von 49, 55, 56, 64 Puchta, Georg Friedrich 100, 142, 143 Puchta, Wolfgang Heinrich 100, 103, 105, 111, 116, 143, 163, 164 Pufendorf, Samuel 6 Püls, Georg Friedrich 6 Pütter, Johann Stephan 6, 7 Quistorp, Johann Christian 6 Radbruch, Gustav 2, 3, 15, 17, 25–27, 32, 51–53, 64, 65, 68–71, 73, 74, 76, 77, 82, 90, 92, 99, 111, 131, 141, 146, 150, 164 Reigersberg, Heinrich Aloys von 26, 42, 44–46, 48, 51–56, 61, 64, 65, 68, 73, 78, 82–85, 88, 89, 97–100, 104, 109, 110 Reiner, Gregor Leonhard 12 Reithofer, Franz Dionys 12, 26, 164 Reitzenstein, Sigismund von 31 Resch, Alfred 68, 89, 98, 164 Rheinbund 29, 37, 38, 40, 50, 51, 125, 126 Rheinpfalz 58, 61, 84, 96–99, 105, 114, 148
Ringseis, Johann Nepomuk 43, 136, 137, 139–142 Ritter, Johann Georg 6 Röschlaub, Andreas 12, 110 Rosenberg, Mathias 31, 164 Roth, Andreas 92, 164 Roth, Friedrich 32 Roth, Paul 32, 116, 164 Rückert, Joachim 36, 39, 41, 126, 132, 164 Rudorff, Adolph August Friedrich 143 Rumpel, Hubert 8, 164 Runde, Justus Friedrich 6 Sailer, Johann Michael 12, 14, 35, 36, 43, 46, 136–140, 157 Savigny, Kunigunde von 43 Schäfer, Frank L. 37, 42, 164 Schaffner, Luitpold 5, 7, 142, 164 Schaich, Michael 35 Schärl, Walter 46, 73, 78, 136, 164 Schelling, Friedrich Wilhelm 15, 24 Schenk, Eduard von 43, 136–142, 157 Schiel, Hubert 46, 136, 140, 164 Schimke, Maria 27, 48–51, 62, 93, 165 Schlegel, Friedrich von 137 Schmid, Alois 8, 165 Schmidt, Eberhard 3, 73, 74, 92, 165 Schmidtlein, Agnes 135 Schmidtlein, Eduard 135 Schmidtlein, Philipp von 73, 77, 79, 85, 90, 100, 103, 135, 153, 160 Schmidtmüller, Johann Anton 19 Schöler, Claudia 40, 120, 132, 133, 165 Schott, Johann 6 Schrank, Franz de Paula von 10, 11 Schreiber, Hans-Ludwig 73, 77, 81, 165 Schröder, Jan 5, 123, 165 Schröder, Rainer 133, 165 Schrödl, Anna 153 Schubert, Gernot 88, 90, 165 Schubert, Werner 47–49, 53–57, 94, 97, 103, 105–108, 117, 132, 158, 165 Schwarz, Friedrich Heinrich Christian 34 Schwarzenberg, Johann von 150
Personen- und Sachregister
Schweisthal, Patrick 86, 88, 90, 165 Seckendorf(f), Carl August von 26, 131 Seidensticker, Johann Anton Ludwig 40 Selchow, Johann Heinrich von 6 Socher, Joseph Lorenz Erdmann 12 Spiegel, Ludwig 128, 165 Spies, Ferdinand von 60, 79, 87–90, 103, 165 Spindler, Max 136, 138, 139, 165 Spörlein, Bernhard 5–7, 9, 10, 165 Steig, Reinhold 43, 165 Stengel, Nikolaus von 48 Stichaner, Joseph von 85 Stintzing, Roderich 2, 3, 9, 17, 32, 35, 39, 73, 75, 91, 104, 117, 127, 128, 131, 134, 150, 165 Stoll, Adolf 1–4, 31–37, 39, 42, 52, 111, 126–128, 137, 138, 142, 143, 166 Stolleis, Michael 5, 29, 106, 111, 114, 117, 166 Strafgesetzbuch (Bamberg) 7, 8, 151 Strafgesetzbuch (Bayern) 18, 20, 23, 27, 48, 52, 55, 60–92, 100, 103, 131, 135, 146–149, 152–154 Strafprozess 4, 65–67, 75, 84, 86, 89, 91, 94, 98, 100, 102, 146–148 Strasser, Stefan 10, 17, 19, 23, 41, 166 Studienplan 22–24, 121, 122, 152 Stürmer, Johann Baptist 78, 85, 86, 88, 90, 148 Stürzer, Joseph 100, 139 Svarez, Carl Gottlieb 150 Tamm, Ditlev 77, 166 Thibaut, Anton Friedrich Justus 16, 21, 31, 41, 42, 120–123, 127, 131, 132, 134, 143, 146, 166 Thierfelder, Rudolf 73, 166 Thiersch, Friedrich 111 Tiedemann, Friedrich 15, 34, 35 Törring, Joseph August von 49, 50, 55, 56, 64
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Trötsch, Georg 13, 59, 85, 86, 89, 90, 100, 101, 166 Ullheimer, Joseph 6 Ullmann, Emanuel 5, 166 Ungehorsamsstrafe 67, 146 Unterholzner, Karl August Domini kus 42, 142 Verfassung/Konstitution (Bayern) 49–51, 55, 57, 58, 60, 61, 63, 79, 84, 89, 97, 98, 104, 106, 109, 119 Völderndorff, Franz Alexander 100 Völderndorff, Otto 47, 56–58, 60, 61, 68–71, 100, 109, 141, 157, 166 Walter, Tonio 3, 25, 68, 166 Weber, Georg Michael 49, 111 Weis, Eberhard 17, 27, 47, 50, 53, 57, 63, 82, 83, 111, 131, 166 Welsberg, Johann Nepomuk von 55, 64 Wenning-Ingenheim, Johann Nepomuk von 114, 139 Wieacker, Franz 128, 132, 145, 166 Winnenthal, Eva Barbara van 7, 151 Wolf, Erik 25, 71, 128, 145, 166 Wrede, Karl Philipp 83 Zeiller, Franz von 74, 114, 119, 139, 149, 166 Zentner, Friedrich 9, 11, 13, 15–18, 22, 23, 27, 32–34, 42, 43, 49, 50, 55, 57, 59, 60, 64, 85, 88–90, 99, 100, 104, 110, 136, 138, 141, 154, 158 Zivilgesetzbuch (Bayern) 40, 41, 45–65, 70, 89, 106–111, 123, 132, 138, 141, 147–149, 152–154 (siehe auch Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis) Zivilprozessordnung (Bayern) 89, 92–105, 152, 154 (siehe auch Codex Juris Bavarici Judiciarii)